Einführung in Die Zahnerhaltung 8. Auflage
Einführung in Die Zahnerhaltung 8. Auflage
überarbeitete Auflage
Einführung in die
Zahnerhaltung
Prüfungswissen Kariologie, Endodontologie und Parodontologie
Deutscher
scher Zahnärzteverlag
närzteverlag
Token Er5tSU638bwJ for [email protected]
E. Hellwig | E. Schäfer | J. Klimek | T. Attin
Einführung in die Zahnerhaltung
Einführung in die
Zahnerhaltung
Prüfungswissen Kariologie, Endodontologie und Parodontologie
8. überarbeitete Auflage
Vorwort
Das Fach Zahnerhaltungskunde ist untergliedert in die Teilbereiche Restaurative und Präven-
tive Zahnerhaltung, Parodontologie, Kinderzahnheilkunde und Endodontie. Erneut wird die
Kinderzahnheilkunde in dem vorliegenden Lehrbuch nur begrenzt berücksichtigt, hier wird
auf einschlägige Lehrbücher dieses Spezialfachs verwiesen. Die Zahnerhaltung ist einem stän-
digen Wandel unterzogen. So sind seit der letzten Auflage speziell im Bereich Parodontologie
erhebliche Veränderungen festzustellen. Neben einer neuen Nomenklatur der Erkrankungen
und ihrer Diagnose wurde die Therapie der parodontologischen Erkrankungen mit der Defi-
nition veränderter Behandlungsstrecken neu gegliedert. Auch im restaurativen Bereich wur-
den neue Behandlungsempfehlungen kariöser Zahnerkrankungen definiert. In der nunmehr
achten Auflage wird daher neben dem üblichen Überblick über bewährte und aktuelle Diag-
nose- und Therapiemethoden in drei Bereichen des Fächerkanons Zahnerhaltungskunde die-
sen beiden Neuerungen spezielle Aufmerksamkeit gewidmet. Eine Überarbeitung eines Buchs
gestaltet sich häufig schwierig, und selbst bei größter Sorgfalt können sich Fehler einschlei-
chen. Wir würden uns daher freuen, wenn uns die Leserinnen und Leser mit Korrekturvor-
schlägen zur Seite stehen würden, und sind auch für Anregungen offen. Wir bedanken uns
beim Deutschen Zahnärzte Verlag für die erneut hervorragende Zusammenarbeit, ohne die
diese Neuauflage nicht möglich gewesen wäre.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezoge-
nen Hauptwörtern in diesem Buch die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe
gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte
Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Danksagung
Wir bedanken uns bei folgenden Personen für die wertvollen Tipps und die Mitarbeit an die-
sem Buch: ZÄ Kathrin Becker (Freiburg), PD Dr. Sebastian Bürklein (Münster), PD Dr. Andreas
Ender (Zürich), Prof. Dr. Marcella Esteves Oliveira (Bern), Dr. Stefanie Peikert (Freiburg), PD
Dr. Susanne Proksch (Freiburg), Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger (Freiburg), PD Dr. Philipp Sahr-
mann (Bern), Prof. Dr. Patrick R. Schmidlin (Zürich), PD Dr. Valerie Steiger-Ronay (Zürich),
Dr. Thomas Thurnheer (Zürich), Prof. Dr. Dirk Ziebolz (Leipzig), Dr. Priska Fischer (Freiburg),
Prof. Dr. Johan Wölber (Freiburg)
Inhaltsverzeichnis
3.1.3 Präventionsanamnese – 88
3.1.4 Orientierende extraorale Untersuchung – 88
3.1.5 Orientierende Untersuchung der Mundhöhle und der angrenzenden
Regionen – 90
3.1.6 Orientierende Untersuchung der Zähne und der Kaufunktion – 90
3.1.7 Orientierende Aufklärung und Beratung – 91
3.2 Erweiterte Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen, zur
konservierend- und prothetisch-restaurativen Versorgung sowie zum Zustand
des Endodonts (Zahnstatus) – 92
3.2.1 Kariesdiagnose – 98
3.2.2 Bestimmung der Kariesaktivität und des Kariesrisikos – 109
3.3 Spezielle Untersuchungen – 111
3.4 Therapieplanung (Kariesmanagement) – 114
4 Kariesprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.1 Ernährungsberatung und -lenkung – 124
4.1.1 Grundlagen – 124
4.1.2 Bestimmung der Zahngefährdung durch Nahrungsmittel – 126
4.1.3 Durchführung der Ernährungsberatung und -lenkung – 128
4.1.4 Kalorische und nicht kalorische Süßungsmittel – 128
4.2 Kariesprophylaxe mit Fluoridverbindungen – 131
4.2.1 Fluoridzufuhr, Fluoridaufnahme und Fluoridmetabolismus – 131
4.2.2 Fluoride als Kariostatika – 134
4.2.3 Reaktion von Fluoriden mit Zahnhartsubstanzen und Plaque – 140
4.2.4 Kariostatischer Wirkungsmechanismus von Fluoriden – 143
4.2.5 Wirksamkeit fluoridhaltiger Kariostatika – 150
4.2.6 Toxikologie der Fluoride – 152
4.3 Fissurenversiegelung – 154
4.3.1 Indikationen – 155
4.3.2 Materialien – 157
4.3.3 S3-Leitlinie Fissuren- und Grübchenversiegelung – 158
4.4 Mundhygiene, chemische Plaquekontrolle, Entfernung von Zahnverfärbungen,
Mundgeruch – 163
4.5 Zusätzliche kariespräventive Maßnahmen – 168
4.6 Konsequenzen für die Therapie – 175
II Endodontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
8 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707
1
2
3
4
5
a b 6
Abb. 1.3: Schematische Darstellung des histologischen Aufbaus menschlichen Zahnschmelzes. Die
Schmelzhaube des Zahnes besteht aus Prismen, die in gewundener Form von der Schmelz-Dentin-Grenze 7
bis zur Schmelzoberfläche verlaufen. Die Prismen erscheinen im Querschnitt in verschiedenen Formen. Die
3 häufigsten Konfigurationen sind (von oben nach unten): Schlüssellochtyp, Hufeisentyp, zylindrischer Typ
(nach Höhling 1966). 8
wechselnd dunkle und helle Streifen unterscheiden. Da die Schmelz- 9
prismen sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung ge-
schwungen verlaufen, werden sie im Schnitt an einigen Stellen quer, an
anderen längs zur Verlaufsrichtung getroffen. So entsteht im polarisa-
10
tionsmikroskopischen Bild die angesprochene Streifung.
Im Längsschnitt (s. Abb. 1.4) lassen sich an der Zahnoberfläche Ver- 11
tiefungen (Perikymatien) erkennen.
Ihre Anzahl nimmt von zervikal nach koronal ab. Es handelt sich 12
hier um Linien, die bei Zähnen Jugendlicher sehr gut auch makrosko-
13
Perikymatien
14
15
Dentin
16
Pulpa 17
a b
18
Abb. 1.4: Schematische Darstellung eines Längsschnitts durch eine Zahnkrone.
a) Im Zahnschmelz sind Wachstumslinien (Retzius-Streifen) zu erkennen, die im
zervikalen Bereich zur Schmelzoberfläche hin auslaufen. Im koronalen Bereich 19
stehen sie halbkreisförmig auf dem Dentinkern. b) In der Ausschnittsvergröße-
rung des mit dem Pfeil markierten Bereichs lässt sich erkennen, dass die Retzius-
Streifen auf der Schmelzoberfläche in Vertiefungen (Perikymatien) enden (nach 20
Mjör und Fejerskov 1979).
1.2 Dentin
Auch wenn man heute von einer funktionellen Einheit der Pulpa und
des Dentins ausgeht, so wird aus Gründen der Übersichtlichkeit im Fol-
genden Dentin als Einzelkomponente beschrieben.
ordnet, sondern sind je nach Art des Dentins mehr oder weniger dicht
gepackt. 1
Dentin ist hochelastisch und verformbar. Es ist weniger hart als 2
Schmelz und besitzt eine gelbliche Farbe. Da Dentin sehr „porös“
ist, weist es eine wesentlich höhere Permeabilität als Schmelz auf.
3
1.2.2 Histologische Struktur 4
Dentin wird von Odontoblasten gebildet. Odontoblasten sind hochdif- Dentinkanälchen 5
ferenzierte Zellen mesenchymalen Ursprungs, die ähnlich wie Nerven-
zellen nach ihrer Differenzierung nicht mehr ersetzt werden. Die Odon-
toblastenkörper befinden sich in der Zahnpulpa. Es ist bisher nicht
6
geklärt, ob ihre Zellfortsätze das gesamte Dentin bis zur Schmelz-Dentin-
Grenze durchziehen oder ob sie nur bis zu einem Drittel in dem Dentin- 7
Kanälchen zu finden sind. Die Odontoblastenfortsätze werden von
5–8 nm großen Filamenten durchzogen. Sie liegen in den Dentinkanäl- 8
chen und unterhalten das Dentin auch nach Abschluss der Zahnbildung
physiologisch. Die Odontoblastenfortsätze weisen 0,35–0,6 μm dicke 9
Seitenäste (Mikrovilli) auf, die tief in das intertubuläre Dentin hineinzie-
hen und mit benachbarten Mikrovilli in Verbindung stehen. Die Dentin-
kanälchen sind im koronalen Bereich eines Zahnes s-förmig gekrümmt,
10
im Wurzelbereich verlaufen sie geradlinig nach außen (s. Abb. 1.5).
11
inter-
tubuläres Manteldentin
12
Schmelz Dentin
Dentin
peri-
odonto- zirkum-
13
blastischer pulpales
Raum Dentin
Pulpa
peri- 14
tubuläres
Dentin
Zwischen-
Zement
Odonto- dentin 15
blasten- altes
fortsatz
Prädentin
junges
16
Odontoblast
a b 17
Abb. 1.5: Schematische Darstellung der Dentinstruktur und der Dentinkanälchen. a) Die gestrichelten Linien
geben den Verlauf der Dentinkanälchen wieder. Sie verlaufen im koronalen Bereich s-förmig von der Pulpa 18
bis zur Schmelz-Dentin-Grenze. b) Das Dentin lässt sich in verschiedene Zonen einteilen. Die Odontoblasten
liegen an der Pulpa-Dentin-Grenze. Es folgt nach peripher das nicht mineralisierte Prädentin, das Zwischen-
dentin mit der Mineralisationsfront, das zirkumpulpale Dentin und anschließend bis zur Schmelz-Dentin- 19
Grenze das Manteldentin, das viele Verzweigungen der Dentinkanälchen enthält. Die Dentinkanälchen ent-
halten den Odontoblastenfortsatz und den periodontoblastischen Raum, der mit Flüssigkeit gefüllt ist. Im
zirkumpulpalen Dentin und im Manteldentin sind die Kanalwände von dicht mineralisiertem, peritubulärem 20
Dentin ausgekleidet. Zwischen den Dentinkanälchen liegt das intertubuläre Dentin.
Im Querschnitt ergeben sich für das pulpanahe Dentin und das pul-
paferne Dentin verschiedene Werte für Anzahl und Dichte der Dentin-
kanälchen. Der Durchmesser und das Volumen der Dentinkanälchen
hängen natürlich auch vom Alter des untersuchten Zahnes ab. Bei Zäh-
nen junger Menschen wird in der Literatur als durchschnittlicher Wert
für den Durchmesser der pulpanahen Dentinkanälchen 4–5 μm angege-
ben. Ungefähr 80% der Gesamtquerschnittsfläche des Dentins bestehen
pulpanah aus den Lumen der Dentinkanälchen. Peripher beträgt dieser
Wert nur etwa 4% (im entkalkten Präparat). Absolute Zahlen zum
Durchmesser, zur Dichte und Häufigkeit der Dentinkanälchen müssen
immer kritisch betrachtet werden, da sie individuell sehr unterschied-
lich sind und zudem sehr stark von den angewendeten Untersuchungs-
parametern abhängen. Die angegebenen Relationen sind für pulpana-
hes und -fernes Dentin jedoch prinzipiell richtig.
In den Kanälchen sind die Odontoblastenfortsätze häufig von Flüs-
sigkeit und organischen Strukturelementen umgeben (periodontoblasti-
scher Raum). Nervenfasern lassen sich nur in einzelnen Tubuli des Prä-
dentins nachweisen. Im peripheren Dentin befinden sich keine Nerven-
endigungen.
Dentinschichten An der Grenze zur Pulpa liegt das nicht vollständig ausgereifte, hy-
pomineralisierte Prädentin.
Es folgen nach außen eine Zone der Mineralisation (Zwischenden-
tin), das zirkumpulpale Dentin und das weniger stark mineralisierte
Manteldentin. Dieses bildet mit dem Zahnschmelz eine arkadenför-
mige Grenzlinie und ist sehr stark von Seitenästen der Dentinkanälchen
durchzogen.
Die Dentinkanälchen sind von peritubulärem Dentin umgeben.
Dieses kleidet die Kanalwände aus. Es ist homogen, dicht und am stärks-
ten von allen Dentinstrukturen mineralisiert. Es kann im Alter durch
Apposition zunehmen (sklerosiertes Dentin). Durch Einengung der
Dentinkanälchen ist jedoch auch die Möglichkeit für die Pulpa gegeben,
sich vor äußeren Reizen zu schützen. Intertubuläres Dentin trennt die
Dentinkanälchen voneinander. Es ist weniger dicht mineralisiert und
besteht zu über 50% aus kollagenem Flechtwerk.
1.3 Wurzelzement
Nur selten findet man Zementinseln und -zungen auch auf der
Schmelzoberfläche menschlicher Zähne (meistens im zervikalen Be-
reich). Auch in den Fissuren noch nicht durchgebrochener Zähne ist
dieser Zementtyp zu beobachten. Es handelt sich dabei um azellulär-
afibrilläres Zement. Die Schmelz-Zement-Grenze ist nicht immer ein-
heitlich konfiguriert. Während in 30% der Fälle Schmelz und Zement
direkt aneinanderstoßen, liegt in 10% der Zähne ein kurzer Bereich des
Dentins frei. Bei 60% der Zähne ist das Zement dem zervikalen Schmelz
überlappend aufgelagert (s. Abb. 1.6).
Struktur und Das Zement ähnelt in seiner Struktur und Härte (30–50 KHN) dem
Härte menschlichen Knochen, ist im Gegensatz zu ihm jedoch nicht vaskula-
risiert. Zement gehört zum Zahnhalteapparat, da an ihm die Parodon-
talfasern haften, die die Zähne in der Alveole beweglich befestigen.
Zusammenset- Zement ist in seiner Zusammensetzung und Dicke weniger konstant
zung und Dicke als Schmelz und Dentin. Es ist die am wenigsten mineralisierte Zahn-
hartsubstanz. Sein Mineralgehalt beträgt ungefähr 65 Gew.-%, die orga-
nische Komponente 23 Gew.-%, der Rest ist mit 12 Gew.-% Wasser. Der
anorganische Anteil besteht vornehmlich aus Kalzium und Phosphat in
Form von Apatitkristallen oder amorphen Kalziumphosphaten (vor-
nehmlich bei neu gebildetem Zement). Der organische Anteil besteht zu
Schmelz Schmelz
Dentin
Zement
Pulpa
azelluläres
Faserzement
dento-alveoläre
Fasern
zelluläres
Faserzement
a b
Abb. 1.6: a) Lokalisation und Verteilung des zellulären und des azellulären Faserzements auf der Wurzelober-
fläche im Zahnlängsschnitt. b) Das Zement kann nach koronal direkt an den Zahnschmelz angrenzen, einen
kleinen Dentinbereich unbedeckt lassen oder den Schmelz überlappen (nach Mjör und Fejerskov 1979).
über 90% aus Kollagen. Die genaue Zusammensetzung der restlichen or-
ganischen Substanz ist bisher nicht geklärt. 1
2
1.3.2 Histologische Struktur
Wie andere Stützgewebe des Körpers ist auch Zement aus Zellen
3
und interzellulärer Substanz zusammengesetzt.
4
Die Dentinoberfläche ist mit einer Schicht stark mineralisierten Ze- Zonen
ments bedeckt (bis 10 μm dick). Nach außen folgen lamellenförmig 5
stärker und weniger stark mineralisierte Zonen, die Ausdruck periodi-
scher Zementbildungsphasen und Ruhephasen sind.
Im koronalen Drittel der Zähne befindet sich azelluläres, fibrilläres Sharpey-Fasern
6
Zement (Faserzement, s. Abb. 1.6a). Es enthält keine Zellen, jedoch
zahlreiche kollagene Fibrillen, die homogen mineralisiert sind und na- 7
hezu senkrecht zur Dentinoberfläche verlaufen. Sie sind Ausdruck der
inserierenden parodontalen Fasern (Sharpey-Fasern). Die Fasern kön- 8
nen ihre Verlaufsrichtung zwischen den einzelnen Wachstumslinien
verändern. Diese Richtungsänderungen kommen durch posteruptive 9
Zahnbewegungen bei gleichzeitigem Zementanbau zustande. Senkrecht
zu den einstrahlenden parodontalen Fasern liegen die zementeigenen
Fasern, welche die Insertion unterstützen. Die Wachstumslamellen sind
10
wenig stark ausgeprägt, da die Zementbildung und -neubildung sehr
langsam stattfindet. Die Oberfläche azellulären Faserzements ist stärker 11
mineralisiert als die mittleren Zementschichten. Ihr liegt eine 3–8 μm
dicke unstrukturierte Zone, das Zementoid, auf, in dem sich Zemento- 12
blasten befinden können.
Auch im apikalen Bereich der Zahnwurzeln und im Bereich der Bi- Apikaler Bereich 13
und Trifurkationen mehrwurzeliger Zähne ist das Zement von senk-
recht zur Zahnoberfläche einstrahlenden Fasern und dickeren Faserbün-
deln durchzogen, die jedoch weniger mineralisiert sind. Senkrecht zu
14
den einstrahlenden Sharpey-Fasern finden sich wieder zahlreiche Fa-
sern und Faserbündel, die parallel zur Wurzeloberfläche liegen. In Ze- 15
mentlakunen liegen Zementozyten, deren Fortsätze sich in Zementka-
nälchen befinden und in alle Richtungen ausstrahlen. In diesem zellu- 16
lär-fibrillären Zement können schwach mineralisierte Zonen mit stark
mineralisierten Zonen abwechseln. Es gibt auch Schichten azellulär-fi-
brillären Zements. Peripher findet man wieder ein Zementoid mit Ze-
17
mentoblasten.
18
Zement wird zeitlebens gebildet und aufgelagert.
19
Es kann im Verlauf von 60 Jahren seine Dicke verdreifachen; dabei ge-
hen die Zementozyten der inneren Schichten zugrunde und es entste- 20
hen leere Zementlakunen.
genetische
Zahnarzt Variablen
Gesundheits- soziales
verhalten Umfeld
Wirt
Zahnmorphologie Substrat
Zahnstellung Nahrungsmittel-
chemische Zusammensetzung zusammensetzung
der Zahnhartsubstanzen Häufigkeit der
Speichelmenge Nahrungsaufnahme
Speichelqualität xxx Eliminationszeit
immunologische xxxx Karies
Faktoren xxxxx
Plaque Ein-
Bildung kommen
Plaquebildungsrate
Bakterienspezies
Erwartungshaltung
Gesundheits-
politik Nationalität
Abb. 2.2: Schematische Darstellung der wichtigsten ätiologischen Faktoren, die für die Entstehung einer
Karies verantwortlich sind. Erst das Zusammenwirken der 3 Hauptfaktoren führt zur Zerstörung der Zahn-
hartgewebe.
Plaque
Plaque ist ein strukturierter, zäher, verfilzter Zahnbelag (Biofilm) aus
Speichelbestandteilen, bakteriellen Stoffwechselprodukten, Nahrungs-
resten und Bakterienzellen (s. auch Kap. 16.1).
4
Die supragingivale Plaque ist primär an den habituell unsauberen Supragingivale 5
Bereichen der Zähne (Kariesprädilektionsstellen, Abb. 2.3) lokalisiert. Plaque
Diese besonders kariesdisponierten Bereiche sind die Zahnfissuren und
-grübchen, Approximalflächen der Zähne, das zervikale Drittel der
6
sichtbaren Zahnkronen und freiliegende Wurzeloberflächen.
Die Entwicklung der Zahnplaque vollzieht sich in mehreren Schrit- Entwicklung der 7
ten: Zahnplaque
Auf einer gründlich gereinigten Zahnoberfläche adsorbiert ein un- 8
strukturierter azellulärer Film (acquired pellicle, sekundäres Zahn-
oberhäutchen). Dieses Häutchen (0,1–1 μm) besteht in erster Linie 9
aus den Proteinen des Speichels (saure prolinreiche Proteine, Glyko-
proteine, Serumproteine, Enzyme, Immunglobuline), die aufgrund
ihrer Eigenladungen an die Kalzium- und Phosphatgruppen des
10
Apatits der Zahnhartsubstanzen elektrostatisch binden können. Die
Pellikel ist semipermeabel, d.h., sie steuert in einem gewissen Aus- 11
maß die Austauschvorgänge zwischen Mundhöhlenmilieu, Plaque
und Zahn. Sie befeuchtet zudem den Zahn und schützt ihn so beim 12
Essen vor Abrasion.
An diese Membran heften sich innerhalb weniger Stunden als Früh-
13
besiedler selektiv zuerst grampositive Kokken (Streptococcus saliva-
rius, Streptococcus sanguinis, Streptococcus oralis, Streptococcus mitis)
und Aktinomyzeten an. Später folgen weitere Streptokokken und
14
Veillonellen, aber auch Prevotella, Eikenella spp., Capnocytophaga
spp., Haemophilus spp. und Propionibacterius spp. Stäbchen und Fila- 15
mente überwiegen in einer 7–14 Tage alten Plaque.
Die Plaque wächst dann durch Teilungsvorgänge bzw. Akkumula- 16
tion weiterer Bakterien über spezifische Adhäsions- und Kohäsions-
phänomene, durch direkten Zellkontakt oder mit Hilfestellung
durch Plaquematrixkomponenten. Typische Spätbesiedler sind bei-
17
spielsweise Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Treponema denti-
cola, Porphyromonas gingivalis und Prevotella intermedia. Frühbesied- 18
ler koaggregieren mit verschiedenen anderen Frühbesiedlern, aber
nicht mit Spätbesiedlern. Spätbesiedler koaggregieren kaum unterei- 19
nander. Fusobacterium nucleatum besitzt die Eigenschaft, mit
Früh- und Spätbesiedlern zu koaggrigieren; daher kommt diesem 20
Mikroorganismus eine extrem wichtige Brückenfunktion zu. Es ist
Eubacterium
spp. A. actino-
mycetem-
S. flueggei comitans
P. gingi-
T. denticola valis
V. dispar
Capnocyto- A.
phaga isralii H. pylori
sputigena
P. denti- P. inter-
Actino- cola media
myces Fusobacterium
naes- nucleatum
luncii Strepto-
coccus subsp. nucleatum
C. gingi-
P. loe- valis
scheii
Fuso- H. para-
bacterium influ-
nucleatum enzae
subsp. S. gor-
nucleatum donii
Actino-
myces Capnocyto-
serovar phaga
S. gor- ochracea
V. aty- donii A. isralii
pica S.
oralis
S.
mitis
Pellikel
Zahn
Abb. 2.4: Typisches Adhäsionsverhalten oraler Mikroorganismen bei der Bildung eines supragingivalen
Biofilms (nach Kolenbrander et al. 1999)
Bestandteile Ausgereifte Plaque besteht aus dicht gepackten Bakterien (60–70 Vol.-%),
die in ein amorphes Material, die Plaquematrix, eingebettet sind. Die
Matrix ermöglicht den Zusammenhalt der Bakterien und die Haftung
des Biofilms an Oberflächen. Sie besteht aus extrazellulären polymeren
Substanzen, wie z.B. geladenen (vorwiegend anionischen) oder auch
neutralen Proteinen, Polysacchariden, Nukleinsäuren und Lipiden. Der
Stoffwechsel der Bakterien innerhalb des Biofilms differiert sehr stark.
hemmend fördernd
antimikrobielle Substanzen adhäsions- und wachstumsfördernde
1
im Speichel (z.B. Immunglobuline, Substanzen im Speichel und in der Nahrung
Lactoferrin) oder in der Nahrung (z.B. Saccharose, Kalzium, Spurenelemente)
(z.B. Konservierungsmittel) bakteriell produzierte Substanzen 2
Mundhygiene (z.B. Lipoteichonsäure, Glykosyltransferase)
Soft-Chemotherapie verminderter Speichelfluss
3
lokale ökologische Gegebenheiten 4
5
Oberflächen- Co-Aggregation, spezifische
Abscher- phänomene Co-Adhäsion,
Oberflächen- und 6
kräfte (Benetzung, Bildung unspezifische
(z.B. Kauen) intermikrobieller rauigkeiten
Hydrophobie) Adhäsion
Matrix
7
8
Bildung von oberflächenaktiven Substanzen, Schmelz-
die für andere Bakterien oberhäutchen
wachstums- oder adhäsionshemmend sind 9
Abb. 2.5: Die bakterielle Besiedelung von Zahnoberflächen ist neben einer passiven Retention in mikrosko-
pischen und makroskopischen Zahnvertiefungen und -unregelmäßigkeiten durch komplexe Adhäsions-
10
phänomene gekennzeichnet. Neben physikochemischen Adhäsionskräften (z.B. Van-der-Waals-Bindungs-
kräften) können sich Bakterien auch über spezifische Bindungsmoleküle (Adhäsine) an Rezeptoren der
Pellikel binden. Aber auch lokale ökologische Faktoren (z.B. Speichelbestandteile) und von Bakterien 11
exprimierte Substanzen (z.B. Teichonsäure, Glykosyltransferase) erlauben eine Anheftung.
12
Die Bakterien an der Biofilmoberfläche sind normal groß und sehr stoff-
wechselaktiv. Ihnen stehen ausreichend Nahrung und Sauerstoff zur 13
Verfügung. Sie zeigen ähnliche Eigenschaften wie planktonische Bakte-
rien. Die Bakterien der tieferen Biofilmschichten haben einen reduzier-
ten Stoffwechsel und ein reduziertes Nahrungsangebot. Sie befinden
14
sich häufig in einer ruhenden Phase, zeigen eine geringe Zellteilungs-
rate und ihre Größe ist geringer. 15
Die Plaque ist in diesem Zustand durch die Selbstreinigungskräfte
der Mundhöhle nicht mehr vom Zahn zu entfernen. Dabei variiert die 16
bakterielle Besiedelung an verschiedenen Stellen der Mundhöhle und
sogar an verschiedenen Flächen eines Zahnes. Auch die Zusammenset-
zung der Plaquematrix ist variabel. Sie hängt von Speichelzusammen-
17
setzung, Ernährung und Syntheseleistung der verschiedenen Plaque-
bakterien ab. 18
Plaque ist ein notwendiger Faktor für die Kariesentstehung. Ihre 19
Metaboliten sind für die Demineralisation der Zahnhartsubstanzen
verantwortlich. 20
Saccharose Glukose
Fruktose Saccharose-6-P
Fruktose Glukose-6-P
extrazelluläre
Polysaccharide Synthese intrazellulärer
Polysaccharide
PEP Glykolyse
PTS
organische Säuren
(z.B. Milchsäure)
Abb. 2.6: Saccharosestoffwechsel von Streptococcus mutans. Durch die Bildung von klebrigen extrazellulä-
ren Polysacchariden wird den Plaquebakterien eine zusätzliche Möglichkeit der Adhäsion an der Zahnober-
fläche ermöglicht. Die Bildung von organischen Säuren führt zur Demineralisation von Zahnhartsubstan-
zen (PEP-PTS = Phosphoenolpyruvat-Phosphotransferasesystem).
Abb. 2.7: Ökologische Veränderungen als Ursache für die Ausbildung eines kariogenen Milieus und der da-
11
durch bedingten Demineralisationserscheinungen der Zahnhartsubstanzen
12
Die Mineralisation erfolgt über den Speichel, der eine kalziumüber-
sättigte Lösung ist. Die Gründe für die Präzipitation der anorganischen 13
Substanzen sind bisher nicht bekannt. Die Bildung von Kalziumphos-
phat-Kristalliten (Brushit = CaHPO4 × 2 H2O) beginnt meist in der
Plaquematrix durch Ausfällung (Kristallisationskeime). Später „verkal-
14
ken“ auch die Bakterienzellen selbst. In jungem Zahnstein findet man
auch Oktakalziumphosphat [Ca8(HPO4)2(PO4)4], das sich zum Teil 15
durch Umwandlung aus Brushit bildet. Auch Whitlockit [Ca3(PO4)2]
wurde analysiert. Sowohl Oktakalziumphosphat als auch Whitlockit 16
können sich, speziell in Anwesenheit von Fluorid, in Apatit umwan-
deln. Alter Zahnstein ist lamellenförmig strukturiert, d.h., er wird offen-
sichtlich periodisch gebildet und aufgelagert. Zahnstein ist oft von einer
17
Plaqueschicht bedeckt.
18
Substrat
19
! Qualität und Quantität der menschlichen Nahrung und die Häu-
figkeit der Nahrungsaufnahme sind entscheidende Faktoren bei
der Kariesentstehung.
20
Die Abkehr von der Aufnahme naturbelassener Nahrung und die gleich-
zeitige Entwicklung neuer Energieträger durch verfeinerte technologi-
sche Möglichkeiten der Nahrungszubereitung führten zu erheblichen
Veränderungen in der Nahrungsmittelzusammensetzung und -qualität
in den industrialisierten Ländern. Obwohl die Nahrung grundsätzlich
während der Zahnentwicklung systemisch die Mineralisation und
Struktur der Zahnhartgewebe beeinflussen kann, konnte bisher keine
eindeutige Korrelation zwischen Mangelernährung und Kariesbefall
nachgewiesen werden. Im Gegenteil, die Menschen der hoch industria-
lisierten Länder weisen i.d.R. eine höhere Kariesmorbidität auf als die
der weniger wohlhabenden Länder. Schlecht mineralisierte Zähne sind
keineswegs grundsätzlich mit einem höheren Kariesrisiko behaftet als
normal ausgebildete.
Wirt
Speichel Es gibt große individuelle Unterschiede bei der Kariesentstehung und
-progression. Zahnfehlstellungen, Mikrodefekte der Zahnoberfläche, be-
stimmte Zahnhartsubstanzanomalien, die mit einer verstärkten Plaque-
retention einhergehen, und andere lokale Faktoren begünstigen die
Entstehung kariöser Läsionen. Insbesondere Speichel spielt als Kofaktor
eine entscheidende Rolle bei der Kariesentstehung bzw. -prävention.
In seiner Gesamtheit stellt der Speichel ein wichtiges natürliches
Schutzsystem dar und übt zahlreiche Funktionen aus, die in der Tabelle
2.1 in Übersichtsform dargestellt sind. Überdies ist Speichel ein wichti-
ger Faktor für die Anfeuchtung und Durchmischung der Nahrung und
zudem unentbehrlich für die Geschmacksempfindung. Dabei werden 1
Nahrungskomponenten im Speichel gelöst und können so mit den Re-
zeptoren in den Geschmacksknospen interagieren. In diesem Zusam- 2
menhang wurde die karbonische Anhydrase IV als Mediator für diese
Funktion beschrieben.
Die drei großen, paarigen Speicheldrüsen sezernieren gemeinsam
3
mit den kleinen Speicheldrüsen täglich eine Gesamtmenge von ca. 0,7 l
(0,5–1,0 l) Speichel. Der Speichel kleidet die Mundhöhle mit einem 4
dünnen Film aus (0,1 μm). Der Speichelfluss unterliegt im Tagesablauf
einem zirkadianen Rhythmus und wird durch emotionale, psychische 5
und Umweltfaktoren beeinflusst. Durch Kautätigkeit und Reizung der
Geschmacksrezeptoren oder Sinnesnerven wird der Speichelfluss ange-
regt. Zu einer Verminderung (Oligosalie, Xerostomie) kann es durch
6
Einnahme zahlreicher verschiedener Medikamente (z.B. Psychophar-
maka, Appetitzügler, blutdrucksenkende Mittel, Antihistaminika, Di- 7
uretika, Zytostatika), systemische Erkrankungen (z.B. Sjögren-Syndrom,
Diabetes mellitus, neurologische Erkrankungen, Speicheldrüsenerkran- 8
kungen), Bestrahlungstherapie bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, psy-
chogene Störungen und vermindertes Kauvermögen kommen. 9
Der Primärspeichel in der Speicheldrüse entspricht in seiner Zusam-
mensetzung weitestgehend dem Blutplasma. Während der Sekretion
ändert sich allerdings die Ionenkonzentration.
10
Die Sekretionsraten, der pH-Wert und die Pufferkapazität in Ruhe
und nach Stimulation sind in der Tabelle 2.2 dargestellt. 11
In Abhängigkeit von der Speichelfließrate werden Kohlenhydrate
und Säuren aufgelöst und beseitigt (Clearance). 12
Der Gesamtspeichel besteht aus Wasser (99%) und anorganischen Zusammen-
oder organischen Substanzen, deren Konzentration individuell stark va- setzung 13
riiert. Die wichtigsten anorganischen Bestandteile sind Natrium, Ka-
lium, Kalzium, Phosphat, Chlorid, Magnesium, Hydrogenkarbonat und
Fluorid. Die großen Drüsen sezernieren Speichel mit unterschiedlichen
14
Elektrolytkonzentrationen. In der Mundhöhle sammeln sich neben
dem sezernierten Speichel auch Sulkusflüssigkeit, Nahrungsreste, zellu- 15
läre Bestandteile (Epithelzellen, Granulozyten) und Bakterien an.
16
Tab. 2.1: Funktion des Speichels und einzelner Speichelkomponenten
Funktion Beteiligte Speichelkomponenten
17
1. Spülfunktion Gesamtflüssigkeit
2. Pufferung von Säuren Bikarbonat, Phosphat, Proteine 18
3. (Re-)Mineralisation Fluorid, Phosphat, Kalzium, Statherin
4. Beschichtung Glykoproteine, Muzin 19
5. Antibakterielle Aktivität Antikörper, Lysozym, Laktoferrin, Laktoperoxidase
6. Andauung von Nahrung Amylase, Proteasen
20
200 mm
Schmelzprismen
transluzente Zone
dunkle Zone
Läsionszentrum
intakte" Oberflächenschicht
Retzius-Streifen
Pellikel
Hydroxylapatit
intakte
Oberflächenschicht
1 2
HL HL L H
+
Zucker
H+ Ca
2+
+ HPO42 -+ H2O
CaHPO4 L
3
CaHPO4
2+
Ca + HPO42-
Plaque
transluzente Zone
Abb. 2.10: Vereinfachte Darstellung der chemischen Vorgänge bei der Entstehung
einer initialen Schmelzkaries mit Ausbildung einer „intakten“ Oberflächenschicht.
Die einzelnen Reaktionsschritte 1–3 sind im Text erklärt.
Der Begriff „initiale Karies“ wird sowohl für die meist mit Plaque be-
deckte aktive initiale Schmelzkaries als auch für die inaktive, arre-
tierte und ruhende Schmelzkaries verwendet.
Klinik Klinisch stellt sich eine aktive Karies des Schmelzes wie oben be-
schrieben als kreidige Verfärbung der Schmelzoberfläche dar, ohne dass
die Kontinuität der Oberfläche unterbrochen ist. Eine arretierte Läsion
besitzt eine glänzende, glatte, sehr harte und oft bräunlich verfärbte
Oberfläche. Die Verfärbungen entstehen während der Remineralisati-
onsphasen durch Einlagerung exogener Farbstoffe, z.B. aus Tabak, Tee
oder verschiedenen Nahrungsmitteln. Man kann vereinfacht formulie-
ren, dass eine arretierte, inaktive Kariesläsion eine „Narbe“ im Zahn-
hartgewebe ist, da selbst unter optimalen Bedingungen in den tieferen
Schichten der Läsion kein vollständiger Ersatz des verloren gegangenen
Minerals stattgefunden hat.
Abb. 2.12: Schematische Darstellung der verschiedenen Stadien der Dentinkaries: a) Schon vor der
10
Schmelzkavitation reagiert die Dentin-Pulpa-Einheit auf den kariösen Reiz mit histopathologischen Verän-
derungen. An der Pulpa-Dentin-Grenze entsteht Tertiärdentin. Nach peripher folgen eine Schicht norma-
len Dentins, die Zone der Sklerose, der „dead tracts“ und an der Schmelz-Dentin-Grenze die Zone der De-
11
mineralisation. b) Nach der Schmelzkavitation dringen Mikroorganismen in die Dentinkanälchen vor (Zone
der Penetration). Die kariöse Entmineralisierung in der Zone der Demineralisation wird stärker. Die Karies
breitet sich an der Schmelz-Dentin-Grenze unterminierend aus. c) Im fortgeschrittenen Stadium sind die
12
Dentinkanälchen massiv infiziert. In der Zone der Nekrose findet man zerfallenes und verflüssigtes Dentin
sowie Bakterien mit vornehmlich proteolytischer Aktivität. Die „dead tracts“ sind oft nicht mehr vorhan-
den. Es gibt dann auch keine Schicht normalen Dentins mehr über der Pulpa (nach Schröder 1991). 13
muniziert (dead tract). Diese Strukur besitzt eine höhere Permeabilität
als normales Dentin.
14
Zur Schmelz-Dentin-Grenze hin schließt sich die Zone der Demine- Demineralisation
ralisation an. Diese Zone erscheint im lichtmikroskopischen Bild un- 15
verändert. Derartige Dentinläsionen lassen sich meist im approximalen
Bereich der Zähne röntgenologisch diagnostizieren. Sie können bei Be- 16
seitigung der kariogenen Noxen zum Stillstand kommen und sogar par-
tiell remineralisieren. Werden die Ursachen nicht beseitigt, schreitet die
Karies weiter voran. Es kommt zur Kavitätenbildung, und Bakterien
17
dringen in die Tiefe und zerstören durch proteolytische Enzyme auch
die organischen Bestandteile des Schmelzes und des Dentins. Die Reak- 18
tion der Pulpa hängt von der Progressionsgeschwindigkeit und von der
bakteriellen Invasion im Dentin ab. 19
Eine fortgeschrittene Dentinkaries weist zu den oben genannten Penetration
noch zwei weitere histologische Zonen auf. Peripher zur Zone der Demi- 20
neralisation folgt die Zone der Penetration. Hier sind Bakterien (vor-
Eine arretierte (inaktive) Wurzelkaries besitzt eine glatte, glän- Inaktive Wurzel-
zende Oberfläche, die sich beim Sondieren mit moderatem Druck hart karies 1
anfühlt. Meist sind inaktive Läsionen nicht von einer Plaque bedeckt.
Selbstverständlich gibt es zwischen diesen Formen unterschiedliche Ma- 2
nifestationen der Karies, die Übergangsformen zwischen aktiven und
inaktiven Läsionen darstellen. Bei der Unterscheidung zwischen aktiver
und inaktiver Läsion ist die Oberflächenhärte entscheidender als die
3
Farbbestimmung.
4
2.1.5 Milchzahnkaries 5
Milchzähne besitzen eine geringere Hartgewebemasse als permanente
Zähne. Die Karies erreicht also bei gleicher Ausbreitungsgeschwindig-
6
keit schneller die Pulpa.
7
Die Milchzahnkaries unterscheidet sich aber weder ätiologisch
noch histologisch von der Karies bleibender Zähne. 8
9
2.1.6 Spezielle Kariesformen
Plaque
Füllung Sekundärkaries
Kariesrezidiv Schmelz
Dentin
Pulpa
Kavitätenwand-
überstehender läsion
Füllungsrand
Dentinläsion
Schmelz
b Spalt
sich häufig nur auf der Basis einer epidemiologischen Studie voraussa-
gen. 1
Zur Erhebung epidemiologischer Daten über die Ausbreitung und Erhebung epi-
Häufigkeit der Karies werden in erster Linie Querschnittsuntersuchun- demiologischer 2
gen durchgeführt. Diese sammeln retrospektiv oder aktuell Daten zu Daten
einem bestimmten Zeitpunkt. Demgegenüber erstrecken sich Longitu-
dialstudien über einen definierten Zeitraum, vergleichen also die Krank-
3
heitshäufigkeit zu Anfang mit der am Ende eines Untersuchungszeit-
raums. Bei diesen Untersuchungen werden häufig die Begriffe Kariesin- 4
zidenz (Kariesbefall = Anzahl neuer Kariesläsionen in einem definierten
Zeitraum) und Kariesprävalenz (Karieshäufigkeit in einer Population 5
zu einem definierten Zeitpunkt) verwendet. In epidemiologischen Stu-
dien werden meistens nur die klinisch sichtbaren Auswirkungen der Ka-
ries, selten auch die radiologisch zu erkennenden Symptome erfasst.
6
Zur Beurteilung der Krankheitsentwicklung in einer Population wer- Beurteilung der
den i.d.R. Stichproben untersucht. In diesem Zusammenhang muss Krankheits- 7
darauf hingewiesen werden, dass Zahnarztpatienten oder gar Klinikpa- entwicklung
tienten nicht den Anforderungen genügen, die an eine Stichprobe bei 8
epidemiologischen Untersuchungen gestellt werden. Sie sind nicht re-
präsentativ. 9
Zur Messung der Kariesinzidenz bzw. -prävalenz werden Indizes ver- Indizes
wendet. Dabei hat sich international der DMF-S- bzw. DMF-T-Index
durchgesetzt. Der DMF-S-Index beurteilt die Anzahl von Zahnflächen
10
(Surfaces) im bleibenden Gebiss, die zerstört (Decayed), aufgrund von
Karies extrahiert (Missing) oder gefüllt (Filled) wurden. Der DMF-T- 11
Index summiert in gleicher Weise die Anzahl der Zähne (Teeth). Im
Milchgebiss wird der dmf-s- bzw. dmf-t-Index verwendet. Statt m wird 12
oft der Buchstabe e (= indicated for extraction bzw. extracted) verwen-
det. Im Wechselgebiss wird der Index für bleibende Zähne verwendet. 13
Bei Seitenzähnen werden fünf Zahnflächen, bei Frontzähnen vier Flä-
chen berechnet. Im vollständigen bleibenden Gebiss werden die Weis-
heitszähne nicht mitgezählt. Der DMF-T-Wert kann also einen Maxi-
14
malwert von 28, der DMF-S-Wert von 128 annehmen. Da im Wechsel-
gebiss der M-Faktor schwer zu beurteilen ist (es können Zähne aus 15
kieferorthopädischen Gründen verloren gegangen sein), wird in epide-
miologischen Studien oft nur der DF-Index verwendet. Werden in Stu- 16
dien Röntgenbilder zur Beurteilung der Approximalkaries angefertigt,
kann der D-Faktor unter Berücksichtigung der Größe der Kariesläsion in
die Untergruppen D1 bis D4 aufgeteilt werden (s. Kap. 3.4).
17
Der DMF-S-Index ist ein kumulativer Index. So bedeutet z.B. ein
DMF-S von 20 entweder 20 offene kariöse Kavitäten, die versorgt wer- 18
den müssen, oder dass alle vorhandenen Zähne gesund sind, vier Mola-
ren aber vorzeitig extrahiert wurden bzw. nicht angelegt sind. Deshalb 19
werden die Einzelkomponenten des Index oft getrennt angegeben.
Auch der DMF-T-Index ist ein arithmetischer Index, der kumulativ die 20
kariöse Zerstörung des Gebisses aufsummiert. Dabei werden allerdings
Als SiC-Index wird der mittlere DMF-T-Wert definiert, den ein Drit-
tel der Bevölkerungsgruppe aufweist, die den höchsten Kariesbefall
auf sich vereint.
Der Medianwert ist derjenige Wert, der eine nach Rängen geordnete
Messreihe halbiert.
Kinder mit
neuen Läsionen (%) 1
20 2
15 3
10
4
5
5
6
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
DF-S
7
Abb. 2.14: Ergebnisse einer Untersuchung zur Kariesinzidenz im Zeitraum von 2
Jahren bei 12- bis 14-jährigen Schulkindern (n = 117). Dargestellt ist der Anteil der
8
Kinder (in %), die im Untersuchungszeitraum 0, 1, 2 usw. neue kariöse Läsionen
entwickelten. Die Grafik verdeutlicht, dass ein großer Prozentsatz von Kindern
nur wenige neue Läsionen aufwies, während bei wenigen Kindern viele neue Lä- 9
sionen zu finden waren. Die Resultate entsprechen also nicht einer Normalvertei-
lung. Durchschnittlich (arithmetisches Mittel) ließen sich 5,02 neue Läsionen fest-
stellen. Bei einer derartigen Verteilung ist es üblich, den Medianwert (hier 4,26) 10
als statistische Größe anzugeben (nach Klimek et al. 1985).
Mundgesundheit in Deutschland
14
Epidemiologie der koronalen Karies: In Deutschland wurden in den
letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche epidemiologische Untersuchungen 15
zur Kariesprävalenz durchgeführt. Es handelt sich meistens um regio-
nale Studien in Kindergärten und Schulen bzw. bei Wehrpflichtigen 16
und anderen fest umrissenen Gruppen. Die letzte bevölkerungsreprä-
sentative Studie (Deutsche Mundgesundheitsstudie, DMS V) wurde
2013/2014 vom Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) durchgeführt.
17
Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ)
führt seit 1994 aufgrund von Rahmenempfehlungen der Spitzenver- 18
bände der Krankenkassen und der Bundeszahnärztekammer in Abstän-
den von drei bis fünf Jahren in verschiedenen Bundesländern Untersu- 19
chungen bei 6- bis 7-jährigen, 12-jährigen und 15-jährigen Schülern
durch. Die Daten der letzten epidemiologischen Begleituntersuchung 20
der DAJ zur Gruppenprophylaxe wurden 2009 publiziert. Verglichen
werden können diese neueren Daten mit den früher bereits durchge-
führten Untersuchungen, die auf Patientenstichproben basieren. Auch
für ältere Patientengruppen liegen aus der Studie des IDZ aus dem Jahre
1997 repräsentative Daten vor.
Während für Vorschulkinder bisher keine repräsentativen Zahlen
vorliegen, so kann doch aus Einzelstudien abgeleitet werden, dass es
hier in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Verbesserung der Mund-
gesundheit gekommen ist. In einzelnen Gegenden Deutschlands lässt
sich bei kleineren Kindern allerdings eine Stagnation des Kariesrück-
gangs bzw. ein erneutes Ansteigen der Kariesprävalenz feststellen.
6- bis 7-Jährige Wie die DAJ-Studie aus dem Jahre 2009 zeigen konnte, ist in den ver-
schiedenen Bundesländern bei den 6- bis 7-Jährigen ein mittlerer dmf-t-
Wert zwischen 1,3 und 2,56 festzustellen (vgl. Tab. 2.4).
Auch der Anteil der Schulanfänger mit kariesfreien Milchzähnen er-
höhte sich im Zeitraum von 1994/1995 bis 2009. Wiesen 1994/1995
zwischen 20 und 45,9% der Kinder in den verschiedenen Bundeslän-
dern naturgesunde Milchzähne auf, so lagen die entsprechenden Werte
2009 zwischen 42,7 und 62,3%. Der Anteil der nicht sanierten Milch-
14
1,8
1,6
15
1,4
1,2
16
DMF-T
1,0
0,8
0,6
17
0,4
0,2
18
0
19
Abb. 2.15: Entwicklung des mittleren DMF-T-Wertes bei 12-Jährigen in Deutsch-
land. Die Daten wurden den repräsentativen Mundgesundheitsstudien DMS III, IV
und V des IDZ aus 1997, 2005 und 2014 entnommen (nach Jordan und Micheelis, 20
2016).
lich 5,7% der Kinder haben sämtliche zu sanierende Zähne ihrer Alters-
gruppe. Der SiC-Wert (das Drittel der jeweiligen Bevölkerungsgruppe
mit dem höchsten Kariesbefall) beträgt 1,4 und unterschreitet damit das
von der WHO definierte Ziel von < 3. Die für das Jahr 2020 für 12-Jäh-
rige formulierten Ziele, einen DMF-T-Wert von 1,0 zu unterschreiten
und den Anteil der Kinder mit mehr als 2 DMF-T auf weniger als 15% zu
senken, wurden bereits im Jahr 2005 erreicht. Beim Vergleich mit frühe-
ren Jahren wird deutlich, dass selbst die 12-Jährigen, die eine hohe Ka-
riesaktivität aufweisen, vom Kariesrückgang profitieren.
35- bis 44-Jährige In der Tabelle 2.5 sind die DMF-T-Werte für die Altersgruppe der 35-
bis 44-Jährigen dargestellt. Es handelt sich dabei um Werte aus reprä-
sentativen Studien des IDZ aus den Jahren 2005 und 2013/2014. Es wird
ersichtlich, dass der bei den Kindern und Jugendlichen konstatierte Ka-
riesrückgang auch bei den Erwachsenen (allerdings in geringerem
Maße) festzustellen ist. So ist der durchschnittliche DMF-T-Wert für alle
Untersuchten zusammen 11,2. Die Anzahl kariesbedingt extrahierter
Zähne beträgt 2,1. Auch der DMF-S-Wert verringerte sich von 54,7 im
Jahre 1997 auf einen Wert von 31,8. Das entspricht einer Reduktion von
42%. 2,5% der 35- bis 44-Jährigen haben ein naturgesundes Gebiss
(DMF-T = 0). 50% der untersuchten Erwachsenen weisen 68,7% aller
DMF-Zähne auf. Es besteht somit eine geringe Polarisierung des Karies-
befalls. Das ändert sich jedoch, wenn man nur den Anteil sanierungs-
bedürftiger Zähne (DT-Komponente) herausgreift. Sämtliche sanie-
rungsbedürftigen kariösen Defekte sind bei 24,8% der Erwachsenen an-
zutreffen. Mit durchschnittlich 93,7% ist ein hoher Sanierungsgrad bei
den Erwachsenen festzustellen. Die durchschnittliche Anzahl der Zähne
mit Initial- oder Schmelzkaries beträgt 1,5 Zähne. Damit ergibt sich wie
bei Jugendlichen ein hoher Präventionsbedarf, damit diese Läsionen
nicht fortschreiten und keine weiteren Initialläsionen entstehen.
65- bis 77-Jährige Bei jüngeren Senioren (65- bis 77-jährig) lässt sich im Vergleich zu
früheren Untersuchungen mit einem DMF-T-Wert von 17,7 und einem
DMF-S-Wert von 72,6 eine Tendenz zu einer Verbesserung der Zahnge-
sundheit erkennen; es ist jedoch weiterhin ein unverändert hoher Ka-
riesbefall zu konstatieren. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass
die Anzahl extrahierter Zähne im Vergleich zum Jahr 1997 um ca. 36%
von 17,6 auf 11,1 stark zurückgegangen ist. Gegenläufig hierzu ist die
Tab. 2.5: DMF-T-Werte sowie Anteile naturgesunder Gebisse (%) bei 35- bis
44-Jährigen aus den Jahren 1989 (IDZ West), 1992 (IDZ Ost), 1997 (IDZ West
und Ost), 2005 (IDZ West und Ost) und 2015 (IDZ West und Ost) (nach Jordan
und Micheelis 2016)
Studie IDZ (W) IDZ (O) IDZ (W) IDZ (O) IDZ (W) IDZ (O) IDZ (W) IDZ (O)
Jahr 1989 1992 1997 1997 2005 2005 2014 2014
DMF-T 16,7 13,4 16,1 16,0 14,4 15,0 11,1 12,2
Naturgesunde 0,9 0,0 1,0 0,0 0,7 0,7 2,9 0,3
Gebisse
Erhebungs- Probleme ergeben sich jedoch auch bei Berücksichtigung dieser Prämis-
problematik sen. So lässt sich bei reinen Prävalenzstudien nicht immer feststellen, ob
eine gefüllte Wurzelfläche vorher kariös war oder ob eine Erosion bzw.
Zahnbürstenabrasion der Grund für eine Restauration war. Hier liefern
ausschließlich Inzidenzstudien verlässliche Daten. Ein international
anerkannter Index, der die Anzahl vorhandener freier Wurzeloberflä-
chen (surfaces at risk) berücksichtigt, ist der Root-Caries-Index (RCI)
nach Katz (1982). Er errechnet sich nach folgender Formel
RD + RF
× 100,
RD + RF + RN
Der RCI drückt also das Verhältnis von erkrankten und sanierten
Wurzeloberflächen zur Anzahl freiliegender Flächen als Prozent-
wert aus.
Tab. 2.7: Klassifizierung des Kariesbefalls bei 12-Jährigen durch die WHO (1984)
DMF-T Beurteilung
< 1,2 Sehr niedrig
1,2–2,6 Niedrig
2,7–4,4 Moderat
4,5–6,5 Hoch
> 6,5 Sehr hoch
2.2 Erosion
Entstehungs- Die Säuren lösen die Zahnoberfläche durch Demineralisation auf. Ist die
mechanismen Säureeinwirkung kurz und selten, kann die Zahnoberfläche durch die
Mineralien des Speichels weitgehend natürlich remineralisiert werden
und es entsteht kein bleibender Defekt. Bei längerer und/oder häufiger
Säureeinwirkung, vor allem durch starke Säuren, entstehen irreversible
Zahnhartsubstanzverluste. Durch saure Chelatbildner (z.B. Zitrat) kann
zusätzlich die natürliche Remineralisation durch den Speichel vermin-
dert sein. Erosionen entstehen im Gegensatz zu kariösen Läsionen nicht
durch die Stoffwechseltätigkeit oraler Mikroorganismen.
Die einzelnen chemischen Vorgänge, die zu einer Zahnerosion füh-
ren, sind komplex. Wenn eine Flüssigkeit mit der Zahnoberfläche in Be-
rührung kommt, muss sie zunächst das erworbene Schmelzoberhäut-
Erziehung 1
Patienten
toren sei
Fak te A 2
llg
Ess-, Trinkgewohnheiten
säurehaltige
.
Ge
Nahrungsmittel 3
n
Zahnreinigung Reflux/Erbrechen
sun
alte
säurehaltige
dhe
Getränke
Verh
Medikamente Weichgewebe
Früchte
4
it
Jogurt
Speichel Essig Pellikel
Zeit
Zahn Zahn
5
Säuretyp (pK) Adhäsion
G ew
i ss e
pH Phosphat 6
o hn
ntn
n
he
Ke
Pufferung Fluorid
7
it e
n
Fa Kalzium e
kt o s e it 8
ren
Ern ähru ng s
Be s ch ä fti g un g
9
Abb. 2.17: Ursachenkomplex bei der Entstehung von Erosionen (nach Lussi 2005)
10
Speziell bei Menschen, die sich „gesund“ ernähren wollen und
gleichzeitig eine exzessive Mundhygiene bei falscher Putztechnik be- 11
treiben, werden Zahnhartsubstanzdefekte beobachtet, die primär auf
Erosionen zurückzuführen sind. Diese sind dann aber durch die Zahn- 12
putzabrasion überlagert und weisen mehr die Charakteristika eines keil-
förmigen Defekts auf (s. Abb. 2.18). 13
Aber auch häufiges Erbrechen des sauren Mageninhaltes, z.B. bei
Refluxerkrankungen, Essstörungen (Bulimie), Schwangerschaft und Al-
koholismus, führt zu erosiven Veränderungen der Zahnhartsubstanzen.
14
Viele Menschen (bis zu 30%) leiden unter Reflux, der häufig unerkannt
bleibt („silent reflux“). Patienten mit Reflux haben ein (geringes) Risiko, 15
an einem sogenannten Barrett-Ösophagus zu erkranken, einer Präkan-
zerose. Oft wird erst durch den Zahnarzt bei der Erhebung des Zahnsta- 16
tus eine Refluxerkrankung erkannt. Deshalb sollten insbesondere Pa-
tienten, bei denen Erosionen unklarer Genese diagnostiziert werden,
immer auch von einem Gastroenterologen untersucht werden. Der Ver-
17
dacht auf eine Refluxerkrankung ist bei morgendlichem Husten, Herz-
brennen, Aufstoßen und morgendlichem saurem Geschmack im Mund 18
gegeben. Die Adhärenz einer Säure bzw. eines Chelatbildners auf der
Zunge oder an den Schleimhäuten kann eine lang andauernde erosive 19
Wirkung auf die Glattflächen der Zähne zur Folge haben.
Es gibt biologische Faktoren, die den erosiven Prozess beeinflussen Bedeutung des 20
können. Hier sind der Speichel, die chemische Zusammensetzung der Speichels
a b c
Abb. 2.18: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Morphologie von erosiven Schmelzdefekten (a),
keilförmigen Defekten (b) und initialen kariösen Läsionen im Zahnhalsbereich (c) (nach Binus et al. 1987)
Das Auftreten von Erosionen ist unabhängig vom Alter und Geschlecht Lokalisationen
der Patienten. Die Läsionen können jedoch in Abhängigkeit von der Ur- 1
sache unterschiedlich lokalisiert sein. So sind Erosionen bei Patienten
mit häufigem Erbrechen primär an den Palatinalflächen der Oberkiefer- 2
frontzähne lokalisiert. Später findet man sie auch auf den Okklusalflä-
chen der Seitenzähne und bukkal im Unterkiefer, weil (insbesondere bei
Menschen, die auf der Seite schlafen) nachts die Magensäure im Vesti-
3
bulum verbleibt und erosiv auf die Zahnoberfläche einwirkt.
Nach dem exzessiven Genuss säurehaltiger Nahrungsmittel werden 4
generalisierte Erosionen diagnostiziert. Besonders betroffen sind häufig
die Bukkalflächen und im Oberkiefer die Labial- und Palatinalflächen. 5
Bei beruflicher Exposition kommt es meistens zu erosiven Verände-
rungen an den Labialflächen der Frontzähne. Erosionen beginnen bei
Patienten mit keiner oder geringgradiger Gingivaretraktion auf den
6
Glattflächen oberhalb des Zervikalbereichs der Zähne.
7
Die bei den meisten Patienten vorhandenen zervikalen Plaquean-
sammlungen scheinen die Demineralisation des Zahnschmelzes 8
durch exogene Säuren zu verhindern. Ein typisches Merkmal leich-
ter und mittelschwerer Erosionen ist daher das Vorhandensein ei- 9
ner mehr oder weniger intakten zervikalen Schmelzzone.
Zahnhartsubstanzverlust
durch Abnutzung
Attrition Abrasion
(direkter Kontakt (Abnutzung
antagonistischer bzw. durch Fremdstoffe)
benachbarter Zahnflächen) Demastikation
physiologisch (Nahrungsmittel)
(Schlucken, Sprechen u.a.) andere Stoffe
pathologisch (Staub, Zahnpasta u.a.)
(Knirschen, Pressen)
2.3.3 Abrasion
Tab. 2.8: Modifizierter „Tooth Wear Index“ (TWI) (nach Donachin und
Walls 1996)
1
Zahnfläche
Kategorie Bukkal, lingual und Inzisal Zervikal (Wurzel- 2
okklusal (Zahnkrone) oberfläche)
0 Kein Verlust der typi- Kein Verlust der typi-
schen Charakteristika schen Charakteristika
Keine Veränderung
der Zahnkontur
3
der Schmelzoberflä- der Schmelzoberfläche
che 4
1 Verlust der typischen Verlust der typischen Minimaler Verlust
Charakteristika der Charakteristika der der Zahnkontur 5
Schmelzoberfläche Schmelzoberfläche
2 Verlust des Zahn- Verlust von Zahn- Defekt mit einer 6
schmelzes mit Den- schmelz, dabei Dentin- Tiefe < 1 mm
tinexposition von we- exposition 7
niger als 1/3 der Ober-
fläche
8
3 Verlust des Zahn- Verlust von Zahn- Defekt mit einer
schmelzes mit Den- schmelz und starker Tiefe von 1–2 mm
tinexposition von Dentinverlust ohne Ex- 9
mehr als 1/3 der Ober- position von Sekundär-
fläche dentin oder Pulpa 10
4 Kompletter Verlust Verlust von Zahn- Defekt 2–3 mm tief
des Schmelzes oder schmelz und starker oder Exposition 11
Freilegung von Se- Dentinverlust mit Expo- von Sekundärden-
kundärdentin sition von Sekundärden- tin
tin
12
5 Kompletter Verlust Verlust von Zahn- Defekt > 3 mm tief
von Zahnschmelz und schmelz und starker oder Pulpaexposi-
13
Pulpaexposition Dentinverlust mit Pul- tion
paexposition 14
dung sollte nicht nur der momentane Zustand, sondern auch die Pro- 15
gressionstendenz des nicht kariösen Zahnhartsubstanzverlustes maß-
geblich sein. Grundsätzlich muss man schwere Formen der Abnutzung 16
(TWI 3, 4, 5) von pathologischen Formen unterscheiden, bei denen die
Abnutzung atypisch für das Alter des Patienten ist, Schmerzen, funktio-
nelle Dysfunktionen oder Beeinträchtigungen der Ästhetik bestehen,
17
die bei Fortschreiten zu nicht wünschenswerten Komplikationen füh-
ren würden. 18
Die Entscheidung für ein invasives Vorgehen (Restaurationen)
hängt von den Beschwerden des Patienten und der klinischen Beurtei- 19
lung durch den Zahnarzt ab. Patientenbezogene Faktoren können sein:
Zahnschmerzen bzw. Zahnüberempfindlichkeit, Schwierigkeiten beim 20
Essen oder Beeinträchtigung der orofaszialen Ästhetik.
Pathologisch Physiologisch
Ja Ja
Etablierung eines
Präventionsprogrammes
mit regelmäßiger Remoti-
vation und Monitoring
Nein
Der Patient oder/und der Behandlungsplan wird
Zahnarzt sehen Gründe gemeinsam mit dem
Ja Restaurative Therapie
für einen restaurativen Patienten besprochen und
Behandlungsbedarf festgelegt
2.3.4 Dentinhypersensitivität
1
Wird Dentin durch einen erosiven oder abrasiven Vorgang freigelegt, so
kann es zu Schmerzsensationen an dem entsprechenden Zahn kom- 2
men. Häufig entsteht nach fazial-zervikaler Freilegung von Dentin eine
Hypersensitivität. Man nimmt an, dass chemische oder physikalische
Noxen zur Eröffnung der Dentintubuli führen. Entsprechend der hydro-
3
dynamischen Theorie der Schmerzentstehung kommt es dann durch ei-
nen Stimulus zur Flüssigkeitsbewegung in den Dentintubuli, die zu ei- 4
ner Veränderung des Drucks an den Mechanorezeptoren der Aβ-Aδ-Fa-
sern führt. Der Patient verspürt dann einen hellen, scharfen Schmerz. 5
Schmelzhypoplasien
Ursachen Werden während der Schmelzentwicklung Ameloblasten beschädigt
oder in ihrer metabolischen Aktivität gestört, so resultieren i.d.R. irre-
versible Schmelzdefekte. Hierbei müssen allgemeine Störungen des Mi-
neralstoffwechsels (meistens Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel) von loka-
len Traumata (physikalisch, infektiös) unterschieden werden.
Allgemeine Störungen des Mineralstoffwechsels können durch
Magen-Darm-Infektionen mit nachfolgenden Resorptionsstörungen
(z.B. Salmonelleninfektion), allgemeine Infektionserkrankungen (z.B.
Röteln, Lues), Stoffwechselstörungen (z.B. Hypovitaminosen A, C, und
D), hormonelle Störungen (z.B. Hypoparathyreoidismus, mütterlicher
Diabetes) und andere schwerwiegende Allgemeinerkrankungen (z.B.
Erythroblastom mit Kernikterus, Nephrosen, Down-Syndrom, Gluten-
zöliakie) verursacht werden. Auch durch die Einwirkung von Pharmaka
(z.B. Tetrazyklin, Fluorid) können Schmelzhypoplasien entstehen. Un-
ter dem Begriff Schmelzhypoplasien werden zahlreiche verschiedene
Veränderungen der Zahnhartsubstanzen zusammengefasst.
Klinik Klinisch erkennt man weiße oder gelblich-braun verfärbte Flecken,
oft in Verbindung mit Opazitäts- und Formveränderungen der Zähne.
Fleckige Veränderungen sind meistens ein Kennzeichen für Störungen
während der Schmelzreifung.
Formdefekte Treten Formdefekte auf, so ist häufig eine Störung der Schmelzbil-
dung die Ursache. Langfristig einwirkende Noxen haben große, flächen-
förmige Defekte zur Folge, kurzfristige Einflüsse bewirken eher horizon-
tale Furchen, Bänder oder Rillen.
Schmelzflecken Schmelzflecken (Opazitätsveränderungen) wurden früher mit ei-
nem Index erfasst, der alle Hypoplasien unabhängig von der Entste-
hungsursache aufsummierte. Heute versucht man zwischen Schmelzfle-
cken, die durch Fluorideinwirkung entstanden sind, und Hypoplasien,
die andere Ursachen haben, zu unterscheiden. Tatsächlich lassen sich je-
doch idiopathische Schmelzhypoplasien, deren Ursache nicht geklärt ist,
klinisch nur schwer von fluoridinduzierten oder durch Allgemeinerkran-
kungen hervorgerufenen Schmelzopazitäten abgrenzen. Einziges klini-
sches Unterscheidungskriterium ist die Lokalisation. So findet man idio-
pathische Schmelzhypoplasien (unterschiedlich große, weiß-opake, flä-
chenförmige Schmelzveränderungen) oft nur auf Einzelzähne begrenzt.
0 8
Klinisch erkennt man weiße, opake Flecken und Streifen, die sich bei 9
stärkeren Porösitäten durch exogene Einlagerung von Farbstoffen (z.B.
durch Nahrungsmittel) braun verfärben können. Oberflächendefekte
und Verlust von Zahnschmelz („pitting“), wie sie bei schweren fluoroti-
10
schen Schmelzveränderungen zu diagnostizieren sind, entstehen erst
sekundär posteruptiv durch mechanische Belastung in der Mundhöhle. 11
Im Milchgebiss sind fluorotisch bedingte Schmelzhypoplasien sel-
tener zu finden als im bleibenden Gebiss. Die Schmelzveränderungen 12
sind in der Mundhöhle verschieden verteilt. Sie nehmen von anterior
nach posterior zu und sind im Unterkiefer bukkal häufiger zu finden als 13
lingual. Bei leichter chronischer Fluoridüberdosierung mit geringfügi-
gen fluorotischen Schmelzveränderungen ist die Verteilung etwas an-
ders. Hier sind die mittleren Schneidezähne und die ersten Molaren we-
14
niger betroffen als die Prämolaren und zweiten Molaren. Es scheint so,
als ob die Zähne, die zuerst mineralisiert werden, weniger fluorotische 15
Veränderungen aufweisen.
Klinisch sind fluorotische Schmelzveränderungen nicht mit isolier- 16
ten oder idiopathischen Hypoplasien zu verwechseln, da sie symme-
trisch auftreten und bestimmte Charakteristika aufweisen. Früher wur-
den alle Schmelzflecken unter dem Begriff „mottling“ subsumiert, so-
17
dass auf der Grundlage der so entwickelten Indizes der Anteil
fluorotischer Schmelzveränderungen falsch diagnostiziert wurde. 18
1938 wurde von Dean et al. ein Fluorose-Index entwickelt und Fluorose-Index
1942 leicht modifiziert. Er zählte noch alle Schmelzopazitäten mit. Die- 19
ser Index fängt in seiner Bewertung jedoch erst beim Auftreten kosme-
tisch störender Schmelzopazitäten an. Er umfasst nicht die initialen, 20
sehr leichten Fluoroseerscheinungen. Der Fluorose-Index nach Dean
1
Normaler Schmelz mit glänzender,
Grad 0: transluzenter Oberfläche ohne Defekte.
2
Nach sorgfältiger Trocknung erkennt man auf der
Schmelzoberfläche im Verlauf der Perikymatien dünne, opake, 3
Grad 1: weiße Linien. An den Inzisalkanten bzw. Höckerspitzen kann
es zu einer leichten Ausprägung des Schneekappenphänomens
kommen. Diese Bereiche sind dann weißlich opak verändert. 4
Die opaken, weißen Linien treten deutlicher hervor und
verlaufen manchmal zu kleinen, wolkigen Veränderungen,
5
Grad 2:
die über die gesamte Schmelzoberfläche verstreut sein
können. Das Schneekappenphänomen tritt nun gehäuft auf.
6
Die weißen Linien verschmelzen zu größeren, wolkigen
Grad 3: Arealen, welche die gesamte Schmelzoberfläche bedecken.
Zwischen den opaken Bereichen lassen sich weiterhin weiße
7
Linien diagnostizieren.
8
Die gesamte Zahnoberfläche ist opak oder kreidig-weiß verändert.
Nur die Flächen, die in Abnutzungsbereichen (z.B. Attrition) liegen,
Grad 4: scheinen weniger betroffen zu sein. Tatsächlich ist hier der porös
veränderte Zahnschmelz rasch verloren gegangen.
9
10
Grad 5: Die gesamt Oberfläche ist opak. Man erkennt kleine, runde
Schmelzverluste (focal pits) mit einem Durchmesser von
weniger als 2 mm.
11
17
Es kommt zum Verlust großer Teile des Zahnschmelzes.
Die anatomische Form des Zahnes wird dadurch
Grad 9:
verändert. Zervikal bleibt meistens ein halbmond- 18
förmiger Bereich opaken Schmelzes stehen.
19
Abb. 2.24: Einteilung der Zahnfluorose nach unterschiedlichen Schweregraden entsprechend dem
TF-Index (nach Thylstrup und Fejerskov 1978) 20
Paraplasien
3.1 Basisuntersuchung
17
18
! Die Basisuntersuchung ist die Grundlage für weiterführende Un-
tersuchungen. Mit ihr soll festgestellt werden, ob und welche wei-
teren diagnostischen und gegebenenfalls zahnärztlich-therapeuti- 19
schen Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Sie berücksich-
tigt im Sinne eines Screenings möglichst viele Zahn-, Mund- und 20
Kieferkrankheiten.
Während des Gesprächs soll sich der Zahnarzt einen Eindruck über die
Einstellung des Patienten zur zahnärztlichen Behandlung machen und
möglichst auch dessen psychischen Status einschätzen. Das Ergebnis ei-
nes ärztlichen Gesprächs ist vom Einfühlungsvermögen und vom Ge-
schick des Untersuchers ebenso abhängig wie von der Einstellung des
Patienten, dessen Intelligenz und Kooperationsbereitschaft (Compli-
ance). Durch das Gespräch soll ein Vertrauensverhältnis zwischen
Zahnarzt und Patient begründet werden, das eine nicht zu unterschät-
zende Grundlage für den Erfolg der zahnärztlichen Therapie darstellt.
Sonstiges:
Wie beschreiben Sie – unabhängig von Ihren Zähnen – Ihren allgemeinen Gesundheitszustand?
□ sehr gut □ gut □ zufrieden stellend □ weniger gut □ schlecht
Waren Sie vor kurzem oder stehen Sie zurzeit noch in ärztlicher Behandlung/Kontrolle?
□ ja □ nein □ unbekannt
Wenn ja: welche Fachrichtung(en)? (bei vielen Ärzten: bitte Auflistung auf gesondertem Blatt)
3.1.3 Präventionsanamnese
Diese Schwierigkeit kann z.T. dadurch bewältigt werden, dass die Be-
funde zweier Kieferhälften miteinander verglichen werden. Pathologi-
sche Befunde treten bis auf wenige Ausnahmefälle (z.B. fluorotische
Schmelzhypoplasien) einseitig auf. Werden bei einem Patienten keine
pathologischen Veränderungen festgestellt, so ist diese Tatsache auch
als Befund zu dokumentieren (o.B. = ohne Besonderheiten, kein patho-
logischer Befund).
III. Ernährung
10
Wie häufig essen Sie über den Tag verteilt zuckerhaltige Produkte? □ 1 x oder seltener □ 2–5 x
Wie häufig trinken Sie über den Tag verteilt zuckerhaltige Getränke?
□ 6–10 x
□ 1 x oder seltener
□ über 10 x
□ 2–5 x
11
□ 6–10 x □ über 10 x
Essen oder trinken Sie sehr häufig über den Tag verteilt Obst oder Jogurt-Produkte? □ ja □ nein 12
Bevorzugen Sie überwiegend sog. Vollwert-Kost? □ ja □ nein
Sind Sie Vegetarier? □ ja □ nein
Bestehen überempfindliche Zahnhälse? □ ja □ nein 13
Kauen Sie Kaugummis? □ nie □ gelegentlich □ täglich 1–3 x □ täglich mehr als 3 x
Leiden Sie unter häufigem Erbrechen? □ ja □ nein
Besteht eine Ess-Störung (Bulimie, Anorexia nervosa)? □ ja □ nein 14
Sonstige Angaben zu besonderen Ernährungsgewohnheiten:
IV. Rauchen 15
Rauchen Sie zurzeit? □ ja □ nein Wenn ja: Wie viele Zigaretten/Zigarren rauchen Sie pro Tag?
Rauchten Sie früher? □ ja □ nein Wenn ja: von bis wie viele Zigaretten/Zigarren pro Tag?
V. Allgemeines
16
Familienstand:
Schul-/Berufsabschluss: □ Kein Schulabschluss □ Hauptschule □ Mittlere Reife 17
□ Abitur □ abgeschlossenes Studium
Erlernter Beruf Derzeit ausgeübter Beruf □ Derzeit nicht berufstätig
Inspektion und Bei der orientierenden Untersuchung der Mundhöhle gewinnt der Zahn-
Palpation arzt durch Inspektion und Palpation der Mundschleimhäute, des
Mundbodens und des Rachenraums Informationen über Verletzungen,
Schwellungen, Blutungen, Erhebungen, Entzündungszeichen, Farbver-
änderungen, Erosionen, Ulzerationen, Beläge, Oberflächenveränderun-
gen usw. Die intraorale Palpation umfasst auch die knöchernen Struktu-
ren sowie die Weichgewebe der Wange, Zunge (Zungengröße, -motorik,
-veränderungen) und des Mundbodens.
Tab. 3.2: Bestandteile der erweiterten Untersuchung zur Situation der Zahnhartsubstanzen, zur kon-
servierend- und prothetisch-restaurativen Versorgung sowie zum Zustand des Endodonts nach ei-
nem Konzept von DGZMK, KZBV und BZÄK im Rahmen der Neubeschreibung einer präventionsori-
entierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Zahnstatus) (nach Hellwig, Lauer und Staehle). Be-
fundbezogene Maßnahmen sind farbig unterlegt.
In der Regel zu Methoden Ergänzende Maßnah- Erläuterungen
erbringende men und Methoden
Maßnahmen (fakultativ)
1. Weiterfüh- Unstruktu- Aufzeichnung durch Detaillierte Erfassung des Anliegens des Patienten
rendes riertes oder Medien wie z.B. Ton- unter Berücksichtigung seiner psychosozialen Le-
ärztliches strukturier- band/Video für wei- benssituation; Einschätzung seiner Compliance, sei-
Gespräch tes Inter- terführende diagnos- nes Gesundheitsbewusstseins und seiner Erwar-
view tische Auswertungen tungshaltung
2. Weiterfüh- Unstruktu- Verwendung von Soziale Anamnese
rende allge- riertes oder fachspezifischen Anmerkung: z.B. Angaben über Ausbildung, Berufs-
meine und strukturier- Frage- und Testbö- tätigkeit, frühere oder geplante Wohnortwechsel,
spezielle tes Inter- gen, Aufzeichnung besondere berufliche Expositionen/Lebensbedin-
Anamnese view durch Medien wie z.B. gungen
Tonband/Video für Familienanamnese
weiterführende diag- Anmerkung: z.B. Angaben über familiäre Risikofak-
nostische Auswertun- toren für besondere Erkrankungen im Zahn-, Mund-
gen und Kieferbereich
• Bei Kindern: soziales Umfeld, familiäre Betreu-
ungssituation
Allgemeine Anamnese
Anmerkung: z.B. Angaben über allgemeinmedizini-
sche Erkrankungen und Besonderheiten (einschl.
Konzentrationsvermögen, manuelle Geschicklich-
keit, Sehfähigkeit)
• Bei Kindern: z.B. Angaben des Körpergewichts
Auf der Basis des weiterführenden ärztlichen Ge-
sprächs und der weiterführenden allgemeinen
Anamnese ist – ggf. unter Einbeziehung von Testbö-
gen – auch eine Erhebung des psychischen Befun-
des bzw. ein psychosomatisches Screening möglich
18 17 16 15/ 55 14/ 54 13/ 53 12/ 52 11/ 51 21/ 61 22/ 62 23/ 63 24/ 64 25/ 65 26 27 28
Restaurationsart 3
R 8 7 6 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 6 7 8 L 4
Sonstiges (z.B. Finieren, Polieren):
48 47 46 45/ 85 44/ 84 43/ 83 42/ 82 41/ 81 31/ 71 32/ 72 33/ 73 34/ 74 35/ 75 36 37 38 5
6
Bissflügel-Röntgenaufnahme:
Speichel verändert 7
d 17 m d 16 m d 15 m d 14 m m 24 d m 25 d m 26 d m 27 d klinisch
d 47 m d 416 m d 45 m d 44 m m 34 d m 35 d m 36 d m 37 d subjektiv
ja nein 8
Kariesausdehnung: D1 D4; Fläche wegen Überlappung nicht beurteilbar: X; Kariesrezidiv: R;
überstehender Füllungsrand: ÜF; Sekundärkaries: Sek; Randspalt: RS
Fissurenkaries: FK; Wurzelkaries: W
9
Abb. 3.1: Standardisierter zahnärztlicher Befundbogen im Rahmen der Kariestherapie. In den Zahnstatus
werden folgende Befunde (bzw. Verdachtsdiagnosen) eingetragen:
Karies und Zahnhartsubstanzdefekte, die invasiv behandelt werden müssen: rote Markierung der ent- 10
sprechenden Zahnflächen
Vorhandene Füllungen: blaue Markierung der entsprechenden Zahnflächen
Erneuerungsbedürftige Füllungen (z.B. Sekundärkaries, Kariesrezidiv, Randspalt, Füllungsfraktur usw.):
rote Umrandung der blau markierten Flächen
11
Initialkaries: grün (a = aktiv/ia = inaktiv)
Krone: K, Brückenglied: B
Erneuerungsbedürftige Krone: mit roter Markierung
12
Zu extrahierender Zahn: X
Fehlender Zahn: ≡
Restaurationsart: C = Komposit, A = Amalgam, G = Gold, K = Keramik, P = Provisorium, Aufbaufüllung,
13
AV = andere Versorgung, Fiss = Fissurenversiegelung
Zahn im Durchbruch: i.D.
Implantat: I 14
Die Befunde der Bissflügel-Röntgenaufnahmen werden entsprechend in das dafür vorgesehene Schema
eingetragen. Alle Röntgenbefunde, die eine invasive Behandlung erfordern, werden anschließend in den
Zahnstatus übertragen (rote Markierung). Die Graduierung der Kariesausdehnung D1–D4 ist in Kapitel 15
3.2.1 „Kariesdiagnose“ und in Abbildung 3.3 erklärt. Rein präventiv zu behandelnde Karies kann gesondert
eingetragen werden. Weitere Zahnhartsubstanzdefekte (Erosionen, keilförmige Defekte usw.) sind eben-
falls gesondert aufzuzeichnen. In die Zeile Erosion/Abrasion können dann die Lokalisation (v = vestibulär, 16
o = okklusal, p = palatinal, l = lingual) und der Schweregrad eingetragen werden.
Zur Untersuchung müssen die Zähne sauber sein, d.h., störende Präventive
17
Plaque und Zahnstein werden vor der eingehenden Untersuchung ent- Initialbetreuung
fernt (präventive Initialbetreuung). Die Zähne werden mit Watterol- 18
len trockengelegt und mit einem Luftbläser getrocknet.
Die klinische Untersuchung der Zähne erfolgt systematisch mit Spie- Klinische 19
gel, Sonde, Parodontalsonde und Zahnseide. Man beginnt i.d.R. mit dem Untersuchung
letzten Zahn im ersten Quadranten (von 18 nach 11), untersucht dann 20
den zweiten Quadranten (von 21 nach 28), fährt mit dem dritten Qua-
dranten fort (von 38 nach 31) und beendet die Untersuchung mit dem
vierten Quadranten (von 41 nach 48). Es ist dabei auf eine ausreichende
Ausleuchtung der Mundhöhle und eine adäquate Position des Behand-
lungsstuhls zu achten. Der Spiegel sollte vorher angewärmt werden, um
ein Anlaufen durch die Atemluft zu vermeiden. Während man allge-
mein im medizinischen Bereich streng zwischen Befund und Diagnose
trennt, wird bei der klinischen Aufnahme des Zahnstatus vom erfahre-
nen Zahnmediziner oft die Diagnose gleich im Befundblatt vermerkt. So
wird z.B. bei einer Karies nicht der Befund „dunkle, erweichte Zahnhart-
substanzveränderung mit eingebrochener Oberfläche“ notiert, sondern
die Diagnose „manifeste, behandlungsbedürftige Karies“ aufgezeichnet.
3.2.1 Kariesdiagnose
Prinzipiell wird bei der Kariesdiagnose heute keine spitze Sonde ver-
wendet, da bei üblicher Sondierung die Oberflächenschicht einer
bestehenden Initialkaries verletzt oder eingedrückt werden kann.
Das Haken einer Sonde in einer Fissur ist zudem kein Hinweis auf das
Vorhandensein einer Karies, sondern spiegelt in erster Linie die Fissu-
renmorphologie wider. Eine spitze Sonde findet nach wie vor Verwen-
dung zur Überprüfung der Dentinbeschaffenheit bei der Exkavation, bei
der Sondierung von Restaurationsrändern (Verdacht auf Sekundärka-
Tab. 3.4: Graduierung bei der visuellen Kariesdiagnostik in der Fissur (nach
Ekstrand 2004)
Grad Klinischer Befund Histologischer Infektionsgrad
Befund der Schmelz-
Dentin-Grenze
0 Keine oder geringfügige Verän- Keine oder sehr Keine Infektion
derung der Schmelztransluzenz oberflächliche De-
nach intensiver Trocknung mineralisation
(> 5 s) mit dem Luftbläser
1 Opazität oder kaum sichtbare Schmelzdeminerali- Keine Infektion
Verfärbung, die nach Trocknung sation begrenzt auf
deutlich hervortritt die äußere Schmelz-
1a Weiße Verfärbung = Hinweis hälfte
auf aktive Läsion
1b Braune Verfärbung = Hinweis
auf arretierte Läsion
2 Opazität bzw. Verfärbung ohne Demineralisation, Leichte Infektion
Trocknung deutlich sichtbar die 50% des Schmel-
2a Weiße Verfärbung = Hinweis zes und bis zu 1/3 des
auf aktive Läsion Dentins betreffen
kann
2b Braune Verfärbung = Hinweis
auf arretierte Läsion
3 Lokalisierter Schmelzeinbruch Demineralisation, Moderate Infek-
im opak veränderten oder ver- die das mittlere tion
färbten Schmelz und/oder Dentindrittel einbe-
graue Verfärbung ausgehend zieht
vom darunter liegenden Dentin
4 Kavitätenbildung im opaken Demineralisation, Starke Infektion
oder verfärbten Schmelz, dabei die das innere Den-
Dentinfreilegung tindrittel einbezieht
Überstehender D3 D2 D1 Füllung
Füllungsrand
b D4 Knochen D3 Pulpa
Abb. 3.3: Bissflügel-Röntgenaufnahmen werden im Rahmen der Kariestherapie angefertigt, um den Zahn-
zustand im nicht einsehbaren Approximalraum zu untersuchen. Dabei wird die Ausdehnung der Approxi-
malkaries wie folgt beurteilt:
D0 = keine approximale Karies zu erkennen (es kann jedoch histologisch durchaus eine frühe initiale
Läsion vorliegen)
D1 = Radioluzenz in der äußeren Schmelzhälfte (entspricht histologisch initialer kariöser Läsion)
D2 = Radioluzenz bis zur inneren Schmelzhälfte (entspricht histologisch fortgeschrittener, initialer
Läsion, Schmelzoberfläche kann noch „intakt“ sein)
D3 = Radioluzenz bis zur äußeren Dentinhälfte
D4 = Radioluzenz bis zur inneren Dentinhälfte (entspricht histologisch einer Caries profunda)
det, der einen CCD-Chip enthält und durch ein Kabel mit einem Rech-
ner verbunden ist, oder eine Speicherfolie, deren Informationen nach 1
der Belichtung im Laserscanner abgetastet werden. Die Vorteile dieser
Systeme sind, dass die Strahlendosis gegenüber dem konventionellen 2
Röntgen bis zu 50% reduziert werden kann und die chemische Entwick-
lung entfällt. Ein Nachteil der Sensorsysteme ist die geringe Größe des
aktiven Feldes, das nur der eines Kinderzahnfilms entspricht. Im Rönt-
3
genbild lassen sich grundsätzlich Sekundärkaries, Randundichtigkeiten
und Überhänge an Füllungsrändern und Konkremente im Approximal- 4
raum sowie Kariesrezidive unter Restaurationen beurteilen.
5
Die Ausdehnung einer initialen Kariesläsion wird anhand der Biss-
flügelaufnahme grundsätzlich unterschätzt.
6
Die Befunde der Bissflügelaufnahmen werden entsprechend ausgewer- Auswertung
tet (s. Abb. 3.3) und die Befunde in den Zahnstatus (s. Abb. 3.2) einge- 7
tragen. Dabei wird die Ausdehnung der Approximalkaries üblicherweise
wie folgt beurteilt (s. Abb 3.5): 8
D0 = keine approximale Karies zu erkennen (es kann jedoch histolo-
gisch durchaus eine frühe initiale Läsion vorliegen) 9
D1 = Radioluszenz in der äußeren Schmelzhälfte (entspricht histolo-
gisch einer initialen kariösen Läsion)
D2 = Radioluszenz in der inneren Schmelzhälfte (entspricht histolo-
10
gisch einer fortgeschrittenen initialen Läsion, Schmelzoberfläche ist
häufig noch intakt) 11
D3 = Radoluszenz in der äußeren Dentinhälfte
D4 = Radioluszenz in der inneren Dentinhälfte (entspricht histolo- 12
gisch einer Caries profunda)
13
Eine andere Einteilung beschreibt die Läsionen im Zahnschmelz mit
E1 und E2. Die Dentinkaries wird anschließend in D1 = Läsion im äuße-
ren Dentindrittel, D2 = Läsion im mittleren Dentindrittel und D3 = Lä-
14
sion im inneren Dentindrittel eingeteilt. Hintergrund dieser Einteilung
ist, dass man die Progredienz aktiver Läsionen im Zahnschmelz (E1, E2) 15
und im äußeren Dentindrittel (D1) mit einem speziellen mikroinvasi-
ven Verfahren (Kariesinfiltration) weitestgehend verhindern kann, 16
wenn die Zahnoberfläche nicht eingebrochen ist.
Die Befundung der Röntgenbilder wird manchmal durch strahlen-
geometrische und anatomische Faktoren erschwert (s. Abb. 3.4). Eine
17
falsche Einstellung des Zentralstrahls kann zu Überlagerungen und Ver-
zerrungen führen, die falsche Größe und Ausdehnung kariöser Läsionen 18
vortäuschen. Zahnhalsregionen werden als Aufhellungszonen im Rönt-
genbild sichtbar (Burn-out-Effekt), die dann als Kariesläsionen fehlin- 19
terpretiert werden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine D1- und
D2-Läsion sowohl klinisch als auch radiologisch schwieriger zu diagnos- 20
tizieren ist als eine Läsion, die sich bereits im Dentin befindet.
D1 D2 D3 D4
D1 D2 D3
Abb. 3.5: Während in der klassischen Einteilung des radiologischen Kariesdiagnostik für approximale
Läsionen die Grade D1–D4 (D = decayed) unterschieden werden, gibt es eine neuere Einteilung, bei der die
Schmelzkariesläsionen als E1 und E2 bezeichnet werden, während die Dentinkaries in drei Kategorien
D1–D3 (Dentinkaries) eingeteilt werden. Dabei meint D1 eine Karies im äußeren Dentindrittel, D2 eine
Karies im mittleren Dentindrittel und D3 eine Karies im inneren Dentindrittel. Diese Art der Kariesdoku-
mentation wurde für die Indiktionsstellung im Rahmen einer Infiltrationsbehandlung entwickelt.
Tab. 3.5: Empfohlene Zeitintervalle für die Anfertigung von Bissflügelaufnahmen in Abhängigkeit
vom primär vorliegenden Röntgenbefund (modifiziert nach Kühnisch et al., 2019)
1
Ausprägung der Karies beim initialen Röntgenbefund
Alter des Dentition Keine Schmelz- Karies hat Schmelz- Karies im äußeren 2
Patienten Karies karies Dentingrenze Dentindrittel
(Jahre) überschritten
3–7 Milchgebiss ./. 2–3 1 1
3
7–9 Wechselgebiss ./. ./. 1–2 1
4
10–12 Wechselgebiss ./. ./. Keine Indikation, wenn Keine Indikation, wenn
aufgrund des Zahn- aufgrund des Zahn-
wechsels die Approxi- wechsels die Approxi-
5
malräume beurteilbar malräume beurteilbar
sind sind 6
13–16 Permanente Zähne 3–5 2 1–2 1
> 16 Permanente Zähne 5–10 3 1–2 1–2
7
Hat man sich unter Berücksichtigung der vorliegenden klinischen 8
und radiologischen Befunde für eine nicht-invasive Therapie der kariö-
sen Läsion im Approximalbereich entschieden, dann sollte im Rahmen 9
des Kariesmonitorings in bestimmten Abständen erneut eine Bissflügel-
aufnahme angefertigt werden. Die empfohlenen Zeitabstände können
Tabelle 3.5 entnommen werden.
10
An oralen und bukkalen Glattflächen lässt sich relativ einfach be- Orale und buk-
urteilen, ob eine beginnende Kariesläsion mit oder ohne Kavitätenbil- kale Glattflächen 11
dung vorliegt. Nach entsprechender Zahnreinigung kann man mit vi-
sueller Inspektion entweder weißlich opake Veränderungen (Zeichen 12
einer fortgeschrittenen initialen Karies mit hoher Aktivität) oder
bräunliche Verfärbungen (Zeichen für eine inaktive, arretierte Ka- 13
ries) diagnostizieren. Auch hier ist es für den Einsatz invasiver Maßnah-
men wieder von Bedeutung, ob die Schmelzoberfläche bereits Defekte
(Einbrüche) aufweist oder nicht. Mit hochsensiblen Methoden (quanti-
14
tative lichtinduzierte Fluoreszenz = QLF) lassen sich in diesen Bereichen
heute auch beginnende initiale Läsionen diagnostizieren. Es ist damit 15
möglich, über längere Zeit ein Monitoring dieser Bereiche vorzuneh-
men, um Remineralisation oder weitere Demineralisation (Kariesaktivi- 16
tät) zu erkennen. Diese Methoden sind jedoch noch nicht für die Praxis
ausgereift.
Die Diagnose der Wurzelkaries erfolgt überwiegend durch Inspek- Wurzelkaries
17
tion und Sondierung. An approximalen Flächen lokalisierte Wurzelka-
ries kann auch mit Bissflügelröntgenbildern dargestellt werden. Bei der 18
Inspektion werden die Lokalisation der Läsion, die Kontur der Oberflä-
che und die Farbe beurteilt, bei der Sondierung wird die Konsistenz der 19
Läsion bestimmt.
20
Während die Farbe einer solchen Läsion (gelb, hellbraun bzw. dun-
kelbraun) wenig darüber aussagt, ob die Karies aktiv oder inaktiv ist,
ist die Bewertung der Oberfläche nach den Kriterien hart, ledern
oder weich von großer Bedeutung.
Durch Abtasten der Oberfläche mit einer stumpfen Sonde kann die
Oberflächenhärte bestimmt werden. Läsionen mit harter Oberfläche
enthalten deutlich weniger Mikroorganismen als Läsionen mit lederner
oder weicher Oberfläche und zeigen histologisch oft einen hohen Grad
an Mineralisation, zuweilen sogar eine Hypermineralisation. Läsionen
mit weicher Oberfläche gelten als aktiv und progredient, Läsionen mit
harter Oberfläche als inaktiv und arretiert. Während weiche, aktive Lä-
sionen i.d.R. am Gingivalsaum lokalisiert sind, finden sich harte, inak-
tive Läsionen häufig in größerer Entfernung vom Gingivalsaum.
Der standardisierte Zahnstatus enthält i.d.R. folgende Angaben
(s. Abb. 3.1):
fehlende und ersetzte Zähne
behandlungsbedürftige kariöse Zahnflächen, unterschieden in rein
präventiv, mikroinvasiv und invasiv (restaurativ) zu therapierende
Läsionen
zerstörte und zu extrahierende Zähne
teilretinierte Zähne, im Durchbruch befindliche Zähne
Kronen und Brücken
Implantate
Ergebnisse des Sensibilitätstests
Lockerungsgrade
Sondierungstiefen bzw. PSI
gefüllte Zahnflächen mit Art und Zustand der Restauration
Tab. 3.7: Faktoren, die auf erhöhtes Kariesrisiko hindeuten (nach Reich 2000)
Kinder/Jugendliche Erwachsene
• ≥ 2 kariöse Läsionen im vergangenen • ≥ 2 kariöse Läsionen in den letzten
Jahr drei Jahren
• Frühere Glattflächenkaries • Frühere Wurzelkaries oder
• Erhöhte Streptococcus-mutans- • Große Anzahl freiliegender Zahn-
Werte hälse
• Tiefe Grübchen und Fissuren • Erhöhte Streptococcus-mutans-
• Keine/kaum systemische und lokale Werte
Fluoridanwendung • Tiefe Grübchen und Fissuren
• Schlechte Mundhygiene • Schlechte Mundhygiene
• Häufiger Süßigkeitenverzehr • Häufiger Süßigkeitenverzehr
• Unregelmäßiger Zahnarztbesuch • Unzureichende lokale Fluoridanwen-
• Zu geringer Speichelfluss dung
• Zu lange Babyflaschen-Ernährung • Unregelmäßiger Zahnarztbesuch
oder Stillen (Kleinkinder) • Zu geringer Speichelfluss
Kariesrisiko Die Tabelle 3.7 gibt einen Überblick über die Risikofaktoren für Karies.
Sucht der Patient seinen Zahnarzt regelmäßig auf, so bereitet es häufig
keine Probleme, eine aktuell hohe Kariesaktivität zu erkennen. Hinweis
darauf sind zahlreiche aktive kariöse Läsionen, die eine Tendenz zur ra-
schen Progression zeigen. Die exakte Bestimmung des aktuellen Karies-
risikos ist jedoch häufig schwierig.
Neben der Erhebung eines Ernährungsfragebogens (Ernährungs-
anamnese z.B. in Form eines Dreitageprotokolls) kann die quantitative
Erfassung der Zahnplaque z.B. durch die 24-Stunden-Plaque-Bildungs-
rate (Plaque-Formation-Rate-Index) bestimmt werden. Da die Plaquebil-
dungsrate mehr oder weniger von allen Faktoren beeinflusst wird, die in
der Kariesätiologie eine Rolle spielen, hat dieser Test eine hohe Aussage-
kraft. Zusätzlich können qualitative mikrobielle Speicheltests zur gro-
ben Einschätzung des individuellen Kariesrisikos herangezogen werden.
Hier ist in erster Linie die Bestimmung der Streptococcus-mutans- und
Laktobazillenzahl im Speichel anhand spezieller Tests (z.B. Karies-Ri-
siko-Test = CRT) geeignet. Man geht bei dem Einsatz dieser Testmetho-
den davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der
Mutans-Streptokokken und der Laktobazillen im Speichel und dem Ka-
riesbefall gibt.
Die Einteilung erfolgt grob in vier Klassen (nach Kolonien bildenden
Einheiten = kbE/ml Speichel). Dazu wird meistens ein mit Speichel be-
netzter und bebrüteter Nährboden (37 °C) mit einem Standard vergli-
chen. Als Stellenwert für eine überdurchschnittliche Kariesgefährdung
wird ein Wert von über 250 000 kbE Mutans-Streptokokken pro ml Spei-
chel angegeben. Ein besonders hohes Kariesrisiko sollen Patienten mit
Werten über 1 000 000 kbE pro ml Speichel haben. Die Tests lassen sich
allerdings bei realistischer Einschätzung nur in einer Richtung interpre-
tieren: Patienten mit geringen Keimzahlen im Speichel haben eine ge-
Tab. 3.8: Einteilung der erosiven Defekte anhand ihres Schweregrades. Es wird
immer nur der höchste Wert pro Sextant dokumentiert und aufsummiert.
Grad Klinisches Erscheinungsbild
0 Kein erosiver Zahnhartsubstanzverlust
1 Beginnender Verlust der Oberflächenstruktur
2* Klar ersichtlicher Verlust von Zahnhartsubstanz; < 50% der Oberfläche
3* Ausgeprägter Verlust von Zahnhartsubstanz; > 50% der Oberfläche
* Bei Grad 2 und 3 ist oft Dentin exponiert.
BEWE-Erfassung
Höchster Grad Höchster Grad Höchster Grad
1. Sextant (17–14) 2. Sextant (13–23) 3. Sextant (24–27)
Ist eines dieser Kriterien vorhanden, erfolgt ein Grading nach folgen-
dem Schema. Dabei wird für epidemiologische Studien der jeweils
höchste Index-Wert pro Sextant und für eine individuelle Beurteilung
der Wert für jeden einzelnen betroffenen Zahn dokumentiert.
Index 0: Keine MIH
Index 1: MIH ohne Überempfindlichkeit, kein Defekt
Index 2: MIH ohne Überempfindlichkeit mit Defekt
a) kleiner 1/3 der betroffenen Fläche
Behandlungsplan
Prophylaxemaßnahmen erforderliche invasive Kontrollmaßnahmen
Behandlungsmaßnahmen
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Datum:
PI/ PBI:
Abb. 3.6: Beispiel eines standardisierten Bogens für die Behandlungsplanung im Rahmen der Kariestherapie
Tab. 3.10: Diagnose und Therapieplanung bei Kariesläsionen im Approximalraum (modifiziert nach
Schwendicke et al., 2021)
Radiologische Diagnostik und Zustand der Approximal- Therapieoptionen
fläche
Gesunde Zahnoberfläche Keine Intervention
Inaktive Kariesläsion ohne Kavitation, Regelmäßiges Monitoring
ohne Dentinbeteiligung
Aktive Kariesläsion rein im Zahnschmelz Mikroinvasive Intervention oder
ohne Kavitation (E1, E2) Intensivprophylaxe
Regelmäßiges Monitoring
Aktive Kariesläsion im äußeren Dentindrittel Abhängig von der Kariesaktivität
ohne Kavitation Mikroinvasive Intervention und regelmäßiges
Monitoring oder minivalinvasive Intervention
Aktive Kariesläsion im äußeren Dentindrittel mit Kavita- Invasive Intervention
tion bzw. im mittleren und inneren Dentindrittel
Alle Interventionen werden von individuell adaptierten Präventionsmaßnahmen unterstützt
Tab. 3.11: Empfehlung für das Management von Erosionspatienten auf der Basis des BEWE-Index
Schweregrad Summe aller Management
der Erosionen Sextanten
Nihil ≤2 • Aufklärung und Überwachung
• Wiederholung der BEWE alle 3 Jahre
Gering 3–8 • Mundhygieneinstruktion; Ernährungsabklärung und Beratung, Reflux?
Aufklärung und Überwachung; momentane Situation mit Modellen
und Fotos festhalten
• Wiederholung der BEWE alle 2 Jahre
Mittel 9–13 • Wie oben
• Zusätzlich Empfehlung von Fluoridierungsmaßnahmen; Erhöhung der
Widerstandsfähigkeit der Zahnhartsubstanz
• Restaurative Maßnahmen in Betracht ziehen
• Wiederholung der BEWE alle 6 bis 12 Monate
Hoch ≥ 14 • Wie oben
• Zusätzlich spezielle Betreuung bei schnellem Fortschreiten der Erosio-
nen; restaurative Maßnahmen
• Wiederholung der BEWE alle 6 bis 12 Monate
4 Kariesprophylaxe
1
2
3
4
! Der heutige Wissensstand zur Ätiologie und Pathogenese der Ka-
ries ist so gut, dass durch den Einsatz präventiver Maßnahmen ein
deutlicher Kariesrückgang erzielt werden kann. 5
Die Anzahl klinisch diagnostizierbarer Kariesläsionen ist in Deutsch-
land in den letzten 25 Jahren bei Kindern und Jugendlichen deutlich ge-
6
sunken. Bei einzelnen Personen ist jedoch nach wie vor eine hohe
Kariesprävalenz festzustellen (Kariesrisikogruppen). Auch bei Erwachse- 7
nen ist die Kariesprävalenz sehr hoch. Es gibt zudem in allen Altersgrup-
pen zahlreiche kariöse Initialläsionen. Das liegt u.a. daran, dass der Ka- 8
riesentstehung auch eine biosoziale Komponente zugrunde liegt.
Die Kariesentstehung unterliegt kulturellen, technologischen und 9
ökonomischen Einflüssen unserer Gesellschaft. Einer der Hauptgründe
für die weiterhin hohe Kariesmorbidität ist die mangelnde Bereitschaft
bei einzelnen Menschen, bestimmte krankheitsfördernde Gewohnhei-
10
ten zu ändern. Hinzu kommen jedoch zahlreiche gesellschaftlich be-
dingte Einflüsse. So erwartet der Patient vom Zahnarzt, dass er „aktiv“ 11
(restaurativ) tätig wird. Obwohl die zahnmedizinische Ausbildung ver-
mittelt, dass häufig präventive Maßnahmen ausreichend wären, wird der 12
Zahnarzt aufgrund dieser Zwänge restaurativ tätig. Wirtschaftliche Über-
legungen unterstützen diesen Trend. Lokalanästhesie, bequeme Behand- 13
lungsweise und der Einsatz sogenannter ästhetischer Restaurationsmate-
rialien lassen Kariesprävention als Zielvorstellung für den Patienten in
den Hintergrund treten. Das zentrale Problem im öffentlichen Gesund-
14
heitswesen und in der Praxis ist also die Entscheidung, ob und wie Prä-
vention besser in die zahnärztliche Behandlung integriert werden kann. 15
Karies ist eine multifaktoriell bedingte Erkrankung, was den Einsatz 16
variabler Präventionsmaßnahmen impliziert.
Nicht für jeden Menschen kann die optimale Lösung die richtige
Lösung sein. Es müssen individuelle Ziele formuliert werden, die für
den einzelnen Patienten erreichbar sind.
4.1.1 Grundlagen
7
500 mg Saccharose kann eine maximale Säurebildung innerhalb der
Plaque erreicht werden. 8
Süße Zwischenmahlzeiten, die eine Kombination aus hohem Zu- 9
ckergehalt und häufiger Aufnahme darstellen, sind als besonders
kariesfördernd einzustufen.
10
Insgesamt betrachtet ist aber die relative Kariogenität eines Nahrungs-
mittels schwer zu bewerten. 11
Als produktbezogene Faktoren spielen der Typ und die Menge der Produktbezogene
Kohlenhydrate, die chemische Zusammensetzung (Fett-, Proteinanteil Faktoren 12
usw.), physikalische Eigenschaften (Klebrigkeit, Festigkeit) und mögli-
cherweise schützende Bestandteile eine Rolle. 13
Von den individuumbezogenen Faktoren sind neben der Häufig- Individuumbe-
keit auch die Reihenfolge der Aufnahme, die „oral clearance rate“ (Eli- zogene Faktoren
mination aus der Mundhöhle pro Zeiteinheit in Minuten) und die
14
Mundhygiene zu nennen. Die „oral clearance rate“ wiederum hängt
von Faktoren wie Speichelfluss, Zahnstellung u.a. ab. 15
Aufgrund dieser zahlreichen Faktoren liegen wenig verlässliche Da-
ten über die relative Kariogenität von Nahrungsmitteln vor. Die Kario- 16
genität von Nahrungsmitteln hängt in erster Linie von ihrem Gehalt
leicht vergärbarer niedermolekularer Kohlenhydrate ab.
Neben allen zuckerhaltigen Speisen und Getränken gelten aber auch
17
Produkte, die Zucker in Kombination mit weiterverarbeiteter Stärke
enthalten, als besonders kariogen. 18
Es lässt sich also festhalten, dass es wünschenswert ist, die Gesamt-
menge niedermolekularer Kohlenhydrate, speziell von Saccharose, in 19
der Nahrung zu reduzieren. Dabei sollte insbesondere die Frequenz der
Zwischenmahlzeiten, die niedermolekulare Kohlenhydrate enthalten, 20
gesenkt werden.
Bereits seit 1989 lautet die Empfehlung der WHO, die Zufuhr freier
Zucker auf 10% der Gesamtenergiezufuhr zu beschränken. 2015 wurden
von der WHO die Richtlinien zum Zuckerverzehr aktualisiert und sie
empfiehlt, die Zufuhr freier Zucker auf unter 5% der Gesamtenergiezu-
fuhr zu reduzieren (etwa 25 g bzw. 6 Teelöffel pro Tag). Als freier Zucker
gilt dabei Zucker, der Speisen und Getränken zugesetzt wird, sowie Zu-
cker, der natürlicherweise in Honig, Sirup, Fruchtsäften und Fruchtsaft-
konzentraten enthalten ist.
Zu den empfehlenswerten Zwischenmahlzeiten gehören z.B.
Milch und Milchprodukte, Quark, Obst und Gemüse, Säfte und Nüsse,
sofern ihnen kein Zucker zugesetzt wird. Es ist jedoch darauf hinzuwei-
sen, dass auch diese Nahrungsmittel bei zu häufiger Zufuhr zahnschäd-
lich sein können. Insbesondere der wiederholte Genuss saurer Frucht-
säfte kann zu Erosionen der Zahnhartsubstanzen führen.
Mit diesen Vorgaben wird dem modernen Verständnis der Karies-
entstehung Rechnung getragen. Es kommt selten, und wenn, dann zeit-
lich limitiert, zu Demineralisationsattacken auf die Zahnhartsubstan-
zen. Für die Remineralisation durch den Speichel stehen dadurch lange
Zeiträume zur Verfügung.
16
Menschen können Langzeit- oder gut kontrollierte Kurzzeitstudien
durchgeführt werden, sofern sie ethisch vertretbar sind.
Als besonders geeignet gelten heute die intraorale Plaque-pH-Wert-
17
Bestimmung oder die Bestimmung des Demineralisationsgrades von in
der Mundhöhle fixierten Schmelzproben. Mit der intraoralen Plaque-pH- 18
Wert-Messung wird die potenzielle Kariogenität bestimmt. Fällt der pH-
Wert in der Plaque nach Gabe eines Nahrungsmittels (beinhaltet auch Ge- 19
tränke) unter den kritischen pH-Wert, wird das Produkt als potenziell ka-
riogen eingestuft. Als zahnschonend wird ein Nahrungsmittel bezeichnet, 20
wenn der pH-Wert in der interdentalen Plaque bis zu 30 min nach dem
Verzehr nicht unter 5,7 fällt. Der Begriff relative Kariogenität versucht zu
beschreiben, wie stark oder schwach kariogen ein Nahrungsmittel ist.
Da bisher kein einzelnes verlässliches Testverfahren bekannt ist, ver-
sucht man die relative Kariogenität durch Kombination der genannten
Methoden zu bestimmen.
Ernährungs- Wie bei jeder ärztlichen Maßnahme benötigt man auch hier eine genaue
protokoll Anamnese. Diese besteht aus einem adäquaten, validen und vertrauens-
würdigen Ernährungsprotokoll. Dieses Protokoll sollte mindestens drei
Tage lang geführt werden. Es kann in standardisierter vorgefertigter
Form zum Ankreuzen mitgegeben werden oder wird vom Patienten
nach entsprechenden groben Vorgaben selbst angefertigt (s. Kap. 3).
Aufgrund dieses Ernährungsprotokolls analysiert der Zahnarzt die
Ernährungsgewohnheiten und die Nahrungsmittelzusammensetzung.
In einer speziell anberaumten Sitzung wird der Zusammenhang zwi-
schen den speziellen Zahnproblemen des Patienten und seinen Ernäh-
rungsgewohnheiten erklärt. Grafische Darstellungen des Zusammen-
hangs helfen bei der Aufklärung. Dem Patienten muss dabei erklärt wer-
den, welche kariogenen „Zuckerarten“ es gibt (Glukose, Fruktose,
Saccharose usw.). Der Patient wird dann aufgefordert, Vorschläge zu
machen, wie er die hohe Frequenz der Zuckeraufnahme reduzieren
kann. Der Zahnarzt macht seinerseits Vorschläge, wie die kariogenen
Zwischenmahlzeiten durch nicht kariogene ersetzt werden können. Das
kann durch Verzicht auf Süßigkeiten zu den Zwischenmahlzeiten oder
durch die Verwendung nicht kariogener Süßungsmittel geschehen.
Schwangerschaft Eine spezielle Ernährungsberatung sollte bei Schwangeren durch-
geführt werden. Der unüberwachte, ständige Genuss kariogener Ge-
tränke und Nahrungsmittel, speziell in Saugerflaschen aus Kunststoff,
führt bei Kleinkindern zu einer extrem raschen Zerstörung der durch-
brechenden Milchzähne mit der Folge des Zahnverlustes (nursing bot-
tle caries, early childhood caries = EEC). Selbst der ständige Genuss
von Milch aus Saugerfläschchen, speziell während der Nacht, kann zu
einer solchen Karies führen.
Bei Zahnerosionen wird auf die Rolle saurer Getränke (z.B. Soft-
drinks), von Zitrusfrüchten, sauren Nahrungsmitteln, Vitaminproduk-
ten, Medikamenten (z.B. ASS) usw. hingewiesen. Eine wenig abrasive
Zahnputztechnik wird ebenfalls eingeübt.
stoff, Verzierung usw. Allein aus diesen Gründen ist es schwierig, auf
Zucker zu verzichten bzw. einen Zuckerersatz- oder -austauschstoff zu 1
finden. Die Suche nach einem solchen Stoff ist nicht nur aus zahnmedi-
zinischer Sicht, sondern auch aus allgemeinmedizinischer Sicht wich- 2
tig. Immer mehr Menschen leiden nämlich an Diabetes und Überge-
wicht mit entsprechenden Folgeerkrankungen.
3
Ein zuckerfreies Süßungsmittel sollte nur langsam oder überhaupt
nicht von kariogenen Mikroorganismen abgebaut werden können, 4
ungefähr die Süßkraft des Zuckers besitzen und nicht teurer als Zu-
cker sein. 5
Man unterscheidet heute zwischen kalorischen und nicht kalorischen
Süßungsmitteln.
6
Unter die Rubrik kalorische Süßungsmittel lassen sich Mannit, Sor- Kalorische
bit, Xylit u.a. einordnen. Sie werden auch als Zuckeraustauschstoffe be- Süßungsmittel 7
zeichnet.
Xylit kommt in Beeren und Gemüsen vor, wird kommerziell jedoch 8
aus harten Hölzern wie Birke extrahiert. Da Xylit im Magen-Darm-Trakt
nur teilweise absorbiert wird, kann es bei Genuss von mehr als 50 g pro 9
Tag bei Erwachsenen (30 g bei Kindern) zu Diarrhö kommen. Xylit ist
ein nicht kariogenes Süßungsmittel (vgl. Abb. 4.3).
In neueren Untersuchungen wird Xylit sogar eine antikariogene
10
Wirksamkeit zugesprochen, deren genauer Mechanismus bisher aller-
dings nicht bekannt ist. So soll Xylit eine Plaque reduzierende Wirkung 11
besitzen und zudem die Streptococcus-mutans-Zahlen im Speichel und in
der Plaque reduzieren. Es soll zudem die Remineralisation von initialen 12
Kariesläsionen verbessern und zur Selektion einer Mutanspopulation
mit geschwächter Virulenz beitragen. 13
Abb. 4.3: Kariesreduktion
DMF-S
durch Verringerung der täg-
lichen Zuckeraufnahme. In 14
der Turku-Studie wurden 14 12,8
Personen, die den Süßstoff
Xylitol zum Süßen fast aller 12 15
Nahrungsmittel verwende-
ten, mit einer Kontroll- 10
gruppe verglichen, die „nor- 16
male“ zuckerhaltige Ernäh-
rung erhielt (nach Scheinin 8
und Makinen 1975).
6
17
4 18
2 1,1
19
0
Kontrolle Xylitol-Gruppe
Turku-Studie 20
Tab. 4.3: Relative Süßkraft von verschiedenen Zuckern und anderen Süßungs-
mitteln (die Süßkraft von Saccharose wurde mit dem Wert 1 zugrunde gelegt)
Laktose 0,16
Galaktose 0,32
Sorbitol 0,54
Mannitol 0,57
Glukose 0,74
Saccharose 1,00
Invertzucker (G + F) 1,30
Fruktose 1,73
Natriumzyklamat 30–80
Aspartam (L-aspartyl-L-phenylalaninmethylester) 150–200
Saccharin 200–700
Monellin 3000
300 4000
200 3000
2000
100
1000
0 0
Schmelz Dentin
ließ sich in den Fissuren und Grübchen feststellen. Jugendliche, die seit
Geburt in Gebieten mit einem optimalen Trinkwasserfluoridgehalt le- 1
ben, weisen weniger kariöse Zahndefekte auf als solche, die nur kurze
Zeit in solchen Gebieten leben. 2
Anfangs ging man davon aus, dass der präeruptive Fluorideinbau in
den Zahnschmelz der Grund für die kariesprophylaktische Wirkung von
Fluorid sei. Heute weiß man allerdings, dass die posteruptive, lokale
3
Wirkung von Fluorid eine größere Rolle spielt. Insofern ist der Begriff
Fluoridsupplementierung für die Gabe von Fluoridtabletten oder für die 4
Verwendung fluoridierten Speisesalzes irreführend, da es sich genau ge-
nommen auch um eine lokale Fluoridierungsmaßnahme handelt. Da 5
der Begriff jedoch nach wie vor in der Literatur zu finden ist, wird er
nachfolgend für diese Fluoridierungsmaßnahmen verwendet.
Heute leben etwa 400 Millionen Menschen in Gebieten mit fluori-
6
diertem Trinkwasser. In Deutschland hat sich die Trinkwasserfluoridie-
rung aus unterschiedlichen Gründen jedoch nicht etabliert. 7
Als alternative „systemische“ Fluoridierungsmaßnahmen stehen die Tabletten-
Tablettenfluoridierung und die Salzfluoridierung zur Verfügung. Bei fluoridierung 8
der Tablettenfluoridierung ist in Abhängigkeit vom Alter und von ande-
ren Fluoridierungsmaßnahmen die Dosierung unterschiedlich zu gestal- 9
ten. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, ob die Patienten in Gebie-
ten mit natürlich erhöhtem Trinkwasserfluoridgehalt leben, fluoridhal-
tiges Speisesalz verwenden oder fluoridhaltige Mineralwässer zu einer
10
erheblichen Fluoridaufnahme beitragen (vgl. Tab. 4.5).
Tabletten enthalten meistens Natriumfluorid (2,2 mg NaF = 1 mg F–). 11
Grundsätzlich sollte nur eine Form der Fluorid„supplementierung“ 12
gewählt werden, also Salz- oder Tablettenfluoridierung. Es ist si-
cherzustellen, dass die Gesamtzufuhr von Fluorid bestimmte to- 13
xisch relevante Grenzen nicht überschreitet (s. Kapitel 4.2.6).
Fluoridierungsmaßnahmen (Basisprophylaxe)
Alter Geburt bis Ab Zahndurchbruch bis 12 Monate 12 bis unter 2–6 Jahre Ab 6 Jahre
1. Zahn 24 Monate
Fluoridtablette Fluoridfreie oder Fluoridhaltige Fluoridhaltige Fluoridhaltige Fluoridhaltige
mit Vitamin D Zahnpasta und Zahnpasta Zahnpasta Zahnpasta Zahnpasta für
1 × täglich Fluoridtablette 1000 ppm F– 1000 ppm F– 1000 ppm F– Erwachsene
mit Vitamin D (Reiskorngröße) (Reiskorngröße) (Erbsengröße) 2–3 × täglich
bis 2 × täglich 2 × täglich 2–3 × täglich
und Vitamin-D-
Tablette 1 × täglich
Eltern putzen die Zähne nach
Abb. 4.6: Empfehlungen zur Fluoridprophylaxe (Fluoridgehalt des Trinkwassers < 0,3 ppm) vorgestellt vom
Netzwerk „Gesund ins Leben“, 29.04.2021
Fluoridiertes Speisesalz
Eine kariesprophylaktische Wirksamkeit der Speisesalzfluoridierung ist
beschrieben.
Fluoridlackapplikation 7
Bei Kindern und Jugendlichen, vor allem solchen mit erhöhtem Kariesrisiko,
soll zweimal jährlich eine Applikation eines fluoridhaltigen Lackes erfolgen. 8
Die lokale Fluoridlackapplikation kann unabhängig von bereits durchge-
führten, breitenwirksamen Fluoridierungsmaßnahmen durchgeführt wer- 9
den. Bei Patienten mit stark erhöhtem Kariesrisiko soll die Frequenz der
Fluoridapplikation mehr als zweimal (in der Regel viermal) pro Jahr betra-
gen, weil dann eine verbesserte kariesreduzierende Wirkung zu erwarten ist.5
10
Fluoridgele 11
1. Fluoridgele sollen unabhängig von bereits bestehenden Basisfluoridierungs-
maßnahmen, wie zum Beispiel fluoridhaltige Zahnpasta, verwendet werden. 12
2. Da der kariespräventive Effekt von Fluoridgelen unabhängig von der Art
der Applikationsmethode ist (zahnärztliche Applikation vs. Applikation 13
durch den Patienten; Trayapplikation vs. Einbürsten), soll die Art der Ap-
plikation individuell gewählt werden.
Bei kariesaktiven Patienten soll eine mehrmalige Applikation fluoridhalti-
14
ger Gele erfolgen, da der kariespräventive Effekt mit der Applikationsfre-
quenz und der Applikationsintensität pro Jahr (Frequenz × Fluoridkonzen- 15
tration) korreliert.6
16
Fluoridhaltige Mundspüllösungen
Bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Kariesrisiko führt die tägliche
überwachte Anwendung von Mundspüllösungen (in einer Konzentration
17
von 0,05% NaF) bzw. die einmal wöchentliche überwachte Anwendung
einer Mundspüllösung (0,2% NaF) zu einer deutlichen Reduktion des Ka- 18
riesanstiegs. Da dieser Effekt unabhängig von der Anwendung anderer
19
3 ebenda
4
5
6
ebenda
ebenda, S. 6 20
ebenda
fluoridhaltiger Präparate wie z.B. Zahnpasten ist, wird bei Kindern und
Jugendlichen mit erhöhtem Kariesrisiko die Anwendung einer fluoridhalti-
gen Mundspüllösung empfohlen.
Aufgrund der vorliegenden Studienlage kann davon ausgegangen werden,
dass fluoridhaltige Spüllösungen bei Jugendlichen (insbesondere wenn eine
kieferorthopädische Behandlung mit festsitzenden Geräten durchgeführt
wird) zur Kariesprävention beiträgt.
Kinder unter 6 Jahren sollten keine fluoridhaltigen Mundspüllösungen ver-
wenden, um zu vermeiden, dass toxikologisch relevante Fluoridmengen
verschluckt werden.7
Die Pädiater waren mit dieser evidenzbasierten Leitlinie nicht einverstan-
den. Zudem hat man festgestellt, dass bei kariesaktiven Kindern eine Fluo-
ridzahnpasta mit 500 ppm Fluorid nicht ausreichend kariespräventiv
wirksam ist. Vor diesem Hintergrund wurde 2021 gemeinsam mit dem
Netzwerk „Gesund ins Leben“ und dem „Bundeszentrum für Ernährung"
eine Kompromissformulierung zur Basisprophylaxe mit Fluorid pu-
bliziert (Abb. 4.6).
7 ebenda
Die Reaktion von Fluorid mit Zahnschmelz ist sehr genau unter- Fluorid und
sucht, die Ergebnisse lassen sich jedoch auch auf die anderen Zahnhart- Zahnschmelz 1
substanzen übertragen, da es sich fast ausschließlich um eine Reaktion
mit Hydroxylapatit handelt. 2
Bei der Interaktion von lokal appliziertem Fluorid mit Zahnschmelz
unterscheidet man vier grundsätzliche Reaktionsmechanismen:
initiale Auflösung des Schmelzminerals an der Schmelzoberfläche
3
und Repräzipitation eines kalziumfluoridhaltigen Niederschlags
initiale Auflösung des oberflächlichen Schmelzes und Repräzipita- 4
tion von fluoridiertem Hydroxylapatit bzw. Fluorapatit
Diffusion in den Zahnschmelz und spezifische Adsorption von Fluo- 5
ridionen an freie Bindungsstellen (z.B. OH–, Ca2+ und HPO32–) der
Kristalloberflächen im Zahnschmelz
Diffusion in den Zahnschmelz und unspezifische Bindung, z.B. in
6
der wässrigen Hülle um die Kristalle
7
Das unter dem ersten Punkt beschriebene kalziumfluoridhaltige Präzipi-
tat löst sich anschließend wieder auf und die frei werdenden Fluoridio- 8
nen erhöhen die Fluoridkonzentration im Speichel bzw. diffundieren in
den Zahnschmelz und adsorbieren an den Kristalloberflächen. 9
Die adsorbierten Fluoridionen umgeben die Schmelzkristalle wie ein
schützender Schirm und werden langfristig in das Kristallgitter integriert.
Sie sollen dann allerdings ihre Schutzfunktion verlieren (s. Abb. 4.7).
10
Nach Applikation von Natriummonofluorphosphat (kovalent ge-
bundenes Fluorid) verläuft die Reaktion mit Zahnschmelz anders als 11
bei den ionisch gebundenen Fluoriden:
Monofluorphosphat diffundiert in den Zahnschmelz und wird ge- 12
gen Phosphat ausgetauscht.
Hydrolyse des Monofluorphosphats durch Speichel- und Plaqueen-
13
zyme bzw. Säuren und anschließende Reaktion der freien Fluoridio-
nen mit dem Zahnschmelz, wie bei anderen ionischen Fluoriden.
14
Alle Fluoridierungsmittel führen primär zu einer Fluoridanreicherung
im Oberflächenschmelz, da die Diffusion von Fluorid in tiefere 15
Schmelzschichten Zeit benötigt. Monofluorphosphat diffundiert sehr
viel langsamer in den Schmelz als freies Fluorid, deshalb ist eine Fluorid- 16
anreicherung im Oberflächenschmelz nach lokaler Applikation geringer
als nach Applikation ionisch gebundener Fluoride.
Die Anreicherung von Fluorid an der Oberfläche gesunden Zahn-
17
schmelzes ist ohnehin nur von kurzer Dauer, da das Fluorid relativ
schnell wieder in den Speichel zurück diffundiert. 18
Im demineralisierten Schmelz einer beginnenden Kariesläsion wird 19
nach lokaler Applikation von Fluoridverbindungen erheblich mehr
Fluorid aufgenommen als im gesunden Schmelz. Dabei spielt die 20
Art der verwendeten Fluoridverbindung keine entscheidende Rolle.
Fluorid-
applikation Speichel Saccharose
F-
F-
Plaque
Fin- H+
H
Fin- +
F-
in
Fin-
Kristall Kristall
Fluorid-
hülle
a
Speichel Saccharose
Plaque
H+
H
H+
F (HAP) F (HAP)
Der Fluoridgehalt von Plaque kann wesentlich höher sein als der
Fluoridgehalt von Speichel. Der physiologische Normalwert ist abhän- 1
gig von der Speichelsekretionsrate, zugeführter Nahrung oder Geträn-
ken (0,5–2,5 μM = 0,01–0,05 ppm). Der mittlere Fluoridgehalt von 2
Plaque schwankt je nach Untersucher und angewandter Analyseme-
thode und wird mit 55–85 ppm (bezogen auf Trockengewicht) und 5–25
ppm (bezogen auf Nassgewicht) angegeben. Plaque kann also Fluorid
3
speichern.
Dabei muss zwischen ionisiertem, ionisierbarem (schwach gebunde- 4
nem) und fest gebundenem Fluorid unterschieden werden. Die fest ge-
bundene Fluoridfraktion ist an Zellen oder an andere organische Be- 5
standteile der Plaque gebunden. Der ionisierbare Anteil liegt überwie-
gend in Form von Kalzium-Phosphat-Fluorid-Komplexen vor. Ionisiert
liegt in einer ruhenden Plaque nur ein sehr kleiner Anteil (unter 1 ppm)
6
vor. Bei fallendem pH-Wert wird allerdings ein erheblicher Teil des ioni-
sierbaren Fluorids frei und kann in den Speichel oder in den Zahn- 7
schmelz diffundieren.
Plaque reichert jedoch nicht nur Fluorid aus der Nahrung an, son- 8
dern auch aus dem Zahnschmelz. Gerade unter kariogenen Bedingungen
kann eine stoffwechselaktive Plaque ein vorhandenes Fluoridreservoir 9
(Kalziumfluorid) auf der Schmelzoberfläche rasch auflösen (s. Abb. 4.8).
Fluorid reichert sich auch unter bestimmten Bedingungen in Bakte-
rienzellen der Plaque an. Versuche mit Streptococcus-mutans- und Strepto-
10
coccus-sanguis-Stämmen konnten nachweisen, dass die Fluoridaufnahme
in die Bakterienzellen von einem pH-Gradienten und nicht von einem 11
Energie fordernden Prozess abhängig ist. So gelangt Fluorid bei niedrigem
extrazellulärem pH-Wert als Fluorwasserstoff durch einfache Diffusion in 12
das basische Zellinnere. Wird das extrazelluläre Milieu wieder basisch,
kehrt sich die Diffusion um. Die Anreicherung erreicht relativ rasch (zwei 13
Minuten) ihr Maximum und steigt dann kaum noch. Es ist allerdings bis-
her nicht bekannt, wo sich das Fluorid im Zellinneren bindet.
14
4.2.4 Kariostatischer Wirkungsmechanismus von Fluoriden 15
Zahnhartsubstanzen 16
Der kariostatische Wirkungsmechanismus von Fluorid konnte bisher
nicht vollständig aufgeklärt werden. Es handelt sich um einen multifak-
toriellen Mechanismus, bei dem allerdings zahlreiche Details bekannt
17
sind. Da sich die meisten Studien zum Wirkungsmechanismus der Fluo-
ride mit Zahnschmelz beschäftigen, beziehen sich die folgenden Passa- 18
gen auf die Resultate dieser Untersuchungen. Die Wirkprinzipien sind
jedoch ebenso auf die anorganischen Bestandteile von Dentin und Ze- 19
ment anwendbar.
20
metabolisch
2F- aktive
Speichel Ca2+ F-
Speichel Plaque
(pH: 5)
CaF2
CaF2
Ca2+
Zahn- F (HAP)
schmelz Zahn-
schmelz
a Plaque-
entfernung
(pH-Anstieg) c
Speichel HPO42- Proteine
Speichel
HPO42- Proteine
CaF2
CaF2
F- F-
Zahn- F-
schmelz Zahn-
schmelz
b d
Abb. 4.8: Nach lokaler Applikation von Fluorid kommt es, abhängig von der Fluoridkonzentration und dem
pH-Wert der Fluoridlösung, zur Ausbildung eines mehr oder weniger starken CaF2-Präzipitats auf der
Zahnoberfläche (a). Dieses Präzipitat wird anschließend von Proteinen und Phosphat aus dem Speichel be-
deckt. Aus der Kalziumfluoridschicht diffundieren jedoch geringe Mengen Fluorid in den Zahnschmelz (b).
Wird diese Kalziumfluoridschicht von einer metabolisch aktiven Plaque bedeckt, kommt es unter der Ein-
wirkung der gebildeten organischen Säuren zum Verlust der schützenden Protein-Phosphat-Schicht und
zur vermehrten Auflösung von Kalziumfluorid. Die austretenden Fluoridionen werden mit dem Speichel
abtransportiert oder reichern sich in der Plaque bzw. im Schmelz (z.B. als fluoridiertes Hydroxylapatit) an
(c). Nach Plaqueentfernung bzw. pH-Wert-Anstieg aufgrund der Pufferung durch den Speichel wird die
verringerte CaF2-Schicht wieder mit Phosphat und Proteinen aus dem Speichel bedeckt (d).
Verbesserung der Verminderung der Säurelöslichkeit durch den festen Einbau von
Kristallinität Fluorid in das Kristallgitter der Zahnhartsubstanzen: Der anorgani-
sche Anteil der Zahnhartsubstanzen besteht zu einem großen Teil aus
nicht stöchiometrischem Apatit. Außerdem besitzen viele Kristalle De-
fekte und Fehlstellen. Beides bewirkt eine Erhöhung der Löslichkeit.
Durch den Einbau von Fluorid während der präeruptiven Schmelzbil-
dung und mehr noch während der präeruptiven Schmelzreifung wird
die Kristallgitterstruktur stabiler und die Löslichkeit des Apatits herabge-
setzt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Verbesse-
rung der Kristallinität, d.h., die Kristalle sind in ihrer Gitterstruktur
perfekter aufgebaut, und sie sind größer.
Bakterien
und Substrat
Säuren Fluoride
Demineralisation
gesunder kariöser
Zahnschmelz Zahnschmelz
Remineralisation
Kalzium
Säurepuffer Fluoride und Phosphor
Speichel
lichkeit Fluorapatit in kristalliner Form aus. Erst später, wenn der pH-
Wert weiter angestiegen ist, fallen auch Hydroxylapatit und andere
Apatitformen aus.
Die Anwesenheit von Fluorid bedeutet also auch eine Verkürzung
der Demineralisationsperioden, da Mineralien wieder früher repräzipi-
tieren. Die Erhöhung des Fluorapatitanteils an der Zahnoberfläche er-
höht die Resistenz gegenüber nachfolgenden kariösen Attacken.
Bei lang andauernder oder/und heftiger Demineralisation und kur-
zer Remineralisationszeit resultiert insgesamt ein Mineralverlust und
damit eine klinisch sichtbare kariöse Initialläsion (white spot). Wird
nun durch Einsetzen einer optimalen Mundhygiene die Plaque beseitigt
und durch Ernährungsumstellung nur noch wenig kariogenes Substrat
zugeführt, so schreitet die kariöse Läsion nicht weiter voran. Der Mine-
ralverlust aus der Zahnoberfläche stagniert, und es können sich sogar
Mineralien aus dem Speichel, der mit Hydroxylapatit bzw. Fluorapatit
gesättigt ist, einlagern (Remineralisation). Frühe initiale Läsionen kön-
nen sich so zurückentwickeln (caries reversal) und sogar klinisch ver-
schwinden (s. Abb. 4.10).
Schmelzoberfläche ablagert und somit die Poren für die Diffusion der
Speichelmineralien verstopft. Es kann dann über lange Zeit zu einer Dif-
fusion von Fluorid auch in die Tiefe der Läsion mit nachfolgender Mi-
neraleinlagerung in diesen Bereichen kommen.
Nach Applikation niedriger konzentrierter Fluoridierungsmittel
kommt es in vitro primär zu einer Remineralisation im Läsionskörper.
In-vivo-Studien konnten allerdings auch unter diesen Bedingungen
(z.B. Trinkwasserfluoridierung) keine vollständige Remineralisation ini-
tialer kariöser Läsionen feststellen. Neuere Untersuchungen konnten
zudem zeigen, dass es unter extrem kariogenen Bedingungen nicht zu
einer Behinderung der Progression kariöser Läsionen kommt.
Plaquebeseitigung und Ernährungsumstellung sind also weiterhin
wichtige Säulen der Kariesprophylaxe. Fluoride entfalten ihre höchste
kariesprophylaktische Wirksamkeit nämlich bei geringer bis mittlerer
Kariesaktivität.
Wie bei jeder Substanz, die dem menschlichen Körper zugeführt wird,
kann Fluorid jedoch bei Überdosierung auch Vergiftungserscheinungen
hervorrufen. Dabei ist zwischen akuter Toxizität und latenter (chroni-
scher) Toxizität zu unterscheiden.
Wird Fluorid in großen Mengen zugeführt, so kommt es zu akuten
Vergiftungserscheinungen mit einer Reihe von Symptomen bis zum
tödlichen Ausgang. Wird während der Zahnentwicklung kontinuierlich
Fluorid in einer Dosis verabreicht, die über der empfohlenen Tages-
menge liegt, resultieren Veränderungen der Zahnhartsubstanzen (Zahn-
fluorose). Werden extrem hohe Dosen über Jahre verabreicht, kann es
zur Skelettfluorose (Verkrüppelungen, Verkalkungen von Bändern und
Gelenken, Wachstumshemmung) kommen.
Überdosierung Die akute letale Dosis für Fluorid ist von zahlreichen Variablen ab-
hängig, wie der Art des Fluorids und dessen Löslichkeit, der Resorptions-
geschwindigkeit im Magen-Darm-Trakt, dem Säure-Basen-Haushalt und
dem pH-Wert des applizierten Fluorids. Sie wird mit 32–64 mg Fluorid/
kg Körpergewicht für Erwachsene angegeben. Diese Dosis wird heute als
sichere toxische Dosis (Certainly Toxic Dose = CTD) angesehen. Man
sollte daraus jedoch nicht schließen, dass es nicht zu tödlichen Vergif-
tungserscheinungen kommt, wenn man knapp unter dieser Grenze
bleibt. Aufgrund einiger Vergiftungserscheinungen mit tödlichem Aus-
gang bei Kleinkindern kann man eine wahrscheinlich toxische Dosis
(Probably Toxic Dose = PTD) von 5 mg Fluorid/kg Körpergewicht für
Kinder annehmen. Ab dieser Dosis sollten Notfallmaßnahmen ergriffen
werden. Bei einem dreijährigen Kind von 15 kg Körpergewicht entsprä-
che diese Dosis 150 Tabletten à 0,5 mg. Man sollte daher nie mehr als
100 Fluoridtabletten in altersabhängiger Dosis verschreiben. Diese Do-
sis wird erreicht, wenn man 75 Liter Wasser mit einem Fluoridgehalt
von 1 ppm oder 234 g fluoridiertes Salz zu sich nähme.
So bedeutet der Verzehr einer Tube Zahnpasta (100 g) mit einer Fluorid-
3
konzentration von 1000 ppm die Aufnahme von 100 mg Fluorid. Das
hieße für ein 15 kg schweres Kind (drei Jahre) eine Überschreitung der 4
PTD um 33%.
5
Für hoch dosierte Fluoridpräparate gilt: Sie sollten nur vom Zahn-
arzt oder von ausgebildetem Hilfspersonal unter der Aufsicht eines
Zahnarztes appliziert werden.
6
4.3 Fissurenversiegelung
Fissuren-
versiegler
Komposit
Adhäsiv-
system
dabei, dass die Exkavation der Karies möglich wird, ohne dass eine
breite Kavität im Schmelz präpariert werden muss. 1
Die Patienten müssen bereit sein, sich in ein Recall-System aufneh-
men zu lassen (Compliance), damit eine halbjährliche Kontrolle der 2
versiegelten und der unversiegelten Zahnflächen erfolgen kann. Die Pa-
tienten sollten zudem lokale Fluoridierungsmaßnahmen durchführen
und eine gute Approximalraumhygiene betreiben, um kariöse Defekte
3
an anderen Stellen der Zähne zu vermeiden. Die Fissurenversiegelung ist
bei Patienten mit Allergie auf die Bestandteile des Fissurenversieglers 4
kontraindiziert.
5
Weite, gut zu säubernde Fissuren und Zähne, die länger als vier
Jahre kariesfrei sind, werden nicht versiegelt.
6
Da die Fissurenversiegelung im Kindesalter durchgeführt wird, müssen
die Eltern über die Notwendigkeit weiterer prophylaktischer Maßnah- 7
men und regelmäßiger zahnärztlicher Kontrollen der versiegelten
Zähne aufgeklärt werden. 8
9
4.3.2 Materialien
Diagnostische Voruntersuchungen
(…) Vor der Fissuren- und Grübchenversiegelung soll eine sorgfältige diagnos-
tische Untersuchung dieser Areale erfolgen. Dabei soll als primäre Methode die
visuelle Untersuchung an den gereinigten und getrockneten Zahnflächen ein-
gesetzt werden.
(…)
(…) An nicht kavitierten kariösen Läsionen sollten ergänzende diagnosti-
sche Verfahren, z.B. die Röntgendiagnostik mit Bissflügelaufnahmen oder
lichtoptische Verfahren, indikationsgerecht genutzt werden, um versteckte
Dentinläsionen zu erkennen (Kontraindikation für Fissuren- und Grübchen-
versiegelung).
(…)
(…) Eine Kariesaktivitäts- und Kariesrisikoeinschätzung sollte durchge-
führt werden.
(…) Bei Kindern und Jugendlichen mit einem erhöhten Kariesrisiko und
bestehender Kariesaktivität sollte die Fissuren- und Grübchenversiegelung
prioritär eingesetzt werden.
(…)8
(…)
Die Indikationsstellung zur Fissuren- und Grübchenversiegelung erfolgt
auf Grundlage der Karies- und Kariesrisiko-Diagnostik. Bei karies(risiko)freien
Patienten kann aus heutiger Sicht auf die Fissuren- und Grübchenversiegelung
verzichtet werden, da die Wahrscheinlichkeit einer okklusalen Kariesentwick-
lung bei sichergestellter präventiver Betreuung als gering eingeschätzt wird.
Nichtsdestotrotz wird an Zähnen mit einem erhöhten zahnflächenspezifi-
schen Risiko die Fissuren- und Grübchenversiegelung auch bei Nicht-Kariesri-
siko-Patienten empfohlen.
Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einem erhöhten Karies-
risiko ist die Fissuren- und Grübchenversiegelung an gesunden und nicht kavi-
tierten kariösen Läsionen wesentlicher Bestandteil der kariespräventiven Be-
treuungsstrategie. Bei Erwachsenen und älteren Patienten kann die Indikation
zur Versiegelung restriktiver gestellt werden.
(…)
Die Indikation zur Fissuren- und Grübchenversiegelung an bleibenden
Molaren sollte in folgenden klinischen Situationen gestellt werden:
Kariesfreie Fissuren und Grübchen bei Patienten mit einem erhöhtem Ka-
riesrisiko. Dazu zählen z.B. Patienten mit Karieserfahrung im Milchgebiss
sowie Patienten, die bereits einen kariösen bleibenden Molaren aufweisen.
Kariesfreie Fissuren und Grübchen mit einem anatomisch kariesanfälligen
Fissurenrelief (nach subjektiver Einschätzung) unabhängig von der Karies-
risiko-Einschätzung.
9
20
ebenda, S. 5ff.
10 ebenda, S. 9
(…) Die „Air Abrasion“ kann prinzipiell für die Vorbehandlung der
Schmelzoberfläche vor der Fissuren- und Grübchenversiegelung genutzt wer-
den. Dem steht jedoch ein zusätzlicher Geräteaufwand gegenüber (…).
(…) Für die Nutzung der Laserkonditionierung zur Vorbehandlung der
Schmelzoberfläche liegen nur unzureichende klinische Daten vor. Zudem ist
ein zusätzlicher Geräteaufwand notwendig. Daher kann die klinische Anwen-
dung der Laserkonditionierung gegenwärtig nicht vorbehaltlos empfohlen wer-
den. (…)
Applikation des Applikation des Versiegelungsmaterials
Versiegelungs- (…) Die Applikation des Versiegelungsmaterials soll grazil im Fissurenrelief
materials erfolgen. Materialüberschüsse, die zu okklusalen Vorkontakten und einem
partiellen oder vollständigen Retentionsverlust führen können, sollen vermie-
den werden (…).
Polymerisation Polymerisation, Kontrolle der Okklusion und Politur
Die Polymerisationszeit ist abhängig von der Lichtintensität und dem Versie-
gelungsmaterial und soll in der Regel 20 Sekunden betragen (Beachten: Alle
Versiegelungsanteile müssen vom Licht ausreichend erfasst werden.). Nach
der Aushärtung soll eine Okklusionskontrolle erfolgen; interferierende Über-
schüsse sollen korrigiert werden (…).
Okklusions- (…) Zur Entfernung der oberflächlichen Sauerstoffinhibitionsschicht soll
kontrolle eine Politur der Fissuren- und Grübchenversiegelung erfolgen. Zur Reminerali-
Politur sation geätzter, aber nicht versiegelter Schmelzareale wird die Lokalapplika-
tion eines Fluoridpräparats empfohlen (…).
Monitoring Monitoring
(…) Versiegelte und unversiegelte Fissuren und Grübchen sollen einer regelmä-
ßigen Kontrolle unterzogen werden. Die Verlaufskontrollen sollen sich an den
durch die Kariesrisikoeinstufung festgelegten Intervallen orientieren (…).
(…) Im Fall eines Retentionsverlusts soll die Nachversiegelung entspre-
chend den Indikationsempfehlungen geprüft werden (…).
(…)11
11 ebenda, S. 7ff.
gung ihrer kariogenen Keime über den Speichel, z.B. durch Ablecken der
Saugerflasche o.Ä., vermeiden. Derartige Vorschläge erscheinen jedoch 1
wenig realistisch, da durch den innigen Kontakt zwischen Kindern und
Müttern eine Übertragung dieser Keime fast unausweichlich ist. 2
Sinnvoller ist es, wenn man die kariesätiologisch relevanten Keime Primär-Primär-
schon bei der werdenden Mutter bekämpft. Dies geschieht nach einer prävention
Kariesrisikoevaluation – falls notwendig – durch intensivprophylakti-
3
sche Maßnahmen einschließlich einer eventuell notwendigen invasi-
ven Therapie von kariösen Defekten in der Mundhöhle. Diese Maßnah- 4
men werden insgesamt als Primär-Primärprävention bezeichnet.
Bei hohem Kariesrisiko mit einer erhöhten Anzahl kariogener Mi- Chlorhexidin- 5
kroorganismen, ist man bestrebt, die Keimzahlen in der Mundhöhle zu diglukonat-Lack
verringern. Neben den schon beschriebenen prophylaktischen Maß-
nahmen wird heute versucht, die Keimzahlen durch das Auftragen von
6
Chlorhexidindiglukonat-Lack in den Fissuren und Approximalräu-
men zu verringern. 7
Auch wenn bisher noch groß angelegte Studien zur Kariesreduktion
durch derartige Maßnahmen fehlen, scheinen erste Resultate vielver- 8
sprechend zu sein. Während des Zahndurchbruchs kann häufig keine
adäquate Trockenlegung und damit keine Fissurenversiegelung durch- 9
geführt werden. Bis zur vollständigen Zahneruption kann mit einer
vierteljährlichen Applikation von CHX-Lack einer Fissurenkaries vorge-
beugt werden. Auch zur Prävention und zur Vermeidung der Progres-
10
sion von Wurzelkaries ist die Anwendung von CHX-Lack indiziert.
Bei hoher Kariesaktivität kann neben den üblichen Prophylaxe- Chlorhexidin- 11
maßnahmen eine sogenannte Chlorhexidintherapie erfolgen. Dabei therapie
wird über einen Zeitraum von 14 Tagen ein 1%iges Chlorhexidingel in 12
einem Medikamententräger (Tiefziehschiene) für täglich fünf Minuten
appliziert. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme kann mit einem mikro- 13
biellen Speicheltest auf kariogene Mikroorganismen, z.B. Mutans-Strep-
tokokken, überprüft werden. Sollte die Keimzahl nach der Anwendung
des Gels erneut ansteigen, wird die Maßnahme wiederholt. In einer kli-
14
nischen Studie, die über drei Jahre durchgeführt wurde, konnte die Ka-
ries reduzierende Wirkung dieser Therapie nachgewiesen werden (s. 15
Tab. 4.7).
Wie bereits erwähnt, sind orale mikrobielle Biofilme aufgrund ihrer 16
Struktur häufig resistent gegen übliche antimikrobielle Maßnahmen. Es
wurde daher versucht, mit neuen Ansätzen die Kariogenität des Biofilms
zu verringern.
17
Ein Verfahren geht auf die in der Humanmedizin angewandte photo-
dynamische Therapie (PDT) zurück, mit der Tumorerkrankungen oder 18
andere Gewebsveränderungen behandelt werden. Dabei wird ein Farb-
stoff auf den Biofilm appliziert. Dieser Photosensibilisator lagert sich an 19
die Bakterienzellmembran an und wird anschließend mit einem Laser-
licht bestrahlt. Dabei werden aus vorhandenem Sauerstoff Sauerstoff- 20
radikale (Singulett-Sauerstoff) abgespalten. Diese führen zu einer oxida-
und Phosphat-Ionen in Lösung stabilisieren. Das hat zur Folge, dass un-
ter alkalischen Bedingungen Kalzium- und Phosphat-Ionen als amor- 1
phes Kalziumphosphat (ACP) in Anwesenheit von CPP in einer meta-
stabilen Lösung vorliegen. Vereinfacht dargestellt könnte also CPP als 2
Nanocarrier für Kalzium-Phosphat-Verbindungen dienen und diese
rasch und in großen Mengen in eine initiale Kariesläsion hineintrans-
portieren.
3
CPP-ACP-Nanokomplexe werden heute unter dem Markennamen
Recaldent in Kaugummis, Spüllösungen, Zahnpasten und speziellen 4
Prophylaxepasten (MI-Paste, Tooth Mousse) angeboten. Zahlreiche In-
situ-Studien und auch einige wenige klinische Studien konnten eine re- 5
mineralisationsfördernde Wirkung für Recaldent aufzeigen. Es gibt aber
auch neuere Untersuchungen, die sich insbesondere mit initialen kariö-
sen Läsionen nach Entfernung von Brackets beschäftigen und die kei-
6
nen Vorteil von CPP-ACP gegenüber der üblichen Mundhygiene mit ei-
ner fluoridhaltigen Zahnpasta bezüglich einer remineralisierenden Wir- 7
kung finden konnten. Neuerdings wird CPP-ACP in Kombination mit
Fluorid in Pastenform angeboten und eine synergistische Wirkung der 8
beiden Inhaltsstoffe propagiert. Insgesamt kann man aufgrund der Stu-
dienlage zwar von einer möglichen remineralisationsfördernden Wir- 9
kung ausgehen. Es ist jedoch nicht geklärt, ob CPP-ACP im Vergleich zu
Fluoridierungsmaßnahmen die Remineralisation signifikant verbessert
und ob diese Präparate unter hochkariogenen Bedingungen zu einer
10
Hemmung der Demineralisation von Zahnhartsubstanzen beitragen.
Eine Behandlung der Schmelzoberfläche mit CPP-ACP zur Vermeidung 11
von Erosionen führte nicht zum gewünschten Erfolg. Der Zusatz von
CPP-ACP zu sauren Getränken hingegen vermindert deren erosive Wir- 12
kung.
Neben diesem Remineralisationsansatz, zu dem es immerhin zahl- 13
reiche Studien mit allerdings unterschiedlichen Ergebnissen gibt, wurde
auch mit anderen kalziumphosphathaltigen Präparaten (z.B. Ca-Na-
Phosphosilikat = bioaktives Glas) versucht, die Remineralisation initial-
14
kariöser Läsionen zu verbessern. Letztlich fehlt aber auch bei diesen Prä-
paraten die Evidenz aus randomisierten, kontrollierten klinischen Stu- 15
dien.
Ähnliche Wege gehen sogenannte biomimetische Ansätze, mit de- 16
nen submikrometergroße Defekte an der Schmelzoberfläche mit Nano-
partikeln ausgekleidet werden sollen. Dazu werden z.B. karbonathaltige
Hydroxylapatitpartikel mit einer durchschnittlichen Größe von 20–
17
100 nm in Zahnpasten und Mundspüllösungen angeboten, die angeb-
lich derartige Nanodefekte reparieren können. Allerdings steht zur re- 18
mineralisierenden Wirkung auch für diese Präparate keine ausreichende
Anzahl randomisierter, prospektiver Langzeitstudien zur Verfügung. Es 19
sei deshalb an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass ein
unbedachter Einsatz nicht fluoridhaltiger Produkte für die Reminerali- 20
sation initialer Kariesläsionen nicht empfehlenswert ist.
chelfluss als auch der Speichel-pH erhöht werden können. Ebenso wer-
den die Plaquebildung und Speichelkonzentrationen an Mutans-Strep- 1
tokokken und Laktobazillen dabei gesenkt. Studien bei Kindern zeigten,
dass es zu einer signifikant geringeren Kariesprogression in Gruppen mit 2
Kaugummikauen im Vergleich zu Kontrollgruppen ohne Kaugummi-
kauen kam. Es gibt also objektiv gute bis sehr gute Nachweise, dass zu-
ckerfreie Kaugummis antikariogen wirken können. Zurückzuführen ist
3
das auf die Speichelstimulation, insbesondere nach den Mahlzeiten, so-
wie eventuell auf die fehlende Verstoffwechselung der in den Kaugum- 4
mis enthaltenen Polyole durch die Bakterien zu Säuren. Kaugummis
können deshalb als Bestandteil der Basismaßnahmen zur Kariesprophy- 5
laxe empfohlen werden. Es wird allgemein empfohlen, 3- bis 5-mal täg-
lich für 5 Minuten ein zuckerfreies Kaugummi zu kauen.
6
Befunderhebung
Kariesbefall inkl. Initialkaries
MH-Indizes
Ernährungsanamnese
Fluoridanamnese
zusätzlich
Speicheltests und
weitere Untersuchung
zur Bestimmung
der Kariesaktivität
Basisprophylaxe Intensivprophylaxe
häusliche Mundhygiene MH-Instruktion
inkl. Fluoridierung Fluoridierung
Fissurenversiegelung Ernährungsberatung
2 Kontrolltermine/Jahr Fissurenversiegelung
zur Remotivation und CHX-Therapie
Lokalfluoridierung häufiger Recall
regelmäßige Neubeurteilung
Klasse I Klasse II
distale linguale
Kavitätenwand Kavitätenwand
Kavitätenboden Zahnoberfläche
linguale
Kavitätenrand Extensionsfläche
pulpale gingivale
(pulpoaxiale) (zervikal-approximale)
Kavitätenwand Stufe
Kontrollierte, Allerdings wird bei einem solchen Vorgehen auch gesundes oder remine-
minimalinvasive ralisierbares Dentin entfernt und gerade bei Zähnen jugendlicher Patien-
Exkavation ten besteht bei tiefen Kariesläsionen die Gefahr einer Pulpaeröffnung.
Dentin kann remineralisieren, wenn die Tertiärstruktur des Kollagens in-
takt ist und Kristallisationskeime vorhanden sind. Daher reicht eine Ex-
kavation bis zum Übergang von denaturiertem zu intaktem Kollagen ei-
gentlich aus. Doch diese Grenze ist klinisch kaum zu erkennen. Daher
war man bemüht, Hilfsmittel zu entwickeln, mittels derer eine Überexka-
Knoop-
Härte 1
äußeres inneres gesundes inneres Pulpa
kariöses Dentin kariöses Dentin Dentin
infiziert
nicht remine-
nicht infiziert
remine-
2
60 ralisierbar ralisierbar
verfärbtes trans-
3
50 parente
Dentin
Zone
40 Zone der 4
bakteriellen
Penetration
30 5
20
Schmelz- 1 mm 2 mm 3 mm
6
Dentin-
Grenze
lieren und Finieren verwendet werden. Die Größe und Anordnung der
Abrasivstoffe und Schneiden ist maßgebend für die Schneid- bzw. 1
Schleifleistung und den Glättungseffekt der einzelnen Instrumente.
Bohrer und Schleifer gibt es in unterschiedlichen Formen. Die ge- 2
bräuchlichsten sind Rosenbohrer, Zylinder, Kegel, umgekehrter Kegel,
kugelförmige, konische, birnenförmige, flammenförmige und torpedo-
förmige Bohrer und Schleifer. Grundsätzlich wird ab Drehzahlen von
3
4500 aufwärts immer mit Wasser präpariert und geschliffen.
4
Beim Einsatz des rotierenden Instrumentariums ist auf eine gute
Abstützung zu achten, um bei Ausweichbewegungen des Patienten 5
Verletzungen der Weichteile zu vermeiden und Präparationsfehlern
vorzubeugen.
6
5.2.2 Handinstrumente 7
Bei der Kavitätenherstellung finden heute nur noch wenige Handinstru- 8
mente Anwendung.
So werden Exkavatoren (löffelförmige, scharfe Instrumente) zur Ka- Kariesentfernung 9
riesentfernung (speziell im pulpanahen Bereich) verwendet.
Gingivalrandschräger und Schmelzmeißel sowie hauenförmige Finieren
Instrumente finden beim Finieren der Kavitätenränder und dort, wo ro-
10
tierende Instrumente Schäden an den Nachbarzähnen erzeugen könn-
ten, Anwendung. 11
Die Handinstrumente sind oft paarig ausgelegt (mesial, distal). Ihre
Handhabung wird bei den einzelnen Kavitätenklassen beschrieben. 12
Es dürfen nur scharfe Handinstrumente angewendet werden, d.h.,
sie müssen regelmäßig nachgeschliffen werden. Auch bei der Anwen- 13
dung der Handinstrumente ist eine sichere Abstützung derjenigen
Hand, welche die Instrumente führt, absolut notwendig.
14
5.2.3 Oszillierende und ultraschallgetriebene Instrumente 15
Nach zahnhartsubstanzschonender Präparation mehrflächiger Kavitä- 16
ten im Seitenzahnbereich verbleiben oft im Bereich der Extensionsflä-
chen und an der approximal zervikalen Stufe Schmelzbereiche, die sich
ohne Schädigung des Nachbarzahnes mit rotierenden Instrumenten
17
nicht beseitigen lassen.
Mit oszillierenden Instrumenten, z.B. diamantierten Feilen, die in Oszillierende 18
einem speziellen Winkelstück befestigt werden (PrepControl), lassen Instrumente
sich diese Schmelzpartien sauber und glatt entfernen. Da die Feilen nur 19
einseitig mit Diamantsplittern belegt sind, wird der Nachbarzahn nicht
beschädigt. Der Hub des Winkelstückkopfes beträgt dabei 0,4 mm, die 20
Feilen gibt es in unterschiedlichen Körnungen (25 mm, 40 mm). Die os-
Das erweichte, infizierte Dentin wird in der Regel exkaviert (evtl. Kon-
trolle mit geeigneten Maßnahmen). In Pulpanähe kann in Ausnahme-
fällen auch ein kleiner Bereich erweichten Dentins zurückbelassen wer-
den (s.o.).
Das verbliebene Dentin kann verfärbt sein und ist mindestens son-
denfest. Die Überprüfung kann auch mit einem scharfen Exkavator vor-
sichtig vorgenommen werden.
Indirekte Bei der Exkavation einer Caries profunda werden Dentinbezirke frei-
Überkappung gelegt, die aufgrund der anatomischen Struktur des Dentins besonders
durchlässig sind. Da viele Restaurationsmaterialien irritierend auf die
Pulpa wirken können, wird empfohlen, diese Bezirke mit einem erhär-
tenden Kalziumhydroxid- oder Kalziumsilikatpräparat (im Engl. „sub-
base“) zur Schonung der Pulpa abzudecken, welches sowohl eine akute
Reaktion der Pulpa-Dentin-Einheit verhindern als auch einen reparati-
ven Prozess auslösen soll.
Als Kalziumsilikatzement kommen Mineral Trioxid Aggregat
(MTA) oder andere Zemente in Betracht. Mineral Trioxid Aggregat be-
steht als Derivat des Portlandzementes aus Trikalziumsilikat, Trikal-
ziumaluminat, Kaliumoxid und Siliziumoxid. Daneben sind andere mi-
neralische Oxide, wie z.B. Wismutoxid zur Erhöhung der Radioopazität,
Nach diesem Zeitraum wird der Zahn auf Sensibilität geprüft, die Res-
tauration wieder entfernt und die Restkaries exkaviert. Anschließend
wird der Zahn mit einer endgültigen Restauration versorgt.
In neueren Studien konnte bestätigt werden, dass es bei Anwendung
dieser Methode sehr viel seltener zur Eröffnung der Pulpa kommt als bei
der einzeitigen Exkavation. Nahezu ausgeschlossen werden kann eine
ungewollte Pulpaeröffnung, wenn in der ersten Sitzung nur das stark er-
weichte Dentin entfernt und nach entsprechender Versorgung erst
nach 6–12 Monaten die endgültige Exkavation der Restkaries durchge-
führt wird.
Klinisches Vorge- Das klinische Vorgehen in Stichworten:
hen schrittweise 1. Sitzung:
Kariesentfernung Klinische und röntgenologische Untersuchung mit Sensibilitätsprü-
fung des betroffenen Zahnes
Kariesentfernung bei Belassung einer kleinen Menge kariösen Den-
tins in Pulpanähe
Auftragen eines weich bleibenden Kalziumhydroxidpräparats auf
das belassene kariöse Dentin
(Unterfüllung)
Deckfüllung
2. Sitzung:
Sensibilitätsprüfung
Entfernen der Deckfüllung und Unterfüllung
Entfernung des belassenen kariösen Dentins
Abdeckung des pulpanahen Bezirks mit einem erhärtenden Kalzi-
umhydroxid- oder Kalziumsilikatpräparat in dünner Schicht
(Unterfüllung bei Amalgamfüllungen und bei indirekten Restaura-
tionen)
Füllung
Man ist dabei auf eine hundertprozentige Mitarbeit des Patienten ange-
wiesen. Kommt der Patient nach der ersten Exkavation nicht wieder in 1
die Praxis, weil er keine Schmerzen verspürt, führt die belassene kariöse
Zahnhartsubstanz möglicherweise zu einem Kariesrezidiv und nachfol- 2
gend häufig zu einer Pulpitis.
Bei einer indirekten Überkappung wird Kalziumhydroxid oder Kalzi- Wirkung von
umsilikat eingesetzt, da man eine Alkalisierung des Dentins erreichen Kalziumhydroxid
3
will. Außerdem wirkt Kalziumhydroxid vorübergehend bakterizid.
Durch die Anwendung des Kalziumhydroxids wird die Reaktionslage 4
der Pulpa verbessert und ein möglicher Säureschub durch eine anschlie-
ßend aufgebrachte saure Unterfüllung aufgefangen. 5
Kalziumhydroxid ist bis zu einem gewissen Grad wasserlöslich, es
dissoziiert dabei und wirkt alkalisch. Aufgrund der Ionenabgabe besitzt
es einen antimikrobiellen Effekt, der jedoch bei Austrocknung verloren
6
geht. Gibt man zu einem ausgetrockneten Präparat wieder Wasser
hinzu, so wird die antimikrobielle Wirksamkeit erneut hergestellt. 7
Mit dem Kohlendioxid der Luft kann Kalziumhydroxid partiell Kal-
ziumkarbonat bilden und damit inaktiviert werden. Wird Kalziumhy- 8
droxid auf das Dentin aufgebracht, so diffundiert es durch die Dentin-
kanälchen und wirkt bei einer dünnen Dentinschicht auch auf das Pul- 9
pagewebe. Mit zunehmender Liegedauer kommt es jedoch zu einer
Diffusionshemmung durch Ausfällung schwer löslicher Kalziumsalze in
den Dentinkanälchen.
10
Sowohl bei Kalziumhydroxidpräparaten als auch bei kalziumsilikat-
haltigen Produkten werden bioaktive Moleküle aus dem Dentin he- 11
rausgelöst (z.B. TGF β1). Diese stimulieren den natürlichen Heilungs-
prozess des Zahnes entweder, indem sie Odontoblasten aktivieren, die 12
extrazelluläre Matrix für die Anreicherung von Kalzium und Phosphat
zu stimulieren (direkte Reaktion), oder indem sie nach Diffusion in das 13
Pulpagewebe entsprechende Vorläuferzellen zu einer Differenzierung in
Odontoblasten anregen, die dann atubuläres Fibrodentin oder sogar
reguläres tubuläres Dentin im Rahmen eines länger andauernden repa-
14
rativen Prozesses bilden. Außerdem führen die bei dieser Prozedur frei-
gesetzten Kalziumionen zu einer Expression von Osteopontin, Osteo- 15
calcin und Bone Morphogenetic Protein (BMP-II) durch osteoblasten-
ähnliche Zellen und Fibroblasten in der Pulpa. Zudem versucht man, 16
mit kalziumhaltigen Zementen die Mineralisation von freiliegendem,
aber noch mineralisierbarem Kollagen in der Kavität zu beschleunigen.
Ähnliche Prozesse können auch durch Säuren bzw. EDTA ausgelöst
17
werden. Dabei ist allerdings die Grenze zwischen stimulierenden und
schädigenden Prozessen auf die Pulpazellen von zahlreichen Faktoren 18
abhängig, wie z.B. dem Entzündungsgrad der Pulpa, der Dauer und
Stärke der Säurewirkung usw. 19
Kalziumhydroxid gibt es in unterschiedlichen Präparateformen (s. Präparateformen
Abb. 5.5). 20
Suspension Zement
Wasser Säure
Kombinationen
mit verschiedenen Kalziumhydroxid Öle Kitt
Zementen
Monomer Lack
lichthärtende
Ca(OH)2-Präparate Liner
10
5.7 Vorbereitung des Arbeitsfeldes
11
Bei zahlreichen invasiven Behandlungsmaßnahmen muss das Arbeits-
feld trocken gehalten werden. Kontamination mit der Mundflüssigkeit 12
oder Blut verändert die Eigenschaften der Füllungswerkstoffe und behin-
dert deren Insertion und Adaptation. Speichel enthält zudem unter- 13
schiedliche orale Mikroorganismen, die z.B. im Rahmen einer endodon-
tischen Behandlung den Wurzelkanal besiedeln und zu einer Infektion
des periapikalen Gewebes beitragen können. Es könnten zahlreiche an-
14
dere Gründe für die Notwendigkeit einer optimalen Trockenlegung auf-
geführt werden. Es soll hier jedoch darauf verzichtet werden, da diese bei 15
den einzelnen therapeutischen Maßnahmen im Detail erläutert werden.
16
5.7.1 Relative Trockenlegung
17
Bei guter Mitarbeit des Patienten lassen sich die Exkavation kariöser Be-
zirke und konventionelle Füllungstherapie bei relativer Trockenlegung 18
mit Watterollen gut durchführen. Dazu werden Watterollen je nach Be-
handlungssituation im Oberkiefer im Vestibulum und im Unterkiefer 19
im Vestibulum und im Sublingualraum eingelegt. Haben sich die Wat-
terollen mit Speichel vollgesogen oder werden sie mit Wasserspray voll- 20
ständig durchnässt, müssen sie während der Behandlung gewechselt
Bei der Mehrzahl der restaurativen Maßnahmen empfiehlt sich das Le-
gen von Kofferdam (absolute Trockenlegung).
Kofferdam wurde bereits 1894 von S.C. Barnum in die Zahnheil-
kunde eingeführt. Dennoch findet die Technik der absoluten Trocken-
legung mit Kofferdam in den deutschen Zahnarztpraxen bisher wenig
Gegenliebe. Sie bietet aber gerade dem restaurativ tätigen Zahnarzt her-
vorragende Arbeitsbedingungen, weil sie einerseits eine saubere Verar-
beitung von Füllungsmaterialien unter optimaler Sicht erlaubt, anderer-
seits den Patienten vor Aspiration und Verschlucken von Instrumenten
und Materialien schützt.
Dem angeblich erhöhten Zeitaufwand, der beim Anlegen von Kof-
ferdam im Vergleich zum Legen von Watterollen notwendig ist, kann
eine erhebliche Zeitersparnis gegenüberstehen. So fallen z.B. das zeitauf-
wendige Sichern endodontischer Kleininstrumente, der Zeitaufwand
beim Wechseln der Watterollen und unnötige Unterbrechungen wäh-
rend der Behandlung durch „gesprächige“ Patienten weg. Eine genaue
Kenntnis des Instrumentariums und der Applikationstechniken ermög-
licht es, die Kofferdam-Technik als Routineverfahren in die tägliche
zahnärztliche Praxis Eingang finden zu lassen.
Indikationen Folgende Gründe, die absolute Trockenlegung mit Kofferdam zu
wählen, lassen sich anführen:
Spezifische Eigenschaften eines zu verarbeitenden Werkstoffs, die
am besten unter absoluter Trockenlegung zu realisieren sind. Dies
gilt z.B. für die adhäsive Restaurationstechnik mit Kompositmateria-
lien. So muss die konditionierte Schmelz- oder Dentinoberfläche vor
Blut- und Speichelkontamination geschützt werden. Nur dann ist
eine innige Verzahnung (Adhäsion) zwischen Komposit und Zahn-
hartsubstanz möglich.
Gänzlich andere Überlegungen indizieren die Verwendung von Kof-
ferdam z.B. in der Endodontologie oder bei der Behandlung von Pa-
tienten mit infektiösen Erkrankungen. Bei der endodontischen Be-
handlung steht die Keimfreiheit bzw. Keimarmut des Operationsfel-
des bei der Wurzelkanalaufbereitung und -füllung im Vordergrund.
Gleichzeitig bietet der Kofferdam aber auch Schutz vor Verschlu-
cken und Aspiration der endodontischen Kleininstrumente.
Bei der Behandlung infektiöser Patienten mit rotierenden Instru-
menten ist der Kofferdam der effektivste Schutz für den Behandler
vor speichelkontaminierten Aerosolen.
2 3
1
4
5
15 cm
4 cm
15 cm
Abb. 5.6: Instrumentarium für die Kofferdamapplikation: a) Auswahl unterschiedlicher Klammern, b) Kof-
ferdamlochzange, c) Klammerspannzange, d) Kofferdamgummi mit vorgestanzten Löchern für Restaura-
tionen der Oberkiefer-Frontzähne
net sind. Legt man das Kofferdam-Gummi auf diese Schablonen, so las-
sen sich die Zähne, für die Löcher in das Gummi gestanzt werden sollen, 1
auf dem Gummi markieren. Es gibt für diesen Zweck auch vorgefertigte
Stempel, mit denen die Zahnreihen des Oberkiefers und Unterkiefers 2
auf das Gummi gedruckt werden können.
Lässt die Zahnstellung des Patienten diese Vorgehensweise nicht zu, Spannrahmen
kann man das Gummi auf den Spannrahmen aufspannen und die
3
Zähne direkt am Patienten markieren.
Anschließend wird mit der Kofferdam-Lochzange für jeden zu iso- Kofferdam- 4
lierenden Zahn ein Loch entsprechender Größe gestanzt. Lochzange
Die Kofferdam-Lochzange besitzt eine Trommel mit 5–6 Lochgrö- 5
ßen (0,5–2,2 mm). Das größte Loch eignet sich im Allgemeinen für
große Molaren, Prämolaren, Canini und obere Inzisivi, das drittgrößte
Loch für die oberen, seitlichen und die unteren mittleren und seitlichen
6
Inzisivi.
Kofferdam-Klammern gibt es in vielen Variationen. Aus Praktikabi- Kofferdam- 7
litätsgründen sollte man sich auf ein begrenztes Sortiment beschränken. Klammern
So benötigt man für alle Zahngruppen meist nur 1–2 Klammervariatio- 8
nen. Zusätzlich sollten für endodontische Maßnahmen noch „tief grei-
fende“ Klammern verfügbar sein. Natürlich lassen sich die im Dental- 9
handel erhältlichen Klammern individuell auf den Behandlungsfall mo-
difizieren.
10
Vor der Kofferdam-Applikation müssen die approximalen Kontakt-
punkte der entsprechenden Zähne mit Zahnseide auf Durchgängig- 11
keit überprüft werden.
12
Anschließend wird die ausgewählte Kofferdam-Klammer auf ihren Sitz
am Zahn überprüft. Sie muss am Zahn unterhalb des anatomischen 13
Äquators einen Vierpunktkontakt aufweisen und darf weder wackeln
noch vom Zahn abgleiten.
Es empfiehlt sich, die Klammer bei der Anprobe mit Zahnseide zu Kofferdam-
14
sichern, um zu verhindern, dass der Patient die Klammer verschluckt, Applikation
falls sie versehentlich aus der Kofferdam-Klammerspannzange rutscht. 15
Die Klammer wird zur Anprobe mit der Kofferdam-Klammerspann-
zange in den dafür vorgesehenen Löchern gefasst und so weit aufge- 16
spannt, dass sie unter leichtem Kontakt zum Zahn nach zervikal gescho-
ben werden kann. Ein Überdehnen der Klammer ist zu vermeiden.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, Kofferdam zu applizieren. Man kann
17
nach Platzieren der Klammer das Kofferdam-Gummi über die Klammer
stülpen. Es ist jedoch auch möglich, erst das Kofferdam-Gummi und an- 18
schließend die Klammer zu platzieren. Die effektivste Methode ist je-
doch die dritte Möglichkeit. Man platziert außerhalb der Mundhöhle 19
das Gummi über den distalen Klammerbügel und appliziert dann die
Klammer mit dem Gummi gemeinsam. Anschließend wird das Gummi 20
mit geschlossener Pinzette oder einem Kugelstopfer über die mesialen
Kontraindikation
Kompositrestaurationen sind kontraindiziert: 1
bei fehlender Möglichkeit adäquater Kontaminationskontrolle (Blut, Spei-
chel etc.) 2
bei Patienten mit klinisch relevanten Unverträglichkeiten gegenüber In-
haltsstoffen von Kompositen bzw. Adhäsiven.1
3
6.1.1 Materialkunde der Komposite 4
In der Zahnmedizin werden unter Kompositen zahnfarbene, plasti- 5
sche Füllungswerkstoffe verstanden, die nach Einbringen in eine
Kavität chemisch oder durch Energiezufuhr aushärten.
6
Der Wunsch nach zahnfarbenen Füllungsmaterialien, speziell für den
Frontzahnbereich, führte anfangs zum Einsatz von Polymethylmeth- 7
acrylaten (PMMA), die bei Mundtemperatur polymerisierten. Diese wa-
ren jedoch nicht ausreichend abrasionsstabil, besaßen eine hohe Poly- 8
merisationsschrumpfung und waren aufgrund des hohen Restmono-
mergehaltes pulpaschädigend. Außerdem traten schon nach kurzer 9
Liegezeit Verfärbungen auf.
Auf der Suche nach einem Material mit besseren physikalischen und
chemischen Eigenschaften entwickelte Bowen (1962) das Additionspro-
10
dukt eines Epoxidharzes und der Methylmethacrylsäure als Matrix für
ein neuartiges Füllungsmaterial. Dieses aromatische Dimethacrylat 11
(Bisphenol-A-Diglycidylmethacrylat = Bis-GMA) wurde von Bowen mit
anorganischen Füllerpartikeln (Quarzmehl) versehen, die ihrerseits mit 12
einer Silanverbindung überzogen waren. Die Silanschicht sollte eine
chemische Bindung sowohl mit der organischen Matrix als auch mit 13
den anorganischen Füllern eingehen, um diese beiden Phasen mitei-
nander zu verbinden.
Moderne zahnärztliche Kompositmaterialien bestehen aus einer Hauptbestand-
14
Vielzahl unterschiedlicher Komponenten, welche die Eigenschaften des teile
Werkstoffs beeinflussen. Die drei Hauptbestandteile sind die organische 15
Matrix, die disperse Phase (Füller) und die Verbundphase (Silane, Kopo-
lymere). Die typischen Bestandteile eines Komposits sind in der Tabelle 16
6.2 dargestellt.
Organische Matrix
17
Die organische Matrix besteht im nicht ausgehärteten Zustand aus Mo-
nomeren, Initiatoren, Stabilisatoren, Farbstoffen, Pigmenten und ande- 18
ren Additiva.
19
1 nach „S1 Handlungsempfehlung (Langversion), Kompositrestaurationen im Sei-
tenzahnbereich“, AWMF-Registernummer: 083-028, Stand: Oktober 2016, s. S. 5f.
Anmerkung: Die Quellenangaben des Originaltextes sind hier nicht wiedergege- 20
ben. Diesbezüglich verweisen wir auf das Original der Leitlinie.
Hybridionomere Lichthärtung und 2 Komponenten Chemisch (= adhäsiv) Verringerte Feuchtig- Hohe thermische Expan-
(= resinmodifizierte GIZ) chemische Härtung zum Anmischen und mikromechanisch keitsempfindlichkeit sion/Kontraktion Poly-
merisationsschrumpfung
Metallfarben Amalgam Chemisch 2 Komponenten Makromechanisch Wenig feuchtigkeits-
zum Anmischen empfindlich
Metallverstärkte GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ Siehe GIZ
(Cermetzemente)
6 Restaurationen mit plastischen Füllungsmaterialien
6.1 Kompositrestaurationen Kapitel 6 211
Komonomer
UDMA
TEGDMA
Urethandimethacrylat
Triethylen-Glycol-Dimethacrylat
3
EGDMA Ethylen-Glycol-Dimethacrylat
Initiator (Autopolymerisat) Peroxide Benzoylperoxid 4
Initiator (Photopolymerisat) Kampferchinon
Akzelerator z.B. Dihydroxyethyl-p-Toluidin 5
Stabilisator BHT Butyliertes Hydroxy-Toluol
Haftvermittler 6
Haftvermittler Silan z.B. Methacryloxypropyl-trimethoxysilan
Füllkörper 7
Makrofüller Quarz, Glas, Keramik Lithium-Aluminium-Silikat
Mikrofüller Feinstteiliges SiO2 z.B. pyrogenes SiO2
8
Bei den verwendeten Monomeren handelt es sich meistens um Monomere 9
mehrfunktionelle Methacrylate mit der vereinfachten Grundformel:
MA-R-MA (s. Abb. 6.1). Das mit R bezeichnete organische Zwischen-
glied können aliphatische Ketten, Urethanpräpolymere, aromatische
10
Ringe und Polyäther sein. MA steht für die Methacrylsäureester-Reste.
Diese Kompositmatrixmoleküle weisen eine relativ hohe Reaktivität 11
auch bei niedrigen Temperaturen, gute physikalische Eigenschaften,
eine relative Farbstabilität und geringe toxische Wirkungen auf. Sie sind 12
toxikologisch unbedenklicher als reine Methacrylate, geruchs- und ge-
schmacksneutral. 13
Das zentrale Molekül (R) ist für die mechanischen Eigenschaften,
die Wasseraufnahme, die Schrumpfung, den Polymerisationsgrad, die
Viskosität und zahlreiche andere Eigenschaften verantwortlich. Besit-
14
zen diese Molekülanteile viele Sauerstoffatome oder Hydroxylgruppen,
so ist die Wasseraufnahme der Kompositmatrix hoch. Sind die Mono- 15
mere langkettig, so wird beim Aushärten die Schrumpfung geringer sein
als bei kurzkettigen Molekülen. Da aber langkettige Monomermoleküle 16
zu einer erhöhten Viskosität führen, werden oft Verdünnermonomere
(z.B. TEGDMA oder EGDMA) für eine bessere Verarbeitbarkeit hinzuge-
geben. Diese führen jedoch, da sie kurzkettiger sind, wieder zur erhöh-
17
ten Schrumpfung des Materials.
Unter Initiatoren versteht man Matrixbestandteile, die durch Akti- Initiatoren 18
vierung (chemischer Aktivator, physikalischer Aktivator) in energierei-
che Moleküle (Radikale) zerfallen, die mit den Doppelbindungen der 19
Monomere reagieren. Diese bilden dann Polymerketten. Die Reaktions-
freudigkeit der Initiatoren ist für die vollständige Aushärtung (Polyme- 20
risationsgrad, Konversionsgrad der Doppelbindungen) entscheidend.
konventionelles Hybrid-
homogenes inhomogenes 7
Mikrofüller- Mikrofüller-
Komposit komposit komposit komposit
(KK) (HK) (HMK) (IMK) 8
9
10
11
12
13
14
15
a b c d 16
Abb. 6.2: Einteilung der Komposite nach Art der Füller: a) Konventionelle Komposite mit Makrofüllern aus
Quarz, Glas oder Keramik. Die mittlere Teilchengröße beträgt je nach Komposit 5–10 μm. b) Hybridkompo-
site mit Makrofüllern und Mikrofüllern aus SiO2. Die mittlere Teilchengröße beträgt je nach Komposit
17
mehr als 10 μm, zwischen 2 und 10 μm bzw. weniger als 2 μm. Bei modernen Feinpartikelhybridkomposi-
ten liegen die mittleren Füllergrößen unter 1 μm. c) Homogene Mikrofüllerkomposite mit Teilchengrößen
von 0,007–0,04 μm. d) Inhomogene Mikrofüllerkomposite mit splitterförmigen und kugelförmigen Vorpo- 18
lymerisaten (100–200 μm) bzw. Mikrofülleragglomeraten.
19
20
beträgt 50%. Die Einzelpartikel sind kugelförmig und werden durch Hy-
drolyse von Siliziumtetrachlorid in einer Knallgasflamme gewonnen.
Die Mikrofüller haben eine große spezifische Oberfläche (50–400 m2/g)
und erhöhen bei Zugabe in eine organische Matrix die Viskosität sehr
rasch.
Inhomogene Um dennoch einen akzeptablen Füllergehalt zu erreichen, wurden
Mikrofüller- inhomogene Mikrofüllerkomposite von den Herstellern entwickelt.
komposite Dazu werden mikrogefüllte Kompositmaterialien zermahlen und man
erhält splitterförmige Vorpolymerisate. Ein anderer möglicher Weg ist
die Herstellung von Vorpolymerisaten in Kugelform, die man dann der
Kompositmatrix zusammen mit weiteren Mikrofüllern zusetzt. Damit
erhöht man den Füllstoffanteil, ohne dass die Konsistenz so zähflüssig
wird, dass ein solches Material nicht mehr zu verarbeiten wäre. Ein wei-
terer Weg ist die Sinterung der Siliziumdioxidteilchen und die anschlie-
ßende Zerkleinerung in gröbere Partikel. Werden derartige Mikrofüller-
agglomerate der Matrix zugesetzt, lässt sich ein Füllstoffgehalt von 70
bis 80% realisieren.
Die mikrogefüllten Kompositmaterialien sind polierbar und behal-
ten ihren Oberflächenglanz. Ihr Durchmesser ist kleiner als die Wellen-
länge des sichtbaren Lichts. Deshalb werden bei Füllerverlusten auf der
Oberfläche keine Rauigkeiten sichtbar. Sie sind verschleißfester als die
makrogefüllten Komposite, da die Partikel gleichmäßiger an der Ober-
fläche verteilt sind und abrasive Nahrung die weiche Matrix kaum an-
greifen kann.
Mikrofüllerkomposite sind jedoch nicht röntgenopak und zeigen
eine höhere Wasseraufnahme sowie schlechtere physikalische Eigen-
schaften als makrogefüllte Materialien. Sie besitzen nur 50 Gew.-% Füll-
körperanteil (Ausnahme agglomerierte Mikrofüller) und damit eine er-
höhte Polymerisationsschrumpfung, eine geringere Biegefestigkeit
und Vickershärte und ein geringeres Elastizitätsmodul als konventio-
nelle Komposite. Sie sind jedoch i.d.R. druckfester als diese. Ein Nachteil
ist weiterhin, dass es an den Grenzflächen der splitterförmigen Vorpoly-
merisate zur Matrix während Kaubelastung oder während der Polymeri-
sation zu Rissen kommt. Diese Risse führen zu einer sekundär verringer-
ten Verschleißfestigkeit dieser Materialien im Seitenzahnbereich.
Hybridkomposite Will man die positiven Eigenschaften beider Kompositsysteme mit-
einander verbinden, so muss man die Füllkörperpartikel in einem Mate-
rial kombinieren. Dabei entstehen sog. Hybridkomposite. Bei den Hy-
bridkompositen sind etwa 85–90 Gew.-% der Füllkörper Makrofüller
und 10–15 Gew.-% Mikrofüller. Der Füllkörpergehalt des gesamten Ma-
terials lässt sich so auf bis zu 85% steigern. Die Hybridkomposite lassen
sich röntgenopak gestalten und verfügen über hervorragende physikali-
sche Eigenschaften.
Durch Weiterentwicklung im Bereich der Füllkörpertechnologie
können heute Feinpartikelhybridkomposite mit Füllkörpern bis zu
5 μm Korngröße von Feinstpartikelhybridkompositen (Korngröße bis
Radikal 4
5
Monomer Polymer
Vernetzung
6
jedoch, dass es offensichtlich nur minimal unterschiedliche Schrump-
fungsrichtungen bei chemisch oder lichthärtenden Kompositen gibt. 7
Die Schrumpfungsrichtung scheint vielmehr vom Kavitätendesign
und von der Art der Haftung an den Zahnhartsubstanzen abhängig zu 8
sein.
Unabhängig von der Art der Aushärtung wird die Polymerisation 9
durch Anregung eines Initiatormoleküls eingeleitet. Dieses kann durch
energiereiche Strahlung (Licht) oder durch einen chemischen Aktivator
in Radikale umgesetzt werden (s. Abb. 6.3). Die Radikale starten den
10
Vernetzungsvorgang der Monomergruppen.
Chemisch härtende Komposite enthalten als Initiator meistens Chemisch här- 11
Benzoylperoxid, das durch einen Akzelerator (tertiäres Amin) beim An- tende Komposite
mischen aktiviert wird; dabei werden Radikale freigesetzt. Um das Kom- 12
posit lagerfähig zu halten, werden spontan entstehende Radikale durch
Inhibitoren (z.B. 4-Methoxyphenol) abgefangen. 13
Bei chemisch härtenden Kompositen müssen zwei Pasten zusam-
mengerührt werden. Dabei kommt es zum Einmischen von Luftblasen
in das Material. Beim Aushärten werden diese als Poren sichtbar, die zu
14
einer Verfärbung des Komposits führen.
Die Abrasionsfestigkeit des Materials nimmt durch das Einmischen 15
dieser Porositäten ab. Außerdem ist der Polymerisationsgrad (Konversi-
onsgrad) geringer als bei lichthärtenden Materialien. Das führt zu ei- 16
nem erhöhten Restmonomergehalt mit verringerter Pulpaverträglich-
keit. Andererseits härtet bei chemischer Polymerisation das Material
ohne weitere Energiezufuhr in der gesamten Dicke aus. Die Durchhär-
17
tungszeit beträgt 4–5 min.
Es gibt zusammengesetzte Systeme, die sowohl licht- als auch che- 18
misch härtend sind (duale Systeme).
Bei lichthärtenden Kompositen kann man zwischen UV-Licht-här- Lichthärtende 19
tenden und Halogenlicht-härtenden unterscheiden. Da UV-Licht die Komposite
Netzhaut schädigt und eine nur geringe Tiefenpolymerisation erlaubt, 20
werden heute fast ausschließlich Halogenlicht-härtende Materialien
Ein dunkles bzw. opaques Komposit lässt sich nicht so tief aushärten
wie ein helles oder transparentes. Mikrofüllerkomposite besitzen auf-
grund des Lichtstreuungseffekts der kleinen Füllkörper und der damit
verbundenen Absorption eine schlechtere Konversion als konventio-
nelle Komposite. Das gilt auch für die modernen Feinstpartikelhybrid-
komposite. Die Lichtintensität ist umgekehrt proportional zum Quadrat
der Entfernung Lichtaustrittsfenster – Füllungsoberfläche. Man sollte
daher mit der Polymerisationsleuchte möglichst nahe an das Restaurati-
lung dieser Lampen häufig so stark, dass entweder Schäden in der Pulpa
oder aber der Gingiva befürchtet werden müssen.
Man sollte immer Polymerisationslampen verwenden, bei denen die
Hersteller Gebrauchsanweisungen und Informationen zum Kunden-
dienst mitliefern. Man sollte sich zudem über die Lichtleistung (durch-
schnittliche Strahlungsintensität in mW/cm²), wobei diese am gesam-
ten Lichtaustrittsfenster gemessen werden muss, und über die Wellen-
länge des emittierten Lichts informieren. Weitere wichtige Parameter
sind der Durchmesser des Lichtstrahls und das Strahlenprofil (gleichmä-
ßige Verteilung der Lichtausbeute).
Polymerisationslampen sollten in festgelegten Zeiträumen kontrol-
liert werden. Dabei sollten insbesondere die Bestrahlungsstärke gemes-
sen und das Lichtaustrittsfenster auf Verunreinigungen untersucht wer-
den. Für die Überprüfung der Lichtintensität gibt es zahlreiche Prüfge-
räte auf dem Markt, die allerdings den tatsächlichen Wert nicht
anzeigen. Verwendet man jedoch in der Praxis immer das gleiche Mess-
gerät und den gleichen Lichtleiter, kann man einen Leistungsabfall des
täglich verwendeten Lichtgerätes sehr einfach erkennen. Für jedes licht-
härtende Material gibt es eine minimale Energiemenge (J/cm² = Licht-
leistung [W/cm²] × Lichthärtezeit [s]) bei einer bestimmten Wellen-
länge, mit der man zufriedenstellende Polymerisation erreicht. Das be-
deutet auch, dass man minimale Lichthärtezeiten einhalten muss. Für
die Aushärtung direkter Kompositfüllungen sollte die Lichtintensität
der entsprechenden Polymerisationslampe 400 mW/cm2 oder mehr be-
tragen. Bei der Aushärtung von Kompositzementen bei indirekten Fül-
lungen und Stiftbefestigungen sollte eine Lichtintensität von mindes-
tens 800 mW/cm2 verwendet werden. Komposite sollten für eine gute
Konversion ca. 16 000 mWs/cm² Belichtung erhalten. Daraus ergibt sich
z.B., dass selbst eine 1000-mW-Lampe während der Polymerisation ei-
ner Restauration mindestens 16 Sekunden im Einsatz sein sollte. Grund-
sätzlich sollten die Lichthärtezeiten und die Schichtangaben des Kom-
positherstellers beachtet werden.
Die Lichtleiter sollen eine möglichste gleichmäßige Verteilung der
Lichtleistung über das Lichtaustrittsfenster garantieren, damit beim Be-
lichten möglichst große Füllungsflächen abgedeckt werden. Ist das Aus-
trittsfenster kleiner als die Füllungsoberfläche, muss überlappend ausge-
härtet werden. Zudem muss jede Füllungsfläche unabhängig von den
anderen auspolymerisiert werden. Das Lichtaustrittsfenster muss so nah
wie möglich an das Komposit herangeführt werden, ohne es zu berüh-
ren. Selbstverständlich muss gewährleistet sein, dass der Lichtleiter
während der gesamten Polymerisationszeit korrekt ausgerichtet ist.
Auch Halogenlicht (Blaulicht) gefährdet die Augen. Neben Blend-
wirkung werden auch Verletzungen der Retina beobachtet. Man sollte
daher während der Lichtpolymerisation nie direkt in das Licht schauen
bzw. einen Lichtschutz auf dem Lichtleiter oder eine Schutzbrille mit
Filterwirkung verwenden.
Kompomere
Kompomere (Polyalkensäure modifizierte Komposite) sind lichthär-
tende Komposite, die durch Glasionomerzement-Komponenten modifi-
ziert wurden. Während Glasionomerzemente angerührt werden müssen
und anschließend aufgrund einer Säure-Basen-Reaktion aushärten, han-
delt es sich bei Kompomeren i.d.R. um Ein-Komponenten-Materia-
lien, die erst nach Lichtzufuhr polymerisieren. Die von den Herstellern
anfangs postulierte Glasionomerzement-Reaktion kann ausschließlich
an Grenzflächen erfolgen, die mit feuchten Medien (Wasser, Speichel,
Dentinflüssigkeit) in Berührung kommen. Es handelt sich dabei also um
eine Reaktion, die nur in sehr dünnen Schichten abläuft.
Neben Kompomer-Füllungsmaterialien gibt es auch Werkstoffe zur
Befestigung von Restaurationen und orthodontischen Apparaturen.
Diese sind selbst- bzw. dualhärtend. Es gibt zudem niedrig visköse, „flo-
wable“ Kompomere, zu denen bisher keine relevanten Studien bekannt
sind.
Matrixbestand- Die Matrix der auf dem Markt befindlichen Kompomere enthält zu-
teile sätzlich zu der bei Kompositen üblichen Mischung verschiedener Di-
methacrylate säuremodifizierte Monomere, die aufgrund ihrer Hydro-
xylgruppen hydrophil sind. Die Wasseraufnahme von Kompomeren ist
dadurch wesentlich höher als die der üblichen Komposite.
Im Unterschied zu konventionellen Glasionomerzementen besitzen
die Karbonsäuren der Kompomere jedoch vernetzbare Doppelbindun-
gen. Aufgrund dieser Zusammensetzung sollten die beiden möglichen
Reaktionen – radikalische Polymerisation wie bei Kompositen und che-
mische Säure-Base-Reaktionen wie bei Glasionomerzement – ermög-
licht werden. Da Kompomere jedoch in nicht abgebundener Form kein
Wasser enthalten, kann die Säure-Base-Reaktion erst dann induziert
werden, wenn das Material Wasser aufnimmt. Während der radikali-
schen Polymerisation muss das Material allerdings vor Wasserzutritt ge-
schützt werden.
Poly(mer)gläser
Ein weiteres Kompositmaterial basiert auf sogenannten Poly(mer)glä-
sern. Die Matrix dieses Materials besteht aus tetra- bis hexafunktionel-
len Molekülen, die eine höhere Vernetzungsdichte aufweisen als die
Matrix herkömmlicher bifunktioneller Monomere (z.B. Bis-GMA,
TEGMA). Der Hersteller bezeichnet diese Matrix als organische Glas-
matrix bzw. Matrix aus mehrfunktionellen vitroiden Polygläsern.
Dieser Matrix sind Fluorid freisetzende, volumenvergrößernde, po-
lyglobuläre Füllstoffe zugesetzt, die einen Volumenanteil von 92%
(65 Gew.-%) ausmachen. Es handelt sich um infiltrierbare Silikat-Gläser
mit einer durchschnittlichen Partikelgröße von 8–11 μm. Die Partikel
sollen infiltrierbar sein, d.h., sie sollen einen Teil der Polyglasmatrix
aufnehmen können. Als weitere Füllkörper sind herkömmliche Ba-Al-Si-
F-Gläser (mittlere Größe 0,7 μm), Al-Si-F-Gläser (mittlere Größe 1 μm)
und Sr-F-Gläser (mittlere Größe < 1 μm) enthalten.
Anwendung Vom Hersteller werden die gute Stopfbarkeit und die Standfestigkeit
des Materials bei der Modellation hervorgehoben.
Die infiltrierbaren Füllkörper nehmen allerdings Farbpigmente auf,
sodass der Volumenanteil nachfolgend wiederum deutlich reduziert
werden musste. Die porösen Füllkörper sind zudem anfällig gegen Er-
müdungsbelastungen, sodass es bei der klinischen Anwendung nicht
selten zu Randfrakturen kommt.
Das Material wird wie andere „stopfbare“, hoch gefüllte Komposite
verarbeitet.
Silorane
Üblicherweise wird die Polymerisationsschrumpfung von Kompositma- 1
terialien durch Optimierung des Füllkörperanteils reduziert. Da der Füll-
körperanteil jedoch nicht beliebig erhöht werden kann, versucht man 2
heute mit neuen Monomermolekülen, die sich bei der Polymerisations-
reaktion nicht verkürzen, die Schrumpfung zu reduzieren. Es gibt in die-
ser Gruppe bisher ein kommerziell verfügbares Komposit, bei dem sich
3
das Matrixsystem grundlegend von den bisher üblichen Monomeren
unterscheidet. Diese Stoffgruppe wird als Siloran bezeichnet, wobei es 4
sich um die Kombination der chemischen Bestandteile Oxiran und Silo-
xan handelt. Oxirane sind im Prinzip Epoxide, d.h. sehr reaktionsfä- 5
hige, zyklische organische Verbindungen. Das Grundgerüst ist wie bei
den Ormoceren eine Polysiloxan-Skelettstruktur (s. Abb. 6.4). Die Ver-
netzung der Silorane erfolgt über eine Polymerisation der Oxirangrup-
6
pen. Dabei benötigt man keine Radikale, sondern Kationen für den Re-
aktionsstart. Durch die Anlagerung eines sauren Kations an den Oxiran- 7
ring wird dieser geöffnet (Expansion) und gleichzeitig bildet sich ein
neues Kation (ein sogenanntes Carbokation), sodass die Polymerisation 8
weiter fortschreiten kann (s. Abb. 6.5).
Aufgrund dieser Reaktion sind Silorane nicht mit den klassischen, Adhäsivsystem 9
radikalisch initiierten Kompositwerkstoffen kompatibel und man be-
nötigt für diese Komposite ein speziell entwickeltes Adhäsivsystem.
Silorane sind sehr hydrophob, wodurch die Wasseraufnahme stark ver-
10
ringert sein soll. Gleichzeitig verlangt diese Eigenschaft, dass das Silo-
ranadhäsivsystem eine hydrophile (Bindung zum Dentin) und eine hy- 11
12
13
14
15
16
Abb. 6.4: Chemische Grundstruktur der Siloran-Matrix
17
18
19
20
Abb. 6.5: Kationische Polymerisation (nach Weinmann et al. 2005)
Bulk-Fill-Komposite
3
Aufgrund der hohen Techniksensitivität und des erhöhten Zeitaufwan-
des bei der Herstellung von Kompositrestaurationen sind zahlreiche 4
Hersteller bestrebt, die Füllungstechnik zu vereinfachen (Fast-Track-
Füllungstechnik). Dabei sollen vereinfachte Adhäsivsysteme (All-in- 5
one-Adhäsive) zusammen mit sogenannten schrumpfungsarmen Kom-
positmaterialien Verwendung finden. Diese als Bulk-Fill-Komposite be-
zeichneten Materialien können in Schichten von 4–5 mm ausgehärtet
6
werden. Damit kann auf die zeitintensive Schichttechnik in Inkremen-
ten von 2 mm verzichtet werden. 7
Bulk-Fill-Komposite können in zwei Untergruppen eingeteilt wer-
den: niedrig visköse, fließfähige (Bulk-Flow-Komposite) und hoch vis- 8
köse, modellierbare (Bulk-Fill-Komposite) Materialien, die sich dann
ähnlich wie Standard-Kompositmaterialien in die Kavität einbringen 9
und verarbeiten lassen. Die Flow-Materialien sind niedriger gefüllt (65–
75 Gew.-% bzw. 43–61 Vol.-% Füllkörperanteil) und eignen sich daher
nicht für die Anwendung in mechanisch stark belasteten Bereichen. Sie
10
werden häufig in sehr engen approximalen Kavitäten als Basismaterial
eingebracht, finden aber auch okklusal in tiefen Kavitäten, z.B. in Tre- 11
panationsöffnungen nach einer endodontischen Behandlung, Anwen-
dung, weil sie sehr gut in unter sich gehende Bereiche fließen. Sie wer- 12
den nach dem Aushärten mit einer Schicht konventionellen Hybrid-
komposits überschichtet. 13
Die pastösen Bulk-Fill-Materialien sind höher gefüllt (77–86 Gew.-%
bzw. 58–70 Vol.-% Füllkörperanteil). Damit sind sie abrasionsstabiler
und lassen sich grundsätzlich in der gesamten Kavität anwenden. Sie
14
sind modellierbar, sodass eine gute Kauflächengestaltung ermöglicht
wird. 15
Die Matrix von Bulk-Fill-Kompositen enthält häufig als Hauptbe-
standteil UDMA. Dieses Molekül ist flexibler und weniger viskös als 16
BisGMA.
Bei Bulk-Fill-Materialien ist der Schrumpfungstress häufig geringer
als bei vergleichbaren Hybridkompositen. Die Materialien müssen
17
transluszenter sein, damit ausreichend Licht in die Tiefe gelangt. Das er-
reicht man durch die Auswahl entsprechender Füllkörper bzw. durch 18
neue, optimierte, hochreaktive Initiatorsysteme. So sind in vielen Bulk-
Fill-Kompositen deutlich größere Füllkörper als in herkömmlichen 19
Kompositen enthalten. Da größere Füllkörper eine geringere Grenz-
schicht zwischen Füller und Matrix beanspruchen, welche für die Licht- 20
streuung verantwortlich ist, sind die Lichtverluste während der Polyme-
zwischenprismatische Schmelzprismen
Substanz
a b c
Abb. 6.8: Nach Schmelzkonditionierung entsteht ein retentives Ätzmuster im Zahnschmelz. Durch die
räumliche Ausrichtung der Schmelzkristalle entstehen unterschiedliche Ätzmuster: a) Ätztyp I: vornehm-
lich Prismenzentren weggelöst, b) Ätztyp II: vornehmlich zwischenprismatische Substanz weggelöst,
c) Ätztyp III: Mischtyp.
Deshalb kommt heute den Dentinhaftvermittlern der ersten Ge- Erste Generation
neration klinisch keine Bedeutung mehr zu. 1
Auch bei den Systemen der zweiten Generation, welche die Zweite
Schmierschicht modifizierten, war die Haftung gering (s. Abb. 6.11). Generation 2
Es wurden daher neue Adhäsivsysteme entwickelt, die eine mikro- Dritte Generation
mechanische Verankerung des hydrophoben Kompositmaterials mit
der feuchten Dentinoberfläche ermöglichen. Dazu muss das Dentin
3
durch Säureeinwirkung demineralisiert werden. Dabei wird das Kolla-
gen mehr oder weniger stark freigelegt. Es kommt zu einem irreversi- 4
blen Verlust von Dentin im Bereich von 10 μm. Das Kollagennetzwerk
wird zusätzlich in einer Tiefe bis ca. 30 μm freigelegt. Das freigelegte 5
Kollagen wird dann von einem Primer, welcher ein hydrophiles Mono-
mer enthält, durchdrungen und anschließend durch ein Dentinadhä-
siv stabilisiert (s. Abb. 6.12). Je nach Adhäsivsystem ist zusätzlich noch
6
die Applikation eines speziellen Schmelzbondings (Schmelzadhäsivs)
erforderlich. 7
Erhaltung der
Schmierschicht
Auflösung
der Schmierschicht
8
infiltrierter Dentinadhäsiv
Schmier-
pfropfen 9
Infiltration des
Schmelz- Dentinhaftvermittlers
haft-
vermittler A B C
in das Kollagen
des intertubulären
10
(Bonding) Dentins
Dentin-
adhäsiv
11
B
infiltrierte Deminerali-
Schmier- C sationstiefe
(ca. 30 mm)
12
schicht
Schmier-
propfen 13
tag
intertubuläres
Dentin
peritubuläres
14
Dentin I II
Dentin- 15
tubulus
Hybrid-
schicht
4
Schmelzbonding
Abb. 6.13: Anzahl der Applikationsschritte bei der Anwendung verschiedener Adhäsivsysteme. Die Präpa-
rate stellen eine selektive Auswahl der auf dem Markt befindlichen Adhäsivsysteme dar. Die Hersteller
bringen in relativ kurzer Zeit neue Produkte auf den Markt, die in einem Lehrbuch nur verzögert aufge-
nommen werden können.
tung ist bisher nicht ausreichend klinisch überprüft. Sie scheinen je-
doch in Verbindung mit Kompomerrestaurationen zu guten Ergebnis-
sen zu führen. Da Kompomere aufgrund ihrer Eigenschaften ein ande-
res Schrumpfungsverhalten besitzen als Hybridkomposite, sind wahr-
scheinlich nicht so hohe Haftwerte der Adhäsivsysteme erforderlich. Bei
neuen Adhäsiven der sechsten Generation wird nur noch eine Primer-
Adhäsivschicht aufgetragen.
Siebte Generation Eine Weiterentwicklung dieser All-in-one-selbstätzenden Adhäsiv-
systeme sind sogenannte Universaladhäsive (siebte Generation), wel-
che die unterschiedlichen Einsatzgebiete (direkte Restaurationen, Auf-
baufüllungen, adhäsive Befestigung von Einlagerestaurationen und
Wurzelstiften) sowie die unterschiedlichen Arten der Schmelz- und
Dentinkonditionierung (Etch-and-Rinse Verfahren, selbstätzende Total-
etch-Verfahren, selektive Schmelzätzung in Kombination mit isolierter
Dentinkonditionierung) abdecken sollen. Nach Haller und Merz (2017)
sollen dabei folgende Aspekte miteinbezogen werden:
Haftvermittlung zu Schmelz und Dentin
Kompatibilität mit allen Arten von Kompositen (lichthärtend,
selbsthärtend, dualhärtend)
Eignung für direkte und indirekte Restaurationen
Haftvermittlung zu koronalem und Wurzeldentin
Haftvermittlung zu unterschiedlichen metallischen und nicht me-
tallischen Werkstoffen im Rahmen der adhäsiven Befestigung und
bei Reparaturverfahren
Anwendung unterschiedlicher Konditionierungsverfahren
der Oberfläche der Hybridschicht, die sich bis in die Adhäsivschicht hi-
nein erstrecken. Es können auch Wasserbläschen über der Adhäsiv- 1
schicht entstehen. Bei Etch-and-Rinse-Systemen muss ein Überätzen
des Dentins vermieden werden, damit nach dem Konditionierungsvor- 2
gang alle freigelegten Kollagenfasern vom Adhäsivsystem ummantelt
werden können. Ist dies nicht der Fall, so können diese ungeschützten
Kollagenfasern möglicherweise hydrolytisch oder enzymatisch abge-
3
baut werden und damit eine Schwächung der Hybridschicht resultieren.
Auch körpereigene Proteasen können innerhalb der Dentinmatrix 4
diesen Abbau beschleunigen. Dieses als intrinsische kollagenolytische
Aktivität bezeichnete Phänomen kann durch spezifische Proteaseinhi- 5
bitoren gehemmt werden. So kann bereits durch eine niedrige Chlorhe-
xidinkonzentration eine vollständige Hemmung dieser Enzyme erzielt
werden. Man geht heute davon aus, dass die Matrix-Metalloproteina-
6
sen (MMPs) während der Zahnentwicklung innerhalb der mineralisier-
ten Dentinmatrix eingeschlossen werden. Die Freisetzung und anschlie- 7
ßende Aktivierung dieser endogenen Enzyme im Verlauf der unter-
schiedlichen Verarbeitungsschritte von Dentinadhäsiven können für 8
den Abbau der Hybridschicht verantwortlich sein.
Um die Hybridschicht zu schützen, wurden mehrere klinische Vor- Schutz der 9
gehensweisen vorgeschlagen, welche die Monomerinfiltration verbes- Hybridschicht
sern sollen und das Ausmaß der Wassersorption sowie den Abbau des
Kollagens vermindern können. Zu diesen Maßnahmen gehören der Ein-
10
satz einer zusätzlichen Schicht hydrophoben Kunststoffes sowie das
Aufbringen mehrerer Schichten des jeweiligen Adhäsivsystems, ver- 11
stärktes Entfernen von Lösungsmitteln durch Verdunstung, verlängerte
Aushärtungszeiten und die Anwendung von MMP-Hemmern. Insbeson- 12
dere führen die Verlängerung der Polymerisationszeit von Adhäsivsyste-
men sowie die Vorbehandlung des Dentins mit Chlorhexidinlösung zu 13
einer Verbesserung der Langlebigkeit der Hybridschicht. Auch eine ver-
längerte Applikationszeit und ein energisches Einmassieren der Adhä-
sivsysteme bewirken eine bessere Imprägnierung des Dentins.
14
Bei der Anwendung von Komposit mit Adhäsivsystemen gilt es da- C-Faktor
rauf zu achten, dass keine kastenförmigen Kavitäten präpariert werden. 15
Hier kann es nämlich aufgrund von Polymerisationsspannungen zum
Abriss des Materials im Randbereich kommen. Bei flachen und keilför- 16
migen Kavitäten ist dieses Problem geringer, da das Restaurationsmate-
rial nur auf einer freien Fläche „klebt“ und von der Außenfläche beim
Polymerisieren nachfließen kann. Dieses Phänomen wird mit dem soge-
17
nannten C-Faktor (configuration factor) beschrieben. Er sagt aus, dass
die Höhe der Schrumpfungskräfte vom Verhältnis der gebundenen zu 18
den freien Kompositoberflächen abhängt. Je mehr gebundene Oberflä-
chen vorhanden sind, desto größer wird der C-Faktor (s. Abb. 6.14). 19
Grundsätzlich kann man bei Polymerisation von Kompositen fest- Polymerisations-
stellen, dass es zu einer sogenannten Stressentwicklung kommt. Diese spannungen 20
Stressentwicklung kann dazu führen, dass es zu Spaltbildungen zwi-
Abb. 6.14: Der C-Faktor ergibt sich aus dem Verhältnis von freier zu gebundener
Oberfläche. Während im linken Teil der Grafik 5 Flächen des Würfels frei schrump-
fen können, liegt in der rechten Grafik nur eine freie Oberfläche vor. Bei gleichem
Volumen kommt es im rechten Beispiel zu wesentlich höheren Kontraktionskräf-
ten, da die Fließvorgänge durch die große Kontaktfläche behindert sind (nach
Braga et al. 2005).
1
2
3
4
5
6
Abb. 6.15: Während der Polymerisation entsteht aufgrund des Kettenwachstums
und der Quervernetzung zwischen den Molekülketten ein dreidimensionales
7
Netzwerk. Damit nimmt die Viskosität zu. Ist der Gelpunkt erreicht, können Fließ-
vorgänge die Kontraktionsspannung nicht mehr ausgleichen. Es kommt zu Span-
nungen zwischen Füllungsmaterial und Zahnhartsubstanz bzw. innerhalb des 8
Füllungsmaterials (nach Braga et al. 2005).
9
zeichnete Technik soll die Spannung zwischen Komposit und Kavitäten-
wand reduzieren. Alle drei Maßnahmen beruhen in erster Linie auf theo-
retischen Überlegungen bzw. In-vitro-Studien, sodass bisher keine verläss-
10
liche Aussage zu deren klinischer Effizienz möglich ist.
Die Pulpaverträglichkeit der neuen Adhäsivsysteme wird als gut be- Pulpaverträg- 11
zeichnet. Das Aufbringen der Adhäsive nach Schmelz- und Dentinät- lichkeit
zung verringert die postoperative Sensibilität. Diese lang andauernde 12
Schmerzsensation entsteht nach versehentlichem Ätzen freigelegten
Dentins und anschließendem Ausstrom von Dentinliquor und damit 13
verbundenen Reizungen der Nervenendigungen. Durch das Aufbringen
des Haftvermittlers wird die Flüssigkeitsbewegung blockiert. Es werden
auch Erfolge bei der Behandlung überempfindlicher Zahnhälse mit Ad-
14
häsivsystemen beschrieben.
15
Adhäsivsysteme haben die Aufgabe, eine sichere Haftung der Kom-
positmaterialien an den Zahnhartsubstanzen zu garantieren, eine 16
stabile Randdichtigkeit zu gewährleisten und postoperative Hyper-
sensibilitäten zu vermeiden.
17
Neuentwicklungen im Bereich der Adhäsivsysteme berücksichtigen
nicht nur eine vereinfachte Anwendungstechnik (One-bottle-bon- 18
dings), sondern auch die Integration von Bestandteilen mit desinfizie-
render Wirkung. Dabei können den Haftvermittlersystemen unter- 19
schiedliche Substanzen beigefügt werden, die zumindest während des
Einwirkens antibakteriell wirksam sind. Es ist aber nicht geklärt, inwie- 20
weit diese Systeme auch nach dem Aushärten noch eine antibakterielle
Klasse-III-Kavitäten
Primär- Die Primärpräparation für die Versorgung von Klasse-III-Kavitäten mit
präparation Komposit beschränkt sich darauf, die Karies darzustellen und zu entfer-
nen. Vor der Präparation werden die entsprechenden Zähne mit einer
Prophylaxepaste und einem Bürstchen gereinigt. Aus ästhetischen
Gründen wird der Zugang zur Kavität von palatinal bzw. lingual ge-
wählt. Mit einem kleinen kugelförmigen Diamantschleifer wird der ka-
riöse Defekt dargestellt (s. Abb. 6.16).
Palatinalfläche Labialfläche
Schmelz-
anschrägung
a b c
Abb. 6.17: Verschiedene Präparationsformen einer Klasse-III-Kavität: a) Bei der klassischen Präparation er-
folgt der Zugang von oral. Die Karies wird exkaviert und eine 0,5 mm breite Schmelzanschrägung mit Dia-
mantfinierern angelegt. Der labiale Schmelz bleibt erhalten und wird z.B. mit einem schleifmittelbelegten
Stahlband (z.B. Stahl-Karbo-Streifen) angeschrägt. Dabei wird gleichzeitig der Kontaktpunkt zum Nachbar-
zahn minimal aufgehoben. Nach Konditionierung der Zahnhartsubstanz wird je nach Material ein entspre-
chendes Adhäsivsystem aufgetragen. Dieser Bereich ist nach erfolgter Füllungstherapie versiegelt und da-
mit vor Sekundärkaries geschützt. b) Bei Klasse-III-Kavitäten, die zervikal im Zahnzement bzw. Dentin en-
den, wird im schmelzbegrenzten Bereich genauso präpariert, im zervikalen Bereich erfolgt jedoch keine
Abschrägung. c) Bei labial liegenden kariösen Defekten bzw. alten Füllungen, die eine labiale Begrenzung
besitzen, wird der Zugang zur Kavität von labial gewählt und eine zirkuläre Abschrägung präpariert.
Alleinige Die weitere Vorgehensweise richtet sich nach dem anschließend zur
Schmelzätzung Füllung verwendeten Kompositmaterial, speziell dem entsprechenden
% perfekter Rand
100
1
vor
Thermocycling
80 nach 2
Thermocycling
60
3
40
4
20
0 5
Zahnschmelz
6
7
8
Adhäsiv-
präparation
45°-Abschrägung
(Bevel) 90° Hohlkehle 9
Abb. 6.18: Die Adhäsivpräparation zeichnet sich durch eine kleine Kavitätenöffnung, unter sich gehende
Stellen im Dentin und breite Haftflächen am Zahnschmelz aus. Andere Präparationsformen wie eine 45°-
10
Abschrägung, eine Hohlkehlpräparation bzw. eine scharfkantig auslaufende Präparation (90°-Winkel mit
der Schmelzoberfläche) führen zu einer schlechteren Randadaptation, die nach thermischer Wechselbe-
handlung weiter abnimmt (nach Lutz 1984).
11
12
Adhäsivsystem (s. S. 237). Bei der alleinigen (selektiven) Schmelzät-
zung wird eine 30- bis 40%ige gefärbte Phosphorsäure auf den ange- 13
schrägten Zahnschmelz aufgebracht. Säure in Gelform verbleibt am Ap-
plikationsort und fließt nicht in die Kavität oder in andere Bereiche, die
nicht konditioniert werden sollen. Ein gefärbtes Gel erlaubt zudem eine
14
ausgezeichnete Kontrolle während der Applikation. Nach 30–60 s wird
die Säure abgesprüht und der Zahnschmelz getrocknet. Anschließend 15
werden ein Dentinprimer und ein Dentinadhäsiv aufgebracht.
Im Rahmen der Total-etch-Technik werden Schmelz und Dentin Total-etch- 16
gemeinsam mit einer Säure vorbehandelt, wobei die Säure erst auf den Technik
Schmelz und dann auf das Dentin aufgebracht wird, um ein „Überät-
zen“ des Dentins zu vermeiden. Der Kontakt der Säure zum Dentin be-
17
trägt dann ca. 15–20 s.
Es empfiehlt sich, bereits hier eine Kunststoffmatrize zwischen den 18
Zähnen mit einem Holz- oder Kunststoffkeil zu verkeilen, um die Nach-
barzähne vor Säurekontakt zu schützen. Außerdem werden die Zähne 19
durch das Verkeilen aufgrund ihrer physiologischen Eigenbeweglichkeit
auseinandergedrückt, sodass nach Fertigstellung der Restauration ein 20
guter Approximalkontakt resultiert. Man kann den Keil bereits vor dem
Keilchen
Restauration
Matrize
Abb. 6.19: Bei der Insertion von Komposit bei Klasse-III-Kavitäten wird eine Kunst-
stoffmatrize verwendet, die interdental verkeilt ist. Dabei werden zervikale Über-
schüsse vermieden und die Morphologie der Füllungsoberfläche dem Zahn ange-
passt.
a b c d
Klasse-V-Kavitäten
Restaurationen im zervikalen Glattflächenbereich sind aus unterschied-
lichen Gründen indiziert. Erosive Veränderungen, keilförmige Defekte
und Karies sind Gründe für Zahnhartsubstanzverluste in diesem Be-
reich.
Nicht invasives Bei Erosionen und keilförmigen Defekten wird primär ein nicht in-
Vorgehen vasives Vorgehen angestrebt. Umstellung der Ernährung (wenig erosive
Nahrung), Veränderung der Putzgewohnheiten (z.B. Stillmann-Tech-
nik) und Ausschaltung von Überbelastungen während der Kaufunktion
(Einschleifen, Beseitigung von Hyperbalancen und Vorkontakten) ste-
hen hier im Vordergrund. Erst wenn die Schmerzsymptomatik oder äs-
angeätzter
Bereich Erosion
Schmelz- Wurzel-
anschrägung karies
Wurzel-
a zement b c d
(s. Abb. 6.23b). Diese Matrize wird in den Sulkus geschoben, und von
außen wird ein Schmelzhaftvermittler im Bereich des Gingivalsaums
aufgebracht und ausgehärtet. Es resultiert eine dichte und fest sitzende
Matrize, die einen glatten, stufenlosen Übergang der Füllung zur Wur-
zeloberfläche garantiert. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich, wenn die
Präparationsgrenze äquigingival oder leicht subgingival liegt. Dann
kann durch Legen eines Retraktionsfadens die zervikale Grenze darge-
stellt und trocken gehalten werden.
Insertion des Zur Vermeidung des zervikalen Randspalts wird bei großen und tie-
Komposits fen Kavitäten das Komposit in mehreren Schichten eingebracht, wobei
jede Schicht ausreichend (mindestens 40 s lang) polymerisiert werden
muss. Für die Restauration von Klasse-V-Kavitäten eigenen sich auch
fließfähige (flowable) Komposite. Für die Konturierung der Restaura-
tion können lichtdurchlässige Matrizen, die mit einer Pinzette an einem
Haltedorn festgehalten werden, Verwendung finden (s. Abb. 6.23a).
1
2
3
Halte-
dorn
4
5
6
a b
Abb. 6.23: Bei der Insertion des Kompositmaterials können unterschiedliche Zervikalmatrizen angewendet
7
werden (a). Endet die Kavität zervikal am Gingivalrand und lässt sich kein Kofferdam applizieren, so wird
ein speziell geformtes Matrizenband in den Sulkus geschoben (b). Von außen wird Bonding mit einer Kugel
aufgebracht und ausgehärtet. Es resultiert eine dichte und fest sitzende Matrize, die einen glatten, stufen- 8
losen Übergang der Füllung zur Wurzeloberfläche garantiert.
9
Die Ausarbeitung der Restauration erfolgt mit flammenförmigen Ausarbeitung
oder spitzen, feinen und extrafeinen Diamantfinierern und flexiblen
Scheiben, wie bei Klasse-III- und -IV-Restaurationen. Auf eine hoch-
10
glanzpolierte Restauration ohne Überschüsse muss aus karies- und paro-
dontalprophylaktischen Gründen besonders geachtet werden. 11
Bei rein erosiven Veränderungen sind die Defekte im Zahnhalsbe-
reich schüsselförmig (s. Abb. 6.22). Hier erfolgt i.d.R. keine Präparation. 12
Nach Reinigung der Dentinoberfläche wird die Restauration mit der Adhä-
sivtechnik verankert. Die Haftfestigkeit von Adhäsionssystemen scheint 13
in diesem speziellen Fall aufgrund des geringen C-Faktors ausreichend.
Als Alternativen zu Kompositrestaurationen bieten sich die reine Alternativen
Glasionomerzementfüllung, die Goldstopffüllung und verschiedene
14
Einlagerestaurationen (Keramik, Komposit, Gold) an, die heute jedoch
i.d.R. keine Anwendung finden. 15
16
6.1.7 Seitenzahnrestaurationen mit Komposit
17
! Kompositmaterialien werden im Seitenzahnbereich für Klasse-I-
und -II-Kavitäten einschließlich für den Ersatz von einem oder
mehreren Höckern verwendet. Sie finden zudem Anwendung bei 18
Zähnen mit Frakturen sowie bei abrasiv oder erosiv geschädigten
Zähnen. Auch Korrekturrestaurationen (Reparaturrestaurationen) 19
defekter direkter und indirekter Restaurationen und Aufbaufül-
lungen vitaler und wurzelkanalbehandelter Zähne gehören zum 20
Indikationsspektrum von Kompositrestaurationen.
Klasse-I-Kavitäten
Primär- Die Primärpräparation für eine Klasse-I-Kavität erfolgt mit einem kugel-
präparation förmigen, birnenförmigen oder zylindrischen Diamanten. Die Kavitä-
tenform wird allein durch die Größe des kariösen Defekts bestimmt
(s. Abb. 6.24). Die Zugangskavität muss so groß sein, dass die Karies pro-
blemlos unter guter Sicht entfernt werden kann. Überhängende, nicht
von Dentin unterstützte Schmelzareale werden dann entfernt, wenn sie
frakturgefährdet sind. Nach Farbauswahl und absoluter Trockenlegung
erfolgt die Entfernung der Karies z.B. mit einem Rosenbohrer.
1
Schmelz-
anschrägung
2
Adhäsiv-
system
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
a b
Kugelstopfer
2. Schicht Planstopfer
1. Schicht
Instrumente
zur ana-
Adhäsiv tomischen
Gestaltung
Abb. 6.25: Instrumente zum Füllen und Konturieren von okklusalen Kompositrestaurationen. Das Kompo-
sit wird in Schichttechnik eingebracht und polymerisiert.
Ausarbeitung und Die Ausarbeitung und Politur erfolgen je nach Art der zu bearbeiten-
Politur den Flächen mit unterschiedlichen Instrumenten. Konvexe Flächen
(z.B. zugängliche Anteile der Approximalflächen) können mit schleif-
mittelbelegten Scheiben ausgearbeitet und poliert werden. Struktu-
rierte, anatomisch geformte Areale (z.B. Kauflächen) werden mit kegel-
förmigen Diamantfinierern ausgearbeitet und mit Hartmetallfinierern
geglättet. Die Politur kann mit diamantbeschickten Filzscheiben bzw.
Siliziumkarbid belegten Bürstchen erfolgen. Dabei wird die sauerstoffin-
hibierte Schicht entfernt. Einige Autoren empfehlen abschließend das
Auftragen eines Bondingmaterials, das in freigelegte Porösitäten und
Mikrorisse eindringt und damit zu einer Oberflächenverbesserung
führt. Da oft nicht das gesamte Fissurensystem in die Präparation mit
einbezogen wird, kann anschließend auf die Füllung und nach Anätzen
auf die Fissuren ein Fissurenversiegler aufgebracht werden.
Klasse-II-Kavitäten
Primär- Auch bei der Primärpräparation für Klasse-II-Kavitäten wird gesunde
präparation Zahnhartsubstanz so weit wie möglich geschont. Bei frei zugänglichen
approximalen Kavitäten (z.B. im Wechselgebiss) erfolgt die Restauration
wie bei Klasse-V-Kavitäten mit einem röntgensichtbaren Komposit.
Bei kleinen, rein approximalen Kavitäten und geschlossener Zahn-
reihe wird eine sogenannte Slot-Präparation durchgeführt (s. Abb.
6.26c). Die okklusale Struktur bleibt vollständig erhalten. Die Größe der
approximalen Kavität wird erneut ausschließlich durch die Kariesaus-
dehnung vorgegeben. Oft ist eine Separation des Nachbarzahnes durch
ein Keilchen indiziert, um ein versehentliches Anschleifen zu vermei-
den. Mit kleinen kugel- oder birnenförmigen Diamantschleifern wird
die approximale Karies von okklusal dargestellt. Dabei kann zunächst
eine approximale Schmelzlamelle stehen bleiben (s. Abb. 6.26d). Diese
Schmelz-
anschrägung
1
2
Schmelz-
anschrägung 3
4
a b
5
6
7
c 8
Abb. 6.26: Klasse-II-Kavitäten für Kompositrestaura-
tionen. Der approximal-zervikale Kavitätenrand birnenförmiger 9
sollte gut zugänglich sein (a und b). Bei einer rein ap- Diamantschleifer
proximalen Karies wird bei einer Primärversorgung
eine Slot-Präparation ohne Einbeziehung der Fissu- 10
ren durchgeführt (c). Bei der Präparation für eine
mehrflächige Kompositrestauration (Klasse-II-Kavi-
tät) wird zur Schonung des Nachbarzahnes zunächst 11
eine Schmelzlamelle stehengelassen (d). Nach Ent-
fernung dieser approximalen Lamelle wird die zervi-
kale Stufe mit einem stirnbelegten Diamantschleifer
finiert. Die Extensionsflächen und der Randbereich
12
der zervikalen Stufe werden mit oszillierenden In-
strumenten bearbeitet (e). 13
d
14
15
16
17
18
19
e 20
kann dann mit einem Diamantfinierer, der nur an der Stirnfläche belegt
ist, oder oszillierenden Instrumenten entfernt werden (s. Abb. 6.26e).
Approximal- Lage und Morphologie der Approximalkontakte bestimmen die Aus-
kontakte dehnung der bukkalen und oralen Extensionen. Die Approximalkon-
takte sind beim Jugendlichen eher punktförmig, beim älteren Patienten
flächenförmig, da es durch die physiologische Zahnbeweglichkeit zum
Einschleifen der Kontaktflächen benachbarter Zähne kommt. Sie liegen
im Oberkiefer mehr bukkal und im Unterkiefer zentral der Verbin-
dungslinie der Hauptfissuren.
Sekundär- Nach Exkavation der Karies, Farbbestimmung, absoluter Trockenle-
präparation gung erfolgt die Sekundärpräparation. Der approximale Kontakt wird
dabei, falls erforderlich, aufgehoben. Liegt zugleich eine okklusale Fissu-
renkaries vor, so wird diese mit einbezogen (s. Abb. 6.26b). Ging man
früher davon aus, dass der Isthmus im Idealfall nur so breit sein sollte,
dass eine Schmelzabstützung der antagonistischen Kontakte gewährleis-
tet ist, so ist es heute aufgrund der besseren Abrasionsresistenz der Hy-
bridkomposite auch erlaubt, größere Restaurationen herzustellen. Die
okklusalen Kavitätenränder werden wie bei Klasse-I-Kavitäten gestal-
tet. Alle internen Kavitätenwinkel sind abgerundet.
Matrizen- Nach erfolgter Präparation muss i.d.R. eine Matrize adaptiert wer-
Adaptation den. Dabei können verschiedene Techniken angewendet werden.
Matrizen sind Formgebungshilfen und dienen der Wiederherstel-
lung der äußeren Zahnform. Sie schützen das marginale Parodont vor
überstopften Restaurationsmaterialien und damit vor Parodontopa-
thien. Aber auch bei Unterkonturierung von Füllungsmaterialien kann
es zu parodontalen Veränderungen kommen, da sich Plaque ansam-
melt. Außerdem kann eine Sekundärkaries in diesem Bereich entstehen.
Anforderungen Matrizen müssen folgenden Anforderungen genügen:
Sie müssen dem Kondensationsdruck beim Füllen der Kavität stand-
halten.
Sie dürfen beim Kondensieren nicht stören.
Sie müssen nach Anlegen an den Zahn eine konische Form besitzen
(zervikal enger als okklusal).
Sie müssen so adaptierbar sein, dass der Kontaktpunkt zum Nach-
barzahn wiederhergestellt werden kann. Die Dicke des Matrizenban-
des sollte 50 μm nicht überschreiten.
1
2
3
4
a b
5
6
7
8
9
c d 10
Abb. 6.27: Für die Insertion des Komposits bei einer Klasse-II-Kavität muss eine Matrize gelegt werden.
Dabei kommen Metallmatrizen in speziellen Matrizenhaltern (Tofflemire-System) (a), Metall- und Kunst- 11
stoffbänder ohne speziellen Halter (c) oder Teilmatrizensysteme, die mit einem Metallring adaptiert wer-
den (d), zur Anwendung. Die Matrizen müssen approximal-zervikal gut adaptiert werden (Keil), um ein
Überstopfen von Füllungsmaterial zu verhindern (b). 12
bracht und dort mit einem speziellen Haltesystem (Metallring) fixiert 13
werden. Bei Verwendung dieser Matrizen kann ein guter Approximal-
kontakt erzielt werden. Sie eignen sich speziell bei minimalinvasiven
Kavitätenformen (s. Abb. 6.27d).
14
Zudem werden auch Systeme angeboten, die vorkonturierte Kunst-
stoffmatrizenbänder verwenden, die in einen üblichen Matrizenhalter 15
(z.B. Tofflemire) eingespannt werden können. Da die Matrizenhalter je-
doch aus Metall sind, ziehen sie das Matrizenband aufgrund ihres Ge- 16
wichtes sehr leicht nach koronal vom Zahn ab. Bei einem anderen Ma-
trizensystem wird die Kunststoffmatrize durch eine Metallvorrichtung
am Zahn festgeklemmt. Auch hier ist eine optimale Adaptation nicht
17
gewährleistet. Man kann bei kleinen Kavitäten jeweils mesial und distal
gekürzte Matrizenbänder für Frontzähne zwischen den Zähnen verkei- 18
len. Damit lässt sich jedoch kein stufenloser Übergang der Restauration
zur Zahnoberfläche an den Extensionsflächen erzielen. Kunststoffmatri- 19
zen sind zudem relativ dick, sodass bei ihrer Verwendung die Erzielung
eines ausreichenden Approximalkontakts erschwert ist. 20
1
4 4
3
2 3 2
2
1 1
3
4
a b
5
Abb. 6.28: Zur Verringerung der Poly-
merisationsschrumpfung und wegen 6
der begrenzten Durchhärtungstiefe
4
wird das Kompositmaterial in kleinen
Schichten in die Kavität eingebracht 7
und ausgehärtet. Die Schichtung kann
horizontal (a), schräg aufeinander zu- 3 1
laufend (oblique) (b) oder zentripetal 8
erfolgen (c).
2
9
10
c
11
sorgfältiger Insertion entstehen dabei keine Lufteinschlüsse, die bei der
Anwendung zäher Hybridkompositmaterialien in kleinen, unter sich 12
gehenden Kavitäten kaum zu vermeiden sind. Sie sind daher für die Res-
tauration kleiner Klasse-II-Restaurationen (Slot-Präparation) und als 13
erste, dünne (zervikale) Schicht bei größeren, unter sich gehenden Prä-
parationen geeignet.
Die Ausarbeitung und Politur erfolgen okklusal wie bei Klasse-I-Res- Ausarbeitung und
14
taurationen. Linguale, bukkale und zervikale Überschüsse lassen sich Politur
gut mit schneidenden Handinstrumenten (gebogenes Skalpell, Scaler, 15
Spezialinstrumente) entfernen. Anschließend lassen sich diese Bereiche
mit flammenförmigen Diamantfinierern und Polierscheiben so kontu- 16
rieren, dass kein Übergang zwischen Restauration und Zahnhartsubstanz
zu tasten ist. Besondere Aufmerksamkeit gilt Füllungsüberschüssen im
Approximalraum. Sie müssen vollständig entfernt werden, um Paro-
17
dontalerkrankungen vorzubeugen. Bei richtiger Farbgebung sind Ausar-
beitung und Politur im okklusalen Bereich sehr schwierig. Die Restaura- 18
tion lässt sich dann oft nicht von der Zahnhartsubstanz unterscheiden.
Eine sorgfältige Kontrolle der statischen und dynamischen Okklusion 19
sowie eine Fluoridierung mit einem neutralen Fluoridierungsmittel schlie-
ßen die Behandlung ab. Da es bei mehrflächigen Kompositrestaurationen 20
aufgrund der Materialeigenschaften im Verlauf der Jahre häufig zu soge-
1
2
3
4
5
Dentin 6
Schmelz
Bonding 7
opakes transluzentes
Opaker Kernmaterial Verblendmaterial
a
Komposit
b
8
Abb. 6.30: a) Diastemaschluss mit direkter Verblendtechnik, b) approximale Aufsicht auf einen Zahn mit
einem Veneer
9
Bei der indirekten Verblendtechnik wird nach Abformung und Mo- Indirekte
dellerstellung eine zahnfarbene Verblendschale aus Komposit herge- Verblendtechnik
10
stellt. Die Befestigung der Schale im Mund des Patienten erfolgt mit ei-
nem sogenannten Kompositkleber unter absoluter Trockenheit. Bei ver- 11
färbten Zähnen kann vorher ein gefärbtes, niedrig visköses Komposit
(Opaker) auf die verfärbte Fläche aufgetragen und ausgehärtet werden. 12
Hier wird auf weiterführende Literatur verwiesen.
13
R2-Technik
Liegen kariöse Defekte sehr weit subgingival (z.B. bei Wurzelkaries im R2-Technik
Approximalbereich), kann man mit einer zweiphasigen Technik (R2-
14
Technik) derartige Kavitäten direkt mit Komposit restaurieren. Die sub-
gingival liegenden Kavitäten lassen sich i.d.R. nicht mit dem üblichen 15
Prozedere (Legen von Kofferdam, Matrizentechnik, Herstellung eines
suffizienten Approximalkontaktes, Beseitigung von Materialüberschüs- 16
sen) restaurieren.
Bei der R2-Technik wird zunächst (1. Phase) der Kavitätenboden
mit der sogenannten Snow-Plough-Methode (Schneepflug-Methode)
17
in den besser zugänglichen equi- bzw. supragingivalen Bereich angeho-
ben (s. Abb. 31a). Dazu muss die approximale Stufe mittels Elektrotom 18
oder durch Legen eines Retraktionsfadens dargestellt werden. Nach
Konditionierung des Wurzeldentins wird ein Adhäsivsystem (Etch-and- 19
Rinse- oder Non-Rinse-Technik) eingebracht und polymerisiert. An-
schließend wird eine geringe Menge Flow-Komposit appliziert, aber 20
noch nicht ausgehärtet. Ein Standard-Hybridkompositmaterial wird
Flowable
a Komposit
Matrize
Keil
Standard-
Hybrid-
komposit
Flowable
Komposit
b
Läsion muss bei guter Sicht exkaviert werden können und weder Zahn
noch Füllung sollten unter Kaubelastung frakturieren bzw. übermäßig 1
abradieren.
Komposite stellen eine große, teilweise inhomogene Materialgruppe 2
dar. Auch wenn sie werkstoffkundlich erheblich verbessert wurden, wei-
sen sie immer noch einige Schwachstellen auf. Durch Hydrolyse der Si-
lanverbindungen kann es zum Füllerverlust und damit zu verstärktem
3
Substanzabtrag im okklusalen (Attrition) und approximalen Kontakt-
punktbereich kommen. Im okklusionstragenden Bereich ist der Mate- 4
rialverlust ca. dreimal größer als im okklusionsfreien Bereich (Abrasion
durch Nahrungsaufnahme). Der Abrieb von Kompositmaterialien insbe- 5
sondere im Abrasionsgebiss kann nach wie vor erheblich sein. Bezüglich
der physikalischen Eigenschaften stellt das E-Modul nach wie vor die
Schwachstelle der Komposite dar. Ein geringes E-Modul bedeutet eine
6
erhöhte Deformation der Materialien beim Kauen, die zu einer Rissbil-
dung und erhöhter Abrasion führen kann. Gerade im Bereich der Rand- 7
leisten kann es zu kleinen Füllungsfrakturen kommen (Chipping).
Die Polymerisationsschrumpfung führt zusätzlich zu inneren Polymerisations- 8
Spannungen und damit zur Ausbildung von Mikrorissen, die für eine schrumpfung
Desintegration des Materials mitverantwortlich sind. Da eine Konver- 9
sion aller vorhandenen Doppelbindungen bei der Aushärtung nicht er-
folgt, nimmt das Material in der Mundhöhle Wasser auf und quillt.
Eine Farbstabilität kann nicht sicher gewährleistet werden. Farbstabilität
10
Der Zeitaufwand bei der Restauration von Klasse-II-Kavitäten mit Zeitaufwand
Kompositen ist i.d.R. größer als bei Verwendung von Amalgam. 11
Mit modernen Feinpartikelhybridkompositen lassen sich heute je- Lebensdauer
doch bei richtiger Indikationsstellung und richtiger Verarbeitung Res- 12
taurationen herstellen, deren Lebensdauer an die von Amalgamfüllun-
gen oder indirekten Restaurationen heranreicht. Dabei spielen für den 13
klinischen Erfolg die korrekte Anwendung des jeweiligen Adhäsivsys-
tems, die richtige und ausreichende Polymerisation des Komposits, in-
dividuelle Patientenfaktoren und der Behandler eine größere Rolle als
14
die Auswahl des Materials. Kompositrestaurationen zeigen bei entspre-
chender Indikation geringe jährliche Versagensraten von ungefähr 2% 15
über einen Zeitraum von 10–20 Jahren (vgl. Tab. 6.4). Die Hauptgründe
für das Versagen von Kompositrestaurationen sind Sekundärkaries und 16
Füllungsfrakturen.
17
6.2 Restaurationen mit Glasionomerzementen
18
6.2.1 Materialkunde
19
! Glasionomerzement (Polyalkenoatzement) besteht aus den für
Dentalzemente typischen Komponenten Pulver und Flüssigkeit,
welche durch eine Säure-Basen-Reaktion aushärten.
20
Konventionelle Glasionomerzemente
Bei den konventionellen Glasionomerzementen finden Polycarbon- Bestandteile 1
säuren (Polymere der Alkensäuren) wie z.B. die Polyacrylsäure und
heutzutage deren Kopolymere mit Itakon- oder Maleinsäure Verwen- 2
dung. Diese neueren Kombinationen setzen die Viskosität der Flüssig-
keitskomponente herab, verhindern ein vorzeitiges Gelieren (hierdurch
verlängerte Lagerungsmöglichkeit) und verbessern die Abbindege-
3
schwindigkeit.
Durch Gefriertrocknung ist es darüber hinaus möglich, diese An- 4
teile dem Pulver bereits zuzugeben, wodurch eine exakte Dosierung der
Flüssigkeits- und Pulveranteile erleichtert wird. 5
Der Flüssigkeitsanteil dieser sogenannten wasserhärtenden Glasio-
nomerzemente besteht aus destilliertem Wasser bzw. wässriger Wein-
säure.
6
Der Pulveranteil besteht aus Kalzium-Aluminium-Silikat-Glas mit
eingesprengten kalziumfluoridreichen kristallisierten Tröpfchen, die 7
beim Schmelzvorgang der Ausgangskomponenten als Flussmittel dien-
ten. Die Fluoride werden nach dem Legen der Füllung über einen länge- 8
ren Zeitraum an die Umgebung abgegeben und sollen so einen begrenz-
ten Kariesschutz im Füllungsrandbereich bieten. 9
Der Silikatanteil wurde inzwischen leicht modifiziert, um optimal
mit der Säurekomponente reagieren zu können. Durch Vorbehandlung
der gemahlenen Gläser mit mineralischer Säure entsteht an der Oberflä-
10
che eine ca. 100 nm dicke Kieselgelschicht. Diese Schicht muss nach
dem Anrühren des Zements von der Säure durchdrungen werden. Hier- 11
durch verlängert sich die Verarbeitungszeit und verringert sich die Er-
härtungszeit. Gleichzeitig wird die Wasserempfindlichkeit stark vermin- 12
dert.
Die Abbindereaktion der beiden Hauptkomponenten verläuft in drei Abbindereaktion 13
Schritten (s. Abb. 6.33): Durch die Säure werden aus dem Silikatglas Kal-
zium- und Aluminiumionen herausgelöst (I). Da die Kalziumionen
schneller gelöst werden, reagieren diese zuerst mit der Säure. Durch Ver-
14
netzung der Polyacrylsäure über Kalziumbrücken entsteht ein Kalzium-
polykarboxylatgel (II), welches extrem empfindlich gegenüber Feuch- 15
tigkeit und Austrocknung ist. Die Folge einer initialen Feuchtigkeitskon-
tamination sind verzögerte Abbindung, reduzierte Druckfestigkeit und 16
Härte, Verlust der Transluzenz, poröse und raue Oberflächen und be-
schleunigte Erosion der Füllung. Die Austrocknung hat zur Folge, dass
Glasionomerzemente matt-opak aussehen, dass sie krakelieren und eine
17
erhöhte Abbindekontraktion aufweisen. Deshalb muss durch Lacke,
Versiegler (Bonding) oder Matrizen ein Schutz erfolgen. 18
Erst im Lauf von Stunden kommt es anschließend zur zusätzlichen Stabilisierung
Einlagerung von Aluminiumionen in die Matrix, wodurch ein wasser- 19
unlösliches Kalzium-Aluminium-Karboxylat-Gel entsteht (III). Durch
Einlagerung von Wasser erfolgt über einen längeren Zeitraum eine wei- 20
tere Stabilisierung des Zementgefüges.
I Glaspulver Anmischen
Polycarbonsäure
O H2O
Ca
Si C C
-
Al O O HO O
F H+
5 10 Minuten
II Ionisierung Fluorokomplexe Kalziumpolycarboxylat
Al CaF +
O C C
Ca O - O O - O
Si F
Ca 2+ Ca 2+
Al O - O O - O
H 2O F O H+
H C C
III
24 Stunden
Aluminiumcarboxylat
Al F 2+
F C C C
Al F 2+
O F O - O O - O O - O
H2O Ca Si Al3+ Al3+
Si
Al
O - O O - O O - O
O H+
H C C C
Cermetzemente
Durch Sinterung ist es möglich, in die Glaspartikel Metall einzuschmel-
zen. Das dabei überwiegend verwendete Silber dient als Stressabsorber
und ermöglicht eine erhöhte Biege- und Abriebfestigkeit. Werden derar-
tig veränderte Gläser verwendet, spricht man von Cermetzementen (Ce-
ramik-Metall-Glasionomerzemente).
3
6.2.3 Haftmechanismus
4
! Glasionomerzemente können eine chemische Verbindung mit
Zahnhartsubstanzen eingehen. 5
Dabei spielen sowohl ionische als auch kovalente Bindungen zwischen
den Carboxylgruppen der Polyacrylsäure und anorganischen Schmelz-
6
bzw. Dentinbestandteilen eine Rolle. Eine Bindung an das Kollagen des
Dentins ist bisher nicht bewiesen. Beachtenswert ist, dass die Haftungs- 7
kräfte am Schmelz doppelt so hoch sind wie am Dentin. Die Verbin-
dung Kunststoff/Schmelz nach Adhäsionstechnik ist jedoch sechsmal 8
höher als zwischen Glasionomerzement und Zahnschmelz.
Für den einwandfreien chemischen Verbund zwischen Glasiono- 9
merzement und Zahnhartsubstanz muss eine saubere, glatte und gut be-
netzbare Oberfläche vorliegen. Außerdem ist eine ausreichend niedrige
Viskosität des Zements Grundvoraussetzung. Um eine entsprechende
10
Zahnoberfläche zu erzielen, sollte die Kavität mit Diamantfinierern oder
Poliermitteln, welche keine Schmierschicht erzeugen (Bimsmehl), vor 11
der Füllungstherapie bearbeitet werden. Eine kurze Konditionierung der
Kavität mit Polyacrylsäure für 10 s entfernt eine eventuell vorhandene 12
Schmierschicht und verbessert damit die Haftung.
13
6.2.4 Pulpaverträglichkeit
14
Wird Glasionomerzement direkt auf die Pulpa aufgebracht, so wir-
ken sowohl das Zement selbst als auch seine Einzelkomponenten 15
pulpatoxisch.
16
Diese Toxizität verringert sich jedoch erheblich, wenn zwischen Zement
und Pulpa eine Dentinbarriere liegt, wenn das Material abgebunden ist
und wenn ein wasserhärtendes Glasionomerzement verwendet wird.
17
Bei tiefen Kavitäten mit einer vermuteten Restdentinschicht von
weniger als 1 mm sollte ein punktueller Pulpaschutz mit einem Kalzi- 18
umhydroxidpräparat vorgenommen werden.
Klinisch beobachtete Hypersensibilität nach Anwendung von Glas- 19
ionomerzementen wird auf chemisch-toxische Einflüsse des Zements
und auf mangelnde antibakterielle Eigenschaften zurückgeführt. 20
Glasionomer-
zement
Kalzium-
a b hydroxid c
d e f
Abb. 6.34: Restauration einer Klasse-V-Kavität mit Glasionomerzement (a): Nach Exkavation und Reinigung
der Kavität wird der Kavitätenrand rechtwinklig präpariert (b). Auslaufende dünne Ränder werden vermie-
den. An der tiefsten Stelle wird ein Kalziumhydroxid-Präparat aufgetragen und anschließend der Glasiono-
merzement eingebracht (c). Nach Aushärten unter einer Zervikalmatrize (d), die auch der Konturierung
dient (5–10 min), wird ein Bonding aufgebracht und mit rotierenden Instrumenten werden trocken die
Überschüsse entfernt (e). Anschließend wird erneut ein Schmelzbonding aufgebracht und ausgehärtet (f).
Konventionelle Alloys
Bei den konventionellen Alloys (I) mit einem Kupfergehalt von weniger
als 6% bestehen die Metallpartikel aus zwei homogenen metallischen
Phasen, der Gamma-Phase (Ag3Sn) und der Epsilon-Phase (Cu3Sn). Auf-
grund des geringen Kupfergehalts der Alloypartikel kann die Epsilon-
Phase bei der Reaktion mit Quecksilber vernachlässigt werden.
Quecksilber- Bei Quecksilberzugabe werden Silber und Zinn aus den Partikeln
zugabe herausgelöst und es bilden sich die Gamma-1-Phase (Ag5Hg6) und die
Gamma-2-Phase (Sn8Hg). Das Mischungsverhältnis von Alloypulver
und Quecksilber beträgt i.d.R. 1 : 1. Da aber eigentlich etwa die doppelte
Menge Quecksilber notwendig wäre, um eine vollständige Umsetzung
der Phasen zu erzielen, bleiben in der abgebundenen Legierung unrea-
gierte Feilungspartikel (Gamma-Phase) in einer Gamma-1-Matrix einge-
schlossen. In dieser Matrix befindet sich jedoch auch die Gamma-2-
Phase, die korrosionsanfällig ist.
(Kugeln)
Verdüsen
Ag g1
1
Hg
Ag Sn Cu g 2
I Zerspanen
Sn g2
e
3
(Splitter)
g = Ag3 Sn
g1
g2
=
=
Ag5 Hg6
Sn8 Hg
4
e = Cu3 Sn
5
Ag Sn Cu
Zerspanen
(Splitter)
g1 6
Ag
Hg Ag
g 7
Ag Cu E
II Verdüsen
Sn h'
8
(Kugeln)
e g2
(temporär)
9
E = Ag/Cu-Eutektikum
h' = Cu6 Sn5(Bronze) 10
11
Ag Sn Cu Ag g1
Zerspanen Hg Sn 12
III
g2
(Splitter)
e 13
h'
(temporär)
14
(sphärisch)
Ag
15
g1
Hg Sn
Ag Sn Cu 16
IV Verdüsen
h'
e
17
(Kugeln)
18
Abb. 6.35: Reaktionsmechanismus unterschiedlicher „Amalgamfeilungen“ mit Quecksilber. Bei Typ I ent-
steht Gamma-2-haltiges, konventionelles Amalgam, bei Typ II Gamma-2-freies Blendamalgam, bei Typ III
Gamma-2-freies Splitteramalgam und bei Typ IV sphärisches bzw. sphäroidales Gamma-2-freies Amalgam. 19
20
Korrosion Bei der Korrosion bilden sich unlösliche Zinnoxide auf der Oberflä-
che der Füllung. Das während der Korrosionsvorgänge frei werdende
Quecksilber diffundiert zum Teil in die Tiefe des Füllungsmaterials und
bildet zusammen mit dem Silber aus den noch vorhandenen Ursprungs-
partikeln erneut eine Gamma-1-Phase. Dabei expandiert die Füllung,
die Füllungsränder wölben sich auf und frakturieren letztlich unter Kau-
druck (merkuroskopische Expansion). Aufgeworfene und frakturierte
Füllungsränder können eine Prädilektionsstelle für Sekundärkaries sein.
Gamma-2-freie Amalgame
Erhöhung des Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung Gamma-2-freier Amalgame
Kupfergehalts (II). Durch Erhöhung des Kupfergehalts auf 12% oder mehr gelingt es,
die Gamma-2-Phase zu unterdrücken oder sie innerhalb kurzer Zeit wie-
der aufzulösen. Bei den ersten Legierungen dieser Art wurde den Alloy-
partikeln aus konventioneller kupferarmer Silber-Zinn-Legierung ein
Drittel fein verdüste Kugeln zugemischt. Diese Kugeln bestehen aus ei-
nem Silber-Kupfer-Eutektikum (72% Silber und 28% Kupfer). Sie besit-
zen unterschiedliche Größen bis maximal 30 μm.
Erste Reaktion Bei Reaktion von Quecksilber mit den konventionellen Feilungspar-
tikeln entstehen wie oben beschrieben eine Gamma-1- und eine
Gamma-2-Phase. Es wird jedoch auch aus der oberflächlichen Schicht
der Silber-Kupfer-Kugeln Silber herausgelöst und eine Gamma-1-Phase
gebildet.
Zweite Reaktion In einer zweiten Reaktion kann das Kupfer aus den kugelförmigen
Partikeln mit dem Zinn aus der Gamma-2-Phase reagieren und die stabi-
lere η’-Phase (Cu6Sn5) bilden. Diese Festkörperreaktion dauert ca. vier
Wochen. Danach ist die Gamma-2-Phase vollständig aufgebraucht. Die
η’-Phase liegt im abgebundenen Amalgam um die kugelförmigen Silber-
Kupfer-Eutektika. Sie wird auch als Asgar-Mahler-Reaktionszone be-
zeichnet. Zwischen dieser Bronzezone und dem Silber-Kupfer-Eutekti-
kum liegen zudem Gamma-1-Inseln.
Erhöhung des Gamma-2-freie Amalgame lassen sich auch dann erzielen, wenn bei
Kupfergehalts, Einzelpartikeln des Alloys der Kupfergehalt auf Kosten des Silbergehalts
Verringerung des massiv erhöht wird (III). Dabei muss man zwischen Partikeln unter-
Silbergehalts scheiden, bei denen sich die Metallphasen relativ gut voneinander tren-
nen lassen, und solchen, bei denen herstellungsbedingt eine gleichmä-
ßige Durchmischung verschiedener Metallphasen vorliegt.
So entstehen bei der Herstellung splitterförmiger hochkupferhalti-
ger Alloys nach dem Vergießen der Einzelbestandteile und anschließen-
dem Zerspanen Partikel, die eine Gamma-Phase und Epsilon-Phase in
einem Mengenverhältnis von 1,5 : 1 enthalten (ternäre Legierung). Bei
der Reaktion dieser Alloypartikel mit Quecksilber kommt es zur Ausbil-
dung einer Gamma-1-Phase und temporär zu einer Gamma-2-Phase.
In einer Sekundärreaktion zwischen der Gamma-2-Phase und der
Epsilon-Phase der Einzelpartikel entsteht erneut eine η’-Phase an der
Oberfläche der Einzelpartikel, d.h., die Epsilon-Phase (Cu3Sn) nimmt
Zinn aus der Gamma-2-Phase (Sn8Hg) auf und bildet die η’-Phase
(Cu6Sn5). Nach zehn Tagen ist diese Festkörperreaktion abgeschlossen. 1
Lässt sich herstellungsbedingt (schnelles Abkühlen) keine deutliche
Trennung zwischen der Gamma- und Epsilon-Phase in den Einzelparti- 2
keln mehr feststellen, so erhält man eine Alloygruppe, bei der schon di-
rekt nach der Reaktion mit Quecksilber keine Gamma-2-Phase mehr
festzustellen ist (IV). Zu dieser Gruppe gehören in erster Linie kugelar-
3
tige (sphäroidale) und kugelförmige (sphärische) Alloys. Der Kupferge-
halt schwankt zwischen 13 und 25%. Bei der Reaktion mit Quecksilber 4
werden an der Partikeloberfläche aus der Gamma-Phase wieder Silber
und Zinn herausgelöst. Es bildet sich zwischen Silber und Quecksilber 5
die Gamma-1-Phase, zwischen Zinn und Quecksilber kommt es jedoch
nicht zu einer Reaktion. Das Zinn wird direkt von der Epsilon-Phase auf-
genommen, und es bildet sich erneut Bronze (η’-Phase).
6
6.3.3 Klasse-II-Kavitäten
1
! Die Primärpräparation umfasst die Herstellung der Umrissform,
Retentionsform und Widerstandsform. Sie kann mit einem einzi-
gen Diamantschleifer hergestellt werden. 2
Dabei soll die von Black postulierte Extensionsform (extension for pre- Kavitätenformen
vention) nicht exakt befolgt werden. Im Okklusalbereich lassen sich
3
nicht alle Fissuren und Parafissuren in die Präparation einbeziehen. So
werden heute ausschließlich die kariösen Hauptfissuren und Grübchen 4
aufgezogen und nur die wichtigsten kariesgefährdeten Nebenfissuren
mit einbezogen (s. Abb. 6.37a, b, c). 5
Der okklusale Teil der Kavität hat eine Mindesttiefe von 2–2,5 mm
und ist leicht unter sich gehend. Dabei sind die Übergänge zwischen Ka-
vitätenwand und Kavitätenboden abgerundet, damit bei Belastung der
6
Restauration keine Spannungen in diesem Bereich entstehen, die zu Hö-
ckerfrakturen führen könnten (s. Abb. 6.36a). Bei einer zweiflächigen 7
Kavität darf im Bereich der Randleiste nicht unter sich gehend präpa-
riert werden, da die Randleiste sonst zu stark geschwächt wird. Alle Be- 8
reiche, die nicht von Dentin unterstützt sind, müssen entfernt werden,
da sie bei Kaubelastung frakturieren. Im Unterkiefer muss bei der Prä- 9
paration die Kronenflucht der Zähne berücksichtigt werden. Die Breite
der Kavität sollte so gewählt werden, dass Höckerfrakturen vorgebeugt
wird. Sie beträgt im Bereich der Dreieckswülste höchstens die Hälfte der
10
Höckerbreite. Eine Zahnhartsubstanz schonende Präparation umfährt
die Dreieckswülste und lässt die Randleiste intakt. Ein Aufziehen der 11
großen bukkalen oder palatinalen Fissuren der Molaren ist nur notwen-
dig, wenn sie kariös sind. Dabei bleiben wichtige Zahnstrukturen, wie 12
die Crista transversa der Oberkiefermolaren, intakt, wenn sie nicht ka-
riös unterminiert sind (s. Abb. 6.37c). 13
Kavitäts- 14
boden
2 mm pulpale
15
Schmelz
Wand
Extensions-
16
flächen
Dentin
Pulpa approximal-
17
zervikale
Stufe
richtig
18
a b
Abb. 6.36: Präparation einer Kavität für eine Amalgamfüllung: Mit einem birnenförmigen Diamantschlei- 19
fer wird eine intern abgerundete, leicht unter sich gehende Kavität (Retentionsform) präpariert (a). Damit
werden Kerbspannungen zwischen Kavitätenboden und Kavitätenwand vermieden, die zu Infrakturen
führen könnten. Bei der Präparation einer mehrflächigen Amalgamfüllung (Klasse-II-Kavität) weist der ap- 20
proximale Kasten eine eigenständige Retentionsform auf (b).
a b
c d
Abb. 6.37: Die Kavitätengröße richtet sich nach der Kariesausdehnung. Es werden
bei guter Mundhygiene und guter Patientencompliance nicht alle Fissuren in die
Präparation mit einbezogen.
Zugang Der Zugang zur approximalen Karies erfolgt mit einem birnenförmi-
gen Diamantschleifer. Dabei muss der intakte Nachbarzahn vor einem Prä-
parationstrauma geschützt werden. Das kann durch Anlegen einer Ma-
trize um den Nachbarzahn, Einlegen eines Stahlstreifens oder geschickte
Präparationstechnik gewährleistet werden. Der Präparationsdiamant wird
von okklusal in die jeweilige Randleiste eingeführt und unter leichten La-
teralbewegungen versenkt. Dabei bleibt eine Schmelzlamelle zum Nach-
barzahn stehen, die anschließend mit einem Handinstrument (Exkavator,
Schmelzmeißel) herausgebrochen wird. Der Kontakt zum Nachbarzahn
wird vollständig aufgehoben, um den approximal-zervikalen Kavitäten-
rand nicht in den Bereich der Kariesprädilektionsstelle zu legen. Außerdem
lässt sich so später die Matrize besser einbringen und adaptieren.
Nach Aufheben des Approximalkontakts werden Konkremente, die
evtl. trotz parodontologischer Vorbehandlung noch vorhanden sind,
entfernt und vorhandene Füllungen an den Nachbarzähnen kontrol-
liert bzw. nachgearbeitet. Der approximale Kasten weist nach der Präpa-
ration eine eigenständige Retentionsform auf (s. Abb. 6.36b).
Supragingivaler Die Forderung, den Füllungsrand in den Sulkus („kariesimmune
Füllungsrand Zone“) zu verlegen, wird heute nicht mehr befolgt. Aus parodontalpro-
phylaktischen Gründen wird ein supragingivaler Füllungsrand ange-
strebt. Bei einer tief reichenden Karies muss evtl. vorher der approximal-
zervikale Kavitätenrand durch eine parodontalchirurgische Maßnahme
freigelegt werden.
Die Kavität wird anschließend nach bukkal und oral gerade so weit
extendiert, dass die Kavitätenränder auch hier mit Mundhygienemit- 1
teln erreicht werden können. Die Präparationsgrenzen liegen also nicht
– wie von Black gefordert – in den Zonen der Selbstreinigung (außer 2
beim kariesaktiven Patienten). Der Kontakt zum Nachbarzahn wird da-
her nur ca. 0,5 mm aufgehoben. Dies lässt sich ohne Verletzung des
Nachbarzahnes jedoch nur mit Handinstrumenten bzw. oszillierenden
3
Präparationswerkzeugen bewerkstelligen (s. Abb. 6.38).
Die approximal-zervikale Stufe ist senkrecht zur Kronenachse ausge- Approximal- 4
richtet, plan oder leicht von außen nach innen abfallend. Nach Karies- zervikale Stufe
exkavation werden alle Kavitätenbereiche finiert. Die Extensionsflächen 5
und der approximal-zervikale Kavitätenrand werden mit Handinstru-
menten oder oszillierenden Feilen leicht gebrochen. Die Extensionsflä-
chen laufen in einem Winkel von 90° auf die Zahnoberflächen zu. Eine
6
Anschrägung der Stufe ist bei Amalgam kontraindiziert, da das Material
sonst unter Kaudruck wie auf einer schiefen Ebene aus der Kavität in den 7
Sulkus „kriechen“ würde und letztlich Füllungsrandfrakturen resultie-
ren würden. Außerdem lässt sich das Material in diesen Bereichen nicht 8
9
10
11
12
13
a b
14
0,5 mm
15
90×
16
17
90×
18
c d
19
Abb. 6.38: Mit Gingivalrandschrägern bzw. Schmelzmeißeln werden die Ränder an der approximal-zervi-
kalen Stufe und an den Extensionsflächen gebrochen (a und b). Es resultiert eine Kavität, deren approxi-
male Extensionen in einem Winkel von 90° auf die Zahnoberfläche zulaufen und in Bereichen enden, die 20
der Mundhygiene zugänglich sind (0,5 mm Abstand zum Nachbarzahn, c und d).
6.3.4 Matrizentechnik
Beim Anmischen ist die genaue Dosierung von Feilung und Queck-
silber wichtig.
Unterfüllung
Die Pistolen sollen leicht zu reinigen und zu sterilisieren sein. Das Amal-
gam wird portionsweise in die Kavität eingebracht und kondensiert. Die
Verarbeitungszeit beträgt je nach Produkt zwischen 3 und 10 min. Die
ersten Portionen werden sorgfältig im Approximalraum verdichtet, die
Okklusalfläche wird zuletzt gefüllt. Die Stopfer besitzen ein planes Ar-
beitsende und sind im Querschnitt rund, rhomboid- oder trapezförmig
(s. Abb. 6.39b).
6.3.7 Amalgamtoxizität
1
Scaler
Matrize 2
Keil
3
4
5
a b
6
7
Sichelscaler
8
9
10
Burnisher
11
Cleoid 12
c Discoid
d 13
Abb. 6.40: Die Okklusalfläche einer Amalgamfüllung wird mit Schnitzinstrumenten funktionell gestaltet
(Erklärung s. Text). 14
Dabei wird dem freiwerdenden Quecksilber die toxikologisch bedenk- 15
lichste Rolle zugeschrieben. Quecksilber kommt in verschiedenen Ag-
gregatzuständen vor und tritt in Form unterschiedlicher Verbindungen 16
auf.
Elementares Quecksilber ist bei Raumtemperatur flüssig, geht aber
bereits in Dampfform über (Hg0).
17
Quecksilber geht mit zahlreichen Metallen Verbindungen ein. Dabei Organische
kann es in einwertiger (Hg22+) und in zweiwertiger (Hg2+) ionischer Quecksilber- 18
Form vorliegen. In der Natur kommen außerdem organische Quecksil- verbindungen
berverbindungen (z.B. Methylquecksilber) vor. 19
Quecksilber findet sich überall in der Umwelt. Durch Vulkanismus,
Verwitterung, Bodenerosionen und durch industrielle Freisetzung wer- 20
den jährlich zwischen 5000 und 10 000 t Quecksilber freigesetzt (WHO).
WHO-Richtlinien Während die WHO eine durchschnittliche Aufnahme von 4,3 μg pro
Tag anorganisches Quecksilber und 2,4 μg pro Tag Methylquecksilber
aus Fischverzehr angibt, werden die Werte für Deutschland mit 10–
20 μg Gesamtquecksilber pro Tag angegeben. Der Anteil organischen
Quecksilbers beträgt dabei 1,6–2,4 μg pro Tag.
Die wöchentliche Quecksilberaufnahme mit der Nahrung sollte laut
WHO-Richtlinien nicht mehr als 350 μg betragen. Der Anteil organi-
schen Quecksilbers sollte dabei 200 μg nicht übersteigen. Diese Zahlen
sind empirisch abgeleitet; dabei wird unterstellt, dass bei Zufuhr dieser
Quecksilbermenge keine Zeichen einer chronischen oder akuten Intoxi-
kation auftreten. Sie gelten jeweils für eine 70 kg schwere Person.
Quecksilber- Bei der Bearbeitung und beim „Tragen“ von Amalgamfüllungen er-
dampf folgt eine Belastung des Patienten mit Quecksilber in unterschiedlicher
Form. Metallisches, flüssiges Quecksilber, wie es bei der Trituration
verwendet wird, hat toxikologisch nur geringe Bedeutung. Dampfför-
miges, elementares Quecksilber hingegen tritt bei der Verarbeitung
und beim Herausbohren von Amalgam auf. Aber auch aus fertig abge-
bundenem Amalgam treten kleine Mengen Quecksilberdampf aus, die
eingeatmet werden können. Das inhalierte Quecksilber gelangt über die
Lungen ins Blut (ca. 80%). Es wird dort zu Hg2+ oxidiert. Es kann jedoch
auch in elementarer Form die Blut-Hirn-Schranke passieren, so in das
Gehirn geraten und dort erst oxidiert werden. Es gelangt dann nicht
mehr über die Blut-Hirn-Schranke in das Blut zurück.
Das resorbierte Hg0 wird in ionisierter Form (Hg2+) über die Nieren
und zum Teil über den Stuhl wieder ausgeschieden. Die durchschnittli-
che Halbwertszeit beträgt 60 Tage.
lär in Leber und Nieren an. Anorganisches Quecksilber wird nach Auf-
nahme nicht methyliert. 1
Methyliertes Quecksilber wird ausschließlich über die Nahrung
aufgenommen und zu 90% im Magen-Darm-Trakt resorbiert. Es ist lipo- 2
phil, wird an Erythrozyten gebunden und verteilt sich nahezu gleich-
mäßig über den gesamten Körper. Es wird zum Teil in den Organen zu
Hg2+-Ionen demethyliert.
3
Methylquecksilber ist wesentlich toxischer als anorganisches 4
Quecksilber.
5
Zielorgan ist auch hier wieder das Gehirn.
Quecksilberintoxikationen werden in akute und chronische Formen
unterschieden.
6
Akute Quecksilberintoxikationen sind selten. Die akute Quecksilber- Akute
vergiftung ist je nach Quecksilberverbindung von charakteristischen Quecksilber- 7
Symptomen begleitet. Bei akuter Vergiftung mit Quecksilberdampf ist intoxikationen
in erster Linie die Lunge betroffen. Quecksilbersalze schädigen vor- 8
nehmlich den Gastrointestinaltrakt und die Nieren, organische Queck-
silberverbindungen das Zentralnervensystem. Parästhesien, Bewe- 9
gungs-, Sprach- und Hörstörungen sind die Folge.
Durch Verzehr von extrem quecksilberhaltigem Tunfisch kam es in
Japan in den 1950er-Jahren zu einer Massenvergiftung (Minimata-
10
Erkrankung). Durch den Genuss von quecksilberhaltigem Saatgetreide
erkrankten in Pakistan und im Irak zahlreiche Menschen. 11
Bei chronischen Quecksilbervergiftungen ist eine eindeutige Zuord- Chronische
nung der Exposition zu Krankheitssymptomen schwierig. Insbesondere Quecksilber- 12
lässt sich nicht mehr nachvollziehen, welche Expositionsform im Ein- vergiftungen
zelnen zu den festgestellten Symptomen führte (Amalgamfüllungen, 13
Fischverzehr u.a.). Die chronische Quecksilbervergiftung ist durch ob-
jektivierbare Symptome gekennzeichnet:
Tremor mercurialis: Intentionstremor der Finger, Augenlider, Lip-
14
pen
Erethismus: Persönlichkeitsveränderungen, die durch Reizbarkeit, 15
Befangenheit, Stimmungslabilität, Gedächtnisschwund u.a. gekenn-
zeichnet sind 16
Psellismus: verwaschene Sprache
Nephritis und Proteinurie
17
Bei milderer Ausprägung spricht man von einem unspezifisch, asthe-
nisch-vegetativen Syndrom (Mikromerkurialismus). Die Symptome 18
können jedoch auch bei Personen ohne Quecksilberexposition auftre-
ten (Schwächegefühl, schnelle Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit, Appe- 19
titmangel, Nervosität, schlechte Merkfähigkeit, Kopfschmerzen, Arbeits-
unlust u.a.). Die weiter oben angegebenen Grenzwerte für die Quecksil- 20
beraufnahme (WHO) dienen daher der Prävention derartiger Schäden.
Berufliche Für beruflich exponierte Personen, nicht jedoch für die Langzeitex-
Exposition position der Bevölkerung mit Quecksilber wurden arbeitsmedizinisch
tolerierbare Grenzwerte definiert, bei deren Überschreitung mit einer
chronisch-toxischen Symptomatik gerechnet werden muss. So beträgt
die maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) 100 μg/m3, der
biologische Arbeitsstofftoleranzwert (BAT-Wert) 200 μg/l Urin bzw.
50 μg/l Blut. Es gibt neuerdings Hinweise darauf, dass bei empfindlichen
Personen erste Auswirkungen einer erhöhten Quecksilberexposition
ohne erkennbare Krankheitssymptomatik bereits bei niedrigeren Wer-
ten erkennbar sind, wenn diese Personen beruflich dauerhaft exponiert
sind. Eine exakte Dosis-Wirkungs-Beziehung lässt sich nicht angeben.
Allergien In einzelnen Fällen kann es durch Amalgamfüllungen zu allergi-
schen Reaktionen (Kontaktallergie) kommen. Dabei können generali-
sierte Reaktionen der Haut (z.B. Ekzem, Dermatitis), allgemeine Krank-
heitssymptome (z.B. Gastroenteritiden) bzw. Schleimhautreaktionen
(z.B. Gingivostomatitis) auftreten. Die Symptome treten kurz nach Le-
gen bzw. Entfernen einer Amalgamfüllung auf und klingen i.d.R. nach
zwei bis drei Wochen wieder ab.
Bei einer Allergie gegen anorganische Quecksilbersalze bzw. organi-
sches Quecksilber liegt nicht immer gleichzeitig eine Allergie gegen
Amalgam vor. Eine Allergie lässt sich durch Epikutantest beim Allergo-
logen nachweisen (0,1% HgCl2-Lösung, 5% Hg-Präzipitatsalbe, metalli-
sches Quecksilber aus abgebundenem Amalgam). Bei nachgewiesener
Amalgamallergisierung sollten keine neuen Amalgamfüllungen gelegt
werden.
Entfernung Es ist bisher nicht geklärt, ob bei diesen Patienten eine Besserung des
von Amalgam- Allgemeingesundheitszustandes nach Entfernen der Amalgamfüllun-
füllungen gen von Dauer ist. In seltenen Fällen kann der Kontakt zu Amalgamfül-
lungen zu lokalen Schleimhautreaktionen (lichenoide Veränderungen)
führen.
Durch Korrosion und durch Verletzungen der Schleimhaut beim
Entfernen von Amalgamfüllungen kann es zur Einlagerung von Amal-
gampartikeln in die Mundschleimhaut kommen (Amalgamtätowie-
rung). Sie stellen eine ästhetische Beeinträchtigung dar.
Bei Kontakt von Amalgam zu anderen metallischen Werkstoffen,
aber auch beim Kontakt von frisch gelegtem Amalgam zu alten Amal-
gamfüllungen kann es zu „metallischem“ Geschmack und elektrischen
Empfindungen aufgrund kurzfristiger elektrochemischer Vorgänge
12
Schmelz- und
Dentinkonditio- Aufbringen
nierung, i.d.R.
Aufbringen
Metallprimer
Metallprimer/
Aufbringen
Metallprimer
Aufbringen
Silan
13
Phosphorsäure- Silan
ätzung
14
Schmelz- und Schmelz- und
Applikation
eines 3-Schritt-
Applikation
eines
Dentinkonditio- Dentinkonditio- 15
nierung, i.d.R. nierung, i.d.R. Applikation
oder Universal- hydrophoben Applikation
Phosphorsäure- Phosphorsäure- eines Self-
adhäsivs Bondings
ätzung
eines Self-Etch-
Adhäsiv-
ätzung Etching- 16
Adhäsiv-
systems oder
systems oder
Applikation
eines Universal-
adhäsivs
Applikation eines Universal- 17
eines 3-Schritt- eines 3-Schritt- adhäsivs
oder Universal- oder Universal-
adhäsivs adhäsivs 18
Auftrag einer dünnen Schicht eines Flowables und eines Standard-Komposits; Ausarbeitung und Politur a 19
20
Reparatur einer Zur Reparatur einer Amalgamfüllung wird heute Komposit als Repa-
Amalgamfüllung raturmaterial verwendet. Es wird Kofferdam gelegt; falls Schmelzränder
freiliegen, werden diese leicht angeschrägt. Bei mehrflächigen Kavitäten
wird eine Matrize angebracht und die Amalgamrestauration mit Alumi-
niumoxidpulver (Partikelgröße 50 μm, mindestens 4 s, bei 60–70 psi
Druck) abgestrahlt. Ein Metallprimer wird aufgebracht und anschlie-
ßend die Kavität mit Phosphorsäure angeätzt. Dann wird ein entspre-
chendes Adhäsivsystem und zunächst ein flowable Komposit in einer
dünnen Schicht appliziert. Anschließend wird die Restauration mit ei-
nem Standard-Komposit komplettiert. Alternativ kann nach dem Ab-
strahlen auch ein Metallprimer mit einem Silan appliziert werden. Da-
nach wird allerdings nicht mehr abgesprüht, sondern ein Self-Etch-Ad-
häsivsystem oder ein 10-MDP-haltiges Universaladhäsiv verwendet.
Reparatur einer Bei der Reparatur einer Kompositrestauration im zentralen Anteil,
Kompositfüllung d.h., wenn die zu reparierende Stelle allseits von Komposit umgeben ist,
wird die Oberfläche des Restaurationsmaterials hochtourig mit einem
Sie werden direkt (im Mund des Patienten) oder indirekt (z.B. im zahn-
6
technischen Labor) hergestellt. Es gibt zusätzlich für zahnfarbene Res-
taurationen semidirekte Verfahren (z.B. „chairside“ CAD-CAM-Verfah- 7
ren). Die Herstellung von Einlagerestaurationen ist aufwendig; sie sind
daher i.d.R. teurer als direkte plastische Füllungen. 8
Die Indikation für Einlagerestaurationen ist eng umrissen. Sie sind Indikationen
bei mittelgroßen und großen Klasse-II-Kavitäten indiziert, wenn die 9
Ausdehnung des approximalen Defekts zervikal die Schmelz-Zement-
Grenze überschreitet, die gingivale Stufe somit schlecht zugänglich und
eine sichere Matrizentechnik sowie eine adäquate Trockenlegung er-
10
schwert sind. Die Anfertigung von Restaurationen aus plastischen Fül-
lungsmaterialien ist dann häufig nicht mehr möglich. Zudem sind Ein- 11
lagefüllungen indiziert, wenn der Approximalkontakt mit plastischen
Materialien nicht mehr herzustellen ist und Allergien gegen plastische 12
Füllungsmaterialien und/oder deren Bestandteile vorliegen. Häufig las-
sen sich Kavitäten nach Entfernung von Teilkronen auch nicht mit Res- 13
taurationen aus plastischen Füllungsmaterialien restaurieren.
Grundvoraussetzungen für die Eingliederung von Einlagerestaura- Voraussetzungen
tionen sind eine optimale Mundhygiene des Patienten, geringe mo-
14
mentane Kariesaktivität und parodontal gesunde bzw. sanierte Verhält-
nisse. 15
Mit kauflächendeckenden Metall- bzw. Keramikrestaurationen las-
sen sich Okklusionskorrekturen durchführen. Sie sind daher oft im 16
Rahmen funktionstherapeutischer Maßnahmen indiziert.
Nach einer Wurzelkanalbehandlung werden bei großen mehrflä-
chigen Kavitäten im Seitenzahnbereich wegen der erhöhten Frakturan-
17
fälligkeit kauflächendeckende Restaurationen gefordert. Hier sind Teil-
kronen aus Metall oder Keramik indiziert. 18
Einlagerestaurationen sind formstabiler als Restaurationen aus plas-
tischen Füllungsmaterialien und besitzen bei richtiger Indikationsstel- 19
lung und sorgfältiger Anfertigung eine hohe Lebensdauer.
20
oral vestibulär
a b c d
Abb. 7.1: a) Rein intrakoronal fixierte Einlagerestaurationen (Inlays) erhalten ihre Retention durch eine ok-
klusale bzw. approximale Kastenverankerung. b) Ein Onlay bedeckt die gesamte Kaufläche, erhält jedoch
nur durch okklusale und approximale Kastenverankerung Retention. c) Bei Overlays werden meist nur die
okklusionstragenden Höcker gefasst, dabei hat sich die Stufe mit Abschrägung bewährt. Die nicht tragen-
den Höcker sind mit einem Außenschliff versehen, die retentive Verankerung erfolgt so zusätzlich durch
perikoronale Verankerung. Ein spezielles Augenmerk ist auf mögliche Allergien gegen Metalle, Zemente
und Kunststoffe zu richten. d) Bei Keramikrestaurationen sind die Begriffe Overlay und Onlay in der ur-
sprünglichen Form nicht mehr verwendbar, da hier der Übergang beider Präparationsformen fließend ist
und aufgrund der adhäsiven Befestigung auf eine makroskopische perikoronale Verankerung verzichtet
werden kann.
7.2.1 Präparation
tion soll erreicht werden, dass die Metallfüllung einerseits leicht in die 11
Kavität eingebracht werden kann, andererseits jedoch genügend Reten-
tion gegen Abzugskräfte aufweist. Alle inneren Kanten der Kavität sind 12
leicht abgerundet. Es sind keine unter sich gehenden Stellen vorhanden.
Es wird häufig empfohlen, den okklusalen Randbereich der Kavität 13
abzuschrägen. Im Abrasionsgebiss ist diese Abschrägung breiter als bei
steiler verlaufenden Höckern im jugendlichen Gebiss. Die Abschrägung
wurde früher unter anderem angelegt, um mit entsprechenden Instru-
14
menten weiche Goldlegierungen anfinieren zu können. Nach heutigen
Erkenntnissen führt ein derartiger Finiervorgang jedoch klinisch nach 15
einer gewissen Tragedauer zu schlechteren Randbedingungen, da die
dünn auslaufenden Metallränder unter Kaubelastung abbrechen. Man 16
verzichtet daher heute i.d.R. auf den okklusalen Federrand.
a b c
Dies lässt sich sowohl mit der Hohlschliffpräparation als auch mit der
Stufenpräparation mit entsprechender Abschrägung erreichen. Abschrä-
gungen und Hohlschliffpräparationen müssen so angelegt werden, dass
eine deutlich sichtbare Präparationsgrenze resultiert. Die Abschrägun-
gen liegen, wie auch bei den Kronen beschrieben, zwischen 30 und 45°.
So resultiert ein geringer Zementspalt und damit eine gute Passgenauig-
keit im Randbereich.
okklusale Abdachung
Reduktion des tragenden
Höckers
1
2
3
4
a b
7
8
9
c d
Die Abformung muss den präparierten Zahn, alle anderen Zähne und
die angrenzenden Weichgewebe exakt und blasenfrei wiedergeben.
Befestigung Die Kavität wird vor dem Einsetzen mit Chlorhexidindiglukonat gerei-
nigt, getrocknet und, wenn notwendig, mit einem Dentinhaftvermittler
vorbehandelt. Der Zinkoxid-Phosphat-Zement wird anschließend nach
Herstellerangaben bis zu einer sahnigen Konsistenz angerührt. Übli-
cherweise wird erst eine kleine Portion Zementpulver mit der Säure ver-
rührt und eine Minute gewartet, bis die Säure neutralisiert ist („sla-
cken“). Dann wird das Zement bis zur gewünschten Konsistenz ange-
rührt. Mit einem Pinsel werden die Innenseite der Gussrestauration und
die Kavität gleichmäßig dünn mit Zement beschickt. Das Gussobjekt
7.3.2 Präparationstechnik
Aufbaufüllung Wie bei allen anderen Restaurationsmaterialien wird primär durch Prä-
paration mit diamantierten Schleifern die Karies dargestellt. Nach Exka-
vation der kariösen Zahnhartsubstanz wird zunächst die Zahnfarbe be-
stimmt und dann häufig eine adhäsiv verankerte Aufbaufüllung (Kom-
posit) gelegt. Dabei wird der gesamte Defekt unter Zuhilfenahme einer
Matrize vollständig mit einem Komposit-Material aufgefüllt. Damit
kann das Dentin bis zum Einsetzen der Restauration geschützt und die
Stärke der Keramik so gestaltet werden, dass die Lichtstärke für die Poly-
merisation des Kompositzements beim Eingliedern der Restauration
ausreicht. Muss keine Aufbaufüllung gelegt werden, so sollten unter
sich gehende Bereiche mit einem Flowable-Nano-Hybrid oder einem
niedrig viskösen Bulk-Fill-Komposit ausgeblockt werden.
Anschließend erfolgt nach Aushärten die eigentliche Präparation
mit konischen Diamantschleifern, die an der Stirnfläche abgerundet
sind. Dabei ist wichtig, dass die Präparationsgrenzen vor der Abformung
finiert werden. Manchmal ist es ausreichend, das Dentin mit einem Ad-
häsivsystem zu versiegeln und dann die Schmelzanteile der Kavität zu
finieren. Bei mehrflächigen Kavitäten muss der Approximalkontakt
sowohl im Bereich der Extensionsflächen als auch an der approximal-
zervikalen Stufe zum Nachbarzahn aufgehoben werden.
Kavitätenränder Die Ränder der Kavität sollten, da die Einlagerestaurationen adhäsiv
befestigt werden, gut zugänglich sein. Endet die Kavität approximal in-
1,5 mm
2 mm
a b
Abb. 7.8: Bei einer Keramikteilkrone werden die Übergänge zum Zahn abgerundet
(a) oder in Form einer Hohlkehle (b) präpariert. Dabei muss anschließend die Kera-
mikdicke gleichmäßig mindestens 1,5 mm betragen. Die verbliebenen bukkalen
oder lingualen Kavitätenwände sollten eine Mindestdicke von 2 mm aufweisen (b).
7.3.3 Komposit-Einlagefüllungen
Bei der direkten Herstellung wird nach der Präparation die Kavität Direkte
mit einem speziellen Mittel isoliert. Anschließend wird mit einem licht- Herstellung 1
härtenden Komposit eine Füllung in Schichttechnik „modelliert“.
Bei mehrflächigen Kavitäten wird vorher eine Matrize gelegt und gut 2
verkeilt. Die statische und dynamische Okklusion kann direkt am Pa-
tienten eingeschliffen werden. Das fertige Inlay wird aus der Kavität
entfernt, poliert und anschließend mit Licht oder Hitze bzw. einer Kom-
3
bination aus beidem nachvergütet. Dabei wird eine zusätzliche Konver-
sion von Monomerbestandteilen in eine Polymerstruktur erreicht. Die 4
Anzahl freier Bindungsstellen nimmt dabei ab. Nachvergütete Einlage-
restaurationen aus Komposit weisen eine maximale Polymerisation, 5
keine Polymerisationsschrumpfung, verbesserte physikalische Eigen-
schaften (Elastizitätsmodul, Biegefestigkeit, Härte) und verringerte Was-
seraufnahme auf. Gleichzeitig werden bei der Nachvergütung Material-
6
spannungen abgebaut.
Bei größeren Restaurationen ist die indirekte Technik rationeller. Indirekte 7
Im Artikulator lassen sich die statische und dynamische Okklusion op- Herstellung
timal gestalten. Die Approximalkontakte werden auf einem ungesägten 8
Approximalkontaktmodell überprüft. Bei dem ersten auf dem Markt er-
hältlichen System (SR-Isosit) wurde das Inlay unter Druck- und Hitze- 9
einwirkung polymerisiert. Heute werden auch im zahntechnischen La-
bor meistens lichthärtende Feinpartikelhybridkomposite zur Herstel-
lung von Komposit-Einlagerestaurationen verwendet und anschließend
10
nachvergütet (z.B. lang andauernde Lichteinwirkung in einer Lichtbox).
Im Einzelfall entscheidet das Praxiskonzept über den Herstellungsweg. 11
Während bei der direkten Methode das Inlay in einer langen Sitzung
hergestellt wird, muss der Patient bei der indirekten Methode zwei Be- 12
handlungstermine wahrnehmen.
Eine Zwischenstellung nehmen Systeme ein, bei denen zwar eine 13
Abformung der Kavität erfolgt, die Herstellung jedoch „chair-side“ in
der Zahnarztpraxis an einem Modell aus Silikon mit großer Endhärte er-
folgt. Diese „semidirekte“ Technik hat sich jedoch nicht durchgesetzt.
14
Rein heiß polymerisierte Komposite zeigen eine Konversionsrate Werkstoffe
von 90%. Das bedeutet jedoch auch, dass nur wenige Doppelbindungen 15
verbleiben, an die anschließend das Befestigungskomposit anbinden
kann. Schon nach wenigen Monaten lassen sich bei diesen Systemen im 16
Bereich der Kompositfuge Defekte erkennen.
Rein lichtgehärtete Kompositinlays weisen eine geringere Konversi-
onsrate mit einem Restdoppelbindungsgehalt von 25 bis 40% auf. Hier
17
ist die Anbindung an das Befestigungskomposit besser.
Obwohl die Komposit-Einlagerestaurationen adhäsiv befestigt wer- 18
den, soll auch hier eine gute primäre Passgenauigkeit angestrebt wer-
den, da die Kompositfuge weniger abrasionsstabil ist als das Komposi- 19
tinlay bzw. der Zahnschmelz. Randimperfektionen, Randverfärbungen
und Plaqueanlagerungen können die Folge sein. Sowohl bei direkt als 20
auch bei indirekt hergestellten Kompositinlays zeigt sich eine große Va-
7.3.4 Keramik-Einlagefüllungen
Die Patienten müssen zudem bereit sein, den Mehraufwand und damit
die Mehrkosten einer solchen Behandlung zu tragen.
Aus klinischen Langzeituntersuchungen zu Keramikinlays lässt sich
jedoch ableiten, dass bei geeigneter Indikationsstellung die Prognose
gut ist und bei Beachtung der angegebenen Indikation und der notwen-
digen Sorgfalt bei der Insertion sogar die Lebensdauer anderer Restaura-
tionen übertreffen kann (s. Tab. 7.2).
Fragliche Aspekte Demgegenüber sind zahlreiche Aspekte des Einsatzes von zahnfarbenen
Einlagerestaurationen nicht geklärt:
Biokompatibilität der Einzelkomponenten des adhäsiven Systems
8 Einleitung
1
2
3
4
! Die Endodontologie beschäftigt sich mit Form und Funktion des
Endodonts einschließlich des periradikulären Gewebes sowie der
Ätiologie, Epidemiologie, Pathologie, Prävention, Diagnose und 5
Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen des Endodonts
und des periradikulären Gewebes.
6
Da Zahnpulpa und umgebendes Dentin entwicklungsgeschichtlich eine
anatomisch-funktionelle Einheit bilden, wird der Begriff Endodont für 7
diese gesamte Einheit verwendet.
Vom klinisch-praktischen Standpunkt aus stehen neben Ätiologie 8
und Diagnose von Zahnschmerzen die Behandlung der erkrankten
Pulpa und der Erkrankungen endodontischen Ursprungs des periradiku- 9
lären Gewebes im Vordergrund. Da insbesondere die Wurzelkanalaufbe-
reitung und Wurzelkanalfüllung hohe Ansprüche an die manuelle Ge-
schicklichkeit stellen, soll hierauf besonders ausführlich eingegangen
10
werden.
Ziele jeder endodontischen Behandlung sind die Erhaltung des er- 11
krankten Zahnes und die dauerhafte Verhütung von schädlichen Aus-
wirkungen auf benachbarte Gewebe (Parodont, Kieferknochen), die von 12
einem erkrankten Zahn ausgehen können.
Zum endodontischen Behandlungsspektrum zählen auch die 13
postendodontischen Maßnahmen, die hier kurz beschrieben werden,
und die endochirurgischen Maßnahmen, die nicht Gegenstand dieses
Buches sind.
14
In der zahnärztlichen Praxis gewinnt nicht nur die Gesunderhal-
tung der Zähne, sondern auch der Erhalt erkrankter Zähne durch Wur- 15
zelkanalbehandlungen immer mehr an Bedeutung. Den KZBV-Jahrbü-
chern lässt sich entnehmen, dass in Deutschland die Anzahl von Wur- 16
zelkanalbehandlungen bzw. Wurzelkanalfüllungen im Zeitraum von
1970–2016 von 3,2 auf 6,0 Mio. zugenommen hat. Im gleichen Zeit-
raum ging die Anzahl der Extraktionen von 17,2 auf 12,7 Mio. zurück.
17
Die Prävalenz wurzelkanalbehandelter Zähne dürfte in Deutsch-
land momentan bei etwa 5–8% liegen. Eine aktuelle DVT-Auswertung 18
von 500 deutschen Patienten gibt eine relative Häufigkeit von Zähnen
mit Wurzelkanalfüllungen von 8,2% an. Mit höherem Alter steigt die 19
Prävalenz und in Studien aus der Schweiz und Schweden wurde für ent-
sprechende Altersgruppen eine Prävalenz von 10–20% wurzelkanalbe- 20
handelter Zähne berichtet. Bei Berücksichtigung des demografischen
Erfolgsraten
Vitalexstirpation
–5%
Grundsubstanz Die Grundsubstanz der Pulpa besteht zu etwa 75% aus Wasser und zu
25% aus organischen Bestandteilen. Sie hat eine gelartige Konsistenz
und dient als Matrix, in die Zellen, Fasern und Blutgefäße eingebettet
sind. Sie enthält neben anderen molekularen Komponenten in der
Hauptsache Glykosaminoglykane bzw. Proteoglykane, deren Aufgabe
unter anderem in der Wasserretention besteht. Die Pulpa steht physio-
logischerweise unter einem Druck von 20–30 mmHg.
Bindegewebe In der ganzen Pulpa verteilt finden sich Kollagenfasern, die ein
Netzwerk bilden. Elastische Fasern finden sich nur in den Wänden grö-
ßerer Blutgefäße.
Zellen Die charakteristischen Zellen der Pulpa sind die Odontoblasten, ne-
ben denen sich in verschieden großer Anzahl Fibroblasten, Ersatzzellen
und Abwehrzellen finden lassen.
Die dentinbildenden Odontoblasten bedecken als einlagige Zell-
schicht dicht gepackt das Prädentin. Während sich die Zellkörper im Be-
reich der Kronenpulpa säulenförmig mit basal liegendem Kern darstel-
len, ändert sich die Form im mittleren und apikalen Wurzelabschnitt zu
kubischer und flach-länglicher Form. Odontoblasten sind ausdifferen-
zierte, nicht mehr teilungsfähige Zellen.
Zum Prädentin hin scheinen die Zellwände verdickt und ohne Un-
terbrechung von Zelle zu Zelle zu sein. Diese mikroskopische Struktur
entspricht aber nicht einer echten Membran, sondern ist nur Ausdruck
der dichten Packung und Verschachtelung der Odontoblasten. Obwohl
die Zellen im histologischen Bild als übereinandergeschichtet erschei-
nen, besitzt doch jede Zelle einen Zytoplasmafortsatz (Odontoblasten-
fortsatz), der in die Dentinkanälchen hereinragt und sich bis zur Peri-
pherie des Dentinmantels erstreckt.
Die Fibroblasten sind der häufigste Zelltyp der Pulpa und für die
Produktion der Grundsubstanz und der Kollagenfasern verantwortlich.
Ihre Form ist flach und spindelartig, und sie sind nahezu gleichmäßig
über das gesamte Pulpagewebe verteilt.
Als Ersatzzellen werden undifferenzierte Mesenchymzellen be-
zeichnet. Diese Zellen werden für pluripotent gehalten. Nach entspre-
chender Stimulation sollen sich ihre Tochterzellen zu jedem in der
Pulpa vorkommenden Zelltyp, auch odontoblasten-ähnlichen Zellen,
entwickeln können. Besondere Beachtung finden in letzter Zeit die aus
der Gruppe der undifferenzierten Mesenchymzellen stammenden pul-
palen Stammzellen (dental pulp stem cells). Aus ihnen können sich
Zellen entwickeln, die auf Markerproteine reagieren, die auch in Endo-
thelzellen, Myozyten, Osteozyten, Chondrozyten, neuronalen Zellen
und epithelialen Stammzellen gefunden werden.
Neben den genannten, häufig vorkommenden Zelltypen finden
sich in der Pulpa stets Zellen wie Makrophagen, dendritische Zellen,
Granulozyten sowie T- und B-Lymphozyten, die dem Abwehrsystem zu-
zurechnen sind. Die Abwehrreaktion der Pulpa wird bei jedem Kontakt
mit fremden Antigenen aktiviert. Sie setzt sich wie die allgemeine im- 1
munologische Abwehrreaktion aus der zellulären und der humoralen
Abwehr zusammen. Zu der spezifischen zellulären Abwehr gehören 2
T- und B-Lymphozyten, während an der unspezifischen zellulären Ab-
wehr Makrophagen, dendritische Zellen sowie eosinophile und baso-
phile Granulozyten beteiligt sind. Die spezifische humorale Abwehr
3
umfasst die Produktion spezifischer Antikörper durch Plasmazellen, die
sich nach Antigenkontakt aus B-Lymphozyten differenzieren. Die un- 4
spezifische humorale Abwehr besteht aus dem kaskadenartigen Enzym-
komplex des Komplementsystems. 5
bipolare
18
Zone
Rasch- 19
kow-
Nerven-
plexus 20
! Das apikale Parodontium ist der Teil des Parodontiums, der die
Wurzelspitze umgibt. Es enthält drei verschiedene Gewebearten:
das Zement, das Desmodont und den Alveolarknochen. Das des-
modontale Gewebe bildet den etwa 0,1–0,2 mm breiten Parodon-
talspalt.
10.1 Pulpitiden 7
Entzündungen können grundsätzlich in akute und chronische Pulpiti- 8
den unterteilt werden. Klinisch ist bei den akuten Pulpitiden zudem die
Unterteilung in reversible und irreversible Pulpitiden von Bedeutung 9
(s. Tab. 10.1).
10
10.1.1 Ätiologie der Pulpitis
11
! Entzündungen der Pulpa können durch zahlreiche natürliche
oder iatrogene Ursachen ausgelöst werden. 12
Die möglichen Ursachen für eine Pulpitis sind in der Tabelle 10.2 darge- 13
stellt. Alle zeitlebens erlittenen kleinen Irritationen oder Schädigungen
der Pulpa-Dentin-Einheit können akkumulieren und letztlich zu einer
14
Tab. 10.1: Einteilung der Pulpitiden. Bei den akuten Pulpitiden wird zusätzlich
zwischen reversibler und irreversibler Pulpitis unterschieden.
15
Akute Pulpitis Chronische Pulpitis
Hyperämie – reversibel Pulpitis chronica clausa
16
Pulpitis acuta serosa partialis –
reversibel
Pulpitis chronica granulomatosa aperta =
Pulpapolyp
17
Pulpitis acuta serosa totalis – Pulpitis chronica granulomatosa clausa =
irreversibel internes Granulom
18
Pulpitis acuta purulenta partialis –
irreversibel
19
Pulpitis acuta purulenta totalis –
irreversibel
20
Infektiöse Pulpitis
Sklerosierung Bei der ersten Reaktion, der Sklerosierung der Dentintubuli, kommt es
durch Zunahme des peritubulären Dentins zu einer Verengung der Ka-
Traumatische Pulpitis
14
Traumatische Verletzungen der Zähne können in Abhängigkeit vom Dentinfrakturen
Ausmaß zu Pulpitiden oder zur Nekrose der Pulpa führen. Während 15
Schmelzsprünge oder Schmelzrisse zu keiner nachweislichen Reaktion
führen, kann durch Dentinsprünge oder Infraktion dann eine Reak- 16
tion der Pulpa ausgelöst werden, wenn Bakterien in das Dentin eindrin-
gen. Eine besonders starke Gefährdung der Pulpa liegt vor, wenn durch
die Dentinfraktur ein direkter Zugang zur Pulpa besteht.
17
Bei einfachen Kronenfrakturen ohne Exposition der Pulpahöhle Kronenfraktur
kann in schweren Fällen durch die Eröffnung zahlreicher Dentinkanäl- 18
chen eine akute Pulpitis ausgelöst werden und posttraumatisch eine Ne-
krose der Pulpa entstehen. Bei komplizierten Kronenfrakturen mit Ex- 19
position des Pulpagewebes kann es bereits nach 24 Stunden zu einer lo-
kalen akuten Entzündung kommen (s. Kap. 14.4). 20
Iatrogene Pulpitis
Präparation Bei der Präparation des Dentins werden oft großflächig Dentinkanäl-
chen eröffnet. Durch die Durchtrennung der Odontoblastenfortsätze
können Entzündungsmediatoren freigesetzt werden, die eine vaskuläre
Reaktion in der Pulpa auslösen.
Überhitzung und Ungenügende Wasserkühlung bei der Präparation führt zu Über-
Austrocknung hitzung und Austrocknung des Dentins. Bei trockener Kavitätenpräpa-
ration kann es in der Pulpa zu einer Temperaturerhöhung von 2–3 °C
kommen.
Als besonders problematisch wird die Austrocknung des Dentins
angesehen. Durch Flüssigkeitsentzug und Veränderung der Druckver-
hältnisse in den Dentinkanälchen können Odontoblastenkerne in die
Kanälchen gesaugt werden. Dieser Vorgang wird häufig als Odontoblas-
tenaspiration bezeichnet. Wenn keine ernsthafteren Schädigungen er-
folgen, ist die resultierende Entzündungsreaktion der Pulpa allerdings
weitgehend reversibel.
Zahnärztliche Zahlreiche gebräuchliche zahnärztliche Materialien können die
Materialien Pulpa irritieren, wobei Dauer und Intensität der Reizwirkung und die
Dicke und Beschaffenheit der Restdentinschicht den Grad der Schädi-
gung stark beeinflussen. Besonders bei dünner Restdentindicke sollte
z.B. auf die Anwendung von chemisch aktiven Reinigungs-, Desinfek-
tions- und Trocknungsmitteln verzichtet werden.
ein. Diese Zellen haben eine kurze Lebensdauer und setzen nach ihrem
Absterben toxische zelluläre Komponenten und proteolytische Enzyme
frei, die ihrerseits dann andere Zellen, Bindegewebefasern und Grund-
substanz der Pulpa zerstören können. Es bildet sich Eiter (Pus).
In Abhängigkeit von der Stärke des Reizes und der Immunsituation der
Pulpa, können akute Pulpitiden – bis auf die vollständige purulente Ein-
schmelzung – in chronische Formen übergehen und umgekehrt (s. Abb.
10.1).
Die häufigste Form der chronischen Pulpitiden (s. Tab. 10.1) stellt
die Pulpitis chronica clausa dar. Histologisch sind Rundzellinfiltrate
aus Lymphozyten, Plasmazellen und Mastzellen in der Pulpa zu beob-
achten. Dabei wird der primär geschädigte Bereich durch eine Membran
vom umgebenden Pulpagewebe abgekapselt. Klinische Symptome feh-
primär
Pulpitis acuta Chronifizierung nicht-infizierte
serosa Nekrose
Pulpitis acuta
purulenta
entzündliche Erkrankungen
des apikalen Parodonts
10.2 Pulpanekrose
Die Parodontitis apicalis ist eine Reaktion auf eine Infektion im En-
dodont. Das periapikale Gewebe ist zumeist nicht infiziert.
Tab. 10.4: Bakterienstämme und ihre häufigsten Repräsentanten im Wurzelkanal sowie Pilze und
Viren bei endodontischen Infektionen (nach Siqueira 2011)
Gramnegative Bakterien Grampositive Bakterien
Anaerobier Fakultative Anaerobier Anaerobier Fakultative Anaerobier
Stäbchen
Dialister Capnocytophaga Actinomyces Actinomyces
D. invisus C. gingivalis A. israelii A. naeslundii
D. pneumosintes C. ochracea A. gerencseriae
unkultivierte Phylotypen A. meyeri
A. odontolyticus
Porphyromonas Eikenella Pseudoramibacter Corynebacterium
P. endodontalis E. corrodens P. alactolyticus C. matruchotii
P. gingivalis
Tannerella Aggregatibacter Filifactor Lactobacillus
T. forsythia A. aphrophilus F. alocis L. salivarius
A. actinomycetemcomi- L. acidophilus
tans L. paracasei
Prevotella Eubacterium
P. intermedia E. infirmum
P. nigrescens E. saphenum
P. tannerae E. nodatum
P. denticola E. brachy
P. multissacharivorax E. minutum
P. baroniae
unkultivierte Phylotypen
Fusobacterium Mogibacterium
F. nucleatum M. timidum
F. periodonticum M. pumilum
unkultivierte Phylotypen M. neglectum
M. vescum
Campylobacter Propionibacterium
C. rectus P. acnes
C. gracilis P. propionicum
C. curvus
C. showae
Synergistes Eggerthella
unkultivierte Phylotypen E. lenta
Pyramidobacter Olsenella
P. piscolens O. uli
O. profusa
unkultivierte Phylotypen
Jonquetella Bifidobacterium
J. anthropi B. dentium
Streptokokken. Geht von einem Zahn ein apikaler Abszess aus, so ist das
periapikale Gewebe zumeist mit 2–8 verschiedenen Keimen besiedelt. 1
Histologisch handelt es sich beim apikalen Abszess um ein massives
zelluläres Infiltrat mit zahlreichen neutrophilen Granulozyten; zentral 2
liegt ein nekrotischer Herd mit Pusansammlung vor. In Abhängigkeit
von der Virulenz der verursachenden Keime und der Körperabwehr
kann sich aus einem apikalen Abszess in seltenen Fällen eine Osteo-
3
myelitis ausbilden.
Akute Abszesse können auch auf der Basis einer chronischen apika- 4
len Parodontitis entstehen, wenn sich die Virulenz der Bakterien oder die
Abwehrlage ändert (akute Exazerbation, auch als Flare-up oder früher 5
als Phönixabszess bezeichnet). Häufig werden iatrogene Ursachen (Über-
instrumentierung, Überfüllung) als Ursache angegeben. Nach neueren
Erkenntnissen scheinen Viren für die Entstehung einer akuten apikalen
6
Parodontitis und für eine akute Exazerbation einer chronischen apikalen
Parodontitis eine dominante Rolle zu spielen (z.B. Epstein-Barr-Virus). 7
Der periapikale Abszess ist eine schmerzhafte, hoch akut verlau- 8
fende Entzündung endodontischen Ursprungs im periapikalen Ge-
webe. 9
Abb. 10.5: Formen der apikalen Parodontitis: a) akute Parodontitis apicalis, b) chronische Parodontitis api- 20
calis, c) wahre Zyste, d) Taschenzyste (nach Nair 2008)
a b
Abb 10.6: a) Asymptomatische apikale Parodontitis ausgehend vom Zahn 27; b) Zustand 9 Monate nach
Wurzelkanalbehandlung. Es scheint zu einer vollständigen knöchernen Regeneration des periapikalen Ge-
webes gekommen zu sein.
a b
3
Radikuläre Zyste
Abb. 10.8: Klinische und histologische Zustandsformen der chronischen apikalen Parodontitis 4
Ductus-palatinus-Zyste), zentrales Riesenzellgranulom, Ameloblastom 5
und ossifizierende Fibrome (s. Abb. 10.7).
Bei anhaltendem chronischem Verlauf einer apikalen Parodontitis
können sich klinisch und histologisch verschiedene Zustandsformen
6
der chronischen apikalen Parodontitis ausbilden (s. Abb. 10.8).
Ursache der verschiedenen Zustandsformen einer chronischen api- 7
kalen Parodontitis ist stets eine Infektion im Wurzelkanalsystem. Inso-
fern ist immer eine orthograde Wurzelkanalbehandlung die Therapie 8
der ersten Wahl.
9
Sklerosierende Ostitis
Eine sklerosierende Ostitis, auch als periradikuläre Osteosklerose be-
zeichnet, ist eine produktive Form der chronischen apikalen Parodonti-
10
tis und stellt sich im Röntgenbild als lokalisierte Osteosklerose des
Knochens im periapikalen Bereich dar (s. Abb. 10.9). Radiologisch ist 11
eine unscharfe, unregelmäßig begrenzte Verschattung um die Wurzel-
spitze zu beobachten; der Parodontalspalt ist zwischen Verschattung 12
und Wurzel weiterhin erkennbar.
13
Abb. 10.9: Sklerosierende
Ostitis bei einem unteren
Prämolaren 14
15
16
17
18
19
20
Apikales Granulom
Bei anhaltendem chronischem Verlauf wird das ursprüngliche Gewebe
im apikalen Bereich durch Granulationsgewebe ersetzt; es bildet sich
ein apikales Granulom aus. Um das Foramen apicale kommt es zu
einer kugelförmigen Ansammlung von Granulationsgewebe, dem Gra-
nulom. Durch das Wachstum des Granuloms kommt es zur Knochen-
und – in geringem Umfang – Wurzelresorption.
Histologisch handelt es sich um leicht entzündetes Gewebe, teil-
weise Granulationsgewebe mit zahlreichen T-Lymphozyten, Plasmazel-
len und in bis zu 40% der Fälle mit neutrophilen Granulozyten. Die zen-
trale Einschmelzung enthält in 60% der Fälle abgekapselte Mikroabs-
zesse. Eine derbe bindegewebige Abkapselung umgibt den Prozess. Diese
Bindegewebskapsel wird von Blut- und Lymphgefäßen durchzogen, ent-
hält Nervenfasern und haftet über Sharpey-Fasern fest an der Wurzel-
oberfläche. Etwa 50% aller Granulome enthalten Malassez-Epithelreste.
Radikuläre Zyste
Etwa 10–20% der apikalen Granulome erfahren im Laufe der Zeit eine
Umwandlung zur radikulären Zyste. Es kommt zur Proliferation der zu-
vor ruhenden, in der Bindegewebskapsel des Granuloms liegenden Epi-
thelstränge. Die Epithelproliferation wird vermutlich durch bakterielle
Antigene angeregt. Dieses Epithel kleidet den zentralen Hohlraum als
mehrschichtige epitheliale Zystenwand aus. Der flüssige oder breiige
Zysteninhalt enthält nekrotische Zellen, neutrophile Granulozyten,
Makrophagen und Cholesterinkristalle. Die Zystenflüssigkeit weist des-
halb eine höhere Osmolarität als das Serum auf. Die Zyste nimmt daher
Flüssigkeit auf. Aufgrund des im Zystenlumen zunehmenden Druckes
und der Freisetzung von Prostaglandinen, welche osteoklastenstimulie-
rend wirken, resultiert eine Knochenresorption und damit ein Zysten-
wachstum. Etablierte Zysten können Größen von einigen Millimetern
bis zu 1,5 cm im Durchmesser haben.
11.1.1 Dentinhypersensibilität
Wenn der Zahnschmelz als Schutzmantel der Pulpa und des Dentins aus
physiologischen oder unphysiologischen Gründen verloren geht oder
Wurzeldentin zur Mundhöhle exponiert ist, können bereits geringe
Reize zu einer erheblichen Schmerzempfindung führen. Beispiele hier-
für sind frei liegende Zahnhälse, keilförmige Defekte, Erosionen, Karies
oder undichte Füllungen. In den meisten Fällen ist die Pulpa eines hy-
persensibel reagierenden Zahnes gesund und entzündungsfrei.
Schmerzaus- Zu den schmerzauslösenden Reizen zählen thermische, mechani-
lösende Reize sche, osmotische und elektrische Reize. Obwohl eine Beziehung zwi-
schen neuralen Strukturen und Odontoblasten demonstriert werden
konnte, ist der genaue Mechanismus der Schmerzübertragung vom
Dentin auf die neuralen Strukturen der Pulpa nicht ganz geklärt.
Schmerz- Theorien, die von einer direkten Nervenstimulation ausgehen oder
entstehung dem Odontoblastenfortsatz eine Rezeptorfunktion zuschreiben, konn-
ten bisher nicht erhärtet werden. Am besten lässt sich die Schmerzent-
stehung mit der hydrodynamischen Theorie erklären. Danach wird
der Schmerz durch mechanische Stimulation der Nerven im zirkumpul-
palen Dentin und in den peripheren Pulpabereichen ausgelöst. Der Reiz
wird durch Flüssigkeitsbewegung in den Dentinkanälchen verursacht.
Pulpa und Dentinkanälchen enthalten Gewebeflüssigkeit mit einem hy-
drostatischen Druck von etwa 30 mmHg und damit ein Druckgefälle
nach außen. Die Flüssigkeit in den Dentinkanälchen ist durch Kapillar-
kräfte fixiert. Durch physikalische, chemische oder osmotische Reize
kann eine Flüssigkeitsbewegung ausgelöst werden. Typische Ursachen
für die Auslösung von Flüssigkeitsbewegungen in die eine oder andere
Richtung sind das Trockenpusten der Kavität, Applikation von Kälte
oder Wärme oder die Einwirkung osmotisch aktiver Substanzen wie z.B.
Zucker. Charakteristisch für diesen reizabhängigen Zahnschmerz ist der
offensichtliche Zusammenhang zwischen auslösendem Reiz und
Schmerzempfindung. Charakteristisch für die Dentinhypersensibilität
ist, dass nach Applikation des Reizes der Schmerz sofort auftritt und
nach Entfernung sofort wieder verschwindet. Reizdauer und Schmerz-
dauer sind identisch.
Diagnostik Zur Absicherung der Diagnose sollten die Beschwerden des Patien-
ten provoziert werden. Kann durch gezielte Applikation von Luft (Luft-
püster) oder stark osmotischer Substanzen (z.B. wässrige Kalziumchlo-
rid-Lösung) das Beschwerdebild ausgelöst werden, bestätigt dies die Ver-
dachtsdiagnose einer Dentinhypersensibilität. Eine endodontische
14
Tab. 11.1: Schmerzsymptomatik bei reversibler und irreversibler Pulpitis
15
Reversible Pulpitis Irreversible Pulpitis
Schmerzauslöser Thermische und osmo- Wärme 16
tische Reize
Schmerzdauer Entspricht Reizdauer Reizüberdauernd
17
Nachtschmerz Nein Ja
Schmerzlinderung durch Kälte Nein Ja 18
Spontanschmerz Nein Ja
Schmerzvorgeschichte Kurz Lang 19
Schmerz lokalisierbar Ja Nein
Schmerzart Ziehend, stechend Pulsierend, pochend
20
Wenn der Patient Beschwerden hat, sollen nicht nur die aktuellen Be-
schwerden, sondern auch die in der Vergangenheit aufgetretenen Be-
schwerden und Therapiemaßnahmen erfragt werden.
Schmerz- Die Schmerzanamnese beinhaltet folgende Fragen:
anamnese Wann und unter welchen Einflüssen traten die Schmerzen erstmals
auf?
Wodurch wird der Schmerz ausgelöst oder gelindert (Kälte, Wärme,
Druck) oder tritt er spontan auf?
Perkussionstest
Der Perkussionstest ist besonders wichtig zur Abgrenzung und Diagnose
einer Parodontitis apicalis. Die Perkussionsempfindlichkeit eines Zah-
nes wird mit der Fingerkuppe oder, wenn kein Resultat auftritt, mit dem
Griff eines zahnärztlichen Instruments durchgeführt. Ein Beklopfen der
Kauflächen wird als vertikale Perkussion, ein Beklopfen der Seitenflä-
chen als horizontale Perkussion bezeichnet. Zu Vergleichszwecken soll-
ten benachbarte Zähne ebenfalls mit untersucht werden.
Sensibilitätsprüfung
Die bekanntesten Verfahren zur Sensibilitätsprüfung der Pulpa sind die
Anwendungen von Kälte, Wärme und Strom. Die Verfahren basieren
darauf, dass eine gesunde Pulpa auf die einwirkenden Reize normal rea-
giert, während eine entzündete Pulpa überempfindlich und eine nekro-
tische Pulpa unempfindlich reagiert. Bei der thermischen Sensibilitäts-
prüfung kommt es aufgrund der schnellen Temperaturänderung zu ei-
ner Flüssigkeitsbewegung in den Dentinkanälchen und nachfolgender
Stimulation der A-Delta-Fasern.
Kältetest Für den Kältetest ist die Anwendung von Kohlensäureschnee
(–78,5 °C) oder Dichloridfluormethan (ca. –25 °C) üblich. Die Anwen-
dung von Kohlensäureschnee gilt als sicherste Methode.
Die Kälte soll möglichst an Stellen des Zahnes aufgebracht werden,
die der Pulpa nahe sind (s. Abb. 11.1). Bei korrekter, kurzzeitiger Appli-
kation ist nicht mit einer Schädigung der Pulpa oder der Zahnhartsub-
stanz zu rechnen. Nach Anwendung von Kohlensäureschnee für wenige
Fistelgänge
Ein Fistelgang ist das klinische Zeichen einer seit längerer Zeit bestehen-
den asymptomatischen Parodontitis apicalis. Zur Absicherung der Diag-
nose und zur Lokalisation des schuldigen Zahnes sowie zur differenzial-
diagnostischen Abgrenzung gegenüber rein parodontal bedingten oder
durch Wurzelfrakturen verursachten Fistelgängen sollte der Fistelver-
lauf radiologisch dargestellt werden. Hierzu wird ein Guttaperchastift
der ISO-Größe 30 oder 35 in den Fistelgang eingeführt und ein Röntgen-
bild angefertigt (s. Abb. 11.3).
mesial
distal exzentrisch
exzentrisch
a orthoradial
Z
Z Z P
B P P B P BPB
P B
B
P P
B B
B B B B
L L L
L B B L
Bei der Beurteilung von Röntgenbildern muss bedacht werden, dass die
Interpretation abhängig vom Betrachter und von den Umständen ist.
Die Interpretation variiert sowohl zwischen verschiedenen Betrachtern
1
2
3
4
5
M
B
D M
B
D
6
L L
Röntgen- Röntgen- 7
film film
MB D ML D
mesial ML distal mesial MB distal
8
Abb. 11.6: Freiprojektion der mesialen Wurzelkanäle beim Unterkiefermolaren durch exzentrische Projek-
tion (MB = mesiobukkaler Kanal; ML = mesiolingualer Kanal; D = distaler Kanal)
9
Intraoperativer Befund
Nach der Entfernung von insuffizienten Restaurationen und/oder der
Exkavation kariösen Dentins wird der Kavitätenboden sorgfältig inspi-
ziert. Ein geschlossener, harter, oft auch verfärbter Kavitätenboden
weist auf eine nicht infizierte Pulpa und eine reversible Pulpitis hin.
Reicht das kariöse, infizierte Dentin bis zur Pulpa, liegen i.d.R. eine In-
fektion der Pulpa und eine irreversible Pulpitis vor. Finden sich Risse
und Infrakturen des Dentins, können diese die Ursache einer Pulpitis
sein. Wenn ein Zugang zur Pulpa besteht und das Gewebe nekrotisch
oder eitrig ist, kann eine Wurzelkanalbehandlung i.d.R. nicht mehr um-
gangen werden.
! Die Erhaltung der vitalen Pulpa ist eines der wichtigsten Anliegen
der zahnärztlichen Therapie.
6
Wird die Pulpa durch ein Trauma freigelegt, sollte die Überkappung
möglichst rasch, maximal aber zwei Tage nach dem Trauma vorge-
nommen werden, da sonst mit einer Infektion des Pulpagewebes
gerechnet werden muss.
11.3.3 Vitalamputation
Eine Indikation für diese Maßnahme besteht bei einer nur partiellen
Pulpitis oder bei großflächig akzidentiell freigelegter Pulpa aufgrund
zahnärztlicher Maßnahmen oder einer komplizierten Kronenfraktur.
Bei permanenten Zähnen gilt die Vitalamputation nur dann als
Methode der Wahl, wenn das Wurzelwachstum des betroffenen Zahnes
nicht abgeschlossen ist. Durch die Vitalerhaltung der Wurzelpulpa sol-
len das Längen- und Dickenwachstum der Wurzel zum Abschluss kom-
men.
Die Kronenpulpa wird mit sterilen Instrumenten, vorzugsweise dia-
mantierten Schleifkörpern, im Bereich der Wurzelkanaleingänge ent-
fernt. Die Stillung der Blutung erfolgt mit physiologischer Kochsalzlö-
sung, und die weitere Versorgung der Amputationswunde wird im
Sinne der direkten Überkappung durchgeführt.
Die Prognose der Vitalamputation ist deutlich schlechter als die ei-
ner Wurzelkanalbehandlung im Sinne einer Vitalexstirpation. Deswe-
gen sollen in kurzen Zeitabständen (drei, sechs und zwölf Monate) kli-
nische und röntgenologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt
werden.
Das klinische Vorgehen in Stichworten:
Absolute Trockenlegung des Zahnes mit Kofferdam
Desinfektion des gesamten Arbeitsfeldes
Entfernung der Kronenpulpa mit sterilen Instrumenten
Stillung der Blutung mit physiologischer Kochsalzlösung
Weiteres Vorgehen wie bei der direkten Überkappung (s.o.)
Beide Zähne haben nur eine Wurzel und einen zumeist rundlich ovalen
Wurzelkanal. Die Wurzel des mittleren Schneidezahnes verläuft fast im-
mer gerade, während der seitliche Schneidezahn in mehr als der Hälfte
der Fälle eine Wurzelkrümmung nach distal bzw. palatinal aufweist (s.
Abb. 12.5 und 12.6).
durchschnittliche
Zahnlänge: 23 mm
Anzahl der Wurzeln: 1
Anzahl der Wurzelkanäle: 1
vesti-
bulär
oral
Abb. 12.5: Der mittlere obere Schneidezahn: Schnitt in mesio-distaler und oral-vestibulärer Richtung und in
okklusaler Ansicht mit Darstellung der Zugangskavität
durchschnittliche
Zahnlänge: 22 mm 1
Anzahl der Wurzeln: 1
Anzahl der Wurzelkanäle: 1
2
3
vesti-
bulär 4
durchschnittliche
Zahnlänge: 26 mm
Anzahl der Wurzeln: 1
Anzahl der Wurzelkanäle: 1
vesti-
bulär
mesial distal
vesti-
mesial distal oral oral
bulär
Der untere Eckzahn hat i.d.R. eine Wurzel und einen Wurzelkanal (s.
Abb. 12.9). In etwa 7% der Fälle finden sich in einer Wurzel zwei Kanäle
(meist Konfigurationstyp II) oder zwei eigenständige Wurzeln. Die Mor-
phologie des Zahnes entspricht insgesamt dem oberen Eckzahn, er ist
aber insgesamt kleiner dimensioniert.
durchschnittliche
Zahnlänge: 24 mm
Anzahl
vesti- der Wurzeln: 1 häufig
oral
bulär 2 sehr selten
Anzahl
der Wurzelkanäle: 1 häufig
2 selten
vesti-
vesti- bulär
mesial distal oral
bulär
mesial distal
oral
durchschnittliche Zahnlänge: 21 mm
Anzahl der Wurzeln:
durchschnittliche
2 häufig 1
1 weniger häufig
Zahnlänge: 213mm
sehr selten
Anzahl der Wurzeln: 2 häufig
Anzahl der Wurzelkanäle: 1 weniger
2 sehr häufig
1 selten
häufig 2
Anzahl der Wurzelkanäle: 2 sehr häufig
3 sehr selten
1 selten
vesti- 3
bulär
4
distal mesial
vesti-
distal mesial oral bulär 5
oral
6
Abb. 12.10: Der erste obere Prämolar
7
12.4.5 Der erste obere Prämolar
8
Der erste obere Prämolar kann eine (40%) oder zwei (60%) und in selte-
nen Fällen (etwa 4%) sogar drei Wurzeln haben (s. Abb. 12.10). Bei zwei- 9
wurzeligen Zähnen finden sich eine bukkale und eine palatinale Wur-
zel. Einwurzelige Zähne haben i.d.R. zwei Wurzelkanäle variabler Konfi-
guration. Die Wurzeln sind häufig gekrümmt. Die Wurzelspitzen
10
können bei mehrwurzeligen Zähnen sehr zierlich sein. Die bukkale
Wurzel hat oft eine stark konkave Form, was die Perforationsgefahr bei 11
der Wurzelkanalaufbereitung erhöht.
Bei dreiwurzeligen Prämolaren (s. Abb. 12.11) liegen 3 Wurzelkanäle 12
– mesio-bukkal, disto-bukkal und palatinal – vor. Der Zahn erscheint
wie ein kleiner oberer Molar (Molarisierung des Prämolaren). 13
Abb. 12.11: Oberer
erster Prämolar
14
mit drei Wurzeln
15
16
17
18
19
20
durchschnittliche
Zahnlänge: 21 mm
Anzahl der Wurzeln: 1 sehr häufig
2 selten
Anzahl der Wurzelkanäle: 1 häufig
2 selten
vesti-
vesti- bulär
oral
bulär
distal mesial
Der zweite obere Prämolar hat zu etwa 90% eine Wurzel und zu 30% in
dieser Wurzel zwei Kanäle variabler Konfiguration (s. Abb. 12.12). Bei
den meisten zweiwurzeligen Zähnen trennen sich die Wurzeln erst im
unteren Drittel. Die Grundform der Wurzel ähnelt der des ersten Prämo-
laren. Dreiwurzelige zweite obere Prämolaren kommen in weniger als
1% der Fälle vor.
Beide untere Prämolaren haben fast immer nur eine Wurzel (s. Abb.
12.13). Der erste Prämolar weist zu 25% mehr als einen Wurzelkanal
auf, der zweite nur in seltenen Fällen. Wenn zwei Kanäle vorliegen, fin-
den sie sich bukkal und lingual. Nicht selten teilt sich der Hauptkanal
im mittleren oder apikalen Wurzeldrittel in zwei mitunter sogar drei
Wurzelkanäle auf (s. Abb. 12.14). Bei der Präparation der Zugangskavität
muss in besonderem Maß auf die Kronenflucht geachtet werden.
durchschnittliche
Zahnlänge:
Anzahl der Wurzeln:
21,5 mm
1 sehr häufig
1
2 selten
Anzahl der Wurzelkanäle: 1 häufig
2 selten 2
3
vesti-
distal mesial oral
bulär
4
vesti- oral
bulär vesti-
bulär 5
mesial distal 6
oral
7
Abb. 12.13: Der erste und zweite untere Prämolar 8
9
10
11
12
a b
13
Abb. 12.14: a) Unterer erster Prämolar mit zwei Wurzelkanälen. Zu beachten ist, dass am Zahn 35 der Wur-
zelkanal bis zum mittleren Drittel gut röntgenologisch dargestellt ist, dann aber anscheinend verschwin- 14
det. Dies ist immer ein Zeichen für eine Aufteilung des Hauptkanals in zwei oder drei Kanäle. b) Tiefe Bifur-
kation am Zahn 44 mit Teilung des Hauptkanals in zwei Kanäle
15
12.4.8 Der erste und zweite obere Molar
16
Die ersten und zweiten oberen Molaren haben i.d.R. drei Wurzeln, die
mesio-bukkal, disto-bukkal und palatinal lokalisiert sind (s. Abb. 12.15
und 12.16). Beim zweiten Molaren finden sich zu 20% zweiwurzelige
17
Zähne. Die mesio-bukkale Wurzel hat eine abgeplattete Form, die bei-
den anderen Wurzeln eine rundlich-ovale Form. Die mesio-bukkale 18
Wurzel ist meist nach distal gekrümmt, die palatinale Wurzel kann
nach bukkal gekrümmt sein, und die distale Wurzel ist i.d.R. gerade. 19
Der erste obere Molar weist in 40–90% der Fälle einen zweiten Wur-
zelkanal in der mesio-bukkalen Wurzel auf (s. Abb. 12.17). Etwa gleich 20
häufig konfluieren die mesio-bukkalen Kanäle im apikalen Abschnitt
durchschnittliche
Zahnlänge: 21 mm
Anzahl der Wurzeln: 3
Anzahl der Wurzelkanäle: 3 häufig
4 sehr häufig
vestibulär
oral
Schnitt Schnitt Eröffnungskavität
mesio-distal oral-vestibulär
durchschnittliche
Zahnlänge: 21 mm
Anzahl der Wurzeln: 3 häufig
2 weniger häufig
Anzahl der Wurzelkanäle: 3 sehr häufig
4 weniger häufig
vestibulär
vesti- oral
bulär
distal mesial
distal mesial
oral
Schnitt Schnitt Eröffnungskavität
mesio-distal oral-vestibulär
durchschnittliche
Zahnlänge: 21 mm
Anzahl der Wurzeln: 2 sehr häufig
3 selten
Anzahl der Wurzelkanäle: 3 häufig
2 selten
4 selten
distal mesial
vestibulär
vesti-
oral
bulär
mesial distal
oral
Schnitt Schnitt Eröffnungskavität
mesio-distal oral-vestibulär
Abb. 12.19: Der erste untere Molar
durchschnittliche
Zahnlänge: 21 mm
Anzahl der Wurzeln: 2 sehr häufig
1 selten
3 sehr selten
Anzahl der Wurzelkanäle: 3 häufig
2 selten
distal mesial
vestibulär
vesti- oral
bulär
mesial distal
oral
Schnitt Schnitt Eröffnungskavität
mesio-distal oral-vestibulär
13 Die Wurzelkanalbehandlung
1
2
3
13.1 Behandlungsplanung 4
5
! Eine Wurzelkanalbehandlung umfasst die chemomechanische
Aufbereitung und Füllung des Wurzelkanalsystems nach sachge-
rechter Vorbereitung. Der prinzipielle Ablauf einer Wurzelkanal-
behandlung ist in der Tabelle 13.1 dargestellt.
6
13.2.2 Kofferdam 14
Bei der Wurzelkanalbehandlung ist das Anlegen von Kofferdam ob- 15
ligatorisch. Die Anwendung von Kofferdam erhöht die Erfolgsrate
einer Wurzelkanalbehandlung. 16
In der Regel muss nur der zu behandelnde Zahn mit Kofferdam isoliert
werden. Der Zeitaufwand für diese Maßnahme ist sehr gering, die Effek-
17
tivität sehr hoch.
Kofferdam bietet folgende Vorteile: Vorteile 18
Schutz des Patienten vor Verschlucken oder Aspiration der Wurzel-
kanalinstrumente 19
Schutz des Behandlers vor infektiösen Erkrankungen (Hepatitis,
AIDS, COVID-19) des Patienten 20
überlanger Rosenbohrer
Battbohrer
1
2
3
4
5
a b 6
Abb. 13.3: Präparation der Zugangskavität bei Frontzähnen: a) Eröffnung der Kavi-
tät bis tief in das Dentin mit einem kugelförmigen Diamanten, b) Eröffnung der
Pulpakammer und Abtragung des Pulpakammerdachs von innen nach außen mit
7
einem Rosenbohrer
8
9
10
11
12
a b c
13
Abb. 13.4: Präparation der Zugangskavität bei Seitenzähnen: a) Eröffnung der Ka-
vität bis tief in das Dentin mit einem kugelförmigen oder zylindrischen Diaman-
ten, b) Eröffnung der Pulpakammer und Abtragung des Pulpakammerdachs von 14
innen nach außen mit einem Rosenbohrer, c) Formgebung der Kavität unter Scho-
nung des Pulpakammerbodens mit einem Battbohrer
15
Das Pulpakammerdach wird dann mit einem Rosenbohrer eröff-
net. Bei besonders tiefen Kavitäten ist die Verwendung von überlangen 16
Rosenbohrern sinnvoll. Das Pulpakammerdach wird von innen nach
außen abgetragen, um einen vollständigen Abtrag zu gewährleisten und
insbesondere das Zurücklassen von Überhängen zu vermeiden (s. Abb.
17
13.3b und 13.4b).
Zur endgültigen Gestaltung der Zugangskavität sind Battbohrer Gestaltung 18
mit unbelegter, nicht schneidender Spitze empfehlenswert, weil so eine
Beschädigung des Pulpakammerbodens vermieden werden kann (s. 19
Abb. 13.4c).
20
Eine Beschädigung des Pulpakammerbodens soll vermieden werden.
a b c
Abb. 13.5: Typische Fehler bei der Trepanation eines Zahnes: a) Nichtbeachtung der Zahnachse, b) Perfora-
tion des Pulpakammerbodens im Bereich der Furkation, c) falsche Einschätzung der Zahnachse bei über-
kronten Zähnen
Abb. 13.7: Darstellung des ersten und zweiten mesio-bukkalen Kanals eines obe-
ren Molaren mithilfe des Operationsmikroskops vor und nach der Entfernung von
Dentinspänen
Trepanation der Die Trepanation der Schneide- und Eckzähne erfolgt immer von der
Schneide- und oralen Seite her, vom Tuberkulum ausgehend nach inzisal bei Erhal-
Eckzähne tung der Schneidekante. Es ist besonders darauf zu achten, dass das ge-
samte Pulpadach entfernt und die Kronenpulpa gründlich ausgeräumt
wird, da verbleibendes Gewebe zu kosmetisch unerwünschten Verfär-
bungen der Zahnkrone führen kann.
Trepanation der Die Trepanation der Seitenzähne erfolgt immer von okklusal. Bei den
Seitenzähne Prämolaren, die i.d.R. zwei Wurzelkanäle haben, wird die Zugangskavität
in vestibulär-oraler Richtung bis kurz vor die Höckerspitzen ausgedehnt.
Erste untere Beim ersten unteren Prämolaren ist besonders darauf zu achten, dass der
Prämolaren zierliche linguale Höcker nicht zu sehr geschwächt wird.
Das Zentrum der Zugangskavität befindet sich bei oberen Molaren Obere Molaren
im mesialen Anteil der okklusalen Fläche. Die Kavität wird distal 1
durch die Crista transversa und mesial durch den Randwulst begrenzt.
Der Eingang zum mesio-bukkalen Kanal (ein oder zwei Kanäle) fin- Eingang zum 2
det sich i.d.R. sehr weit mesio-bukkal lokalisiert, der Eingang des palati- mesio-bukkalen
nalen Kanals findet sich etwas unterhalb des großen mesio-palatinalen Kanal
Höckers, der Eingang des distalen Kanals etwas versetzt nach bukkal vor
3
der Crista transversa. Bei falscher Präparation der Zugangskavität (zu
weit distal) kann es passieren, dass der distale Kanaleingang für den me- 4
sio-bukkalen Kanaleingang gehalten und dann die Zahnkrone distal
perforiert wird. 5
In schwierigen Fällen kann es sinnvoll sein, für einen besseren direk-
ten Einblick den mesio-bukkalen Höcker zu kürzen.
Die Kanaleingänge der unteren Molaren liegen im mesialen und Kanaleingänge
6
zentralen Teil der Krone. Um beide mesialen Kanäle darstellen zu kön- der unteren
nen, muss die Kavität mesial vor allem nach bukkal erweitert werden, Molaren 7
sodass die Form eines Dreiecks mit der Basis nach mesial und der Spitze
nach distal entsteht. 8
Der distale Anteil darf nicht spitz, sondern muss abgerundet sein, da
sonst ein manchmal vorkommender zweiter distaler Kanal übersehen 9
wird.
Auch bei den unteren Molaren kann es hilfreich sein, den mesio-
bukkalen Höcker zur Verbesserung der Sichtverhältnisse zu kürzen.
10
11
13.4 Sondierung des Wurzelkanalsystems und
Bestimmung der Arbeitslänge 12
Ein erfahrener Behandler kann durch Austasten auch eine Teilung des
Kanals im Sinne des Konfigurationstyps IV feststellen.
Instrumente Die Größe des zur Sondierung ausgewählten Instruments (Reamer
oder K-Feile) hängt von der Anatomie des betreffenden Zahnes ab.
Grundsätzlich sollten zunächst ISO-genormte Edelstahl-Handinstru-
mente zur Sondierung verwendet werden. Bei Wurzelkanälen mit rela-
tiv weitem Lumen erfolgt die Sondierung mit einem Instrument der
Größe 15, bei engen oder gekrümmten Kanälen werden Instrumente
der Größe 08 oder 10 gewählt.
Bei sehr engen oder partiell kalzifizierten Wurzelkanälen sind zur Son-
dierung sogenannte Pilot-Instrumente empfehlenswert. Diese sind ther-
misch gehärtet und weisen daher eine höhere Biegefestigkeit an der Spitze
auf. Dadurch verbiegt die Instrumentenspitze bei kalzifizierten Kanalein-
gängen nicht so leicht wie bei herkömmlichen Edelstahlinstrumenten.
Zudem besitzen die Pilot-Instrumente eine modifizierte, mehr torpedoför-
mige Spitze, was ebenfalls das Eindringen in enge Kanäle erleichtert.
Die Sondierung soll im gekrümmten Wurzelkanal immer mit einem
vorgebogenen Instrument erfolgen. So können Unregelmäßigkeiten
und Einengungen umgangen werden und es wird vermieden, dass
schon bei der ersten Sondierung eine später nicht mehr zu überwin-
dende Stufe erzeugt wird.
Vorgehen Das Instrument wird ohne Druck mit vorsichtigen, alternierenden
Rotationsbewegungen (watch-winding-motion) von maximal 90° bis
in die Nähe des Apex eingeführt. Ein Herausschieben des Instruments
über den physiologischen Apex (Überinstrumentierung) ist unbedingt
zu vermeiden. Daher sollte die initiale Sondierung des Wurzelkanals un-
ter endometrischer Kontrolle erfolgen.
Die Konstruktion dieser Geräte beruht auf der Erkenntnis, dass der elek-
trische Widerstand zwischen Mundschleimhaut und Desmodont unab-
hängig von Zahntyp und Alter des Patienten immer konstant ist. Wenn
basiert. Es wird letztlich der Punkt bestimmt, an dem sich der Kanaldurch-
messer erweitert und ein Stromfluss in alle Richtungen möglich wird.
Die Endometriegeräte der neuesten Generation weisen eine Messge-
nauigkeit von 90 bis nahezu 100% bei der Lokalisation des Apex auf. Ein
systematisches Review basierend auf 21 Studien belegt, dass die endome-
trische Bestimmung der Arbeitslänge der röntgenologischen überlegen
ist. Ebenso ist die Endometrie zur Vermeidung von Überinstrumentie-
rungen dem Röntgenbild überlegen. Weiterhin hat einer Metaanalyse
zufolge der Pulpastatus (vital versus nekrotisch) keinen signifikanten
Einfluss auf die endometrische Messgenauigkeit.
Arbeits-
länge
Zahn-
länge
4
5
6
Beurteilung Findet sich die Spitze des Instruments 1 mm vor dem röntgenologi-
schen Apex, ist die Arbeitslänge gefunden. Bei einer Abweichung von
bis zu 3 mm kann die Länge korrigiert werden; bei Abweichungen von
mehr als 3 mm soll zur Sicherheit eine zweite Messaufnahme angefertigt
werden.
Da auch bei orthoradialer Projektion besonders bei gekrümmten
Wurzeln noch mit einem Projektionsfehler zu rechnen ist, wird vielfach
empfohlen, zur Sicherheit bei der endgültigen Festlegung der Arbeits-
länge noch einmal 0,5 mm abzuziehen.
10
13.5.1 Handinstrumente
11
Normierung
Nahezu alle Handinstrumente sind in ihren Dimensionen und ihrer 12
geometrischen Form durch die Vorgaben der ISO-Norm 3630-1 ge-
normt. Es handelt sich also im Gegensatz zu den maschinell angetriebe- 13
nen Wurzelkanalinstrumenten um ISO-genormte Instrumente. Die
Größenangabe für ein Instrument bezieht sich auf den Durchmesser in
Hundertstel Millimeter des verlängerten Kegels an der Instrumenten-
14
spitze (D1-Wert).
Der Durchmesser nimmt bei jedem Instrument kontinuierlich von Durchmesser 15
der Spitze (D1) zum Ende des Arbeitsteils (D2) um 0,02 mm pro Millime-
16
17
18
19
a b
5–15 mm
ter, also insgesamt um 0,32 mm, zu. Ein Instrument mit der Größe 15
hat also bei D1 einen Durchmesser von 0,15 mm und bei D2 von
0,47 mm (s. Abb. 13.13).
Konizität Die Konizität der Instrumente nach ISO-Norm beträgt immer 2%.
Nur sehr vereinzelt sind Handinstrumente mit abweichender Konizität
zu finden.
Länge des Ein Handinstrument besteht aus Griff, Schaft und Arbeitsteil. Die
Arbeitsteils Länge des Arbeitsteils beträgt immer 16 mm.
Schaft Der Schaft ist variabel zwischen 5 und 15 mm lang, woraus sich In-
strumentenlängen von 21, 25, 28 und 31 mm ergeben. Kurze Instru-
mente sind gut geeignet zur Behandlung von Molaren, besonders lange
Instrumente werden zur Behandlung von Eckzähnen gebraucht.
Die Griffe sind entsprechend der ISO-Größe farbig markiert und zu-
sätzlich mit der Größennummer versehen. Einige Hersteller markieren
den Kopf der Griffe mit einem Symbol in dreieckiger, quadratischer
oder runder Form, was die Instrumententypen Reamer, K-Feile und
Hedström-Feile kennzeichnet (s. Abb. 13.14).
Handgriffe Die Handgriffe sind von ISO-Größe 15–40 systematisch mit den Far-
ben Weiß, Gelb, Rot, Blau, Grün und Schwarz gekennzeichnet. Die Un-
tergrößen 6, 8 und 10 sind Rosa, Grau und Violett gekennzeichnet. Zwi-
schen den ISO-Größen 10 und 60 beträgt der Zuwachs des Instrumen-
tendurchmessers an der Spitze jeweils 0,05 mm, ab ISO-Größe 60 jeweils
0,10 mm. Von einigen Herstellern sind Reamer und Feilen auch in Zwi-
schengrößen (Gr. 12, 17, 22 usw.) erhältlich. Die Form der Handgriffe
unterscheidet sich geringfügig zwischen den verschiedenen Herstellern,
wobei ergonomische Gesichtspunkte eine Rolle spielen.
Standardinstrumente
Exstirpations- Exstirpationsnadeln sind mit kleinen Haken versehene Instrumente,
nadeln die dazu dienen sollen, die Pulpa in einem Arbeitsgang aus dem Wurzel-
kanal zu exstirpieren. Die Pulpa wird bei Verwendung dieses Instru-
ments abgerissen und nicht abgeschnitten, was als Nachteil betrachtet
werden kann.
Reamer Reamer
oder K-Feile oder K-Feile
mit mit
quadratischem dreieckigem
Querschnitt Querschnitt
Merkmale
Charakteristisch sind für jedes Instrument Querschnitt, Spanraum und
Kern (s. Abb. 13.15) sowie der Schneidekantenwinkel (s. Abb. 13.14).
Querschnitt Schneidleistung, Bruchsicherheit und Flexibilität eines Instru-
ments werden vom Querschnitt beeinflusst. Dreikantige Instrumente
schneiden i.d.R. besser und sind flexibler, vierkantige Instrumente sind
bruchsicherer.
Spanraum Die Größe des Spanraums entscheidet, wie viel Material aus dem
Wurzelkanal heraustransportiert werden kann. Einen großen Spanraum
weisen Instrumente mit einem dreieckigen Querschnitt und Hedström-
Feilen auf.
Kern Die Größe des Kerns beeinflusst neben der Qualität der verwendeten
Legierung die Flexibilität und Bruchsicherheit der Instrumente. Den
kleinsten Kern weisen Hedström-Feilen auf, wodurch bei den kleinen
Größen dieser Instrumente eine erhöhte Bruchgefahr gegeben ist.
Schneidekanten- Schneid- oder Schabwirkung werden vom Schneidekantenwinkel
winkel bestimmt. Instrumente, deren Schneidekantenwinkel unter 45° liegt, er-
fordern eine drehende Arbeitskomponente, um effizient Material abtra-
gen zu können, jene mit einem Schneidekantenwinkel oberhalb indes
eine linear feilende Arbeitsweise. Daher sind Reamer und K-Feilen In-
strumente, die drehend-schabend, und Hedström-Feilen Instrumente,
die feilend (ziehend-schabend) eingesetzt werden sollten.
Maschinelle Nickel-Titan-Systeme
In letzter Zeit wurden viele verschiedene Instrumente und Systeme auf Konstruktions- 1
Nickel-Titan-Basis für die maschinelle Aufbereitung eingeführt. Wich- merkmale
tige Konstruktionsmerkmale sind: 2
Variierende Konizitäten:
Während die Konizität der Instrumente nach ISO-Norm immer 2%
über 16 mm Länge beträgt, werden neu entwickelte NiTi-Instru-
3
mente mit Konizitäten von 2, 4 und 6% oder sogar 12 und 20% an-
geboten. Neuere Systeme verfügen über Instrumente mit variieren- 4
den Konizitäten innerhalb eines Instruments (s. Abb. 13.17). Die Fle-
xibilität der Instrumente mit großen Konizitäten ist aber 5
eingeschränkt. Deshalb sollen Instrumente ab einer Konizität von
6% in stark gekrümmten Kanälen nicht jenseits der Krümmung ein-
gesetzt werden, um Instrumentenfrakturen und Kanalverlagerungen
6
zu vermeiden. Optimale Flexibilität besteht bei einer Konizität von
2%. 7
Nicht schneidende Instrumentenspitzen (Battspitze):
Die Ausformung der abgerundeten Spitze bewirkt, dass die Instru- 8
mente besser im Wurzelkanal zentriert bleiben. Hierdurch werden
Häufigkeit und Ausmaß einer Kanalbegradigung sowie das Risiko 9
von Perforationen reduziert (s. Abb. 13.16).
Variierende Länge des Arbeitsteils:
Einige Systeme verfügen über separate Instrumente für die Aufberei-
10
tung des koronalen, mittleren und apikalen Kanalanteils. Zur Redu-
zierung der einwirkenden Kraft haben Instrumente mit sehr großen 11
Konizitäten zur Erweiterung des koronalen Kanalanteils ein stark
verkürztes Arbeitsteil. Zur Aufbereitung der tieferen Kanalteile 12
nimmt die Konizität der Instrumente ab und die Länge des Arbeits-
teils zu. 13
Besondere Schneidengeometrie:
Nicht schneidende Instrumente haben breite seitliche Führungsflä-
chen (radial lands) und dazwischen u-förmige Gruben auf den Au-
14
ßenflächen (s. Abb. 13.18a). Die breiten seitlichen Führungsflächen
sollen eine besonders gute Zentrierung bewirken und eine Begradi- 15
gung des Wurzelkanals verhindern. Schneidende Instrumente ha-
ben keine seitlichen Führungsflächen und der Querschnitt ähnelt ei- 16
nem Dreikant mit konvexen Außenflächen oder ist einfach bzw.
mehrfach s-förmig. Sie verfügen auch über eine gute Zentrierung im
Wurzelkanal und bewirken keine nennenswerte Begradigung. Die
17
schneidenden Instrumente werden auch als aktiv, die nicht schnei-
denden als passiv bezeichnet (s. Abb. 13.18b). Bei Instrumenten mit 18
breiten seitlichen Führungsflächen besteht eine große Kontaktflä-
che zum Dentin der Wurzelkanalwand. Dadurch ist die Friktion er- 19
höht und die Frakturgefahr steigt. Zudem ist der Kerndurchmesser
dieser Instrumente kleiner als bei den Instrumenten mit aktiven 20
Schneidekanten, wodurch die Frakturgefahr zusätzlich erhöht ist.
Konizität 2% 4% 6% progressiv
Abb. 13.17: Die Konizität der Instrumente nach ISO-Norm beträgt immer 2%. Neu
entwickelte Instrumente werden mit Konizitäten von 4% und 6% oder sogar 12%
und 20% sowie progressiver Konizität innerhalb jedes einzelnen Instruments an-
geboten.
Einschraubender Effekt:
Besonders bei aktiven Instrumenten mit konstanter Konizität, Wen-
delung und Schneidekantenwinkel besteht die Gefahr eines Ein-
schraubens in die Kanäle. Dieser Effekt konnte bei neueren Instru-
menten durch alternierende Schneidekanten, Modifikationen der
Schneidekantenwinkel und der Wendelung sowie variable Konizitä-
ten vermindert werden.
Exzentrischer Querschnitt:
Neuere maschinell eingesetzte Instrumente weisen einen exzentri-
schen Querschnitt auf (s. Abb. 13.19), d.h., der Rotationsmittel-
punkt des Instrumentes liegt nicht in der Mitte des Wurzelkanals.
Dadurch vollführt das Instrument bei der Rotation eine Art „schlän-
gelnde“ Arbeitsbewegung. Hierdurch wird der Spanraum erhöht, der
Einschraubeffekt reduziert und die Belastung des Instruments bei
der Aufbereitung reduziert.
a b c
Ausgehend vom Zustand der Pulpa, kann man zwischen der Pulpekto-
mie der vitalen Pulpa (Vitalexstirpation) und der nicht vitalen Pulpa un-
terscheiden. Der Zustand der Pulpa hat aber prinzipiell keinen Einfluss
auf die Vorgehensweise bei der Aufbereitung.
Ziele Die Ziele der Wurzelkanalaufbereitung sind :
Vollständige Entfernung von vitalem und nekrotischem Pulpage-
webe
Mechanische Entfernung von Mikroorganismen aus dem Wurzelka-
nal und der Wurzelkanalwand (im Fall einer intrakanalären Infek-
tion)
Erhöhung der desinfizierenden Wirkung von Spüllösungen durch
Vergrößerung des Wurzelkanallumens
Formgebung des Wurzelkanals zur Ermöglichung der vollständigen
Obturation des Wurzelkanalsystems
Apikal-koronale Techniken
Standardisierte Bei der standardisierten Technik wird der Wurzelkanal auf volle Arbeits-
Technik länge mit Instrumenten aufsteigender Größe bearbeitet. Die Technik
wird mit Reamern oder K-Feilen durchgeführt, welche in drehend-scha-
bender Arbeitsweise eingesetzt werden. Mitunter wird die ergänzende
Anwendung von Hedström-Feilen empfohlen.
Ein dünner Reamer oder eine dünne K-Feile wird in den Kanal ein-
geführt, unter Beachtung der Arbeitslänge eine Viertel- bis eine halbe
Umdrehung rotiert, wieder aus dem Kanal entfernt und gereinigt. Die-
ser Arbeitsvorgang wird wiederholt, bis das Instrument widerstandslos
bis zur Arbeitslänge eingeführt werden kann. Mit Instrumenten aufstei-
gender Größe wird der Vorgang wiederholt, bis die gewünschte Kanal-
größe erreicht ist.
Häufig wird empfohlen, ergänzend Hedström-Feilen gleicher Größe
zu benutzen. Bei der Anwendung von Feilen ist sicherzustellen, dass es
nicht zur Ansammlung von Spänen im apikalen Drittel des Kanals und
damit zu einer Verbolzung des Weges kommt. Dies kann durch die sog.
Rekapitulation verhindert werden. Hierbei wird ein Reamer oder eine
K-Feile der ISO-Grüße 10 oder 15 in den Kanal eingeführt, um die Späne
nach oben zu transportieren.
1
2
3
4
5
Trichter Isthmus apikale laterale Stufe
(Zip) (Elbow) Perforation Perforation
6
Abb. 13.20: Charakteristische Präparationsfehler bei der Aufbereitung gekrümmter Wurzelkanäle
kann. Durch zirkumferentes Feilen kann nun auch die gesamte Kanal-
wand von Wurzelkanälen mit unregelmäßigem Querschnitt bearbeitet
werden (s. Abb. 13.22).
Grundsätzlich sollte die Circumferential-filing-Technik nur in gera-
den, nicht gekrümmten Wurzelkanälen eingesetzt werden. Bis zu wel-
cher Instrumentengröße aufbereitet wird, hängt von den anatomischen
Verhältnissen und der geplanten Wurzelkanalfülltechnik ab.
4
5
Gefahren-
zone
Sicherheits-
bereich
6
7
8
Eine konische Kanalform des apikalen Wurzelkanaldrittels, welche
die Anfertigung einer exakten Wurzelkanalfüllung erleichtert, kann 9
mit der Step-back-Technik erreicht werden. Da die Step-back-Tech-
nik aber nur das apikale Wurzelkanaldrittel betrifft, gilt sie weniger
als eigenständige Aufbereitungstechnik, sondern ist Bestandteil ver-
10
schiedener apikal-koronaler und auch koronal-apikaler Methoden.
11
Als Instrumente der Wahl gelten Reamer oder K-Feilen, die in drehend-
schabender Arbeitsweise eingesetzt werden. Nach der Aufbereitung des 12
apikalen Kanalabschnitts um drei bis fünf Größen nach dem ersten
klemmenden Instrument werden die folgenden Instrumente nicht 13
mehr auf volle Arbeitslänge eingeführt, sondern die Länge wird sukzes-
siv verkürzt. Je nach Weite des Wurzelkanals erfolgen so drei bis fünf
Schritte mit zunehmend verkürzter Arbeitslänge. Während kleine
14
Schritte von je 0,5 mm bei geraden Kanälen angebracht sind, werden
bei gekrümmten Kanälen Schritte von je 1 mm bevorzugt (s. Abb. 15
13.24).
16
Abb. 13.24: Konische Wur-
zelkanalaufbereitung mit
der Step-back-Technik 17
18
19
20
Koronal-apikale Techniken
Vorteile Zu den bekanntesten koronal-apikalen Methoden zählen die Step-
down-, Double-flare- und Crown-down-pressureless-Techniken. Die Be-
schreibung dieser Methoden erfolgt hier nur in stark verkürzter Form.
Step-down- Bei der Step-down-Technik (s. Abb. 13.25) wird nach Überprüfung
Technik der Durchgängigkeit des Kanals der koronale gerade Anteil des Wurzel-
kanals mit Hedström-Feilen der ISO-Größen 15, 20 und 25 bis zu einer
Tiefe von etwa 16–18 mm oder bis an den Anfang der Wurzelkanal-
krümmung zirkumferent feilend erweitert. Danach kann der erweiterte
Anteil des Wurzelkanals mit Gates-Glidden-Bohrern der Größen 1–2
geglättet werden. Erst jetzt wird die Arbeitslänge bestimmt und mit der
Step-back-Technik der apikale Anteil des Wurzelkanals aufbereitet.
1
2
3
4
5
6
I II III IV V
Abb. 13.25: Arbeitsschritte bei der Wurzelkanalaufbereitung entsprechend einer koronal-apikalen Methode 7
(Step-down-Technik): I. Erweiterung des Wurzelkanals mit Handinstrumenten um wenige Größen bis zum
Anfang der Krümmung, II. Konische Präparation des erweiterten Anteils mit Gates-Glidden-Bohrern,
III. Aufbereitung des apikalen Drittels, IV. Step-back-Präparation des apikalen Drittels, V. präparierter Wur-
zelkanal
8
9
Bei der Crown-down-pressureless-Technik erfolgt die komplette Crown-down-
Instrumentierung in koronal-apikaler Richtung mit K-Feilen. Zunächst pressureless-
wird bis zu einer Länge von etwa 16 mm ein Instrument der ISO-Größe Technik
10
35 eingeführt. Ist dies nicht möglich, muss die Durchgängigkeit mit
kleineren Instrumenten bis zu dieser Länge hergestellt werden. An- 11
schließend wird der Wurzelkanal mit abnehmenden Instrumentengrö-
ßen bis zu einer provisorisch festgelegten Arbeitslänge etwa 3 mm vor 12
dem röntgenologischen Apex aufbereitet. Hierzu erfolgen mit den Fei-
len ohne apikalen Druck jeweils maximal zwei Rotationsbewegungen. 13
Nach Erreichen der provisorischen Arbeitslänge wird die tatsächliche
Arbeitslänge bestimmt und, ausgehend von Instrumenten zunehmen-
der ISO-Größe (40, 45, 50), werden die Arbeitsvorgänge wiederholt.
14
Bei der Double-flared-Technik erfolgt die Aufbereitung des Wurzel- Double-flared-
kanals ebenfalls mit K-Feilen. Zuerst wird ein feines Instrument ohne Technik 15
feilende Bewegungen eingeführt und die Arbeitslänge bestimmt. Dann
wird eine Feile, die locker im Wurzelkanal liegen soll, bis zu einer Länge 16
von etwa 14 mm oder bis kurz vor der beginnenden Kanalkrümmung
eingeführt. Mit den Instrumenten werden nur feilende Bewegungen
ausgeführt. Folgend werden immer kleinere Instrumente jeweils 1 mm
17
tiefer eingebracht, bis die Arbeitslänge erreicht ist. Abschließend erfolgt
die endgültige Formgebung mit der Step-back-Technik. 18
Nicht geeignet ist diese Methode für weite Wurzelkanäle und Zähne 19
mit weit offenem Foramen apicale.
20
Kombinierte Wurzelkanalaufbereitungstechnik
Aus den kurz beschriebenen Aufbereitungstechniken wird nachfolgend
eine kombinierte Technik zur Aufbereitung gekrümmter Wurzelkanäle
ausführlicher beschrieben, da diese Technik die Vorteile der apikal-ko-
ronalen und der koronal-apikalen Techniken miteinander vereint.
Initialfeile Das erste Instrument, das bis zur vorher bestimmten Arbeitslänge
eingebracht wird und dort klemmt, wird als Initialfeile (initiale apikale
Feile) bezeichnet. Je nach Durchmesser des Wurzelkanals kann es sich
dabei z.B. um ein Instrument der ISO-Größe 15 oder bei sehr weiten Ka-
nälen um ein Instrument der ISO-Größe 35 handeln.
Koronale Zunächst erfolgt analog zur Step-down-Technik eine konische Er-
Erweiterung weiterung des koronalen geraden Kanalabschnitts bis kurz vor den Be-
ginn der Krümmung. Dazu werden Hedström-Feilen der ISO-Grüßen 15
bis 30 zirkumferent feilend eingesetzt.
Um besonders bei gekrümmten Kanälen eine Verbolzung mit Spä-
nen in Apexnähe zu vermeiden, sind eine häufige Rekapitulation mit
dünnen Reamern oder K-Feilen sowie eine regelmäßige Spülung des Ka-
nals erforderlich.
Apikale Nachdem der gerade Kanalabschnitt konisch erweitert wurde, kann
Präparation nun der apikale gekrümmte Kanalabschnitt mit einer flexiblen K-Feile
aus Edelstahl oder Nickel-Titan mit nicht schneidender Spitze gemäß
der Balanced-force-Technik präpariert werden.
Von der initialen apikalen Feile ausgehend, erfolgt die Erweiterung
des Kanals um drei bis fünf Größen. Um eine dichte Füllung des Wur-
zelkanals zu ermöglichen, soll der apikale Anteil des Wurzelkanals i.d.R.
zumindest bis zur ISO-Größe 30 oder 35 aufbereitet werden.
Das zuletzt auf volle Arbeitslänge eingebrachte Instrument wird als
apikale Masterfeile (gebräuchliche Abkürzungen: AMF, MAF oder MAI)
bezeichnet.
Spülung Nach dem letzten Aufbereitungsschritt wird der Wurzelkanal noch ein-
mal großvolumig (5 ml) mit Natriumhypochlorit gespült.
Trocknung Die Trocknung des Kanals erfolgt mit genormten und auf die Ar-
beitslänge eingestellten sterilen Papierspitzen. Die Papierspitzen werden
entsprechend der Längenmarkierung ohne Druck in den Kanal einge-
führt. Durch genaue visuelle Prüfung der Papierspitzen muss sicherge-
stellt werden, dass der Kanal völlig trocken ist.
Anschließend erfolgt entweder eine medikamentöse Einlage oder
die definitive Wurzelkanalfüllung.
Crown-down-Technik
Bei dieser Technik wird der Wurzelkanal mit Instrumenten mit unter-
schiedlichen Konizitäten von koronal nach apikal erweitert (s. Tab.13.2).
Für jedes System wird vom Hersteller eine Instrumentensequenz für ver-
schiedene Kanaltypen (weite Kanäle, gekrümmte Kanäle) vorgegeben,
die zwingend einzuhalten ist. Zunächst wird der koronale Kanalab-
schnitt mit dickeren Instrumenten mit stärkeren Konizitäten erweitert.
Danach werden Instrumente mit abnehmendem Durchmesser und Ko-
nizität eingesetzt, die jeweils immer etwas tiefer in den Kanal von koro-
nal nach apikal eindringen. Gewöhnlich wird die Arbeitslänge erst mit
dem dritten oder vierten Instrument erreicht. Erst danach erfolgt dann
eine Erweiterung des apikalen Kanalabschnitts mit Instrumenten mit ge-
ringster Konizität, die jetzt alle auf volle Arbeitslänge eingesetzt werden.
Vorteile der Crown-down-Technik sind:
Durch die frühe Erweiterung des koronalen Anteils des Wurzelka-
nals kann eine Verschleppung von Mikroorganismen oder Debris in
apikaler Richtung weitgehend vermieden werden. Auch die Extru-
sion von Kanalinhalt in das periapikale Gewebe ist verringert.
Die frühe koronale Erweiterung des Kanals ermöglicht eine bessere
Penetration von Spüllösungen. Dadurch wird eine Verbolzung des
Wurzelkanals weniger wahrscheinlich.
Die frühe koronale Erweiterung verkürzt die gesamte Wurzelkanal-
länge. Hierdurch können Fehler bei der Abschätzung der Arbeits-
länge reduziert werden und es wird eine effektivere apikale Kontrolle
der Wurzelkanalinstrumente ermöglicht.
Reduzierte mechanische Belastung der Instrumente.
Lösen
Schneiden
Nachteile der Den Vorteilen steht auch ein relevanter Nachteil der Einfeilen-Systeme
Einfeilen-Systeme gegenüber, der bei der klinischen Anwendung Berücksichtigung finden
sollte:
Eine zusätzliche Gabe von Antibiotika ist nicht obligatorisch und nur
bei Anzeichen oder Gefahr einer sekundären Infektion angezeigt. Ein
engmaschiges Recall bis zur vollständigen Rückbildung der Symptoma-
tik sollte durchgeführt werden.
nung mit Papierspitzen nicht möglich ist, da immer wieder Exsudat auf-
steigt, muss eine temporäre Einlage vorgenommen werden. Hier emp-
fiehlt sich wiederum das Einbringen eines Kalziumhydroxidpräparats.
13.12 Wurzelkanalfüllung
13.12.1 Wurzelkanalfüllmaterialien
Ein ideales Füllmaterial für Wurzelkanäle soll die in der Tabelle 13.4 be-
schriebenen Anforderungen erfüllen.
Die Forderung, dass ein dichter, dreidimensionaler Verschluss des
Kanals möglich sein muss, beinhaltet die dauerhafte Erhärtung und
die Porenfreiheit des ausgehärteten Materials.
Weichbleibende Weichbleibende Pasten sind weder alleine noch in Kombination mit ei-
Pasten nem Füllstift zum dauerhaften definitiven Verschluss des Wurzelkanals
geeignet. Sie werden von vitalem Gewebe resorbiert, was nachfolgend
eine Reinfektion des Wurzelkanalsystems ermöglicht.
Erhärtende Wurzelkanalfüllpasten, die dem Zweck dienen, den Zwi-
schenraum zwischen einem Stift und der Wurzelkanalwand zu füllen,
werden üblicherweise als Wurzelkanalzemente oder Sealer bezeichnet.
Sealer Ein Sealer hat folgende Aufgaben:
Ausgleich kleiner Unebenheiten entlang der Kanalwand
Verschluss lateraler, akzessorischer Kanäle und offen liegender Den-
tintubuli
Herstellung einer dichten Verbindung zwischen Stift und Kanal-
wand
13.12.3 Wurzelkanalfülltechniken
Der Stift wird nun gleichmäßig mit Sealer beschickt und mit leicht
pumpenden Bewegungen in den Kanal eingebracht. Überschüssiges
Guttapercha wird am Kanaleingang mit einem heißen Kugelstopfer
oder einem vergleichbaren Instrument abgeschmolzen, die Guttapercha
mit einem erwärmten Plugger leicht in die Kanaleingänge hereinge-
drückt und überschüssiger Sealer aus dem Kronenkavum entfernt.
Nachteil Der größte Nachteil dieser Technik besteht darin, dass bei allen Ka-
nälen, die nicht genau der Form der Guttaperchastifte entsprechen, der
Sealeranteil an der Füllung vergleichsweise groß ist. Dies kann insbeson-
dere im mittleren und koronalen Kanalabschnitt der Fall sein.
Ein weiterer Nachteil ist darin zu sehen, dass keine Kompaktion des
Füllungsmaterials stattfindet und so Unebenheiten in der Kanalwand
und Seitenkanäle nur ungenügend gefüllt werden.
Laterale Kompaktion
Indikation Die laterale Kompaktion kann unabhängig von der Aufbereitungstech-
nik in jedem konisch aufbereiteten Wurzelkanal zur Obturation einge-
setzt werden.
Ziel Das Ziel der lateralen Kompaktion ist es, den Wurzelkanal vollstän-
dig mit möglichst viel Guttapercha und möglichst wenig Sealer dicht zu
füllen.
Vorgehen Ein ISO-genormter Guttaperchastift wird entsprechend der Größe
der apikalen Masterfeile ausgewählt. Dieser Masterpoint soll auf Arbeits-
länge in den Kanal einzuführen sein und im apikalen Kanaldrittel eine
Klemmpassung aufweisen. Nach maschineller Wurzelkanalaufbereitung
mit Nickel-Titan-Instrumenten können auch Guttaperchastifte mit stär-
kerer Konizität, entsprechend des zuletzt benutzten maschinellen In-
struments, als Masterpoint ausgewählt werden.
Zur Kontrolle wird die erforderliche Länge des Stiftes gemessen und
markiert. Kann der Stift nicht bis zur gewünschten Länge eingebracht
werden, muss der Wurzelkanal nachpräpariert und gründlich gespült
werden. Zumeist verhindern im apikalen Kanalabschnitt verbliebene
Dentinspäne oder Debris den korrekten Sitz des Masterpoints.
Der letztlich korrekt passende Stift wird als Masterpoint bezeichnet.
Besonders bei gekrümmten Wurzeln oder komplexer Kanalanatomie
ist die Anfertigung einer Röntgenaufnahme mit eingeführten Master-
points (Masterpointaufnahme) empfehlenswert.
Die apikale Hälfte des Masterpoints wird dann gleichmäßig dünn
mit Sealer beschickt. Mit leicht pumpenden Bewegungen wird der Mas-
terpoint bis zur markierten Länge in den Wurzelkanal eingeführt.
Ein ISO-genormter Spreader, dessen Größe vom Lumen des Kanals
abhängig ist, wird nun neben den Masterpoint in den Kanal eingeführt.
Mit dem Spreader wird der Masterpoint kräftig gegen eine Kanalwand
gepresst und dabei verformt. Der ausgeübte Druck ist allerdings so zu
dosieren, dass eine Fraktur der Wurzel ausgeschlossen werden kann.
Eine dosierte Kraftanwendung gelingt besser mit einem Finger- als mit
9
einem Handspreader. Der Spreader wird nun aus dem Kanal gezogen,
und der entstandene Raum unverzüglich mit einem zur ISO-Größe des
Spreaders passenden Guttaperchastift gefüllt. Dieser sollte zuvor auch
10
sehr dünn mit Sealer bestrichen werden (s. Abb. 13.28).
11
Zur suffizienten Kompaktion der Guttapercha im apikalen Kanalab-
schnitt muss der Fingerspreader initial auf 1–2 mm vor Arbeitslänge 12
in den Kanal eingeführt werden.
13
Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis sich ein kleiner Spreader nur
noch weniger als zur Hälfte in den Kanal einführen lässt. Mit einem hei-
ßen Kugelstopfer oder Exkavator wird überschüssige Guttapercha am
14
Kanaleingang abgeschmolzen und Sealerreste werden aus dem Pulpaka-
vum entfernt. Da es besonders im koronalen Bereich leicht zu einer Auf- 15
fächerung der Guttaperchastifte kommt, ist es zweckmäßig, die Wurzel-
kanalfüllung mit einem erwärmten Plugger zu verdichten. Hierzu wird 16
mit einem zum Kanalquerschnitt passenden Plugger in vertikaler Rich-
tung Druck ausgeübt und die Guttapercha in den Kanaleingang kom-
paktiert.
17
Nach dieser zusätzlichen vertikalen Kompaktion ist der Wurzelkanal
i.d.R. dicht verschlossen (s. Abb. 13.29). 18
Vertikale Kompaktion erwärmter Guttapercha 19
Bei der vertikalen Kompaktion nach SCHILDER wird zunächst eine ge-
ringe Menge Sealer mit einer Papierspitze dünn an der Kanalwand ver- 20
strichen und dann der Masterpoint in den Kanal eingeführt. Dieser wird
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5
6
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Down-pack 9
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12
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16
17
18
Backfill
Abb. 13.30: Vertikale Kompaktion erwärmter Guttapercha: In der Down-pack-Phase wird Guttapercha mit 19
einem erwärmten Plugger sukzessive erwärmt und nach apikal kompaktiert. In der Backfill-Phase werden
der mittlere und koronale Kanalabschnitt ebenfalls sukzessive mit nach apikal verdichteter erwärmter
Guttapercha obturiert. 20
V50
b
Thermoplastische Injektion
Auch bei dieser Methode werden die plastischen Eigenschaften erwärm- 1
ter α-Guttapercha ausgenutzt. Beispiele hierfür sind das Obtura- und das
Ultrafil-System. 2
Bei beiden Systemen wird die Guttapercha außerhalb des Mundes er-
wärmt und in plastischem Zustand mit einer Injektionsspritze in den zu-
vor mit einer geringen Menge Sealer versehenen Wurzelkanal eingebracht.
3
Besonders schwierig ist es bei dieser Methode, den Wurzelkanal in
korrekter Länge abzufüllen. Die Anwendung erfordert die Anschaffung 4
spezieller Geräte und das Erlernen der Technik.
Zum Abschluss der Wurzelkanalfüllung wird sofort eine Röntgen- Röntgenkontroll- 5
kontrollaufnahme angefertigt und die Kavität provisorisch oder mit ei- aufnahme
ner definitiven Füllung verschlossen. Die Röntgenkontrollaufnahme
muss nicht nur hinsichtlich der Qualität der Wurzelkanalfüllung ausge-
6
wertet werden. Ebenso wichtig ist eine genau Bewertung, ob es zur
Überfüllung in anatomisch relevante Strukturen (Kieferhöhle, Mandi- 7
bularkanal, Foramen mentale) gekommen ist.
8
Eine radiologische Kontrolle der Wurzelkanalfüllung unmittelbar
nach Obturation ist obligat. 9
leicht
entfernbare
provisorische
Füllung
feste
provisorische
Füllung
Bei pulpa-vitalen Zähnen sind überwiegend eine akute Karies oder die
Folgen einer Karies die Ursache für die notwendige Behandlung. Nur in
etwa 10% der Fälle sind Traumata, traumatische Okklusion oder zur
Mundhöhle exponiertes Dentin die Ursache.
In den meisten Fällen besteht also der erste Behandlungsabschnitt
immer in der Entfernung des kariösen Dentins und/oder der insuffizien-
ten Füllung. Bei einer symptomatischen Pulpitis ohne Freilegung des
Pulpakavums hängt die Weiterbehandlung davon ab, ob es sich um eine
reversible oder irreversible Form der Pulpitis handelt.
Liegt eine wahrscheinlich reversible Form der Pulpitis vor, wird der
Zahn mit einem dichten Provisorium versorgt, idealerweise mit einem
Glasionomerzement.
Wenn alle Symptome für eine irreversible Pulpitis sprechen oder
wenn nach der Exkavation das Pulpakavum so weit freigelegt ist, dass
eine direkte Überkappung nicht mehr möglich ist, sind je nach verfüg-
barer Zeit folgende Therapiemaßnahmen angezeigt:
Steht wenig Zeit zur Verfügung:
Trepanation, Legen eines schmerzstillenden kortikoidhaltigen Me-
dikaments auf die exponierte Pulpa, dichter provisorischer Ver-
schluss
maximal einen Tag offen gelassen werden. Der fehlende Verschluss zur
Mundhöhle birgt aber die Gefahr in sich, dass eine zusätzliche Infektion
durch eindringende Bakterien aus dem Speichel eintritt und sich so die
Situation verschlechtert oder zumindest die Behandlung verlängert.
Der Wurzelkanal muss auf jeden Fall aufbereitet und gründlich ge-
spült werden, um die Ursache der apikalen Parodontitis zu beseitigen.
Anschließend wird der Kanal mit einer temporären Einlage, i.d.R. einem
Kalziumhydroxidpräparat, versehen und die Zugangskavität proviso-
risch verschlossen.
Bei starker Aufbissempfindlichkeit kann der Zahn leicht aus der
Okklusion geschliffen werden. Da die Schmerzen oft nicht spontan
nachlassen, ist die Verordnung eines Analgetikums für zwei Tage ange-
zeigt. Zur Weiterbehandlung werden die Patienten nach wenigen Tagen
wieder einbestellt.
Die indirekte Überkappung ist indiziert, wenn nach der Exkavation pul-
panah intaktes, nicht kariös verändertes Dentin vorliegt. Der Arbeits-
ablauf entspricht weitgehend dem beschriebenen Vorgehen beim blei-
benden Zahn. Auch beim Milchzahn ist das einphasige Vorgehen dem
zweiphasigen, der schrittweisen Kariesentfernung, vorzuziehen.
Während in den vergangenen Jahrzehnten die vollständige Karies-
exkavation (harter, unverfärbter Kavitätenboden, Sondenklirren) un-
strittig war, wird jetzt häufig ein zurückhaltendes Vorgehen empfohlen,
um eine Exposition der Pulpa zu vermeiden. Bei Sicherstellung eines
dichten Kavitätenverschlusses kann kariös erweichtes Dentin in pulpa-
nahen Arealen belassen werden. Es wird empfohlen, den Endpunkt der
Exkavation unter Berücksichtigung der Läsionsaktivität zu definieren.
Bei aktiven Dentinläsionen (feuchtes, erweichtes, gering verfärbtes Den-
tin) wird eine ledrige Dentinkonsistenz als Endpunkt der Kariesexkava-
tion akzeptiert. Bei Vorliegen einer chronischen Karies (braun bis
schwarz verfärbtes Dentin) ist es ausreichend, die Karies bis zum harten,
dunkel verfärbten Kavitätenboden zu exkavieren. Der Kavitätenboden
sollte mit einem geeigneten alkalisierenden Material (wässrige Kalzium-
hydroxidsuspension oder hydraulischer Kalziumsilikat-Zement) abge-
deckt werden. Diese Abdeckung soll die mikrobiellen Säuren neutralisie-
ren, eine antibakterielle Wirkung aufweisen und die Tertiärdentinbil-
dung anregen. Wird auf die Abdeckung des Kavitätenbodens mit einem
alkalisierenden Material verzichtet, hat der bakteriendichte koronale
Verschluss oberste Bedeutung. Daher sollte die Kavität idealerweise mit
einer direkten adhäsiven Füllung verschlossen werden.
14.1.2 Pulpotomie
3
4
! Liegt eine großflächige oder multiple Freilegung der Pulpa vor
oder reicht das kariöse Dentin bis zur Pulpa, ist im Milchgebiss die
Pulpotomie (Pulpaamputation) die Methode der Wahl. 5
Das Vorgehen bei der Pulpotomie der vitalen Pulpa wird in Kapitel
11.3.3 „Vitalamputation“ beschrieben. Das Ziel dieser Maßnahme ist,
Vorgehen
6
die Wurzelpulpa vital zu erhalten. Auch im Milchgebiss sollte diese
Maßnahme unbedingt unter Kofferdam durchgeführt werden. 7
Das Abdecken der Amputationswunde erfolgt i.d.R. mit einer wässri-
gen Kalziumhydroxidsuspension oder hydraulischem Kalziumsilikat- 8
Zement. Wird das Präparat in Suspensionsform aufgebracht, ist eine Ab-
deckung mit einem aushärtenden Glasionomerzement empfehlenswert. 9
Nach Einbringen der Unterfüllung wird eine Deckfüllung oder eine kon-
fektionierte Milchzahnkrone angefertigt (s. Abb. 14.1). Ein dichter Kavi-
tätenverschluss hat für den Behandlungserfolg höchste Priorität.
10
Mitunter wird zur Behandlung von Milchzähnen mit entzündeter Mortal-
Pulpa die Mortalamputation empfohlen. Darunter versteht man das amputation 11
Abtragen der Kronenpulpa nach Devitalisierung der Pulpa mit chemi-
schen Mitteln. Die Anwendung solcher formokresol-, formaldehyd- 12
oder glutaraldehydhaltiger Devitalisierungspräparate ist aufgrund der
nachgewiesenen Toxizität sowie aus Gründen des vorbeugenden Ge- 13
sundheitsschutzes heute nicht mehr indiziert. Zudem ist die Eindring-
tiefe der Wirkstoffe nicht kalkulierbar und es besteht die Gefahr, dass
benachbartes Gewebe tangiert wird und eine apikale oder interradiku-
14
läre Nekrose entsteht.
15
Abb. 14.1: Versorgung eines
Milchmolaren nach Pulpo-
tomie (Vitalamputation)
16
17
Kalzium-
hydroxid
18
19
20
14.1.3 Pulpektomie
Aufbereitung Bei der manuellen Aufbereitung ist bei Milchmolaren besonders darauf
zu achten, dass die Instrumente stark vorgebogen werden, da die Ge-
fahr einer Perforation der Wurzel besonders interradikulär sehr groß ist.
Da die Wurzelkanalwandstärken bei Milchzähnen insbesondere im api-
kalen Wurzelbereich sehr gering sind, kommt der mechanischen Kanal-
reinigung eine nachgeordnete Bedeutung zu. Daher sollten maschinell
angetriebene Nickel-Titan-Instrumente mit stärkeren Konizitäten nicht
eingesetzt werden.
Wurzelkanal- Die Wurzelkanalfüllung darf nur als reine Pastenfüllung mit einem re-
füllung sorbierbaren Material erfolgen (s. Abb 14.2). Dazu eignen sich Kalzi-
umhydroxid-Jodoform-Pasten (Jodallergien sind vorher auszuschlie-
ßen), wässrige Kalziumhydroxidsuspensionen oder Sealer auf Kalzium-
salicylatbasis. Bei Aplasie des nachfolgenden bleibenden Zahnes wird
hingegen die Wurzelkanalfüllung mit einem nicht resorbierbaren Sealer
in Kombination mit Guttapercha als Kernmaterial durchgeführt (s.
Abb.14.3).
Die Indikation zur Extraktion des Milchzahnes sollte bei folgenden Be-
funden gestellt werden, um akute Exazerbationen oder die Ausbildung ei-
nes apikalen Abszesses zu vermeiden und den Zahnkeim des bleibenden
Zahnes vor Strukturanomalien (Turner-Zahn) zu schützen (s. Abb. 14.4):
Pulpa-avitaler Zahn
Mit einer Fistel assoziierter Zahn
Mit einer Parodontitis apicalis assoziierter Zahn
14.2.1 Bleichmittel
Als besonders kritisch ist die Entstehung von externen zervikalen Re-
sorptionen anzusehen, die vermutlich durch über die Dentintubuli nach
außen diffundierendes Wasserstoffperoxid ausgelöst werden können.
14.2.2 Bleichtechniken
Wurzelkanal-
füllung
a b
andersfarbenes
Komposit
Wurzelkanal-
füllung
führt, tritt dann ein, wenn bei mehrwurzeligen Zähnen die Frakturlinie
zwischen den Wurzeln verläuft.
In Abhängigkeit vom Ausmaß des Zahnhartsubstanzverlustes der
Zahnkrone wird folgendes Vorgehen bei Seitenzähnen empfohlen:
Geringer Substanzverlust (ein- oder zweiflächige Kavität): Komposit-
füllung
Mittlerer Substanzverlust (dreiflächige Kavität): Kompositfüllung,
Kompositaufbau und nachfolgend Keramikinlay/Keramikteilkrone
oder Goldteilkrone/Goldoverlay mit Fassung aller Höcker
Starker Substanzverlust (teilweise erhaltene Dentinwände): Kompo-
sitaufbau und nachfolgend Teilkrone oder Vollkrone aus Keramik
oder Gold, Keramikteilkrone ohne Kompositaufbau (sog. Endokrone)
Starker Substanzverlust (weitgehender Verlust der klinischen Zahn-
krone): Glasfaserstift mit Kompositaufbau, Vollkrone
a b c
d e f
1
2
3
4
5
a b c d
6
Abb. 14.8: Heilungsmöglichkeiten nach Wurzelquerfrakturen (nach Andreasen und Andreasen): a) Wund-
heilung mit Hartgewebsbildung, b) Wundheilung mit Ausbildung von Bindegewebe zwischen den Frag- 7
menten, c) Wundheilung mit Einlagerung von Bindegewebe und Knochen zwischen den Fragmenten,
d) Misserfolg durch Einsprossung von entzündlichem Granulationsgewebe
8
sunderhaltung der Pulpa ist i.d.R. gut, wenn es lediglich zur Konkus-
sion oder Subluxation (Lockerung) eines Zahnes gekommen ist. Die 9
für kurze Zeit vorhandene Perkussionsempfindlichkeit eines solchen
Zahnes ist i.d.R. parodontal bedingt und darf nicht als Zeichen für eine
Schädigung der Pulpa interpretiert werden. Die Therapie besteht, wenn
10
notwendig, aus der Beseitigung okklusaler Interferenzen und der Ver-
ordnung von weicher Kost für etwa 2 Wochen. Obwohl dies nicht zwin- 11
gend notwendig ist, kann eine Schienung des Zahnes für 1–2 Wochen
erfolgen. Das Risiko einer nachfolgenden Pulpanekrose oder einer Wur- 12
zelresorption ist gering.
Bei der Extrusion ist der Zahn in Achsrichtung teilweise aus der Al- 13
veole verlagert. Als Folge des Traumas ist es zu einer Dehnung oder gar
zum Abriss des Gefäß-Nervenbündels am Foramen apicale und zu einer
Quetschung oder einem Abriss des parodontalen Ligaments gekommen.
14
Als klinischer Befund ist zumeist eine Okklusionsstörung zu beobach-
ten. Die Sensibilitätsprobe des Zahnes ist i.d.R. negativ. Der extrudierte 15
Zahn muss digital wieder in sein Knochenfach reponiert und für etwa
16
Tab. 14.4: Unterschiedliche Luxationsverletzungen
Verletzungstyp Definition
17
Konkussion, Kontusion Prellung ohne Lockerung
Subluxation Lockerung ohne Stellungsänderung 18
Extrusion axial-inzisale Dislokation
Laterale Luxation horizontale Dislokation 19
Intrusion axial-apikale Dislokation
Avulsion vollständige Luxation
20
2 Wochen flexibel geschient werden (s. Tab. 14.5). Bei Zähnen mit ab-
geschlossenem Wurzelwachstum kommt es nachfolgend nicht selten zu
einer Pulpanekrose. An Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzel-
wachstum sind nachfolgend hingegen häufiger Wurzelkanalobliteratio-
nen zu beobachten.
Bei der lateralen Dislokation ist der Zahn nicht gelockert, aber
nach oral oder vestibulär disloziert. Häufig ist zudem eine Fraktur der
vestibulären Alveolenwand zu beobachten. Das parodontale Ligament
ist einerseits partiell bis vollständig abgerissen sowie andererseits kom-
primiert. Häufig ist auch das Gefäß-Nervenbündel am Foramen apicale
abgerissen. Klinisch zeigen sich eine erhöhte Perkussionsempfindlich-
keit, ein metallischer Perkussionsschall sowie eine Blutung aus dem Sul-
kus. Mitunter besteht auch eine Okklusionsstörung. Der Sensibilitätstest
fällt zumeist negativ aus. Nach der exakten Reposition sollte der Zahn in
Abhängigkeit vom Ausmaß der Knochenverletzung für 2–4 Wochen fle-
xibel geschient werden (s. Tab. 14.5). Bei Zähnen mit abgeschlossenem
Wurzelwachstum und Dislokationen von mehr als 2 mm sollte, da eine
Pulpanekrose sehr wahrscheinlich ist, bereits während der Schienungs-
phase eine Wurzelkanalbehandlung eingeleitet werden.
Bei der Intrusion kommt es zu einer axialen Verlagerung des Zahnes
in das Alveolarfach hinein. Es resultiert häufig eine schwerwiegende
Verletzung des Parodonts mit Quetschung und Abriss des parodontalen
Ligaments und sogar teilweiser Denudierung der Wurzeloberfläche. Zu-
dem tritt eine Quetschung oder ein Abriss des Gefäß-Nervenbündels
auf. Da bei dem Trauma auch der Alveolarknochen gequetscht wurde,
kann dieser zumeist labial frakturiert sein. Klinisch sind eine Infraposi-
tion der Inzisalkante des betreffenden Zahnes gegenüber den Nachbar-
zähnen und ein metallischer Perkussionsschall zu diagnostizieren. Der
Zahn ist nicht beweglich und die Sensibilitätsprobe zumeist negativ.
Bei Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum (offener
Apex) und geringgradiger Intrusion von weniger als 3 mm kann inner-
halb von 3 Wochen mit einer spontanen Reeruption gerechnet werden.
Kommt es nicht zur Reeruption oder beträgt die Intrusion 3–6 mm,
sollte der Zahn vorsichtig chirurgisch oder langsam kieferorthopädische
reponiert werden. Bei einer Intrusion von mehr als 6 mm sollte sofort
eine chirurgische oder kieferorthopädische Reposition eingeleitet wer-
den. Reponierte Zähne sollten für 4 Wochen flexibel geschient werden
(s. Tab. 14.5). Durch den Abriss des Gefäß-Nervenbündels bei mittleren
und ausgeprägten Intrusionen ist, unabhängig vom Wurzelwachstum,
mit einer Obliteration oder Pulpanekrose zu rechnen.
Grundsätzlich gelingt bei den zuvor genannten Traumata eine Vital-
erhaltung der Pulpa am ehesten bei Zähnen mit noch nicht abgeschlos-
senem Wurzelwachstum. Unter günstigen Umständen ist aber auch bei
Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum eine Revaskularisierung
möglich. Die Prognose zur Vitalerhaltung der Pulpa ist bei Intrusionen
am ungünstigsten. Die Vitalitätsbeurteilung nach Traumata ist oft
Tab. 14.5: Schienungsdauer und Art der Schienung in Abhängigkeit von der
Verletzungsart
Verletzungsart Schienungsdauer Art der Schienung
Wurzelquerfraktur 1–3 Monate Flexibel/rigide
Konkussion 1–2 Wochen Flexibel
Lockerung 1–2 Wochen Flexibel
Extrusion 2 Wochen Flexibel
Laterale Luxation 2–4 Wochen Flexibel
Intrusion 4 Wochen Flexibel
Avulsion 1–2 Wochen Flexibel
Alveolarfortsatzfraktur 4–6 Wochen Rigide
Eine Schienung sollte auf jeder Seite zwei feste, nicht traumatisierte 7
Zähne mit einbeziehen.
8
14.4.5 Spätfolgen bei Verletzungen der Zähne 9
Besonders nach schweren Luxationsverletzungen wie einer lateralen Lu-
xation, Intrusion oder Avulsion sind Reparations- und Umbauvorgänge
10
im Bereich des Desmodonts notwendig. Hierbei kommt es oft zu exter-
nen, entzündlichen Resorptionen, die in Kapitel 2.4 beschrieben sind. 11
Im Bereich des Pulpakavums können als Spätfolgen eines Traumas
resorptive (internes Granulom) oder appositionelle Vorgänge (partielle 12
oder vollständige Obliteration) ablaufen. Interne Resorptionen (s. Abb.
10.2) werden als Konsequenz eines nicht ersetzbaren Verlustes von 13
Odontoblasten gedeutet. Wenn im Rahmen einer röntgenologischen
Kontrolluntersuchung eine interne Resorption erkannt wird, kann der
Prozess durch eine Wurzelkanalbehandlung i.d.R. gestoppt werden.
14
15
16
17
18
19
20
Die Grenze zwischen der freien und der befestigten Gingiva liegt in
Höhe der Schmelz-Zement-Grenze und ist bei 30 bis 40% der Erwachse-
nen meist vestibulär als gingivale Furche sichtbar.
Freie und befestigte Gingiva besitzen eine feste Konsistenz und sind
blassrosa; bei dunkelhäutigen Personen ist die Gingiva physiologisch
bräunlich pigmentiert. Eine pathologische dunkle Gingivaverfärbung
findet man bei Metallintoxikationen (z.B. Pb, Bi) oder bei Tätowierung
der Gingiva durch Amalgam.
Freie Gingiva Die freie Gingiva läuft koronal meist flach aus. Sie besitzt eine glatte
Oberfläche und ist 0,8–2,5 mm breit. Die Oberfläche der befestigten
Gingiva erscheint bei ca. 40% der Erwachsenen gestippelt.
Befestigte Die befestigte Gingiva ist ca. 1–9 mm breit, wobei eine Zunahme der
Gingiva Breite im Alter beobachtet werden kann. Sie ist über Bindegewebefasern
fest mit dem Alveolarknochen und Wurzelzement verbunden. Deshalb
lässt sie sich im Gegensatz zu der sich apikal anschließenden dunkelro-
ten Alveolarmukosa nicht gegen ihre Unterlage verschieben.
Interdentale Die Gingiva, die den Raum zwischen zwei Zähnen füllt, wird als in-
Gingiva terdentale Gingiva bezeichnet. Sie besitzt einen oralen und vestibulären
Papillenzipfel, zwischen denen sich eine sattelförmige Einsenkung be-
findet, die als Col (= Sattel) bezeichnet wird (s. Abb. 15.2).
Zellumsatzrate Die Zellumsatzrate (turnover time) wird für die Gingiva mit zehn bis
zwölf Tagen angegeben. Neben Keratozyten finden sich innerhalb des
Epithels zu 10% atypische Zellen (clear cells), z.B. Melanozyten, Langer-
hans-Zellen und unspezifische Zellen.
orales
Sulkus-
epithel
orales
Epithel
Saum-
epithel
sionstest. Beim Roll- und Verschiebetest wird mit einer flach angelegten
Parodontalsonde die Alveolarmukosa nach koronal verschoben, sodass 1
sich diese an der Mukogingivalgrenze in Form einer kleinen Rolle dar-
stellt. Beim Tensionstest wird durch manuellen Zug an Lippen/Wangen 2
die Alveolarmukosa von der Unterlage bis zur dadurch erkennbaren
mukogingivalen Grenzlinie abgehoben.
3
Saumepithel
4
! Das Saumepithel dient der Anheftung der Gingiva an die Zahn-
oberfläche. 5
Es liegt kragenförmig um die Zähne herum und reicht von der Schmelz-
Zement-Grenze bis zum Boden des Gingivalsulkus. Dort geht es konti-
6
nuierlich in das orale Sulkusepithel über. Es ist mit dem lateral von ihm
liegenden Bindegewebe nicht verzapft. 7
Das Saumepithel entwickelt sich durch Umwandlung aus dem redu-
zierten Schmelzepithel (s. Abb. 15.4). 8
Diese Umwandlung beginnt nach Abschluss der Schmelzmatrixbil-
dung und ist ca. 12 bis 14 Monate nach Beginn des Zahndurchbruchs ab- 9
geschlossen. Das mitotisch inaktive reduzierte Schmelzepithel setzt sich
aus zwei Schichten zusammen: Der Zahnkrone zugewandt ist die Schicht
der resorbierenden reduzierten Ameloblasten, ihr aufgelagert sind Zellen
10
aus dem ehemaligen Stratum intermedium des Schmelzorgans.
11
reduziertes
Schmelzepithel
orales
12
Epithel
Schmelz
externe
Basal-
13
lamina
14
interne Zellen des
Basal- ehemaligen 15
lamina Stratum intermedium
reduzierte
Ameloblasten a 16
17
orales
Epithel
Saumepithel 18
19
b
Abb. 15.4: Entwicklung des Saumepithels aus dem reduzierten Schmelzepithel (nach Lindhe et al. 1997): 20
a) präeruptives Stadium, b) eruptives Stadium
desmosomale
Interzellular-
verbindung
interne
Basal- Basal-
orales Schmelz lamina membran
Sulkus-
epithel
orales
Epithel
Saum-
epithel
Schmelz-
Dentin-
Grenze
Binde-
gewebe
Abb. 15.5: Anheftung des Saumepithels an die Zahnoberfläche. Die Saumepithelzellen sind über Hemides-
mosomen mit der internen Basallamina verknüpft, die dem Zahn adhäsiv aufliegt.
17
! Das gingivale Bindegewebe setzt sich hauptsächlich aus Bindege-
webefasern, Fibroblasten, Proteoglykanen und Blutgefäßen zu-
sammen. Sein ausgeprägter Faserapparat verleiht der Gingiva ihre 18
feste Konsistenz (s. Abb. 15.6).
19
Die Bindegewebefasern gruppieren sich zu Faserbündeln, die mehrheit-
lich aus kollagenen Fasern bestehen. Oxytalanfasern werden seltener, 20
elastische Fasern meist perivaskulär gefunden. Das gingivale Bindege-
alveologingivale Fasern
dentoperiostale Fasern
desmodontaler Faserapparat
Alveolarknochen
b
webe wird schneller umgesetzt als das Bindegewebe der Dermis, sodass
eine schnelle Reparatur möglich ist.
Supraalveolärer Der supraalveoläre Faserapparat setzt den desmodontalen, infraal-
Faserapparat veolären Faserapparat der Zähne nach koronal fort. Die Faserbündel
werden entsprechend ihrer Verlaufsrichtung unterschieden:
Dentogingivale Fasern ziehen vom supraalveolären Wurzelzement
fächerförmig in die Gingiva. Sie werden in koronal, horizontal und
apikal verlaufende Faserzüge unterschieden.
Dentoperiostale Fasern verlaufen vom supraalveolären Wurzelze-
ment über den Alveolarknochenkamm zum bukkalen bzw. oralen
Periost des Alveolarknochens.
Zirkuläre Fasern umfassen ringförmig den supraalveolären Bereich
der Zahnwurzel.
Semizirkuläre Fasern verlaufen bukkal bzw. oral bogenförmig von
der einen zur anderen approximalen Wurzeloberfläche desselben
Zahnes.
Transseptale Fasern verlaufen vom approximalen Wurzelzement ei-
nes Zahnes über das interdentale Knochenseptum zum Wurzelze-
ment des Nachbarzahnes. Sie sind für die Aufrechterhaltung des
Zahnbogens von großer Bedeutung und werden nach einer Exzision
rasch wieder aufgebaut.
Scharpey-
Fasern
Abb. 15.7: a) Verlauf der desmodontalen Fasern eines unteren Molaren, b) Detaildarstellung des
desmodontalen Fasergeflechts in Beziehung zum Alveolarknochen und zum Wurzelzement
Der gingivale Sulkus ist 0,1–0,5 mm tief. Dennoch werden aber auch
beim gesunden Patienten fälschlicherweise Sulkustiefen bis zu 3 mm ge-
messen. Die Messsonde durchstößt dabei das Saumepithel teilweise bis
zu den an der Schmelz-Zement-Grenze inserierenden Fasern. Der Epi-
thelansatz am Zahn bleibt dabei erhalten, sodass der Riss im Saumepithel
innerhalb von fünf bis sieben Tagen wieder repariert wird (s. Abb. 15.9).
Die Sulkusflüssigkeit ist ein Serumexsudat aus dem Gefäßplexus un-
terhalb des Saumepithels, das durch das Saumepithel sickert und am
dento- 3
gingivale
Fasern
4
5
6
Zähne führen können (s. Abb. 16.1). So kann sich eine dauerhafte Ent-
zündung entwickeln, die durch Phasen der Progression und Stagnation
gekennzeichnet ist.
Die sich daraus ableitende ökologische Katastrophe kann als Teufels-
kreis verstanden werden, der von einer inadäquaten Wirtsantwort zu-
sätzlich angetrieben wird (s. Abb. 16.2).
Verhaltensfaktoren
nicht vorhanden ausgeprägt vorhanden
Umweltfaktoren
Geschei-
Ausgeprägte
Beginnende
Antigene Zytokine
Dysbiose
Dysbiose
Antigene Antigene
Bakt. DNA der Ent- Virulenz- fung der Gingipaine der Ent- Oxidat. fung der
zündung faktoren Entzün- zündung Stress Entzün-
fMLP LPS
LPS MMPs
mit dung mit ohne dung ohne
Auflösung Auflösung Auflösung Auflösung
Genetische Faktoren
nicht vorhanden ausgeprägt vorhanden
Epigenetische Faktoren
Überschießende
Wirtsantwort 1
2
Veränderte lokal-
3
anatomische Nischen
Dominanz
parodontaler Teufelskreis
mit verstärktem
Wachstum
4
Pathogene
parodontopathogener
Keime 5
6
Dysbiotisches
subgingivales
7
Mikrobiom
Abb. 16.2: Der Teufelskreis der „ökologischen Katastrophe“, der von einer über-
8
schießenden Wirtsantwort angetrieben wird (modifiziert nach Loos und van Dyke
2020).
9
16.1 Primärer Ursachenkomplex
10
16.1.1 Dentaler Biofilm (Plaque)
11
Das Vorhandensein von Mikroorganismen ist eine notwendige Be-
dingung für das Entstehen entzündlicher Parodontalerkrankungen. 12
Allerdings führt die Anwesenheit parodontalpathogener Keime
nicht zwangsläufig und bei jedem Menschen zu einer Parodontaler- 13
krankung.
Potenziell parodontalpathogene Keime finden sich im Speichel, auf den Dentaler Biofilm
14
Schleimhäuten des Zungenrückens und der Tonsillen sowie organisiert
als Biofilm auf den Zahnoberflächen. Die Zahl der Bakterienspezies in 15
der Mundhöhle wird auf ca. 1000 geschätzt. Mikroorganismen können
in der Mundhöhle in einer planktonischen Phase (frei schwimmend, 16
nicht angeheftet) oder in einem ortständigen Biofilm (Plaque) vorliegen.
Der Biofilm Zahnplaque stellt sich bei ausreichender Dicke klinisch als
ein weicher, strukturierter, zäher Zahnbelag dar, der mit Wasserspray
17
nicht entfernbar ist. Grundsätzlich werden Biofilme als bakterielle Popu-
lation definiert, die in einer selbst produzierten Matrix aus extrazellulä- 18
ren polymeren Substanzen – bestehend aus Polysacchariden, Proteinen,
Lipiden und Nukleinsäuren – eingeschlossen sind. Sie stellen eine typi- 19
sche Lebensform von Bakterien dar. Diese bakteriellen Populationen
haften an Oberflächen, Grenzflächen sowie untereinander. Eine Voraus- 20
setzung für die Bildung eines Biofilms ist das Vorhandensein von Grenz-
Tab. 16.2: Klassifikation der wichtigsten Mikroorganismen in der Mundhöhle (fett: Pathogene mit
sehr starker Assoziation zu Parodontalerkrankungen, unterstrichen: Pathogene mit starker bis gerin-
ger Assoziation zu Parodontalerkrankungen). Sowohl die Gruppe der nicht klassifizierten Spirochä- 1
ten als auch T. denticola werden von manchen Autoren zu den Pathogenen mit sehr starker Assozia-
tion gezählt.
Grampositiv (+) Gramnegativ (–)
2
Fakultativ anaerob Anaerob Fakultativ anaerob Anaerob
3
Kokken Streptococcus Parvimonas Neisseria Veillonella
S. mutans P. micra V. parvula
S. sanguinis Megasphaera sp. Dialister
4
S. salivarius D. pneumosintes
S. milleri 5
S. mitis
S. intermedius 6
Stäbchen Actinomyces Actinomyces Aggregatibacter Porphyromonas
A. naeslundii A. israelii A. actinomycetem- P. gingivalis 7
A. viscosus A. odontolyticus comitans P. endodontalis
Corynebacterium Eubacterium Capnocytophaga Tannerella
C. matruchotii E. nodatum C. ochracea T. forsythia 8
Rothia Propionibacterium C. sputigena Prevotella
R. dentocariosa Filifactor C. gingivalis P. intermedia 9
Lactobacillus F. alocis Eikenella P. nigrescens
L. acidophilus
L. casei
E. corrodens
Haemophilus
P. melaninogenica
Fusobacterium
10
F. nucleatum
Leptotrichia 11
L. buccalis
Campylobacter 12
C. rectus
Selenomonas
S. sputigena
13
Spirochäten und weitere Mikroorganismen
14
Nicht klassifizierte Spirochäten*, Mycoplasma, Trichomonas, Entamoeba Treponema
E. gingivalis T. sokranskii
Candida T. denticola 15
C. albicans T. pectinovorum
* Neben obligat anaeroben Spirochäten (Treponemen) gibt es noch weitere pathogene nicht klassifizierte Spirochäten, 16
die nur über molekularbiologische Methoden nachweisbar und nicht anzüchtbar sind. Daher werden diese Spirochäten
nicht der Klassifikation fakultativ anaerob bzw. obligat anaerob zugeordnet.
17
und Wechselgebissen anzutreffende, dunkle Verfärbungen (sogenann-
ter black stain) werden durch Anlagerungen von pigmentbildenden 18
Bakterien (vermutlich Bacteroides melaninogenicus) hervorgerufen. Diese
Verfärbung ist ohne pathologische Bedeutung, liegt oft am Gingiva- 19
saum girlandenförmig in einer schmalen Linie vor und verschwindet
nach Eintritt in die Pubertät durch Änderung der oralen Bakterienzu- 20
sammensetzung meistens spontan.
Kontrollierte Studien, die den Einfluss der Plaque auf die Entste-
hung entzündlicher Parodontopathien verdeutlichten, konnten
zeigen, dass beim Verzicht auf Mundhygienemaßnahmen bereits
innerhalb von wenigen Tagen erste leichte Entzündungszeichen
der Gingiva auftreten.
Nach 5–7 Tagen tritt klinisch eine Gingivitis, d.h. eine akute oder chro-
nische Entzündung der Gingiva, auf (s. Abb. 16.3). Wird die Mundhy-
giene wieder aufgenommen, geht die Entzündungsreaktion wieder zu-
rück.
Tierversuche haben gezeigt, dass sich bei einer länger dauernden An-
wesenheit der Plaque aus einer bestehenden Gingivitis eine Parodonti-
tis entwickeln kann. Auch nur bei 10–15% der Menschen geht eine Gin-
givitis in eine schwere Parodontitis über, wenn die bakterielle Belastung
länger andauert. Als Parodontitis wird eine entzündliche Erkrankung
des Zahnhalteapparats mit Alveolarknochenabbau bezeichnet.
Supragingivale Die koronal des Gingivasaums liegende Plaque wird als supragingi-
Plaque vale Plaque bezeichnet. Sie stellt bei gesunder Gingiva einen dünnen
Zahnbelag dar, der sich zu 75% aus grampositiven, fakultativ anaeroben
Kokken und Stäbchen zusammensetzt.
Subgingivale Breitet sich die supragingivale Plaque in den Sulcus gingivae aus,
Plaque spricht man von subgingivaler Plaque. Dabei ändern sich durch ver-
1,0 2,0
0,5 1,0
0 0
0 1 2 3 4 5 7 9 11 13 21 1 2 3 5 7 9
Tage
Abb. 16.3: Experimentelle Gingivitis (nach Renggli 1984). Mit zunehmender Dauer der Plaque-Akkumula-
tion (–) nimmt die Gingivitis (– –) zu. Nach professioneller Plaqueentfernung und Wiederaufnahme der
Mundhygienemaßnahmen geht die Gingivitis zurück. Die Gingiva wird wieder gesund. Mit Beginn der
Plaqueakkumulation etablieren sich Kokken, später erscheinen Stäbchen und Filamente, schließlich Spiril-
len und Spirochäten.
niedrige Parodontopathogenität
17
16.1.2 Pathogenese der entzündlichen Parodontalerkrankungen
18
Die Genese der plaquebedingten Entzündungen des Parodonts vollzieht
sich histologisch in vier Schritten. Klinisch bedeutet dies, dass einer Pa- 19
rodontitis immer eine reversible Gingivitis vorangeht (s. Abb. 16.6). Es
muss aber festgehalten werden, dass eine chronische Gingivitis auch bei 20
weiterhin bestehender Plaqueakkumulation nicht zwangsläufig in eine
Actinomyces sp.
S. mitis
V. parvula
S. oralis
A. odontolyticus
S. sanguinis
C. rectus
Streptococcus sp.
S. gordonii C. gracilis
S. intermedius P. intermedia
P. nigrescens
P. micra P. gingivalis
F. nuc. vincentii T. forsythia
E. nodatum
S. constellatus F. nuc. nucleatum T. denticola
F. nuc. polymorphum
F. periodonticum
E. corrodens
C. gingivalis C. showae
C. sputigena
C. ochracea S. noxia
C. concisus
A. actino. a
A. actinomycetemcomitans b
Abb. 16.5: Die Bakterien in der Mundhöhle sind nach Komplexen organisiert. Die Anordnung von links nach
rechts entspricht dabei in etwa der zeitlichen Abfolge der Kolonisation. Actinomyces sp., Selenomonas no-
xia sowie der hoch toxische A. actinomycetemcomitans Serotyp b sind eher Einzelgänger. Der rechte Kom-
plex mit P. gingivalis wird als roter Komplex, der mit P. intermedia als oranger Komplex bezeichnet. Diese
beiden Komplexe plus A. actinomycetemcomitans beinhalten den Hauptteil der parodontopathogen wich-
tigen Keime. Die übrigen Komplexe bakterieller Gemeinschaften und deren Spezies werden vor allem als
vorbereitend für diese beiden Komplexe angesehen. Ein Einzelnachweis dieser Keime ist als relativ unbe-
deutend zu werten (nach Socransky und Haffajee 2002).
Initiale und frühe Läsion beschreiben den Zustand einer klinisch ma-
nifesten akuten Gingivitis, die etablierte Läsion den Zustand einer
chronischen Gingivitis. Die fortgeschrittene Läsion stellt den Über-
gang von der chronischen Gingivitis in eine Parodontitis dar.
Patient mit
Patient mit Patient mit
1
parodontaler
Gingivitis Parodontitis
Gesundheit
2
Parodontaltherapie
1 2 3 3
Abb. 16.6: Zusammenhang zwischen Gingivitis und Parodontitis (modifiziert nach Chapple 2019 und Diet-
7
rich 2019). Eine Gingivitis ist nach erfolgreicher Behandlung reversibel. Sie kann aber auch zu einer Paro-
dontitis mit Attachmentverlust führen. Diese Patienten unterliegen lebenslang einem Risiko für eine rezi-
divierende Parodontitis. Eine erfolgreiche Parodontaltherapie kann (1) die gingivale Gesundheit bei redu-
8
ziertem Parodont wiederherstellen oder (2) zu einer leichten Entzündung des Gingivasaums bei geringer
Sondierungstiefe (< 4 mm) führen. Jedoch besteht immer das Risiko einer progredienten Parodontitis mit
fortschreitendem Attachmentverlust (3). ST: Sondierungstiefe, BoP (+/–): Bleeding on Probing, Blutung 9
nach Sondierung (positiv/negativ)
Initiale Läsion
10
Die initiale Läsion entwickelt sich nach einer Plaqueneubildung inner-
halb von zwei bis vier Tagen aus einer klinisch gesunden Gingiva. Die- 11
ser Zustand ist vollständig reversibel. Klinisch sind bei dieser frühen
histologisch darstellbaren Läsion noch keine Entzündungszeichen zu 12
erkennen. Daher ist dieser Zustand als physiologisch anzusehen.
Die Kennzeichen der initialen Läsion sind: Kennzeichen 13
Akut entzündliche Reaktion der Gefäße des Gefäßplexus unter-
halb des Saumepithels. Durch ausgeschüttete vasoaktive Mediatoren
(Histamin, Serotonin) werden die interendothelialen Zellverbindun-
14
gen zwischen den Endothelzellen gelöst, sodass die Permeabilität
der Gefäße erhöht wird. Die gleichzeitige Dilatation der Gefäße und 15
der erhöhte Blutdurchfluss führen dann zu einer entzündlich-öde-
matösen Schwellung der Gingiva. 16
Flüssigkeitsexsudat aus dem Gingivalsulkus.
Verstärkte Migration von neutrophilen Granulozyten in das Saum-
epithel und den Gingivalsulkus. Durch neu gebildete Adhäsions-
17
moleküle der Endothelzellen werden die Leukozyten zu einer ver-
langsamten, rollenden Bewegung auf dem Endothel veranlasst. Die 18
Bildung der Adhäsionsmoleküle wird durch verschiedene Entzün-
dungsmediatoren (z.B. TNF-α, s.u.) ausgelöst. Nach Adhäsion an der 19
Endotheloberfläche ist die Diapedese von Leukozyten durch die Ge-
fäßwand erleichtert. 20
Auftreten von Serumproteinen, speziell von Fibrin im Gingivalsulkus.
Wurzelzement
Plaque
Lymphozyten
erweiterte
Gefäße
b c
Plasmazellen
d e
Frühe Läsion
Die frühe Läsion entwickelt sich innerhalb von 14 Tagen aus einer un-
beeinflussten initialen Läsion.
Neben der verstärkten Ausprägung der Kennzeichen der initialen Lä- Kennzeichen
sion hat sie folgende zusätzliche Merkmale: 1
Ansammlung von Abwehrzellen im Infiltrat des gingivalen Binde-
gewebes, das direkt an das Saumepithel angrenzt. Es finden sich 70– 2
90% Lymphozyten (mehrheitlich T-Lymphozyten), 7–16% akti-
vierte Makrophagen.
Zytopathische Veränderung der ortsständigen Fibroblasten, die
3
möglicherweise aus einer Wechselwirkung mit den Lymphozyten
resultiert. 4
Weiterer Kollagenverlust, insbesondere des dentogingivalen und
zirkulären Faserwerks. Verglichen mit nicht entzündlich veränder- 5
tem Bindegewebe beträgt der Kollagenverlust ca. 70%.
Beginnende Proliferation des Saumepithels lateral ins Bindege-
webe mit Ausbildung von epithelialen Reteleisten (fingerförmige
6
Ausstülpungen ins Gewebe).
7
Etablierte Läsion
Beim Erwachsenen stellt sich die etablierte Läsion innerhalb weniger 8
Wochen nach einer frühen Läsion ein und scheint wie die initiale und
frühe Läsion bei optimaler Mundhygiene noch vollständig reversibel 9
zu sein. Sie ist immer an das Vorhandensein einer subgingivalen Plaque
gebunden. Die Kennzeichen der akut entzündlichen Vorgänge der frü-
hen Läsion sind weiterhin vorhanden.
10
Weitere Merkmale sind: Kennzeichen
Dominanz von B-Lymphozyten ohne Anzeichen von Knochen- 11
schwund
Auftreten von extravaskulären Immunglobulinen im Bindege- 12
webe und im Saumepithel
Nahezu vollständige Auflösung des gingivalen Stützgewebes
13
Apikal und lateral gerichtete Proliferation des Saumepithels
Entzündungsreaktion
Mediatoren der Entzündungsreaktion vermitteln die Kommunikation
zwischen den Zellen und sind Bestandteil eines Netzwerks zur Regula-
tion der Wirtsabwehr (s. Tab. 16.4).
Sie können aus der humoralen Abwehr (z.B. Komplementstücke)
oder aus Zellen freigesetzt werden. Ihre Ausschüttung kann auch direkt
durch Lipopolysaccharide (LPS) bestimmter Bakterien angeregt werden.
Neben den weiter unten erwähnten Mediatoren wie z.B. Histamin
und Serotonin sind v.a. Prostaglandine, Leukotriene, Bradykinin, Zyto-
kine und Matrix-Metalloproteinasen für die parodontale Entzündungs-
reaktion von Bedeutung.
Mediatoren Prostaglandine (PGE) sind Derivate der Arachidonsäure (Bestand-
teil der Zellmembran), die von verschiedenen Zellen (Makrophagen, eo-
13
sinophilen Granulozyten, Fibroblasten usw.) synthetisiert werden kön-
nen. Es sind verschiedene Klassen von Prostaglandinen bekannt. Ihre
14
Produktion wird z.B. von Histamin und Serotonin gefördert und von
Acetylsalicylsäure gehemmt. 15
Zu ihren Funktionen zählen:
Vasodilatation von Gefäßen 16
Erhöhung der Gefäßpermeabilität
Regulation der Thrombozytenaggregation
Stimulation von Osteoklasten, v.a. durch Prostaglandin-E2 (PGE2)
17
Auslösung von Fieber und Schmerzen
18
Leukotriene sind ebenfalls wie die Prostaglandine Derivate der Arachi-
donsäure. Sie werden u.a. von Mastzellen und basophilen Granulozyten 19
synthetisiert. Die zu ihnen zählende slow reacting substance of anaphy-
laxis (SRS-A) verfügt über eine Fähigkeit zur Steigerung der Gefäßperme- 20
abilität, die tausendfach größer ist als die von Histamin.
RANKL exprimierend
Osteoblasten
T-Lymphozyten
Knochenmarkstromazellen
Tumorzellen
u.a. Knochenabbau
OPG exprimierend
Osteoblasten
Chondrozyten Aktivierter
Stromazellen Osteoklast
Reife Osteoklasten
RANKL Aktivierung
Apoptosehemmung
OPG Osteoklasten-
Vorläufer
RANK RANKL/RANK/OPG-System
C3
Opsonierung
Phagozytose C3b C3a
Entzündung
C5 C5a
Terminaler Effektorweg
Abb. 16.10: Vereinfachtes Schema der Komplementkaskade. Das Komplementsystem kann durch Antigen-
Antikörper-Komplexe (klassischer Weg), mikrobielle Bestandteile wie Endotoxine (alternativer Weg) oder
Lektine (Lektinweg) aktiviert werden. Im Verlauf der Aktivierung werden verschiedene Komplementkom-
ponenten enzymatisch in Spaltprodukte fragmentiert. Das funktionelle Zusammenwirken dieser Spaltpro-
dukte kann zur Phagozytose der Erreger führen, die Entzündungsreaktionen oder die Bakteriolyse durch
den lytischen Komplex auslösen.
Zelluläre Bei der zellulären Immunantwort führt der Kontakt von T-Lym-
Antwort: phozyten mit einem spezifischen Antigen zur Aktivierung der T-Lym-
T-Lymphozyten phozyten. Aktivierte T-Lymphozyten schütten Lymphokine aus, die
verschiedene Funktionen besitzen:
Chemotaktische Anlockung, Verhinderung der Abwanderung,
Aktivierung oder Inhibition von Makrophagen
Regulation der Antikörperproduktion von B-Lymphozyten
Regulation der Proliferation von T-Lymphozyten
Chemotaktische Anlockung und Verhinderung der Abwanderung
von PMK-Granulozyten
Regulation der Fibroblastenproliferation und Kollagensynthese
Aktivierung von Osteoklasten
Unspezifische Zytolyse von Wirtszellen (Lymphotoxin)
Verhinderung einer Virusvermehrung (Interferon)
Zahnstein Supra- und subgingivaler Zahnstein ist als der Versuch des Organis-
mus anzusehen, die parodontopathogenen Bakterien durch Mineralisa-
tion zu inaktivieren.
17 Epidemiologie entzündlicher
Parodontopathien 1
2
3
4
! In epidemiologischen Studien erfolgt die objektive Erfassung der
Mundgesundheit und der Plaque- und Zahnsteinausdehnung
mithilfe von Indizes. Neben der Verwendung in epidemiologi- 5
schen Studien dienen Indizes der Beurteilung der Mundgesund-
heit einzelner Personen und der Kontrolle von Therapieerfolgen.
6
Der Zahnarzt kann dem Patienten mithilfe der Indizes demonstrieren,
in welchen Bereichen der Mundhöhle Entzündungen vorliegen und die 7
Mundhygiene verbessert werden muss. Er kann darüber hinaus die Mit-
arbeit des Patienten im Behandlungsverlauf abschätzen. An einen guten 8
Index und an verlässliche diagnostische Maßnahmen werden be-
stimmte Anforderungen gestellt: 9
Quantitative (evtl. qualitative) Aussagen
Hohe Sensitivität und Spezifität
Hoher positiver/negativer Vorhersagewert
10
Einfachheit und Reproduzierbarkeit
Rasche, praktische Anwendung und Ausrechnung (insbesondere in 11
der zahnärztlichen Praxis)
Einfache Handhabung, auch durch nicht speziell geschulte Zahn- 12
ärzte bzw. geschultes zahnmedizinisches Fachpersonal
13
Die Indizes werden üblicherweise an allen Zähnen eines Gebisses erho-
ben. In Ausnahmefällen kann die Untersuchung auch nur an den sog.
Ramfjord-Zähnen erfolgen. Die Ramfjord-Zähne (16, 21, 24, 36, 41, 44)
14
werden als repräsentativ für das gesamte Gebiss angesehen.
Der jeweilige Index für den einzelnen Patienten wird meistens er- 15
rechnet, indem die Summe der Messwerte oder Ja-/Nein-Entscheidun-
gen durch die Anzahl der Messorte dividiert wird. 16
Formel:
Summe der Messwerte
Index =
Summe der Messorte
17
18
17.1 Plaque-Indizes
19
Neben den nachfolgend beschriebenen Indizes werden auch gravime-
trische Verfahren (Bestimmung des Gewichts der vorliegenden Plaque) 20
! Der Plaque-Index nach Quigley und Hein (QHI) wird heute meist
in der von Turesky und Mitarbeitern modifizierten Form ange-
wendet. Er bewertet den Plaquebefall der koronalen Zahnober-
flächen. Die approximale und sulkuläre Plaque wird nur unzurei-
chend beurteilt.
Bewertung Vor der Erhebung werden die vestibulären und lingualen Oberflächen
aller Zähne mit Plaquerevelatoren eingefärbt.
Folgende sechs Schweregrade werden unterschieden (s. Abb. 17.1):
Grad 0: keine Plaque
Grad 1: vereinzelte Plaqueinseln
Grad 2: deutliche, zusammenhängende, bis zu 1 mm breite Plaque-
linie am Gingivarand
Grad 3: Plaqueausdehnung im zervikalen Zahndrittel
Grad 4: Plaqueausdehnung bis ins mittlere Zahndrittel
Grad 5: Plaqueausdehnung bis ins koronale Zahndrittel
Grad 0 1 2 3 4 5
4
Gingiva-
saum
Gingiva-
saum
5
Vor der Erhebung werden die vestibulären und lingualen Oberflächen Bewertung
6
aller Zähne mit Plaquerevelatoren eingefärbt. Plaque wird in jedem der
neun Zahnbereiche als vorhanden (bewertet als 1) oder nicht vorhan- 7
den (bewertet als 0), sowohl für bukkale als auch für linguale Oberflä-
chen, aufgezeichnet (s. Abb. 17.2). Zur weiteren Auswertung können die 8
Plaqueansammlungen für den gesamten Mund, die lingualen oder buk-
kalen Oberflächen sowie die marginalen und approximalen Bereiche ge- 9
trennt ausgewertet werden. Die Bewertungen werden oft an standardi-
sierten fotografischen Aufnahmen vorgenommen.
10
17.1.3 Plaque-Index (PI) nach Silness und Löe 11
12
! Der Plaque-Index nach Silness und Löe bewertet den Plaquebefall
und die Plaquedicke im Zahnhalsbereich unter Berücksichtigung
des Sulkus, der Zahnoberfläche und des Gingivarandes. 13
Die Untersuchung erfolgt mit Spiegel und Sonde an allen zuvor sorgfäl-
tig getrockneten Zahnflächen, ohne dass die Plaque angefärbt wird.
14
Es werden folgende vier Schweregrade unterschieden: Bewertung
Grad 0: keine Plaque durch Inspektion und Sondierung zu erkennen 15
Grad 1: nicht sichtbarer, dünner Plaquefilm, der nur durch Abscha-
ben mit der Sonde zu erkennen ist 16
Grad 2: mäßige Plaqueablagerung, die mit bloßem Auge zu erken-
nen ist; die Plaque füllt den Interdentalraum nicht aus
Grad 3: dicke Plaqueablagerung, die den Interdentalraum ausfüllt
17
18
17.1.4 Modifizierter Plaque-Index (PI) nach Mombelli
19
! Der modifizierte Plaque-Index nach Mombelli bewertet die
Plaqueakkumulation um Implantate. Die Plaque wird vorher
nicht angefärbt.
20
Im Rahmen einer Parodontalbehandlung wird ein API von 35% und we-
niger als Ausdruck einer guten Mitarbeit des Patienten gewertet.
Man geht davon aus, dass der Entzündungsgrad der Gingiva neben
dem Auftreten von ödematösen Schwellungen und Rötungen vor allem
mit der Blutungsneigung der Gingiva nach stumpfem Sondieren mit
einer Parodontalsonde korreliert.
Bei gleichzeitiger Erhebung eines Plaque-Index kann der Zahnarzt
überprüfen, ob der Patient dauerhaft eine gute Mundhygiene betreibt
oder ob er nur vor dem jeweiligen Zahnarztbesuch seine Zähne gründ-
lich reinigt. Das ist der Fall, wenn ein hoher Entzündungsgrad der Gin-
giva bei einem niedrigen Plaque-Index vorliegt.
Die Überprüfung der Neigung des Parodonts zur Blutung bei vorsichti-
ger Sondierung stellt keinen Index im eigentlichen Sinne dar, wird aber
in der klinischen Situation häufig zur Einschätzung der parodontalen
Gesundheit verwendet. Wenn es bei vorsichtiger Sondierung des api-
kalsten Teils des gingivalen Sulkus oder der parodontalen Tasche mit
einer Kraft von 0,25 N nach Entfernung der Sonde zu einer Blutung
kommt, wird diese Zahnfläche als Bleeding-on-Probing-(BoP-)positiv
gewertet. Die Blutung wird als Zeichen einer vorliegenden Entzündung
sowie des Vorhandenseins subgingivaler Beläge interpretiert.
3
17.2.3 Modifizierter Sulkus-Blutungs-Index (SBI) nach Lange
4
! Es wird nur das Vorhandensein einer Blutung nach vorsichtigem
Ausstreichen des Sulkus in Form einer Ja-/Nein-Entscheidung be-
wertet. Die Abschätzung von Therapieerfolgen ist deshalb nur sehr
5
grob möglich. Die Erhebung erfolgt im ersten und dritten Qua-
dranten vestibulär und im zweiten und vierten Quadranten oral.
6
Der modifizierte SBI wird in Prozent angegeben (Anzahl der Stellen
mit Blutung dividiert durch die Anzahl der gemessenen Stellen). 7
Die Beurteilung kann in der Praxis mit dem API kombiniert vorgenom- 8
men werden.
9
17.2.4 Modifizierter Sulkus-Blutungs-Index (SBI) nach Mombelli
10
! Dieser Index dient als klinisch-diagnostischer Index zur Beurtei-
lung von Entzündungen bei Implantaten. 11
Folgende Bewertungen werden unterschieden: Bewertung 12
Grad 0: keine Blutung auf Sondierung
Grad 1: isolierte sichtbare Blutung auf Sondierung
13
Grad 2: linienförmige sichtbare Blutung auf Sondierung im Sulkus-
bereich
Grad 3: starke Blutung auf Sondierung
14
15
17.2.5 Papillen-Blutungs-Index (PBI) nach Saxer und Mühlemann
16
! Beim PBI wird lediglich das Auftreten einer Blutung im Papillen-
bereich nach vorsichtigem Ausstreichen des Sulkus mit einer
stumpfen Parodontalsonde im Papillenbereich beurteilt. Die Son-
17
dierung erfolgt – wie beim API – im ersten und dritten Quadran-
ten oral und im zweiten und vierten Quadranten vestibulär. In je- 18
der Sitzung wird die Summe der Bewertungen für jeden Quadran-
ten getrennt und für das Gesamtgebiss notiert. 19
Unter relativer Trockenlegung wird der Sulkus von der Papillenbasis Vorgehen 20
ausgehend bis zur Papillenspitze vorsichtig ausgestrichen. Dabei wird
Grad 0 1 2 3 4
die Sonde in einem Winkel von 45° (nicht parallel!) zur Zahnachse
schräg in den Sulkus geführt. Die Blutung wird nach ca. 20 s beurteilt.
Mithilfe des PBI kann der Verlauf einer entzündlichen Parodon-
talerkrankung auf einfache Weise kontrolliert werden.
Bewertung Folgende Bewertungen werden unterschieden (s. Abb. 17.3):
Grad 0: keine Blutung
Grad 1: Auftreten eines Blutungspunktes
Grad 2: Auftreten mehrerer Blutungspunkte oder einer Blutlinie
Grad 3: Ausfüllen des interdentalen Dreiecks mit Blut
Grad 4: profuse Blutung nach der Sondierung; Blut fließt über den
Zahn oder die Gingiva
Vorgehen Beim GBI wird mit dem stumpfen Ende einer Parodontalsonde der Sul-
kus ausgestrichen und nach ungefähr 10 Sekunden überprüft, ob eine
Blutung ausgelöst werden konnte oder nicht. Die Bewertung erfolgt an
vier (mesial, bukkal, distal und oral) oder sechs (mesio-bukkal, bukkal,
disto-bukkal, mesio-oral, oral und disto-oral) Stellen jedes Zahnes. Der
Anteil der Flächen mit Blutung wird prozentual zur Gesamtzahl aller be-
werteten Zahnflächen angegeben.
Formel:
Stellen mit Blutung × 100
GBI =
Zahnzahl × 6
! Mithilfe des PSI kann bei jedem Patienten unabhängig vom Le-
bensalter eine eventuelle parodontale Behandlungsbedürftig-
keit festgestellt werden. Der Index sollte Bestandteil jeder Basis-
untersuchung sein.
8,5 mm 4
5,5 mm 5
3,5 mm
6
0,5 mm
7
Das Indexsystem kann zur Früherkennung und in der unterstützen-
den Nachsorge der Patienten eingesetzt werden. Er ist eine Weiterent- 8
wicklung des Community Periodontal Index of Treatment Needs
(CPITN). Im Gegensatz zu diesem wird bei Erwachsenen der PSI an allen 9
Zähnen ermittelt. Bei Kindern und Jugendlichen beschränkt sich die
Untersuchung auf die Inzisivi (11, 31) und die ersten Molaren. Die Mes-
sung erfolgt mit der WHO-Sonde, deren Spitze aus einer kleinen Kugel
10
(0,5 mm Durchmesser) besteht und die im Bereich von 3,5–5,5 mm Son-
dierungstiefe schwarz markiert ist (s. Abb. 17.4). 11
Zur Erhebung wird das Gebiss des Erwachsenen in Sextanten einge- Vorgehen und
teilt, die jeweils getrennt untersucht werden. Jeweils die beiden Molaren Bewertung 12
und Prämolaren bilden einen Seitenzahnsextanten, die Frontzähne ei-
nen weiteren Sextanten. Innerhalb jedes Quadranten werden alle Zähne 13
an sechs Stellen (mesio-bukkal, bukkal, disto-bukkal, mesio-lingual, lin-
gual, disto-lingual) sondiert und der höchste Codewert (0–4) des Sextan-
ten in einer Sechsfeldertafel notiert (s. Abb. 17.5). Wird an einer Stelle
14
Grad 0 Grad 1 Grad 2 Grad 3 Grad 4 15
16
17
18
19
Abb. 17.5: Bewertungsgrade (Code 0–4) des parodontalen Screening-Index (PSI), Graduierung s. Tab. 17.1
20
Tab. 17.1: Definition des Codes des parodontalen Screening-Index (PSI) mit
dem zugehörigen Befund, dem Hinweis auf die vorliegende Erkrankung und
der jeweiligen Therapiekonsequenz
PSI-Code Befund Therapiekonsequenz
0 Das schwarze Band der Sonde bleibt am tiefs- Keine therapeutischen
ten Sulkus des Sextanten vollständig sichtbar. Interventionen
Kein Zahnstein, notwendig.
keine defekten Restaurationsränder. Erneute Kontrolle
Gingivagewebe ist gesund, keine Blutung nach 0,5 Jahren1.
nach vorsichtiger Sondierung.
→ Gesunde Parodontalverhältnisse
1 Das schwarze Band der Sonde bleibt an der Keine zusätzlichen
höchsten Sondierungstiefe des Sextanten diagnostischen
vollständig sichtbar. Maßnahmen
Kein Zahnstein, notwendig.
keine defekten Restaurationsränder Motivation zur effi-
Blutung nach vorsichtiger Sondierung zienten Mundhygiene.
→ Gingivitis Erneute Kontrolle
nach 0,5 Jahren1.
2 Das schwarze Band der Sonde bleibt an der Wie bei Code 1.
höchsten Sondierungstiefe des Sextanten Zusätzlich
vollständig sichtbar. subgingivale
Supra- und subgingivale Beläge Zahnsteinentfernung
oder defekte Restaurationsränder. und Entfernung
→ Gingivitis iatrogener/lokaler
Reizfaktoren.
Erneute Kontrolle
nach 0,5 Jahren1.
3 Das schwarze Band der Sonde ist an der Systematische Paro-
höchsten Sondierungstiefe des Sextanten dontalbehandlung mit
zum Teil sichtbar. ausführlicher
→ Mittelschwere bis schwere Parodontitis Diagnostik und
4 Das schwarze Band der Sonde verschwindet Therapie.
vollständig (Sondierungstiefe > 5,5 mm).
→ Mittelschwere bis schwere Parodontitis
* Codezahl wird mit Sternchen versehen z.B. bei Furkationsbefall,
Zahnlockerung, mukogingivalen Problemen sowie bei Rezessionen,
die den schwarz eingefärbten Bereich der Sonde oder mehr erreichen.
X Zahnloser Sextant
1 In Deutschland ist der PSI gemäß Gebührenordnung (BEMA) nur alle 2 Jahre abrech-
nungsfähig.
14
15
17.3 Fallklassifikationen nach CDC/AAP
16
! Fallklassifikationen beruhen auf verschiedenen klinischen Parame-
tern und vermitteln eine Einordnung im Hinblick auf die Schwere
einer Erkrankung. In der Parodontologie stellen sich aufgrund ei-
17
ner Empfehlung der amerikanischen Centers for Disease Control
and Prevention (CDC) und der American Academy of Periodonto- 18
logy (AAP) drei Falldefinitionen dar: 1) schwere Parodontitis, 2)
moderate Parodontitis und 3) keine oder milde Parodontitis. 19
20
Vorgehen Zur Messung der SFFR werden genormte Filterpapierstreifen ca. 30 s an den
Eingang des Sulkus bzw. der Zahnfleischtasche gelegt. Die Streifen kom-
men anschließend in eine 0,2%ige Ninhydrin-Lösung. Die durch das Nin-
hydrin blau gefärbte Strecke des Streifens wird mit einer Messlupe ausge-
messen und bewertet. Sie beträgt bei einer histologisch gesunden Gingiva
0 mm, bei einer klinisch entzündungsfreien Gingiva 3 mm. Werte über
3 mm sind Ausdruck einer gingivalen oder parodontalen Entzündung.
Digitale Die Bestimmung der SFFR kann auch mit einer digitalen Messstation
Messstation vorgenommen werden, welche die absorbierte Flüssigkeitsmenge volu-
metrisch erfasst. Dabei entfällt die umständliche Anfärbung mit Ninhy-
drin-Lösung, sodass das Verfahren in der zahnärztlichen Praxis zur Ver-
laufskontrolle parodontaler Erkrankungen gut eingesetzt werden kann.
nahme bis zum 13. Lebensjahr, sodass bei ca. 50–80% der Kinder dieses
Alters eine Gingivitis beobachtet werden kann. Mit fortschreitendem 1
Alter tritt eine Abnahme der Gingivitisprävalenz ein, die aber in neue-
ren Studien nicht immer beobachtet werden konnte. Gleichzeitig 2
kommt es zu einer Zunahme der Parodontitisprävalenz. Studien aus den
USA aus dem Jahr 2013 konnten bei den über 30-Jährigen eine Parodon-
titisprävalenz von 40–60% nachweisen. Mit zunehmendem Alter stieg
3
der Anteil auf bis 70–80% bei den 80-Jährigen (s. Abb. 17.7c).
Dabei ist zu bedenken, dass Parodontitiden zusätzlich meist mit 4
dem Vorhandensein von gingivitischen Veränderungen vergesell-
schaftet sind. 5
Die Ursache für eine Zahnextraktion mit fortschreitendem Alter
ist zunehmend eine Parodontalerkrankung, Karies bleibt aber auch
6
im Alter immer noch die Hauptursache für einen Zahnverlust.
7
In der Bundesrepublik Deutschland konnten 2014 in einer repräsentati-
ven Studie bei 22% der 12-jährigen Kinder entzündungsfreie Verhält- 8
nisse (PBI = 0) festgestellt werden. Keine oder nur eine milde Parodonti-
tis entsprechend der CDC/AAP-Fallklassifikation wiesen 48% der jünge- 9
ren Erwachsenen (35–44 Jahre), 35% der jüngeren Senioren (65–74
Jahre) und 10% der älteren Senioren (75–100 Jahre) auf, die erstmalig als
Altersgruppe mit einbezogen wurden. Damit hat sich der Anteil der Pa-
10
tienten ohne oder mit nur milder Parodontitis gegenüber der letzten Er-
hebung im Jahr 2005 deutlich verbessert (s. Tab. 17.2). In ähnlich deut- 11
licher Weise ist gemäß dieser Daten der Anteil von Patienten mit schwe-
rer Parodontitis in diesen Altersklassen zurückgegangen. 12
Bei den in Tabelle 17.2 aufgeführten Daten muss berücksichtigt wer-
den, dass der Parodontalstatus nur an jeweils sechs Indexzähnen ermit- 13
telt wurde. Betrachtet man die Ergebnisse auf Basis eines sog. Full
mouth recordings, mit Befundung an allen Zähnen, ergeben sich aus
der Studie höhere Prävalenzdaten von Patienten mit moderater bzw.
14
schwerer Parodontitis (Tab. 17.3). Es zeigt sich, dass in diesem Fall eine
ausschließliche Erhebung an sechs Indexzähnen zu einer Überschät- 15
zung der Personen mit keiner/milder Parodontitis führt.
Prävalenzdaten geben meist wenig Auskunft über den Schweregrad 16
der parodontalen Destruktion und der Behandlungsbedürftigkeit. Mit-
hilfe des CPI (Community Periodontal Index) durchgeführte Studien
(s. Abb. 17.8) gaben Aufschluss darüber, dass der überwiegende Teil der
17
Untersuchten parodontale Destruktionen (CPI-Grad 1 bis 3) aufwies, die
durch eine Verbesserung der Mundhygiene und eine Entfernung des su- 18
pra- und subgingivalen Zahnsteins zu therapieren waren. Nur bei einem
geringen Teil der Untersuchten waren die Destruktionen (Grad 4) so 19
stark, dass komplexe parodontalchirurgische Therapien indiziert waren.
Das Lebensalter und die damit verminderte Regenerationskraft der 20
Patienten besitzen nur einen geringen Einfluss auf den Schweregrad der
30
20
Prävalenz (%)
10
0
0 20 40 60 80
a Alter (Jahre)
3000
Inzidenz pro 100 000 Personen [N]
2000
1000
0
0 20 40 60 80
b Alter (Jahre)
90
80
70
60
Prävalenz (%)
50
40
Moderat
30 Gesamt
20 Mild Schwer
10
0
30 40 50 60 70 80
c Alter (Jahre)
17.7: a) Prävalenz schwerer Parodontitiden in verschiedenen Altersklassen (modifi-
ziert nach Kassebaum et al. 2014). Der graue Bereich gibt das 95%-Konfidenzinter-
vall an. b) Inzidenz (Anzahl) neu auftretender schwerer Parodontitiden in ver-
schiedenen Altersklassen (modifiziert nach Kassebaum et al. 2014). Der graue Be-
reich gibt das 95%-Konfidenzintervall an. c) Parodontitisprävalenz in den USA
unterteilt nach Schweregraden und gesamthaft (modifiziert nach Thornton-Evans
et al. 2013). Die fehlende Übereinstimmung der Grafen kann mit der unterschied-
lichen Zusammensetzung der untersuchten Gruppen erklärt werden.
Tab. 17.3: Auf Basis eines Full mouth recordings erhobene Parodontitispräva-
6
lenzen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2014 (DMS V) entspre-
chend der Fallklassifikation-CDC/AAP. Die Zahlen sind gerundet.
7
Fallklassifikation der Parodontitis
Altersklasse (Jahre) Keine/milde Moderate Schwere 8
35–44 32% 53% 14%
65–74 10% 54% 41% 9
74–100 10% 46% 46%
10
60
53
11
50 51
48
40 12
Prävalenz (%)
40
30
27
30 13
20
20 19
14
10 12
CPI-Grad
0
0–2 3 4 0–2 3 4 0–2 3 4
15
Altersklasse 35–44 Jahre 65–74 Jahre 75–100 Jahre
16
Abb. 17.8: Prävalenz des maximalen CPI in verschiedenen Altersklassen in der
Bundesrepublik Deutschland (nach Jordan und Micheelis 2016). Die CPI-Grade 0–2
wurden zu einem Wert zusammengefasst.
CPI-Grade:
17
0 = keine Krankheitssymptome nach Sondierung mit WHO-Sonde
1 = Blutung nach Sondierung
2 = Blutung nach Sondierung, Vorliegen von supra- und subgingivalem Zahnstein,
18
Sondierungstiefe nicht über 3 mm
3 = Sondierungstiefe 4–5 mm
4 = Sondierungstiefe 6 mm und mehr
19
20
Tab. 17.4: Prävalenz von Mukositis und Periimplantitis auf Patienten- bzw.
Implantatebene. Die Zahlen sind gerundet (modifiziert nach Derks und
Tomasi 2015).
Prävalenz
Patientenebene Implantatebene
Mukositis 19–65% 22–90%
Periimplantitis 1–47% 0–37%
10
18.1.1 Anamnese
11
Die Anamnese wird in eine Familienanamnese, eine allgemeine und Familien-
eine spezielle Eigenanamnese unterteilt. Da bei einigen parodontologi- anamnese 12
schen Erkrankungen eine genetische Disposition diskutiert wird, sollte
in der Familienanamnese geklärt werden, ob familiär gehäuft be- 13
stimmte systemische Erkrankungen vorliegen. Dabei sollte gezielt auf
die in Kapitel 18.2 beschriebenen Erkrankungen Aufmerksamkeit gelegt
werden, bei denen gingivo-parodontale Manifestationen vorliegen kön-
14
nen (z.B. Down-Syndrom, Papillon-Lefèvre-Syndrom, Cohen-Syndrom
usw.). 15
Bei der Einnahme verschiedener Arzneimittel und dem Vorliegen Eigenanamnese
bestimmter Allgemeinerkrankungen werden häufig Krankheitssymp- 16
tome am Parodont beobachtet. Deshalb sollte der Patient in der allge-
meinen Eigenanamnese gezielt nach der Einnahme bestimmter Arznei-
mittel (v.a. Nifedipin, Cyclosporin A, Hydantoin-Präparate und Kontra-
17
zeptiva) und dem Vorliegen von Allgemeinerkrankungen (Diabetes
mellitus, Osteoporose, Osteopenie, Bluterkrankungen, HIV-Infektion, 18
Ernährungsmängel, Schwermetallintoxikationen, blasenbildende Der-
matosen usw.) befragt werden. Bei weiblichen Patienten ist das Vorlie- 19
gen einer Schwangerschaft abzuklären. Das Vorliegen eines Endokardi-
tisrisikos oder kardiovaskulärer Erkrankungen sollte abgefragt werden. 20
18.1.2 Befund
Extraoraler Der Befund wird in einen extra- und einen intraoralen Befund unter-
Befund teilt. Im Rahmen des extraoralen Befundes sind Lippenhaltung und
Lippenschluss hinsichtlich des Vorliegens einer Mundatmung zu kon-
trollieren. Es erfolgt eine Palpation der Lymphknoten (vor allem sub-
mandibulär), die bei akuten entzündlichen Parodontopathien druck-
schmerzhaft und vergrößert sein können.
Intraoraler Der intraorale Befund beinhaltet neben dem allgemeinen Zahnbe-
Befund fund grundsätzlich einen Inspektionsbefund der Lippen, Schleimhäute,
der Zunge und des Mundbodens. Bei allen Patienten wird der Parodon-
tale Screening-Index (PSI) ebenso wie ein Inspektionsbefund der Gin-
giva erhoben. Dadurch wird verhindert, dass parodontale Läsionen über-
sehen werden. Beim allgemeinen Zahnbefund wird zuerst notiert, ob feh-
lende, ersetzte, überkronte, kariöse und gefüllte Zähne bzw. abstehende
Füllungs- und Kronenränder vorliegen. Des Weiteren wird kontrolliert,
ob supragingivaler Zahnstein vorliegt. Darüber hinaus sollte eine Sensi-
bilitätsprüfung aller Zähne erfolgen, vor allem aber derjenigen Zähne, bei
denen parodontale oder endodontale Probleme vermutet werden.
Die freie und die befestigte Gingiva besitzen normalerweise eine feste
Konsistenz und sind blassrosa. Die freie Gingiva läuft koronal meist
flach aus. Sie besitzt eine glatte Oberfläche und ist 0,8–2,5 mm breit. Die
Oberfläche der befestigten Gingiva erscheint bei vielen Patienten ge-
stippelt (gefleckt). Die befestigte Gingiva ist ca. 1–9 mm breit und lässt
sich nicht gegen ihre Unterlage verschieben.
Rezessionen Bei der Kontrolle des Verlaufs der Gingiva sollte überprüft werden,
ob parodontale Rezessionen vorliegen. Liegt der Gingivarand direkt
auf der Schmelz-Zement-Grenze, kann bereits von einer Rezession von
ca. 2 mm ausgegangen werden. Rezessionen werden oral und vestibulär
mit einer Parodontalsonde gemessen. Die Rezession wird als Distanz
zwischen Gingivarand und Schmelz-Zement-Grenze in Millimetern an-
gegeben.
a b c
Das Bluten nach Sondierung bis auf den sondierbaren Boden der
Tasche (Bleeding on Probing, BoP) weist auf das Vorhandensein
von subgingivaler Plaque und das Vorliegen einer Entzündung hin.
Daher sollte das Vorhandensein einer Blutung nach Sondierung zu-
sätzlich zur Sondierungstiefe notiert werden. Allerdings weisen die
klinischen Parameter „Blutung nach Sondierung“ sowie das Vorlie-
gen von eitrigem Taschenexsudat nur eine geringe Sensitivität (ca.
30%) bzw. Spezifität (ca. 70%) hinsichtlich der Erkennung schwerer
Parodontopathien auf.
Druckkalibrierte Zu beachten ist, dass vor allem beim unbehandelten Patienten Konkre-
Sonden mente den Tascheneingang verlegen und die Messung erschweren kön-
Dynamische Unter dynamischer Beweglichkeit eines Zahnes versteht man die Fähig-
Beweglichkeit keit des Parodonts, impulsartig auftreffende Kräfte abzubremsen. Die
dynamische Beweglichkeit eines Zahnes kann mit dem Periotest-Gerät
ermittelt werden. Dabei trifft ein Stößel impulsartig auf einen Zahn auf
und wird abgebremst. Die Kontaktzeit, also das Abbremsverhalten des Stö-
ßels, wird von einer Messapparatur aufgezeichnet. Diese Kontaktzeiten
werden bestimmten Periotest-Werten (–8 bis +50) zugeordnet, die mit ma-
nuell ermittelten Beweglichkeitsmessungen korrelieren. Die Messappara-
turen zur Zahnbeweglichkeitsmessung besitzen wie die elektronischen Pa-
rodontalsonden eine hohe Messauflösung, zeigen aber wie diese Sonden
eine schwankende Reproduzierbarkeit der Messergebnisse. Die Werte des
Periotests korrelieren gut mit den oben genannten Lockerungsgraden
(Grad 0: –8 bis +9, Grad 2: 10–19, Grad 3: 20–29 und Grad 4: 30–50).
4
5
b
6
Abb. 18.2: a) Einteilung des Furkationsbefalls Grad I–III, dargestellt an einem unte-
ren Molaren, b) verschiedene Möglichkeiten der Befunderhebung zum Vorliegen 7
eines Furkationsbefalls bei einem oberen Molaren (Graduierung s. S. 552)
Mukogingivalbefund 8
9
! Beim Mukogingivalbefund werden der Ansatz von Lippen-, Wan-
gen- und Zungenbändchen und die Tiefe des Vestibulums kon-
trolliert.
10
Hoch ansetzende, in die Gingiva einstrahlende Frenula und ein flaches
Vestibulum können über die umgebende Muskulatur einen Zug auf die 11
Gingiva ausüben. Dies kann zu gingivalen Rezessionen führen. Darüber
hinaus schränken hoch ansetzende Frenula und ein tiefes Vestibulum 12
die Mundhygienefähigkeit des Patienten ein.
13
Röntgenbefund
14
! Der Röntgenbefund hilft abzuklären, ob parodontal bedingte
Knochendestruktionen, apikale Osteolysen, Wurzelfüllungen,
überstehende Kronen- und Füllungsränder, Konkremente und 15
Veränderungen der Zahnhartsubstanz vorliegen.
16
Zur Darstellung aller Parodontitiden eines Gebisses sind je nach Anzahl Darstellung
und Lage der vorhandenen Zähne bis zu 14 intraorale Summations-Ein-
zelaufnahmen erforderlich. Um Unschärfen und Überlagerungen zu
17
vermeiden, ist der Röntgenstatus in Rechtwinkeltechnik (z.B. nach
Rinn) zu erstellen. 18
Eine Schichtaufnahme, wie z.B. das Orthopantomogramm (OPG),
genügt nicht, um feine Knochenstrukturen hinreichend genau darzu- 19
stellen. Projektionsbedingt lassen aber auch die Einzelaufnahmen nur
eine Beurteilung des interdentalen und interradikulären Knochens zu. 20
Der vestibuläre bzw. orale Knochen kann nicht beurteilt werden.
Auch hier ist die definitive Abklärung, welche Form der Knochentasche
vorliegt, erst bei direkter Sicht intra operationem möglich. Darüber hi-
naus ist im Röntgenbefund zu kontrollieren, ob der Desmodontalspalt
normal konfiguriert oder erweitert ist oder ob der Knochen am Alveolar-
eingang trianguläre Aussprengungen aufweist. Ein erweiterter Desmo-
dontalspalt oder trianguläre Knochendefekte deuten auf eine okklusale
oder funktionelle Fehlbelastung eines Zahnes hin.
Neben der klassischen zweidimensionalen Röntgentechnik hat mit
der dreidimensionalen Röntgendiagnostik mithilfe der digitalen Volu-
mentomografie (DVT) eine Methode zunehmend Verbreitung erfahren,
mit der eine gute Bildqualität und Genauigkeit zur Bestimmung paro-
2 1 2 1 1
3
a b c d
Diagnostische Testsysteme 7
8
! Diagnostische Tests geben ergänzend zum klinischen und röntge-
nologischen Befund zusätzliche Informationen über die Art der
Infektion, Prognose, Progredienz und den Therapieerfolg. 9
Diese Tests dienen als Hilfsmittel, um eine klinische Diagnose zu über-
prüfen und eine Verlaufskontrolle einer Therapie durchzuführen. Sie er-
10
setzen nicht den klinischen Befund. Mit verfeinerten Diagnosemaßnah-
men ist es allerdings möglich, geringe Veränderungen der parodontalen 11
Gesundheit frühzeitiger zu erfassen. Es stellt sich aber die Frage nach der
Notwendigkeit und Aussagekraft solcher Testsysteme, da bei einem 12
zahnärztlichen Befund mit der Erhebung des Sondierungsbefundes be-
reits genügend Informationen über das Vorliegen und den Schwergrad 13
einer parodontologischen Erkrankung ermittelt werden können. Auch
für eine prädiktive Diagnostik sind diese speziellen Tests wenig hilf-
reich, da die individuelle Patientenantwort auf eine Therapie häufig
14
sehr unterschiedlich ausfällt. Auch lassen sich aus den Testungen keine
patientenspezifischen Therapien ableiten. Dennoch wird an dieser 15
Stelle der Vollständigkeit halber auf einige der gebräuchlichsten Tests
eingegangen. 16
Diagnostische Tests lassen sich unterteilen in:
Mikrobiologische Untersuchungen
Marker der Wirtsantwort
17
Humangenetische Tests
18
Die Überlegung, mikrobielle Bestimmungen der Plaquebakterien durch- Mikrobiologische
zuführen, entstand in der grundsätzlichen Annahme, dass bestimmte Untersuchungen 19
Markerkeime bei bestimmten parodontologischen Erkrankungen oder
Erkrankungsverläufen eine maßgebliche Rolle spielen. Somit versuchte 20
man, diese Keime mit spezifischen Tests zu identifizieren, um gezielte
Die in der Abb. 18.4 dargestellte, im Jahr 2018 neu erarbeitete interna-
tional aufgestellte Klassifizierung löst die bisher gültige Nomenklatur 1
aus dem Jahr 1999 ab. Die neue Klassifikation beschreibt entsprechend
klinischen, radiografischen und anamnestischen Kriterien verschiedene 2
Formen der Gingivitis, Parodontitis und Periimplantitis und definiert
erstmals neu den Begriff der gingivalen Gesundheit, auch in einem re-
duzierten Parodont, wie es nach einer erfolgreichen Parodontitisthera-
3
pie vorliegen kann.
Parodontale Erkrankungen nehmen häufig einen chronischen Ver- 4
lauf. Nach der Diagnose einer Parodontitis bleibt ein Patient somit ein
Leben lang ein Parodontitispatient. Daher ist es erforderlich, die einmal 5
erhobene Diagnose regelmäßig zu überprüfen, zu reevaluieren und eine
angemessene Therapie einzuleiten. Nach erfolgreicher Therapie kann
ein Patient folglich in drei Kategorien fallen:
6
1. Kontrolliert: gesund und stabil
2. Remission: gingivale Entzündung 7
3. Unkontrolliert: wiederkehrende Parodontitis und instabil
8
9
10
Parodontale Erkrankungen und Zustände 11
Parodontale Gesundheit,
Andere das Parodont
gingivale Erkrankungen und
Zustände
Parodontitis
betreffende Zustände 12
Parodontale Gesundheit und Nekrotisierende parodontale Systemische Erkrankungen 13
gingivale Gesundheit Erkrankungen und Zustände mit Einfluss auf
das Parodont
Gingivitis: Parodontitis 14
biofilminduziert Parodontale Abszesse und
Parodontitis als Manifestation Endo-Paro-Läsionen
Gingivale Erkrankungen: systemischer Erkrankungen 15
nicht biofilminduziert Mukogingivale Deformitäten
und Zustände
16
Traumatische okklusale Kräfte
Beim schlecht eingestellten Diabetes mellitus findet man, wie bereits Diabetes mellitus,
17
beschrieben, eine Interaktion mit entzündlichen Parodontopathien. Hyperglykämie
Die Hyperglykämie kann neben anderen Auswirkungen auch zu einer 18
Erhöhung der Glukose in der Sulkusflüssigkeit und im Speichel führen.
Dadurch wird das Wachstum von subgingivalen Plaquebakterien geför- 19
dert, die parodontale Veränderungen auslösen. Ein grundsätzlicher
Unterschied in der bakteriellen Flora zwischen Diabetikern und Nicht- 20
diabetikern besteht nicht. Tendenziell werden aber vermehrt Capnocyto-
somit das Risiko für die Entstehung entzündlicher Reaktionen des Paro-
donts.
Folgend wird auf einzelne der in Tab. 18.2 (Neue Klassifikation) aufge-
listeten Erkrankungen eingegangen. Weitere Informationen sind Lehr-
büchern der Inneren Medizin oder Dermatologie zu entnehmen.
Erbliche Gingiva- Die hereditäre Gingivafibromatose ist eine generalisierte oder auf
fibromatose Zahngruppen begrenzte derbe, fibröse Verdickung der Gingiva. Sie wird
häufig im Tuber- und Gaumenbereich der Molaren symmetrisch ange-
troffen. Die fibrös verdickte Gingiva ist primär entzündungsfrei, von
normaler oder eher blasser Farbe mit gestippelter, manchmal leicht gra-
nulierter Oberfläche. Durch Ausbildung von Pseudotaschen kommt es
häufig sekundär auch zu entzündlichen Veränderungen der Gingiva.
Bakterielle Verschiedene spezifische bakterielle Infektionen führen ohne
Infektionen Plaquebeteiligung zu oralen Infektionen.
Die Infektion mit Neisseria gonorrhoea kann zu meist symptomlo-
sen Enanthemen (Schleimhautveränderungen) führen.
hautstippen der Wange mit rotem Hof) und Röteln (fleckiges Rachen-
enanthem) oder bei Infektionen durch HPV-Papillomaviren (Schleim-
hautwarzen) auftreten.
Pilzinfektionen Als Symptom der oralen Candidiasis finden sich u.a. weiße, abwisch-
bare Beläge (Soor, Pseudomembranen), unter denen sich eine hochrote,
leicht blutende Schleimhaut befindet. Im Rahmen systemischer Erkran-
kungen wie z.B. Diabetes mellitus oder HIV-Infektion liegt eine orale
Candidiasis ebenfalls gehäuft als opportunistische Infektion vor.
Als lineares gingivales Erythem wird die bei HIV-Seropositiven oft
vorliegende starke Rötung der marginalen Gingiva bezeichnet. Eine
Histoplasmose (Histoplasma-Mykose) wird ebenfalls vorwiegend bei
immungeschwächten Patienten gefunden.
Autoimmun- Lichen planus ist eine Autoimmunerkrankung, die mit oralen hyperke-
erkrankungen ratotischen Effloreszenzen unterschiedlichen Aussehens (netzartig;
Wickham-Streifung, flächig oder erosiv) der oralen Mukosa einhergeht.
Eine maligne Transformation tritt bei ca. 2% der Fälle auf. Eine liche-
noide Reaktion kann auch durch zahnärztliche Materialien (z.B. Amal-
gam) ausgelöst werden.
Schleimhautpemphigoid, Pemphigus vulgaris und Erythema ex-
sudativum multiforme sind Dermatosen, deren vorliegende Verände-
rungen der Gingiva auch dem Formenkreis der desquamativen Gingivi-
tiden zugeordnet werden. Als desquamative Gingivitiden werden selten
auftretende Gingivaerkrankungen zusammengefasst, bei denen eine
nur dünne, hellrote Epithelschicht vorliegt, die sich leicht vom subepi-
thelialen Bindegewebe abheben lässt. Dabei können Blasenbildungen
der Gingiva vorliegen oder mit dem Luftbläser hervorgerufen werden.
Beim Lösen der Blasen bleiben schmerzhafte Erosionen oder Ulzeratio-
nen zurück. Das Schleimhautpemphigoid und der Pemphigus vulgaris
sind Autoimmunerkrankungen unklarer Genese. Beide Erkrankungen
werden häufiger bei Frauen als bei Männern diagnostiziert. Beim Ery-
thema exsudativum multiforme werden eine symptomatische Genese
infolge einer Arzneimittelunverträglichkeit und eine idiopathische Ge-
nese unterschieden.
Als Lupus erythematodes wird eine Autoimmunerkrankung mit
Bildung von Antikörpern gegen verschiedene Zellbestandteile bezeich-
Tab. 18.3: Nekrotisierende Parodontalerkrankungen (nach Schmidt und Walter 2019; Eickholz 2021)
Kategorie Patienten Prädisponierende Faktoren Klinischer Zustand
Chronisch schwer Erwachsene HIV+/AIDS mit CD4-Zellzahlen < 200 und NG, NP, NS, Noma
immunkompro- nachweisbarer Viruslast (mögliche Krankheits-
mittierte Andere schwerwiegende systemische progression)
Patienten Zustände (z.B. Immunsuppression)
Kinder Schwere Mangelernährung
Extreme Lebensumstände*
Schwere (virale) Infektionen**
Temporär Gingivitis- Unkontrollierte Faktoren (z.B. Stress, Rauchen, Generalisierte NG
und/oder moderat patienten Schlafmangel, unausgewogene schlechte (mögliche Progression
immunkompro- Ernährung, andere Gewohnheiten) zu NP)
mittierte Vorgeschichte einer
Patienten nekrotisierenden PAR-Erkrankung
mit persistierenden interdentalen Kratern
Lokale Faktoren Lokalisierte NG
(z.B. Wurzelengstand, Zahnfehlstellungen) (mögliche Progression
zu NP)
Allgemeine prädisponierende Faktoren für NG
nekrotisierende PAR-Erkrankungen (selten Progression)
Parodontitis- Allgemeine prädisponierende Faktoren für NG
patienten nekrotisierende PAR-Erkrankungen (selten Progression)
NG: nekrotisierende Gingivitis, NP: nekrotisierende Parodontitis, NS: nekrotisierende Stomatitis
* Leben in unterdurchschnittlichen allgemeinen bzw. hygienischen Verhältnissen, schlechte Mundhygiene,
stark einschränkende Kinderkrankheiten
** Masern, Windpocken, Herpesviren, Malaria, fiebrige Erkrankungen
(18–30 Jahre) klagen häufig über einen starken Foetor ex ore, Lymphkno-
tenschwellungen und in seltenen Fällen über Fieber.
Als Manifestation einer schweren systemischen Abwehrschwäche
kann sich eine nekrotisierende Parodontitis (NP) entwickeln. Die Ne-
krosen greifen dabei auch auf das parodontale Ligament und den Alveo-
larknochen über. Es tritt ein rascher Attachmentverlust ein, häufig ohne
Ausbildung tiefer Taschen. Eine Sequesterbildung des Knochens kann
beobachtet werden.
Prävalenz/DD Die Prävalenz der Erkrankung beträgt 0,2–6%. Differenzialdiagnos-
tisch muss die NG gegen eine Gingivostomatitis herpetica abgegrenzt
werden.
Ätiologie Die Ätiologie ist durch das Vorliegen folgender Faktorentrias ge-
kennzeichnet:
Schlechte Mundhygiene (bereits bestehende Gingivitis)
Rauchen
Psychosozialer Stress
Symptome Die Einteilung des Patienten entsprechend dem Staging basiert auf dem
Schweregrad der Parodontitis bei Erstvorstellung des Patienten (s. Tab.
18.4). Primäres Maß für das Staging ist die Anzahl an Zähnen mit erhöh-
ten approximal bestimmten klinischen Attachmentverlusten. Attach-
mentverluste aufgrund von Rezessionen, die keine Entzündung aufwei-
sen, werden nicht berücksichtigt. Die Anzahl der durch Parodontitis
verloren gegangenen Zähne wird ebenfalls in die Bewertung miteinbe-
zogen. Daneben spielen bei der Einteilung der röntgenologisch darstell-
bare Knochenverlust, die parodontale Taschenbildung sowie die Blu-
tungsneigung der Gingiva entscheidende Rollen. Stadium III und IV un-
terscheiden sich nur bezüglich der auftretenden Komplexitätsfaktoren.
Oft wird nur ein einziger Komplexitätsfaktor benötigt, um die Diagnose
Tab. 18.4: Einteilung der Stadien (I–IV) einer Parodontitis (modifiziert nach Jepsen). Die Bewertun-
gen und die Einteilung werden im ersten Befund bei dem Patienten erhoben. Der wesentliche Para-
meter stellt dabei das Klinische Attachment-Level (CAL) dar. Kann dieses nicht erhoben werden,
sollte der radiologische Knochenabbau verwendet werden. Liegt bereits ein Komplexitätsfaktor vor,
erfolgt die Zuordnung zum nächsthöheren Stadium.
Parodontitis-Stadium STAGING Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV
Schweregrad Interdentales 1–2 mm 3–4 mm ≥ 5 mm ≥ 5 mm
CAL an Stellen
mit höchstem
Verlust
Knochenabbau < 15% 15–33% > 33%
Zahnverlust Kein Zahnverlust ≤ 4 Zähne ≥ 5 Zähne
aufgrund von
Parodontitis
Komplexität Lokal Maximale ST Maximale ST Zusätzlich zu Zusätzlich zu Stadium III:
< 4 mm 4–5 mm Stadium II: Komplexe Rehabilitation
Vorwiegend horizontaler • ST ≥ 6 mm erforderlich aufgrund
Knochenabbau • vertikaler KA von:
≥ 3 mm • mastikatorischer Dys-
• FB Grad II funktion
oder III • sekundärem okklusa-
lem Trauma (Zahnbe-
weglichkeit ≥ Grad 2)
• Zahnwanderung
• ausgeprägtem Kamm-
defekt
• < 20 Restzähnen (10 ok-
kludierende Paare)
Ausmaß & Verwendung Für jedes Stadium Bewertung des Ausmaßes:
Verteilung zur genaueren • lokalisiert? (< 30% der Zähne betroffen)
Beschreibung • generalisiert?
des Stagings • Molaren-Inzisivi-Muster?
FB: Furkationsbeteiligung
ST: Sondierungstiefe
Tab. 18.5: Einteilung der Grade (A–C) einer Parodontitis (modifiziert nach Jepsen). Sofern möglich,
wird die direkte Evidenz zur Graduierung verwendet. Wenn diese nicht vorliegt, kann der radiologi-
sche Knochenabbau in Prozent der Wurzellänge beim am stärksten betroffenen Zahn (*KA) im Ver-
hältnis zum Lebensalter des Patienten herangezogen werden, um die vergangene Progression zu be-
urteilen. Ein früher Erkrankungsbeginn, wie er beim Molaren-Inzisivi-Muster häufig vorliegt, oder
ein behandlungsresistenter Erkrankungsverlauf führen zur Einteilung in Grad C.
Parodontitis GRADING Grad: Grad A Grad B Grad C
Progression: langsam moderat rasch
Primäre Direkte Longitudinale Kein Verlust < 2 mm über ≥ 2 mm über 5 Jahre
Kriterien Evidenz Daten für KA 5 Jahre
für Pro- oder CAL (über
gression 5 Jahre):
Indirekte *KA %/Alter: < 0,25 0,25–1,0 > 1,0
Evidenz Phänotyp: • Erheblicher Bio- • Destruktion • Destruktion unpro-
für Pro- film mit gerin- proportional portional zum Biofilm
gression ger parodontaler zum Biofilm • Episoden rapider
Destruktion Destruktion
• Früher Erkrankungs-
beginn
Modifi- Risiko- Rauchen: Nichtraucher Raucher: Raucher:
katoren faktoren < 10 Zig./Tag ≥ 10 Zig./Tag
Diabetes: Kein Diabetiker, Diabetiker mit Diabetiker mit HbA1c
normo-glykämisch HbA1c < 7,0% ≥ 7,0%
CAL: Klinisches Attachment-Level
HbA1c: Glykiertes Hämoglobin
Zig.: Zigaretten
Tab. 18.6: Systemische Erkrankungen und Zustände mit Einfluss auf das
Parodont
Klassifikation Erkrankung
1 Systemische Erkrankung mit wesentlichem Einfluss auf
parodontalen Attachmentverlust durch Einfluss auf parodontale
Entzündung
1.1 Genetische Erkrankungen
1.1.1 Erkrankungen mit immunologischen Funktionsstörungen
• Down-Syndrom (Trisomie 21)
• Leukozyten-Adhäsionsdefekt-Syndrom
• Papillon-Lefèvre-Syndrom
• Haim-Munk-Syndrom
• Chediak-Higashi-Syndrom
• Schwere Neutropenien
– Kongenitale Neutropenie (Kostmann-Syndrom)
– Zyklische Neutropenie
• Primäre Immunschwächeerkrankungen
– Chronische Granulomatose
– Hyperimmunglobulin-E-Syndrom
• Cohen-Syndrom
1.1.2 Erkrankungen der Mundschleimhaut und der Gingiva
• Epidermolysis bullosa
– Epidermolysis bullosa dystrophica
– Kindler-Syndrom
• Plasminogen-Mangel
1.1.3 Erkrankungen des Bindegewebes
• Ehlers-Danlos-Syndrom (Typ IV, VIII)
• Angioödem (C1-Inhibitormangel)
• Systemischer Lupus erythematodes
1.1.4 Stoffwechsel- und endokrine Erkrankungen
• Glykogenspeicher-Syndrom
• Gaucher-Krankheit
• Hypophosphatasie
• Hypophosphatämische Rachitis
• Hajdu-Cheney-Syndrom
1.2 Erworbene Immundefekte
• Erworbene Neutropenie
• HIV-Infektion
1.3 Entzündliche Erkrankungen
• Epidermolysis bullosa acquisita
• Entzündliche Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn)
• Arthritis (rheumatoide Arthritis, Osteoarthritis)
18.3.7 Endo-Paro-Läsionen
Zwischen dem Parodont und dem Endodont besteht eine enge Wechsel-
beziehung. Durch das Foramen apicale oder Seitenkanäle der Wurzelka-
nalpulpa, aber auch durch Seitenkanäle der Kronenpulpa im Bereich der
Furkation sind diese beiden Bereiche miteinander verbunden. Deshalb
können entzündliche Prozesse des einen Bereichs auf den anderen Be-
reich übergreifen und eine Abszedierung ggf. mit Fistelbildung bzw. so-
genannte endodontal-parodontale Läsionen unterschiedlicher Ausprä-
gung auslösen (s. Tab. 18.7) Häufig kann die eigentliche Ursache vorlie-
gender Beschwerden nur schwer festgestellt werden.
Klassifikation Auf dem Röntgenbild können die parodontale und die endodontale
Läsion konfluieren. Es werden folgende Klassen endodontal-parodonta-
ler Läsionen unterschieden:
Klasse I: primär endodontische Probleme. Die entzündlichen Verän-
derungen der Pulpa haben auf das Parodont übergegriffen. Die Pulpa
ist in diesem Fall fast immer pulpa-avital. Dies kann zu einer apika-
len Parodontitis, einem Parodontalabszess oder auch einer Osteolyse
im Furkationsbereich führen.
Klasse II: primär parodontale Probleme. Die entzündlichen Verän-
derungen des Parodonts haben auf die Pulpa übergegriffen. Über das
Foramen apicale kann auf diesem Wege eine retrograde Pulpitis ent-
stehen.
Klasse III: kombinierte parodontal-endodontale (Paro-Endo-)Pro-
bleme. Die parodontale und die endodontale Läsion sind unabhän-
gig voneinander entstanden. Der betroffene Zahn ist pulpa-avital.
Symptome sind anfänglich sehr diffus und können sich über einen lan-
gen Zeitraum langsam verstärken (lange Schmerzhistorie). Die Prognose
von Zähnen mit einer Wurzellängsfraktur ist infaust, sodass eine Extrak-
tion unumgänglich ist.
Perikoronaler Perikoronale Abszesse können bei Durchbruchstörungen der Weis-
Abszess heitszähne im Unterkiefer auftreten. Je nach Stadium kann das Allge-
meinbefinden reduziert sein (Fieber, Lymphknotenschwellung). Der
Prozess kann sich in benachbarte Regionen bzw. Logen ausbreiten.
a b c
Abb. 18.5: Darstellung der Rezessionstypen modifiziert nach Dommisch; a) RT1, b) RT2, c) RT3
Klasse IV: Die Rezession reicht bis an die mukogingivale Grenze he-
ran oder überschreitet diese. Es liegt eine Zahnfehlstellung und/oder 1
ein schwerer interdentaler Alveolarknochen- und Gingivaverlust vor.
2
Im Bereich der Rezession weist die Gingiva meist keine klinischen Ent- Klinik
zündungszeichen und keine erhöhten Sondierungstiefen auf, ist aber
manchmal in Form von McCall-Girlanden wulstig verdickt. Die betrof-
3
fenen Zähne besitzen überwiegend keine erhöhte Zahnbeweglichkeit.
Als Vorläufer einer beginnenden Rezession liegen häufig Stillman- 4
Spalten der Gingiva vor (vgl. Abb. 18.6).
5
Traumatische okklusale Kräfte
Traumatische okklusale Kräfte sind Kaukräfte, die das Parodont schädi-
gen. Dabei ist die Anpassungsfähigkeit des betroffenen Parodonts über-
6
schritten. Klinische Hinweise dafür sind Fremitus (adaptive Zahnbeweg-
lichkeit u.U. durch Frühkontakte), Zahnbeweglichkeit, Zahnwanderun- 7
gen, Temperaturempfindlichkeit, Abrasionsfacetten, exzessive okklusale
Abrasionen, Schmerzen beim Kauen, Zahnfrakturen, Wurzelresorptionen, 8
erweiterte Parodontalspalten im Röntgenbild oder Hyperzementosen.
Als okklusales Trauma (desmodontales Trauma) wird das histologi- 9
sche Bild bezeichnet, das die Verletzung des parodontalen Stützgewebes
(Desmodont, Knochen, Zement) beschreibt (zum klinischen Bild und
zur Ätiologie s. Kap. 16.2). Okklusale Kräfte allein können keine Attach-
10
mentverluste hervorrufen. Sie können aber eine Entzündung des Des-
modonts bewirken. Sie beschleunigen nicht das Fortschreiten einer Pa- 11
rodontitis und können auch nicht gingivale Rezessionen oder keilför-
mige Defekte (Abfraktionen) verursachen. 12
Als primäres okklusales Trauma wird die parodontale Schädigung
durch Über-/Fehlbelastung eines Zahnes bei normalem Zahnhalteappa- 13
rat bezeichnet. Die klinischen Zeichen der adaptiven Zahnbeweglich-
keit zeigen keine Verschlechterung.
14
Abb. 18.6: Gingivale Rezes-
Stillmansche Rezession Mc Callsche
sionen
Spalte Girlande 15
16
17
18
19
20
der Durchbruchsstelle des Implantats durch die Gingiva vor. Das sub-
epitheliale Bindegewebe umschlingt das Implantat allerdings ringför- 1
mig als Narbe, und seine Fasern verlaufen – anders als beim Zahn – pa-
rallel zur Implantatoberfläche. Der Weichgewebeabschluss oberhalb des 2
Knochens besitzt einen hohen Faseranteil und wenige Fibroblasten und
Gefäße.
Die hartgewebige Verankerung des Implantates im Knochen ent-
3
spricht einer Ankylose. Dies bringt mit sich, dass – anders als beim Paro-
dont – eine sehr schlechte Durchblutung der an das Implantat angren- 4
zenden Knochenstruktur vorliegt. Die Besonderheiten der weich- und
hartgeweblichen Umgebung um das Implantat sind sicher mitverant- 5
wortlich für die rasche und unspezifische periimplantäre Gewebsein-
schmelzung im Rahmen einer Periimplantitis.
Für entzündliche Vorgänge im periimplantären Gewebe ist primär Ursachen
6
die entzündliche Wirtsantwort auf einen vorhandenen Biofilm auf der
Implantatoberfläche verantwortlich. Für nicht plaqueinduzierte periim- 7
plantäre Erkrankungen gibt es zurzeit keine eindeutig klaren Hinweise.
Dies gilt gleichermaßen für die Entzündung des periimplantären 8
Weichgewebes (Mukositis) wie für die fortgeschrittene Entzündung mit
Knochenabbau (Periimplantitis). Die Antwort des Wirts auf die vorlie- 9
gende Biofilmakkumulation kann, wie bei Gingivitis und Parodontitis,
zwischen verschiedenen Patienten stark variieren Die Abwehrreaktio-
nen der gingivalen und periimplantären Mukosa zeigen ähnliche im-
10
munologische Reaktionen auf bakterielle Expositionen. Allerdings kann
bei vorliegenden Entzündungen die Progredienz der Destruktion in 11
Weichgewebe und Knochen bei Implantaten ausgeprägter sein als an
natürlichen Zähnen. 12
Das entzündliche Infiltrat an Implantaten bei Vorliegen einer Peri-
implantitis breitet sich direkt bis zum Knochen bzw. bis zur mit Biofilm 13
bedeckten Implantatoberfläche aus und bleibt nicht wie bei der Paro-
dontitis ca. 1 mm vom krestalen Knochenrand entfernt. Es besteht
keine epitheliale Barriere zwischen dem entzündlichen Infiltrat und der
14
mit Biofilm bedeckten Implantatoberfläche. Bei der periimplantären
Mukositis reicht das entzündliche Infiltrat, das lateral des Saumepithels 15
liegt, in apikaler Richtung vornehmlich nicht weiter als in die supra-
krestale Bindegewebszone und reicht vermutlich noch nicht bis in den 16
Knochen hinein. Nach heutigem Wissensstand geht einer Periimplanti-
tis i.d.R. eine Mukositis voraus. Eine Mukositis ist vollständig heilbar,
die Therapie einer Periimplantitis aber ist schwierig und prognostisch
17
schlecht. Daher ist es wichtig, rechtzeitig eine entsprechende Therapie
einzuleiten, bei der eine optimale Plaquekontrolle im Vordergrund 18
steht.
Rauchen oder das Vorhandensein systemischer Einflussfaktoren, 19
z.B. ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus, stellen sowohl für die
Parodontitis als auch für periimplantäre Entzündungen ein deutlich er- 20
höhtes Risiko dar. Patienten, die bereits an einer schweren Parodontitis
Periimplantitis:
Merkmale einer Mukositis
Erhöhte Sondierungstiefe, die mit dem Knochenverlust korreliert
Stark ausgeprägte Schmerzen bei Sondierung
Ggf. Rezession der Mukosa
Verlust an Stützknochen um das Implantat (radiologisch)
Mikrobiologie Die mikrobielle Flora der Mukositis ist der Flora der Gingivitis (überwie-
gend grampositive fakultativ anaerobe Bakterien) sehr ähnlich. Ebenso
weist die Keimbesiedelung bei der Periimplantitis große Ähnlichkeiten
mit der Besiedelung bei einer fortgeschrittenen Parodontitis (Aggregati-
bacter actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis, Prevotella inter-
media, Treponema denticola) auf. Allerdings lassen sich bei der Periim-
plantitis höhere Anteile grampositiver Bakterien und z.T. geringere
Keimzahlen als bei der Parodontitis isolieren. Es wird diskutiert, ob Sta-
phylococcus aureus, koagulasenegative Staphylokokken, Hefen oder z.B.
3
18.5 Deutscher Parodontalstatus
4
Wenn bei einem in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Pa-
tienten nach Feststellung einer parodontalen Behandlungsbedürftigkeit 5
(PSI > 3 = Sondierungstiefe von 3,5 mm und mehr; s. Abb. 18.7) eine sys-
tematische Parodontalbehandlung indiziert ist und durchgeführt wer-
den soll, muss ein Antrag auf Genehmigung dieser Behandlung bei der
6
Krankenkasse gestellt werden (sog. Parodontalstatus), um eine Kostener-
stattung zugesprochen zu bekommen. Voraussetzung für die Antragstel- 7
lung ist eine umfassende klinische parodontale Befunderhebung und
daraus abgeleitete Diagnosestellung (Staging und Grading); begleitend 8
kann eine Vorbehandlung, d.h. Kontrolle und Beseitigung von systemi-
schen und lokalen Risiko- bzw. Reizfaktoren sowie supragingivale Zahn- 9
reinigung, des Patienten in der ersten Therapiestufe durchgeführt wer-
den (s. Kap. 19.3).
Der genehmigte Parodontalstatus stellt dabei die Grundlage für die
10
Durchführung der als subgingivale Instrumentierung (Scaling and Root
Planing) bezeichneten Maßnahmen (zweite Therapiestufe) dar, auch 11
antiinfektiöse Therapie (AIT) genannt. Grundsätzlich sollte dabei vor
Beginn der subgingivalen Instrumentierung im Rahmen eines Aufklä- 12
rungstherapiegesprächs (ATG) der Patient über die Befunde und die
Diagnose informiert sowie über Therapieablauf und -alternativen und 13
gesundheitsbewusstes Verhalten, Risikofaktoren und auch Wechselbe-
ziehungen mit anderen Erkrankungen aufgeklärt werden. Ergänzend
kann eine patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung (MHU) be-
14
reits im Rahmen der ersten Therapiestufe erfolgen. Sind nach der
Durchführung der bewilligten Maßnahmen zu einem späteren Zeit- 15
punkt Therapieergänzungen wie Einschleiftherapie oder parodontalchi-
rurgische Maßnahmen notwendig (dritte Therapiestufe), so können 16
diese nachträglich ohne erneute Beantragung bei der Krankenkasse an-
gemeldet werden, u.a. unter Verwendung des Formblatts: Mitteilung über
eine chirurgische Therapie.
17
Zur Antragstellung muss der Krankenkasse das Original eines ausge- Parodontalstatus
füllten Parodontalstatus (s. Abb. 18.8) zur Genehmigung vorgelegt wer- 18
den. Darüber hinaus muss ein aktuelles Röntgenbild vorliegen, vor-
nehmlich ein Orthopantomogramm (alternativ Zahnfilmstatus), das 19
nicht älter als 6 Monate sein darf. Weitere Angaben sind nicht zwin-
gend bei der Krankenkasse vorzulegen. In Ausnahmefällen kann die An- 20
fertigung von Gipsmodellen beider Kiefer zur Planung der Therapie
Abb. 18.7: Formblatt für Erhebung des PSI (nach Vordruck 11, Z 504, SCHÜTZ-
DRUCK, Hannover)
sinnvoll sein. Die Diagnosestellung beruht dabei auf der aktuellen Sta-
ging- und Grading-Matrix (s. Kap. 18.3.5) zur Bewertung einer Parodon-
titis. Die Diagnose ist hierbei anhand erfasster und dokumentierter kli-
nischer parodontaler Befunde (u.a. Attachmentverlust, Anzahl fehlen-
der Zähne) und auch anamnestischer Faktoren (Rauchen, Diabetes)
abzuleiten. Zudem lässt sich daraus die notwendige Häufigkeit der un-
terstützenden Parodontitistherapie (UPT: 4. Therapiestufe) definieren.
Die Notwendigkeit der AIT (an einzelnen Parodontien) wird durch die
Komplexitätsfaktoren Sondierungstiefe, Furkationsbefund und Locke-
rungsgrad bestimmt.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
a
Abb. 18.8: Der deutsche Parodontalstatus (nach Vordruck 5a, Z 501, SCHÜTZ-
DRUCK, Hannover): a) Seite 1 mit Anamnese und Diagnoseteil.
15
Hinweise zum Ausfüllen der Befunde, die zur Vorlage bei der Krankenkasse erho-
ben werden müssen und Gebühren-Positionen: ATG: parodontologisches Aufklä-
rungs- und Therapiegespräch, AIT: antiinfektiöse Therapie a) je behandelten ein-
16
wurzeligen Zahn, b) mehrwurzeligen Zahn, BEV: Behandlungsevaluation a) nach
AIT b) nach CPT (Chirurgischer Parodontaltherapie), BEMA Nr. 4: Befunderhebung
und Erstellen eines Parodontalstatus, FB: Furkationsbefund 0–3, MHU: patientenin-
17
dividuelle Mundhygiene-Unterweisung, UPT: unterstützende Parodontitistherapie.
Anzahl in einem Zeitraum von zwei Jahren; bei Grad A: 2 × (einmal im Kalender-
jahr), Grad B: 4 × (einmal im Kalenderhalbjahr), Grad C: 6 × (einmal im Kalender- 18
tertial).
Die Messung der Sondierungstiefen und die Erhebung der Sondierungsblutungen
erfolgen mindestens an zwei Stellen pro Zahn (mesio-approximal/disto-approxi- 19
mal). Sondierungsblutungen werden mit einem * versehen. Fehlende Zähne
sind im Zahnschema durchzukreuzen. Nicht erhaltungswürdige Zähne sind im
Zahnschema mit drei bis vier horizontalen Linien durchzustreichen. Der Grad der 20
Lockerung (I–III) ist in das zentrale Fenster der Zahnkrone einzutragen.
Abb. 18.8: Der deutsche Parodontalstatus (nach Vordruck 5a, Z 501, SCHÜTZ-
DRUCK, Hannover): b) Seite 2 mit Befund- und Planungsteil.
Hinweise zum Ausfüllen der Befunde, die zur Vorlage bei der Krankenkasse erho-
ben werden müssen und Gebühren-Positionen: ATG: parodontologisches Aufklä-
rungs- und Therapiegespräch, AIT: antiinfektiöse Therapie a) je behandelten ein-
wurzeligen Zahn, b) mehrwurzeligen Zahn, BEV: Behandlungsevaluation a) nach
AIT b) nach CPT (Chirurgischer Parodontaltherapie), BEMA Nr. 4: Befunderhebung
und Erstellen eines Parodontalstatus, FB: Furkationsbefund 0–3, MHU: patientenin-
dividuelle Mundhygiene-Unterweisung, UPT: unterstützende Parodontitistherapie.
Anzahl in einem Zeitraum von zwei Jahren; bei Grad A: 2 × (einmal im Kalender-
jahr), Grad B: 4 × (einmal im Kalenderhalbjahr), Grad C: 6 × (einmal im Kalender-
tertial).
Die Messung der Sondierungstiefen und die Erhebung der Sondierungsblutungen
erfolgen mindestens an zwei Stellen pro Zahn (mesio-approximal/disto-approxi-
mal). Sondierungsblutungen werden mit einem * versehen. Fehlende Zähne
sind im Zahnschema durchzukreuzen. Nicht erhaltungswürdige Zähne sind im
Zahnschema mit drei bis vier horizontalen Linien durchzustreichen. Der Grad der
Lockerung (I–III) ist in das zentrale Fenster der Zahnkrone einzutragen.
Gelenkprothesen Eine davon leicht abweichende Antibiotikagabe wird für Patienten mit
Gelenkprothesen empfohlen. Oberflächen von Gelenkprothesen kön-
nen durch hämatogene Streuung von Bakterien im Sinne einer Spätin-
fektion besiedelt werden. Frühinfektionen haben ihre Ursache i.d.R. in
perioperativen Keimbesiedelungen des Wundgebietes. Als Spätinfektio-
nen hingegen werden Infektionen bezeichnet, die 2 Jahre oder später
nach Implantation auftreten. Dabei spielt der β-Lactamase bildende
Keim Staphylococcus aureus eine bedeutsame Rolle. Daher sollte bei einer
evtl. Antibiose eine Penicillingabe mit der Verabreichung eines β-Lacta-
mase-Inhibitors (z.B. Clavulansäure) kombiniert werden. Auch ist es
möglich, penicillinasefeste Penicilline oder Cephalosporine einzuset-
zen. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 15% der Spätinfektionen von
Gelenkprothesen durch ausgeprägte Bakteriämien bei zahnärztlichen
Eingriffen ausgelöst werden. Infektionen von Gelenkprothesen gehen
mit einer hohen Morbidität, Letalität und großen Kosten einher. Daher
wird zur Vermeidung von Spätinfektionen bei zahnmedizinischen Ein-
griffen in besonderen Fällen eine antibiotische Infektionsprophylaxe
empfohlen. Dabei sind Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine
Tab. 19.2: Befunde, bei denen eine erhöhtes Risiko für eine hämatogene
Protheseninfektion vorliegt, empfohlene Antibiotikaprophylaxe für eine
70 kg schwere Person (Rossi et al. für die Schweizerische Gesellschaft für
Infektiologie 2004).
Patienten mit erhöhtem Risiko für eine hämatogene Protheseninfektion
• Implantation einer Gelenkprothese innerhalb der letzten 12 Monate
• Rheumatoide Arthritis unter Immunsuppression
• Rheumatoide Arthritis mit zusätzlichen Risiken
(Diabetes mellitus, Wechsel einer Prothese)
• Hämophilie
Verabreichung: Standardprophylaxe: Bei Penicillinallergie:
Amoxicillin/Clavulansäure Clindamycin
1 h vor Eingriff 2g 600 mg
4 h nach Eingriff 1g 600 mg
2. Therapiestufe 16
Reevaluation
17
3. Therapiestufe
18
19
Unterstützende
Parodontitistherapie
20
Tab. 19.3: Auswahl allgemeiner und lokaler Risikofaktoren für die Progression einer marginalen Pa-
rodontitis, die bei der Frage nach der Erhaltungswürdigkeit eines Zahnes zu berücksichtigen sind.
Um einen Zahn als nicht erhaltungswürdig einzuschätzen, müssen in der Regel mehrere der ge-
nannten Parameter gleichzeitig vorliegen.
Beispiele zu berücksichtigender Ungünstige Prognose Günstige Prognose
Faktoren
Motivierbarkeit des Patienten Gering Hoch
Allgemeinzustand des Patienten Risikopatient Gesund
Tabakkonsum Bedeutend Nein
Einnahme von Medikamenten Cyclosporine, Phenytoin, Nein
Kalziumantagonisten
Genetische Prädisposition Vorhanden Nicht vorhanden
Stress Bedeutend erhöht Unbedeutend
Attachmentverlust, Knochenabbau Fortgeschritten in bereits jungen Leicht oder mäßig fortgeschrit-
Jahren (Knochenverlust: > 50%) ten in mittlerem/höherem Alter
(Knochenverlust < 50%)
Taschenaktivität (v.a. nach 1. und 2. Blutung, Pus Physiologisch
Therapiestufe)
Krankheitsverlauf Rasch, progedient Langsam, chronisch
Bereits vorhandener Zahnverlust Ja Nein
durch Parodontitis (Cave: Extrak-
tionsgrund genau eruieren)
Furkationsbefall Vorhanden (v.a. Grad II oder III) Nicht vorhanden
Zahnbeweglichkeit, die nicht auf Deutlich erhöht Physiologisch
einem Vorkontakt beruht
Plaquekontrolle durch Patienten Ungenügend Angemessen
Krone-Wurzel-Verhältnis Ungünstig Günstig
Zahnstellung Fehlstellung Gut
Kaufunktionelle Bedeutung Gering Hoch
Strategische Bedeutung im Rah- Unbedeutend Bedeutend
men prothetischer Maßnahmen
Restaurationsmöglichkeit Schwierig Einfach
Endodontische Situation Kompliziert Günstig
Ein wichtiges Ziel der ersten Therapiestufe ist es, den Patienten so zu
motivieren, dass er durch eigene Mundhygienemaßnahmen deutliche
Verbesserungen beim erhobenen Plaqueindex, z.B. einen API ≤ 25%, er-
reicht. Daneben sollten die oben genannten Kriterien der erfolgreichen
ersten Therapiestufe angestrebt werden. In der Sitzung, die der Reeva-
luation dient, werden erneut die Sondierungstiefen, die Zahnlockerung
und das Vorliegen einer Entzündung überprüft und mit dem Ausgangs-
befund verglichen.
Zur Prävention und Therapie einer Gingivitis können im Rahmen
der häuslichen Mundhygienemaßnahmen zusätzlich zur intensivierten
Mundhygiene antimikrobielle Mundspüllösungen eingesetzt werden.
Diese können in allen Therapiestufen zum Einsatz kommen. Als che-
misch antimikrobielle Wirkstoffe sollten gemäß Leitlinien bevorzugt
ätherische Öle, Chlorhexidin oder Triclosan/Co-Polymer zur Anwen-
dung kommen. Die Datenlage zur Verwendung von Aminfluorid/Zinn-
fluorid und Cetylpyridiniumchlorid lässt keine eindeutige Empfehlung
zu. Die genannten Wirkstoffe können bei Risikogruppen (z.B. Pflegebe-
dürftigen, körperlich oder geistig behinderten Personen oder Patienten
bei/nach Chemotherapie) als tägliche Spüllösungen (< 1%) eingesetzt
werden.
Wenn ein mechanisches Biofilmmanagement nicht möglich ist (z.B.
nach operativen Eingriffen), sollte zur Keimzahlreduktion Chlorhexidin
(> 1%) vorübergehend als Mundspüllösung empfohlen werden.
Bei guter Mitarbeit des Patienten und entsprechendem Erfordernis
wird in die zweite Therapiestufe übergegangen, in der eine subgingivale
Instrumentierung und Reinigung aller pathologisch vertieften Taschen
erfolgt. Ziel sind die Kontrolle (Reduktion oder Elimination) des subgin-
givalen Biofilms und Zahnsteins und die Etablierung von blutungs-
freien Zahnfleischtaschen (BoP-negativ) von höchstens 4 mm Tiefe.
Indizes Anhand der Erhebung eines Entzündungsindex (z.B. PBI) und eines
Plaqueindex (z.B. API) wird der Patient auf mögliche Mängel bei der
Mundhygiene hingewiesen. Die Einfärbung der Zähne mit einem
Plaquerevelator erschwert die Kontrolle der Gingivablutung nach Son-
dierung. Daher sollte der Blutungsindex immer vor dem Plaqueindex er-
hoben werden. Die Befunde des Plaque- und des Blutungsindex werden
zu Beginn der Behandlung und als Verlaufskontrolle in ein spezielles Be-
fundblatt eingetragen (s. Abb. 19.2).
Mundhygiene- Der Patient wird besonders auf die Stellen im Mund hingewiesen, an
maßnahmen denen ein Mundhygienedefizit vorliegt. Ferner werden dem Patienten
Summe Summe
Sitzungen 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 5 4 3 2 1 1 2 3 4 5 Sitzungen
Summe Summe
8
8
7
6 7
5 IV buccal III oral IV buccal III oral 6
4
3 5
2 1 4
3
IV Unterkiefer rechts 1 2 III Unterkiefer links
Abb. 19.2: Schema zur Befunderhebung und Verlaufskontrolle von API und PBI
19.3.2 Zahnputztechniken
10
Durch das Zähneputzen wird die bukkale, linguale und okklusale, teil- 11
weise auch die interdentale Plaque entfernt. Dabei steht nicht die Häu-
figkeit, sondern die Gründlichkeit des Zähneputzens im Vordergrund. 12
Da es 24–36 Stunden dauert, bis sich eine reife Plaque etabliert hat, ist
es bei äußerst gründlicher Pflege ausreichend, die Zähne einmal täglich 13
zu putzen.
Es ist für den Patienten nahezu unmöglich, die Plaque von allen
14
Zähnen vollständig in einem Putzvorgang zu entfernen. Daher wird
angeraten, nach jeder Mahlzeit die Zähne zu putzen bzw. zumin- 15
dest einmal am Tag eine besonders intensive Zahnpflege zu betrei-
ben. Es ist wichtig, dass sich der Patient beim Zähneputzen eine Sys- 16
tematik zur Gewohnheit macht, um alle Zahnflächen zu reinigen
(s. Abb. 19.3).
17
Zur Reinigung der einzelnen Zähne werden je nach vorliegender Erkran-
kung und vorliegenden anatomischen Verhältnissen verschiedene Zahn- 18
putztechniken empfohlen. Bei allen Techniken wird die Zahnbürste an
den Lingualflächen der Schneidezähne senkrecht angesetzt. An allen an- 19
deren Zahnflächen wird die Zahnbürste waagerecht angesetzt, und es
werden 10–15 Bewegungen pro Zahn durchgeführt. Die okklusalen Flä- 20
chen werden in einer leicht kreisenden Bewegung kräftig gebürstet.
9 7
4 6
OK
UK
3 1
2
10 12
11
Abb. 19.3: Systematik des Zähneputzens nach Rateitschak (1989). Zuerst werden
die schwer zugänglichen Lingualflächen und anschließend die Bukkalflächen der
Zähne Zahn für Zahn einzeln gebürstet. Die Zahnbürste beschreibt dabei im
Mund einen Kreis, sodass lingual im Unterkiefer mit dem Bürsten begonnen und
bukkal im Unterkiefer geendet wird. Abschließend werden die Okklusalflächen
geputzt.
Bass-Technik Meist wird die modifizierte Bass-Technik (s. Abb. 19.4a) empfohlen.
Sie eignet sich sowohl bei gesunden als auch bei krankhaft veränderten
Parodontalverhältnissen zur Reinigung. Die modifizierte Bass-Technik
wird ferner empfohlen, wenn die Interdentalpapille weitgehend erhal-
ten ist und die marginale Gingiva nahe der Schmelz-Zement-Grenze en-
det.
Charters-Technik Die Charters-Methode (s. Abb. 19.4b) wird Patienten mit bestehen-
den Resttaschen und freien Interdentalräumen empfohlen.
1
45°
2
45°
3
14
19.3.3 Hilfsmittel für die Mundhygiene
15
Die Zahnbürste sollte einen kurzen Bürstenkopf (ca. 2,5 cm Länge) mit Handzahnbürste
elastischen, geraden, an den Enden abgerundeten Kunststoffborsten be- 16
sitzen. Der Bürstenkopf sollte so gewählt sein, dass auch schwierig zu-
gängliche Bereiche (z.B. vestibulär der posterioren Zähne) gut erreicht
werden können. Die Dicke der Borsten sollte 0,18–0,25 mm, die Länge
17
der Borsten 10–12 mm betragen. Die Borsten sollten mittelhart und in
Büscheln von je 20–40 Borsten (multi-tufted) angeordnet sein. Sind die 18
Borsten zu hart oder die Enden nicht abgerundet, kann es leicht zu
Zahnfleischverletzungen durch den Patienten kommen. Bei Zahnbürs- 19
ten mit einem planen Borstenfeld besteht das Problem, dass die Borsten
bei einem planen Aufsetzen der Bürste auf die vestibulären/oralen 20
Zahnflächen nur unzureichend in die interdentalen Einziehungen ein-
führen, durch die auch Bakterien von der Zahnoberfläche abgelöst wer-
den, die bis zu mehreren Millimetern von den Borstenenden entfernt 1
sind. Der klinische Nachweis dieses Effektes liegt allerdings noch nicht
vor. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass schall- und ultra- 2
schallaktive Zahnbürsten einen verbesserten Transport von Wirkstoffen
aus der Zahnpaste in die Zahnzwischenräume bewirken. Es sollte beach-
tet werden, dass elektrische Zahnbürsten zu einem stärkeren Abtrag ero-
3
dierter, d.h. erweichter Zahnoberflächen führen können als Handzahn-
bürsten, sofern beide mit dem gleichen Anpressdruck verwendet wer- 4
den. Allerdings ist bisher nicht abschließend geklärt, ob elektrische
Zahnbürsten im Vergleich zu Handzahnbürsten auch zu einem stärke- 5
ren Abtrag gesunder Zahnhartsubstanz beitragen. Es wird empfohlen,
elektrische Zahnbürsten mit einem geringeren Anpressdruck anzuwen-
den als Handzahnbürsten.
6
Die Anwendung von Interdentalraumbürstchen stellt die wirk- Interdental-
samste Methode zur Reinigung der Interdentalräume sowie freiliegen- raumbürstchen 7
der Furkationen dar. Insbesondere Zahneinziehungen an Oberflächen
im Bereich des Approximalraumes werden mit Interdentalbürstchen ef- 8
fektiv gesäubert. Es stehen Interdentalraumbürsten in verschiedenen
Größen und Formen zur Auswahl. Dem Patienten sollte je nach Größe 9
des Interdentalraumes individuell eine Bürstenform bzw. -größe emp-
fohlen werden, um Schäden an der Gingiva oder der Zahnhartsubstanz
zu vermeiden. Die Interdentalbürstchen können mit antimikrobiellen
10
Spüllösungen oder -gelen beschickt werden, um damit gezielt an schwer
zugänglichen Bereichen die Reinigungseffizienz zu erhöhen. Sollten in- 11
terdentalräume für Interdentalbürstchen nicht zugänglich sein, werden
dem Patienten alternative Hilfsmittel zur Interdentalreinigung empfoh- 12
len. Dazu zählen Zahnseide, Zahnhölzer und -sticks oder Munddu-
schen. 13
Zahnseide ist ein wichtiges Instrument zur Reinigung des Approxi- Zahnseide
malbereichs der Zähne und der Interdentalräume. Darüber hinaus er-
kennen der Zahnarzt und der Patient durch das Auffasern ungewachster
14
Zahnseide, dass Imperfektionen an Restaurationen oder kariöse Läsio-
nen im Interdentalbereich vorliegen. 15
Die Zahnseide kann mit Daumen und Zeigefinger oder einem Zahn-
seidenhalter gespannt werden. Die Zahnseide wird dann vorsichtig über 16
den Approximalkontakt in den Interdentalraum gezogen. Durch vor-
sichtige Auf-und-ab-Bewegungen wird zunächst die Approximalfläche
des einen und dann die Approximalfläche des anderen Zahns gereinigt.
17
Breite Interdentalräume, Brückenglieder oder verblockte Zahn-
zwischenräume können mit spezieller Zahnseide gereinigt werden, die 18
im Mittelteil ein bauschiges Fadenstück enthält. Sie ist an einem Ende
versteift. Dieses versteifte Ende kann unterhalb eines nicht durchgängi- 19
gen Kontaktpunktes durch den Interdentalraum geschoben werden. Mit
dem bauschigen Mittelteil kann der Interdentalraum oder die Unter- 20
seite des Brückenzwischengliedes dann gereinigt werden.
Zungenreiniger Als Zungenreiniger eignen sich spezielle Schaber oder Bürsten, mit de-
nen der bakterielle Belag vom Zungenrücken entfernt werden kann.
Zur Kontrolle seiner Mundhygienemaßnahmen sollte der Patient
bei der häuslichen Zahnpflege Plaquerevelatoren in Form von Kautab-
letten verwenden.
19.3.4 Zahnpasta
13
Vor der Entfernung bakterieller Beläge sowie vor oralchirurgischen Ein-
griffen sollte eine Keimreduktion in der Mundhöhle durch Spülen und
Gurgeln mit oralen Desinfizienzien (z.B. Chlorhexidindiglukonat) erfol-
14
gen. Dadurch können auch Keimbelastungen in Aerosolen, wie sie z.B.
bei der wassergekühlten Ultraschallbehandlung auftreten, verringert 15
werden. Zur Herstellung hygienischer Mundverhältnisse und um dem
Patienten Voraussetzungen zu schaffen, die eine optimale Zahnpflege 16
ermöglichen, muss der Zahnarzt die supragingivalen Beläge zusammen
mit Verfärbungen durch Tee-, Rotwein- oder Tabakkonsum entfernen.
Verfärbungen der Zähne stellen einen Nährboden für Mikroorganismen
17
dar und werden vom Patienten als ästhetisch beeinträchtigend empfun-
den. Die supragingivalen weichen Beläge und Verfärbungen werden mit 18
abrasiven Pasten unter Anwendung von Polierbürstchen oder Polierkel-
chen aus Silikon entfernt. Es können auch Pulver-Wasserstrahlgeräte 19
(s.u.) zum Einsatz kommen. Neben den supragingivalen Belägen wer-
den in der ersten Therapiestufe erreichbare subgingivale Beläge z.B. mit 20
speziellen Ultraschallscalern (s.u.) beseitigt.
Tab. 19.4: Behandlungsregeln bei klassischer Anwendung der Full Mouth Dis-
infection
• Behandlung des Unterkiefers vor dem Oberkiefer
• Subgingivales Scaling aller Zähne mit Parodontitis innerhalb von 24 Stunden
• Supragingivale Reinigung und Politur aller Zähne
• Bürsten des Zungenrückens (60 s) mit 1% Chlorhexidingel
• Mundspülung (2 ×, je 30 s) mit 0,2% Chlorhexidinlösung, während der letzten
10 Sekunden Gurgeln zur Desinfektion der Tonsillen
• Applikation von 3% Chlorhexidingel für 10 Minuten in die Parodontaltaschen
• Wiederholung nach 8 Tagen
• Patient spült zu Hause für 14 Tage (2 × tgl. je 1 min) mit 0,2% Chlorhexidin-
lösung
Zur Entfernung von harten Belägen und zur Grobdepuration werden Scaler 7
Scaler verwendet. Sichelscaler besitzen einen dreieckigen Querschnitt,
zwei schneidende Kanten und laufen an ihrem Ende spitz zu (s. Abb. 8
19.5). Aufgrund ihrer Spitze und Größe ist ein subgingivales Arbeiten
ohne Verletzung der Gingiva nicht möglich. Gerade Scaler sind im ge- 9
samten Ober- und Unterkieferbereich einsetzbar, gebogene Scaler eig-
nen sich zur Entfernung von Zahnstein im Interdentalbereich.
Küretten werden zur Entfernung subgingivaler Konkremente und Küretten
10
nekrotischen, infizierten Wurzelzements verwendet. Sie besitzen eine
zierliche Form mit abgerundetem Ende. Es werden Universalküretten 11
(z.B. Columbia, Langer) und Spezialküretten (z.B. Gracey) unterschie-
den. Für besonders schmale oder tiefe Zahnfleischtaschen sind Spezial- 12
küretten mit einem kürzeren Arbeitsende (Mini Five) oder längerem
unterem Schaft (After Five) vorhanden. 13
Universalküretten können aufgrund ihrer Form an allen Quadran-
ten eines Gebisses und dort an allen Zahnflächen eingesetzt werden. Sie
sind auf beiden Seiten ihres löffelartigen Arbeitsendes scharf geschliffen.
14
Spezialküretten sind nur einseitig scharf geschliffen. Es muss immer
das Instrument gewählt werden, das sich der Wurzeloberfläche am bes- 15
ten anlegen lässt. Der Anstellwinkel zwischen Arbeitskante und Zahn-
oberfläche sollte ca. 80° betragen. 16
Der Winkel zwischen dem Schaft des Handinstrumentes und der Ar-
beitskante beträgt bei Universalküretten 80°, bei Spezialküretten 60–70°.
Die Spezialküretten vom Typ Gracey (s. Abb. 19.5a) besitzen eine Zahlen-
17
codierung, die es ermöglicht, genau das Instrument auszuwählen, das sich
am besten der jeweiligen Zahnoberfläche anlegen lässt (s. Abb. 19.5b). 18
Die beschriebenen Handinstrumente werden in einem modifizier- Arbeitshaltung
ten Schreibfedergriff gehalten. Mittelfinger und v.a. auch Ringfinger 19
dienen immer der Abstützung an der Zahnreihe. Ohne diese Abstützung
kann die erforderliche Kraft, die zur Zahnsteinentfernung notwendig 20
ist, nicht aufgebracht werden. Zum anderen verhindert die Abstützung
Instrument 7/8
Stärker abgewinkelt:
Prämolaren und Molaren, fazial und oral
Instrument 9/10
Stark abgewinkelt, langer Schaft:
Prämolaren und Molaren,
fazial und oral (speziell: kleine Mundöffnung)
Abb. 19.5: Instrumente zur Zahnsteinentfernung: a) Unterschiedliche Winkel zwischen Schneide und
Schaft von Universalküretten und Gracey-Küretten, b) Codierung und Einsatzgebiet der Gracey-Küretten,
c) und d) Scaler mit schematischer Darstellung der jeweiligen Schneide (Arbeitsende)
che in einem schrägen Winkel ist die Wirkung effektiver als bei einem
senkrechten Auftreffen.
Politur Die abschließende Politur der Zahnoberfläche und die vollständige
Entfernung von Verfärbungen erfolgen mit maschinell getriebenen ro-
tierenden weichen Bürstchen oder Gummikelchen. Werden Polierpas-
ten verwendet, sollte darauf geachtet werden, dass sie keine abrasive Wir-
kung besitzen. Als Polierpasten können auch Zahnpasten herangezogen
werden. Die Fluoridierung der Zahnoberflächen sollte nicht mit harzhal-
tigen Fluoridlacken erfolgen, da sich diese beim parodontal geschädigten
Patienten leicht in den Zahnfleischtaschen festsetzen können.
Die in der ersten und zweiten Therapiestufe nicht chirurgische Therapie Maßnahmen
ist auch bei fortgeschrittenen Läsionen oft sehr effektiv. Manche Defekte 1
heilen allerdings trotz konsequenter Durchführung der genannten The-
rapien nicht vollständig aus, sodass entzündete Resttaschen von > 5 mm 2
Sondierungstiefe verbleiben. Dies kann vor allem bei initial tiefen
Taschen, Zähnen mit Wurzeleinziehungen oder Furkationsbeteiligung
(v.a. Grad I u. II) der Fall sein. In der dritten Therapiestufe werden diese
3
Bereiche gezielt angegangen. Dies kann durch eine erneute subgingivale
Instrumentierung (mit/ohne adjuvante Medikamente) oder parodontal- 4
chirurgische Verfahren erfolgen. Parodontalchirurgische Vorgehenswei-
sen erlauben eine Reinigung der betroffenen Bereiche und Wurzelober- 5
flächen unter Sicht (mit Zugangslappenbildung). Es werden minimalin-
vasive und resektive Verfahren unterschieden. Bei beiden Verfahren
können zusätzlich regenerative Maßnahmen zum Einsatz kommen.
6
Wann immer möglich, kommen minimalinvasive chirurgische Ver-
fahren mit maximalem Erhalt der interdentalen Gewebe zum Einsatz. 7
Um die Wundstabilität zu verbessern und die Morbidität zu verringern,
soll die Mobilisation eines Lappens möglichst limitiert genutzt werden. 8
Die weiter unten beschriebenen Techniken sind zur Vermittlung der
Prinzipien meist in ihrer jeweiligen Standardform dargestellt. Daneben 9
existieren oft zahlreiche Modifikationen, z.B. veränderte Schnittführun-
gen oder Materialien, auf die im Rahmen dieses Lehrbuches nicht einge-
gangen werden kann.
10
11
19.4.1 Grundlagen der Parodontalchirurgie
12
Ziele der chirurgischen Parodontaltherapie sind: Ziele
Behandlung residualer Läsionen unter weitgehend visueller Kon-
13
trolle
Etablierung eines weitgehend entzündungsfreien Parodonts
Reduzierung der Sondierungstiefen
14
Teilweise oder vollständige Auffüllung von Knochentaschen mit
körpereigenem Gewebe 15
Regeneration parodontaler Strukturen
Ggf. Erzielung einer physiologischen Morphologie der Zähne, der 16
Gingiva und des Alveolarknochens
Im Idealfall: Festigung gelockerter Zähne
17
Indikationen für parodontalchirurgische Maßnahmen
Aktive Resttaschen: Chirurgisch-korrektive Maßnahmen werden 18
durchgeführt, wenn die Ziele der ersten Therapiestufe weitgehend
erreicht sind, aber dennoch weiterhin aktive Resttaschen vorliegen. 19
Aktive Taschen sind durch eine Blutung bei vorsichtiger Sondierung
gekennzeichnet. Die Blutung deutet darauf hin, dass noch subgingi- 20
vale Beläge vorhanden sind.
Da die Eingriffe auch immer ein lokales Trauma setzen, sind die übrigen
Zähne, wenn möglich, nicht in den chirurgischen Eingriff einzubezie-
hen. Die Therapien sind recht aufwendig, für den Behandler anstren-
gend und für den Patienten belastend. Daher werden erforderliche chi-
rurgischen Maßnahmen häufig in verschiedenen Sitzungen durchge-
führt. Epidemiologische Studien (s. Abb. 17.7) haben gezeigt, dass
chirurgisch-korrektive Maßnahmen nur bei höchstens einem Viertel al-
ler Patienten angezeigt sind. Beim überwiegenden Teil der Patienten
sind die Maßnahmen der ersten oder zweiten Therapiestufen ausrei-
chend, um die in der chirurgischen Therapie angestrebten Ziele zu ver-
wirklichen.
Die chirurgischen Eingriffe werden folgendermaßen eingeteilt:
Parodontalchirurgische Eingriffe
Mukogingivalchirurgische Eingriffe
Kombiniert parodontal-mukogingivalchirurgische Eingriffe
Methoden zur Behandlung von Zähnen mit Furkationsbeteiligung
Antibiotische Abschirmung
Eine peri- bzw. postoperative Antibiose ist nur bei Patienten mit be-
stimmten Grunderkrankungen oder speziellen Verlaufsformen der Paro-
dontopathien notwendig. Sie wird nicht routinemäßig verordnet. Vor
dem operativen Eingriff sollte der Patient zur Bakterienreduktion mit ei-
ner antimikrobiellen Spüllösung (z.B. Chlorhexidindiglukonat) den
Mund gut ausspülen. Zur Desinfektion des Rachens empfiehlt sich ein
Gurgeln mit der Lösung. In der postoperativen Phase empfiehlt sich zur
Unterstützung der Mundhygienemaßnahmen des Patienten ebenfalls 1
die Anwendung antimikrobieller Spüllösungen.
2
Vorliegen einer Antikoagulanzientherapie
Es sollte bei allen chirurgischen Maßnahmen beachtet werden, ob die Pa-
tienten gerinnungshemmende Medikamente (Antikoagulanzien) ein-
3
nehmen. In diesem Fall können starke, unstillbare Blutungen während
der Parodontalbehandlung auftreten. Als Maß für die Blutgerinnung 4
wird der INR-Wert (International Normalized Ratio) angesehen. Dieser
Wert besagt, um wie viel Mal länger das Blut eines Patienten im Vergleich 5
zu einer Normalperson zur Gerinnung benötigt. Die DGZMK empfiehlt,
folgende Grenzen zu beachten, mit deren Überschreitung die jeweilige
zahnärztlich-chirurgische Therapie nicht durchgeführt werden sollte:
6
INR 2,0–3,5: Zahnextraktion, unkomplizierte Osteotomie
INR 1,6–1,9: Umfangreiche Eingriffe mit schwieriger Blutungsstillung 7
Der aktuelle INR-Wert sollte präoperativ am Operationstag bestimmt 8
werden. Bei Vorliegen einer Antikoagulanzientherapie sollte die Möglich-
keit der zahnärztlich-chirurgischen Behandlung bzw. die ggf. erforderli- 9
che Veränderung der gerinnungshemmenden Therapie zuvor in jedem
Fall mit dem behandelnden Internisten abgeklärt und überdacht werden.
10
Lokalanästhesie
Parodontalchirurgische Eingriffe erfordern eine Lokalanästhesie. Dabei 11
sollten Anästhetika mit niedrigem Vasokonstringens-Zusatz (z.B. Adre-
nalin) verwendet werden. Durch das Vasokonstringens entsteht ein 12
blutarmes Operationsgebiet, sodass die Übersicht erleichtert wird. Darü-
ber hinaus wird die Anästhesiedauer verlängert. 13
Die absoluten Kontraindikationen für die Anwendung von Adre-
nalin (paroxysmale Tachykardie, Tachyarrhythmie, Zustand nach In-
farkt, schwere Hypertonie, Angina pectoris, Hyperthyreose, Engwinkel-
14
glaukom, Medikation mit Antidepressiva) sind zu beachten.
Bei Eingriffen im Oberkiefer wird bukkal eine Infiltrationsanästhe- Oberkiefer 15
sie (Nn. alveolares superiores) und palatinal eine Leitungsanästhesie
am Foramen palatinum (N. palatinus major) bzw. am Foramen incisi- 16
vum (N. nasopalatinus) vorgenommen.
Im Unterkiefer ist vor allem im Frontzahngebiet ebenfalls eine In- Unterkiefer
filtrationsanästhesie bukkal und lingual ausreichend. Für den Seiten-
17
zahnbereich des Unterkiefers können eine Leitungsanästhesie am Fora-
men mandibulae (N. lingualis/N. alveolaris inferior) und eine Blockade 18
des N. buccalis notwendig sein.
19
Schnittführungen
Zur Mobilisation der Gingiva und Mukosa sind horizontale bzw. verti- Horizontale 20
kale Inzisionen notwendig (s. Abb. 19.6). Inzisionen
marginaler paramarginaler
Horizontalschnitt Horizontalschnitt
paramediane Vertikalinzision
interdentale Vertikalinzision
para- mediane Vertikalinzision
marginaler
Horizontal- Dreieckslappen
schnitt
intra-
sulkulärer
Schnitt
marginaler
Horizontalschnitt
a c
Abb. 19.6: Horizontalinzisionen a) im Längsschnitt und b) in der Aufsicht; c) Vertikalinzisionen in der Auf-
sicht
In der Regel werden alle Knoten bukkal gelegt, da die linguale Lage
für den Patienten störend ist. Um die Gefahr einer Plaqueakkumulation
in der Wunde zu minimieren und die Wundränder nicht zu irritieren,
soll der Knoten nicht auf der Inzisionslinie, sondern lateral davon lie-
gen. Die Knotentechniken bei der Naht sind Lehrbüchern der Chirurgie
zu entnehmen.
Gewebekleber Zur Fixation können auch Gewebekleber vom Cyanoacrylat-Typ
verwendet werden. Sie dürfen aber auf keinen Fall zwischen den Lappen
und die knöcherne oder bindegewebige Unterlage kommen, sondern
dürfen nur die Wundränder verschließen.
Wundverbände, Infektionsprophylaxe
Die Adaptation der Lappen und die postoperative Schonung des Wund-
gebietes können durch Zahnfleischverbände unterstützt werden. Die
Wundverbände können darüber hinaus zu einer Schienung der Zähne
in der postoperativen Phase beitragen. Es werden heute ausschließlich
von Zinkoxid-Eugenol freie Materialien oder lichthärtende weiche
Kunststoffe empfohlen.
Die Applikation des Verbandes erfolgt mit angefeuchtetem oder
mit Vaseline eingecremtem Finger, der den Verband an die Zahnober-
fläche andrückt. Das Verbandmaterial darf nicht zwischen Lappen und
Knochen geraten. Um dies zu vermeiden, kann teilweise eine interden-
tale Abdeckung mit einer dünnen Zinnfolie erforderlich sein. Die Zinn-
folie verhindert ferner ein Verkleben des Verbandmaterials mit dem
Nahtmaterial. Der Verband darf die Mukogingivalgrenze nicht über-
schreiten, da er sonst vom Patienten als störend empfunden wird und
sich bei Bewegungen löst.
Der Verband klebt an den Zahnoberflächen und greift in unter sich
gehende Zahnbereiche. Dadurch wird ein ausreichender Halt des zäh-
plastisch erhärteten Materials erzielt. Die Tragezeit eines Verbandes be-
trägt 7–10 Tage.
Den Verbandmaterialien ist häufig eine bakteriostatische Kompo-
nente (z.B. Chlorthymol) zugesetzt, die das Bakterienwachstum in der
Wundregion hemmen soll. Nach Entfernung des Verbandes führt der
Zahnarzt eine vorsichtige, aber gründliche Reinigung des Wundgebietes
und eine Politur der Zähne durch.
Postoperativ sollte eine Infektionsprophylaxe erfolgen. Eine me-
chanische Mundhygiene kann nur in den nicht operierten Bereichen er-
folgen. Daher sollten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wieder eine effektive
Zahnreinigung mit der Zahnbürste möglich ist (ca. nach 4–6 Wochen),
zweimal täglich Mundspülungen mit 0,1–0,2% Chlorhexidindigluko-
nat-Lösung durchgeführt werden.
Teilmobilisierte Lappenoperation
Papillenerhaltungslappen
Indikation Zur Schonung des Gewebes werden heute zumeist minimalinvasive chi-
rurgische Techniken mit entsprechend angepassten, grazilen Instru-
menten angewendet. In vielen Fällen wird dabei versucht, durch papil-
lenerhaltende Schnittführungen die Interdentalpapillen möglichst zu
erhalten. Im ästhetisch sichtbaren Bereich, bei der regenerativen Thera-
pie intraossärer Defekte und bei der Implantation von autogenen oder
alloplastischen Materialien sind häufig Papillenerhaltungstechniken in-
diziert. Die Technik erlaubt neben dem besseren ästhetischen Ergebnis
eine vollständige Deckung eingebrachter Membranen oder Augmentati-
onsmaterialien und reduziert somit die Gefahr einer sekundären Ent-
zündung.
Bei schmalen Interdentalräumen ist der vereinfachte Papillener-
haltungslappen indiziert (s. Abb. 19.8a). Der klassische Papillenerhal-
tungslappen (s. Abb. 19.8b) und der modifizierte Papillenerhaltungs-
lappen (s. Abb. 19.9) sind nur bei ausreichend weitem Approximalraum
(≥ 2 mm) angezeigt, wie er z.B. bei kronenstumpfpräparierten oder paro-
dontal geschädigten Zähnen vorliegt. Bei einer schmaleren Gewebebrü-
cke von weniger als 2 mm kann die Blutversorgung des interdentalen
Steges nicht gewährleistet werden, sodass als Folge eine Nekrose der In-
terdentalpapille auftreten kann.
1
2
3
4
Bogenförmige Rechteckige Schräge Intersulkuläre
a Inzision Inzision Inzision Inzision b
5
Abb. 19.8: a) Schnittführung beim klassischen Papillenerhaltungslappen mit bogenförmiger oder recht-
eckiger Inzision auf der oralen Seite, b) Schnittführung beim vereinfachten Papillenerhaltungslappen mit
schräger Inzision durch die Papille 6
7
8
9
10
a b
11
12
13
14
c d
15
Abb. 19.9: a) Schnittführung beim modifizierten Papillenerhaltungslappen mit
bogenförmiger Inzision auf der vestibulären Seite, b) Mobilisation des vestibulä-
16
ren Mukoperiostlappens. Die Papille wird zunächst noch nicht mobilisiert.
c) Der orale Lappen und die Papille werden präpariert und die Papille wird nach
oral durch den Interdentalraum geführt. d) Naht 17
18
19
20
1. Schnitt
(paramarginal) mobilisierter
Schleimhautlappen
a b
2. Schnitt
(sulkulär)
3. Schnitt
(horizontal)
c d
Vollmobilisierte Lappenoperation
1
Ein vollmobilisierter Lappen ist indiziert bei Vorliegen echter Ta-
schen, bei denen gleichzeitig eine Osteoplastik vorgenommen wer- 2
den muss.
Distale Keilexzision
Gingivektomie
Als Gingivektomie bezeichnet man die Exzision der Gingiva zur voll-
ständigen Entfernung einer parodontalen Tasche. Wird die Gingivekto-
primärer Schnitt
unterminierende
Keilexzision
a b
Abb. 19.11: Schnittführungen bei der distalen Keilexzision: a) primärer keilförmiger Schnitt, b) unterminie-
rende Keilexzision zur Ausdünnung der bukkalen und lingualen Gingiva
Abb. 19.12: Schnittführungen bei der Gingivektomie. a) externe Gingivektomie, links: Markierung der Ta-
schentiefe mit einer Taschenmarkierungspinzette, rechts: Schnitt ca. 1 mm apikal der gesetzten Blutungs-
punkte; b) interne Gingivektomie, links: primärer Schnitt, rechts: unterminierende Keilexzision zur Aus-
dünnung der Gingiva
Regenerative Parodontaltherapie
Ziel der regenerativen Parodontalchirugie ist die Auffüllung bzw. Rege-
neration vorhandener Knochentaschen. Dies kann durch eine gesteu-
erte Geweberegeneration unter Zuhilfenahme von Membranen oder
den Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen mit oder ohne Zusatz von
Knochenersatzmaterialien geschehen. Regenerative Verfahren sollen
bei Zähnen mit tiefen Resttaschen und Knochentaschen von 3 mm oder
tiefer Anwendung finden.
Gesteuerte Geweberegeneration
Die Bildung eines langen Saumepithels oder die Etablierung von Anky-
losen bzw. Wurzelresorptionen verhindern eine desmodontale Regene-
ration. Die Fixierung des Zahnes über ein langes Saumepithel ist der des-
modontalen Aufhängung aber mechanisch unterlegen. Durch Neuin-
fektion kann diese Epithelmanschette leicht wieder aufgelockert
werden. Die Proliferation vitaler, apikal befindlicher Desmodontalzel-
len nach koronal wird in der Heilungsphase durch das schnell nach api-
kal wachsende Saumepithel unterdrückt. Bei der Wundheilung bildet
sich ein Blutgerinnsel unter dem Lappen aus. Ist der Fibrinfilm stabil ge-
nug, kann die apikal gerichtete Proliferation des Saumepithels verhin- 1
dert werden. Allerdings reißt der auf der Wurzeloberfläche befindliche
Fibrinfilm in aller Regel während der Heilungsphase durch Zugkräfte 2
leicht ab. Eine Stabilisierung des Fibrinfilms wird in neuester Zeit durch
fibronektinhaltige Gewebekleber versucht.
Zur erfolgreichen Regeneration parodontaler Knochendefekte soll-
3
ten folgende Bedingungen erfüllt sein:
Vorliegen einer toxinfreien, instrumentierten Wurzeloberfläche 4
Raumschaffung, um die koronale Migration von desmodontalen
Vorläuferzellen zu ermöglichen 5
Erzielung einer Wundstabilität, um das Fibrinkoagulum zu schützen
Sicherung der primären Wundheilung durch spannungsfreien,
kompletten Wundverschluss
6
Zur Stabilisierung des Fibrinfilms und um die konkurrierenden Zellen Gesteuerte Gewe- 7
des Saumepithels und Desmodonts in der Heilungsphase voneinander beregeneration
zu trennen, wird seit Beginn der 1980er-Jahre das Verfahren der gesteu- 8
erten Geweberegeneration (GTR: Guided Tissue Regeneration) ange-
wendet. Dadurch wird dem Desmodont eine stabile Besiedelung der 9
Wurzeloberflächen ermöglicht.
Dabei wird in einem parodontalchirurgischen Eingriff mit Lappen-
bildung eine Membran manschettenartig über die bestehende Kno-
10
chentasche gelegt und der Lappen anschließend wieder adaptiert. Wäh-
rend der Liegedauer der Membran können die Desmodontalzellen die 11
Wurzeloberfläche besiedeln, und die Knochentasche wird mit knochen-
ähnlichem Gewebe aufgefüllt. Dadurch kann es zu einer Wiederherstel- 12
lung des desmodontalen Halteapparates kommen.
Für die gesteuerte Geweberegeneration geeignete Membranen sollen 13
folgende Anforderungen erfüllen:
Biokompatibilität: gute Gewebeverträglichkeit
Zellokklusivität: Verhinderung des Einwachsens unerwünschter Zel-
14
len für mindestens 4 Wochen
Gewebeintegration: schnelle Inkorporation in das umliegende Ge- 15
webe
Platzhalterfunktion: ausreichende Steifigkeit und Formstabilität zur 16
Aufrechterhaltung eines Hohlraums, in dem sich ein Blutkoagulum
bilden und die Regeneration ungestört ablaufen kann
Einfache klinische Handhabung
17
Neben den früher verwendeten nicht resorbierbaren Membranen sind Resorbierbare 18
nun auch Membranen aus resorbierbarem Material im Einsatz. Die Membran
nicht resorbierbaren Membranen bestehen aus e-PTFE (expandiertes Po- 19
lytetrafluorethylen, Gore-Tex). Sie müssen 4–6 Wochen nach dem Erst-
eingriff in einer zweiten Operation entfernt werden. Dieser Zweitein- 20
griff entfällt bei den resorbierbaren Membranen.
1
2
a
3
b 4
5
6
c d
Plastische Parodontalchirurgie
Abb. 19.14: VY-Plastik: a) v-förmige Schnittführung, b) Zustand nach Verschieben und Festnähen des Lappens
5
A
6
A
A* B* 7
C A* D
C D
B*
B
8
B
9
a b
Abb. 19.15: Z-Plastik: a) z-förmige Schnittführung. b) Die Lappen A* und B* werden gegeneinander ausge- 10
tauscht. Dabei wird A* nach D und B* nach C verschoben.
a
b
Abb. 19.18: Lateraler Verschiebelappen zur Rezessionsdeckung. Das um die Rezession gelegene Mukoperi-
ost wird entfernt und der Lappen seitlich über die Rezession und den entblößten Knochen verschoben.
1
2
3
Exzision
4
Inzision 5
vertikaler Inzision
a Entlastungsschnitt b
6
Abb. 19.19: Entnahme eines freien Bindegewebstransplantats aus dem Gaumen a) in der Aufsicht, b) im
Schnitt
7
die Entnahme zu erleichtern, kann mesial eine vertikale Entlastungs-
inzision erfolgen. Dann wird, ausgehend von der ersten Inzisionslinie, 8
eine weitere Inzision in apikaler Richtung durchgeführt. Dabei wird un-
terminierend die bedeckende Mukosa vom unterliegenden Bindege- 9
webe gelöst. Die Mukosa sollte nicht zu sehr ausgedünnt werden, da
sonst die Gefahr einer Nekrose besteht. Mit einer abschließenden Inzi-
sion wird das freigelegte Bindegewebe umschnitten und mit einem Ras-
10
partorium vom Alveolarknochen gelöst. Der Mukosalappen wird ab-
schließend vernäht. 11
Der Vorteil der Bindegewebstransplantate ist, dass das Epithel im Vorteile
Gaumenbereich weitestgehend unverletzt bleibt und der Patient keine 12
offene Wundfläche zurückbehält.
Als mögliche Alternative zum autogenen Bindegewebstransplantat 13
stehen zur Rezessionsdeckung auch verschiedene Kollagenmatrizes allo-
genen oder xenogenen Ursprungs zur Verfügung. Erste Daten zur Ver-
wendung dieser Matrizes als Alternative zu autogenen Bindegewebstrans-
14
plantaten sind vielversprechend. Eine abschließende Empfehlung ist
aber aufgrund der noch nicht ausreichenden Datenlage nicht möglich. 15
Bei der sogenannten Envelope-Technik wird im Empfängergebiet die Envelope-Technik
Rezession angefrischt, und durch eine unterminierende Präparation 16
wird ein Hohlraum erzeugt. In diesen Hohlraum kann das Bindegewebs-
transplantat eingeschoben werden. Das Bindegewebstransplantat wird
auf die vorbereitete, gesäuberte Wurzeloberfläche gepresst und mit dün-
17
nem (4-0 oder 5-0), resorbierbarem Nahtmaterial koronal an den Papil-
len befestigt. Der apikale Teil des Transplantats wird durch den darüber 18
liegenden Lappen fixiert. Überkreuzte Nähte helfen, den nicht vom Lap-
pen bedeckten Teil des Transplantats an die Wurzeloberfläche zu pres- 19
sen (s. Abb. 19.20). Das Transplantat wird mit Ausnahme des Bereichs
der Wurzeloberfläche von zwei Seiten ernährt: vom Periost und vom be- 20
deckenden Lappen. Der Teil des subepithelialen Bindegewebstransplan-
a b
c d
tats, der nicht vom Lappen gedeckt ist, epithelisiert innerhalb von ca.
3 Wochen. Die Morphodifferenzierung geht vom Bindegewebe aus; es
übernimmt die Charakteristika des Herkunftsortes (Gaumen). Manche
Autoren empfehlen, einen 1–2 mm breiten epithelisierten Randstreifen
bei der Präparation am Bindegewebstransplantat zu belassen. Dieser
Randstreifen kann postoperativ die marginale Gingiva darstellen.
Tunnel-Technik Die Tunnel-Technik eignet sich zur gleichzeitigen Deckung mehre-
rer benachbarter Rezessionen. Es wird an jedem der zu behandelnden
Zähne eine unterminierende Präparation durchgeführt. Dadurch wird
ein Hohlraum geschaffen, in den ein größeres Transplantat eingescho-
ben wird, das alle benachbarten freiliegenden Wurzeloberflächen be-
deckt (s. Abb. 19.21).
Bindegewebstransplantate mit koronalem oder lateralem Ver-
schiebelappen: Bindegewebstransplantate werden zunehmend mit ko-
ronalen oder lateralen Verschiebelappen kombiniert, die auf dem Trans-
plantat platziert werden. Dieses Verfahren bietet ästhetisch gute Ergeb-
nisse bei der Deckung mäßig ausgeprägter Rezessionen.
Die Erfolgschancen der oben beschriebenen Techniken variieren
zum Teil erheblich. Auch Studien, bei denen dieselbe Technik angewen-
det wurde, zeigen stark divergierende Ergebnisse. Das Ziel einer Rezessi-
onsdeckung sollte die vollständige Bedeckung der Wurzeloberfläche
sein. Dieses Ziel wird nach heutigem Erkenntnisstand am besten durch
die Verwendung freier Bindegewebstransplantate oder Verschiebelap-
1
2
3
a b
4
5
6
c d
7
Abb. 19.21: Tunneltechnik zur Deckung parodontaler Rezessionen:
a) und b) Schnittführung mit unterminierender Tunnel-Präparation ohne Durch-
8
trennung der Interdentalpapille, c) Platzierung des Transplantates im „Tunnel“,
d) Fixierung des Transplantates
9
pen in Kombination mit Schmelz-Matrix-Proteinen erreicht. Aber auch
diese beiden Methoden führen durchschnittlich nur in 60–70% der be-
10
handelten Fälle zu einer vollständigen Deckung einer Rezession.
11
19.4.3 Methoden zur Behandlung von Zähnen mit 12
Furkationsbeteiligung
13
! Liegt an einem Zahn ein Furkationsbefall vor, entsteht in diesem
Bereich eine Nische, in der sich Plaque akkumulieren kann. Die
Reinigung im Furkationsbereich ist für den Patienten erschwert
14
oder unmöglich.
15
Das Ziel der verschiedenen Methoden der Furkationsbehandlung liegt
darin, die Kontur der Gingiva zu harmonisieren und optimale anatomi- 16
sche Verhältnisse zu schaffen, die dem Patienten eine korrekte Hygiene
ermöglichen. Je nach Grad des Furkationsbefalls werden verschiedene
Behandlungsformen unterschieden (s. Tab. 19.5).
17
Diese Verfahren eignen sich gut zur Behandlung von furkationsbe-
fallenen Molaren. Furkationsbefallene Prämolaren sind weitaus schwie- 18
riger zu therapieren und vom Patienten zu kontrollieren. Je nach Befall
ist dann die Extraktion vorzuziehen. 19
Eine geschlossene Behandlung im Sinne einer Kürettage mit Scaling Geschlossenes
und Wurzelglättung ist beim Furkationsgrad I meist ausreichend. Als Scaling und 20
besonders effektiv hat sich die Furkationsreinigung mit Schall- oder Ul- Wurzelglättung
a
4
Abb. 19.22: Gesteuerte Geweberegeneration bei der b
Furkationsbehandlung: a) Schnittführung. Die 5
Krückstockschnittführung erlaubt eine bessere Re-
Adaptation des Lappens an die ursprüngliche Posi-
tion. b) Lappenmobilisation und Adaptation der 6
Membran, c) Naht
7
c
8
des Lappens werden die Wurzeloberfläche und der Furkationsbereich 9
des Zahnes gründlich gesäubert und geglättet. Anschließend wird eine
Membran zurechtgeschnitten und mit einer Umschlingungsnaht am
Zahn befestigt. Die Membran sollte zervikal dicht am Zahn anliegen,
10
keine Überlappungen oder Falten aufweisen und den Knochendefekt
allseitig um ca. 3 mm überragen. Der Mukoperiostlappen wird durch in- 11
terdentale Knopfnähte koronal fixiert. Abschließend werden die verti-
kalen Entlastungsschnitte vernäht. Der Lappen sollte die Membran um 12
mindestens 2–3 mm überdecken.
Weitere chirurgische Möglichkeiten zum Erhalt von Zähnen mit 13
Furaktionsbeteiligung Grad II/III stellen folgende Verfahren dar:
Instrumentierung unter Sicht mit Lappenbildung
Tunnelierung
14
Prämolarisierung (Wurzelseparation)
Wurzelresektion (Teilextraktion, Wurzelamputation, Hemisektion) 15
Eine Tunnelierung (Tunnelung) wird fast ausschließlich bei unteren Mo- Tunnelierung 16
laren angewendet. Auch dazu wird zunächst ein Lappen gebildet. Die
Furkation wird mit feinen Diamantschleifern erweitert, und ggf. werden
kleine Korrekturen am Alveolarknochen (Osteoplastik) vorgenommen.
17
Die Tunnelierung muss vorsichtig erfolgen, um eine Verletzung der
Pulpa zu vermeiden. Nach der Adaptation des Lappens liegt dann ein er- 18
weiterter, in bukko-lingualer Richtung durchgängiger Tunnel vor, der
vom Patienten mit feinen Bürstchen gereinigt werden kann. Die erwei- 19
terte Furkation ist in regelmäßigen Abständen vom Zahnarzt zu kontrol-
lieren und zu fluoridieren, um der Entstehung einer Karies gezielt vorzu- 20
beugen.
10
19.4.5 Transplantate und Implantate zur Behandlung von
Knochentaschen 11
12
! Unter der Transplantation versteht man die Übertragung von vita-
lem Gewebe (z.B. Knochen, Schleimhaut). Als Implantation be-
zeichnet man das Einbringen nicht vitalen Gewebes oder Materials. 13
Es wird zwischen autogenen (vom selben Individuum, früher: autolog), Grundlagen
isologen (von Individuen mit gleichem genetischem Code, d.h. Zwil-
14
linge), allogenen (von Individuen gleicher Spezies, z.B. Mensch) und
xenogenen (von Individuen verschiedener Spezies) Transplantaten un- 15
terschieden.
Unter Lyophilisierung versteht man die Gefriertrocknung von Ge- 16
webe zur Verlängerung der Haltbarkeit. Die Übertragung von körper-
fremdem (synthetischem) Material wird als Alloplastik bezeichnet. Als
Osteokonduktion wird ein Prozess beschrieben, bei dem Knochen um
17
ein in den Knochen eingebrachtes Material im Sinne einer Apposition
wächst. Unter Osteoinduktion wird eine Anregung des umgebenden 18
Knochens zur Osteogenese (Knochenneubildung) durch das einge-
brachte Material verstanden. 19
In der Parodontologie werden Transplantate oder Implantate meist
verwendet, um zwei- oder dreiwandige Knochentaschen aufzufüllen. 20
Um eine Ortsständigkeit des implantierten Materials sicherzustellen,
19.4.7 Schienungstherapie
Prinzip Diese Ruhigstellung kann postoperativ oder nach akuten Traumata die
Heilung positiv beeinflussen. Die Schienung verbessert den Kaukomfort
für den Patienten und verhindert Zahnkippungen und -wanderungen.
Kaukräfte, die auf einen Schienenverband auftreffen, werden auf alle in
den Verband integrierten Zähne verteilt. Das bedeutet aber, dass ein-
zelne Zähne unter Umständen größere Kaukräfte auffangen müssen als
ohne Schienung. Darüber hinaus sollten nur Zähne mit gleicher Mobi-
lität verblockt werden. Andernfalls kann es leicht zur Fraktur der
Schiene und zur Lockerung der ursprünglich festeren Zähne kommen.
Zähne, die durch ein okklusales Trauma gelockert sind, sollten durch se-
lektives Einschleifen und nicht durch Schienung behandelt werden.
Schienungsarten Grundsätzlich wird zwischen folgenden Schienentypen unterschie-
den:
Temporäre Schienen
Semipermanente Schienen
Permanente Schienen
Lebensalter Lebensalter
< 56 Jahre ≥ 56 Jahre
Anteil ST ≥ 5 mm Anteil ST ≥ 5 mm
Ja Ja
35% und mehr weniger als 35%
mycin nur als Präparat der zweiten Wahl anzusehen und sollte auf Fälle
beschränkt sein, die nicht mit Tetracyclin oder Metronidazol erfolgreich 1
behandelt werden können.
Azithromycin ist ein Antibiotikum aus der Reihe der Makrolide. Es 2
hat nach Einnahme eine lange Verweildauer in den betroffenen Gewe-
ben und muss daher nur wenige (3) Tage vom Patienten eingenommen
werden. Es darf nicht bei schweren Lebererkrankungen verabreicht wer-
3
den und kann als Nebenwirkungen verschiedene Störungen im Magen-
Darm-Trakt bis hin zu Bauchkrämpfen auslösen. 4
5
19.6 Zusammenwirken verschiedener Teilgebiete in der
Parodontaltherapie 6
Suprakrestal Bei der Lage des Restaurationsrandes muss die Einhaltung des supra-
befestigtes krestal befestigten Attachments (früher: Biologische Breite) beachtet
Attachment werden. Dies bezeichnet den Abstand zwischen Restaurationsrand und
Limbus alveolaris, bei dem die Integrität des supraalveolären Faserappa-
rates und Saumepithels nicht beeinträchtigt ist. Zwischen Restaura-
tionsrand und Limbus alveolaris sollte daher ein Mindestabstand von
2–3 mm vorliegen. Die Einhaltung dieses suprakrestalen Gewebes in ei-
ner Höhe von 2–3 mm verhindert die Auflockerung des Zahnhalteappa-
rates und die Migration von Bakterien ins Parodont.
Ist dieser Abstand nicht einzuhalten, muss im Rahmen einer chirur-
gischen Parodontaltherapie mit Lappenbildung eine Reduzierung des
Limbus alveolaris durch eine Osteoplastik im Sinne einer sogenannten
Kronenverlängerung vorgenommen werden. Der Limbus alveolaris wird
dabei unter Kühlung mit steriler Kochsalzlösung zunächst mit Fräsen so
reduziert, dass noch eine dünne Knochenlamelle auf der Wurzeloberflä-
che zurückbleibt. Unter Schonung der Wurzeloberfläche kann diese La-
Eine zu kurze klinische Krone des Zahnes bietet der Restauration zu we-
nig Retentionsfläche. In einem solchen Fall ist häufig eine Kronenver-
längerung durch eine Osteoplastik im Rahmen einer Lappenoperation
mit apikalem Verschiebelappen notwendig. Dieser Eingriff dient auch
der Einhaltung der biologischen Breite. Die Konturierung der Kronen-
außenflächen und die Gestaltung des Approximalkontaktes müssen
physiologischen Formen entsprechen und eine effektive Reinigung
(Zahnseide, Interdentalbürste) erlauben.
Brückenzwischenglieder sollten dem Kieferkamm nur kleinflächig
aufliegen und an der Unterseite konvex gestaltet sein, sodass eine Reini-
gung der Unterseite mit Superfloss möglich ist. Der Übergang vom Zwi-
schenglied zum Brückenanker muss so geöffnet sein, dass dieser Raum
mit einer Interdentalbürste gereinigt werden kann. Es hat sich dabei als
günstig erwiesen, Brückenzwischenglieder in Tangentialform und nicht
als Schwebeglieder herzustellen, sodass ein künstlicher Approximal-
raum entsteht. Dann kann bei der Reinigung der marginalen Gingiva
im entstandenen Approximalraum die Interdentalbürste sicher und mit
genügendem Druck auf den Brückenanker geführt werden.
Bei der Präparation von Kronen sollte die Gingiva möglichst nicht
traumatisiert werden. Deshalb sollten am besten schon während der
Präparation Maßnahmen (Retraktionsfäden, spezielle Gingivaabhalte-
instrumente) ergriffen werden, um die Gingiva von der Präparations-
grenze zu verdrängen.
Für weitere spezielle unter parodontologischen Aspekten bedeut-
same Gesichtspunkte in der Prothetik und Implantologie wird auf ent-
sprechende Lehrbücher verwiesen.
19.7.1 Gingivitis
1
Im Vordergrund der Gingivitistherapie steht die effektive Beseitigung
der bakteriellen Beläge durch den Zahnarzt und durch den Patienten. 2
Als lokal unterstützende Therapeutika können zwei- bis dreimal täg-
liche Mundspülungen (z.B. mit Chlorhexidin-Präparaten) im Anschluss
an das Zähneputzen vorgenommen werden. Der Patient wird zur Kon-
3
trolle wöchentlich einbestellt. Die Reevaluation erfolgt 4 Wochen nach
der letzten Sitzung. 4
5
19.7.2 NG/NP
Liegt ein stark angulierter bzw. mehrwandiger Defekt vor und be-
steht keine Kontraindikation für eine Augmentation, so kann ein rege-
neratives Verfahren (GBR: Guided Bone Regeneration) angewendet wer-
den. Bei regenerativen Verfahren wird unter Zuhilfenahme von Mem-
branen und autogenem Knochen oder Knochenersatzmaterialien
versucht, verloren gegangenen Knochen wiederaufzubauen. Wenn mög-
lich, sollte das Augmentat um das Implantat geschlossen einheilen, d.h.,
dass ein primärer Wundverschluss über dem Implantatkörper angestrebt
wird. Zuvor ist nach chirurgischer Eröffnung des Situs eine gründliche
Reinigung der Implantatoberfläche von Biofilm als dem primären ätiolo-
gischen Faktor maßgeblich. Hierfür haben sich Pulver-Wasserstrahler
mit Glycin- oder Erythritholpulver bewährt. Pulver-Wasserstrahl-Ver-
fahren sind zur Reinigung der Implantatoberflächen geeigneter als
Handinstrumente, weil mit diesen Verfahren die Oberflächenanteile
umfangreicher gereinigt werden können, ohne dabei die Mikromorpho-
logie der Implantatoberflächen zu verändern. Eine erfolgreiche Detoxi-
kation der Implantatoberfläche ist auch bei Anwendung von Lasern (z.B.
Dioden-, CO2- oder Er:YAG-Laser) beschrieben. Auch mit diesen Lasern
werden die Implantatoberflächen nicht beschädigt.
Eine Explantation ist erforderlich, wenn das Implantat mobil ist,
die Infektion nicht kontrolliert werden kann (insbesondere wenn da-
durch parodontales Attachment der Nachbarzähne in Gefahr ist) oder
eine Fraktur des Implantates vorliegt.
Blutung nach Sondierung (BOP): Zeigen mehr als 25% der unter-
suchten Stellen einen positiven BOP, so besteht ein erhöhtes Risiko
für ein Rezidiv. Patienten mit weniger als 10% positiver BOP weisen
ein geringes Risiko für ein Rezidiv auf.
Sondierungstiefen ≥ 5 mm: Dieser Faktor hat in erster Linie Bedeu-
tung für das Risikoprofil, wenn er mit anderen Parametern (BOP, Ex-
sudation) auftritt. Zähne mit residual erhöhten Sondierungstiefen
können auch über lange Zeit stabil bleiben. Patienten mit bis zu vier
Residualtaschen weisen ein geringes Risiko für ein Rezidiv auf, Pa-
tienten mit mehr als acht Residualtaschen ein hohes Risiko.
Zahnverlust (ohne Weisheitszähne): Die Anzahl verloren gegange-
ner Zähne gibt einen Hinweis auf frühere Erkrankungen oder Trau-
mata. Wenn mehr als acht Zähne fehlen, ist zudem die Kaufunktion
beeinträchtigt. Patienten, bei denen bis zu vier Zähne fehlen, weisen
ein geringes Risiko auf, Patienten mit mehr als acht fehlenden Zäh-
nen ein hohes Risiko.
Knochenverlust/Alter-Index: Das Ausmaß und die Häufigkeit von
Verlust an parodontalem Stützgewebe im Verhältnis zum Alter des
Patienten stellt einen sehr wesentlichen Indikator für das Risiko eines
Rezidivs dar. Es konnte gezeigt werden, dass die am meisten betrof-
fene Stelle im Seitenzahngebiet die Historie des gesamten Gebisses im
Hinblick auf parodontale Destruktionen widerspiegelt. Der Index
wird daher wie folgt erhoben: An einem Röntgenbild wird an dem
am stärksten betroffenen Seitenzahn der Knochenabbau in Relation
zur Wurzellänge bestimmt (in Prozent) und durch das Alter des
Patienten dividiert. Sollten nur Bissflügelaufnahmen vorliegen, so er-
folgt eine Schätzung: 1 mm = 10%. Ein Index-Wert unter 0,5 weist
auf ein niedriges Risiko, ein Wert über 1 auf ein hohes Risiko hin.
Systemische und genetische Faktoren: Verschiedene Faktoren
können einen Einfluss auf die Entstehung oder den Verlauf von Pa-
rodontalerkrankungen haben. Dazu zählen u.a. der schlecht einge-
stellte Diabetes mellitus, HIV-Infektionen, systemische Erkrankun-
gen mit gingivalen oder parodontalen Manifestationen, Interleukin-
1β-Polymorphismen. Liegt keiner der Faktoren vor, so weist der
Patient ein niedriges Risiko auf, bei Vorliegen eines oder mehrerer
Faktoren besteht ein hohes Risiko (s. auch Kap. 16.3).
Tabakkonsum (Rauchen): Nichtraucher und ehemalige Raucher
(mit Verzicht seit mehr als 5 Jahren) weisen ein niedriges Risiko für
ein Rezidiv auf. Gelegentliche (< 10 Zigaretten/Tag) und moderate
(10–19 Zigaretten/Tag) Raucher weisen ein mittleres Risiko auf,
starke Raucher (20 und mehr Zigaretten/Tag) ein hohes Risiko.
1
2
Sondierungstiefe
≥ 5 mm
3
4
5
6
7
a
8
9
10
Sondierungstiefe
≥ 5 mm 11
12
13
14
15
16
b
Abb. 19.25: a) Diagramm zur Erstellung eines Risikoprofils (nach Lang und To-
17
netti), b) Beispiel eines Patienten mit mittlerem Risiko (BOP: 9%; 6 Residualta-
schen mit Sondierungstiefen > 5 mm; 4 fehlende Zähne; Knochenverlust/Alter-In-
dex: 0,75; Patient hat Diabetes mellitus Typ I; Nichtraucher)
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Stichwortverzeichnis
H I
Habits 64 ICDAS 101
Hajdu-Cheney-Syndrom 586 Immunabwehr 527
Halitophobie 167 – spezifische 527, 531
Halitosis 166 – unspezifische 527, 529
– Koagulationsnekrose 362 P
– Kolliquationsnekrose 362
Papillen-Blutungs-Index (PBI) nach Saxer und
– sterile 362
Mühlemann 545
Neonatallinie 11, 74
Papillenerhaltungslappen 640
Neuropeptide 375
Papillon-Lefèvre-Syndrom 555, 583
Neutropenie
Paramolaren 79
– erworbene 586
Paraplasien 78
– hereditäre (kongenitale) oder zyklische
Parästhesien 446
583
Paro-Endo-Läsionen 667
new attachment 669
Parodontalabszess 379, 589
next generation sequencing (NGR) 565
Parodontalantrag 608
Nickel-Titan-Legierungen 421, 425
Parodontalchirurgie 631
Niereninsuffizienz 380
– Instrumente 637
Nitrat 519
Parodontaler Screening-Index (PSI) 546, 556
Noma-Erkrankung 579
Parodontalerkrankungen
Non-Rinse-Technik 240
– entzündliche
Notfallbehandlung 609
– etablierte Läsion 523
Nozizeptoren 375
– fortgeschrittene Läsion 523
O – frühe Läsion 522
– initiale Läsion 521
Oberflächenhärte 426
– Pathogenese 519
Obliteration 353
– nekrotisierende (ulzerierende) 577
Obturation 430
Parodontalspalt 368
Obturationstechniken, thermoplastische 453
Parodontitis 514, 579
Odontoblasten 9, 348
– als Manifestation systemischer Erkran-
Odontoblastenaspiration 358
kungen 583
Odontoblastenfortsatz 348
– apicalis 363
Odontoplastik 630, 664
– asymptomatische apikale 370
Okklusionskontrolle 449
– chronische apikale 371
Okklusionskorrekturen 311
– nekrotisierende 577f.
Oligodontie 79
– symptomatische apikale 368
Onlay 312
Parodontitistherapie, unterstützende 609
Onlay-Präparation 317
Parodontium, apikales 354
Operationsmikroskop 413
Parodontopathien
Organtransplantation 380
– Ätiologie 509
Ormocere 225
– primärer Ursachenkomplex 509, 511
Orthopantomogramm 108
– sekundärer Ursachenkomplex 509
Orthophosphorsäure 231
Pathogene, parodontale, Kriterien 517
Osteoblasten 354
Peeso-Bohrer 426
Osteoinduktion 667
Pemphigus vulgaris 576
Osteokonduktion 667
Penicillin 677
Osteomyelitis 369
Pepsin 57
Osteoplastik 645
Perforationen 385, 413
Osteoporose 536, 586
Periimplantitis 554, 686
Osteoprotegerin (OPG) 528
– Keimbesiedelung 596
Osteoradionekrose 677
Perikymatien 7
Osteosklerose 371
Periodontal Risk Assessment 689
Overlay 312
Periodontal Risk Calculator 689
Overlay-Präparation 317f.
Periotest-Gerät 560
Owen-Linien 11, 77
Perkolation 230
Ozon 170
Perkussionsschall, metallischer 488
Perkussionstest 382