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Tools Und Instrumente Der Organisationsentwicklung

Das Dokument behandelt Tools und Instrumente der Organisationsentwicklung zur erfolgreichen Umsetzung von Organisationsprojekten. Es wird betont, dass die Gestaltung von Organisationen nicht durch allgemeine Empfehlungen, sondern durch systematische Analysen und fallbezogene Auswahl von Instrumenten erfolgen sollte. Die Autoren, Stefan Schifferer und Benjamin von Reitzenstein, teilen ihre Erfahrungen aus der Praxis und bieten Einblicke in die Analyse und Beschreibung von Organisationen.

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Tools Und Instrumente Der Organisationsentwicklung

Das Dokument behandelt Tools und Instrumente der Organisationsentwicklung zur erfolgreichen Umsetzung von Organisationsprojekten. Es wird betont, dass die Gestaltung von Organisationen nicht durch allgemeine Empfehlungen, sondern durch systematische Analysen und fallbezogene Auswahl von Instrumenten erfolgen sollte. Die Autoren, Stefan Schifferer und Benjamin von Reitzenstein, teilen ihre Erfahrungen aus der Praxis und bieten Einblicke in die Analyse und Beschreibung von Organisationen.

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Stefan Schifferer

Benjamin von Reitzenstein

Tools und Instrumente


der Organisationsentwicklung
Erfolgreiche Umsetzung
von Organisationsprojekten
Tools und Instrumente der
Organisationsentwicklung
Stefan Schifferer · Benjamin von Reitzenstein

Tools und Instrumente der


Organisationsentwicklung
Erfolgreiche Umsetzung
von Organisationsprojekten
Stefan Schifferer Benjamin von Reitzenstein
Enovis Management Consulting GmbH Enovis Management Consulting GmbH
Unterföhring, Deutschland Unterföhring, Deutschland

ISBN 978-3-662-55559-0 ISBN 978-3-662-55560-6 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-662-55560-6

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
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Vorwort

Die Organisationstheorie ist fester Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre. Sie liefert


die Grundlagen, was überhaupt Organisationen sind und wie sie beschrieben werden.
Praktiker sind mehr daran interessiert, wie sie die Organisation des eigenen Unterneh-
mens künftig konkret verändert gestalten sollen. Hier müssen wir die Erwartungen der
Leserschaft aber dämpfen: Gestaltungsempfehlungen geben wir mit diesem Buch nicht
ab. Vielmehr wollen wir aufzeigen, mit welchen Tools, Sichtweisen und Vorgehenswei-
sen die Frage nach dem richtigen „wie“ systematisch bearbeitet und beantwortet werden
kann.
In der Praxis als Unternehmensberater beobachten und begleiten wir seit Jahren zahl-
reiche Unternehmen und stellen fest, dass Organisationsveränderungen immer präsent
und ein Thema sind. Die Motivationen solche Veränderungen anzustoßen mögen ganz
unterschiedlich sein, sie verfolgen aber vielfach ähnliche Formalziele, nämlich die jewei-
lige Organisation oder -teile davon noch schlagkräftiger mit Blick auf die gesteckten
Vorgaben und Ziele zu machen. Nicht selten sind organisatorische Anpassungen oder
Veränderungen Teil der Umsetzung der Strategie – „Structure follows Strategy“. Ein
wesentlicher Teil der Umsetzung einer Strategie besteht also in der Schaffung geeigne-
ter Strukturen. Dabei löst eine neue Struktur eine bestehende ältere Struktur ganz oder
in Teilen ab. Bei der Problematisierung einer bestehenden Organisation fehlen vielfach
fundierte objektive Analysen sowie der Anspruch, mehrere Aspekte zu beleuchten. Die
Gefahr besteht dann, dass eine eindimensionale Sicht erzeugt wird, die dann nicht aus-
reichend überzeugende Argumente für eine konkrete organisatorische Veränderung
bereitstellt. Hier setzen wir mit den ausgewählten Tools und Instrumenten der Organi-
sationsentwicklung an. Einen Anspruch auf Vollständigkeit der ausgewählten und darge-
stellten Instrumente können wir allerdings nicht erheben.
Eine bestehende Organisation kann mit ihren zahlreichen Facetten auch nie voll-
ständig erfasst und beschrieben werden, dazu gibt es zu viele unterschiedliche Aspekte.
Sie kann aber in den Dimensionen beschrieben und analysiert werden, welche als für
die formale Begründung und Beschreibung einer verbesserten Organisation als ausrei-
chend angesehen werden. Die im Buch ausgewählten Instrumente zur Analyse und
Beschreibung von Organisationen wenden wir in unserer Praxis als Management Berater

V
VI Vorwort

t­agtäglich an, um greifbare Ergebnisse und Entscheidungsgrundlagen für Top-Führungs-


kräfte zu liefern. Es kommen freilich nie alle Instrumente gleichzeitig zum Einsatz. Viel-
mehr muss immer fallbezogen eine Auswahlentscheidung getroffen werden. Wesentlich
dabei ist, ob der Mehrwert den Einsatz und Aufwand des jeweiligen Tools rechtfertigt.
Für eine Organisationsentwicklung selbst bedarf es eines gut orchestrierten Vorgehens
um alle Beteiligten adäquat einzubinden bzw. deren Informationsbedarf gerecht zu wer-
den. Hier greifen wir ausgewählte Modelle für ein Vorgehen auf, um die Grundmuster
und Prinzipien zu erläutern. So wenig wie es allgemein gültige Gestaltungsempfehlun-
gen für eine Aufbauorganisation geben kann, so wenig kann es ein allgemein gültiges
Vorgehen geben. Bestimmte Bausteine in einer Vorgehensweise sind aber elementar und
kommen immer wieder zur Anwendung.
Organisationsentwicklung ist keine Geheimwissenschaft, sondern die strukturierte
Bearbeitung von ausgewählten Fragestellungen, die in der Regel in einem Projektmaß-
stab einer sukzessiven Beantwortung in einem gesteckten Zeitrahmen zugeführt werden.
Die Wirksamkeit solcher Organisationsveränderungen lässt sich mit einem geeigneten
Messkonzept nachweisen. Dies gilt für Unternehmen wie Non-Profit Organisationen
gleichermaßen.
Wir wünschen allen Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre sowie den Nutzen aus der
Anwendung der Instrumente

München Stefan Schifferer


im November 2017 Benjamin von Reitzenstein
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1 Abgrenzung Untersuchungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Analyse der Organisationshistorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.3 FIT-GAP-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.4 Zielformulierung von Organisationsentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.5 Prämissen von Organisationsentwicklungsprojekten. . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.6 Organigramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.7 Staffing – Analyse Headcount und FTE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.8 Aufgabenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.9 Stellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.10 Schnittstellenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.11 Kundenkontaktanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.12 Prozessanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.13 Analyse von Durchlaufzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.14 Analyse Wert- und Mengengerüste
(Kosten, Umsatz, Entwicklungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.15 SWOT-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
3 Entwicklung und Beschreibung der Soll-Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.1 Dimensionen der Veränderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
3.3.1 Segmentierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.3.2 Soll-Organisations-Charts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3.3.3 Alternativenbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.3.4 Soll-FTE, Soll-Headcount. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

VII
VIII Inhaltsverzeichnis

3.3.5 Soll-Aufgaben anhand AKV (Aufgaben,


Kompetenzen, Verantwortung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
3.3.6 RACI-Darstellung (Responsible, Accountable,
Consulted, Informed). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
3.3.7 Soll-Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
3.3.8 Soll-Systemunterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
3.3.9 Projektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
3.4 Kommunikation von Organisationsveränderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
4 Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen. . . . . . . . . . . . 125
4.1 Zieldimensionen als Grundlage der Erfolgsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.2 Messkonzept für Vorher-Nachher-Betrachtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . 128
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
5 Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Über die Autoren

Dr. Stefan Schifferer ist geschäftsführender Partner der Enovis Management Consul-
ting GmbH und berät seit 20 Jahren Unternehmen in Fragen Einkauf, Logistik und Orga-
nisation. Er hat eine Vielzahl von Projekten zur Organisationentwicklung u. a. in den
Branchen Handel, Druck, Logistik und Maschinenbau durchgeführt. Herr Schifferer hat
Abschlüsse der Universitäten Karlsruhe und München. 2001 hat er zum Thema Organi-
sation des Einkaufs an der TU-München promoviert.

Benjamin von Reitzenstein ist als Consultant für die Enovis Management Consulting
GmbH tätig und blickt auf 9 Jahre Beratungstätigkeit zurück. Er startete seine Karriere
bei E.ON Inhouse Consulting, der internen Managementberatung der E.ON SE, seine
Beratungsschwerpunkte sind Prozess- und Organisations-entwicklungen in Unterneh-
men der Branchen Energie, Maschinenbau und Logistik. Herr von Reitzenstein hat einen
Abschluss der Munich Business School.

IX
Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Typologie von Organisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


Abb. 1.2 Übersichtsbild Organisationsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Abb. 2.1 Übersicht ausgewählter Tools und Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Abb. 2.2 Abgrenzung Untersuchungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Abb. 2.3 Prinzip der FIT-GAP-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Abb. 2.4 Beispiel FIT-GAP-Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Abb. 2.5 Zielformulierung am Beispiel
Organisationsentwicklung Auftragsabwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Abb. 2.6 Detail Zielformulierung entlang von Hauptprozessen. . . . . . . . . . . . . . 20
Abb. 2.7 Exemplarische Prämissen im Rahmen einer
Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Abb. 2.8 Beispiel Organisationsstruktur mit Holding und Teilkonzernen . . . . . . 24
Abb. 2.9 Beispiel Funktionale Organisationsstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Abb. 2.10 Beispiel einer Matrixorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Abb. 2.11 Dezentrale Struktur mit regionalen Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Abb. 2.12 Detail Matrixorganisation mit regionaler Organisationsstruktur. . . . . . 27
Abb. 2.13 Funktionen eines Regionen-Hubs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Abb. 2.14 Funktionen einer Produktionsbetriebsstätte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Abb. 2.15 Beispiel Formblatt Analyse Headcount und FTE. . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Abb. 2.16 Beispiel Formblatt Aufgabenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Abb. 2.17 Aufgabenverteilung am Beispiel einer Einkaufsorganisation . . . . . . . . 34
Abb. 2.18 Ergebnisdarstellung Aufgabenanalyse Einkaufsfunktion. . . . . . . . . . . . 35
Abb. 2.19 Stellenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Abb. 2.20 Praxisbeispiel Stellenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Abb. 2.21 Beispiel Darstellung Schnittstellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Abb. 2.22 Beispiel Schnittstellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Abb. 2.23 Praxisbeispiel zur Darstellung Ergebnisse Schnittstellenanalyse. . . . . . 42
Abb. 2.24 Formblatt 1 Schnittstellenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Abb. 2.25 Formblatt 2 Schnittstellenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Abb. 2.26 Vorgehen Kundenkontaktanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

XI
XII Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.27 Beispiel Ergebnisdarstellung Kundenkontaktanalyse. . . . . . . . . . . . . . . 48


Abb. 2.28 Prozessanalyse – Ganzheitliches Prozessmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Abb. 2.29 Grundlegende Prozesshierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Abb. 2.30 Input-Output-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Abb. 2.31 Prozesshierarchie am Beispiel Kundenauftragsabwicklung. . . . . . . . . . 53
Abb. 2.32 Prozesshierarchie am Beispiel Prozess Customer
Relationship Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Abb. 2.33 Praxisbeispiel Supply Chain Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Abb. 2.34 Beispiel Formblatt zur Detailanalyse einer Prozesskette. . . . . . . . . . . . 56
Abb. 2.35 Prozessdarstellung im Swim-Lane-Format . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Abb. 2.36 Beispiel Analyse von Durchlaufzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Abb. 2.37 Praxisbeispiel Häufigkeit Schnittstelleneinbindung. . . . . . . . . . . . . . . . 61
Abb. 2.38 Durchlaufzeiten Einkaufsfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Abb. 2.39 Kennzahlenanalyse Wert- und Mengengerüste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Abb. 2.40 Praxisbeispiel Verteilung Rechnungsarten nach Bestellbezug. . . . . . . . 65
Abb. 2.41 SWOT-Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Abb. 3.1 Typisierung von Organisationsveränderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Abb. 3.2 Dimensionen der Veränderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Abb. 3.3 Grundlegende Ansatzpunkte nach Gestaltungsfeldern. . . . . . . . . . . . . . 73
Abb. 3.4 Gestaltungsfelder nach dem 7-S-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Abb. 3.5 Designprinzipien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Abb. 3.6 Festlegungen Organisationsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Abb. 3.7 Übersicht grundlegende Veränderungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Abb. 3.8 Allgemeines Phasenmodell Organisationsentwicklung. . . . . . . . . . . . . 78
Abb. 3.9 Beispiel unterschiedlicher Entwicklungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Abb. 3.10 Beispiel Transformationsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Abb. 3.11 Vorgehensweise Organisationsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Abb. 3.12 Vorgehen Analyse globale Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Abb. 3.13 Beispiel für eine hierarchisch strukturierte Vorgehensweise . . . . . . . . . 84
Abb. 3.14 Beispiel Vorgehensmodell einer Organisationsentwicklung . . . . . . . . . 85
Abb. 3.15 Aufgabenumfang Programmmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Abb. 3.16 Segmentierungskriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Abb. 3.17 Soll-Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Abb. 3.18 Modell weltweite Gesamtorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Abb. 3.19 Globale Matrixorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Abb. 3.20 Matrixorganisation am Beispiel einer
Auftragsabwicklungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Abb. 3.21 Alternativen Betrachtung bei der Organisationsentwicklung. . . . . . . . . 92
Abb. 3.22 Ableitung Soll-FTE-Anzahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Abb. 3.23 Verhältnis AKV bei Organisationsveränderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Abb. 3.24 Vorgehen Abgrenzung Aufgaben, Kompetenzen
und Verantwortung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Abbildungsverzeichnis XIII

Abb. 3.25 Beispiel Abgrenzung Soll-Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102


Abb. 3.26 Darstellung Ergebnisse AKV am Beispiel IT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Abb. 3.27 RACI-Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Abb. 3.28 Beispiel einer typischen RACI-Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Abb. 3.29 Beispiel RACI Auftragsbearbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Abb. 3.30 Beispiel Soll-Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Abb. 3.31 Beispiel Sollprozesse – Prozesshierarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Abb. 3.32 Beispiel EPK-Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Abb. 3.33 Typisierung Einbezug IT-Systeme bei
Organisationsentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Abb. 3.34 Soll-Systemunterstützung Organisatorische Schichten
eines SAP-Systems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Abb. 3.35 Geschäftsprozesse in der SAP Business Suite
und SAP-Kernkomponenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Abb. 3.36 Übersicht Projekttypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Abb. 3.37 Kommunikation von Organisationsveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Abb. 4.1 Zieldimensionen als Grundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Abb. 4.2 Beispiele für Ziel- und Messgrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Abb. 4.3 Messkonzept quantitative Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Abb. 4.4 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . 130
Abb. 4.5 Umsetzungskontrolle Beispiel Statusbericht Einzelprojekt. . . . . . . . . . 132
Abb. 4.6 Umsetzungskontrolle Beispiel Statusbericht Teilprojekte. . . . . . . . . . . 133
Abb. 4.7 Beispiel Visualisierung Wirksamkeitskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Einleitung
1

Organisationsentwicklungen sind für die meisten Unternehmen eine relevante Frage-


stellung. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass Unternehmen wachsen und für die
Bewältigung der Aufgaben neue und veränderte Ressourcen geschaffen werden, dass die
Gewichtung und Bedeutung von Geschäftsfeldern und -modellen dem Wandel unterwor-
fen sind (vgl. Linz et al. 2017, S. 46) und folglich z. B. die Personalausstattung verändert
wird oder dass ganz neue Geschäftsfelder und Märkte erschlossen werden sollen. Hinzu
kommt, dass Unternehmen anorganisch wachsen und ganz oder in Teilen verschmol-
zen werden. Synergien aus der Zusammenführung von Doppelfunktionen sollen dabei
oftmals gehoben werden. Davon sind, je nach Fokus und Ansatz der Fusion, zahlreiche
Unternehmensfunktionen betroffen. Die Frage nach einer geeigneten oder verbesserten
Organisation begleitet viele Unternehmen permanent. Meist gibt es parallel auf unter-
schiedlichen Hierarchie- und Organisationsebenen Ideen und Vorhaben, die Organisation
weiter zu entwickeln. Grundsätzlich lassen sich also exogene und endogene Anstöße zur
Veränderung der Organisation unterscheiden.
Exogene sind von außen einwirkende Veränderungen auf eine bestehende Organi-
sation, z. B. Gesetzänderungen, Marktzutrittsbarrieren wie Zölle oder typischerweise
Fusionen und Zusammenschlüsse, wenn Unternehmensteile zusammengeführt werden.
Endogene Veränderungen sind dann Organisationsveränderungen, die von innen, quasi
aus der Organisation selbst heraus, angestoßen werden. Sie sind dabei nicht selten Aus-
fluss aus dem Strategieprozess, der in regelmäßigen Abständen das Unternehmen an die
Markt- und Wettbewerbsbedingungen anpassen soll.
Der Begriff Organisationsentwicklung ist erklärungsbedürftig. Wenn der Begriff in
seine zwei Bestandteile „Organisation“ und „Entwicklung“ zerlegt wird, wird zunächst
klarer, worum es geht. Doch auch diese beiden Begriffe bedürfen einer Definition oder
zumindest einer Interpretation für das hier vorliegende Buch. Unter Organisation wol-
len wir den funktionalen Organisationsbegriff verstehen (vgl. Schreyögg 2008, S. 5),
wonach eine Organisation der Zweckerfüllung einer Unternehmung oder institutioneller

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 1


S. Schifferer und B. von Reitzenstein, Tools und Instrumente der
Organisationsentwicklung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55560-6_1
2 1 Einleitung

Systeme wie Kirchen, Schulen, Behörden sicherstellen soll. Der institutionelle Organi-
sationsbegriff schließt dabei die Prozess- und Systemebene mit ein. Zentral bleibt aber
die geregelte Arbeitsteilung. Darunter soll verstanden werden, dass die Aufgaben nach
einem rationalen Muster geteilt und verbunden werden (vgl. Schreyögg 2008, S. 9).
Diese Muster werden anhand von formalen Beschreibungsinstrumenten wie z. B. Orga-
nigrammen, Organisationshandbüchern oder Aufgabenbeschreibungen für die Perso-
nen einer Organisation sichtbar gemacht und operationalisiert. Sie zeigen auch auf, was
gehört zur Organisation und was nicht. Zusammenfassend soll unter dem Begriff Orga-
nisation die Gesamtheit aller ablauf- und aufbauorganisatorischen Elemente verstanden
werden, die eine Arbeitsteilung für eine bestimmte Zweckerfüllung beschreiben. Da
viele Abläufe oder auch Prozesse ohne unterstützende Systeme oder Tools kaum mehr
denkbar sind, müssen IT-Systeme ganz allgemein mit eingeschlossen werden.
Fraglich ist, auf welche Typen von Organisation sich ein Buch zur Organisations-
entwicklung beziehen kann. Dazu ist erforderlich, sich klar zu machen, welche Typen
von Organisationen bekannt sind, soweit sich überhaupt eine durchgängige Typologie
ableiten lässt. Ganz allgemein können auf der einen Seite Organisationen für Unter-
nehmen, und diese wiederum nach verschiedenen Branchen, und auf der anderen Seite
Organisationen für Verwaltungen wie Behörden, gemeinnützige Verbände, Kirchen etc.
unterschieden werden, wie in Abb. 1.1 dargestellt. Dazwischen gibt es alle möglichen
Mischformen, etwa auch Vereine oder Genossenschaften, die wie Unternehmen Gewinne
erwirtschaften wollen. Allen Organisationen gemeinsam ist offenbar, dass sie einem
Organisationszweck folgen, einen wie auch immer gearteten Regelbetrieb aufrechterhal-
ten, Zuständigkeiten innerhalb der Organisation zuweisen, eine Hierarchie ausprägen,
feste formale Regeln formulieren, eine Aufgabenteilung vornehmen, Funktionen und
Spezialisierungen ausbilden oder eine Mitarbeiter- oder Mitgliederstruktur ausprägen
(vgl. hierzu auch Apelt 2017, S. 23 ff). Unterschiede hingegen bestehen in den Werten,
den Zielen und folglich der Strategie, der Art und Weise, wie sich die Organisationen
finanzieren, dem Autonomiegrad, Ziele und Strukturen selbst festzulegen, der Größe
nach Umsatz und Anzahl an Mitarbeitern, der Komplexität, der Art und Weise, wie Mit-
arbeiter vergütet und an die Organisation gebunden werden, dem Grad der Spezialisie-
rung, der Delegation und Koordination von Aufgaben oder ob die Organisation nur lokal
oder global agiert (vgl. auch Schiersmann 2014, S. 56).
All diese Kriterien auf verschiedene Branchen und Institutionen angewendet, ergäbe
eine Vielzahl an unterschiedlichen Organisationstypen. Aus den Unterschieden kann
aber die Schlussfolgerung gezogen werden, dass je nach Ausprägung auch die jeweilige
Organisation unterschiedlich ausgeprägt sein wird oder zumindest eine eigene Struktur
begründen könnte. Wichtig ist es also, bei der Organisationsgestaltung auf diese Aspekte
Rücksicht zu nehmen bzw. diese aktiv zu kennen. Es ist deswegen auch so schwierig,
allgemein gültige Gestaltungsempfehlungen für Organisationen ableiten zu wollen,
wie Unternehmen sich auszurichten hätten. Dies mag für einzelne Branchen zu einem
bestimmten Zeitpunkt gelingen, Allgemeingültigkeit können solche Empfehlungen
aber kaum haben und besitzen allenfalls eine Halbwertszeit von wenigen Monaten. Für
1 Einleitung 3

Unternehmen Gemeinsame Merkmale Unterschiede

Bau Formulierter Werte


Energie Organisationszweck Ziele
Chemie Regelbetrieb Finanzierung
Handel Verteilung von Autonomiegrad
Software Zuständigkeiten
Größe
Maschinenbau Hierarchie
Komplexität
Dienstleistung Feste formale Regeln
Bindung und
… Aufgabenteilung Vergütung der
Behörden Ausbildung von Mitarbeiter/Mitglieder
Universitäten Funktionen Grad der
Kirchen Ausprägung Spezialisierung,
Parteien Mitarbeiterstruktur/ Delegation,
Mitglieder Koordination von
Vereine
… Aufgaben
Gemeinnützige
Verbände Reichweite – lokal/
regional/global

Verwaltungen

Abb. 1.1  Typologie von Organisationen

e­ inzelne Funktionen lassen sich eher solche Best-Practice-Organisationen formulieren,


etwa im Einkauf, wo die Trennung strategischer und operativer Einkaufsaufgaben eine
nach wie vor allgemein gültige Leitlinie darstellt. Aus den Gemeinsamkeiten der Merk-
male kann wiederum ableitet werden, dass standardisierte Analyseinstrumente, die z. B.
die Aufgabenverteilung analysieren und hinterfragen, zunächst einmal auf alle Typen
von Organisationen angewendet werden können. Die Analyse der Hierarchie erfolgt
z. B. typischerweise anhand von Organigrammen, die auch Funktionen und Zuständig-
keiten widerspiegeln. Anhand ausgewählter Analyseinstrumente kann also eine Organi-
sation weitgehend und oft auch ausreichend genau beschrieben werden. Klar ist auch,
und das sei ebenfalls vorangestellt, dass alle Aspekte, die eine Organisation ausmachen,
nie erfasst und analysiert werden können.
Der Begriff „Veränderung“ hat bezogen auf eine Organisation dann ganz allgemein
die Bedeutung, dass ablauf- oder aufbauorganisatorische Elemente von einem beste-
henden Zustand in einen künftigen, veränderten Zustand überführt werden. Dies erfolgt
in der betrieblichen Praxis meist im Rahmen von Organisationsprojekten. Wie Pro-
jekte zur Organisationsentwicklung beschrieben und betrieben werden, wird im Kap. 3
näher beschrieben. Der Begriff Veränderungsmanagement geht viel weiter und ver-
sucht alle Aspekte einer Transformation in einer Organisation zu erfassen. Das Thema
Change Management wird im Rahmen des Buches zunächst nicht weiter behandelt.
Hierzu gibt es eine ganze Reihe von spezialisierten Beiträgen in der Literatur (siehe
hierzu u. a. Doppler und Lauterburg 2012), die es lohnend erscheinen ließe, daraus ein
neues selbstständiges zusammenfassendes Werk zu erstellen.
4 1 Einleitung

Führungskräften in Unternehmen kommt bei der Formulierung und Umsetzung von


Organisationsentwicklungen eine zentrale Rolle zu. Nicht selten kann ein Teamleiter
die innere Organisation seines Teams bzw. Arbeits- und Aufgabenteilung noch selbst
festlegen, ohne dass er hierzu große übergeordnete Entscheidergremien benötigt. Wenn
eine Führungsspanne von etwa sechs bis zehn Mitarbeitern je Führungskraft unterstellt
wird, kann die Dimension ungefähr abgeschätzt werden. Das mag auch noch für die
innere Organisation einer Abteilung selbst gelten, beispielsweise die Abgrenzung der
Teams, wobei hier schon die Schnittstellen zwischen den Teams zu anderen Abteilun-
gen zu berücksichtigen sind. Die Anzahl der Teams je Abteilung liegt meist zwischen
zwei und fünf. Spätestens aber, wenn es um die Strukturierung und Abgrenzung von
mehreren Abteilungen und damit der übergeordneten Organisationseinheit wie z. B.
Gesellschaft, Geschäftseinheit, Division, etc. geht, hat die Organisationsveränderung
von Art und Umfang eine Dimension erreicht, die ein Projekt zur Organisationsentwick-
lung rechtfertigt und nach sich zieht. Vor allem die Schnittstellen wirken dann häufig in
die Teamstruktur der Abteilungen mit ein, sodass am Ende beides, die Abteilungs- und
Teamorganisation, adressiert werden.
Grundsätzlich bedarf es immer der Steuerung solcher Projekte zumindest aus der
nächsthöheren Hierarchieebene in der Organisation, um dem Anspruch der Neut-
ralität und Objektivität zu genügen. Aus und auf dieser Hierarchieebene erfolgt die
Problematisierung und Bewertung als Anstoß dafür, ein explizites Organisationsentwick-
lungsprojekt zu formulieren (vgl. Siebenbrock 2016, S. 58). Am Anfang einer Organisa-
tionsentwicklung stehen also die zentralen Fragen: Welche Probleme haben wir in und
mit der bestehenden Organisation, wie lassen sich diese quantifizieren oder messen?
Welche Ziele werden dadurch bisher nicht erreicht, welche Veränderungen sind denkbar,
verbessern sich dadurch die Kennzahlen, welche Veränderungen werden notwendig sein,
was ist folglich der Untersuchungsbereich für die Organisationsentwicklung und wie
sieht ein geeignetes Vorgehen inklusive Zeitplan dazu aus? All diese Fragen sind nicht
theoretischer Natur, sondern stellen sich bei allen Organisationsentwicklungsprojekten
ganz konkret, egal ob es sich um ein umfangreiches und vielschichtiges Organisations-
problem handelt oder nur auf wenige Abteilungen und Funktionen konzentriert ist.
Das vorliegende Buch fasst im Kap. 2 erprobte Tools und Instrumente zur Analyse
von Organisationen im Rahmen einer Organisationsentwicklung zusammen. Es wird
dabei nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und nicht alles, was analysiert
wird, rechtfertigt oder ist ein Tool. Die hier vorgenommene Auswahl entspricht den-
jenigen Analysetools, die sehr häufig oder sogar fast immer im Rahmen der Projekte
der Autoren zum Einsatz kommen. Diese werden in Kap. 2 vorgestellt und beschrieben.
Die Instrumente werden dabei jeweils anhand der Logik Ziel der Analyse, Vorgehen und
Nutzen sowie das zu erwartende Ergebnis kurz vorgestellt. Das Buch richtet sich damit
an Praktiker, die sich schnell einen Überblick über die Eignung des Instruments für eine
vorliegende Fragestellung verschaffen wollen. Dies erscheint auch deshalb sinnvoll,
weil in der Praxis bezogen auf eine Problemstellung und Zielsetzung meist mehrere
Tools, aber nie alle, zur Anwendung kommen. Der Mix wird immer individuell auf das
1 Einleitung 5

jeweilige Projekt zugeschnitten. Zahlreiche Abbildungen sollen deren Verwendung und


Nutzen veranschaulichen.
Im dritten Kapitel werden typische Vorgehensweisen zur Organisationsentwicklung
vorgestellt. Ausgehend von den Dimensionen der Veränderung werden verschiedene
Modelle der Organisationsentwicklung aufgezeigt. Bei der Beschreibung der Soll-
Organisation stellt sich zunächst die Frage nach geeigneten Segmentierungskriterien.
Überhaupt ist die „Segmentierung“ eine der zentralen Fragestellungen bei der Organi-
sationsgestaltung, geht es doch immer auch um die Frage, nach welchen Prinzipien
oder Designkriterien die Organisation aufgebaut und ausgerichtet werden soll. In dem
Kapitel folgen dann die weiteren Elemente, anhand derer eine Soll-Organisation hinrei-
chend beschrieben werden kann, wie z. B. die Organigramme der Soll-Organisation, die
Soll-Aufgaben etc. Im letzten Teil des dritten Kapitels wird das Thema Kommunikation
von Organisationsveränderungen behandelt. Auch in diesem Kapitel werden anhand von
Abbildungen praktisch erprobte Herangehensweisen und Darstellungsformen aufgezeigt.
Das vierte Kapitel widmet sich der Frage nach einem geeigneten Messkonzept von
Organisationsveränderungen. Dies knüpft freilich an den Anfang eines Projektes zur
Organisationsentwicklung an, sollte doch bereits am Anfang feststehen, welche Ziele mit
einer Veränderung erreicht werden sollen. Dabei werden verschiedene typische Zieldi-
mensionen als Grundlage für die Erfolgsmessung vorgestellt. Diesem schließt sich ein
Messkonzept für Vorher-Nachher-Betrachtungen an. Gerade diese fallen, ist das Projekt
erst einmal umgesetzt, oftmals unter den Tisch, vielfach stehen schon die nächsten The-
men an. Umso wichtiger ist es daher, eine einfache, aber wirksame Umsetzungskontrolle
zu installieren und die Umsetzung der Organisationsmaßnahmen nachzuhalten.
Im fünften und letzten Kapitel erfolgt ein Ausblick und eine Art Replik, welche weite-
ren Themen noch behandelt werden könnten und dem Thema Organisationsentwicklung
zugerechnet werden können. Dabei erfolgt auch ein Hinweis auf empirische Studien, die
von Interesse sein könnten. Dies lässt auch Spielraum für eine erweiterte und überarbei-
tete weitere Auflage.
Die Abb. 1.2 Übersichtsbild Organisationsentwicklung gibt einen Überblick, welche
Themen aus Sicht der Autoren der Organisationsentwicklung zugeordnet werden kön-
nen. Das theoretische Grundgerüst bildet die Organisationstheorie mit den verschiedenen
Organisationsbegriffen und den verschiedenen Theoriebausteinen. Diese werden im Rah-
men des Buches nicht weiter behandelt. Angesprochen wird die Frage, warum sich Orga-
nisationen verändern. Organisationen passen sich im Wesentlichen an Umwelteinflüsse
und Trends, an das organische und anorganische Wachstum, an einen Werte- und Kultur-
wandel sowie an Technologieänderungen an. Wie stark sich die jeweiligen Einflüsse auf
die Organisationsgestaltung auswirken, wird an geeigneten Stellen angesprochen, kann
aber nicht abschließend behandelt werden. Eine grundlegende Unterscheidung betrifft
die Trennung der Organisationsgestaltung für die Aufbau- und Ablauforganisation. Frag-
lich ist immer, geht das eine ohne das andere und wenn nicht, in welcher Reihenfolge
Anpassungen vorgenommen werden sollen. Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Vor-
gehensweisen werden angesprochen. Werden die Ablauforganisation und das Thema
6 1 Einleitung

Organisationsentwicklung

Organisationstheorie

Umwelteinflüsse / Wachstum Technologie- Wertewandel /


Trends endogen / exogen entwicklung Kultur

Aufbauorganisation Ablauforganisation / Prozessmanagement

Organisationsanalyse
Instrumente & Methoden

Organisationsgestaltung
Leitlinien / Designkriterien

Beschreibung
Verantwortung Beschreibung
Legal-Struktur Aufbau- IT & Systeme
& Reporting Prozesse
organisation

Vorgehensweisen Organisationsentwicklung

OE-Projekt Mediation / Coaching Change Management

Erfolgsmessung

Abb. 1.2  Übersichtsbild Organisationsentwicklung

Prozessmanagement unter dem Begriff Organisationsentwicklung subsumiert, breitet


sich ein großes Gestaltungsfeld für die Organisationsentwicklung aus, das in der aktu-
ellen Literatur meist unter dem Begriff Prozessmanagement oder Geschäftsprozessma-
nagement behandelt wird. Der Teil Prozessentwicklung ist daher kompakt gehalten, um
sich nicht der Gefahr von Wiederholungen auszusetzen. Das Buch widmet sich vorrangig
dem Themenfeld der Organisationsanalyse und zeigt hierzu praxiserprobte Instrumente
und Methoden auf. Ein weiterer Schwerpunkt, welcher im Buch behandelt wird, sind
die Leitlinien und Designkriterien für eine Organisationsgestaltung sowie die Gestal-
tungsfelder Legalstruktur, die Zuweisung der Verantwortung und die Berichtslinien, die
formale Beschreibung der Aufbauorganisation, die Prozesslandschaft sowie die Sys-
temlandschaft. Zur Organisationsentwicklung gehören zwingend Vorgehensweisen zur
Organisationsentwicklung, typischerweise als OE-Projekt. Hierauf geht das Buch ein
und stellt Vorgehensmodelle dar. Nicht behandelt werden Mediation und Coaching sowie
der Begriff Change Management. Unter dem Begriff Change Management können alle
verhaltenswissenschaftlichen Aspekte von Organisationsveränderungen behandelt wer-
den, mit ein Grund, warum es hier so vielfältige Darstellungen in der Literatur gibt. Die
Erfolgsmessung ist ein weiterer wichtiger Baustein, der zur Organisationsentwicklung
Literatur 7

gezählt werden muss, obgleich das vorgestellte Messkonzept selbst auch auf andere Fra-
gestellungen angewendet werden kann, weil es letztlich immer um betriebswirtschaftlich
relevante Größen geht, die sich in der Gewinn- oder Verlustrechnung bzw. in der Bilanz
niederschlagen.

Literatur

Apelt M (2017) Organisationstypologien. In: Roehl K, Asselmeyer H (Hrsg) Organisationen klug


gestalten. Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S 23–29
Doppler K, Lauterburg C (2012) Change Management – Den Unternehmenswandel gestalten.
Campus, Frankfurt a. M.
Linz C, Müller-Stewens G, Zimmermann A (2017) Fit für die Zukunft. In: Harvard Business
Manager 7-2017, manager magazin Verlagsgesellschaft mbH, S 46–55
Schiersmann C, Thiel H-U (2014) Organisationsentwicklung – Prinzipien und Strategien von Ver-
änderungsprozessen. Springer Fachmedien, Wiesbaden
Schreyögg G (2008) Organisation – Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Gabler, Berlin
Siebenbrock H (2016) Grundlagen der Organisationsgestaltung und -entwicklung. Niederle Media,
Altenberge
Tools und Instrumente zur
Organisationsanalyse 2

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Tools und Instrumenten, die sich zur Analyse von
Organisationen, Prozessen und Abläufen eignen. Hierbei werden das Ziel, das Vorgehen
bei der Anwendung sowie das Ergebnis und der Nutzen jeweils kurz erläutert. Das soll
es dem Leser ermöglichen, schnell die relevanten Aspekte des jeweiligen Tools zu erfas-
sen. Jedes Unterkapitel kann dabei für sich gelesen werden, es setzt nicht die Kenntnis
der vorangegangenen Kapitel zwingend voraus. Die in diesem Buch dargestellten Tools
stellen eine Auswahl von in der Praxis vielfach verwendeten Analyseinstrumenten dar.
Neben diesen existieren selbstverständlich noch weitere Instrumente, die jedoch in die-
sem Rahmen nicht vorgestellt werden. Abb. 2.1 gibt einen Überblick über die ausgewähl-
ten Tools und Instrumente, die im Folgenden näher beschrieben werden.
Dabei stellen die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs, die Organisationshistorie
und die FIT-GAP-Analyse keine Tools im engeren Sinne dar, sondern beschreiben die
oftmals notwendigen Vorarbeiten zur Ein- und Abgrenzung sowie Problematisierung.
Die Formulierung der Ziele und Prämissen ist elementar und wird daher mit behandelt.
Danach werden typische Analysen wie etwa eine Stellenanalyse oder Aufgabenanalyse
vorgestellt. Betont werden muss auch noch einmal an dieser Stelle, dass im Rahmen
eines Projekts zur Organisationsentwicklung nie alle Analysen erforderlich sind, son-
dern, je nach Aufgabenstellung, nur ausgewählte Tools und Instrumente zum Einsatz
kommen.

2.1 Abgrenzung Untersuchungsbereich

Die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs ist elementar, weil zunächst einmal festgelegt
werden muss, was der Umfang oder „Scope“ der geplanten Organisationsentwicklung sein
soll. Diese wirkt sich auf den Umfang der Analyse, der einzubeziehenden Gremien und
Personen, den Projektansatz und -verlauf, auf die einzusetzenden Ressourcen und nicht

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 9


S. Schifferer und B. von Reitzenstein, Tools und Instrumente der
Organisationsentwicklung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55560-6_2
10 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Abgrenzung FIT-GAP-Analyse
Organisationshistorie
Untersuchungsbereich

Zielerreichung Prämissen

Staffing –
Organigramme Aufgabenanalyse
Analyse HC und FTE

Stellenanalyse Schnittstellenanalyse Kundenkontaktanalyse

Analyse Analyse
Prozessanalyse
Durchlaufzeiten Wert- und Mengengerüste

SWOT-Analyse

Abb. 2.1  Übersicht ausgewählter Tools und Instrumente

zuletzt auf die Dauer des Vorhabens aus. Zu beachten ist, dass der Scope und die Zielset-
zungen nicht unabhängig voneinander sind. Sollen etwa die Entwicklungsorganisationen
überprüft und weiterentwickelt werden, sind alle Standorte mit Entwicklungsfunktionen
einzubeziehen, ggf. auch angrenzende Funktionen wie Produktmanagement, Einkauf
usw. Es ist daher wichtig zu prüfen, ob die Zielsetzungen des Projekts mit dem gewählten
Untersuchungsbereich zusammenpassen.

Ziel
Ziel dieser Abgrenzung des Untersuchungsbereichs ist die eindeutige Bestimmung und
Erfassung der – zunächst für die Analyse relevanten – Unternehmenseinheiten, Organi-
sationseinheiten, Prozesse oder Abläufe, die im Rahmen der definierten Fragestellung
untersucht werden sollen. Über die Definition des Untersuchungsbereichs hinaus kann es
auch hilfreich sein, eine entsprechende Negativabgrenzung abzuleiten, also auch aktiv
konkrete Inhalte zu definieren, die kein Gegenstand der angestrebten Untersuchung sein
sollen. Typischerweise sind das ausgewählte Unternehmen, Bereiche, Standorte, Funkti-
onen, Abteilungen oder Prozessabschnitte.

Vorgehen Anwendung
Die Diskussion und die Festlegung der Abgrenzung erfolgen in der Regel in Abstim-
mung mit den entsprechenden Projektsteuerungsgremien. Der Untersuchungsbereich
hängt auch von der Zielsetzung des Projekts ab. Soll etwa die Entwicklungsorganisation
angepasst werden, um z. B. die Innovationsleistung zu erhöhen, müssen zumindest alle
2.2 Analyse der Organisationshistorie 11

Entwicklungsfunktionen betrachtet werden. Der finale Entscheid, welche Inhalte in den


Untersuchungsbereich aufgenommen werden, erfolgt durch die Steuerungsgremien bzw.
den Auftraggeber des Projekts. In der Praxis wird die Abgrenzung des Untersuchungs-
bereichs vielfach auch als Definition des Scopes (engl. Scope = Untersuchungsbereich)
bezeichnet. Der definierte Untersuchungsbereich kann auch in die Prämissen des Pro-
jekts aufgenommen werden (siehe Gliederungspunkt Abschn. 2.5 Prämissen). In der
Regel wird der Untersuchungsbereich anhand eines Organigramms oder einer Prozess-
darstellung visualisiert, um auch zu verdeutlichen, was dann nicht im Scope ist. Unter
Umständen kann es sinnvoll sein, zusätzlich zur Definition des Untersuchungsbereichs
aktiv eine Negativabgrenzung vorzunehmen. So etwa kann ein Bereich, ein Standort oder
eine Funktion explizit ausgeschlossen werden.

Ergebnis und Nutzen


Zunächst kann klargemacht werden, welche Teile des Unternehmens oder der Organisa-
tion betroffen sind und welche nicht. Das ist im Rahmen einer ersten Projektkommu-
nikation von großer Bedeutung. Die vorgenommene Abgrenzung liefert auch eine klare
Trennung der für die Analyse relevanten Bereiche, Prozesse etc. von denen, die nicht
Teil der definierten Analysearbeitspakete sind. Damit kann auch der Aufwand besser
abgeschätzt und eingegrenzt werden. Ein eindeutig definierter Untersuchungsbereich
ermöglicht zudem eine Indikation, welche Analysetools für die jeweilige Fragestellung
geeignet sein könnten oder auszuwählen sind.
Am Beispiel eines klassischen Prozessmodells kann aufgezeigt werden, wie der
Untersuchungsbereich visualisiert werden kann. Diese sind – hier im Beispiel einer klas-
sischen Prozesslandkarte eines Unternehmens – blau hervorgehoben (Abb. 2.2). Zudem
können die möglichen relevanten Schnittstellen der Bereiche untereinander identifiziert
werden. Ein klar definierter Untersuchungsbereich zeigt auch die Schnittstellen zu Funk-
tionen, die nicht im Scope sind, aber z. B. im Rahmen einer Schnittstellenanalyse Teil
der Betrachtung werden. Im Beispiel des Prozessmodells lassen sich auch die ausge-
wählten Prozesse, die näher untersucht werden sollen, ableiten. Anhand der involvierten
funktionalen Fachbereiche im Prozess können zudem erste Ansprechpartner abgeleitet
werden. Alternativ kann die Darstellung des Untersuchungsbereichs anhand von Orga-
nigrammen vorgenommen werden. Entscheidend ist, dass der Untersuchungsbereich so
gewählt wird, dass die vorgegebenen Projektziele damit voll beeinflussbar sind.

2.2 Analyse der Organisationshistorie

Jede Organisation ist Veränderungen unterworfen. Es gibt in aller Regel eine Vielzahl von
kleinen und wenigen größeren organisatorischen Änderungen im Laufe der Zeit. Kleinere
sind beispielsweise, wenn sich Mitarbeiter verändern, neue Mitarbeiter hinzukommen
oder wenn neue unterstützende Tools eingesetzt werden. Größere Änderungen betref-
fen z. B. den Aufbau und Zuschnitt von Bereichen, Abteilungen oder die ­Berichtslinien.
12

Management- Management-Prozesse
Prozesse
- Gestalten und Steuern Strategie Führung Controlling Forschung Philosophie
der Kern- und Planung Reporting Reporting Entwicklung Methoden
Unterstützungs-
Prozesse Top- Personal- Performance Innovations- Qualiäts-
Management Management Management Management/ Management
F&E

Kern–Prozesse
Auftragsbearbeitung
- wertschöpfend
Vertrieb Produktion Distribution
Planung
Pricing Einzelne Lagerung
Finale Produktions- Waren
Angebots- prozesse & Auslieferung
erstellung Engineering Herstellung Abrechnung
-teilprozesse
Detaillierte Kundenlösung Spezialteile Fakturierung
Vertrags-
gestaltung

Marketing- Einkauf Beschaffung erforderlicher Teile & Warengruppen


= Untersu- Aktivitäten
chungs-
bereich

Daten- Personal- Infrastruktur/ Einkauf Buchhaltung


verarbeitung wesen Instandhaltung indirekter WG/
Investitionen
Unterstützungs- Systeme Auswahl Gebäude Bedarf Buchführung
Prozesse Daten Entwicklung Anlagen Beschaffung Bilanzierung
- mittelbar
wertschöpfend Unterstützungs-Prozesse

Abb. 2.2  Abgrenzung Untersuchungsbereich


2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
2.2 Analyse der Organisationshistorie 13

­ ielfach sind im Laufe der Jahre zahlreiche Veränderungen vorgenommen worden, und
V
Mitarbeiter fragen sich manchmal, was eine erneute Veränderung bringen soll. Es ist
also gut zu wissen, welche größeren Veränderungen bereits stattgefunden haben, welche
Modelle schon ausprobiert worden sind und warum ggf. eine Abkehr davon stattfand.

Ziel
Das Ziel der Analyse der Organisationshistorie ist, eine Übersicht und Darstellung der
bereits getätigten Veränderungen und Organisationsentwicklungen über einen definier-
ten Zeitraum, beispielsweise der letzten drei Geschäftsjahre, um die bereits in der Ver-
gangenheit vorgenommenen Organisationsentwicklungen transparent zu machen. Es soll
auch verhindern, dass Konzepte und Alternativen, die schon untersucht wurden, nicht
erst erfunden werden müssen, sondern von Anfang an Teil des Lösungsraums sind. Oft-
mals lassen sich einzelne Lösungsbausteine daraus in ein künftiges Konzept integrieren.
Wenn Unterlagen vorhanden sind, geben diese Hinweise und z. T Aufschluss über frü-
here Betrachtungen. Was schon analysiert wurde, muss nicht noch mal analysiert wer-
den. Meist wird aber die Qualität solcher Vorarbeiten vom Auftragsgeber überschätzt,
wenn die Projekte nicht sauber nach Standards dokumentiert sind.

Vorgehen und Anwendung


Um die bereits vorgenommenen organisatorischen Veränderungen oder vormals aktiven
Konzepte zur erfassen, ist es sinnvoll, ausgewählte Interviews zu führen und bestehende
Unterlagen zu sichten. Leider sind diese vielfach nicht ohne weiteres verfügbar. Auch
fehlt es oft an geeigneten Ansprechpartnern, die genügend Neutralität, Abstand und
Überblick zu bereits vorgenommenen Organisationsveränderungen haben. Eine Visuali-
sierung der Organisationsentwicklung einer Organisation oder spezifischer Bereiche für
den ausgewählten Zeitrahmen kann anhand einer einfachen Tabelle erfolgen, in der die
gesichteten Unterlagen sowie die geführten Interviews aufgeführt sind. Eine Bewertung
sollte eher nicht vorgenommen werden, es reicht aus, festzustellen, welche Ergebnisse
in das neue Vorhaben einfließen könnten. Es kommt vor allem darauf an, zu erfragen,
welche Leitgedanken oder Leitlinien bei der Organisationsgestaltung in der Vergangen-
heit zum Tragen kamen und warum. Haben sich die Prämissen geändert? Gab es Fehl-
einschätzungen? Wurden Dinge nicht konsequent umgesetzt? Standen Einzelpersonen im
Vordergrund?

Ergebnis und Nutzen


Die Analyse liefert im Idealfall eine chronologische Übersicht und Transparenz über
die organisatorischen Veränderungen in der Organisation im Betrachtungszeitraum,
die bereits in der Vergangenheit durchgeführt wurden, und welchen Zweck sie verfolgt
haben. Die Analyse kann auch Hinweise geben, ob sich eine Organisation noch gerade
in der Umsetzung eines Konzepts befindet und gar nicht ohne weiteres in der Lage wäre,
ein neues Vorhaben zu unterstützen. Es kann auch Hinweise darauf geben, welche Kon-
zepte nicht umgesetzt wurden und warum. Zusätzlich kann sich frühzeitig zeigen, ob es
14 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

verschiedene Lager und Befürworter für Modelle gibt, die in der Vergangenheit nicht
zum Zuge kamen. Eine lückenlose Organisationshistorie ist meist nicht zu erwarten und
lohnt auch den Zusatzaufwand nicht. Oft reicht es auch aus zu wissen, wie lange die
bestehende Struktur vorliegt und wer diese geschaffen hat.

2.3 FIT-GAP-Analyse

Die FIT-GAP-Analyse unterscheidet zwischen operativen und strategischen Lücken (vgl.


Abb. 2.3). Als „FIT“ sind Aspekte bezeichnet, für die kein Handlungsbedarf besteht,
weil diese sich im Soll-Zustand befinden. Als „GAP“ sind alle Aspekte anzusehen, für
die der Soll-Zustand nicht erreicht ist. Eine Lückenanalyse soll strategische und opera-
tive Lücken aufzeigen, indem diese systematisch gegenübergestellt werden. Operative
Lücken bezeichnen die GAPS zwischen der prognostizierten Entwicklung bei gleichem
Vorgehen und der potenziellen Entwicklung bei einem optimierten Vorgehen (vgl. Kerth
et al. 2011, S. 231 f.). Die strategischen Lücken stellen Abweichungen zwischen der
potenziellen Entwicklung bei optimalem Vorgehen und geplantem Ergebnisziel dar.

Ziel
Ziel der Analyse ist es, die Lücken zu identifizieren und zu strukturieren sowie die
Lücken qualitativ und wenn möglich quantitativ zu beschreiben. Die Ermittlung von
Lücken (engl. GAPS) erfolgt bei der Gegenüberstellung von Ist- und Soll- oder Plan-
werten von definierten Zielgrößen, wie beispielsweise Umsatz-, Absatzzahlen von Pro-
dukten, Produktgruppen etc. Die Identifikation dieser Lücken liefert die Grundlage zur
weiterführenden Analyse der Ursachen der vorliegenden Abweichungen. Aber auch
auf qualitativer Ebene können GAP-Analysen vorgenommen werden. Etwa als Ergeb-
nis einer Mitarbeiterbefragung, dass Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern hinsichtlich
der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeiten besteht, oder dass es zu starre Regelungen für
Dienstreisen gibt. Dann fehlt zunächst eine Quantifizierung.
Ähnlich wie beim Benchmarking geht es darum, Leistungslücken zu identifizieren
und zu messen. Werden die einzelnen Messpunkte systematisiert, lassen sich entlang
der Wertschöpfungskette, der Prozesse oder der Aufbauorganisation Schwachpunkte
oder Handlungsbedarfe ableiten. Eine strategische Lücke würde z. B. eine Diskrepanz
zu einem bestehenden versus zu einem geplanten Marktanteil betreffen, eine operative
Lücke könnte z. B. der Anteil an Aufträgen sein, der innerhalb einer Planlieferzeit abge-
arbeitet werden kann.

Vorgehen und Anwendung


Im Rahmen der Problembeschreibung im Vorfeld zu einem Projekt erfolgen vielfach
Hinweise auf eine oder mehrere Lücken. Das sind beispielsweise lange Durchlaufzeiten,
fehlende Termintreue, das Nichterreichen von Planwerten, stagnierende Umsätze, stag-
nierende Kosten, umfangreiche Nacharbeiten, Reklamationen etc. Ausgewählte Lücken
2.3 FIT-GAP-Analyse 15

Zielgröße Zielprojektion durch


Aufnahme von neuen
Geschäften

Potenzieller Ist-Wert
bei optimiertem Plan
operativen Strategische
Vorgehen Lücke

Ist
Operative
Prognostizierte Lücke
Entwicklung bei
gleichbleibendem
Vorgehen

Zeit

Abb. 2.3  Prinzip der FIT-GAP-Analyse. (Quelle: In Anlehnung an Kerth et al. 2011, S. 232)

lohnt es zu quantifizieren, zumal wenn damit Umsatz- oder Kostenpotenziale verbunden


sind. Zunächst muss die Zielgröße festgelegt werden. Das ist häufig gar nicht so ein-
fach. Halbieren oder Verdoppeln provoziert die richtigen Fragen. Danach folgt eine sim-
ple Gegenüberstellung von Ist-Werten zu diesen Zielgrößen. Ggf. kann es Sinn machen,
dies sogar über einen definierten Zeitverlauf, z. B. die letzten drei Jahre, zu tun. Das alles
kann zur Problematisierung genutzt werden und ist eine gute Vorarbeit, um die Diskus-
sion in Gang zu setzen, wie die GAPS zu schließen sein könnten. Diese Größen stellen
die Grundlage dar, anhand derer sich die derzeitige und zukünftige Organisation messen
lassen muss.

Ergebnis und Nutzen


Die FIT-GAP-Analyse identifiziert zunächst die existierenden Lücken und, wenn quanti-
fizierbar, wie groß diese sind. Sie gibt Hinweise auf Fehlentwicklungen und weist somit
auf mögliche Versäumnisse in der strategischen Planung hin (vgl. Kerth et al. 2011,
S. 231 f.). Sie stellt die Grundlage zu weiteren Analysen und für die Ermittlung der Ursa-
chen der Abweichungen dar. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse können strategische
und operative Maßnahmen abgeleitet und ergriffen werden, um die Lücken zu schließen.
Die identifizierten Lücken ermöglichen auch Hinweise auf Detailanalysen, um den spe-
zifischen Ursachen und den verschiedenen Größen, die auf die Lücke einwirken, auf den
Grund zu gehen. Einer hohen Reklamationsquote mit dem Zielwert, keine zu haben, lie-
gen z. B. Qualitätsprobleme in der Produktion oder von Zuliefermaterialien zugrunde.
Die FIT-GAP-Analyse bietet für viele Bewertungen eine geeignete einfache Form der
Zusammenfassung der Ergebnisse, hier nachfolgend am Beispiel einer Einkaufsfunktion
dargestellt (Abb. 2.4).
16

Reifegradprofil und Lücken am Beispiel Beschaffungsfunktion

Rolle in Organisation und Professionalität Legende:


der Funktion Einkauf = angestrebter SOLL-Zustand
Trennung strategisch/operativ = derzeitiger IST-Zustand
Integration in SCM-Organisation = GAP (Lücke)
Hierarchische Eingliederung
Qualifikation der Mitarbeiter
5
4
3
2
Transparenz & Controlling 1 Total-Cost-of-Ownership-Sourcing
Einkaufscockpit/KPIs Beschaffung lokal/regional/global
0
Materialpreisveränderungsrechnung Anteil Bündelung
Einkaufspotenziale Anteil TCO-Beschaffung
… …

Verfügbarkeit Rohstoffe/Materialien Erfolgsfaktor integrierte


Differenzierung Warengruppen Produktentwicklung
Lieferantenbewertung und -klassifizierung Projektportfolio
Risikobewertungen Integrationsgrad Entwicklungsteams
Grad der Einbindung Lieferanten

2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Abb. 2.4  Beispiel FIT-GAP-Analyse


2.4 Zielformulierung von Organisationsentwicklungen 17

Bezogen auf die die Einkaufsfunktion untersucht die FIT-GAP-Analyse, inwiefern


die bestehende Organisationsstruktur entlang der klassischen Prozesse des Fachbe-
reichs die gestellten Anforderungen erfüllt. Hierbei wird der Grad der Zielerreichung
abgeschätzt, genau messen lässt er sich nicht. Es geht aber um die Lücke, nicht um den
absoluten Wert. Im zweiten Schritt können diese Lücken zu einem Anforderungsprofil
zusammengefasst werden. Die einzelnen Aspekte können später für die Bewertung und
Priorisierung von Organisationsalternativen herangezogen werden. Zur Ermittlung des
vorherrschenden Status quo zur Lieferantenqualifizierung oder Lieferzufriedenheit kön-
nen u. a. Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern oder Ergebnisse von weiteren
Analysen, wie beispielsweise Prozessanalysen, Analysen von Durchlaufzeiten, Analysen
zu Headcount und FTE etc. genutzt werden.

2.4 Zielformulierung von Organisationsentwicklungen

Es erscheint auf den ersten Blick trivial, dass die Zielsetzungen für eine Organisations-
entwicklung klar formuliert sein müssen. In der Praxis erweist sich das als äußerst sen-
sible Fragestellung, weil damit nicht weniger als die Strategie und die Ausrichtung des
Unternehmens verbunden ist. Eine Zielformulierung für eine Organisationsentwicklung
setzt also voraus, dass der Strategieprozess abgeschlossen ist. Umgekehrt kann nicht
im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprozesses die Strategiediskussion erneut
geführt werden. Leider kommt das aber nicht selten vor, und es wird dann schnell offen-
sichtlich, wer hinter der Strategie steht und wer nicht.

Ziel
Ziele schaffen Fakten und werden auch für Organisationsentwicklungen benötigt. Ziele
werden benötigt, um Anreize für Veränderungen zu schaffen. Ohne Zielvorgaben fehlt
die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit und letztlich die Möglichkeit, das Erreichte zu
messen (vgl. Schiersmann und Thiel 2014, S. 200 ff.) Jedes Unternehmen hat Ziele.
Vorrangig besteht das Ziel darin, Gewinne zu erwirtschaften und eine angemessene Ver-
zinsung auf das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften. Abhängig vom Geschäftsmodell
werden diese ökonomischen Basisziele auf spezifische Kenngrößen heruntergebrochen.
Will das Unternehmen z. B. international wachsen, wird eine Kenngröße benötigt, wie
viel Prozent des Umsatzes künftig im Ausland erwirtschaftet werden soll usw. Will ein
Unternehmen die Kosten senken, stellt sich die Frage, wie hoch die Einsparungen in
Summe sein sollen. Klare Zielvorgaben stecken den Untersuchungsbereich mit ab, kön-
nen eine aktive Formulierung und Beschreibung eines angestrebten Zustands darstellen
und ermöglichen es zu einem späteren Zeitpunkt, den Projekterfolg zu bewerten und zu
messen. Meist hat ein Projekt zur Organisationsentwicklung nicht nur ein Ziel, sondern
mehrere. Hier ist zu prüfen, ob diese Ziele miteinander vereinbar sind oder sich sogar
widersprechen. Beispielsweise kürzere Durchlaufzeiten und niedrigere Bestände stehen
in keinem oder selten im Widerspruch, während der Ausbau der Vertriebskapazitäten und
18 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

der Personalabbau im Vertrieb schwer vereinbar sind. Mehr Sinn würde hier z. B. die
Überlegung machen, ob die Vertriebsressourcen richtig auf die Vertriebskanäle verteilt
sind.

Vorgehen und Anwendung


Die Ziele für ein Projekt leiten sich in erster Linie aus der Problemstellung ab. Liegt
z. B. das Problem darin, dass Abläufe als zu komplex und umständlich angesehen wer-
den, kann daraus die Zielsetzung formuliert werden, Prozesse und Abläufe zu vereinfa-
chen. Offen bleibt dann zunächst noch, wie das gemessen werden soll. Im Rahmen der
Definition des Projektauftrags stellt die Formulierung der Zielsetzung eine zentrale Auf-
gabe des Auftraggebers bzw. des Steuerungsgremiums dar. Es ist Aufgabe des Projektlei-
ters, die Zielstellung auszuformulieren und in den erforderlichen Gremien abzustimmen.
Im Detail können die unterschiedlichen Zieldimensionen definiert und innerhalb der
Zieldimensionen weitere konkrete Einzelziele formuliert werden. Schwieriger ist die
Ableitung eines geeigneten Zielwerts. Lassen sich die Kosten um 10 % senken, der
Umsatz verdoppelt, kann die Durchlaufzeit halbiert werden, kann der Marktanteil ver-
doppelt werden? Die Vorgabe und Formulierung realistischer und erreichbarer Zielset-
zungen ist Aufgabe des Steuerungsgremiums. Es kann sinnvoll sein, hierzu externe
Benchmarks oder Vergleichszahlen hinzuzuziehen, soweit verfügbar und verlässlich. Die
Zielformulierung ist als eine zentrale unternehmerische Aufgabe anzusehen.

Ergebnis und Nutzen


Das Ergebnis der Zielformulierung ist die Herstellung eines gemeinsamen Verständnis-
ses im Steuerungsgremium und Projektteam, was das Projekt leisten soll, und Transpa-
renz darüber, welche konkreten Zielvorgaben (Soll-Werte) erreicht werden müssen. Dies
ermöglicht nach Abschluss die Messung, inwiefern die Ziele und bis zu welchem Grad
erreicht wurden. Ziele setzen auch einen Anreiz für die bestehende Organisation, die
Bereitschaft für Veränderungen zu erhöhen und kritisch die bisherigen Abläufe und Ver-
haltensweisen zu hinterfragen. Werden die Projektziele offen kommuniziert, schafft das
gegenseitige Verbindlichkeiten. Beide Seiten, Mitarbeiter und Management, werden die
Zielerreichung einfordern und immer wieder kritisch hinterfragen.
Im Beispiel aus der Auftragsabwicklung und Produktionsplanung wurden als primäre
Zielgrößen die Einhaltung der Liefertermine – hier Verbesserung der Termintreue –
und die Reduktion der Lieferzeit – hier Senkung der Durchlaufzeiten in der Auftrags-
abwicklung – genannt. Gleichzeitig soll die Kapazitätsauslastung gesteigert werden. Als
weitere Betrachtungsgröße treten die Bestände zu (siehe auch Abb. 2.5). Die Ziele befin-
den sich scheinbar im Widerspruch und sind in der Praxis auch kaum widerspruchsfrei
zu lösen. Eine hohe Kapazitätsauslastung lässt kaum mehr Spielraum, wenn Umplanun-
gen einzelner Aufträge stattfinden. Es kommt dazu, dass Aufträge aus terminlicher Sicht
Gewinner und andere aber Verlierer sind. Die Reduktion der Durchlaufzeit bedeutet aber
nichts anderes, als die Reaktionsfähigkeit auf marktseitige Änderungen zu erhöhen.
Nicht jeder Kunde will sofort bedient werden, andere drängen auf kurze Lieferzeiten.
2.4 Zielformulierung von Organisationsentwicklungen 19

TERMINTREUE

IST: gering
SOLL: hoch

LIEFERZEIT

IST: 12 Wochen
SOLL: 8 Wochen

Bestände WIP
und Fertigwaren

Die primäre Zielgröße ist die Einhaltung


der Liefertermine und der benötigten
Mengen. Unter dieser Prämisse sind
KAPAZITÄTS- Bestände und Produktivität zu
DLZ-PROZESSE
optimieren.
AUSLASTUNG AUFTRAGSABWICKLUNG
IST: 72% IST: 50 Tage
SOLL: 85% SOLL: 40 Tage

Abb. 2.5  Zielformulierung am Beispiel Organisationsentwicklung Auftragsabwicklung

Im Grunde geht es also darum, nicht auf starre Termine hin zu planen, sondern die Fle-
xibilität einzuführen, dass auf markt- und kundenseitige Änderungen, die immer statt-
finden, besser reagiert werden kann. Vor allem auf der Seite der Produktion, die gerne
mit stabilen und festen Vorgaben arbeitet, bedeutet eine Flexibilisierung, weitere Detail-
prozesse wie Rüstzeiten, Materialversorgung etc. zu verkürzen bzw. schneller und damit
flexibler zu machen. In der Praxis sind vielfach mehrere Zieldimensionen gegeben, die
sich zudem oft gegenseitig beeinflussen. Um eine nachhaltige Verbesserung zu schaffen,
müssen somit die gesamte Prozesskette und weitere Einflussgrößen betrachtet werden.
Wie eine Zielformulierung und eine daraus abgeleitete Vorgehensweise in einem
Organisationsprojekt aussehen kann, verdeutlicht Abb. 2.6.
Hier wurde eine umfassende Organisationsentwicklung entlang von Hauptprozessen
eines Prozessmodells gewählt. Die Zielformulierung erfolgte für jeden Hauptprozess
separat. In der Folge wurden drei Teilprojekte definiert, die weitgehend unabhängig von-
einander, aber unter einer einheitlichen Gesamtprojektleitung bearbeitet werden konnten.
Die Ziele sind hier eher qualitativ formuliert, auf eine Quantifizierung wurde im ersten
Schritt verzichtet. Die Ziele haben aber einen beschreibenden Charakter, was erreicht
oder aufgebaut werden soll, ohne die konkrete Ausgestaltung vorwegzunehmen.
20 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Organisationsentwicklung Organisationsentwicklung Organisationsentwicklung


CRM PLM SCM

Stärkung der Vertriebs- Stärkung des Innovations- Zentrale und durchgängige


funktionen prozesses Planung mit Bündelung von
Aufgaben der
Bündelung aller Vertriebs- Klare Verantwortung für
Auftragsabwicklung
aktivitäten in einer Technologieentwicklung
Gesamtverantwortung Werksübergreifende
Kürzere Zeiten für Produkt-
Bündelung der Einkaufs-
Stärkung des Produkt- und Technologie-
aktivitäten
managements entwicklungen
Etablierung eines
Überprüfung der Sicherstellung der
Auftragscenters
Führungsspannen Prozessfähigkeit und
Reaktionsfähigkeit der Ausschöpfen Potenziale
Werke ERP-System
Ausbau strategische
Partnerschaften

Abb. 2.6  Detail Zielformulierung entlang von Hauptprozessen

2.5 Prämissen von Organisationsentwicklungsprojekten

Keine Organisationsveränderung erfolgt ohne Rand- oder Rahmenbedingungen. Alles


infrage zu stellen, macht nur bedingt Sinn. Gewisse Leitplanken sind immer erst einmal
gesetzt, zumal Organisationsveränderungen der Strategie folgen sollten. In der Strate-
gie sind z. B. das Geschäftsmodell, Technologien, Produkte und ggf. Standorte definiert
sowie ein Entwicklungspfad dazu. Die Frage der geeigneten Organisation beantwortet
eher die Frage nach dem „Wie“, während bei der Strategie die Frage nach dem „Was“ im
Vordergrund steht. Ferner sind in der Regel nicht alle Organisationsteile Gegenstand des
Organisationsprojekts. Es ist daher notwendig, die Prämissen und Rahmenbedingungen
klar aufzuschreiben und zu formulieren, um das Organisationsentwicklungsprojekt sau-
ber ein- und abzugrenzen. Es wird mitunter als akademische Übung betrachtet, Prämis-
sen für das Projekt aufzuschreiben, dies ist aber notwendig, um Klarheit zu schaffen, was
nicht Gegenstand des Projekts ist bzw. worauf das Projekt aufsetzt. Prämissen definieren
den Gestaltungs- und Handlungsspielraum für das Projekt.

Ziel
Prämissen sind die Festlegung von Parametern und Dimensionen, die sich im Laufe der
Analyse und im Projektverlauf nicht verändern. Sie schaffen Klarheit darüber, was als
gesetzt angesehen wird und was im Rahmen der Organisationsentwicklung diskutiert und
verändert werden kann. Wenn man so will, umreißen die Prämissen den Lösungsrahmen
für eine Organisationsentwicklung und grenzen ihn vom Übrigen ab. Sie bilden damit
konstante Leitplanken und definieren fixe Parameter, unter denen die spezifische Frage-
stellung bearbeitet werden soll. Sie stellen die Basis für die Bearbeitung der Fragestellung
2.6 Organigramme 21

dar. Eine typische Prämisse lautet z. B.: „Es wird das bestehende Produkt- und Lösungs-
portfolio angenommen“ oder „Die bestehende Bereichsorganisation mit den vier Unter-
nehmensbereichen wird als gesetzt angesehen“.

Vorgehen Anwendung
Die Festlegung der Prämissen erfolgt in der Regel in einer sehr frühen Phase des Pro-
jekts und in Abstimmung mit den entsprechenden Steuerungsgremien. Die Prämissen
werden oft implizit vom Auftragsgeber formuliert, müssen aber explizit aufgeschrieben
werden. Dies zu tun, fällt dem Projektleiter zu. Im Zuge wachsender Erkenntnisse im
Projektverlauf können Prämissen geändert, gestrichen oder auch neue Prämissen aufge-
stellt werden. Eine Änderung/Anpassung der Prämissen sollte nur in Abstimmung mit
den entsprechenden Steuerungsgremien erfolgen. Eine Änderung von Prämissen kann
weitreichende Folgen haben, nicht nur dass dann ganz andere Konzepte und Lösungen
infrage kommen könnten, sondern dass auch eine hohe Verunsicherung bei den Mitarbei-
tern hervorgerufen wird. Besser ist es daher, dass sie, einmal festgeschrieben, nicht mehr
verändert werden. Es macht sogar vielmehr Sinn, im Rahmen des Projektverlaufs weitere
Prämissen zu formulieren, um die erzielten Ergebnisse festzuschreiben und die Diskussi-
onen, wenn Zwischenentscheidungen getroffen wurden, zu beenden.

Ergebnis und Nutzen


Die Definition und Dokumentation von Prämissen unterstützt die Eingrenzung der
Handlungsalternativen zur Bearbeitung der vergebenen Fragestellung. Sie erhöhen die
Entscheidungssicherheit, weil Prämissen auch aktiv Dinge ausschließen und dann nicht
hinterher die Frage gestellt wird: „Habt ihr auch darüber mal nachgedacht?“. Sie sor-
gen also indirekt dafür, dass das Projekt effizient bearbeitet werden kann, weil Abgren-
zungsfragen nicht immer von neuem diskutiert werden müssen. Die gesetzten Prämissen
wirken sich stark auf die Bestimmung des möglichen Gestaltungsspielraums aus. Alter-
nativen, die gegen diese Prämissen verstoßen sind dann nicht zulässig und werden erst
gar nicht aufgenommen oder diskutiert (Abb. 2.7).

2.6 Organigramme

Organigramme stellen das zentrale Instrument dar, um zu veranschaulichen, wie eine


Organisation aufgebaut ist. Jedes Unternehmen verfügt über offizielle und inoffizielle
Organigramme. Die offiziellen Organigramme werden von der Abteilung Organisati-
onsentwicklung, HR oder dafür bestimmten Stabsabteilungen erstellt und regelmäßig
aktualisiert. Meist bilden diese Diagramme nur bestimmte Hierarchieebenen ab. Ebe-
nen darunter, z. B. Teamstrukturen, sind dann nicht Teil der offiziellen Darstellungen.
Gleichwohl besteht häufig von Mitarbeitern und auch Teamleitern ein Interesse, solche
Strukturen abzubilden. Im Rahmen eines Organisationsprojekts macht es Sinn, beides zu
22 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Prämissen bisher Prämissen zukünftig

Bestehendes Produktionsnetzwerk mit Zukünftiges Produktionsnetzwerk mit


15 weltweit verteilten Werken mit bis zu 10 global verteilten Werken mit
nahezu identischer Ausstattung und möglichst vergleichbarer Ausstattung
Kapazität und Kapazität

Hohe Flexibilität hinsichtlich der Liefer- Hohe Flexibilität hinsichtlich der Liefer-
termine und der Reihenfolge der termine und der Reihenfolge der
Fertigung bleibt weiterhin bestehen Fertigung bleibt weiterhin bestehen

Steuerung des globalen Steering Center des


Produktionsnetzwerks ist an einem Produktionsnetzwerks an einem
Standort in Deutschland europäischen Standort

Vertriebsteams existieren dezentral in Vertrieb weltweit zentral aus einer


den jeweiligen Regionen Region heraus

Abb. 2.7  Exemplarische Prämissen im Rahmen einer Organisationsentwicklung

erfassen. Gerade die Organigramme der Arbeitsebenen geben Aufschluss darüber, wel-
che Aufgaben tatsächlich wo wahrgenommen werden.

Ziel
Zunächst dient diese Analyse einer strukturierten Erfassung der organisatorischen Auf-
stellung eines Unternehmens hinsichtlich der Geschäftsverantwortung, der vorhandenen
Berichtslinien, der Führungsstruktur und der bisher verwendeten Segmentierungskri-
terien. Darüber hinaus liefern Organigramme eine detaillierte Aufbereitung des globa-
len, regionalen und ggf. auch lokalen Organisationssetups in den Märkten, in denen das
Unternehmen agiert (Tochtergesellschaften, evtl. Beteiligungen an Joint Ventures etc.).
Es wird erkennbar, welcher Logik oder welchen Leitlinien Organigramme folgen. Struk-
turen fundiert zu problematisieren gelingt nur, wenn im Rahmen von Interviews Detail-
informationen zur Verfügung stehen, z. B. welche Mengengerüste dort bewältigt werden
oder welche Aufgaben zu welchen Prozessen dort wahrgenommen werden.

Anwendung Vorgehen
Zunächst sollten die offiziellen Organigramme gesichtet werden. Im Rahmen von Inter-
views sind Besonderheiten oder Unklarheiten zu erfassen. Meist geht die Personaldimen-
sionierung aus den Organigrammen nicht hervor. Hierbei wird zwischen Headcount und
FTE unterschieden. Beide Größen sind wichtig und sollten separat erfasst werden. Es
ist zu prüfen, ob die gewählte Darstellungsform übernommen wird, oder ob nicht eine
aussagekräftigere Darstellungsform gewählt werden muss. In einer vertiefenden Ana-
lyse können für den ausgewählten Untersuchungsbereich weitere Detailorganigramme
sinnvoll sein, beispielsweise um Teamstrukturen abzubilden. Solche Organigramme sind
2.6 Organigramme 23

vielfach bei Führungskräften vorhanden, sollten dort abgefragt und zur Verwendung
autorisiert werden. Berichtslinien, die nicht in den Organigrammen dargestellt werden,
sind zu ergänzen.

Ergebnis und Nutzen


Zunächst steht die Visualisierung der Organisationsstrukturen anhand der Organigramme
im Vordergrund. Soweit vorhanden, gehören hierzu Unternehmensgesellschaften inklu-
sive Tochtergesellschaften und ggf. auch ihre Beteiligungsstruktur untereinander (Joint
Ventures etc.). Die Analyse schafft dann einen ganzheitlichen Überblick über die welt-
weite Aufstellung eines Unternehmens und die Verteilung der Unternehmensfunktionen.
Informationen, wie viele Mitarbeiter auf Abteilungsebene an welchem Standort allokiert
sind, liefert die Analyse im ersten Schritt in der Regel nicht (vgl. hierzu Gliederungs-
punkt Abschn. 2.7 Analyse Headcount und FTE). Ein weiteres Ergebnis, welches sich
daraus ableiten lässt, sind die bisher angewendeten Segmentierungskriterien in der Orga-
nisation. Erkennbar wird auch, welcher Grad der Zentralisierung bzw. Dezentralisierung
vorliegt. So lässt sich beispielsweise feststellen, ob Funktionen an Standorten mehrfach
vorhanden oder welche Funktionen zentral organisiert sind.
Im folgenden Beispiel gliedern sich die einzelnen Teilkonzerne unter der Konzern-
holding in eigenständige Divisionen, die vollständig die Geschäftsverantwortung tra-
gen. In der Praxis hat sich bei dieser Form der Organisationsstruktur vielfach der Ansatz
durchgesetzt, spezifische Leistungen gebündelt aus einer Shared-Service-Gesellschaft zu
beziehen (vgl. Nagel 2014, S. 228 f.). Dies erfolgt in erster Linie, um Synergien zu nut-
zen und die existierenden Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Für eine solche
Shared-Service-Gesellschaft eignen sich klassischerweise Services in den Bereichen Ein-
kauf, HR, IT oder Finanzen und Buchhaltung.
Die Konzernholding kann in ihrer Funktion unterschiedlich ausgeprägt sein: Eine
reine Finanzholding übt häufig ausschließlich eine Finanzierungsfunktion aus. Sie ent-
scheidet im Sinne der Gesamtunternehmensstrategie, welche finanziellen Ressourcen
wohin allokiert werden. Eine Managementholding hingegen greift zudem zu einem
gewissen Grad auch steuernd in die Geschäftspraxis der Teilkonzerne ein, ihre Tätigkei-
ten gehen über die reine Anteilsverwaltung hinaus (vgl. Schreyögg 2008, S. 133 f.).
Abb. 2.8 verdeutlicht eine Organisationsstruktur mit Holding und darunterliegenden
Teilkonzernen. Alle Teilkonzerne bedienen sich aus dem Leistungsangebot der Shared-
Service-Einheiten.
Eine weitere – in der Praxis gängige Form des Organisationsdesigns – ist eine Struk-
tur, bei der die Ebene unter der Geschäftsleitung nach den funktionalen Kernfunktionen
des Unternehmens ausgerichtet ist. Die Fachfunktion stellt in diesem Fall das Struktu-
rierungskriterium. In einem produzierenden Unternehmen sind dies in vielen Fällen
beispielsweise die Funktionen Vertrieb & Marketing, Produktion, Forschung & Ent-
wicklung  und Einkauf (vgl. Schreyögg 2008, S. 106). Weitere Funktionen stellen Sup-
portfunktionen wie Finanzen & Controlling, Human Resources und IT dar (hier nicht
abgebildet). Die Funktionen, die hier als Kernfunktionen beschrieben werden, ­variieren,
24 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Konzernholding

Shared-Service-
Teilkonzern 1 Teilkonzern 2 Teilkonzern 3
Einheiten

Abb. 2.8  Beispiel Organisationsstruktur mit Holding und Teilkonzernen

Geschäftsführung


Vertrieb &
Produktion F&E Einkauf
Marketing

Abb. 2.9  Beispiel Funktionale Organisationsstruktur

je nach Art der Leistung, die das Unternehmen produziert. Im Beispiel sind dies die
Funktionen Vertrieb & Marketing, Produktion, Forschung & Entwicklung (F&E) sowie
Einkauf (Abb. 2.9).
Durch die voranschreitende Internationalisierung der Geschäftswelt haben sich weitere
Organisationsformen etabliert, die eine zunehmende Globalisierung und das Zusammenspiel
von global verteilten Unternehmensfunktionen besser bedienen. Eine Organisationsform,
die sich hieraus entwickelte, ist die Matrixorganisation (vgl. Schreyögg 2008, S. 148).
Im folgenden Beispiel bilden die zwei Dimensionen die Geschäftssegmente und die
Regionen, in denen das Unternehmen z. T. mit eigenen Tochtergesellschaften aktiv ist,
die Matrix. Sie stellen die strukturierenden Elemente dieser Organisationsform dar. Die
funktionale Ausgestaltung der regionalen Tochtergesellschaften ist hierbei in der Praxis
nicht zwingend homogen. So stellen in einer Matrixorganisation beispielsweise gewisse
2.6 Organigramme 25

Standorte spezialisierte Fachfunktionen, die gebündelt an einem Standort für das gesamte
Unternehmen eine Leistung erbringen (als klassisches Beispiel kann hier F&E genannt
werden). In der Praxis ist die Organisationsstruktur so kostenoptimiert designed, dass spe-
zifische Funktionen an dem hierfür am besten geeigneten Unternehmensstandort angesie-
delt sind. Häufig sind für die geeignete Standortwahl u. a. Kriterien wie Unterschiede in
den Lohn- und Standortkosten oder die Verfügbarkeit von Fachkräften ausschlaggebend.
Die Steuerung und fachlich-inhaltliche Führung dieser Funktionen erfolgt jedoch
i. d. R. aus der Unternehmenszentrale. Die Abb. 2.10 und 2.11 verdeutlichen die unter-
schiedliche Ausgestaltung der einzelnen Unternehmenseinheiten.
Ausgewählte Funktionen wie z. B. Vertrieb und Operations sind an allen regionalen
Strukturen vorhanden, während z. B. die Entwicklung nur an einem Standort konzent-
riert ist. Soweit in den Regionen, was häufig der Fall ist, eigene rechtliche Einheiten
gebildet werden, wachsen entsprechende lokale Funktionen für Finanzen, Rechnungswe-
sen und Controlling an. Der Autonomiegrad der Funktionen, die in allen Regionen und
lokalen Einheiten vorhanden sind, ist häufig Gegenstand der Diskussion. Hier muss die
Frage beantwortet werden, bei welchen Fragestellungen lokale Anforderungen und folg-
lich lokale Lösungen erforderlich sind, und bei welchen Fragestellungen, z. B. einheitli-
chen weltweiten Produkten oder -Komponenten, gemeinsame Standards und Prozesse.
Abb. 2.12 zeigt, wie ein Governancemodell über die verschiedenen Hierarchieebenen
ausgeprägt werden kann.

Abb. 2.10  Beispiel einer Matrixorganisation


26 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Region 1

Finanzen /
Vertrieb Operations Einkauf
Controlling

Region 2

Vertrieb Operations Entwicklung …

Abb. 2.11  Dezentrale Struktur mit regionalen Einheiten

Organisationsstruktur eines Regionenmodells mit den folgenden Aufbauelementen:

• Zentrale Unternehmensfunktionen, die die Strategie und Leitlinien vorgeben (Gover-


nance).
• Regionale Unternehmenseinheiten operationalisieren die Strategie, agieren aber als
eigenständige Unternehmer mit eigener Geschäftsverantwortung für ihre Region. In
diesem Organisationsmodell bündeln diese Einheiten zudem spezifische Funktionen
für eine gesamte Region, um Synergieeffekte zu nutzen.
• Unter dem regionalen Hub befinden sich hier weitere Tochtergesellschaften in der
Region, die durch den übergeordneten Hub gesteuert werden. Diese beinhalten in der
Regel wesentlich weniger Funktionen als der Hub.
• Auf unterster Ebene der Organisationsstruktur sind dann ggf. noch reine Betriebsstät-
ten angesiedelt, die beispielsweise reine Servicedienstleistungen vor Ort erbringen.
Hier spielen die Kundennähe und die Reaktionszeit eine maßgebliche Rolle.
2.6 Organigramme 27

Headquarter/
Steuerungs-
funktionen
Strategy and steering-level HQ/Steering
Functions
governance

Regionale
Hubs Region 1
Regio3 Region 2

Operational
level

Tochtergesell- Tochter- Tochter-


schaften gesellschaft gesellschaft Betriebsstätte
Tochter-
gesellschaft
Betriebsstätte

Betriebs-
stätten

Abb. 2.12  Detail Matrixorganisation mit regionaler Organisationsstruktur

Die zwei beispielhaften Abb. 2.13 und 2.14 verdeutlichen, welche Funktionen an wel-
chem Standort angesiedelt sind.
Ein regionaler Hub-Standort hat danach eine eigene Vertriebs-, Operations- und Sup-
portfunktion. Standorte, die an einen Hub angeschlossen werden, können viel schlanker
aufgestellt werden, da der regionale Hub Funktionen für die gesamte Region bündelt
(vgl. Nagel 2014, S. 228). Darunter können weitere rechtliche Einheiten oder reine
Betriebsstätten angeschlossen werden.
Das Beispiel verdeutlicht, dass der regionale Hub über alle notwendigen Funktionen
verfügt, um eine eigenständige Geschäftsverantwortung zu erfüllen. Dies beinhaltet u. a.
Funktionen wie Vertrieb, Operations und Supply Chain Management (inklusive Einkauf
und Logistik) sowie dezidierte Supportfunktionen wie beispielsweise Controlling, HR
oder IT. Eine eigene Forschung & Entwicklung ist in diesem Fallbeispiel nicht vorhanden,
der Hub bezieht die gefertigten Güter über eine andere Unternehmenseinheit, wie bei-
spielsweise von der Unternehmenszentrale oder von einem externen Partnerunternehmen.
Das Beispiel einer reinen Betriebsstätte, die die Aufgabe hat, Kunden vor Ort zu pro-
duzieren, zeigt, dass diese Einheit bis auf die reine Fertigung relativ wenige weitere
Funktionen benötigt. Übergeordnete Funktionen, z. B. Auftragsabwicklung, Controlling,
etc. werden hier durch den Hub vorgehalten. In einer Organisationsstruktur mit mehre-
ren regionalen Standorten können somit innerhalb der Region Synergien genutzt und das
Set-up u. a. nach Kostengesichtspunkten optimiert gewählt werden.
28 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Regionen-Hub

Support
Vertrieb Operations
(CO, FI, HR, IT,…)

Vertriebsregion 1 Produktion Finanzen/Controlling

Vertriebsregion 2 Werk A Information Technology

Vertriebsregion … Werk B Human Resources

SCM …
Auftragsabwicklung
REGIONEN-
HUB
Logistik/Einkauf

Abb. 2.13  Funktionen eines Regionen-Hubs

Produktion

Operations

Produktion

Segment A

Segment B

SCM
PRODUKTIONS-
BETRIEBSSTÄTTE Lagerlogistik

Abb. 2.14  Funktionen einer Produktionsbetriebsstätte

Neben den in diesem Kapitel ausgeführten Formen des Organisationsdesigns exis-


tieren noch weitere Varianten, wie beispielsweise die Prozessorganisation oder die
Projektorganisation. Letztere ist in der Praxis häufig bei Unternehmen von Branchen
anzutreffen, die ihre Kernprozesse in einzelnen Projekten abwickeln. Beispiel sind hier
2.7 Staffing – Analyse HC und FTE 29

Ingenieurbüros, Hersteller von Software, Firmen im Bereich des Anlagenbaus in der


Bauwirtschaft, aber auch Beratungsunternehmen (vgl. Nagel 2014, S. 41). Hierbei kann
die Projektorganisation durch einen definierten Start- und einen definierten Endtermin
als „zeitlich begrenzte“ Organisation angesehen werden (vgl. Schiersmann und Thiel
2014, S. 186). Zum Erbringen der Leistung bestehen auch in dieser Struktur neben den
einzelnen Projektorganisationen Führungs- sowie Supportfunktionen, wie beispielsweise
Controlling und Rechnungswesen, HR oder IT, die unterstützend tätig sind und deren
Organisationsstruktur kontinuierlich fortbestehend ist.

2.7 Staffing – Analyse Headcount und FTE

Unmittelbar an die Analyse der Organigramme schließt sich in der Regel die Analyse
der Personalausstattung der jeweiligen Organisationseinheiten an. Dabei werden mit
dem sogenannten Headcount und den FTE (= Full-Time-Equivalent) zwei wesentliche
Personalkennzahlen unterschieden. Der Headcount gibt Auskunft, wie viele Mitarbeiter
beschäftigt sind, ohne Ansehung, wie viele Stunden ihr Vertrag umfasst. Zeitarbeitskräfte
werden in der Regel mit hinzugerechnet, bei ihnen unterscheidet sich nur das Arbeitsver-
hältnis gegenüber dem Arbeitgeber im Vergleich zu fest angestellten Mitarbeitern. Die
FTE-Zahl gibt in Prozent an, wie viele Stunden die Wochenarbeitszeit in Stunden bezo-
gen auf eine volle Stelle (100 %) beträgt. Entsprechen 38,0 h in der Woche 100 %, ent-
spricht ein Arbeitsvertrag über 19 h/Woche einem FTE von 0,50. Ein Stelleninhaber, der
einen FTE-Wert von 0,68 hat, füllt in der Organisation also keine Vollzeitstelle aus. Sein
Headcount beträgt dennoch 1,0.

Ziel
Ziel der Analyse ist, umfassende Transparenz über die derzeitige Mitarbeiterstruktur und
Dimensionierung in einem Unternehmen oder einzelner Abteilungen zu erlangen. Der
Fokus liegt auf der Ermittlung der reinen Anzahl der Mitarbeiter sowie auf der Art der
Anstellung (befristet vs. unbefristet) und der spezifischen Ausprägung des Arbeitsver-
hältnisses (Vollzeit, Teilzeit etc.). Innerhalb der Analyse wird zwischen FTE und Head-
count unterschieden.

Vorgehen Anwendung
Vielfach können Unternehmen den Großteil der Daten aus bestehenden Systemen gewin-
nen. In der Praxis kann vielfach auf Daten bestehender HR-Systeme zurückgegriffen
werden, die zur weiterführenden Analyse verwendet werden können. Eine andere oftmals
ebenso zuverlässige Quelle ist das Controlling. Nicht immer stimmen die Zahlen der bei-
den Abteilungen im ersten Wurf überein. Das liegt oftmals an der Geschwindigkeit, mit
der Personalveränderungen in Systemen nachgezogen werden. Unklarheiten sind durch
Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern aus dem HR-Bereich zu beseitigen.
Idealerweise werden die Daten in Tabellenform erhoben, sodass später beliebige Schnitte
30 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

berechnet werden können. Mindestens enthalten sein müssen die Abteilung, die Abtei-
lungsnummer, die Funktionsbezeichnung und die FTE-Zahl. Wenn der Name des Mitar-
beiters enthalten sein soll, ist das mitunter heikel, es sollte dann geprüft werden, welche
Zustimmungen dazu eingeholt werden müssen. Ggf. macht es auch hier Sinn, den Perso-
nalbestand im Zeitverlauf zu betrachten. Kritisch zu bewertende Veränderungen können
somit identifiziert und durch gezielte Maßnahmen zur Gegensteuerung bearbeitet werden
(Beispiele hierfür sind Stellennachbesetzungen, Stellenwechsel, abrupter Personalauf-
bau oder Personalabbau). Zudem sind meist Informationen über die Art der Anstellung
(unbefristeter Anstellungsvertrag oder befristetes Arbeitsverhältnis) und die Ausprägung
der zeitlich vereinbarten Arbeitskapazität (Vollzeittätigkeit oder Teilzeitbeschäftigung,
Altersteilzeit etc.) gepflegt. Zur Vervollständigung von fehlenden Daten können Inter-
views mit Führungskräften und Mitarbeitern aus dem Personalbereich geführt und in die
Datenbasis aufgenommen werden.

Ergebnis und Nutzen


Ergebnis ist eine strukturierte Erfassung aller Stellen in einer Organisationsstruktur
inklusive der quantitativen Angabe, welche davon in Vollzeit, Teilzeit etc. besetzt sind.
Die für die Beurteilung der Kapazitätsdimensionierung relevante Zahl ist die FTE-Zahl.
Sie ist für Vergleiche von Kapazitätsdimensionierungen gut geeignet. Die Analyse bie-
tet zudem einen Überblick über die Verteilung der unbefristeten und befristeten Anstel-
lungsverhältnisse und kann als Grundlage für die strategische Personalplanung (u. a.
Forecasting, Budgetplanung) genutzt werden. Im Vergleich über mehrere Folgejahre lässt
sich auch die Entwicklung der Mitarbeiteranzahl darstellen und lückenlos verfolgen.
Headcount bezeichnet die reine Pro-Kopf-Anzahl der Mitarbeiter. Er spielt eine eher
untergeordnete Rolle, hat aber bei der Beurteilung von Führungsspannen eine Bedeu-
tung. Die FTE-Betrachtung stellt einen genaueren Wert dar, da hierbei die konkrete
Arbeitszeitkapazität des Stelleninhabers berücksichtigt wird (vgl. Abb. 2.15).

Name, ggf. über Anzahl Anzahl Geplanter Geplanter


Forecast
Personalnummer Mitarbeiter Mitarbeiter Personal- Personal-
FTE
anonymisierbar (Headcount) (FTE) abbau aufbau

Mitarbeiter FTE Forecast Forecast


Stand Stand FTE FTE
Einheit Name 31.01.2016 31.01.2016 Bemerkung Abbau Aufbau 31.12.2016 01.01.2017

C-XM1 Name 1 1,0 keine - - 1,0 1,0

Wechsel intern zum


C-XM1 Name 1 1,0 1,0 - 0,0 0,0
01.03.2016
Rente ab
E-AA3 Name 1 1,0 1,0 - 0,0 0,0
01.11.2016
aufgrund Elternzeit
E-CD1 Name 1 0,68 - - 0,68 0,68
Reduktion auf 28h

B-IM2 Name 1 1,0 - - 1,0 1,0

Abb. 2.15  Beispiel Formblatt Analyse Headcount und FTE


2.8 Aufgabenanalyse 31

Mittels einer geeigneten Tabelle können sämtliche Mitarbeiterdatensätze strukturiert


gesammelt, aufbereitet und die Veränderungen über den Zeitverlauf verfolgt werden. Aus
den hieraus gewonnen Ergebnissen können personalstrategische Maßnahmen abgeleitet
werden (z. B. Nachfolgeplanungen). Je nach Art und Umfang der Analyse ist es in vielen
Praxisfällen notwendig, die Mitbestimmungsorgane – sollten welche im Unternehmen
existieren – vorab über das Analysevorhaben zu informieren, da es sich bei der Erfassung
und Analyse um mitarbeitergebundene (sogenannte personenbezogene) Daten handelt.
Idealerweise werden Reports aus bestehenden Systemen mit Personalzahlen verwen-
det und die erforderlichen Tabellenspalten über geeignete Zuordnung erzeugt. Diese las-
sen sich dann mithilfe von Programmen zur Tabellenkalkulation schnell und effizient
auswerten.

2.8 Aufgabenanalyse

Die Aufgabenanalyse stellt eine zentrale Analyse im Rahmen eines Organisationsent-


wicklungsprojekts dar, wenn es darauf ankommt, Abläufe von Abteilungen wirklich zu
durchdringen. Im Vordergrund stehen die wahrgenommenen Aufgaben und deren Kapa-
zitätsbedarf, wie das der Name der Analyse schon ausdrückt. Es lassen sich aber ausge-
hend von den Aufgaben eine ganze Reihe weiterer, wesentlicher Erkenntnisse aus der
Aufgabenanalyse ziehen.

Ziel
Primäres Ziel ist die Ermittlung der Kapazitätsverteilung der wesentlichen Hauptaufgaben
innerhalb einer Abteilung oder eines Bereichs. Auch Teil- oder Unteraufgaben innerhalb
der einzelnen Hauptaufgaben werden hierbei strukturiert erfasst (vgl. Schreyögg 2008,
S. 93). Die Kapazitätsverteilung wird, ausgehend von der Verteilung eines jeden einzel-
nen Mitarbeiters einer Abteilung, für alle zugeordneten FTE hochaggregiert. Zusätzlich
können im Rahmen dieser Analyse eine Reihe weiterer Aspekte abgefragt und ermittelt
werden. Dies sind neben den Hauptaufgaben z. B. die Teilaufgaben zur Ausführung der
Hauptaufgaben, die Schnittstellen in der Organisation, ein grobes Mengengerüst, wel-
ches für die Ausführung der Tätigkeit maßgeblich ist, das Ergebnis der Aufgabenbewälti-
gung, welche Schwachstellen gesehen werden und die Eignung der eingesetzten Tools zur
Unterstützung. Je nach Projektanforderungen können weitere Aspekte aufgenommen wer-
den, beispielsweise ob eine Aufgabe als wertschöpfend angesehen wird oder eher admi-
nistrativen Charakter hat.

Vorgehen Anwendung
Im ersten Schritt müssen die Hauptaufgaben der zu untersuchenden Organisationsein-
heit ermittelt werden. Hierzu können Stellenprofile herangezogen werden und im Rah-
men von Interviews mit den Führungskräften eine Aufgabenliste erstellt werden. In der
32 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Regel sollten es nicht mehr als 10 bis maximal 15 Hauptaufgaben sein. Andernfalls ist
ein höherer Level der Aggregation zu wählen. Diese Hauptaufgaben werden in ein Form-
blatt als Tabelle übertragen. Im zweiten Schritt werden die erforderlichen Zusatzspalten
definiert. Mithilfe des so entstandenen Formblatts werden im Rahmen von Einzelinter-
views mit den Mitarbeitern der Abteilung die jeweiligen Hauptaufgaben besprochen und
zunächst die geschätzte zeitliche Kapazitätsverteilung dieser Tätigkeiten strukturiert
erfasst. Dabei bildet die FTE-Zahl des Mitarbeiters die 100 %-Basis für die Verteilung
auf die Hauptaufgaben. Beträgt die FTE-Zahl 1,0 und es werden zehn Hauptaufgaben
absolut gleichgewichtig wahrgenommen, hätte jede Hauptaufgabe einen FTE-Wert von
0,1. Es geht aber genau darum, die Unterscheide zwischen den Hauptaufgaben heraus-
zuarbeiten, um zu sehen wo kapazitiv intensive Aufgaben und was eher untergeordnete
Aufgaben sind.
Im Verlauf des Interviews werden dann die weiteren Spalten erfasst. Als letzter Schritt
werden die Schwachstellen bzw. Verbesserungspunkte aus Sicht der befragten Mitarbei-
ter erfasst. Das ausgefüllte Formblatt sollte von den Mitarbeitern unterschrieben werden;
wenn notwendig, soll er es im Nachgang in Ruhe durchlesen und ggf. korrigieren kön-
nen. Eine Alternative zu strukturierten Interviews mit den Beteiligten stellt das eigen-
ständige Ausfüllen des Formblatts durch die Mitarbeiter dar. Der Nachteil dabei ist, dass
derjenige, der die Analyse durchführt, dabei nicht die volle Informationsqualität erzielt.

Ergebnis und Nutzen


Die Aufgabenanalyse ermittelt primär die Kapazitätsverteilung innerhalb einer Abtei-
lung nach Hauptaufgaben und darunter liegenden Tätigkeiten. Die Gesamtaufgabe einer
Funktion in einem Unternehmen wird also strukturiert in Teilaufgaben zerlegt. Diese
Teilaufgaben lassen sich sodann weiter untergliedern in Tätigkeiten, Objekte, etc. Über
die verschiedenen theoretischen Grundmodelle Aufgaben zu strukturieren existiert hin-
reichend Literatur (vgl. Hofbauer und Hellwig 2005, S. 70 oder auch Siebenbrock 2016,
S. 70 ff.). Darüber hinaus kann die Aufgabenanalyse Transparenz über existierende
Schwachstellen und Aussagen über interne „Kunden-Lieferanten-Verhältnisse“ zwischen
Unternehmensabteilungen liefern. Zudem erfasst sie strukturiert die unterstützenden IT-
Systeme zur Bewältigung der Tätigkeiten (siehe auch Abb. 2.16).
Werden mehrere Formblätter aller Mitarbeiter einer Abteilung anschließend aggre-
giert, lassen sich u. a. Aussagen zur Gesamtverteilung der Aufgaben innerhalb der Unter-
nehmenseinheit treffen, redundante Arbeitsabläufe identifizieren und das Verhältnis der
Wertschöpfenden zu den nicht-wertschöpfenden Aufgaben ermitteln. Die Identifikation
der Schwächen identifiziert außerdem Potenziale zur Verbesserung des existierenden
Prozesses oder Ablaufs.
Im folgenden Beispiel einer Einkaufsfunktion wurde zunächst nach der Art der Tätig-
keit differenziert und innerhalb der Fachfunktion zwischen Aufgaben eher strategischer
Natur und Aufgaben operativer Natur unterschieden. Daraus können zwei generische
Listen von typischen Hauptaufgaben abgleitet werden (Abb. 2.17).
2.8

Nr Hauptaufgabe Teil-Arbeits- Wert- Auslöser/ Häufigkeit Anzahl Zeit in Kapa- Ergebnisse Kunde Hilfsmittel Schwach-
schritte schöp- Input von p.a. Minuten/ zität Zustand der Ausführ- stellen
fend Stelle Stunden/ in nach Leistung ung der
Ja/ bzw. oder Prozent Aktivität Hauptauf-
nein Abteilung Tagen gabe

1 Aktivität 1 ja Vertrag 10 35% SAP

2 Aktivität 2 30 10% SAP


Aufgabenanalyse

3 Aktivität 3 Teil- laufend 10%


Arbeits-
Hauptaufgaben, Kapazitätsverteilung je
Teilarbeitsschritte Hilfsmittel,
abgeleitet ausschiritt
den 3.1 Wertschöpfend Hauptaufgabe
innerhalb der System-
4 Aktivität Funktions-
4 Teil- ja/nein 5% (Summe entspricht
Hauptaufgabe unterstützung
beschreibungenArbeits- Kapazität in %)
schritt 4.1

5 Aktivität 5 Teil- 10 15%


Arbeits-
schritt 5.1

6 Aktivität 6 5%

7 Aktivität 7 5%
Auslöser (Stelle,
Interner Kunde
8 Aktivität 8 Teil- Abteilung) für die 5% Schwachstellen
der Leistung
Arbeits- Hauptaufgabe
schritt 8.1

9 Aktivität 9 < 1%

10 Aktivität 10 5%

11 Aktivität 11 1-2 5%

Summe 100%

Abb. 2.16  Beispiel Formblatt Aufgabenanalyse


33
34

Operative Einkaufsaktivitäten Strategische Einkaufsaktivitäten

Materialdisposition Brutto-Netto-Bedarfsrechnung von Beschaffungsmarkt- Marktanalyse, öffentliche Vergaben,


Warengruppen forschung Anfragen, Bewertung von Angeboten und
deren Spezifikation
Klärung der Im Rahmen von Projekten Einarbeitung in
Bedarfsanforderungen Pläne, Ausführungsplanungen und Lieferantenvorauswahl, Lieferantengespräche, Durchführung
-beschreibungen, gemeinsame Klärung mit Preisverhandlung und Verhandlung, finale Vertragsgestaltung bei
Fachabteilung, Spezifikationen Pflichtenheft Vergabeentscheidung, verschiedenen Vertragstypen
bei Investitionsgütern Vertragsgestaltung
Klärung und Festlegung Organisation Transporte,
Bearbeiten … Beschaffungslogistik Importzollabwicklung etc., z. B. auch bei
Bedarfsanforderungen, Rücksendungen, Schriftverkehr
Bearbeitung BANF,
Anlage Bestellung Durchführung der Dokumentation der Lieferantenbewertung,
Lieferantenbewertungen Durchführung qualitativer Analysen und
Verfolgung und Koordination von Ausführungsterminen und aktive Lieferanten- Abgleiche der Lieferanten-Performance
Überwachung der z.B. bei Investitionen von Anlagen entwicklung
Liefertermine,
Bereitstellungstermine, Auswertungen und Erstellen Auswertungen zu Warengruppen,
Ausführungstermine Einkaufscontrolling Anzahl Bestellungen, Liefertreue etc.

Lieferantenauswahl aus Auswahl aus bestehendem Lieferanten- Formulierung von Make-or-Buy, Materialgruppenstrategien,
bestehenden Pool oder Suche neuen potenziellen Beschaffungsstrategien Identifizierung Einkaufspotenziale,
Lieferanten, Klärung Lieferanten, Lieferantenanfrage Beschaffungsmarktbearbeitung, Sourcing-
Verfügbarkeit Lieferant Strategien, Beziehungsmanagement,
Strategische Partnerschaften
Rechnungsprüfung und Klärung und ggf. Weitergabe an Abteilung
Abgleich mit Vertrag, Mitarbeit in Projekten/ Entwicklung Lieferantenstruktur,
Bestellung, Sonderaufgaben Lieferantenanbindung,
Reklamationsabwicklung Prozessoptimierung, Spend-Analysis

Pflege der Lieferanten- Aktualisierung der Stammdaten der Wahrnehmung Lead Marktkenntnisse
und Materialstamm- Lieferanten bei Änderungen, Löschungen Buyer Funktion
daten etc.

Abb. 2.17  Aufgabenverteilung am Beispiel einer Einkaufsorganisation


2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
2.8 Aufgabenanalyse 35

Operative Einkaufsaktivitäten: Genereller Fokus ist die Sicherstellung der Versor-


gung, die Einhaltung der Termine, der Mengen und der Qualität. Bei diesen Tätigkeiten
kommt es in erster Linie darauf an, eine effiziente Abwicklung zu gewährleisten.
Dahingegen liegt der Fokus von strategischen Einkaufsaktivitäten auf dem Aufbau,
der Pflege und der Weiterentwicklung der Prozesse sowie der Organisations- und Liefe-
rantenstruktur. Die Lieferantenstruktur wird hierbei i. d. R. nach Warengruppen und wirt-
schaftlichem Kostenniveau differenziert.
Das folgende Praxisbeispiel zeigt eine Ergebnisdarstellung der Kapazitätsmessung
einer Aufgabenanalyse der Hauptaufgaben eines einzelnen Teams innerhalb einer Ein-
kaufsabteilung mit dem Fokus auf Tätigkeiten in der Beschaffung von Rohmaterialien.
Die Werte der einzelnen Aktivitäten bzw. Teilaufgaben können zu mehreren Hauptauf-
gabenclustern aggregiert und beispielsweise auch auf einen Gesamtwert in Mannjahren
hochgerechnet werden. Dieser würde hier knapp sechs Mannjahre betragen. Die Vertei-
lung der Aufgaben kann nun diskutiert und problematisiert werden, beispielsweise, dass
Aufgaben unter- oder überdimensioniert sind. Werden die Ergebnisse mit den anderen
Teams verglichen, lassen sich daraus weitere Rückschlüsse ziehen. Wird die Einführung
neuer unterstützender Tools diskutiert, kann z. B. abgeschätzt werden, ob es dadurch
Kapazitätseffekte geben könnte. Wenn Zuschnitte verändert werden, kann berechnet wer-
den, welche Kapazitätseffekte auftreten, wenn einzelne Personen anders zugeordnet wer-
den, können Effekte auf die Aufgabenwahrnehmung simuliert werden usw. (Abb. 2.18).

Ergebnisdarstellung Aufgabenanalyse EK-Team

Tätigkeit/Aktivität

Bestellabwicklung, Nachverfolgung & Terminüberwachung 1,40


Materialdispositon Warengruppen 0,70
Formulierung und Umsetzung Einkaufsstrategie 0,60
Lieferantensuche und Bewertung 0,55
Durchführung Lieferantenaudits 0,55
Definition Dispositionsstrategie und Bestellprozess 0,55
Steering (Führungsaufgaben) 0,50
Vertragsmanagement 0,30
Einkaufscontrolling 0,20
Vertragsverhandlungen 0,14
Lieferantenbewertung 0,14
Rechnungsprüfung 0,14
Mitarbeit in Sonderprojekten 0,10
Erstellen Verbrauchsstatistiken 0,05
0,00 0,50 1,00 1,50
Wert in FTE

Abb. 2.18  Ergebnisdarstellung Aufgabenanalyse Einkaufsfunktion


36 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

2.9 Stellenanalyse

Zum Teil reicht eine Aufgabenanalyse allein nicht aus, um alle Aspekte einer Tätigkeit
und Stelle zu erfassen, insbesondere dann, wenn mit der Organisationsentwicklung auch
eine Veränderung der Stellenprofile verbunden sein soll. Eine Stelle besitzt in der Regel
ein Stellenprofil, welches sich aus den zu leistenden Anforderungen an eine Funktion
ableitet. Diese sind im Idealfall durch explizite Stellenbeschreibungen dokumentiert.
Typischerweise werden Teile der Anforderungen davon bei der Personalsuche in internen
oder externen Suchanzeigen verwendet. Handlungsbedarf ist dann gegeben, wenn ver-
einfacht die Stelle und der Stelleninhaber nicht zusammenpassen. Besteht beispielsweise
ein Missverhältnis zwischen den Anforderungen an eine Stelle und dem Stelleninhaber,
versucht die Stellenanalyse dieses zu objektivieren. Dabei kann die Stelle zu breit ange-
legt sein, und es ist damit praktisch unmöglich, geeignete Besetzungen zu finden, der
Stelleninhaber hat nicht die erforderliche Qualifikation oder ist überqualifiziert, der Stel-
leninhaber ist unzufrieden und möchte sich weiterentwickeln oder das Stellenprofil muss
verändert werden, um künftigen Anforderungen zu genügen etc.

Ziel
Ziel einer Stellenanalyse ist daher die Aufnahme und Erstellung von detaillierten Beschrei-
bungen der derzeit existierenden Stellenprofile innerhalb einer Funktion, die Dokumentation
der Qualifikation und der Erfahrungen des derzeitigen Stelleninhabers und die Durchführung
einer Gegenüberstellung an die zukünftigen Anforderungsprofile dieser Stellen und Funkti-
onen. Ziel ist es weiter, transparent zu machen, für welche Stellen Abweichungen auftreten
und welcher Handlungsbedarf sich daraus ableitet. Daraus sollen Maßnahmen zur Personal-
entwicklung abgeleitet werden, um diesen GAPS gezielt entgegenwirken zu können.

Vorgehen Anwendung
Im ersten Schritt sollten die existierenden Stellenprofile im Untersuchungsbereich
gesichtet werden. Als Basis dient die formale Stellenbeschreibung einer Funktion, die
alle relevanten HR-administrativen Informationen (wie Vorgesetzter, Hierarchieebene,
Eingliederung Gehaltsspanne etc.) sowie qualitative Informationen (Verantwortungsbe-
reich, Aufgaben und Tätigkeiten, Befugnisse etc.) beinhaltet. Häufiger ist festzustellen,
dass diese entweder veraltet oder gar nicht vollständig und durchgängig vorhanden sind.
Im zweiten Schritt werden die Profile der Stelleninhaber erfasst. Dies erfolgt mit verfüg-
baren Basisdaten aus der Personalabteilung sowie Einzelinterviews. Aus solchen Inter-
views sind oft Erkenntnisse über Erfahrungen und das Know-how von Mitarbeitern zu
erfahren, die nicht in der Personalakte zu finden sind. Sinnvoll ist es auch, Wünsche oder
das Potenzial des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Weiterentwicklung dabei aufzuneh-
men. Klar ist, dass solche Interviews nur mit Zustimmung der erforderlichen Gremien
erfolgen können. Im dritten Schritt werden die künftigen Anforderungen an die Funk-
tionen bzw. einzelne Stellen abgleitet. Dieser erfolgt wiederum über Interviews mit den
Führungskräften oder der Personalabteilung. Hieraus wird ein Soll-Anforderungsprofil
erstellt, das die Stellenbeschreibung um weitere Anforderungskriterien ergänzt. Dies
2.9 Stellenanalyse 37

können Kriterien innerhalb der Dimensionen Fachkompetenz, Methodenkompetenz oder


Sozialkompetenz sein. Mit diesen drei Zwischenergebnissen kann eine Gegenüberstel-
lung des künftigen Anforderungsprofils einer Stelle mit der derzeitigen Qualifikation des
Stelleninhabers (Vergleich Ist und Potenzial) anhand wesentlicher Merkmale (fachliche
Anforderungen, persönliche Anforderungen, Qualifikationsmatrix) vorgenommen wer-
den. Wo sich Deltas aufzeigen, ist zu diskutieren, wie diese geschlossen werden kön-
nen. Hierbei sind alle Spielarten denkbar. Zu unterscheiden gilt es insbesondere, ob der
Stelleninhaber weiter die Stelle besetzt oder ob die Stelle neu oder anders besetzt wird.
Im einfachsten Fall werden die Stellenprofile geschärft und über Personalentwicklungs-
maßnahmen Know-how-Defizite geschlossen. Reicht das nicht aus, müssen Stellenwech-
sel oder Neubesetzungen in Betracht gezogen werden. Zum Feststellen der Eignung
eines Stelleninhabers werden das generierte Soll-Anforderungsprofil dem tatsächlichen
Qualifikationsprofil des Stelleninhabers gegenübergestellt und ein Abgleich vorgenom-
men. Das Qualifikationsprofil stellt die Kompetenzen des Inhabers im Ist und das ihm
zugetraute Potenzial dar. Die Analyse der Qualifikation erfolgt i. d. R. anhand einer
Dokumentenanalyse, ggf. spezifischen Tests und Interviews im 360°-Ansatz. Die Poten-
zialeinschätzungen werden in den meisten Fällen anhand der Mitarbeiterbeurteilungen
sowie durch Einschätzungen und Beobachtungen der Vorgesetzten getroffen (Abb. 2.19).

Stellenbeschreibung Soll-Anforderungsprofil Qualifikationsprofil


formalisierter Ausweis aller ergänzt Stellenbeschreibungen Beschreibung der
Merkmale ungen um Anforderungs- Kompetenzen im Ist bzw. das
kriterien Potenzial des Stelleninhabers

Stellenbezeichnung Fachkompetenz Analyse der Kompetenzen


Ausbildung eines Stelleninhabers über
Hierarchische Einordnung
in die Unternehmens- Kenntnisse, Wissen, Dokumentenanalyse
organisation Erfahrung im Fachgebiet
ggf. akademische
Aktualisierung des
Einordnung Gehaltsgefüge Zeugnisse
Fachwissens (neue
Entwicklungen) Arbeitszeugnisse
Stellenziele
Kenntnis in angrenzenden Tätigkeitsnachweise
Stellenverantwortung Fachgebieten
Interviews, ggf. 360°-
Stellenaufgaben Methodenkompetenz Ansatz
Projektmanagement Tests
Stellenbefugnisse
Problemlösungstechniken Beobachtungen
Berichtswege Präsentationstechniken
Einschätzungen von
Moderationstechniken Vorgesetzten bzw.
Stellvertretung
Mitarbeiterbeurteilungen
Sozialkompetenz
Teamfähigkeit Mögliche Quellen
Kommunikationsfähigkeit
Führungsfähigkeit
Konfliktlösungstechniken

Vorgesetzter, ggfs. Einschätzungen durch


Personalabteilung,
Abb. 2.19  Stellenanalyse
Führungskraft
Formulierung im Vorgesetzte, Abfrage mittels
Führungsteam Formblatt oder Fragebogen
38 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Ergebnis und Nutzen


Die Stellenanalyse schafft Transparenz über Abweichungen vom Soll-Anforderungspro-
fil gegenüber dem Qualifikationsprofil des Mitarbeiters und hilft bei der Ermittlung mög-
licher Potenziale. Die Analyse deckt konkrete Handlungsbedarfe auf. Zudem kann das
vorhandene Mitarbeiterpotenzial gezielter ausgeschöpft werden. Weitere Nutzen stellen
die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, die Reduktion von operativen Risiken und
unter Umständen auch eine Senkung der Personalkosten dar.
Mittels geeigneter Formvorlagen können die Abgleiche der einzelnen Kriterien (Indi-
katoren) strukturiert erfasst und visuell aufbereitet werden. Durch eine definierte Skala
(1–3 = gering; 4–6 = mittel; 7–9 = hoch) kann eine qualitative Beurteilung innerhalb
der Skala erfolgen und können existierende GAPS grafisch deutlich gemacht werden.
Für jede einzelne Stelle lohnt das u. U. nicht, aber zusammenfassend für eine Fachfunk-
tion, hinter der mehrere Stellen stehen. Zu beachten sind vor allem solche Kriterien,
bei welchen der Abstand zwischen bisherigen und künftigen Anforderungen hoch und
gleichzeitig die Diskrepanz zwischen Ist und Soll besonders groß ist (Abb. 2.20).

Bewertung Stellenprofil

Bedeutung des Kriteriums Erfüllung

= bisher = Ist
= künftig = Potenzial

Anforderungskriterien Stellenprofil gering mittel hoch gering mittel hoch

1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Ausbildung
Fachkompetenz

Erfahrung

Fachwissen

Projektmanagement
kompetenz
Methoden-

Problemlösetechniken

Moderationstechniken
Sozialkompetenz

Teamfähigkeit

Führung

Kommunikation

Abb. 2.20  Praxisbeispiel Stellenanalyse. (Quelle: In Anlehnung an Simon und von der Gathen
2002, S. 91)
2.10 Schnittstellenanalyse 39

2.10 Schnittstellenanalyse

Keine größere Organisation kommt ohne Schnittstellen aus, die sich zwangsläufig erge-
ben, wenn Prozesse und Aufgaben arbeitsteilig organisiert werden. An Schnittstellen
müssen Informationen, Arbeitsergebnisse, Dokumente, Auftragsstatus, Güter etc. aus-
getauscht werden. Schnittstellen bestehen aus der Sicht eines Unternehmens auch nach
außen, zu Kunden, zu Lieferanten, zu Behörden usw. Betrachtet werden sollen hier die
Schnittstellen zwischen Organisationseinheiten in einem Unternehmen oder einer Orga-
nisation. Beispielsweise müssen bei der Auftragsfertigung die Kundenanforderungen
über den Vertrieb in einem ersten Schritt in ein kaufmännisches Angebot überführt wer-
den. Wenn der Vertrieb einen Außendienst und einen Vertriebsinnendienst unterscheidet,
müssen die Kundenanforderungen vom Außendienst an den Innendienst übermittelt wer-
den. Gibt es technische Fragen zu klären, sind wieder andere Abteilungen gefragt, das
zu beurteilen, um beispielsweise die Grenzen der Machbarkeit abzustecken. Ggf. muss
der Einkauf klären, ob die Materialien, die vom Standard abweichen, beschafft werden
können und ob das zu wirtschaftlichen Konditionen möglich ist. Oftmals gehen Infor-
mationen mehrmals hin und her. Fachabteilungen benötigen Zeit, um eine qualifizierte
und verlässliche Rückmeldung zu geben. Trifft die Qualität der Rückmeldung nicht die
Erwartung, kommt es schnell zur Unzufriedenheit und zu mehrfachen Rückfragen. So
haben jedes Team und jede Abteilung eine, meist mehrere Schnittstellen in der Organisa-
tion. Nicht alle Schnittstellen sind gleichgewichtig und werden gleich häufig in Anspruch
genommen. Auch die Anforderungen, die Wichtigkeit und die Zufriedenheit sowie die
Intensität der Schnittstellen sind sehr unterschiedlich. Um das herauszuarbeiten, dient die
Schnittstellenanalyse.

Ziel
Die Schnittstellenanalyse soll den Ist-Zustand der Zusammenarbeit von Abteilungen mit
anderen Abteilungen untersuchen. Sie erfolgt vielfach im Rahmen von Prozessoptimie-
rungen, da eine effiziente Zusammenarbeit auch Teil eines optimierten Prozesses ist. Ziel
ist die Identifikation der relevanten/kritischen Schnittstellen aus der Sicht einer Abtei-
lung, deren Typisierung und die qualitative Bewertung, inwiefern die Anforderungen
an die Schnittstelle aus Sicht einer Abteilung erfüllt werden. Im zweiten Schritt sollen
geeignete organisatorische Maßnahmen zum Abbau der Defizite der Schnittstellen abge-
leitet werden.

Anwendung Vorgehen
Zunächst muss festgelegt werden, für welche Abteilungen im Untersuchungsbereich eine
Schnittstellenanalyse durchgeführt werden soll. Meist kommen die Hinweise im Rahmen
der Aufgabenanalyse, dass Informationen von einer Abteilung an die andere nicht anfor-
derungsgerecht übergehen oder nicht zufrieden stellend gelöst sind. Auch eine Vielzahl an
abteilungsübergreifenden Meetings und Runden ist ein Hinweis darauf, dass Sachverhalte
mehrfach intensiv abgestimmt werden. Zentrale Sicht bei der Schnittstellenanalyse ist
40 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Schnittstellen zwischen Abteilungen Eine Schnittstelle entsteht, sobald


(beispielhafte Darstellung) etwas zwischen zwei Bereichen
oder Abteilungen weitergegeben
oder angefordert wird, z. B.
Informationen, Genehmigungen,
Planung Produktion Material oder Daten
Die Schnittstellenanalyse
untersucht:
Welche qualitätsrelevanten
Vertrieb F&E Schnittstellen existieren?
Welche Anforderungen gibt
es an einer Schnittstelle?
Wie gut können diese
Anforderungen erfüllt
Kunde werden?

Abb. 2.21  Beispiel Darstellung Schnittstellen

zunächst die Sicht einer Abteilung (Abb. 2.21). Diese hat eine oder mehrere Schnittstel-
len innerhalb der Organisation. Im Rahmen von strukturierten Interviews mit Personen
der zu untersuchenden Abteilung erfolgt eine Aufnahme der jeweiligen Anforderungen
der Abteilung an andere Abteilungen. Zudem werden an der jeweiligen Schnittstelle die
Instrumente, mit welchen Informationen, Daten, Genehmigungen, Muster etc. ausge-
tauscht werden, gesichtet und ggf. erfasst. Im nächsten Schritt erfolgt eine qualitative
Bewertung der jeweiligen Schnittstelle durch die befragte Person. Hierbei können bei-
spielsweise die Kriterien Wichtigkeit und Zufriedenheit der Schnittstelle bewertet werden.
Diese Befragung und Bewertung wird für alle relevanten Schnittstellen aus Sicht einer
Abteilung durchgeführt. Spannend wird es, wenn die gleichen Fragen von der anderen
Seite beantwortet werden. Aus dem Abgleich kann dann abgleitet werden, inwieweit die
Abteilungen aneinander vorbeireden und gegenseitig unzufrieden sind. Oftmals fehlt auch
das Verständnis, warum eine nachgelagerte Stelle in einem Prozess ein Arbeitsergebnis
genau in der Form haben möchte und warum Abweichungen unweigerlich zu Rückfragen
führen. Beispielsweise benötigt der Einkauf von der Entwicklungsabteilung eine Spezifi-
kation für eingesetzte Materialien, um Beschaffungsquellen zu prüfen. Entwicklungsab-
teilungen neigen dazu, diese so eng zu formulieren, dass genau ein Lieferant übrig bleibt,
nämlich der, mit welchem die Prototypen erfolgreich produziert wurden. Aus Sicht des
Einkaufs wird dann der mögliche Wettbewerb ausgehebelt. Falls sinnvoll, wird ergänzend
auch der zeitliche Ablauf im Prozessabschnitt der beteiligten Schnittstellen untersucht,
wenn Hinweise auf zu lange Durchlaufzeiten (DLZ) vorliegen.

Ergebnis und Nutzen


Im Ergebnis liefert die Analyse eine Identifikation und Bewertung der kritischen Schnitt-
stellen aus Sicht einer Abteilung und offenbart die – von den handelnden Personen
empfundenen – Schwachstellen und Ineffizienzen bei der operativen Zusammenarbeit.
2.10 Schnittstellenanalyse 41

Die Erkenntnisse können für die Ableitung von konkreten Gestaltungshinweisen für
die weiterführende Organisationsentwicklung und zur Optimierung der Schnittstelle
genutzt werden. Entweder wird die Schnittstelle dann aufgehoben, weil Abteilungen
zusammengeführt oder anders zugeschnitten werden, oder es wird an der Qualität der
ausgetauschten Informationen an der Schnittstelle gearbeitet, weil z. B. andere Koordi-
nationsinstrumente verwendet werden. Im einfachsten Fall kann dies ein strukturiertes
Formular oder Tool sein oder, noch besser, eine verbesserte Datengewinnung in einem
integrierten System.
Anhand von strukturierten Gegenüberstellungen von zwei Fachabteilungen (hier im
Beispiel die Funktionen Entwicklung und Einkauf) an einer spezifischen Schnittstelle
lassen sich die einzelnen Anforderungen an die andere Abteilung erfassen und daraus
Deliverables ableiten, die die Gegenseite zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit liefern
muss. Die unterschiedlichen Anforderungen an einer Schnittstelle verdeutlicht das nach-
folgende Beispiel.
Da die Schnittstellenanalyse sehr schnell zu sehr viel Aufwand führen kann, sollte
diese nur gezielt für einzelne Abteilungen angewendet werden, insbesondere dann, wenn
diese Abteilung in der Organisation der Kritik ausgesetzt ist, Prozesse kompliziert und
langsam zu machen. Aufgrund der Methodik, jeweils beide Seiten zu befragen und dabei
sich nicht auf Einzelmeinungen verlassen zu müssen, kommen ganz schnell eine Vielzahl
von erforderlichen Interviews zusammen (Abb. 2.22).
Hier sei an einem relativ einfachen Beispiel aufgezeigt, welche typischen Erwartun-
gen eine Einkaufsabteilung an eine Entwicklungsabteilung formuliert, ohne dass diese

Abb. 2.22  Beispiel Schnittstellenanalyse


42 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Ansprüche auf Vollständigkeit wiedergeben. Hier geht es um die Freigabe von Stück-
listen aus Entwicklungsprojekten, um den Prozess der Lieferantensuche und -auswahl
anzustoßen. Typischerweise ist die Freigabe von Materialien oder Stücklisten eine Akti-
vität in einem strukturierten Entwicklungsprozess. Das heißt aber nicht, dass in der Pra-
xis das gelebt wird, was als Soll-Prozess vorgegeben wird. Zu prüfen ist dann in diesem
Fall, warum Stücklisten fehlerhaft sind und warum diese aus Sicht des Einkaufs zu spät
freigegeben werden. Die Ursachen sind also eher in der Arbeitsweise im Entwicklungs-
prozess selbst zu suchen, als dass nicht durch einen Standardentwicklungsprozess klar
wäre, wer wann was zu welchem Meilenstein zu liefern hat. Der zweite Aspekt betrifft
eher ein operatives Thema, nämlich eine frühzeitige Information über neue Kunden-
aufträge im Hinblick auf die Beschaffung auftragsspezifischer Materialien. In Zeiten
integrierter Systeme sollte man annehmen können, dass dies mit der Anlage eines Kun-
denauftrags im System und anschließender Stücklistenauflösung über einen MRP-Lauf
gelöst wäre. Das Problem steckt also hier eher im systemgestützten Prozess, der die
erforderlichen Bedarfsanforderungen für Sondermaterialien aus Sicht des Einkaufs zu
spät generiert. Hier ist die Entwicklungsabteilung gar nicht der richtige Ansprechpartner,
sondern eher der Vertrieb.
Abb. 2.23 zeigt, wie die Ergebnisse aus einer Schnittstellenanalyse aussehen kön-
nen. Anhand von Formatvorlagen können die einzelnen Schnittstellen der Fachbereiche

Abteilungen Anforderungen der Bewertung aus Schnittstellen-


mit Schnittstellen Sicht Fachabteilung qualität
Schnittstellen an F&E Wichtigkeit
ΣW*Z/ *
zu F&E Wichtigkeit
Wichtigkeit Zufriedenheit
Zufriedenheit Σ Wichtigkeit
Zufriedenheit

1 5 1 5 1 5
sehr sehr sehr sehr sehr sehr
gering hoch gering hoch gering hoch

Information zu Lieferanten 5 3
3
Materialstammdaten 3 3

Bewertung zu erkannten
5 4
Abweichungen vom Standard
3
Lösungsvorschläge bei
4 2
Abweichungen

Bewertung Auswirkungen
5 4
Qualitätsstandards
4
Mitwirkung Prüfpläne 3 4

Dauer und Kapazitätsbedarf


5 2 2
für Tests und Versuchsreihen

Abb. 2.23  Praxisbeispiel zur Darstellung Ergebnisse Schnittstellenanalyse


2.10 Schnittstellenanalyse 43

und deren Anforderungen an die Gegenseite strukturiert erfasst und durch die jeweilige
Fachabteilung bewertet werden. Hierzu werden die Kriterien Wichtigkeit und Zufrieden-
heit qualitativ bewertet. Die Bewertung erfolgt im Beispiel auf einer Skala von 1 (sehr
gering) bis 5 (sehr hoch). Anhand der errechneten Punktzahl aus Wichtigkeit und Zufrie-
denheit je Schnittstelle kann eine Schnittstellenqualität abgeleitet werden. Wichtig sind
hier aber nicht die absoluten Werte, die ja ohnehin auf subjektiven Einschätzungen beru-
hen, sondern die relativen Abstände zwischen den Schnittstellen. Am ehesten ist Hand-
lungsbedarf an der Schnittstelle zur Produktion gegeben, während der Schnittstelle QM
zu F&E eher eine hohe Schnittstellenqualität bescheinigt wird.
Abb. 2.24 und 2.25 zeigen Formblätter hierzu, wie sie für die Bewertung der Schnitt-
stellen verwendet werden können. Wichtig dabei ist, nicht nur in eine Richtung zu fragen
(Formblatt 1) welche Anforderungen aus Sicht einer Abteilung an andere Abteilungen
gegeben sind, sondern auch was wohl die jeweils andere Abteilung für Erwartungen
an die eigene Abteilung stellt (Formblatt 2). Dieses stellt eine Art Selbstbewertung dar
und zeigt, wie die Abteilung sich selbst gegenüber anderen Abteilungen einschätzt. Es
kommt nicht selten vor, dass Abteilugen sich überschätzen und mit der Erfüllung der
Anforderungen an andere Abteilungen weniger zufrieden sind. In der Praxis hat es sich

Formblatt 1: Erfassung der Anforderungen aus Sicht einer Abteilung an andere


Abteilungen

2. Bitte kreuzen Sie


hier Ihre eigene
Abteilung an

1. Formblatt zur Erfassung


der Anforderungen Ihrer
Abteilung an andere
Abteilungen

3. Bitte kreuzen Sie für


jede Anforderung an, an
welche Abteilung die
Anforderung gerichtet ist

5. Dies ist der Platz für


die Bewertung von
Wichtigkeit und
Zufriedenheit
4. Hier können Sie die
Anforderung nennen und
kurz beschreiben. Ebenso
können Sie kurz aufführen,
was ggfs. nicht funktioniert

Abb. 2.24  Formblatt 1 Schnittstellenanalyse


44 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Formblatt 2: Erfassung der Anforderungen anderer Abteilungen an Ihre


Abteilung (Selbstbewertung)

2. Bitte kreuzen Sie


hier Ihre eigene
Abteilung an

1. Formblatt zur Erfassung


der Anforderungen Ihrer
Abteilung an andere
Abteilungen

3. Bitte kreuzen Sie für


jede Anforderung an, an
welche Abteilung die
Anforderung gerichtet ist

5. Dies ist der Platz für


die Bewertung von
Wichtigkeit und
Zufriedenheit
4. Hier können Sie die
Anforderung nennen und
kurz beschreiben. Ebenso
können Sie kurz aufführen,
was ggfs. nicht funktioniert

Abb. 2.25  Formblatt 2 Schnittstellenanalyse

als praktikabel erwiesen, nicht zu viele Anforderungen aufzunehmen, sondern sich auf
die wesentlichen drei bis fünf zu konzentrieren. Stellt eine Abteilung keine Anforderun-
gen an andere Abteilungen, stimmt auch etwas nicht. Dann drängt sich schnell der Ein-
druck auf, dass sich diese Abteilung eher abschottet und ein Eigenleben führt. Jedenfalls
wäre das ein Anlass, das kritisch zu hinterfragen.

2.11 Kundenkontaktanalyse

Bei der Schnittstellenanalyse wurden Schnittstellen von internen Abteilungen zueinander


behandelt. Eine zentrale Schnittstelle nach außen ist die zu den Kunden. Insbesondere
bei erklärungsbedürftigen Produkten ist der Vertrieb oder technische Vertrieb eine ganz
entscheidende Schnittstelle für die Organisation zum Kunden. Werden die Kontakte zu
den Kunden den dahinterstehenden Vertriebs- und Auftragsabwicklungsprozessen zuge-
ordnet, wird deutlich, dass zahlreiche unterschiedliche Kontaktpunkte zu Kunden beste-
hen, die nicht nur in „Dining & Wining“ bestehen, sondern vor allem solche, an denen
ganz konkrete und für die spätere Auftragserfüllung wichtige Zahlen, Daten und Doku-
mente bis hin zur Leistung übergehen. Es hängt natürlich auch von der gewählten Form
2.11 Kundenkontaktanalyse 45

der Vertriebsorganisation ab, inwieweit eine solche Analyse Sinn macht. Wir gehen hier
von einem zentral organisierten Vertrieb für ein technisches Produkt aus, wie er z. B. im
Maschinenbau vorzufinden ist. Für mehrstufige Vertriebsorganisationen lassen sich aber
Analogieschlüsse ziehen.

Ziel
Im Vordergrund steht die Verbesserung der Kundenorientierung. Ziel der Kundenkon-
taktanalyse ist die strukturierte Erfassung von Defiziten in der Kundenansprache oder
im Umgang mit Kunden. Vom Kunden können Unternehmen sehr viel lernen, und nicht
zuletzt gilt es immer wieder, das Produkt- und Lösungsportfolio am Kunden auszurich-
ten. Jeder hat schon einen Feedbackfragebogen in einem Hotel ausgefüllt. Meist werden
hier auch verschiedene Kundenkontaktpunkte abgefragt. Dies fängt an bei der Buchung
und Reservierung und endet meist bei Verbesserungsvorschlägen. Wesentlich sind also
sogenannte Kundenkontaktpunkte. Das sind Punkte, an denen der Kunde Leistungen des
Unternehmens wahrnimmt und die aus Sicht des Leistungserbringers im Rahmen von
Prozessen stattfinden. Der Kunde selbst kennt die Prozesse, die dahinter stehen, meist
gar nicht, sondern nimmt nur am Kontaktpunkt die Leistung wahr. Im Vordergrund steht
die Frage, erfüllt das Unternehmen mit seinen Prozessen, in welchen der Kunde vor-
kommt, die Erwartungen und Anforderungen, die der Kunde stellt, und sind die Abläufe
wirtschaftlich, und lassen sich diese verbessern, oder fehlen sogar Prozesse? In diesem
Rahmen der Analyse kann auch eine Typisierung von Kundenkontakten sinnvoll sein,
etwa nach Kundengruppen oder Produkten. Ziel ist dann auch die Aufklärung und Diffe-
renzierung der Anforderungen an Kundenkontaktpunkten. Bei einem Kundenerstkontakt
stehen andere Aspekte im Vordergrund (Bedarf des Kunden im Abgleich mit dem Pro-
dukt- und Lösungsportfolio), als wenn ein Reklamationsfall zu bearbeiten ist (schnelle
Klärung und Beseitigung der Reklamationsursachen). Übergeordnetes Ziel ist es daher,
alle Kundenkontaktpunkte und -prozesse aus Sicht des Kunden zu dokumentieren und im
Streben nach einem besseren Kundenerlebnis ganzheitlich zu optimieren.

Vorgehen Anwendung
Im ersten Schritt ist noch mal die Zielsetzung der Kundenkontaktanalyse aktiv zu formu-
lieren (Abb. 2.26). Die Erwartungen sind hier meist anfangs recht hoch und müssen der
Ernüchterung weichen, wenn festgestellt wird, dass externe Informationen ohne weiteres
nicht zu beschaffen sind und eine Kundenbefragung nicht infrage kommt. Viele Unter-
nehmen bieten über ihre Website die Möglichkeit, Kundenfeedback zu geben. Diese
Datenbasis ist dann auszuwerten. Ist das nicht möglich, muss die Analyse auf interne
Mitarbeiter gestützt werden, die regelmäßig oder auch nur sporadisch mit Kunden in
Kontakt stehen. Zunächst werden alle existierenden Kundenkontaktstellen im Unterneh-
men identifiziert und strukturiert erfasst. Parallel kann an einer quantitativen Analyse
der vorliegenden Mengengerüste zu Angeboten, Kundenanfragen etc. gearbeitet werden.
Beispiele hierfür sind Auswertungen zur Quantität der abgegebenen Angebote oder der
Anzahl der getätigten Bestellungen (engl. Orders received). Vielfach können diese Daten
46 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

heutzutage aus eingesetzten CRM-Systemen herangezogen werden. Nach der Auswahl


der ersten Interviewpartner und Durchführung der ersten Interviews erfolgt eine Auswahl
der wichtigsten Kundenkontaktpunkte. Soweit erforderlich, ist der Gedanke der Segmen-
tierung aufzugreifen: Hilft eine Differenzierung nach Märkten, Kunden oder Produk-
ten weiter? Oder sind die Kundenkontaktpunkte gleichartig? Meist lässt sich die Frage
beantworten, wenn die Prozesse dahinter grob skizziert werden. Bei Standardprodukten
finden andere Kontaktpunkte statt als bei einer kundenspezifischen Einzellösung. Auch
hier gilt es, die Anzahl der für eine erweiterte Betrachtung ausgewählten Kundenkontakt-
punkte aktiv zu steuern und zu beschränken. Mehr als fünf bis acht Kundenkontakte zu
unterschieden, lohnt sich meist nicht.
Im nächsten Schritt werden für diese Kundenkontaktpunkte die Defizite und ggf.
Ideen oder Ansätze zur Verbesserung aus Sicht des Kunden formuliert. Wenn möglich,
sollten diese Defizite quantifiziert werden, z. B. über geeignete Kennzahlen.
Ein Beispiel könnte sein, dass verschiedene Kundengruppen nicht bedarfsgerecht
angesprochen werden. Ein weiteres Beispiel, eher ein operatives Thema, könnte die
Reaktionszeit auf Anfragen sein. Typisch sind z. B. wechselnde Ansprechpartner und
lange Wartezeiten, bis eine verbindliche Auskunft erteilt werden kann. Oder es passie-
ren Fehler bei der Fakturierung. Als Kennzahl würde dann herangezogen werden, wie-
viel Prozent der Rechnungen nachträglich korrigiert werden müssen. Im dritten Schritt
werden Zielgrößen und Soll-Vorgaben sowie Maßnahmen zur Umsetzung des idealtypi-
schen Zustands definiert. Dabei werden konkrete Soll-Zielwerte definiert, die zukünftig
erreicht werden sollen. In der Praxis empfiehlt es sich, diese neuen Werte in eine Art
Messkonzept mit definierten Kennzahlen zu überführen, um die Zielerreichung systema-
tisch nachverfolgen zu können. Beispielsweise, dass Angebote innerhalb einer bestimm-
ten Zeitspanne an den Kunden übermittelt werden.
In der Praxis wird das Tool mittels Interviews mit den mit Kundenkontakt betrauten
Fachabteilungen durchgeführt, in vielen Fällen vorrangig von Vertriebsaußendienst, F&E
sowie Mitarbeitern der Serviceeinheiten oder Telefonhotlines. Es gibt außer dem Vertrieb
oftmals auch noch andere Funktionen in einem Unternehmen, die mit Kunden in Kontakt
treten. Beispielsweise sind das die Funktionen Qualitätsmanagement oder auch das Sup-
ply Chain Management. Diese Funktionen können aufgrund ihrer bisherigen Erfahrun-
gen mit den Kunden meist auch eine fundierte Einschätzung geben, was aus Kundensicht
verbessert werden sollte.

Ergebnis und Nutzen


Ergebnis der Kundenkontaktanalyse ist eine Typisierung der Kunden und der Anfor-
derungen, die der Kunde an das Unternehmen stellt. Zudem resultieren daraus eine
Bewertung der Eignung der eingesetzten Instrumente an den Schnittstellen und die
Identifikation von Leistungsdefiziten aus Sicht des Kunden. Diese können durch das
anschließende Ableiten von Zielen und spezifischen Handlungsempfehlungen in den ver-
antwortlichen Organisationsabteilungen verbessert werden.
2.11 Kundenkontaktanalyse 47

Die Abb. 2.27 zeigt exemplarisch, welche Kundenkontaktpunkte bei einem Unterneh-
men des Maschinenbaus betrachtet wurden. Zu jedem einzelnen Kontaktpunkt wurde
letztlich eine Einstufung nach einer Ampellogik vorgenommen, um zu visualisieren,
wo am ehesten Handlungsbedarf besteht. Dahinter stehen konkrete Beschreibungen von
Defiziten, soweit vorhanden. Einige Kontaktpunkte sind nicht zu beanstanden. Auch das
ist dann Teil des Ergebnisses: zu wissen, wo kein Handlungsbedarf besteht. Hier erwies
sich vor allem der Reklamationsprozess mit sehr langen Antwort- und Reaktionszeiten
als kritisch. Unklar war z. B., ab wann eine Reklamation vorliegt oder ob es sich nur um
eine kritische Rückmeldung seitens des Kunden handelt. Es war festzulegen, welchen
Kriterien zutreffen müssen, dass eine Reklamation anerkannt wird bzw. vorliegt. Eine
Reklamation löst dann intern eine Reihe von Folgeprozessen und Klärungen aus, bis hin
zur Bildung von Rückstellungen. Der Kunde wiederum ist an einer schnellen Beseiti-
gung des Mangels interessiert.

Zielsetzung

Verständnis der Kundensicht und Objektivierung der Anforderungen


Stärken und Schwächen aus Sicht der Kunden strukturiert erfassen
Ableiten von Zielsetzungen für Prozesse/Projekte

Vorgehen

Definition Kundenkontakte

Auswahl der wichtigsten Kundenkontaktpunkte entlang des Vertriebs und AA-Prozesses


1 Ggfs. Segmentierung/Priorisierung nach Produkt- und Kundengruppen
Auswahl der internen Ansprechpartner und Interviewpartner

Leistungsanalyse und Soll-Leistungen an Kontaktpunkten

Ist-Leistungen/Defizite aus Kundensicht, ggf. Benchmarks von Wettbewerbern/


2 branchenfremden Unternehmen
Ableiten Soll-Leistungen: Ggf. Kosten-Nutzen-Betrachtungen

Ziel und Maßnahmen Umsetzung

Definition interner und externer Zielgrößen zur Messung der definierten Soll-Anforderungen
3 Vorgabe Zielgrößen für Kennzahlen
Maßnahmen Umsetzung und Prozess zur Überwachung Zielerreichung

Durchführung

Interviews
- Geschäftsleitung
- Mitarbeiter Vertrieb
- Mitarbeiter anderer Bereiche mit Kundenkontakt (z. B. Telefonhotlines)
- Kundenbefragung

Abb. 2.26  Vorgehen Kundenkontaktanalyse


48 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Abb. 2.27  Beispiel Ergebnisdarstellung Kundenkontaktanalyse

2.12 Prozessanalyse

Prozessanalysen und Process Mappings stellen eine der zentralen Analysen im Rahmen
von Organisationsentwicklungen dar. Insbesondere dann, wenn Prozessoptimierung auch
als Organisationsentwicklung verstanden wird. Nun befassen sich ganze Bücher nur mit
der Frage der Geschäftsprozessoptimierung und -modellierung oder Process Excellence.
Hier sollen eher die grundlegenden und einfachen Methoden der Prozessanalyse vorgestellt
werden, die im Rahmen von Projekten zur Organisationsentwicklung einen Nutzen stiften
können. Es geht nicht um die Methoden, eine flächendeckende Prozessanalyse wie z. B.
mithilfe der Aris-Logik durchzuführen, wie sie häufig im Vorfeld von Systemeinführungen
erfolgen. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, wie aus Prozessanalysen zusätzliche
Erkenntnisse für die Gestaltung der Aufbauorganisation gewonnen werden können. Dabei
ist es erfahrungsgemäß praktikabel, über ein eher generisches übergeordnetes Prozessmodell
einzusteigen und dann Schritt für Schritt den Detaillierungsgrad für ausgesuchte Prozesse
zu erhöhen. Auch das Denken in Unternehmensprozessen bzw. in einem Prozessmodell hat
seine Grenzen. Zum einen wird auf einem hohen Level das Ganze so abstrakt, dass kein
Erkenntnisgewinn daraus gezogen werden kann, zum anderen werden oft ganze Tapeten
mit Prozessdarstellungen gefüllt, ohne dass auch daraus Aussagen abgeleitet werden kön-
nen. Wichtig ist es daher, ein geeignetes Level zu finden. Besonders wichtig ist es, geeignete
Übergabe- und Entkopplungspunkte zu identifizieren. Dann können vergleichsweise kurze
2.12 Prozessanalyse 49

Prozessketten nach dem Input-Output-Modell analysiert und anhand von ausgewählten Pro-
zesskennzahlen wie z. B. der Durchlaufzeit oder First-Pass-Yield deren Leistungsfähigkeit
beurteilt werden. In vielen Unternehmen werden Prozesse schon allein aus Gründen der
ISO-Zertifizierungen systematisch beschrieben und anhand von Verfahrens- und Arbeitsan-
weisungen für die Organisation verfügbar gemacht. Es ist aber ratsam, genau hinzuschauen,
ob diese so dokumentierten Prozesse in der Praxis auch so gelebt werden. Es macht durch-
aus Sinn, sich von der im Unternehmen etablierten verwendeten Logik der Darstellung zu
lösen, und die Prozesse aus einem anderen Blickwinkel oder mittels einer anderen Methodik
zu analysieren, um Stärken und Schwächen herauszuarbeiten und aufzeigen zu können.

Ziel
Ziel der Prozessanalyse ist es, zunächst ein fundiertes Verständnis über das Prozess-
haus, die darin vorgenommenen Prozessabgrenzungen, die verschiedenen Prozesslevel
und nicht zuletzt die relevanten und bestehenden Abläufe und Prozesse innerhalb einer
Organisation zu erlangen. Zudem schafft sie Transparenz über die eingesetzten Res-
sourcen und die existierenden Mengengerüste der einzelnen Prozesse und ihrer Teilpro-
zesse, wenn die Prozessanalysen mit quantitativen Analysen verknüpft werden. Zentral
ist dabei immer die Frage, wie häufig wird der Prozess durchlaufen und welche Abwei-
chungen und Varianten gibt es? Welche Funktionen sind in den Prozess eingebunden,
und kann das Ganze noch als Prozess begriffen und beschrieben werden? Gerade beim
Übergang zur projekthaften Abwicklung von Aufgaben zeigen sich Grenzen. Es gibt
komplexe Aufgabenstellungen, die als Projekt abgewickelt werden. Im Rahmen der Pro-
jektbearbeitung greift das Projektteam auf einzelne Prozesse aus einem Prozesshaus zu,
z. B. Bestellung von Materialien, Anlage eines Auftrags, Erzeugen einer Rechnung oder
Auslieferung von Waren. Dennoch kann für das Gesamtprojekt kein Gesamtprozess auf-
gezeigt werden, weil es diesen so gar nicht gibt. Dies zeichnet ja gerade ein Projekt aus,
dass die Aufgabenwahrnehmung komplex und vielfältig ist und sich nicht in einen Mas-
terprozess mit sequenziellen Schritten abbilden lässt.

Vorgehen Anwendung
Zunächst erfolgt die Sichtung von im Unternehmen oder der Organisation vorhandenen Pro-
zessdarstellungen. Nicht selten sind diese veraltet, unvollständig oder nicht aussagekräftig.
Vielfach handelt es sich auch um idealtypische Soll-Prozesse, die sich in der Praxis anders
darstellen. Wesentlich ist es aber, die gelebten Ist-Prozesse aufzunehmen und deren Stär-
ken und Schwächen zu erkennen und wenn möglich zu messen. In der Regel erfolgt die
Aufnahme von Prozessen im Rahmen von Interviews. Dabei erfolgt eine Visualisierung
und Dokumentation ausgewählter Prozesse in geeigneter Form, beispielsweise in einer
Swim-Lane-Darstellung. Die Aufnahme erfolgt anhand von mehreren Interviews mit am
Prozess beteiligten Personen oder mittels eines Workshopformats, das mehrere Personen
der Abteilungen einbezieht, die der Prozess durchläuft. Danach erfolgen eine gemeinsame
Bewertung der aufgenommenen Prozesse und die Identifikation von Schwachstellen im Pro-
zess. Zu einer Prozessanalyse gehört auch immer ein Mengengerüst. Beispielsweise, wenn
50 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

ein Bestellprozess analysiert wird, wie viele Bestellungen werden nach diesem Prozess aus-
geführt? Welche Varianten oder Alternativen gibt es? Worin liegen die Unterschiede? Wel-
ches Mengengerüst haben die Alternativen? Ist das der richtige Mix? Welches Potenzial
ergibt sich aus der Veränderung des Mixes usw.? Aus diesen Erkenntnissen werden Ansatz-
punkte zur Optimierung der untersuchten Prozesse abgeleitet.

Ergebnis und Nutzen


Ergebnis der Analyse ist die strukturierte Dokumentation der tatsächlichen Abläufe
und Prozessschritte innerhalb der Organisation, deren Mengengerüst, deren Varianten,
Transparenz über die im Prozess eingesetzten Instrumente, die verwendeten IT-Systeme
und internen Ressourcen sowie die Identifikation der existierenden Schwachstellen und
Potenziale zur Verbesserung.
Abb. 2.28 verdeutlicht ein ganzheitliches Prozessmodell, welches so generisch ist,
dass es praktisch auf jedes Unternehmen Anwendung finden könnte. Hierbei wird deut-
lich, dass die einzelnen Prozesse in verschiedene Prozesskategorien gegliedert werden.
So werden Kernprozesse wie beispielsweise der Produktionsprozess von unterstützenden
Prozessen wie Controlling, Buchhaltung oder Personalmanagement unterschieden. Kern-
prozesse können als direkt wertschöpfend charakterisiert werden, wohingegen Support-
prozesse nicht direkt wertschöpfend sind. Sie dienen somit eher unterstützend. Neben

Strategy & Business Management (BM)

Strategy Controlling Communication QM ...

Core processes

CRM PLM SCM

-
Support Processes
heit
Finance/
HR IT Facility ...
Accounting

Abb. 2.28  Prozessanalyse – Ganzheitliches Prozessmodell


2.12 Prozessanalyse 51

diesen beiden Prozessarten existieren noch die Managementprozesse. Sie geben die Vor-
gaben und den Handlungsrahmen für die Kernprozesse und die unterstützenden Prozesse
vor. So ein Überbau ist durchaus hilfreich, um einzuordnen, um welche Prozesse es im
Rahmen einer Analyse gerade geht. Selbstverständlich müssen, von diesen Überschriften
weg, die darunterliegenden Detailprozesse analysiert werden.
Grundlage für eine ganzheitliche Prozessanalyse (End-to-End) ist zunächst die Detail-
lierung und anschließende Zerlegung des Prozesses in verschiedene Prozessebenen/-
level. Auf diese Weise lassen sich auch komplexe Prozesse in einzelne Prozessebenen
und -schritte herunterbrechen und weiterführend analysieren. Abb. 2.29 verdeutlicht
diese Herangehensweise.
Wie viele Ebenen oder Level benötigt werden, kann nicht allgemein formuliert
oder festgelegt werden. Typischerweise werden vier bis sechs Level benötigt, um alles
zu erfassen, wobei Level 6 dann schon auf einzelne Tätigkeiten heruntergehen würde.
Solche detaillierten Mappings sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie im Kontext von
Systemeinführungen oder Anpassungen vorgenommen werden. Für eine Organisations-
entwicklung reichen meist die ersten drei Level völlig aus.
Eine dazu gehörende grundlegende Methode zur Analyse von Prozessen stellt das
sogenannte Input-Output-Modell dar (Abb. 2.30). Hierbei werden die jeweiligen Ein-
gangsgrößen und die Ergebnisse, die der einzelne Prozessschritt liefert, betrachtet.
Eingangs- und Ausgangsgrößen können u. a. Informationen, Dokumente oder Mate-
rialien sein. Der Vorteil liegt darin, dass schnell klar wird, was der Prozess leistet und
welche Inputs er dafür benötigt. Geht das Ergebnis direkt in einen Folgeprozess über,
kann über die Verkettung von verschiedenen Input-Output-Darstellungen einzelner Pro-
zesse eine Prozesskette abgebildet werden. Der Output kann zusätzlich über ­Kennzahlen

Abb. 2.29 Grundlegende


Prozesshierarchie Detaillierung von Prozessen

Eben 1
Ebene Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3

Ebene 2 Schritt 2.1 Schritt 2.2 Schritt 2.3

Ebene 3 Schritt 2.2.1 Schritt 2.2.2


52 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

q­ uantifiziert werden. Handelt es sich beispielsweise um einen Angebotsprozess, kann


gemessen werden, wie viele Angebote pro Jahr erstellt werden und welche Erfolgsquote
diese haben.
Wie schon beschrieben, erfordert eine umfassende Analyse von Geschäftsprozessen
die Zerlegung eines Gesamtprozesses in standardisierte Teilprozesse. Je konsistenter die
Zerlegung gelingt, desto eher lassen sich die Prozesse mit denen von Benchmarkingpart-
nern vergleichen. Insbesondere der Vergleich von Teilprozessen lässt sich i. d. R. bran-
chenunabhängig durchführen. Klar ist, dass Benchmarkvergleiche Grenzen haben und
gerade die dahinterliegenden Prozesse bei Kennzahlvergleichen die Zusatzinformation
liefern. Abb. 2.31 zeigt, wie eine solche Zerlegung von Prozessen aussieht. Je tiefer in
der Ebene, desto spezifischer werden die Teilprozessschritte und desto weniger sind sie
i. d. R. für einen Benchmarkvergleich geeignet. Klar ist auch, dass der Analyseaufwand
exponentiell ansteigt, wenn bis auf mehrere Ebenen hinunter analysiert werden soll. Das
lohnt sich nur, wenn diese Details auch benötigt werden, beispielsweise im Rahmen von
Prozessoptimierungen oder bei der Frage einer geeigneten Systemunterstützung bzw.
Automatisierung.
Abb. 2.32 verdeutlicht eine klassische Prozesshierarchie mit drei Prozessebenen am
Beispiel des Customer-Relationship-Management-Prozesses (CRM). Hier wird deutlich,
dass erst ab Level 3 klarer wird, welche Teilprozesse stattfinden. Problematisch dabei
ist, dass bei solchen Darstellungen der Eindruck erweckt wird, die Prozessschritte, hier
auf Level 3, laufen immer sequenziell ab. Das ist nicht zwingend der Fall. In der Praxis
springen die Teilprozesse häufiger hin und her. Zudem wird deutlich, dass diese Darstel-
lung nur eine eingeschränkte Problematisierung zulässt. Sicher können die Reihenfolge,
fehlende oder überflüssige Teilprozesse identifiziert werden, es fehlen aber die Arbeitser-
gebnisse oder Funktionen, welche diese Schritte ausführen.
Ein anderes Beispiel zeigt die weitere Aufspaltung des SCM-Prozesses (siehe
Abb. 2.33). Dieser lässt sich zunächst auf Ebene 1 in die Teilprozesse Order to Cash,

Abb. 2.30 Input-Output-


Modell Grundmodell: Input - Output

Input Prozess Output


2.12 Prozessanalyse 53

Geschäftsprozess Kundenauftragsabwicklung

Ebene 1 Auftrags-
Auftragsdaten- Warenbereit-
eingangs- Fakturierung Versand
erfassung stellung
bearbeitung

Teilprozesse
Zunehmender Detaillierungsgrad

Auftragseingangsbearbeitung
Ebene 2
Auftrags- Auftrags- Auftrags-
prüfung ergänzung freigabe

Teilprozesse
Auftragsprüfung
Ebene 3 Prüfung
Prüfung Prüfung Prüfung
Produkt-
Bonität Preis Termin
angaben

Weitere elementare
Teilverrichtungen
Ebene 4
… … … … …

Abb. 2.31  Prozesshierarchie am Beispiel Kundenauftragsabwicklung

Plan to Produce und Purchase to Pay untergliedern. Die jeweilige Ebene darunter teilt
sich bereits in eine wesentlich höhere Anzahl an operativen Teilprozessen auf. Durch die
Zerlegung in einzelne Prozessabschnitte lassen sich Gesamtprozessketten effektiv ana-
lysieren und auch die Wechselwirkungen zwischen den Prozessschritten untereinander
darstellen, insbesondere wenn dahinter ein integriertes ERP-System steht. Solche Dar-
stellungen dienen der hierarchischen Strukturierung und Zerlegung des Prozesshauses
in Einzelprozesse, um Diskussionen oder Detailanalysen gezielter steuern zu können.
Besteht beispielsweise ein Problem bei der Rechnungsprüfung (Invoice Verification)
oder soll dieser Prozess automatisiert werden, ist klar, welche Prozesse nicht von Rele-
vanz sind, aber welche angrenzenden Prozesse ggf. mit zu untersuchen sind, hier z. B.
einkaufsnahe Prozesse.
Für ausgewählte Prozesse kann es sich als nützlich erweisen, die Aufnahme des
Ablaufs auf der Ebene einzelner Tätigkeiten/Aktivitäten durchzuführen. Hier geht es dann
darum, einen Ablauf Schritt für Schritt zu erfassen. Diese Form der Prozessanalyse ist
auch für Shop-Floor-Prozesse geeignet. Für den Gesamtprozess werden ggf. zusätzlich die
Bearbeitungszeit (BAZ) und Durchlaufzeit (DLZ) abgeschätzt. Die Abbildung der betei-
ligten Stellen, Abteilungen bzw. Schnittstellen entspricht dem gängigen RACI-Modell
bzw. kann bei Bedarf dahin gehend erweitert werden. Abb. 2.34 zeigt ein beispielhaftes
Formblatt, mithilfe dessen einzelne Aktivitäten innerhalb eines Prozesses aufgenommen
werden können. Aus der Addition der BAZ und DLZ lassen sich Plausibilitäten ableiten.
54

Level 1

Kernleistungsprozesse Kundenauftrags-Abwicklung
1 2 3 4
CRM:
Customer- SCM-OtC: SCM-PltP: SCM-PtP:
Relation- Order-to-Customer Plan-to-Production Purchase-to-Pay
Management

Level 2

Teilprozess-CRM

1.1

Offer-Management

Level 3
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.1.7 1.1.8 1.1.9 1.1.10 1.1.11

Entgegen- Spezifi- Angebots-


Beauf- Vertrags-
nahme & zierung Technische Risiko- Vertrags- GO / fertig- Übergabe
tragung Kalkulation verhandl-
Verwaltung Kunden- Prüfung prüfung prüfung NO GO stellung & an SCM
intern ung
von Anfragen anfrage Monitoring

Abb. 2.32  Prozesshierarchie am Beispiel Prozess Customer Relationship Management


2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
2.12 Prozessanalyse 55

Abb. 2.33  Praxisbeispiel Supply Chain Management

Schwierig ist die Darstellung, wenn es Prozessvarianten gibt, weil dann die Darstellung
droht, unübersichtlich zu werden. Zunächst sollte daher die 80 %-Variante aufgenommen
werden, die Ausnahmen sind dann schnell in einer separaten Abbildung ergänzt. Daneben
können weitere Aspekte wie die Systemunterstützung des Prozessschritts oder Anmerkun-
gen zum Ergebnis erfasst werden, um noch mehr Informationen zum Prozess zu doku-
mentieren. Diese Form eignet sich vor allem dann, wenn es darum geht, den Prozess zu
optimieren, also schneller zu machen, zu vereinfachen etc. Anhand eines solchen Prozes-
ses können die typischen Ansätze wie Schritte weglassen, Schritte vereinfachen, Schritte
parallelisieren, Schritte beschleunigen, Schnittstellen reduzieren, Aufgaben anders zuord-
nen etc. diskutiert werden. Mit der gleichen Methodik kann dann ein idealtypischer Soll-
Prozess aufgenommen werden, sodass eine unmittelbare Vergleichbarkeit hergestellt und
bewertet werden kann.
Immer mehr etabliert hat sich die sogenannte Swim-Lane-Darstellung. Sie dient eben-
falls der einfachen Visualisierung von Prozessen, verknüpft aber dabei den Gedanken,
konkrete Schritte aufzuzeigen und gleichzeitig aufzeigen zu wollen, welche Funktionen
oder Abteilungen dabei beteiligt sind. Hierbei werden zunächst die am Prozess beteiligten
Abteilungen definiert und nebeneinander in den Swim-Lanes dargestellt und aufgeführt.
56

Beispiel Detailanalyse Prozesskette

BAZ mit DLZ mit


Rück- Rück- Bemerkung/ IT-System-
Beteiligte Funktionen BAZ sprung DLZ sprung Ergebnis unterstützung

Prozessanforderung
(Ist-Prozess)

In Arbeitstagen
(durchschnittlich)
In Arbeitstagen
(durchschnittlich)

Abteilung 1
Abteilung 2
Abteilung 3
Abteilung 4
Abteilung 5
Abteilung 6
Abteilung 7
Abteilung 8
Abteilung 9
Aufwand pro
Tag
Aufwand pro
Tag
1 Aktivität/Tätigkeit 1

2 Aktivität/Tätigkeit 2
Jeder Prozessschritt kann bei der
Ist-Aufnahme danach bewertet
werden, ob er direkt wertschöpfend,
3 Aktivität/Tätigkeit 3 notwendig, aber nicht wertsteigernd
oder Verschwendung darstellt, wie
4 Aktivität/Tätigkeit 4
z. B. Doppelarbeit.

5 Aktivität/Tätigkeit 5

6 Aktivität/Tätigkeit 6

7 Aktivität/Tätigkeit 7

8 Aktivität/Tätigkeit 8
= Beteiligter
= Treiber
9 Aktivität/Tätigkeit 9

Abb. 2.34  Beispiel Formblatt zur Detailanalyse einer Prozesskette


2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
2.13 Analyse von Durchlaufzeiten 57

Abb. 2.35  Prozessdarstellung im Swim-Lane-Format

Im Anschluss daran werden die einzelnen Prozessschritte chronologisch nach ihrer Ablauf-
reihenfolge eingezeichnet und der jeweiligen Funktion, die diesen Schritt ausführt, zuge-
ordnet. Auch die übertragenen Informationen sowie die genutzten IT-Systeme werden
in der Darstellung nach Möglichkeit dokumentiert. Der Vorteil liegt darin, dass eine gute
Übersicht entsteht, wie viele Stellen beteiligt sind und wie viele Prozessschritte durchlau-
fen werden müssen. Problematisch ist, wie fast immer, die Darstellung von Rücksprün-
gen oder Alternativen, wenn Entscheidungen im Prozess getroffen werden. Dann droht die
Darstellung ihre Übersichtlichkeit einzubüßen. Die Methode eignet sich auch gut für eine
Prozessmodellierung, da beim Einsatz entsprechender Tools sehr schnell übersichtliche Pro-
zessdarstellungen entstehen, die dann diskutiert und optimiert werden können (Abb. 2.35).

2.13 Analyse von Durchlaufzeiten

Analysen von Durchlaufzeiten sind eine elementare Analyse im Rahmen von Pro-
zess- und Organisationsanalysen. Deshalb widmen wir dieser einen eigenen Abschnitt.
Elementar deshalb, weil Durchlaufzeiten sehr viel über die Leistungsfähigkeit von Pro-
zessen und einer Organisation aussagen. Grundsätzlich könnte man die These vertreten,
58 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

je schneller, desto besser. Das trifft natürlich nicht immer zu, es geht oftmals darum,
einen Termin genau zu treffen, beispielsweise einen Liefertermin. Kurze Durchlaufzei-
ten ermöglichen dann kurze Reaktionszeiten und spiegeln sich letztlich in höherer orga-
nisatorischer Flexibilität wider. Flexibilität als Fähigkeit auf sich ändernde Markt- und
Kundenanforderungen einzustellen, hat eine hohe Bedeutung erlangt. Zeiten für die Ent-
wicklung von Produkten bis zur Marktreife können auch als Durchlaufzeiten angesehen
werden. Durchlaufzeiten und Produktivität schließen sich nicht aus, sondern bedingen
einander oftmals. Zu der Frage der Reduzierung und Optimierung von Durchlaufzeiten
gibt es eine Reihe spezifischer Literatur. Hier soll vor allem darauf abgestellt werden,
wie DLZ effizient mithilfe von Systemdaten ermittelt werden können und welche Hin-
weise für die Organisationsgestaltung sich daraus ableiten lassen.

Ziel
Ziel der Messung von Durchlaufzeiten ist es letztlich, zu messen, wie schnell oder termin-
gerecht ein Prozess den gewünschten Output liefert. Dabei ist es notwendig, einen kla-
ren Startpunkt und einen klaren Endpunkt zu definieren. Ein Bestellprozess im Einkauf
beginnt z. B. mit der Anlage einer Bestellung als Beleg und endet mit der Wareneingangs-
buchung, wenn auf das Objekt abgestellt wird, und mit Zahlung der Rechnung, wenn auf
den Wertefluss abgestellt wird. Die DLZ ist dann die Zeit, die ein ausgewählter unterneh-
mensinterner Prozess vom Startpunkt bis zum Endpunkt benötigt (End-to-End-Betrach-
tung). Ziel der Analyse von Durchlaufzeiten von Prozessen ist, die Minimaldurchlaufzeit,
aber auch die Maximaldurchlaufzeit zu ermitteln, und, wenn die Datenbasis groß genug
ist, auch deren Verteilung zu ermitteln. Aus der Minimaldurchlaufzeit kann z. B. ein Ziel
abgeleitet werden. Wenn es in 50 % aller Fälle unter drei Tagen DLZ geht, warum muss
es dann bis zu 15 Tage dauern? Über das Hinterfragen der Ursachen für die Verteilung
können Hinweise auf Defizite oder auch Stärken von Prozessen abgeleitet werden.

Vorgehen Anwendung
Mit der zunehmenden „Elektrifizierung“ von Prozessen über die Einführung von ERP-
Systemen herrscht heutzutage bei vielen mittleren und größeren Unternehmen eine flächen-
deckende Unterstützung der allermeisten Geschäftsprozesse. Diese Systeme können für
die Analyse der Durchlaufzeiten genutzt werden. In der heutigen Praxis erfordern nahezu
alle Prozesse Eingaben in verschiedene IT-Systeme und beinhalten somit die exakten Zei-
ten, die durch das System gespeichert werden. Beispielsweise werden für kaufmännische
Belege wie eine Bestellung, ein Angebot oder einen Kundenauftrag Datumswerte und meist
sogar Uhrzeiten erfasst, sodass bis auf die Sekunde genaue Zeitstempel vorliegen. In der
Regel muss mit Key-Usern, IT- oder Facharchitekten geklärt werden, welche Felder ver-
fügbar sind und ausgewertet werden können. Über eine Datenabfrage können dann meist
sehr zügig Datenbankabzüge als Auswertung gefahren werden. Liegen diese in Tabellen-
form vor, können diese sehr schnell mit Programmen der Tabellenkalkulation ausgewertet
werden. Die Abgrenzung der Daten erfolgt dann meist über einen Datumswert, z. B. für ein
komplettes Geschäftsjahr. Nicht selten kommen Rohdateien mit 20.000 Zeilen und mehr
2.13 Analyse von Durchlaufzeiten 59

zusammen. Die Verarbeitung solcher stellt aber heutzutage kein Problem mehr dar. Über
geeignete Zusatzspalten können sehr schnell die gewünschten Auswertungen erzeugt wer-
den. Besitzt eine Tabelle mit Bestellungen z. B. die Spalten „Anlagedatum Bestellung“ und
„Datum der Wareneingangsbuchung“ zu der Bestellung sowie die Spalte „Lieferant“, kön-
nen sehr schnell die tatsächlichen Lieferzeiten der Lieferanten analysiert werden. Probleme
gibt es dann, wenn eine Bestellmenge in mehreren Teillieferungen geliefert wird; dann
ist zu prüfen, welche Datumswerte zu den Teillieferungen zur Verfügung stehen und wel-
che Aussage dann noch zutrifft. Aber an diesem Beispiel wird deutlich, dass die aus dem
System extrahierten Daten sorgfältig zu hinterfragen sind, bevor die Ergebnisse interpre-
tiert werden können. An dieser Stelle sei auch der Hinweis vermerkt, dass grundsätzlich
DLZ-Daten Rückschlüsse auf die Leistung von einzelnen Mitarbeitern zulassen könnten,
beispielsweise wenn je Beleg auch der Bearbeiter mit ausgewertet wird. Es ist daher vor-
her sicherzustellen, dass Daten anonymisiert abgefragt werden oder entsprechende Geneh-
migungen vorliegen. Stehen keine Systeme für die Auswertung von Daten zur Verfügung,
bleibt nur der Weg, Durchlaufzeiten im Rahmen von Interviews abzuschätzen. Hier sollten
dann Gespräche mit am Prozess beteiligten Mitarbeitern aus den Fachabteilungen geführt
werden, die aufgrund ihrer Erfahrungen eine grobe Einschätzung geben können, was eine
durchschnittliche DLZ für die einzelnen Teilprozessschritte ist. Hier sind einmal mehr ver-
schiedene Sichten zusammenzuführen, eine solche Analyse darf sich nie auf Einzelmeinun-
gen stützen. Oftmals liegen subjektive Einschätzungen mit den objektiven Ergebnissen aus
Systemen weit auseinander.

Ergebnis und Nutzen


Primäres Ergebnis ist die Messung und Transparenz der zeitlichen Dauer eines gewählten
Prozessabschnitts oder einzelner Teilprozessschritte in einer Gesamtprozesskette. Durch
geeignete Benchmarks lassen sich die Werte mit anderen Prozessen vergleichen und
geeignete Soll-Zielwerte ableiten. Die Analyse liefert zunächst die Grundlage zur Inter-
pretation der Leistungsfähigkeit eines Prozesses an die gestellten Anforderungen. Eine
Anforderung könnte sein, dass die Durchlaufzeit für die Erstellung eines Angebots maxi-
mal zwei Arbeitstage betragen soll. Wenn 50 % der Angebote länger brauchen, erfüllt der
Prozess nicht die gestellten Anforderungen. Wenn die Ursachen für die aktuelle Vertei-
lung der Durchlaufzeit verstanden werden, können gezielt Maßnahmen abgeleitet und
diskutiert werden, die geeignet sind, die Durchlaufzeit des Prozesses zu reduzieren. Um
beim Beispiel mit dem Angebot zu bleiben: Liegt eine Ursache darin, dass von einer
Schnittstelle nicht rechtzeitig Informationen geliefert werden, kann diskutiert werden,
wie diese Schnittstelle besser koordiniert werden kann, bis hin zu ihrer Auflösung.
Im dargestellten Beispiel in Abb. 2.36 der Analyse der projektbasierten Kundenauf-
träge zeigt sich die Verteilung der Durchlaufzeiten auf Basis des Kundenwunschtermins.
Es wird deutlich, dass die Kunden die Tendenz zu kurzen Lieferterminen haben, es aber
sehr wohl auch welche gibt, die über ein Jahr im Voraus bestellen. Entscheidend ist es,
den Termin dann zu treffen. Gerade bei langen vereinbarten Lieferzeiten ist das Risiko
groß, dass der Termin sich noch einmal ändert. Darauf muss die Organisation reagieren
60 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Durchlaufzeit Kundenaufträge in Tagen (d)

Anzahl

12 120%
10 100%
10 100%
94% 96%
91% 93%
8
8 80% 80%
76%
6 69% 6
6 5 5 60%
50% 4
4 3 40%
35%
26% 2 2
2 1 1 1 20%
15%
9%
0 0%

Durchlaufzeit (d)

= Anzahl Aufträge = kumulierte Anzahl

Abb. 2.36  Beispiel Analyse von Durchlaufzeiten

können. Es geht also um Flexibilität im Sinne von Reaktionsfähigkeit. Es zeigt auch,


dass, wenn der Gesamtprozess betrachtet wird, nicht zwingend kurze Durchlaufzeiten
zum Erfolg führen, sondern dass es vielmehr dann darum geht, den Termin zu treffen.
Dazu werden bei ausgewählten Prozessen kurze Durchlaufzeiten benötigt, beispielsweise
bei der Umplanung.
Das folgende Beispiel untersucht die Häufigkeit der Einbindungen verschiedener
Abteilungen in einem Unternehmen. Die Häufigkeit der Einbindung von einzelnen Funk-
tionen und die reine Anzahl von unterschiedlichen Fachbereichen, die an einem Prozess
beteiligt sind, lassen Rückschlüsse auf die Durchlaufzeit eines Prozesses zu.
Hier sind die Funktionen Einkauf und der Kostenstellenverantwortliche am häufigsten im
Prozess involviert. In einer Detailanalyse kann dann die Durchlaufzeit dieser Abteilungen
genauer analysiert werden. Anhand der Analyse der Häufigkeit der Einbindung der unter-
schiedlichen Funktionen lassen sich weitere Rückschlüsse über die Komplexität des Pro-
zesses und über mögliche Reduktionspotenziale der Einbindungsfrequenz ziehen. Es macht
einen Unterschied, ob ein Prozess über zwei Abteilungen läuft oder über sechs. Das zeigt
Abb. 2.37 nicht direkt.
Im Praxisbeispiel in Abb. 2.38 werden rund 75 % der Bestellungen innerhalb von
25 h durch den Einkauf bearbeitet. Einzelne Ausreißer, wie zum Teil auch hier vorhan-
den, können unterschiedliche Gründe haben. Diese wären für ausgewählte Fälle näher
zu untersuchen. In der Regel weisen solche Ausreißer auf einen erhöhten Abstimmungs-
bedarf oder Klärungen außerhalb des untersuchten Prozesses innerhalb der Organisation
2.13 Analyse von Durchlaufzeiten 61

Beispiel Häufigkeit Einbindung Schnittstellen

Funktion/Rolle
Einkauf 12.287

Kostenverantwortung 7.162

Controlling 3.968

Funktion/Rolle 4 3.533

Funktion/Rolle 5 2.930

Funktion/Rolle 6 1.302

Funktion/Rolle 7 1.005

Funktion/Rolle 8 572

Funktion/Rolle 9 1.174

- 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000

Anzahl

Abb. 2.37  Praxisbeispiel Häufigkeit Schnittstelleneinbindung

Durchlaufzeit der Funktion Einkauf in Stunden (h)

Anzahl Anzahl Bestellungen


7000
6092
6000
75%
5000

4000

3000

2000 1660
1261 1100
1000
425 284 375 250 357
53 56 175 57 7 117
-
0-5 5-10 10-15 15-20 20-25 25-30 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 65-70 70-75 >75
Durchlaufzeit (h)

Abb. 2.38  Durchlaufzeiten Einkaufsfunktion


62 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

hin. Hier sind es beispielsweise die konkreten Bedarfsanforderungen bei der Bestellung
von Nichtproduktionsmaterial. Hier kann der Einkauf nachweisen, dass, wenn Bestel-
lungen lange DLZ haben, es nicht am Einkauf liegt, weil dort Vorgänge liegen bleiben,
sondern an der Vielzahl anderer eingebundener Stellen oder an unklaren Bedarfsanforde-
rungen. Bei der Analyse der Durchlaufzeiten steht also am Anfang immer die Hypothese,
dass die DLZ zu lang oder falsch verteilt sind. Über die Analyse der Durchlaufzeiten
kann diese dann bestätigt oder widerlegt werden. Nicht zwingend sind kurze Durchlauf-
zeiten das primäre Ziel. Prozesse, die Kunden direkt betreffen und durch den Kunden
angestoßen werden, müssen an den Erwartungen des Kunden ausgerichtet sein. Während
im Falle einer Reklamation eine schnelle erste Rückmeldung oft zunächst ausreicht, wird
bei einer Ersatzteillieferung meist ein schneller Prozess erwartet. Bei einer Bestellung
auf Termin wird die Einhaltung des Termins gefordert.

2.14 Analyse Wert- und Mengengerüste (Kosten, Umsatz,


Entwicklungen)

Wert- und Mengengerüste stellen zentrale Analysen im Rahmen eines Organisations-


projekts dar. Sie stellen auch kein Tool im engeren Sinne dar, dafür ist die Vielfalt der
möglichen Analysen zu groß. Dennoch lassen sich vier grundsätzliche Kategorien unter-
scheiden: Personalkennzahlen, Mengengerüste, Wertgerüste und Kennzahlen. Bei den
Personalkennzahlen steht die Analyse der Personalkapazität (FTE und Headcount) im
Vordergrund. Hinzu können weitere Analysen kommen, wie z. B. die Fragen: Wie groß
ist der Overhead? Welche Qualifikation besitzen die Mitarbeiter? etc. (siehe auch Glie-
derungspunkt Abschn. 2.9 Stellenanalyse). Mengengerüste sind vor allem Absatz- und
Produktionsmengen sowie Wertgerüste zu Aufträgen oder Bestellungen. Bei spezi-
fischen Fragestellungen gehören dazu auch solche wie beispielsweise die Anzahl an
Reklamationen, die Anzahl der Entwicklungsprojekte, die Anzahl an Rechnungen etc.,
je nach Untersuchungsbereich und Fragestellung – es können hier nicht alle denkbaren
Fälle aufgezeigt werden. Eine weitere Kategorie sind Wertgerüste. Dazu gehören z. B.
Umsatzzahlen je Land, Produkt, Segment, Bestellvolumina, die Kostenstruktur nach den
Kostenarten Personal, Material, sonstige betriebliche Aufwendungen und Abschreibun-
gen. Eine letzte Kategorie stellen verfügbare Kennzahlen dar, wie z. B. finanzwirtschaft-
liche Kennzahlen zu Ergebnis und Ertrag oder eingesetztem Kapital und den daraus
ableitbaren Kennzahlen. Ein Erkenntnisgewinn lässt sich in der Regel dann ableiten,
wenn die Korrelationen zwischen ermittelten Kategorien hergestellt werden können –
etwa wenn die Anzahl der Bestellungen für indirektes Material vom Wert kaum ins
Gewicht fällt, aber einen Großteil der Anzahl der Bestellungen ausmacht. Oder wenn der
Umsatz und die Anzahl der Aufträge steigen, während die Personalausstattung im glei-
chen Zeitraum quasi konstant ist.
2.14 Analyse Wert- und Mengengerüste (Kosten, Umsatz, Entwicklungen) 63

Ziel
Ziel ist eine Quantifizierung und Einordnung der Dimensionierung von Funktionen
anhand der Unternehmensgröße und der existierenden Wert- und Mengengerüste (Ist-
Werte) bezogen auf einen spezifischen Zeitraum (z. B. operatives Geschäftsjahr). Aus
der Bildung von Korrelationen zwischen den verschiedenen Dimensionen sollen Verwer-
fungen oder Handlungsbedarfe abgeleitet werden können. Oft dienen Wert- und Men-
gengerüste auch der Einordnung von Fragestellungen. Wenn sich z. B. herausstellt, dass
20 % der Bestellungen außerhalb des Systems erfolgen und somit bei der automatisierten
Rechnungsprüfung Probleme machen, ist Handlungsbedarf gegeben. Der Wert kann aber
nicht beliebig gesenkt werden, weil es immer einen Residualanteil an Rechnungen geben
wird, für die keine Bestellungen vorliegen, z. B. Rechnungen von Versorgungsunterneh-
men, Behörden usw.

Vorgehen Anwendung
Typischerweise ist eine der ersten Anlaufstellen das Controlling in einem Unternehmen.
Zur Erklärung und Plausibilisierung sind die Fachabteilungen hinzuzuziehen, etwa wenn
es um das Mengengerüst von Aufträgen geht, die Auftragsabwicklung, bei Bestellungen
der Einkauf usw. Ähnlich wie bei der Analyse von Durchlaufzeiten können heutzutage
vielfach Analysen aus den ERP-Systemen extrahiert werden, oder es kann sogar auf das
bestehende Berichtswesen zurückgegriffen werden. Soweit eigens angefertigte Daten-
bankabfragen erfolgen sollen, müssen die Datenfelder und deren erwarteter Inhalt vorher
genau beschrieben werden. Es muss abgeglichen werden, wie die Datenfelder im System
heißen und welches Datenformat die Werte haben. Typischerweise erfolgt die Analyse
eines kompletten Geschäftsjahres oder eines gut abgrenzbaren 12-Monatszeitraums. Lie-
gen die Daten in Tabellenform vor, sind zunächst Plausibilitäten zu überprüfen. Dabei
ist es sinnvoll, wirklich die Rohdaten auszuwerten und nicht durch zusätzliche Filter
reduzierte Tabellen zu bearbeiten. Gerade der Ausschluss von Ausnahmen oder Exoten
kann zusätzliche Erkenntnisse bringen. Oftmals ist es sinnvoll, Zusatzspalten zu definie-
ren, um Daten zu clustern. Liegt z. B. ein Regionen- oder Produktschlüssel vor, können
Wert- und Mengengerüste von z. B. Auftragsdaten nach diesen Schlüsseln ausgewertet
werden. Liegen Auswertungen dazu vor, sind die Ergebnisse im Rahmen von Interviews
mit Fachabteilungen zu interpretieren und erneut zu plausibilisieren. Mögliche Ursachen
müssen hinterfragt und verstanden werden. Es kommt nicht selten vor, dass solche Aus-
wertungen wiederholt durchgeführt werden müssen, weil Fehler in der Datenbasis ent-
deckt werden, z. B. Daten fehlen oder doppelt gezählt werden.

Ergebnis und Nutzen


Ergebnis und Nutzen ist eine Objektivierung anhand von Zahlen, Daten und Fakten.
Formulierte Thesen können dann bestätigt oder verworfen werden. Zudem können mit-
tels Vergleichen von Daten über mehrere Folgejahre Tendenzen in der Entwicklung der
einzelnen Untersuchungsgrößen aufgezeigt werden. Ursachen müssen im Rahmen von
Interviews abgefragt, zusammengetragen und systematisiert werden. Wert- und Mengen-
64 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Personalzahlen Mengengerüste

FTE Absatzmengen
Headcount Produktionsmengen
Direkt/indirekt Bestände (Wert, Umschlag, …)
Qualifikation Anzahl Aufträge, Bestellungen, …
Analyse
Wert- und
Mengen-
Umsatzentwicklung gerüste Return on Capital Employed
(ROCE)
Kostenentwicklung
Working Capital
Gewinnentwicklung/DB-Entwicklung
Economic Value Added (EVA)
Working Capital, ...

Wertgerüste Kennzahlen

Abb. 2.39  Kennzahlenanalyse Wert- und Mengengerüste

gerüste bilden dann die Grundlage von Potenzialabschätzungen sowie später die Basis
oder Referenz zur Messung von Veränderungen. Insoweit kommt der Analyse von diesen
Basisdaten eine zentrale Bedeutung zu (Abb. 2.39).
Die dargestellten Unternehmenswerte zeigen eine Auswahl an möglichen Analyse-
punkten. Je nach spezifischer Fragestellung kann die Einbeziehung von weiteren Indika-
toren für die grundlegende Analyse sinnvoll sein.
Im folgenden Fallbeispiel wird das Beschaffungsvolumen eines Unternehmens näher
betrachtet (Abb. 2.40). Zunächst werden die unterschiedlichen Rechnungen, die ein
Unternehmen erhält, mengen- und wertmäßig analysiert. Hierbei wird in Rechnungen
unterschieden, die keinen Bestellbezug haben, sowie Rechnungen, für die im ERP-Sys-
tem eine Bestellung vorliegt. Das Problem war hier, dass Rechnungen, auf welchen die
Bestellnummer fehlt, bei der automatischen Rechnungsprüfung in eine Sperre laufen und
nur mit manuellem Zusatzaufwand freigegeben werden können. Aus einer detaillierten
Analyse von Rechnungen ohne Bestellbezug (z. B. wer sind die Besteller, welche Liefe-
ranten stehen dahinter) konnte abgeleitet werden, welche Ansatzpunkte bestehen, um den
Anteil der Rechnungen mit Bestellbezug zu erhöhen und damit den manuellen Zusatz-
aufwand zu senken und in der Konsequenz die Prozesse zu beschleunigen.

2.15 SWOT-Analyse

Der Begriff SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats – über-
setzt Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen bzw. Risiken. Die SWOT-Analyse
ist eine ergänzende Analyse, insbesondere im Rahmen der strategischen Unternehmens-
planung. Es ist im Rahmen von Organisationsentwicklungsprojekten vor allem dann
2.15 SWOT-Analyse 65

Beispiel Verteilung Rechnungsarten nach Bestellbezug

100%
100%
25%

75%

Summe Rechnungen Rechnungen


ohne Bestellbezug mit Bestellbezug

Abb. 2.40  Praxisbeispiel Verteilung Rechnungsarten nach Bestellbezug

sinnvoll, diese anzuwenden, wenn eigenständige Unternehmenseinheiten mit eigenem


Marktzugang in einem darüber angesiedelten Projekt analysiert werden sollen. Dann
reicht eine allein auf Prozesse und Aufbauorganisation gerichtete Sichtweise nicht aus,
um die jeweilige Aufstellung verstehen zu können. Vielfach ergeben sich vor allem aus
der expliziten Nachfrage nach Chancen und Schwächen Ansatzpunkte, nach welchen
Designkriterien eine Organisation ausgerichtet werden sollte.

Ziel
Ziel einer SWOT-Analyse im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprojekts ist
es, eine ganzheitlichere Sicht auf eine Unternehmenseinheit zu erlangen und vor allem
auch zunächst nicht quantifizierbare Aspekte in den genannten vier Dimensionen mit
aufzunehmen. Werden mehrere Interviewpartner befragt, zeigt sich eine Bandbreite der
genannten Themen, aber auch zu welchen Mehrfachnennungen erfolgen, also ein Ein-
druck nicht eine Einzelmeinung darstellt, sondern von vielen Entscheidern gleich bewer-
tet wird. Sie ermöglicht damit eine Verstärkung der unternehmerischen und strategischen
Aspekte bei der Organisationsentwicklung.

Vorgehen und Anwendung


In der Regel erfolgt auch hier die Sammlung und Verdichtung von unternehmenseige-
nen Stärken, Schwächen sowie extern geprägten Chancen und Risiken mittels struktu-
rierter Interviews mit Führungskräften und Entscheidern des Unternehmens. Liegen aus
den Interviews die Einzelergebnisse vor, werden diese zu einer aggregierten Gesamtsicht
66 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

verdichtet. Hierbei erfolgt eine Priorisierung der Themen. Soweit aus den Interviews
Hinweise zu weiteren Analysen kommen, ist zu entscheiden, ob diese ergänzend durch-
geführt werden. Insoweit ist es sinnvoll, eine SWOT-Analyse in die Mitte der Analyse-
phase zu stellen. Zum einen bestehen dann beim Interviewer schon Kenntnisse über die
Strukturen und Abläufe, und er kann die Beiträge zur SWOT-Analyse besser einordnen
und einschätzen, zum anderen bleibt noch Zeit, um Hinweisen nachzugehen. Neben
den Interviews können bei der Konsolidierung der SWOT weitere Analysen zu externen
Marktkräften und Entwicklungen als Information herangezogen werden. Für jedes der
vier Felder können im folgenden Schritt spezifische Hinweise oder Maßnahmen abgelei-
tet werden, die zur weiteren Verbesserung der Unternehmensorganisation geeignet sind.
Davon sind die für die sonstigen relevanten Aspekte oder Hinweise, wie z. B. auf das
Produktportfolio, Entwicklungsausgaben etc. zu trennen.

Ergebnis und Nutzen


Die SWOT ermöglicht das Zusammenführen der unternehmensinternen Abläufe und
Strukturen, die in den Stärken und Schwächen abgebildet werden, mit den externen Rah-
menbedingen wie Markt, Umwelt oder den politischen Rahmenbedingungen etc., die in
den Chancen und Bedrohungen in der Analyse abgebildet werden. Eine SWOT-Analyse
liefert Hinweise für Leitlinien, an welchen die Organisation ausgerichtet werden kann,
und unterstützt damit die Formulierung und Entwicklung von Organisationsalternativen
(vgl. Kerth et al. 2011, S. 168). Als konsolidiertes Ergebnis von Einzelinterviews stellt
sie eine kompakte Darstellung der spezifischen Stärken und Schwächen eines Unter-
nehmens sowie den durch externe Faktoren bestimmten Dimensionen Chancen und
Bedrohungen in einem Portfolio zur Verfügung. Sie kann darüber Eingang in den Pla-
nungszyklus der strategischen Unternehmensplanung finden (siehe Abb. 2.41).
In einer umfassenderen bzw. erweiterten Version der SWOT-Analyse können die
Ergebnisse von weiteren Analysen zur Bestimmung der unternehmensinternen Faktoren
und der unternehmensexternen Faktoren herangezogen werden.
Im Rahmen einer erweiterten SWOT-Analyse erfolgt zunächst ein systematischer
Vergleich der unternehmenseigenen Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses)
des Unternehmens im Verhältnis zu branchengleichen Wettbewerbern. Diese Informati-
onen werden in der Regel durch Interviews mit den Führungskräften des Unternehmens
gewonnen. Unter Umständen können auch Branchenbenchmarks verwendet werden. Zu
spezifischen Stärken können beispielsweise ein umfassendes Produktportfolio, Techno-
logieführerschaft, laufende Patente, Kostenführerschaft, hohe Marktanteile oder eine
gewisse Unternehmensgröße gezählt werden.
Strategische Schwächen können beispielsweise hohe Kosten (z. B. bezogen auf
den Produktionsstandort), ein geringer Marktanteil, ein geringes Marktwachstum in
Geschäftsfeldern, aber auch eine hohe Abhängigkeit von Lieferanten oder Entwicklungs-
partnern sein. Darüber hinaus können aber auch Kriterien wie ein begrenzter Zugang zu
Kapitalmärkten als Schwäche angesehen werden.
2.15

Stärken/Strengths Schwächen/Weaknesses
SWOT-Analyse

ABC-Analyse
Spezifische Stärken des Konkrete Schwächen des
Lebenszyklusanalyse Unternehmens, wie Unternehmens, wie
Kostenstrukturanalyse beispielsweise beispielweise geringe
Technologieführerschaft, Flexibilität, hohe Umweltanalyse
Zufriedenheitsanalyse
Innovationsfähigkeit, Abhängigkeit von
Unternehmenskultur- Kostenführerschaft Lieferanten, geringe Zielgruppenanalyse
analyse Marktanteile Konkurrenzanalyse
Kernkompetenzanalyse Substitutionsanalyse
7S-Modell Stakeholder-Analyse
Wertkettenanalyse Chancen/Opportunities Risiken/Threats Benchmarking
Marktwachstums- Branchenstruktur-
Marktanteils-Portfolio- Neue Chancen, wie neue Mögliche Risiken, wie analyse
analyse Geschäftsfelder oder beispielsweise neue
Eintrittsmöglichkeiten in Markteinsteiger, …
Branchenattraktivität-
Wettbewerbsstärken- neue Märkte, Expansion, Änderungen in der
Portfolioanalyse Fusionen oder strategische Gesetzgebung
Partnerschaften etc.

Abb. 2.41  SWOT-Analyse. (Quelle: In Anlehnung an Kerth et al. 2011, S. 169)


67
68 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse

Die Analyse der Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) bilden weitere
Untersuchungskriterien, die im Rahmen der Analyse betrachtet werden. Chancen stellen
beispielsweise die mögliche Erschließung von neuen Geschäftsfeldern oder neuen Märk-
ten, neue innovative Produkte, Technologien und Lösungen oder auch strategische Part-
nerschaften dar. Auch mögliche Akquisitionen von strategisch relevanten Unternehmen
oder Wettbewerbern stellen klassische Chancen dar.
Risiken sind beispielsweise Eintritte von neuen (branchenfremden) Wettbewerbern in den
Markt oder Änderungen in der geltenden Gesetzeslage. Auch eine politische Destabilisierung
in Ländern und Märkten, in denen das Unternehmen agiert, oder starke Währungsschwan-
kungen können als Risiko eingestuft werden.
Eine erweiterte SWOT-Analyse kann in der Regel über Interviews mit Führungskräf-
ten und operativen Mitarbeitern aus ausgewählten Fachabteilungen (wie beispielsweise
aus den Bereichen Forschung & Entwicklung, Market Intelligence, Vertrieb etc.) erstellt
werden (vgl. Kerth et al. 2011 S. 168 f.). Die Basis der Informationen bilden die gesam-
melten und aggregierten Erfahrungswerte der Interviewpartner. Da diese Sicht unter
Umständen stark intern geprägt ist, bietet es sich an, die Dimensionen der SWOT-Ana-
lyse mit Ergebnissen von weiteren Analysen zu ergänzen. Hierfür könnten u. a. folgende
Analysen herangezogen werden: Konkurrenzanalyse, Benchmarking oder eine Analyse
der Kostenstruktur.

Literatur

Hofbauer G, Hellwig C (2005) Professionelles Vertriebsmanagement – Der prozessorientierte


Ansatz aus Anbieter- und Beschaffersicht. Publicis Corporate Publishing, Erlangen
Kerth K, Asum H, Stich V (2011) Die besten Strategietools in der Praxis – Welche Werkzeuge
brauche ich wann? Wie wende ich sie an? Wo liegen die Grenzen? Hanser, München
Nagel R (2014) Organisationsdesign – Modelle und Methoden für Berater und Entscheider. Schäf-
fer-Poeschel, Stuttgart
Schiersmann C, Thiel H-U (2014) Organisationsentwicklung – Prinzipien und Strategien von Ver-
änderungsprozessen. Springer, Wiesbaden
Schreyögg G (2008) Organisation – Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Gabler, Berlin
Siebenbrock H (2016) Grundlagen der Organisationsgestaltung und -entwicklung. Niederle Media,
Altenberge
Simon H, Gathen A von der (2002) Das große Handbuch der Strategieinstrumente – Werkzeuge für
eine erfolgreiche Unternehmensführung. Campus, Frankfurt
Entwicklung und Beschreibung
der Soll-Organisation 3

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Vorgehen zur Entwicklung und Beschreibung
der angestrebten Soll-Organisation im Rahmen von Organisationsentwicklungsprojekten.
Ist es im Rahmen der Problematisierung und Analyse gelungen, Verbesserungspotenziale
aufzuzeigen, stellt sich die Frage, wie die Organisation künftig ausgerichtet werden soll.
Der Weg von einer Problemstruktur zu einer Lösungsstruktur wird oft unterschätzt und
stellt einen wichtigen Schritt im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprojektes dar.
Zunächst erscheint es sinnvoll, sich klar zu machen, welche Dimension die Veränderung
hat.

3.1 Dimensionen der Veränderung

Der Umfang der Veränderung im Rahmen eines Projektes zur Organisationsentwicklung


kann anhand der Dimensionen Grad der Veränderung und „Scope“ = Umfang der Verän-
derung klassifiziert werden. Aus der Kombination der beiden Kriterien spannt sich eine
Vierfeldermatrix auf. Von einer gezielten Optimierung kann gesprochen werden, wenn
der Grad der Veränderung gering ist und der Scope eng gefasst ist. Beispielsweise eine
Design-Abteilung führt ein neues Tool ein, welches keine Schnittstellen zu anderen Sys-
temen oder Abteilungen hat, oder die Neubesetzung einer Führungs- oder Fachfunktion.
Ist dagegen der Grad der Veränderung groß, es werden neue Prozesse und Organisati-
onsstrukturen geschaffen, kommt das eher einer konsequenten Neuausrichtung oder
einem konsequentem Neuaufbau gleich. Als Beispiel kann hier angesehen werden,
wenn eine neue Abteilung geschaffen wird, um z. B. ein neues, im Aufbau befindliches
Geschäftsfeld konsequenter zu adressieren. Ist der Scope der Veränderung groß, bei-
spielsweise über mehrere Abteilungen hinweg, handelt es sich entweder um eine umfas-
sende Weiterentwicklung, wenn beispielsweise der Zuschnitt der Aufgaben zwischen

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 69


S. Schifferer und B. von Reitzenstein, Tools und Instrumente der
Organisationsentwicklung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55560-6_3
70 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Abteilungen oder Geschäftsfeldern neu gezogen werden oder z. B. ein integriertes ERP-
System eingeführt wird. Von einer radikalen Transformation kann gesprochen wer-
den, wenn buchstäblich kein Stein auf dem anderen bleibt. Dies ist der Fall, wenn ganze
Unternehmensteile wegfallen, wenn z. B. Märkte oder Produkte aufgegeben werden,
wenn der Grad der Wertschöpfungstiefe sich sprunghaft verändert, beispielsweise beim
Outsourcing von betrieblichen Funktionen. Der geneigte Leser wird sich fragen, warum
ist das wichtig zu wissen oder zumindest grob einzuordnen, welcher Typ der Organisa-
tionsveränderung vorliegt. Generell kann davon ausgegangen werden, dass, je umfang-
reicher das Vorhaben der Organisationsveränderung ist, desto mehr Ressourcen wird das
Projekt benötigen und desto formaler wird die Projektbeschreibung ausfallen müssen. Je
umfangreicher die Veränderung, desto mehr Aspekte oder Dimensionen der Veränderung
müssen in Betracht gezogen werden, desto mehr Interessengruppen sind vom Ergebnis
betroffen und folglich einzubeziehen (Abb. 3.1).
Der Grad der Veränderung kann systematisch anhand der Dimensionen der Verände-
rung beschrieben werden (Abb. 3.2). Die vier Hauptdimensionen für Organisationsver-
änderungen sind vor allem die formale Aufbauorganisation, die Prozesse und Abläufe,
die Zuweisung der Verantwortung und Berichtslinien sowie die Systemlandschaft. Hinzu
kommen die Aspekte der Kommunikation, einer geeigneten Transformation im Sinne
eines Change Managements von einem Zustand A zu einem Zustand B sowie die legale
Struktur der betroffenen Organisationseinheiten. In allen genannten Dimensionen kön-
nen Veränderungen parallel im Rahmen einer Organisationsentwicklung auftreten.

Umfang der Veränderung

„Konsequente
„Radikale
hoch Neuausrichtung
Transformation“
oder -aufbau“

Grad der
Veränderung

„Gezielte „Umfassende
gering
Optimierung“ Weiterentwicklung“

klein groß

Scope Veränderung

Abb. 3.1  Typisierung von Organisationsveränderungen


3.1 Dimensionen der Veränderung 71

Aufbauorganisation Hierzu zählen dann vor allem Zuschnitte und die Segmentierun-
gen bzw. Subsegmentierungen der Organisationseinheiten, die Funktionsabgrenzung
bzw. Bildung von Organisationseinheiten, die Besetzung und Benennung der Schlüs-
selpersonen, die Aufgaben und Funktionen, die gebildet werden und der notwendige
Personaltransfer, der hierfür notwendig ist. Dieser Begriff ist nicht zu verwechseln mit
dem Thema Transformation. Transfer beschreibt im einfachsten Fall die Umwidmung
von Personen von einer bestehenden Organisationseinheit in eine andere, während der
Betreff Transformation doch alle relevanten Veränderungen in allen Dimensionen mit
einschließt.

Prozesse und Abläufe Veränderungen in Prozessen und Abläufen können ganz allge-
mein alle Parameter betreffen, die einen Prozess ausmachen. Am Anfang steht die Pro-
zesstypologie bzw. Unterscheidung von Prozesshierarchien und -varianten. Wird für
einen einzelnen Prozess das Input-Output-Modell zugrunde gelegt, sind dies die Ein-
gangsgrößen, die Schritte innerhalb eines Prozesses und das Ergebnis aus dem Prozess,
z. B. ein Angebot oder ein Auftragspapier etc. Hinzu kommt, wer die Prozessschritte
ausführt und welche Systeme oder Tools zur Unterstützung eingesetzt werden. Gerade
bei der Frage, wer für die Ausführung der einzelnen Prozessschritte verantwortlich ist,
zeigt sich die Kopplung zu der Aufbauorganisation.

Verantwortung und Reporting Oft werden in internen Mitteilungen zu Organisations-


und Personalveränderungen gerade die Berichtslinien dargestellt. „Herr Müller berichtet
künftig in seiner neuen Funktion als Leiter des Einkaufs an Herrn Mayer, COO“. Damit
wird schnell deutlich, welche hierarchische Stellung Herr Müller künftig einnimmt.
Oft wird im Rahmen von innerbetrieblichen Kommunikation auch zusätzlich der Ver-
antwortungsumfang dargestellt. „Er verantwortet den Einkauf für direktes Material der
Gesellschaften A, B und C.“ Welche konkreten Inhalte berichtet werden, ist meist nicht
Gegenstand von Meldungen zu Organisationsveränderungen. Vielmehr wird das im Rah-
men von Zielvereinbarungen bilateral besprochen. Diese leiten sich aus den Zielen der
Strategie und des Unternehmens ab.

Systemlandschaft Eine nicht mehr wegzudenkende Dimension der Veränderung ist die
der Systemlandschaft. Mit der hochgradigen Unterstützung von Prozessen durch IT-Sys-
teme zieht eine Organisationsveränderung auch immer die Anpassung von IT-System-
landschaften nach sich. Diese haben – hier am Beispiel des Systems SAP – ebenfalls
eine hierarchische Struktur, die über das Unternehmen gelegt wird. Angefangen von
Mandanten, Buchungskreisen, Vertriebs- und Verkaufsorganisationen, Werken, Lageror-
ten etc. gibt es eine Vielzahl von Strukturelementen der Systeme, die an die jeweilige
Aufbauorganisation angepasst und zugeschnitten werden. Jede Anpassung kann Cus-
tomizing-, Programmier-, Test- und Schulungsaufwand nach sich ziehen, verursacht
zusätzliche Kosten und beansprucht Zeit für die Umsetzung.
72 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Transformation Unter Transformation ist der Weg zu verstehen, den eine Organisation
von einem Zustand A (Ist) in einen Zustand B (Soll) überführt. Organisationsveränderun-
gen passieren nicht von heute auf morgen. Vielmehr sind zahlreiche Schritte zu durchlau-
fen, bis eine Organisation den angestrebten Soll-Zustand erreicht. Typischerweise erfolgt
die Transformation über ein Projekt. Innerhalb des Projektes werden die verschiedenen
Arbeitspakete und Maßnahmen definiert, die umzusetzen sind. Das Projekt hat dabei alle
Merkmale wie ein beliebiges anderes Projekt. Mindestens sollte für das Organisations-
entwicklungsprojekt vorliegen, welches Ziel verfolgt wird, wie das Vorgehen ist, welcher
Zeitplan angesetzt wird und wie sich die Projektorganisation darstellt.

Kommunikation Es befassen sich ganze Bücher nur mit dem Thema Change Manage-
ment (vgl. u. a. Doppler und Lauterburg 2014). Aus Sicht der Autoren wird das Thema
bei einfachen Optimierungen dennoch meist überschätzt, weil oft ein breiter Konsens
zu erzielen ist, wenn das Neue offensichtlich besser ist als das Alte. Anders sieht es bei
radikalen Transformationen aus. Hier wird nicht selten ein Teil der betroffenen Mitar-
beiter abgehängt oder gar nicht einbezogen. Kommunikation ist aber unerlässlich, zu
jedem Zeitpunkt des Projekts und mit spezifischen Inhalten an die jeweiligen Interes-
sengruppen. Das kann während eines Projekts erhebliche Ressourcen beanspruchen, alle
Interessengruppen (z. B. Geschäftsführung, Gewerkschaft, Führungskräfte, Betroffene,
Belegschaft etc.) zeitnah mit den richtigen Inhalten zu informieren.

Zuschnitte und Sub- Segmentierung Prozesse in


segmentierung indirekten Funktionen
Funktionsabgrenzung Harmonisierung vs.
Differenzierung
Schlüssel- Prozesse
personen
Best-Practice-
Transfer Aufbau- Prozesse Prozesse
organisation & Abläufe
Kommunikation

Transformation

legale Struktur
Verantwortung System-
& Reporting landschaft Anzahl ver-
Zuordnung schiedener
der Umsatz-, Systeme
Kosten- und
Ergebnis- Harmonisierung
verantwortung Tools

Kennzahlen und Reporting Grad der Systemunter-


stützung

Abb. 3.2  Dimensionen der Veränderung


3.1 Dimensionen der Veränderung 73

Legale Struktur Nicht zuletzt muss klar sein, welche Gesellschaften Teil der geplan-
ten Veränderung sind, ob etwa neue Gesellschaften hinzukommen oder andere wegfallen
und ob es Abhängigkeiten zwischen Gesellschaften gibt, etwa bei der Frage von Ver-
rechnungspreisen, Logistikströmen etc. Hieraus können dann weitere Handlungsfelder
entstehen, etwa die rechtliche Entflechtung, steuerliche Themen, Personalübergang, mar-
kenrechtliche Fragestellungen usw.
Im Rahmen der Planung einer Organisationsentwicklung ist es sinnvoll, geplante
Veränderungen oder Zielsetzungen entlang der betroffenen Dimensionen frühzeitig
zu formulieren. Im zuständigen Entscheidergremium soll weitgehend Konsens darüber
bestehen, in welche Richtung die Veränderungen gehen. Abb. 3.3 zeigt, wie das exem-
plarisch aussehen kann. Hier zeigt sich dann schnell, ob ein gemeinsames Verständnis
herrscht, oder ob einzelne Punkte kontrovers diskutiert werden. Dann muss eine Formu-
lierung gefunden werden, die noch keine endgültige Richtung vorgibt und noch Raum
für Alternativen lässt. Für Außenstehende sind dann solche politischen Formulierungen
meist zu „weich“ oder nicht nachvollziehbar. Gerade am Anfang eines Projektes ist der
Erklärungsbedarf, warum es das Projekt gibt und warum dieses Vorgehen gewählt wurde,
hoch.

Organisation Systeme Abläufe

Eingliederung der Vereinfachung Verringerung der


Funktion Planung in die Systemnutzung durch Planungskomplexität
xy-Organisation, um die Reduktion Eingaben durch Reduktion der
Kongruenz zwischen Anzahl erforderlicher
Schaffung von
Kompetenz und Pläne
Transparenz durch
Verantwortung für
Nutzung Standardreports Flexibilität des Planungs-
Termintreue und Kosten
ansatzes durch
zu schaffen Einführung Tool/Modul
Unterscheidung Grob-
zur Unterstützung der
Zuordnung der Funktion und Feinplanung
Kalkulation von
xy in die Produktion, um
Angeboten Reduktion der
eine klare Verantwortung
Abwicklungsvarianten für
für Effizienz in die Einführung
Aufträge durch
Produktion zu legen Ausschreibungsplattform
Typisierung und
Verstärkte Ausprägung Standardisierung
des operativen Einkaufs
für direktes Material
Aufbau einer Funktions-
und Projektmatrix zur
Abwicklung von Projekten

Abb. 3.3  Grundlegende Ansatzpunkte nach Gestaltungsfeldern


74 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Ein anderes Konzept zur Beschreibung der Dimensionen der Veränderung ist das
sogenannte 7-S-Konzept. Es wurde erstmals von McKinsey entwickelt (vgl. Kerth et al.
2011, S. 64). Ausgehend von der Strategie werden sechs weitere Gestaltungsebenen
definiert. Diese können auch als Erfolgsfaktoren angesehen werden, sofern deren Aus-
prägung messbar gemacht wird. Danach hat eine Struktur neben harten Faktoren auch
weiche Faktoren, welche die Organisation beschreiben und von denen der Unterneh-
menserfolg abhängt. Zu den harten Faktoren zählen die Strategie, die Struktur und die
Systeme. Sie bestimmen die Effektivität und Effizienz eines Unternehmens. Die wei-
chen Faktoren Selbstverständnis, Spezialkenntnisse, Stil und Stammpersonal sollen hin-
gegen den menschlichen Faktor und das interne Führungskonzept erfassen (vgl. Kerth
et al. 2011, S. 65). Zur Ermittlung des Ist-Zustandes entlang der 7-S-Struktur bietet sich
die Anwendung der vorgestellten Analyseinstrumente. Für die Strategie etwa die Stär-
ken-/Schwächenanalyse, für die Struktur Organigramme und eine Aufgabenanalyse oder
für die Prozesse Schnittstellen- und Prozessanalysen. Das 7-S-Modell bietet damit eine
geeignete Strukturierung für eine umfassende Unternehmensanalyse sowie für das zu
beschreibende Soll-Konzept, sofern es gelingt, die Inhalte der sieben Ebenen gegenein-
ander abzugrenzen (Abb. 3.4).

Dimensions of Organizational Change

1. Strategy

4. Staff

7. Shared Values/
Style

5. Skills

6. Systems

Abb. 3.4  Gestaltungsfelder nach dem 7-S-Konzept. (Quelle: In Anlehnung an Kerth et al. 2011,
S. 65)
3.1 Dimensionen der Veränderung 75

Designprinzipien

Dimensionen der Veränderung können auch anhand der Designprinzipien beschrie-


ben werden. Gerade im Rahmen einer Kommunikation ist es wichtig zu erklären, wel-
chen Leitlinien das künftige Organisationsdesign folgt. Diese Prinzipien müssen für die
Organisation auch relevant und für die Empfänger nachvollziehbar sein. Typische Desi-
gnprinzipien sind beispielsweise der Wunsch nach einer eindeutigen Zuordnung der
Designkriterien, eine Abbildung der Geschäftsstrategie, Minimierung von Schnittstellen
oder eine verbesserte Nähe zu Kunden. Oft reichen wenige Kriterien aus, um zu verdeut-
lichen, warum eine Veränderung stattfinden soll. Schwieriger ist es, diese Kriterien kon-
sequent und durchgängig anzuwenden. Designprinzipien stellen im Grunde Leitlinien
dar, nach denen eine Organisation ausgerichtet wird. Sie können auch als Entscheidungs-
kriterien bei kontroversen alternativen Diskussionen herangezogen werden. Im Zuge des-
sen kommt auch der Strategie eine entscheidende Rolle zu, denn diese stellt den Rahmen
für mögliche Organisationsveränderungen und -redesigns (Abb. 3.5).
Welche Designprinzipien für eine Organisation anzuwenden sind, kann hier nicht all-
gemein formuliert oder vorgegeben werden. Wichtiger ist die Frage, wer diese formuliert
oder festlegt. Dies ist die Aufgabe des obersten Steuerungsgremiums für ein Organisati-
onsentwicklungsprojekt. In der Regel werden diese frühzeitig formuliert, spätestens in
der Phase der Konzeptentwicklung. Die Designprinzipien werden häufig Bestandteil der
begleitenden Kommunikation und sind deshalb sorgfältig zu formulieren und auszuwäh-
len. In der Praxis erweist es sich als sinnvoll, keine Kombinationen von mehreren Anfor-
derungen an ein Designprinzip zu formulieren, sondern eher einzelne Prinzipien, die auf
eine konkrete Anforderung abzielen (vgl. Nagel 2014, S. 124). Ein Beispiel wäre hier: das
alleinige Designprinzip „Stärkung der Innovationskraft“ ohne zusätzliche Anforderung,
wie beispielsweise (Stärkung der Innovationskraft) bei gleichzeitiger Reduktion der Ent-
wicklungsaufwendungen.

Designkriterien = Leitlinien für die Gestaltung der Organisation

Eindeutige Zuordnung von Geschäftsverantwortung


Abbildung der Geschäftsstrategie
Minimierung von Schnittstellen in der Gesamtorganisation
Stärkung der Innovationskraft
Nähe zu Kunden und Märkten
Sicherstellung von Flexibilität
Realisierung Skaleneffekte
Erhöhung der Autonomie der Geschäftsfelder

Abb. 3.5  Designprinzipien
76 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Sind die grundlegenden Prinzipien geklärt und formuliert, stellen sich weitere Fragen
zu der konkreten und operationalen Ausgestaltung der Organisation. Angefangen mit
der Stellung in der Wertschöpfungskette, Art und Umfang der eigenen Wertschöpfung,
der sich daraus ableitenden Leistungstiefe und der Zahl der Standorte für die Leistungs-
erbringung müssen eine Reihe von weiteren Fragen ganz konkret beantwortet werden.
Etwa welche Prozesse beherrscht werden müssen, welchem Mengengerüst diese Pro-
zesse unterliegen bis hin zu der Frage, welche Leistungskennzahlen für diese Prozesse
gelten sollen. Aus der Zuordnung von Prozessabschnitten lassen sich Funktionsumfänge
für Organisationseinheiten ableiten, gemeinsam mit dem Mengengerüst die erforderliche
Kapazität.
Auch diese Fragen sind frühzeitig zu formulieren, sofern sie Relevanz im Projekt
haben. Eine vollständige Beschreibung des Organisationsdesigns liegt dann vor, wenn
alle Fragen eindeutig beantwortet werden können (Abb. 3.6).

Grundlegendes Veränderungsmodell Ein weiterer und hier letzter aufgezeigter Aspekt


innerhalb der Dimensionen der Veränderung ist die Frage nach dem Veränderungsmo-
dell. Ausgangspunkt ist jeweils die formulierte Strategie und deren Handlungsfelder,
diese stellen den inhaltlichen Rahmen dar (vgl. Nagel 2014, S. 124). Danach stellt sich
aber die Frage, ob zunächst ein Prozessmanagement erfolgt und dann an diese Soll-Pro-
zesse die Aufbauorganisation angepasst wird, oder ob die Optimierung der Prozesse aus

Wie ist die generelle Struktur als Antwort auf die relevanten Entwicklungen der Umwelt, Märkte und
Wettbewerber bei gegebenem Geschäftsmodell und gegebener Strategie?
Stellung in der Wertschöpfungskette?
Eigene Wertschöpfung?
Leistungstiefe?
Zahl der Standorte/Marktabdeckung?
Welche Prozesse müssen beherrscht werden, welchem Mengengerüst unterliegen diese Prozesse?
Welcher Funktionsumfang mit welchen Bezeichnungen wird angestrebt?
Wie ist die kapazitive Dimensionierung von Funktionen?
Welcher grundlegende organisatorische Aufbau wird gewählt (Stablinien- oder Matrixorganisation)?
Nach welchen Kriterien werden Subsysteme in der Organisation gebildet (Segmentierungskriterien)?
Wie viele Hierarchieebenen werden ausgebildet?
Welche Leitungsspanne wird angestrebt?
Welche Weisungsstruktur wird ausgebildet?
Welche Berichtswege und Zuordnungen werden etabliert?
Welche Leistungsbeziehungen entstehen damit an Schnittstellen?
Welche Instrumente für die Koordination an Schnittstellen werden eingesetzt?
Welche konkreten Abteilungen und Teams werden ausgebildet?
Welche Aufgaben werden wo wahrgenommen?
Wie wird die Aufgabenwahrnehmung durch Systeme und Tools unterstützt?
Welche Anforderungen leiten sich dann an die Skills der Mitarbeiter ab?
In welchen Schritten und durch wen sollen diese Festlegungen erfolgen?

Abb. 3.6  Festlegungen Organisationsdesign


3.1 Dimensionen der Veränderung 77

einer veränderten Aufbauorganisation erfolgen soll. Klingt ein wenig nach der Frage, ob
zunächst das Huhn oder das Ei da war. Tatsächlich ist es eher eine Philosophiefrage, für
beide Vorgehensweisen gibt es Vor- und Nachteile, die vor dem Hintergrund der spezifi-
schen Ausgangssituation zu bewerten sind.
Für eine vorgezogene Prozessoptimierung spricht, dass die Organisation von den
Prozessverbesserungen schnell profitiert und dann die Voraussetzungen oder weniger
Widerstand gegen die Organisationsveränderungen vorhanden sind. Nicht zuletzt sind
Prozessverbesserungen häufig an die Einführung oder Optimierung von IT-Systemen
gekoppelt. Es kann aber dazu führen, dass die Aufbauorganisation nicht mehr zum Pro-
zessmodell passt, weil beispielsweise neue Funktionen hinzukommen, dass Funktionen
anders dimensioniert sein müssen oder gar wegfallen, beispielsweise, wenn Prozesse
automatisiert werden (z. B. die Rechnungsprüfung). Die Gefahr besteht allerdings, dass
die Prozessoptimierung den vorgegebenen Zeitrahmen nicht einhält und so die Verände-
rung der Aufbauorganisation nicht rechtzeitig stattfindet.
Für eine vorgezogene Anpassung der Aufbauorganisation spricht, dass die neue Orga-
nisation ihre Prozesse aus sich selbst heraus gestaltet und mehr Freiheitsgrade hat oder
zumindest einfordert, diese nach den eigenen Vorstellungen auszuprägen. Gleichzeitig
hat die neue Organisation parallel zu den Hauptaufgaben ein Optimierungsprojekt, wel-
ches auch den inneren Zusammenhalt stärken kann. Wird mehr Fokus auf eine rasche
Änderung der Verantwortlichkeiten in der Organisation gelegt, ist dieses Vorgehen vorzu-
ziehen (Abb. 3.7).

<<<<
Strategie – Formulierung und Ableitung Handlungsfelder

Prozessmanagement – Gestaltung und


Optimierung von Prozessen und deren Anpassung der Aufbauorganisation
Systemunterstützung

Prozessmanagement – Gestaltung und


Anpassung der Aufbauorganisation Optimierung von Prozessen und deren
Systemunterstützung

Effizienzgewinn aus Optimierung Optimierung in neuen Strukturen,


Prozesse und Systeme mehr Mut zum Wandel

Gefahr Aufbauorganisation passt nicht


Verfestigung alter Strukturen
zu Prozessen

Abb. 3.7  Übersicht grundlegende Veränderungsmodelle


78 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung

In dem Kapitel geht es um die Frage, welche Vorgehensmodelle für Organisationsent-


wicklungen unterschieden werden können. Es kann hier nicht der Anspruch erhoben
werden, alle Varianten darzustellen, vielmehr sollen Grundformen vorgestellt werden,
aus deren Kombination sich dann konkrete Vorgehensweisen in der Praxis ableiten las-
sen.
Die Abb. 3.8 zeigt ein allgemein gültiges und generisches Vorgehensmodell, welches
zwar trivial erscheint, aber dennoch wichtig genug ist, um es darzustellen (vgl. auch
Schiersmann 2017, S. 104 ff.). Ausgangspunkt bildet die formulierte Unternehmensstra-
tegie, in der Regel als Antwort auf die aktuellen und künftigen Umweltbedingungen und
Rahmenbedingungen für das Unternehmen. Diese beinhaltet auch die Zielformulierung
für die Organisation. Der erste Schritt in der Organisationsentwicklung ist dann, anhand
geeigneter Analysen eine Problematisierung der aktuellen Organisation vorzunehmen.
Aus der Problematisierung werden konkrete Gestaltungs- oder Leistungsziele abgeleitet,
die wiederum konform zu den Zielen der Strategie sind. Beispielsweise lautet ein Teil
der Strategie „Verdopplung des Umsatzes“, dann soll in der Folge die Vertriebsorgani-
sation gestärkt werden. Fraglich ist aber, an welchen Stellen oder mit welchen Schwer-
punkten das erfolgen soll. Wird eine Strategie der Internationalisierung verfolgt, steht
z. B. der Aufbau von Vertriebsniederlassungen im Ausland zur Diskussion. Im zweiten
Schritt werden Designprinzipien abgleitet, z. B. Vertrieb lokal, Lösungswege und Alter-
nativen diskutiert und entwickelt bzw. bewertet und letztlich daraus ein Lösungskonzept
abgeleitet. Dieses wird im Schritt zur Umsetzung ausgeplant, dies erfolgt anhand von
Teilprojekten, Arbeitspakten und einzelnen Maßnahmen, soweit weiterhin erforderlich,
gesteuert von einer Umsetzungsprojektorganisation. Der letzte Schritt ist die Verfolgung

Unternehmensstrategie
als Antwort auf die aktuellen und künftigen Umweltbedingungen

Messen/Verfolgen/ Problem/Ist-Analyse/
Controlling Umsetzung Ausgangslage/Ziele

Organisations-
...
entwicklung

Umsetzung/Arbeitspakete/ Designprinzipien/
Maßnahmen Lösungswege/Alternativen

Abb. 3.8  Allgemeines Phasenmodell Organisationsentwicklung


3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung 79

und Messung der Umsetzung bzw. Zielerreichung. Diese Ergebnisse fließen letztlich
zurück in den neuen Strategiezyklus. Diese Art von Kreislauf ist ähnlich dem klassischen
Problemlösezyklus aus dem Qualitätsmanagement. Je nach Anschauung kann dieser in
bis zu sieben Phasen unterteilt werden.
Das Grundmuster ist aber mit vier Phasen ausreichend genau beschrieben und kommt,
mit Modifikationen, praktisch immer zur Anwendung. Hinzu kommen ggf. weitere
Grundmuster, die in dieses Vorgehen einfließen oder eingearbeitet werden. Daraus ent-
stehen dann fallbezogen ganz spezifische Vorgehensmodelle, die versuchen, den jewei-
ligen Projektrahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Ganz wesentlich ist z. B. die
Zeitvorgabe aus der Strategie. Soll der Umsatz in fünf Jahren oder in zwei Jahren ver-
doppelt werden? Je nachdem müssen auch die Projektzeitpläne für die dazu erforderli-
chen Organisationsveränderungen geplant und terminiert werden. Entsprechend wird der
dargestellte Zyklus schneller und häufiger durchlaufen.

Grundform 1: Entwicklungsebenen.
Die Grundform 1 befasst sich mit der Frage, welche Ebenen (Abb. 3.9) von einer Orga-
nisationsentwicklung betroffen sein können und ob es ggf. eine Reihenfolge für das Ver-
ändern der Ebenen gibt. Exemplarisch werden hierzu vereinfacht zwei Ebenen gewählt,
obgleich weitere per Definition hinzukommen können. Im hier gewählten einfachen
Modell mit zwei Ebenen würden zunächst mit einer veränderten Zuweisung der Verant-
wortung durch eine veränderte hierarchische Eingliederung die Rahmenbedingungen
für eine Veränderung geschaffen. Das kann u. U. ein reines „Verschieben von Käst-
chen“ im Organigramm bedeuten. Es hat aber u. U. den Vorteil, dass danach die Füh-
rungsstruktur zunächst klar ist, es aber noch Spielraum für die Führungskraft gibt, die
­Aufgabenerfüllung so zu verändern, dass die Bereichs- oder Abteilungsziele, wie z. B.

Entwicklungsebenen Ziele

1. Schaffung der organisatorischen


Klare Zuweisung von
Rahmenbedingungen – Veränderung der
Verantwortung zu
hierarchischen Eingliederung der Funktionen, die
Beeinflussbarkeit
organisatorisch verändert werden sollen etc.

Projektbearbeitung mit
2. Optimierung der Aufgabenerfüllung für
geringen DLZ,
diese Funktionen in der gegebenen
geringen
Aufbauorganisation – Bildung von geeigneten
Kostenabweichungen
Organisationslösungen mit Pools von Aufgaben
und hoher Termintreue

Abb. 3.9  Beispiel unterschiedlicher Entwicklungsebenen


80 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

geringe Durchlaufzeiten oder hohe Termintreue erreicht werden. Erst im zweiten Schritt,
aus der neuen Führungsstruktur heraus, würden die Optimierungen und Verbesserungen
erfolgen. Danach würden zwei wesentliche Entwicklungsebenen unterschieden werden:
1. Ebene: Schaffung der organisatorischen Rahmenbedingungen durch eine Veränderung
der hierarchischen Eingliederung der Funktion, 2. Ebene: Optimierung der Aufgabener-
füllung für die betroffenen Funktionen in der dann gegebenen Aufbauorganisation. Der
Vorteil mag auch hier darin liegen, dass die Ebene 1 vermutlich schneller umgesetzt wer-
den und auf einem höheren Abstraktionslevel diskutiert werden kann. Für die Ebene 2 ist
in der Regel ein tiefes Prozessverständnis notwendig.

Grundform 2: Transformation.
Bei dieser Grundform stellt sich die Frage, wie weit eine Veränderung (= Transfor-
mation) gehen soll. Auch hier anhand eines einfachen Beispiels beschrieben: Schritt 1
würde ein reines Zusammensetzen der Aufbauorganisation aus bestehenden Funktionen
bedeuten („Drag & Drop“), Funktion 4 käme dann mehrfach vor, oder ob nicht – von
Anfang an –, die Funktion 4 gepoolt werden soll. Funktion 4 (z. B. Auftragsabwicklung)
würde dann erst zu einem späteren Zeitpunkt im Schritt 2 zu einer Abteilung zusammen-
geführt werden. Für ein Vorgehen in zwei Schritten sprach hier, dass die Funktionen 1
bis 3 bislang unterschiedliche Anforderungen an die Funktion 4 stellten und somit nicht
ganz klar war, ob das auch operativ funktionieren würde. Wichtig erschien es, im ersten
Schritt eine neue Verantwortungsstruktur zu schaffen. Gegen zwei Schritte sprach, dass
das Personalpotenzial gerade aus dem Pooling der Funktion 4 ableitbar ist, während ja
die Funktionen 1 bis 3 nur in der Aufbauorganisation „umgehängt“ werden (Abb. 3.10).

Schritt 1: Startlösung eher über „Drag & Drop“ Schritt 2: Pooling – Ausschöpfen
bestehender Organisationsteile erzeugen* Synergien für Funktion 4

* für ausgewählte Geschäftsfelder möglich

Funktion 1 Funktion 2 Funktion 3 Funktion 1 Funktion 2 Funktion 3

Funktion 4 Funktion 4 Funktion 4 Funktion 4

Pro und Kontraargumente in zwei Schritten zu entwickeln (+ = Vorteil bei zwei Schritten)
+ Im Vordergrund steht zunächst, zeitnah eine klare Verantwortungszuordnung für die Geschäftssegmente zu schaffen
+ Inwiefern einzelne Aufgaben für ein Pooling geeignet sind, ist zu prüfen, ggfs. sind diese eng mit Aufgaben aus den Funktionen
1 bis 3 verknüpft – Pooling somit nicht per se möglich oder sinnvoll
+ Geeignete Form der Systemunterstützung für kleine Anzahl von Aufträgen ist noch nicht definiert und muss aus den Prozessen
abgeleitet werden
– Volatilität des Geschäfts spielt hier eine zentrale Rolle: Je nach Ausprägungsgrad führt sie direkt zur Frage des Poolings von
Ressourcen
– Mögliches Personalpotenzial wird mit Schritt 1 ggfs. zunächst nicht erschlossen
– Die Skalierbarkeit ist nur in ausgewählten Geschäftsfeldern gegeben, ein Glättungseffekt aus der Ausweitung des Geschäfts ist
kurzfristig nicht zu erwarten ( Annahme: Volatilität ist weiter gegeben)

Abb. 3.10  Beispiel Transformationsansatz


3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung 81

Selbstverständlich sind weitere Grundformen denkbar. Diese würden sich syste-


matisch aus der Kombinatorik der Dimensionen der Veränderung ableiten. In der Pra-
xis spielen aber oft auch projekttaktische Überlegungen eine Rolle. Oftmals sind keine
expliziten Zwischenschritte gewünscht.
Typischerweise erfolgt eine Organisationsentwicklung bis zum Soll-Konzept in
drei Phasen, wenn die Umsetzung hinzugerechnet wird in vier Phasen (Abb. 3.11).
Häufig unterschätzt wird die Phase der Projektdefinition. In dieser Phase werden die
Problemstellung, die daraus ableitbaren Zielsetzungen, der daraus ableitbare Untersu-
chungsbereich, der Zeitplan, das Vorgehen und die Projektorganisation definiert. Diese
Festlegungen bestimmen dann den gesamten Projektverlauf, müssen aber oft unter
hohem Zeitdruck entwickelt werden, weil es nach einer Entscheidung für ein Pro-
jekt oft schnell gehen soll. In der Phase der Analyse steht am Anfang die Sichtung von
bestehenden Vorarbeiten. Deren Qualität und Konsistenz wird gern überschätzt. Wel-
che ­Analyseinstrumente zur Anwendung kommen können wurde in Kap. 2 ausführlich
behandelt. Zugang zu den Inhalten und Ergebnissen wird durch gezielte Interviews
erreicht. Je v­ erlässlicher die Analysen sind, desto stärker ist die Argumentationskette

Projektdefinition Analyse Soll-Konzept

Beschreibung Sichtung bestehende Bewertung und Priorisierung


Ausgangssituation Vorarbeiten der Organisations-
Zielsetzungen Typisierung der Prozessfälle alternativen in einem oder
ggf. mehreren WS
Untersuchungsbereich Funktions- und Kapazitäts-
analyse der Mitarbeiter, Weiterentwicklung von
Zeitplan Alternativen
deren Tätigkeitsfeld im
Projektorganisation und Untersuchungsbereich liegt, Herausarbeiten einer
Besetzung ggfs. auch von Konsenslösung
Vorgehensweise angrenzenden Funktionen Soll-Dimensionierung der
Ressourcen Systemunterstützung der Aufgabenverteilung in der
Abläufe Organisation
Kick-off
Stärken/Schwächen der Soll-Aufbauorganisation
bisherigen Abläufe/ Zusammenführung zu einer
Organisation Umsetzungsplanung
Ableitung Leitlinien Soll- Abschätzung Umsetzungs-
Prozesse und -organisation aufwand
Ableitung mögliche Präsentation Ergebnisse
Alternativen Soll- Soll-Konzept
Organisation
Entscheidung zur
Präsentation Ergebnisse Umsetzung
Analyse

Abb. 3.11  Vorgehensweise Organisationsentwicklung


82 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

für angedachte Veränderungen. Überraschende oder auf den ersten Blick nicht plausible
Ergebnisse müssen sorgfältig überprüft werden, von ihnen hängen u. U. Entscheidun-
gen mit großer Tragweite ab. Aus allen durchgeführten Analysen sind die wesentlichen
Kernaussagen abzuleiten. Sie geben in der Gesamtschau Hinweise, welchen Leitlinien
die Soll-Organisation oder -abläufe folgen sollen. Zeichnen sich diese ab, können erste
Alternativen für eine Soll-Organisation daraus formuliert werden. Dieser Schritt in einer
so frühen Phase ist mit Vorsicht zu genießen, allerdings wird oft vom Entscheidergre-
mium auch in dieser frühen Phase eine Aussage erwartet, in welche Richtung es gehen
könnte. In der Regel werden die Ergebnisse der Analysephase in einer Gesamtunterlage
dokumentiert.
In der Phase der Ausarbeitung des Soll-Konzeptes steht die Entwicklung und Bewer-
tung von Organisationsalternativen im Vordergrund. Hierzu bietet es sich an, im Rah-
men von Workshops und Einzelgesprächen diese zu bewerten und zu diskutieren. Stehen
am Anfang meist noch eine Vielzahl von Alternativen im Raum, müssen über die Gre-
mien deren Anzahl schrittweise reduziert werden, sodass eine Konsenslösung heraus-
gearbeitet werden kann. Ist klar, welche Lösung umgesetzt wird, muss sich eine darauf
abgestimmte Umsetzungsplanung anschließen. Im Sinne einer lückenlosen Projektdo-
kumentation sollten die Ergebnisse in einer Unterlage „Soll-Konzept“ zusammengefasst
werden.
Die Umsetzungsphase wird oft unterschätzt, ganze Bücher befassen sich nur mit der
Frage des Change Managements. Herauszustellen ist, dass die Umsetzung einen ande-
ren Projektcharakter hat als die vorherigen Phasen. Sind die ersten Phasen noch von der
Unsicherheit geprägt, was das Ergebnis sein wird, ist das in der Umsetzungsphase klar.
Unklar ist eher, ob sich das Soll-Konzept in Reinform umsetzen lässt, oder ob noch-
mals Anpassungen notwendig sind, weil Detailfragen sich anders darstellen. Bewährt
hat es sich, die Aufgaben zur Umsetzung in Teilprojekte, Arbeitspakete, Aktivitäten und
Maßnahmen zu zerlegen. Erfolg versprechend ist es, Umsetzungsverantwortliche zu
definieren, die dann eigenverantwortlich ein Teilprojekt leiten und koordinieren. Diese
Teilprojektleiter berichten in regelmäßigen Abständen an die Gremien zum Stand der
Umsetzung. Die Ergebnisse aus Detailfestlegungen im Rahmen der Umsetzung wer-
den weiterhin nach einem gewählten Standard dokumentiert. Soweit Potenziale verfolgt
werden müssen, sind deren Erfolgswirksamkeit zu messen und nachzuhalten. Der Len-
kungskreis stellt zu gegebener Zeit die vollständige Umsetzung fest und entlastet die
Umsetzungsverantwortlichen. Diese Arbeitspakete schließen z. B. eine geeignete Kom-
munikation, die Ausarbeitung von Detailprozessen, notwendige Systemanpassungen,
Ausschreibung oder Neubesetzung von Stellen, Veröffentlichung neuer Organigramme,
Schaffung veränderter Infrastruktur- und Raumkonzepte oder Umsetzung neuer Legal-
Einheiten ein. Als Methoden kommen z. B. Einzelsitzungen, Arbeitssitzungen, Umset-
zungs- oder Übertragungsworkshops und nicht zuletzt Statusmeetings in Betracht.
Das bisher beschriebene Vorgehen mit vier Phasen ist generisch und lässt sich prak-
tisch auf alle Fragestellungen der Organisationsentwicklung übertragen. Am nachfolgen-
den Beispiel wird deutlich, wie ein Vorgehen im internationalen Kontext aussehen kann.
3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung 83

Hier war die Aufgabenstellung, ein Wertschöpfungsnetzwerk aus mehreren Tochterge-


sellschaften verteilt auf alle Kontinente zu untersuchen.
Die Herausforderung war hier die, anhand eines standardisierten Analysepakets alle
Regionen und Gesellschaften zu erfassen und zu einem Gesamtbild für das globale Set-
up zu verdichten (Abb. 3.12). Hierzu wurde das Analysepaket im Vorfeld an die Gesell-
schaften verteilt und im Rahmen von Interviews Punkt für Punkt besprochen. Hinzu
kamen Berichte des zentralen Controllings beispielsweise zu Kosten und FTE. Bei den
Funktionsbezeichnungen gibt es aber häufig regionale Unterschiede, oder Aufgabenzu-
schnitte sind anders gefasst. Eine Vergleichbarkeit ist daher nur mit Zusatzaufwand her-
zustellen. Auch der z. T. unterschiedliche Produktmix einzelner Regionen nimmt Einfluss
auf die Kennzahlen. Im Rahmen der Konzeptfindung – hier eines globalen Hub-Konzep-
tes – ist es sinnvoll, alle Regionen mit einzubeziehen, um mehr Akzeptanz zu erreichen.
Zentrale Fragestellung war hierbei, welche Funktionen in den Regionen versus zentral im
Headquarter anzusiedeln sind, bzw. in den Regionen selbst, und wie zentral dort Funkti-
onen angesiedelt werden. Beispielsweise sollten Funktionen für die Auftragsabwicklung
nur noch von dem regionalen Hub ausgeführt werden, die daran angeschlossenen Toch-
tergesellschaften einer Region sollten keine Auftragsabwicklungsfunktionen vorhalten.
Die Frage der Zentralisation von Funktionen stellt sich also über alle Funktionen und
Ebenen der Organisation hinweg, angefangen vom Headquarter über die Regionen bis
hin zu jeder einzelnen Tochtergesellschaft.

Phase 1: Analyse Tochtergesellschaften /


Regionen
Tochtergesellschaften und operativ tätige Unternehmenseinheiten Region 1
Staffing, FTE -Funktionen und ihre Aufgaben, Beitrag an der Wertschöpfung
Kostenstruktur (Personal-, Material-, Abschreibungs- und Sonstige Kosten) Region 2
Umsätze, Kundensegmente, Marktpotenzial
Bestehende Service-Agreements und SLAs Region 3
Schwächen
Logistik- und Lagerkapazitäten, Bestände, Kosten für Transport und Logistik Region 4

Region 5
Phase 2: Konzept- und Entscheidungsfindung
Region …
Welche Funktionen und Unternehmenseinheiten sollten in welchen Regionen
bestehen?
Welche Veränderungen müssen in den Einheiten hierzu angestoßen werden?
Überblick über
Wie sieht die Roadmap für die Soll-Organisation aus und wie gestaltet sich die
globales Set-up
Umsetzung in den Regionen?

Phase 3: Umsetzung

Implementierung der Roadmap und Controlling


Berichterstattung über den Projektstand in entsprechenden Führungsgremien
Nachverfolgung der definierten Maßnahmen und ggfs. individuelles Coaching bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen

Abb. 3.12  Vorgehen Analyse globale Struktur


84 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Es empfiehlt sich also bei größeren, komplexeren Strukturen ein hierarchisch abge-
stuftes Vorgehen, welches relevante Ebenen der Unternehmensorganisation einbezieht.
Typisch ist z. B., dass ein Unternehmen ein Headquarter mit ausgesuchten Zentralfunk-
tionen unterhält, daneben hat es für verschiedene Produkte oder Wertschöpfungsstufen
verschiedene Standorte, ggf. ausgewählte Funktionen an einem Standort konzentriert.
Liegt eine globale Struktur vor, kommen noch Tochtergesellschaften oder Betriebstätten
als weitere Ebene hinzu. Dieses hierarchisch abgestufte Vorgehen lässt sich nicht nur in
der Analyse anwenden, sondern auch bei der Konzeption und Umsetzung. Es gilt das alte
Prinzip: Der Elefant wird in Scheibchen zerlegt (Abb. 3.13).
Welche Hierarchiestufen zu berücksichtigten sind, hängt von der Vorgabe oder Auf-
gabenstellung ab. Wenn es beispielsweise darum geht, eine weltweite Einkaufsorganisa-
tion zu gestalten, kommt man gar nicht umhin, alle Standorte mit Einkaufsfunktionen
mit einzubeziehen, zunächst einmal unabhängig von der globalen Lieferantenbasis. Geht
es um eine standortübergreifende Entwicklungsorganisation, sind alle Standorte mit Ent-
wicklungsfunktionen einzubeziehen usw.
Die Abb. 3.14 zeigt ein Vorgehen für die Untersuchung einer globalen Einkaufsor-
ganisation. Ausgehend vom Headquarter und einer zentralen Entwicklung am Stamm-
sitz gibt es in den Hauptmärkten Vertriebs- und Produktionsstandorte mit einer jeweils
lokalen Einkaufsorganisation. Fraglich war, wie Potenziale in der globalen Struktur
erschlossen werden können, ohne die Versorgungssicherheit der Werke zu gefährden.
Das Analysepaket wurde hier neben einem Analysepaket, was die Aufbauorganisation
als solches betrifft, um eine Analyse der Warengruppen-, Lieferanten- und Werks- und
Bedarfsstruktur erweitert.

Hierarchiestufen Workshopstruktur

Strategie
Unternehmen Standorte
Produkte
Prozesse
Mitarbeiter

Konzeption
Analyse
Werk A Werk B Werk C Werk … Potenziale
Prioritäten
Projekte
Workshops

Operationa-
Maßnahmen
lisierung
Produktlinie Produktlinie Indirekte … Messgrößen
A B Funktionen
Controlling
Coaching
Berichtswesen

Abb. 3.13  Beispiel für eine hierarchisch strukturierte Vorgehensweise


3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung 85

1. Formulierung Motivation und Zielsetzungen einer Organisationsveränderung

2. Analysen

2.1. Aufbau- 2.2. Warengrup- 2.3. Lieferanten- 2.4. Werks- und


organisation penanalyse strukturanalyse Bedarfsstruktur

Organigramme Klassifizierung ABC-Spend- Anforderungen


inklusive Supplier gegen Werke
Lead-Buyer-Konzept Abgrenzung der ABC-Spend-
Warengruppen Verhandlungs- Liefer-Performance
Aufgabenanalysen
volumen aus Typisierung
Schnittstellen Spend-Analyse verschiedenen Lieferanten
Sichten
Schwachstellen

2.5. Potenziale

3. Ableiten, Bewerten und Auswahl von Ansätzen und Modellen/Alternativen zur


Weiterentwicklung

4. Konzept und Umsetzung

Abb. 3.14  Beispiel Vorgehensmodell einer Organisationsentwicklung

Potenziale ergaben sich, indem Doppelfunktionalitäten beim Einkauf abgebaut wur-


den. Dies war wiederum erst durch die Ausprägung eines Lead-Buyer-Konzepts möglich.
Das Lead-Buyer-Konzept hat wiederum den Effekt, dass Einkaufvolumina für ausge-
wählte Lieferanten in der Gruppe besser gebündelt und verhandelt werden können.
Bei Projekten, die mehrere Organisationseinheiten und Ebenen einbeziehen, kann
es sich als sinnvoll erweisen, ein Programmmanagement zu installieren, das dezidierte
Aufgaben übernimmt. Je nach Form der gewählten Arbeitsteilung mit einem internen
und extern unterstützenden Projektteam können nachfolgende Aufgaben wahrgenom-
men werden: Koordination, etwa Zuschnitt der Arbeitspakete und Zuteilung der Res-
sourcen, Koordination der Berichte in Gremien hinein, Moderation und Coaching von
Arbeitssitzungen oder Workshops, Objektivierung von Alternativen, Messkonzept von
Kostenpotenzialen und deren Umsetzungsverfolgung, Nachweis und Nachhalten der
Potenzialwirksamkeit.
Das Programmmanagement ist dann die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zum
Projekt, es kann insbesondere die Kommunikation zum Projekt unterstützen (Abb. 3.15).
Das Programmmanagement sollte unabhängig und frei von persönlichen Interessenlagen
86 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Programmmanagement – Organisationsentwicklung

Strukturierung der Arbeitspakte mit Zeitplan


Terminliche Abstimmung der Arbeitspakete mit Projektmeilensteinen
Koordination
Zusammenführung der erforderlichen Personen
Regelmäßige Berichterstattung in den Projektgremien

Moderation der wesentlichen Workshops und Arbeitssitzungen


Moderation/ Fortlaufende Dokumentation der Ergebnisse
Coaching Objektivierung von Alternativen
Herbeiführung von operativen Entscheidungen

Ermitteln der Kosten- und Personalpotenziale


Potenziale/ Aufsetzen eines Controlling zur Nachverfolgung Umsetzungsaufwand
Potenzial-
verfolgung Feststellen Zeitpunkt Potenzialwirksamkeit
Potenzialcontrolling

Erstellung Umsetzungszeitplan
Vorgehen Strukturierung Umsetzungspakete
Umsetzung Definition der Umsetzungsverantwortlichen
Nachhalten der Umsetzungskontrolle

Abb. 3.15  Aufgabenumfang Programmmanagement

agieren können und setzt eine gewisse Seniorität und Erfahrung der handelnden Perso-
nen voraus. Gerade Maßnahmenverantwortliche neigen dazu, ihr Tagesgeschäft in den
Vordergrund zu stellen und mitunter leidige oder unangenehme Veränderungen hinten an
zu stellen. Hier benötigt das Programmmanagement Hartnäckigkeit und Durchschlags-
kraft.

3.3 Beschreibung der Soll-Organisation

In dem nachfolgenden Kapitel sollen die wesentlichen Instrumente und Methoden zur
Beschreibung der Soll-Organisation vorgestellt werden. Besonders wichtig sind dabei
die Segmentierungskriterien, die vorangestellt beschrieben werden, aber auch formale
Beschreibungsmuster wie Organigramme oder Prozessdarstellungen oder die Beschrei-
bung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung sowie die RACI-Methode sind
hierbei von praktischer Bedeutung.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 87

3.3.1 Segmentierungskriterien

Die Frage der geeigneten Segmentierungskriterien (vgl. Simon und von der Gathen
2002, S. 270) ist fundamental und knüpft an das Thema Designrichtlinien für eine Orga-
nisation an. Im Grunde geht es um die Frage, nach welchem Prinzip Aufgabenbündel in
kleinere Pakete geschnitten werden (vgl. Schreyögg 2008, S. 108). Ein einfaches Bei-
spiel sei vorangestellt: Eine Vertriebsorganisation bedient zwei unterschiedliche Märkte
und Kundenstämme, z. B. Kunden im Premiumsegment und Kunden im Standardbe-
reich. Die Margen im Premiumsegment sind höher, die verkauften Stückzahlen geringer,
im Standardsegment liegen hohe Stückzahlen, aber niedrige Margen vor. Im Standard-
segment sind Angebote einfach und standardisiert, im Premiumsegment individualisiert
und deutlich aufwendiger. Um es einfach zu machen, nehmen wir weiter an, die gesamte
Vertriebsmannschaft sitzt an einem Standort. Um alle Aufgaben bewältigen zu kön-
nen, werden 15 Mitarbeiter beschäftigt, es sollen drei weitere Mitarbeiter mit Schwer-
punkt Vertriebsinnendienst hinzukommen. Eine Abteilung mit 18 Vertriebsmitarbeitern
(Außen- und Innendienst) gilt als kaum führbar. Deswegen wird überlegt, daraus zwei
Abteilungen zu machen. Aber wonach sollen die beiden Abteilungen gebildet werden?
Nach Innen- und Außendienst (funktionale bzw. vertikale Arbeitsteilung) oder nach den
Segmenten Premium und Standard? Wie man schnell erkennt, keine triviale Aufgabe,
für beide Alternativen gibt es Pro- und Kontraargumente. Das Beispiel verdeutlicht
aber, wie zentral die Frage nach einer geeigneten Segmentierung ist. Es geht also um
die Frage, nach welchen Kriterien Aufgaben geschnitten bzw. Abteilungen oder Orga-
nisationseinheiten gebildet werden. Die Kriterien können ganz unterschiedlich sein. Ein
häufiges Kriterium ist das Objekt, z. B. verschiedene Komponentenwerke in einem Wert-
schöpfungsnetzwerk, ein anderes das Produkt, beispielsweise Nutzfahrzeuge und Pkws
in der Fahrzeugindustrie, oder Bekleidung und Schuhe bei einem Sportartikelhersteller.
Auch Kundengruppen eignen sich als Segmentierungskriterium, z. B. Firmenkunden
und Privatkunden. Unterschiedliche Märkte und Regionen können ganz unterschiedliche
Anforderungen an ein Produkt und dessen Vertrieb stellen und ebenfalls als Segmen-
tierungskriterium dienen. Unterschiedliche Technologien werden nicht selten als Seg-
mentierungskriterium herangezogen, beispielsweise in der Energiebranche erneuerbare
Energien und nicht-erneuerbare Energien. Nicht zuletzt sei als Segmentierungskriterium
die funktionale Segmentierung genannt, wie z. B. die Trennung in einen strategischen
und operativen Einkauf. Wird die Organisation eines Unternehmens systematisch nach
angewendeten Segmentierungskriterien untersucht, finden sich meist mehrere – auf
unterschiedlichen Ebenen. Fraglich ist dann immer, ob die richtigen Segmentierungskri-
terien angewendet wurden. Das ist oftmals die eigentliche Frage und vor allem welche
Argumente dafür und dagegen sprechen. Typische Argumente zielen auf die erhöhte Effi-
zienz der dahinterliegenden Prozesse, Durchgängigkeit der Verantwortung, Adressier-
barkeit der relevanten Märkte und Kunden, Bündelung des erforderlichen Know-hows
oder schlicht der Organisationshygiene und die durchgängige Anwendung derselben Kri-
terien, weil ein anderes Schnittmuster praktisch nicht verständlich kommunizier bar ist.
88 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Organisationen werden i.d.R. nach Sparten, Bereichen, Divisionen,


Regionen Einheiten, Abteilungen, Teams, Projekten etc. organisiert.

Segmentierungskriterien können sein:

Objekt

Produkt Meist finden mehrere


Segmentierungskriterien
Kunde Anwendung

Markt Dieses trifft auf


unterschiedliche
Regionen Hierarchiestufen wie auch
unterschiedliche Funktionen
zu
Technologien

Funktional

Abb. 3.16  Segmentierungskriterien

Kein Segmentierungskriterium sind Personen (Abb. 3.16), obgleich in der Praxis auch
Organisationen um Personen herum gebaut werden. Das ist grundsätzlich zunächst ein-
mal abzulehnen, schließlich ist jeder ersetzbar. Im letzten Schritt spielen die handelnden
Personen und Führungskräfte oftmals aber doch eine wichtige Rolle. Wichtig ist es, die
Reihenfolge einzuhalten – erst nach Segmentierungskriterien, dann nach den handelen-
den Personen und Führungskräften.
Kommen die Segmentierungskriterien zur Anwendung, können daraus Organisations-
charts entwickelt und skizziert werden. Anhand welcher einfachen Hilfsmittel die Soll-
Organisation beschrieben werden kann, wird nachfolgend aufgezeigt.

3.3.2 Soll-Organisations-Charts

Fundamental für die Beschreibung einer Soll-Organisation sind Organigramme. Sie zei-
gen anhand der Linien zwischen den Abteilungen und Teams, welche Organisations-
einheiten gebildet werden und welche Verantwortungsbereiche existieren bzw. welche
Berichtslinien gegeben sind. Sie haben den Vorteil, dass sie klar Auskunft darüber geben,
wie die Organisation aufgebaut ist. In der Regel sollten diese in der Organisation für alle
Mitarbeiter verfügbar sein. Viele Mitarbeiter, egal welcher Hierarchiestufe, legen großen
Wert darauf, dass diese sachlich richtig und aktuell sind. Natürlich gibt es Grenzen der
Darstellung. Das fängt mit der Anzahl der dargestellten Führungsebenen und Hierar-
chiestufen an. Viele Unternehmen definieren die Anzahl der Level, die überhaupt in den
HR-Systemen und in der Visualisierung in Organigrammen dargestellt werden. Ab Ebene
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 89

Abteilung werden darunterliegende Strukturen meist, zumindest in offiziellen Diagram-


men, nicht mehr dargestellt. Das hält aber Führungskräfte nicht davon ab, Teamorgani-
gramme bis auf jeden einzelnen Mitarbeiter herunter zu zeichnen. Sie geben oft darüber
Auskunft, wie die konkrete Arbeitsteilung innerhalb der operativen Ebenen aussieht.
Das Beispiel zeigt den Zuschnitt eines Center Auftragsbearbeitung mit den Funktionen
Auftragsklärung, Arbeitsvorbereitung, Planung und Disposition sowie der kaufmännischen
und logistischen Auftragsabwicklung (Abb. 3.17). Diese steht hier zwischen Vertrieb und
der Produktion und vereint alle Aufgaben, einen Auftrag in die Sprache der Produktion zu
übersetzen und kapazitive und terminliche Vorgaben für eine Einlastung der Aufträge in
der Produktion zu machen. Die Logistik sorgt für die termingerechte Auslieferung an den
Kunden gemäß der vereinbarten Lieferbedingungen, z. B. INCOTREMS. Ggf. sind gleich-
artige Funktionen an mehreren Standorten vorhanden, es soll aber eine fachliche Führung
geben. Es kommt zur Ausprägung einer sogenannten „dotted line“. Disziplinarisch wer-
den die Mitarbeiter am Standort geführt, fachlich über den Fachvorgesetzten der Funktion.
Damit dienen betroffene Mitarbeiter u. U. zwei Herren. Das kann mitunter zu Konflikten
führen und nicht jeder Mitarbeiter kommt mit zwei Vorgesetzten klar.
Im Rahmen von Projekten kann es auch notwendig sein, Strukturbilder zu erstellen,
die das grundlegende Aufbauprinzip der Organisation aufzeigen, ohne dass es den forma-
len standardisierten Anforderungen der Darstellung von Organigrammen entspricht. Hier
am Beispiel einer globalen Regionen-Organisation. Ausgewählte Funktionen sind im
Headquarter konzentriert, darunter hängen regionale Hubs, deren Leiter ­berichten direkt

Abb. 3.17  Soll-Organisation
90 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

ans Top-Management, an den Hubs hängen lokale Werke, um beispielsweise Standort-


vorteile bei der Produktion nutzen zu können. (Abb. 3.18).
Solche Darstellungen sind keine offiziellen Organigramme, sondern werden ­vielmehr
benötigt, um in einem Organisationsentwicklungsprojekt zu verdeutlichen, welche Leit-
linien umgesetzt werden sollen. Hier war ein zentraler Gedanke, den Regionen eine stär-
kere regionale Verantwortung zuzuweisen, auch um das regionale Set-up zu optimieren.
Fraglich ist dann, wie zentrale bzw. globale Verantwortlichkeiten mit den regionalen
zusammengebracht werden. Es kommt zur Ausprägung einer globalen Verantwortungs-
matrix. An den Schnittpunkten wird ein Regelwerk benötigt, welches definiert, wer
welche Kompetenzen besitzt. Beispielsweise müssen lokale Anforderungen an eine Pro-
duktspezifikation für ein eher lokales Produkt in Einklang mit der zentralen Produktstra-
tegie gebracht werden (Abb. 3.19).
Ein Instrument, um ein solches Regelwerk zu beschreiben, kann die RACI-Methodik
sein. Diese wird nachfolgend beschrieben. Zur Ausbildung einer Matrix in einer Orga-
nisation kommt es aber nicht nur in einem globalen Maßstab, sondern auch dann, wenn
wie oben bereits erwähnt, mehrere Standorte zu einem Wertschöpfungsnetzwerk ver-
bunden sind und ausgewählte Funktionen darin zentralisiert werden, beispielsweise die
Planung. Allein aus Effizienzgesichtspunkten können Funktionen nicht mehrfach vorge-
halten werden, oder dann nur in dem jeweils für den Standort notwendigen Maß. Wäh-
rend ein strategischer Einkauf für Warengruppen direktes Material zentralisiert werden
kann, benötigt jeder Standort eine lokale Einkaufsfunktion für indirekte Güter, es macht
einfach wenig Sinn, z. B. Dienstleistungen für Wartungen von Klimaanlagen zentral ein-
kaufen zu wollen. Generell muss aber bei der Frage des Grads der Zentralisation jede
Funktion für sich betrachtet werden, beim Einkauf zusätzlich die jeweiligen direkten und
indirekten Warengruppen (Abb. 3.20).

Abb. 3.18  Modell weltweite Gesamtorganisation


3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 91

Abb. 3.19  Globale Matrixorganisation

Chief Operations
Officer (COO)

Stabstelle

Standort A Standort B Standort C Standort D Standort E


Operations

Kaufmännische
Auftrags-
bearbeitung

Planung mit
Material-
disposition

Produktion …

Einkauf

Abb. 3.20  Matrixorganisation am Beispiel einer Auftragsabwicklungsfunktion


92 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Die Matrix ist heute aus der Unternehmensorganisation nicht mehr wegzudenken,
spätestens dann, wenn ein zweiter Unternehmensstandort entsteht. Insoweit haben alle
Mehrstandortunternehmen, ob willkürlich oder unwillkürlich eine Matrixorganisation.
Fraglich ist oftmals, aus welchen Dimensionen die Matrix aufgespannt wird, im Grunde
wieder die Frage nach den wesentlichen Segmentierungskriterien der Organisation.

3.3.3 Alternativenbetrachtung

Es ist im Grunde fast trivial und logisch, dass im Rahmen eines Organisationsentwick-
lungsprojekts Alternativen formuliert und diskutiert werden. Weil es aber eine herausra-
gende Bedeutung im Rahmen des Projektvorgehens zur Organisationsentwicklung hat,
soll nachfolgend skizziert werden, wie ein typischer Weg zur Konsensfindung oftmals
aussieht (Abb. 3.21).
Ausgangspunkt sind in der Regel die aus, soweit externe Berater das Projekt unter-
stützen, neutraler Sicht formulierten Alternativen, die sich in der Regel aus der Anwen-
dung der vorgegebenen Leitlinien ableiten. Hier hat es sich als praktikabel erwiesen,
nicht mehr als drei robuste Alternativen zu formulieren, die aber geeignet sind, eine Dis-
kussion in dem Entscheidergremium zu erzeugen. Meist kommt es dann zur Erhöhung

Grundlegende Alternativen aus der Anwendung Aus neutraler


Leitlinien/Vorgaben/Problemlösung (3) Sicht formulierte
Alternativen

Berücksichtigung von Interessenlagen oder Härtefällen

Diskutierte Alternativen unter Kombination Denkbare


verschiedener Grundtypen (3 - 6) und deren Alternativen
Derivate

Reduktion von Alternativen durch Ausschlusskriterien

Ausformulierte
Umsetzungs- Robuste
alternativen Alternativen
(2)

Bewertung der Alternativen nach verschiedenen Kriterien

Umsetzungs-
alternative Bevorzugte
(1) Alternative

Abb. 3.21  Alternativen Betrachtung bei der Organisationsentwicklung


3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 93

der Anzahl der Alternativen, wenn Interessenlagen oder Härtefälle mitberücksichtigt


werden. Oder allein aus der Kombinatorik der Grundtypen lassen sich weitere Alternati-
ven, z. B. Mischformen bilden. Im dritten Schritt muss die Anzahl der Alternativen wie-
der reduziert werden. Es sollten nicht mehr als sechs oder acht Alternativen diskutiert
werden, sonst wird das Ganze unhandlich bzw. unterscheiden sich die Alternativen nur
in Nuancen. Hierzu bietet es sich an, im Rahmen von Interviews Pro- und Kontraargu-
mente für die zur Diskussion stehenden Alternativen zu sammeln. Ziel muss es sein, im
Ausschlussverfahren Alternativen auszuschließen. Dafür werden stichhaltige Argumente
benötigt, die von allen Entscheidern akzeptiert und anerkannt werden. Ist das nicht der
Fall, wird bei nächster Gelegenheit die bereits ausgeschlossene Alternative erneut ins
Rennen geschickt. Ziel muss es sein, das Ganze auf zwei Alternativen zu verdichten, die
oftmals gleichwertig, aber sehr wohl ganz unterschiedlich was die Struktur anbetrifft,
sind. Hieran kann sich eine weitere Bewertungsrunde anschließen. Die Pro- und Kont-
raargumente werden dann in einer finalen Entscheidungsrunde erneut diskutiert und eine
präferierte Umsetzungsalternative abgeleitet. Diese bildet dann häufig die Grundlage, um
in weiteren Gremien, z. B. Betriebsrat etc. die Akzeptanz einzuwerben. Dabei ist es auch
wichtig, die Argumente darzustellen, die zur Entscheidung für die nun präferierte Alter-
native geführt haben.
Wenn man so will, folgt die Diskussion der Alternativen einer Wellenbewegung. Am
Anfang schaukeln sich die Wellen aufgrund provokant formulierter Alternativen hoch, je
mehr Argumente Pro und Kontra gesammelt und ausgetauscht werden, umso mehr beru-
higt und versachlicht sich die Diskussion in den Entscheidergremien. Der Weg von einer
zunächst geringen Anzahl, dann Ausweitung und dann gezielter Reduktion der Anzahl
der Alternativen trägt dazu bei, dass die Entscheider das Gefühl haben, alle Argumente
gehört und abgewogen zu haben, und erhöht damit die Entscheidungssicherheit bzw.
reduziert die Entscheidungsunsicherheit. Es wird damit auch klar, dass das Ergebnis
nicht von vorneherein feststand, sondern jede sinnvolle Alternative eine Chance hatte. Es
leistet damit einen aktiven Beitrag zum Change Management.

3.3.4 Soll-FTE, Soll-Headcount

Unternehmen und folglich deren Organisationen müssen sich heute mehr denn je in
einem internationalen Wettbewerb behaupten. Der stetig steigende Kostendruck resul-
tiert auch darin, die eigene Organisationsstruktur möglichst effizient gestalten zu müssen
und in vielen Fällen dazu, dass die vorhandenen Personalressourcen optimiert eingesetzt
werden müssen. In Organisationsentwicklungsprojekten stellt sich somit oft die Frage,
wie die gegebenen Ressourcen besser, effizienter oder flexibler eingesetzt werden kön-
nen. In diesem Buch soll es jedoch weniger um die Fragestellung gehen, wie die vorhan-
denen Ressourcen flexibler einzusetzen wären. Typische Beispiele sind hier Job-Sharing
und/oder Job-Rotation. Hier sei auf die existierende weiterführende Literatur verwie-
sen. Hier liegt der Fokus auf der Vorgehensweise zur Ableitung der Soll-FTE-Zahl für
94 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

die Soll-Organisation. In der Praxis kann dies auf unterschiedlichsten Wegen erfolgen.
Einige in Organisationsprojekten häufig genutzte Varianten werden im Folgenden kurz
beschrieben. Der Unterschied zwischen den Bezeichnungen Headcount und Full-Time-
Equivalent wurde bereits in Kap. 2 erläutert (siehe Gliederungspunkt Abschn. 2.7 Staf-
fing Headcount – FTE). Aus Gründen der Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wird
im Folgenden lediglich der Begriff FTE weiterverwendet.

Zielvorgabe Top-down Eine Variante der Ermittlung von Soll-FTE Anzahlen ist die
Festlegung mittels einer einfachen Zielvorgabe „top down“ seitens des Managements des
Unternehmens. In diesem Fall erfolgt die Definition der Soll-FTE-Zahl durch die Reduk-
tion der vorliegenden Anzahl um einen gewissen Prozentsatz, beispielsweise 20 %. Diese
Methode wird häufig auch als sogenannter „Haircut“ bezeichnet. In der Praxis ist dies eine
durchaus weitverbreitete Methode, da sie das angestrebte Reduktionspotenzial in der Regel
gleichmäßig verteilt und die Durchführung ohne voranstehende grundlegende Analysen
gestartet werden kann. Insbesondere bei Organisationsentwicklungsprojekten, die schnell
Ergebnisse erzielen sollen, und/oder bei komplexen, weit gefassten Restrukturierungspro-
jekten mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Organisationseinheiten und Teilprojekten,
findet diese Variante vielfache Anwendung. Gerade diese durch das Management ver-
ordnete Top-down-Variante wird in der Praxis, jedoch durchaus kritisch gesehen, da sie
immer die Hypothese birgt, dass in der existierenden Organisation bis zu einem gewissen
Prozentsatz (in unserem fiktiven Beispiel 20 %) Ineffizienzen bestehen und eine poten-
zielle Straffung der Aufgaben bzw. der hierfür benötigten Ressourcen –von vornherein –
unterstellt wird. Das mag für manche Abteilungen zutreffen, für andere nicht. Oft bleibt
dabei unberücksichtigt, dass dann Aufgaben künftig schlicht wegfallen müssen.

Benchmarking Sollgrößen für veränderte Organisationen oder Organisationsteile kön-


nen auch durch das Hinzuziehen von Benchmarks ermittelt werden. Diese dienen im
ersten Schritt dazu, mittels eines strukturierten Vergleichs definierter Indikatoren oder
Kennzahlen des eigenen Unternehmens mit den Daten von anderen Unternehmen poten-
ziell vorliegende (eigene) Produktivitätslücken bzw. einen Personalüberhang aufzu-
decken. In der Praxis ist es für Unternehmen ohne externe Unterstützung in der Regel
jedoch schwierig, geeignete Datengrundlagen vorzuhalten. Hier wird nicht selten die
Unterstützung von externen Beratern benötigt, die mit ihrer Erfahrung auf ein breiteres
Know-how-Spektrum zurückgreifen können oder Zugriff auf eine geeignete Datenbasis
haben. Werden beispielsweise die Vertriebsmitarbeiterzahlen untersucht, ist die Frage zu
beantworten, was alles zum Vertrieb zählt und was nicht. Werden selbstständige Handels-
vertreter eingesetzt oder externe Vertriebspartner? Wie immer beim Benchmarking ist
also die Frage der Vergleichbarkeit der Zahlen zu untersuchen. Nicht selten kann gerade
daraus der Erkenntnisgewinn gezogen werden. Idealerweise sollten die Daten, mit denen
die eigene Organisation verglichen wird, von Unternehmen aus der gleichen Branche
oder Industrie sein, da unterschiedliche Industrien und Branchen unter Umständen eine
völlig unterschiedliche Ressourcenbindung in den zu vergleichenden ­Funktionsfeldern
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 95

aufweisen können. Die Erfahrung zeigt, dass diese Methode des Benchmarkings vielfach
an der unzureichenden Datenqualität der eigenen Organisation oder aufgrund der man-
gelnden Vergleichbarkeit und Belastbarkeit der externen Vergleichsdaten scheitert. Sol-
che Benchmarks sind nicht leicht zu beschaffen, zumal erst die Kenntnisse der Prozesse
und Strukturen dahinter weiterhilft. Benchmarks sind aber durchaus geeignet, um Deltas
und Lücken zu identifizieren und eine Detailanalyse anzustoßen.

Veränderter Zuschnitt Eine Ableitung einer Soll-FTE-Zahl kann auch durch die Verän-
derung des Zuschnitts der Aufgabenumfänge erfolgen. Hierbei werden die bisherige Auf-
gabenverteilung und das bisherige Aufgabenbündel sowie die Zuordnung der jeweiligen
Verantwortlichkeiten neu zugeordnet (siehe hierzu auch Gliederungspunkt Abschn. 3.3.5.
Soll-Aufgaben anhand AKV – Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung). Liegt aus der
Aufgabenanalyse eine Sammlung der wahrgenommenen Aufgaben einer Abteilung vor,
und es fallen künftig Aufgaben weg oder die Aufgaben werden von anderen Abteilungen
übernommen, fällt die erforderliche FTE-Kapazität weg. Alternativ erfolgt eine Bünde-
lung sowie stärkere Verdichtung der einzelnen Aufgaben auf eine geringere Anzahl an
Mitarbeitern, wenn erkennbar wird, dass Kapazitäten ungenutzt sind. In diesem Fall birgt
diese Alternative am Ende auch ein FTE-Einsparpotenzial.

Entfall von Aufgaben Mit der zunehmenden Vernetzung von Produktionsstätten und
leistungsfähigeren IT-Systemen sowie den in den letzten Jahren immer schnelllebiger
gewordenen Entwicklungen im Technologieumfeld gewinnen für viele Unternehmen ins-
besondere die Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 einen immer höheren Stellen-
wert. Unternehmen können durch neuartige Technologien Produkte anders entwickeln,
herstellen oder auch verkaufen. Unternehmen müssen sich heute zunehmend mit neuen
Technologien auseinandersetzten, sei es bei der Entwicklung und Vermarktung ihrer eige-
nen Produkte oder beispielsweise bei der Weiterentwicklung ihrer Produktionsstätten
und Anlagen (siehe hierzu auch Linz et al. 2017, S. 46 f.). Bei letzterem halten in den
letzten Jahren durch die zunehmende Automatisierung gravierende Veränderungen Ein-
zug. Hier sind in erster Linie die Entwicklungen rund um das Stichwort Industrie 4.0 zu
nennen. Produktionsnetzwerke und einzelne Maschinen werden smarter (dt. intelligen-
ter), kommunizieren miteinander und tauschen eigenständig Informationen untereinander
aus. Dieser technologische Fortschritt führt jedoch in der Konsequenz auch dazu, dass
einfache Tätigkeiten in den direkten Unternehmensbereichen, die vormals von Produk-
tionsarbeitern verrichtet wurden, entfallen bzw. deren Durchführung von Maschinen und
Anlagen selbst und größtenteils autark durchgeführt werden. Die Wertschöpfung, die vor-
her durch die Aktivitäten der Mitarbeiter geleistet wurde, wird somit substituiert durch
eine Wertschöpfung, die durch moderne Maschinen erbracht wird. Beispielsweise beim
Einsatz von Robotern. Die Wirtschaftlichkeit wird ja gerade durch den Entfall von manu-
ellen Arbeitsumfängen gerechtfertigt. Durch Investitionen in moderne Produktionstechnik
wird in der Regel ein höherer Automatisierungsgrad erreicht. Dieser wiederum birgt u. U.
ein Potenzial in den FTE-Ressourcen dieser Bereiche. In ­zahlreichen Branchen fallen
96 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Arbeitsplätze einfach weg, beispielsweise in der Musikindustrie. Die Verkaufszahlen von


CDs sind seit Jahren rückläufig, weil immer mehr digital über das Internet konsumiert
wird. Das gleiche gilt für Filialen von Handelsunternehmen, die geschlossen werden, weil
immer mehr online bestellt wird, Banken schließen seit Jahren Filialen, weil immer mehr
Bankgeschäfte online abgewickelt werden können. Die Digitalisierung wird weiter dazu
führen, dass sich Aufgaben und deren Gewichtung verlagern oder sogar ganz verschwin-
den. Mit welcher Geschwindigkeit in welchen Branchen das passiert, vermag keiner
zuverlässig zu sagen. Aber die Änderungen werden auch immer wieder Anpassungen in
der Organisation nach sich ziehen.

Verändertes Mengengerüst oder Produktivitätsgewinn Bedarf für Anpassungen der


Kapazität ergibt sich auch, wenn Mengengerüste sich ändern, etwa durch eine steigende
Anzahl Vorgänge, die zu bearbeiten sind. Dies gilt sowohl für direkte wie auch für indi-
rekte Bereiche. Fraglich ist immer, gibt es eine mengenabhängige Größe, die eindeutig
mit dem Kapazitätsbedarf zusammenhängt. Beim operativen Einkauf sind das die Anzahl
der Bestellungen, beim Vertrieb sind das Angebote und Kundenaufträge, in der Fertigung
sind das die Anzahl der Fertigungsaufträge sowie die jeweilige Losgröße usw. Klassische
indirekte Funktionen nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis stellen beispielsweise
die Funktionen Personal, Einkauf, Controlling und Rechnungswesen, Buchhaltung oder
IT dar. Um einem erhöhten Kapazitätsbedarf bei steigendem Mengengerüst zu begegnen,
ist der gezielte Einsatz von geeigneten IT-Systeme vielfach von Interesse. Abläufe und
Aufgaben, die bisher aufwendig und manuell bearbeitet wurden, können durch spezifi-
sche IT-Tools schneller, einfacher und mit einem höheren Automatisierungsgrad erledigt
werden und tragen somit zu einem Effizienzgewinn bei. Ein Beispiel, das in diesem Rah-
men bereits Erwähnung fand, ist die klassische Rechnungsprüfung innerhalb der Buch-
haltung. Diese lässt sich heute nahezu vollständig automatisiert prozessieren. Dadurch
fallen diese Tätigkeiten der Rechnungsprüfung weitgehend weg. Selbstverständlich müs-
sen Sonderfälle weiterhin manuell geprüft werden, oder über Freigabeworkflows wird
die Arbeit auf andere Funktionen verteilt.
Durch den Einsatz funktionsübergreifender und integrierter IT-Lösungen können also
klassische indirekte Funktionen und Bereiche häufig noch weiter optimiert werden. Die
Schwierigkeiten liegen dann häufig darin, dass Aufgaben sich verschieben, weil z. B.
bestimmte Stellen im Prozess mehr Daten erfassen müssen als zuvor. Ein typisches Bei-
spiel ist die Erfassung und Pflege von Stammdaten für ERP-Systeme. Diese stellen das
Datengrundgerüst dar, ohne das ein integriertes System nicht funktioniert. Es kann aber
auch sein, dass durch IT-Systeme scheinbar viel mehr Daten als zuvor erfasst werden
und der subjektive Eindruck entsteht, dass am Ende die Systemnutzung mehr Arbeit
bedeutet als zuvor. Solche Punkte sind zu objektivieren, indem Vorher-Nachher-Ver-
gleiche angestellt werden. Produktivitätssteigerungen lassen sich also bei indirekten
Funktionen genauso ermitteln und berechnen wie bei direkten Produktionsprozessen.
Grundlage sollte eine Aufgabenanalyse sein, aus der hervorgeht, welche Aufwandstrei-
ber stehen hinter den einzelnen Aufgaben bzw. welches Mengengerüst. Im einfachsten
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 97

Top-down

Zielvorgaben Benchmarking

Anderer Zuschnitt Aufgaben/Harmonisierung

Entfall von Aufgaben Verändertes Mengengerüst/Produktivität

Bottom-up

Abb. 3.22  Ableitung Soll-FTE-Anzahl

Fall korreliert der Aufwand linear mit dem zugrunde liegenden Mengengerüst. Wird die
Menge halbiert, fallen 50 % des Aufwands weg. Mit dem Entfall der Hauptaufgabe fal-
len ggf. weitere Nebentätigkeiten weg, obwohl diese nicht direkt vom Hauptmengen-
treiber abhängen. Die Genauigkeit solcher Berechnungen liegt bei etwa ± 0,1 FTE. Das
reicht aber in der Praxis aus, wenn die richtigen Tendenzen daraus ableitbar sind.
Abb. 3.22 Ableitung Soll-FTE Anzahl fasst die beschriebenen Alternativen zur Ablei-
tung einer Soll-FTE-Zahl nochmals zusammen. Danach können Top-down und Bottom-
up-Ansätze unterschieden werden. Top-down-Ansätze nehmen keine Rücksicht auf
konkrete Aufgaben- und Tätigkeitsprofile, sondern stellen die FTE-Dimensionierung
grundsätzlich infrage. Das hat den Vorteil, dass wahrgenommene Aufgaben grundsätzlich
überprüft werden. Bottom-up kommt eher von der konkreten Aufgabenebene und FTE-
Verteilung auf diese Aufgaben. Anhand der zugrunde liegenden Mengengerüste werden
Soll-FTE-Zahlen berechnet oder abgeleitet. Selbstverständlich sind noch weitere Varian-
ten denkbar. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird auch hier nicht erhoben.

3.3.5 Soll-Aufgaben anhand AKV (Aufgaben, Kompetenzen,


Verantwortung)

Organisation sind dann u. a. vollständig und eindeutig beschrieben, wenn auch klar ist, wel­
che Aufgaben durch welche Funktionen oder Abteilungen wahrgenommen werden, welche
Kompetenzen damit verbunden sind und welche Verantwortung damit ­übernommen wird.
98 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Eine mögliche Variante zur Ableitung der Soll-Aufgaben stellt das sogenannte AKV-Modell
dar. Dies steht für die betrachteten Dimensionen: Aufgaben – Kompetenzen – Verantwor-
tung. Gerade wenn Abteilungen durch andere Zuschnitte neu zusammengesetzt werden,
kann es sehr zielführend sein, nochmals aktiv die AKV für die gewählte Abteilungsstruktur
aktiv zu definieren. Im Rahmen eines Vorgehens zur Organisationsentwicklung setzt eine
AKV-Definition meist auf eine bereits vorgenommene Soll-FTE-Dimensionierung auf, ins-
besondere dann, wenn die betroffenen Mitarbeiter in die AKV-Definition aktiv eingebunden
werden sollen.

Aufgaben Zunächst gilt es zu umreißen, welche Aufgaben von der Unternehmenseinheit/-


abteilung übernommen werden sollen. Dies erfolgt im einfachsten Fall so, dass eine Liste
erstellt wird, welche Aufgaben von einer Funktion wahrgenommen werden sollen. Darü-
ber hinaus ist zu klären, wie dieses Aufgabenspektrum auf die festgelegten FTE-Anzahlen
grob verteilt werden soll. Falls erforderlich, ist auch festzulegen, welche Funktion welche
konkreten operativen Einzelaufgaben übernimmt. Anschließend ist es sinnvoll, für die defi-
nierten Tätigkeiten die erwarteten jährlichen Mengengerüste abzuschätzen, die hinter diesen
Aufgaben stehen, um die FTE-Dimensionierung zu plausibilisieren. Beispiele können hier
sein, die Anzahl Belege, Rechnungen, Reklamationen, Tests, Audits, getätigter Angebote
oder Bestellungen, die Anzahl bearbeiteter Projekte etc. Es bietet sich an, diese Schätzungen
auf Basis eines vollen Mannjahres zu berechnen. In diesem Kontext kann zusätzlich her-
ausgearbeitet werden, welche Aufgaben künftig im Rahmen welcher Unternehmensprozesse
wahrgenommen werden. Aus den so abgeleiteten Hauptaufgaben für eine Funktion oder
Abteilung lassen sich später auch die künftigen Aufgabenprofile und Stellenbeschreibungen
ableiten.

Kompetenzen Nach der Definition der Aufgaben können aus diesen Ergebnissen die
erforderlichen Kompetenzprofile, die zur erfolgreichen und vollständigen Erledigung der
Aufgaben benötigt werden, abgeleitet werden. Dies sind in der Regel formale Aspekte
wie Zeichnungsbefugnisse, Vollmachten oder auch Weisungsbefugnisse in einem
bestimmten Bereich oder für spezifische Unternehmensgeschäfte. Wer hat die Kom-
petenz, ein Angebot abzugeben? Wer hat die Kompetenz, einen Auftrag zu bestätigen?
Wer darf einen Auftrag in der Fertigung einplanen? Wer legt die Auslieferung fest? Wer
definiert die Höhe der vorgehaltenen Bestände? So muss beispielsweise eine Vertriebs-
leitungsfunktion fähig sein, Kundenaufträge und deren finale Geschäftsverträge in einem
gewissen Maß eigenständig zum Abschluss bringen und rechtswirksam im Auftrag der
Firma unterzeichnen zu können, ohne für jeden Vertrag die Unterschrift der Geschäfts-
führung zu benötigen. Das gleiche gilt selbstverständlich für einen Einkaufsleiter, der
Lieferverträge bis zu einem bestimmten Volumen gemeinsam mit einem Kollegen gegen-
zeichnen können muss. Es sei an der Stelle erwähnt, dass die meisten Unternehmen hier
interne Zeichnungsrichtlinien geschaffen haben, um zum einen das unternehmerische
Risiko einzugrenzen und ggf. auch Missbrauch vorzubeugen.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 99

Vielfach wird im Rahmen des AKV-Modells bei der Kompetenz in Durchführungs-


und Leitungskompetenz entschieden. Durchführungskompetenz bezeichnet hier, selbst
die Leistung zu erbringen, beispielsweise eine Lieferantenbewertung durchzuführen oder
eine Qualitätsabweichung festzustellen. Leitungskompetenz stellt eher auf die Fähigkeit
ab, Themen eigenständig zu entscheiden und zu steuern und in diesen Themen die Füh-
rung (Leadership) zu gewährleisten. Leitungskompetenz kann beispielhaft bedeuten, für
andere Stellen Entscheidungen treffen zu können, anderen Stellen Weisungen erteilen zu
können, anderen Stellen Richtlinien erteilen zu können und die richtige Ausführung der
Weisungen auch kontrollieren zu können.

Verantwortung Zuletzt ist abzugrenzen, welche Verantwortung mit der Erfüllung der
Aufgabe übernommen wird und damit verbunden ist. Klassische Beispiele in der Praxis
sind hier zum einen eine dezidierte Ergebnisverantwortung für eine Unternehmensein-
heit, für ein bestimmtes Geschäftsfeld oder eine bestimmte Marktregion – je nachdem
nach welchen Segmentierungskriterien die Unternehmung (siehe hierzu Gliederungs-
punkt Abschn. 3.3.1 Segmentierungskriterien) geschnitten ist. Zum anderen kann auch
eine festgelegte Budgetverantwortung in einem vorab definierten Umfang als Beispiel
genannt werden. Beispiele könnten u. a. Marketingverantwortliche sein, die in der Praxis
über vorab freigegebene Budgets für Kampagnen zur Einführung eines neuen Produktes
verfügen oder Leiter von Forschungsabteilungen für spezifische Forschungsaktivitäten,
die hierfür ein bestimmtes Budget zur Verfügung gestellt bekommen. Bei der Dimen-
sion der Verantwortung im AKV-Modell (Abb. 3.23) ist es mitunter wichtig, neben der
reinen Definition dieser Verantwortung, auch festzulegen, auf Basis welcher geeigneten
­Messgrößen diese gemessen werden kann. Im Allgemeinen sind diese Punkte im Rah-
men von individuellen Zielvereinbarungen, die insbesondere Führungskräfte oder auch
Projektleiter unterzeichnen, geregelt. Eine konsequente Nachverfolgung und Messung
ist somit in der Regel möglich. Problematisch kann es werden, wenn die Verantwortung,
wie bereits näher beschrieben, innerhalb einer global operierenden Matrixorganisation
auf mehreren „Köpfen“ verteilt ist.
Die strukturierte Erarbeitung der drei Elemente Aufgabenprofile, Kompetenzpro-
file und Verantwortlichkeiten erfolgt in der Praxis häufig durch eine Workshopreihe. In
diesem Fall lassen sich die Inhalte gemeinsam mit den Mitgliedern einer oder mehrerer
Abteilungen strukturiert und aufeinander aufbauend erarbeiten. Die Mitglieder der Fach-
bereiche können hierbei auf ihre bisherigen Erfahrungen zurückgreifen und wichtigen
Input liefern. Zudem ist es ihnen möglich, eine belastbare Einschätzung zu treffen, z. B.
wenn es um die Fragestellung geht, welche Mengengerüste zu bestimmten operativen
Aufgaben vorliegen oder auch bei der Beantwortung der Fragestellung, welche Befug-
nisse eine Funktion haben muss, um spezifische Sachverhalte möglichst eigenständig
und effizient bearbeiten zu können. Das Know-how und die Erfahrung der Mitarbeiter
sind hier essenziell und sollte bei der Ausgestaltung der Funktionen aktiv genutzt wer-
den. Alternativ zu einer Workshopreihe könnten die Abfragen auch über Einzelinter-
views getätigt werden. In der Praxis hat sich jedoch das eher interaktivere Format eines
100 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Abb. 3.23  Verhältnis AKV bei Organisationsveränderungen

­ orkshops als Instrument vielfach durchgesetzt. Einmal aufgeschrieben und dokumen-


W
tiert heißt aber noch nicht, dass die Soll-Profile damit auch umgesetzt sind. Die so erar-
beiteten AKV-Profile sind in geeigneten Runden zu erläutern und anhand von konkreten
Geschäftsvorfällen zu überprüfen. Wenn Stellenprofile sich verändern, sind diese nach-
zuziehen und an die AKV-Profile anzugleichen.
In Abb. 3.24 wird ein mögliches Vorgehen illustriert mittels einer klassischen Kar-
tenabfrage an die Teilnehmer eines Workshops. Die verschiedenen Sichten lassen sich
so leicht strukturieren, verdichten und zur weiteren Bearbeitung dokumentieren. Der
Begriff Level steht hier für verschiedene Abteilungen oder Funktionen. Prinzipiell ist in
diesem Format ein stufenweiser Ansatz zu empfehlen, weil die Begriffe Aufgaben und
Verantwortung sich nicht immer eindeutig sprachlich abgrenzen lassen. Zu Beginn sind
die konkreten Einzelaufgaben abzufragen und zusammenzustellen. Im zweiten Schritt
ist dann die Verantwortung, die mit dieser Aufgabe übernommen wird, zu formulieren
und im dritten Schritt sind die Kompetenzen, die zur vollständigen Erfüllung dieser Auf-
gabe notwendig sind, abzuleiten. Wird das wie dargestellt für verschiedene Abteilungen
übereinander dargestellt, wird auch im Zuge einer aktiven Schnittstellendefinition klar,
welche Abteilung die Verantwortung übernimmt und welche Abteilung z. B. nur erfor-
derliche Informationen dazu liefert.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 101

Abb. 3.24  Vorgehen Abgrenzung Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung

Abb. 3.25 verdeutlicht beispielhaft, wie eine Abgrenzung von Aufgabenprofilen im


Rahmen einer ganzheitlichen Auftragsabwicklungsfunktion aussehen kann. Hier wer-
den zunächst drei Funktions-/Aufgabenfelder unterschieden: Vertrieb, Auftragsabwick-
lungszentrum und Supply Chain Management. Alle drei Organisationsteile haben alle
innerhalb der Auftragsabwicklung spezifische Aufgaben. Hier steht zunächst die klare
Zuordnung und klare Abgrenzung der Aufgaben im Vordergrund. Das Beispiel ist fik-
tiv und hat keinen allgemein gültigen Charakter. Aufgaben sollten immer zum Ausdruck
bringen, was getan wird und welches konkrete Ergebnis sich daraus ableitet. Aus den
definierten Aufgabenprofilen lassen sich die Verantwortlichkeiten und zur Erfüllung der
Aufgaben notwendigen Kompetenzen – wie eingangs beschrieben – ableiten. Wer die
Aufgabe übernimmt, alle notwendigen Materialien beschaffen zu müssen, übernimmt die
Verantwortung, dass diese rechtzeitig in der richtigen Menge und Qualität zur Verfügung
stehen. Dann muss er auch mit der Kompetenz ausgestattet sein, die richtigen Lieferan-
ten wählen zu können und die Liefer- und Leistungskonditionen verhandeln zu können.
Die Ergebnisse eines angewendeten AKV-Modells in einem Beispiel aus einer Funk-
tion des Anforderungsmanagements werden in Abb. 3.26 visualisiert. Neben den Dimen-
sionen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kann es u. U. sinnvoll sein,
auch die Schnittstellen, die diese Funktion zu anderen Fachbereichen und Funktionen
hat, aufzunehmen.
In diesem Fall sind dies die Leitung Business Unit (der Geschäftseinheit), Demand
Manager anderer Divisionen, sowie Demand Manager der eigenen Business Unit und
weitere Schnittstellen zu anderen Fachabteilungen innerhalb der IT. Hinweis: Demand
102 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Supply Chain
Vertrieb Auftragsabwicklung
Management

Kundenkontaktmanagement Durchführung der erforderlichen Beschaffen aller notwendigen


Klärung für eine fremdbeschafften Materialien
Generierung Leads
Kundenspezifikation mit Lieferantenmanagement
Durchführung Kundenbesuche
Überführung der Kunden- Organisation der vertrags-
Erfassen der spezifikation in eine gemäßen Auslieferung
Kundenspezifikationen Auftragsspezifikation
Einkauf von Frachten
Erstellen termingerechtes, den Anlage der Kundenaufträge
Schaffung geeigneter
Anforderungen entsprechendes
Einplanen der Kundenaufträge systemtechnischer
Angebot
in der Kapazitätsplanung Voraussetzungen und Prozesse
Messung der Erfolgsrate im Wertschöpfungsverbund
Erstellung einer ganzheitlich
Angebote
optimierten Planung …
Erstellen Auftragsbestätigungen
Verfolgen der Umsetzung eines
nach Einholen der
Kundenauftrags in der
erforderlichen Klärungen
Produktion
Mitwirkung bei der

Weiterentwicklung der Produkte

Abb. 3.25  Beispiel Abgrenzung Soll-Aufgaben

Abb. 3.26  Darstellung Ergebnisse AKV am Beispiel IT


3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 103

Manager bezeichnen Anforderungsmanager in größeren Organisationsstrukturen eine


IT-Funktion, die die jeweiligen Bedarfe der operativen Geschäftseinheiten zum Themen-
feld IT bündelt und zentral bei der Unternehmens-IT einsteuert. Ist eine solche Funk-
tion etabliert, ist es deren Rolle, einer Art Gate-Keeping-Funktion nachzukommen. Im
Vordergrund steht, die Anforderungen der Fachabteilungen aufzunehmen, die Vielfalt der
IT-Systeme und Lösungen im Gesamtunternehmen systematisch einzugrenzen und zum
anderen, die einzelnen operativen Geschäftseinheiten aus einer zentralisierten IT-Orga-
nisation bestmöglich zu bedienen. Hierbei sitzen die Demand Manager häufig direkt in
den operativen Geschäftseinheiten, also nah am Business, und können also die gestellten
Anforderungen anforderungsgerecht in die IT-Organisation weitergeben. Selbstverständ-
lich hat in vielen Fällen, dieser organisatorische Aufbau von IT-Organisationen nicht
zuletzt auch das Ziel, Skalen- und Synergieeffekte für die Gesamtorganisation zu maxi-
mieren.
Die AKV-Darstellung nimmt einen festen Platz bei der Beschreibung von Orga-
nisationen ein. Insbesondere ihre vergleichsweise einfache Darstellungsform und ihr
verhältnismäßig geringer Dokumentationsaufwand stellen für viele Praktiker eine aus-
reichende Form bei der Darstellung von Verantwortlichkeiten, Aufgaben und der vorlie-
genden Kompetenzverteilung in einem Unternehmen dar, ohne dass es zu akademisch
wird. Gleichwohl muss auf eine konsistente Ebene bei der Formulierung geachtet wer-
den. Die AKV Darstellung kommt primär von der Ebene der Aufgaben und leitet dar-
aus Verantwortungen und Kompetenzen ab. Gleichwohl kann auch als erste Sicht die der
Verantwortungen gewählt werden, um daraus dann die wahrzunehmenden Aufgaben und
Kompetenzen abzuleiten. Das bietet sich dann an, wenn klare Verantwortlichkeiten im
Vordergrund der Problematisierung und Diskussion stehen. Ein Modell, bei welchem die
Verantwortlichkeiten von Haus aus im Vordergrund stehen, ist das RACI-Modell.

3.3.6 RACI-Darstellung (Responsible, Accountable, Consulted,


Informed)

Neben dem AKV-Modell existiert ein weiteres Modell, mit dessen Hilfe bestehende Ver-
antwortungen, Kompetenzen und Aufgabenverteilungen in Organisationen beschrieben
werden können. Insbesondere bei der Darstellung von Verantwortlichkeiten in existie-
renden Prozessen und Abläufen hat sich in der Praxis vielfach die sogenannte RACI-
Darstellung etabliert. Das Modell kommt aus dem Englischen und steht abgekürzt für
die Begriffe Responsible, Accountable, Consulted, Informed. Auch dieses Modell hat –
analog dem AKV-Modell – das Ziel, bestehende Verantwortlichkeiten, die existierende
Aufgabenverteilung sowie die gegebene Kompetenzzuordnung in komplexen übergrei-
fenden Prozessen darzustellen. Es unterscheidet dabei aber vier Dimensionen. Um das
Modell erfassen zu können, muss zunächst auf die Definitionsbeschreibung der einzelnen
Dimensionen eingegangen werden.
104 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Responsible: Responsible (dt. verantwortlich) bezeichnet die Funktion oder die Person,
die für die Erfüllung einer zugewiesenen Tätigkeit verantwortlich ist. Sie führt demnach
die Aufgabe operativ selbst durch und kümmert sich um ihre vollständige Abarbeitung.
Die Durchführung kann entweder eigenständig erfolgen oder die Responsible-Person
kann weitere Funktionen zur Abarbeitung hinzuziehen. Dies ist vielfach der Fall, wenn
die Erfüllung der Aufgabe eine übergreifende Klärung von verschiedenen Fragestellun-
gen bzw. Sachverhalten erfordert, bei denen also mehrere Funktionen oder Abteilungen
involviert werden müssen. Verantwortlich für die Koordination dieser Zusammenar-
beit bleibt die Responsible-Funktion. Sie fügt die verschiedenen Inputs zusammen und
schließt die Aufgabe final ab.

Accountable: Accountable (dt. verantwortlich/rechenschaftspflichtig) ist die Funktion


bzw. Person, die nach Durchführung der Aufgabe entscheidet, ob die Aufgabe durch die
Responsible-Funktion in vollem Umfang und korrekt ausgeführt wurde. Die Accoun-
table-Funktion ist zwar nicht für die operative Maßnahmenabarbeitung verantwort-
lich, trägt aber die Gesamtverantwortung zur vollständigen Erfüllung der Aufgabe. Die
Accountable-Funktion ist häufig einer anderen Unternehmensfunktion über den Verlauf
der Abarbeitung der Aufgaben rechenschaftspflichtig.

Consulted: Consulted (dt. beratschlagen/befragen) bezeichnet die Personen oder Funk-


tionen, die die Responsible-Funktion zur Lösung der Aufgabe heranziehen kann. Klas-
sischerweise sind dies Funktionen mit spezifischen technischen Fachkenntnissen oder
sonstige Spezialisten auf einem bestimmten Fachgebiet. Die Consulted-Funktion unter-
stützt somit bei der Lösung der Aufgabe.

Informed: Informed (dt. informieren) bezeichnet den Personenkreis, der nach


Abschluss der Aufgabe über die Ergebnisse der Aktivitäten informiert wird. Dieser
Informationsfluss ist in der Regel einseitig, d. h. die Empfänger nehmen die Information
lediglich zur Kenntnis. Eine Rückkopplung findet nicht zwingend statt.

Abb. 3.27 fasst die Kernaussagen des RACI-Modells zusammen.


Wie aus der Definition ersichtlich, ist das Modell auf den ersten Blick nicht leicht zu
erfassen. Vor allem die Unterscheidung zwischen Responsible und Accountable bereitet in
der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Accountable ist diejenige Funktion, die an dem
Erfolg der Aufgabenerfüllung gemessen wird. Das heißt aber nicht, dass die jeweilige
Funktion auch die Aufgabe selbst ausführen muss. Wird die Aufgabe nämlich delegiert,
ist eine andere Funktion dafür Responsible, was hier dann am ehesten mit „verantwort-
lich“ übersetzt werden kann. Für jede Aufgabe sind die vier Dimensionen zu beschrei-
ben. Das kann dann mitunter aufwendig werden. Gleichwohl eignet sich die Methode,
um in moderierten Workshops strukturierte Diskussionen zur Zuordnung von Aufgaben
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 105

Responsible – Wer ist für die Durchführung der Aufgabe


verantwortlich?
R Genannt wird üblicherweise eine Person, auch wenn diese weitere
Personen zur Abarbeitung der Aufgabe hinzuziehen kann

Accountable – Wer entscheidet, ob die Aufgabe korrekt


durchgeführt wurde?
A Oft delegiert diese Person eine Aufgabe an die „responsible“
Person und prüft die Ergebnisse der Durchführung

Consulted – Wer wird zur Durchführung der Aufgabe befragt?

C Hier handelt es sich oft um Fachexperten oder Dritte, die nicht


direkt an der Durchführung beteiligt sind, die jedoch beratend zur
Seite stehen

Informed – Wer wird über die Ergebnisse der Aufgabe informiert?


I Hier findet in der Regel keine zweiseitige Kommunikation statt,
sondern es werden lediglich Informationen übertragen

Abb. 3.27  RACI-Darstellung

in einer Organisation zu führen. Sie eignet sich vor allem, um Aufgabenverantwortlichkei-


ten zwischen Abteilungen darzustellen, indem eine Matrix aus Aufgaben und Abteilungen
gebildet wird, in welche dann die entsprechenden Werte eingetragen werden. Dies veran-
schaulicht, dass zur Aufgabenerfüllung mehrere Abteilungen mitwirken müssen.
Im Beispiel in Abb. 3.28 ist Abteilung F&E für die Durchführung der Entwicklungs-
projekte verantwortlich (= Responsible). Der interne Auftraggeber ist der Fachbereich,
der für das Produktmanagement zuständig ist. Dieser ist Accountable, sie muss sicher-
stellen, dass die richtigen Produkte mit den relevanten Marktanforderungen entwickelt
werden. Das gilt auch für deren Einführungszeitpunkt in den Markt. Die Abteilung Con-
trolling wird zur Durchführung der Entwicklungsprojekte nur Consulted, beispielsweise
liefert sie relevante Informationen zu den Entwicklungskosten oder zum Ressourcenver-
brauch. Die Geschäftsführung wird in regelmäßigen Abständen informiert und hat nach
der Logik in der Matrix den Eintrag Informed. Wird die Messung der Einhaltung der
Kosten, Zeit- und Qualitätsziele an das Controlling ausgelagert, wofür deren unabhän-
gige Rolle spricht, ist dennoch die Entwicklungsabteilung für deren Einhaltung Accoun-
table, da bei ihr die Steuerung der Projektressourcen liegt. Der Auftraggeber und die
Geschäftsführung werden lediglich informiert. Wenn es zu Abweichungen kommt, müs-
sen letztlich alle Funktionen zusammenwirken, um eine unternehmerische Entscheidung
abzuleiten.
106 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Forschung & Produkt- Geschäfts-


Aufgabe Controlling
Entwicklung management führung

Durchführung
R A C I
Entwicklungsprojekte

Messung der Zeit-, Kosten-


A I R/C I
und Budgetziele

Auswahl Entwicklungspartner R/A C – I

Durchführung Produktpflege R A C I

R – Responsible
A – Accountable
C – Consulted
I – Informed

Abb. 3.28  Beispiel einer typischen RACI-Darstellung

Das beschriebene Beispiel verdeutlicht bereits, dass selbst bei einer verhältnismäßig
geringen Zahl an Einzelaufgaben und involvierten Funktionen die Abgrenzung zwischen
den einzelnen Rollenfunktionen innerhalb des RACI-Modells nicht trivial verständlich
ist. Insbesondere bei den Rollen Responsible und Accountable ist eine exakte Trennung
teilweise nicht eindeutig. Die Logik steht und fällt mit der geeigneten Strukturierung der
Aufgabenebene. Ist diese zu feingliedrig, wird der Aufwand enorm. Ist diese zu grob,
bringt die Methode keinen Erkenntnisgewinn. In der Praxis erweist sich daher die RACI-
Methode als vor allem dafür eignet, um z. B. aus Sicht einer Abteilung deren Aufgaben
in Abgrenzung zu anderen Funktionen aufzuzeigen. Sie kann daher ergänzend zu der
Formulierung von Soll-Aufgaben verwendet werden. Sie ist dann etwas genauer als eine
reine AKV-Definition. Die RACI-Methode muss sich aber mit dem Vorwurf auseinan-
dersetzen, zu akademisch zu sein. Sie ermöglicht aber eine strukturierte Diskussion zwi-
schen verschiedenen Funktionen, um ausgewählte Themen konstruktiv und weitgehend
objektiv aufzeigen und diskutieren zu können.
Abb. 3.29 gibt ein Beispiel, wie eine andere RACI-Darstellung entlang eines Prozes-
ses – hier am Beispiel einer kundenspezifischen Auftragsfertigung – aussehen kann. Zu
unterscheiden gilt es hier, welchen Neuigkeitsgrad eine Kundenspezifikation hat und wer
welche Rolle bei der technischen Freigabe der Lösung hat. Die Beurteilungskompetenz
über den Neuigkeitsgrad einer Lösung hat hier im Zweifel immer die Entwicklungsabtei-
lung, wenn es sich nicht um einen Standard handelt. Die Schwierigkeit liegt dann in der
Praxis eher darin, Kriterien festzulegen, wann der Standard durchbrochen ist und wann
nicht. Das entbindet aber in diesem Fall die Auftragsbearbeitung nicht, daran gemessen
zu werden, wie viele Kundenprojekte erfolgreich durchgeführt wurden.
3.3

Anfragephase Angebotsphase Auftragsphase

Fall Lösung Ergebnis Responsible Accountable Consulted Informed Status Freigabe


technische (R) (A) (C) (I) Material
Prüfung

Fall neu ähnlich F&E Center Auftrags- QM Geschäfts- Freigabe durch


Beschreibung der Soll-Organisation

1) Standard bearbeitung Produkt- führung F&E bestätigt


management

Fall neu nicht F&E Center Auftrags- QM Geschäfts- Freigabe durch


2) Standard bearbeitung Produkt- führung F&E und
management Produkt-
management

Fall Bestehende Standard Center Auftrags- Center Auftrags- – – Freigabe liegt


3) Lösungs- bearbeitung bearbeitung vor
kombination

Fall Bestehende nicht F&E Center Auftrags- QM – Freigabe durch


4) Lösungs- Standard bearbeitung Produkt- F&E
kombination management

Abb. 3.29  Beispiel RACI Auftragsbearbeitung


107
108 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

3.3.7 Soll-Prozesse

Im Rahmen der Beschreibung der Dimensionen der Veränderung (siehe Gliederungs-


punkt Abschn. 3.1. Dimensionen der Veränderung) wurde das Thema Prozesse und
Abläufe bereits kurz angerissen. Hierbei wurde bereits auch erwähnt, dass am Anfang
des Prozessdesigns zur Definition der Soll-Prozesse in der Regel immer die Typisierung
der Prozesse bzw. zunächst die Unterscheidung von Prozesshierarchien sowie -varianten
steht. Dies ermöglicht eine strukturierte und zielgerichtete Vorgehensweise, da die Pro-
zesse mit steigendem Komplexitätsgrad und steigender Detailtiefe nur mittels einer strin-
genten Eingliederung in eine vorgegebene Prozesshierarchie erfassbar sind. Der Aufbau
in einer grundlegenden hierarchischen Form ist demnach bei der Prozessdefinition essen-
ziell. Jeder Einzelprozess findet sich folglich in einer hierarchischen Aufhängung wieder
(vgl. Kerth et al. 2011, S. 323). Es ist logisch, dass die Detailtiefe und die Anzahl der
Teilprozesse steigen, je tiefer die Prozesse in der hierarchischen Aufhängung angesiedelt
sind.
Abb. 3.30 verdeutlicht die Logik der Prozesshierarchie an einem einfachen Beispiel.
Es wird deutlich, dass die primäre Unterscheidung der Prozesse in die Level 1 und 2
erfolgt. Prozessebene 2 bricht sich wiederum auf in mehrere Teilprozesse. Hier im Ein-
zelnen, in Teilprozesse entlang der Auftragsabwicklung untergliedert nach den verschie-
denen Phasen: Anfragephase, Angebotsphase und Auftragsphase. Es empfiehlt sich, bei
der Darstellungsweise zunächst möglichst aggregiert zu starten und dann in der Darstel-
lung der einzelnen Teilprozesse den Detailgrad schrittweise zu erhöhen. Eine durchge-
hende Nummerierung erleichtert die Navigation im Prozesshaus.
In der Abb. 3.31 werden die einzelnen groben Prozessschritte auf der Ebene 3
beschrieben. Diese entsprechen in der Prozesshierarchie dem in Abb. 3.30 definier-
ten Level 3. Jeder der fünf definierten Prozesse des Level 2 gliedert sich eine Ebene
darunter (auf Level 3) in eine gewisse Anzahl weiterer einzelner Teilprozesse, die die

Level 1

1. Supply Chain Management

1.1 1.2

Auftragsabwicklung Einkauf

Level 2
Start Produktion
1.1 Auftragsabwicklung

1.1.1 Anfragephase 1.1.2 Angebotsphase 1.1.3 Auftragsphase

Abb. 3.30  Beispiel Soll-Prozesse


3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 109

Level 2

1.1.1 1.1.2 1.1.3


Anfragephase Angebotsphase Auftragsphase

Level 3
Input Output

1 2 3 4
Anfrage Abgleich mit Formulierung Beantwortung
Klärung Bedarf/ Klärung offener
Kunde Produkt-/ Rückmeldung Anfrage
Umfang Punkte
Lösungsportfolio Kunde

Abb. 3.31  Beispiel Sollprozesse – Prozesshierarchie

e­ inzelnen Aktivitäten noch genauer beschreiben. Hier ist der Level erreicht, auf welchem
zusätzlich die Input-Output Beziehung dargestellt wird. Im konkreten Fall wird für die
Anfragephase angenommen, dass diese durch eine Kundenanfrage beginnt und mit der
Beantwortung oder Rückmeldung an den Kunden abschließt. Dazwischen werden vier
wesentliche Teilprozesse unterschieden. Den Teilprozess Klärung Bedarf/Umfang des
Kunden lohnt es kaum noch weiter zu untergliedern, weil je nach Form der Anfrage
(schriftlich, telefonisch, mündlich) ganz unterschiedliche weitere Tätigkeiten auszufüh-
ren sind. Auch der nächste Teilprozess, Abgleich mit Produkt-/Lösungsportfolio kann
ebenfalls ganz unterschiedlich erfolgen, je nachdem, worauf sich die Anfrage bezieht,
weswegen es keinen Sinn macht, hier auch den Level 4 auszuarbeiten. Auch erwecken
solche Darstellungen den Eindruck, dass die einzelnen Schritte immer sequenziell abge-
arbeitet werden. Das ist nicht zwingend der Fall und auch nicht erforderlich. An diesem
Beispiel wird daher auch deutlich, dass das Zerlegen von Prozessen in weitere Teilpro-
zesse seine Grenzen hat. Selbstverständlich können aus einer einfachen Kundenanfrage
weitere Aktivitäten resultieren, wie z. B. ein Kundenbesuch, der Versand von Mustern
usw. Hier ist dann zu entscheiden, ob es lohnt, hierfür einen Prozess zu beschreiben.
Beim Versand von Mustern oder Samples mag das ggf. sinnvoll sein, weil hier zusätzli-
che Ressourcen gebunden werden.
Wesentlich bei der Betrachtung und Darstellung von Prozessen auf einem operativen
Level ist, dass jeder Prozess einen belastbaren Output, also ein konkretes Ergebnis her-
vorbringen muss. Schwierigkeiten bereiten meist die vielen verschiedenen Fälle. Dies
gilt es dann aufzunehmen und zu systematisieren und auf Grundtypen zurückzuführen.
Wird z. B. ein CRM-System eingesetzt, leiten sich aus einer Anfrage ggf. andere oder
durch das CRM-System vorgegebene Schritte ab, so etwa die Anlage eines Kundenstam-
mes bzw. die Anlage und Pflege einer Opportunity usw.
In der Praxis ist es in vielen Unternehmen häufig der Fall, dass Prozessdokumenta-
tionen – zum Teil aufgrund eines sehr ausgeprägten Dokumentationsstandards, der
wiederum vielfach aus einer Vielfalt an Anforderungen aus unterschiedlichsten Bericht-
erstattungspflichten und/oder auch aus geltenden Compliance-Vorgaben resultiert – in
einer sehr hohen Dokumentationstiefe und einem hohen Detailgrad vorliegen.
110 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Auch im Feld der Prozessdokumentation haben sich im Laufe der Jahre einheitliche
Standards gebildet, und es existieren auch hier eine Vielzahl von spezialisierten Soft-
wareherstellern im Markt, die in diesem Bereich verschiedenste Lösungen anbieten.
Diese ganzheitlichen Prozessmanagementtools erfordern häufig jedoch einen hohen Ver-
waltungs- und Administrationsaufwand – von der Neuanlage von Prozessen bis hin zum
operativen Managen der dahinterliegenden Datenbanken und Prozessbibliotheken. Die-
ser „laufende“ Aufwand darf, bei aller heutzutage möglichen Technologie und Automati-
sierung, nicht unterschätzt werden.
Einzelprozesse werden oftmals auf Basis sogenannter EPK-Darstellungen, (abge-
kürzt steht dies für „Ergebnisorientierte Prozessketten“ oder im Englischen EPC „Event-
driven Process Chains“) dokumentiert (vgl. Schiersmann und Thiel 2014, S. 334 ff.).
Diese dokumentieren einzelne Prozessketten, die jede maßgebliche Aktivität in einem
Prozessablauf chronologisch nach deren Eintreten abbilden. Diese Events können klassi-
scherweise Aktivitäten einer Abteilung zur Bearbeitung einer Aufgabe sein, die einfache
Weitergabe von Informationen oder die weitere Verarbeitung von erhaltenen Dokumen-
ten. Hier besteht eine sogenannte 1:1-Beziehung zwischen den Aktivitäten. Die Aktivi-
täten werden mit sogenannten Konnektoren verbunden. Hierbei unterscheidet man drei
Varianten „UND“, „ODER“ und „XOR“, letzteres steht für die Alternative „entweder/
oder“.
EPK-Darstellungen sind durch ihren einfachen Aufbau intuitiv leicht verständlich
und eignen sich zur Darstellung von komplexen fachlichen Prozessen für unterschied-
lichste Zielgruppen auch jene ohne spezifische IT-Fachkenntnisse (vgl. Schiersmann und
Thiel 2014, S. 335). Es ist üblich, dass in diesen Darstellungen auch die unterstützend
genutzten IT-Systeme, die Organisationseinheiten und die Informationsobjekte aufge-
nommen werden. Ziel ist es, den im operativen Betrieb durchgeführten Prozess zu dieser
spezifischen Aktivität möglichst vollständig und für Außenstehende, die nicht im Prozess
beteiligt sind, verständlich und eindeutig darzustellen. Abb. 3.32 visualisiert in einfacher
Form die beschriebene Darstellungsform und -logik.
Solche Darstellungen werden oftmals für die Arbeitsebene verwendet. Entlang der
Prozesshierarchie liegen dann solche Detailprozessbilder für jeden relevanten Teil-
prozess auf dem untersten Level vor. Innerhalb der einzelnen Dokumentationen ist der
Detailgrad – je nach Unternehmen – nahezu beliebig hoch, ab einer gewissen Tiefe leidet
jedoch zunehmend die Verständlichkeit. In der Praxis kommt es somit vielfach vor, dass
viele Prozesscharts für die operativ tätigen Mitarbeiter in Gänze kaum noch zu erfas-
sen sind. Dieser Tatbestand führt dann zum Teil dazu, dass viele Mitarbeiter hierdurch
„abgehängt“ werden und Prozesse oft in der operativen Geschäftspraxis anders gelebt
werden, als sie die Dokumentation beschreibt. Es gilt, bei der Dokumentation ein gewis-
ses Augenmaß zu finden, das den Grad der Komplexität nicht zu sehr steigen lässt und
auf der anderen Seite der illustrierte Prozess inhaltlich ausreichend beschrieben wird.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 111

Kunde Anfrage Angebot

Vertrieb Unterlagen sichten/weiterleiten

Produktion Technische Prüfung Anforderungen

Vertrieb Ergebnis bewerten

Vom Kunden
gewünschte Anforderung
Vertrieb entspricht hinsichtlich der ja (Ampel = grün)
Beschreibung dem
Standard?

nein (Ampel = rot)

2b. Standard wird für Auftrag 2b. Neues Produkt wird


2a. Standard wird angeboten
modifiziert entwickelt

Lösung
vom Kunden Angepasster, weiterentwickelter
ja Freigabe
akzeptiert? Standard

nein

nein ja

Vertrieb Ampel rot: Keine Angebotserstellung Ampel grün: Erstellung Angebot

Abb. 3.32  Beispiel EPK-Darstellung

Beim Design von Soll-Prozessen sollten folgende Leitlinien berücksichtigt werden:


1. Ist der Prozess unternehmensspezifisch oder Industriestandard?
2. Ist der gewünschte Output klar formulierbar?
3. Welche Inputs werden benötigt?
4. Welche Schritte sind unverzichtbar?
5. Wer soll diese Schritte ausführen?
6. Gibt es eine System- oder Toolunterstützung?
7. Beeinflusst der Prozess andere Prozesse? Wenn ja, welche?
8. Welche Abweichungen/Varianten im Prozess gibt es?
9. Sind diese Varianten ausreichend berücksichtigt?
10. Wie kann die Effizienz des Prozesses gemessen werden?
11. Was ist für dessen Implementierung zu veranlassen?

Es ist für Unternehmen sinnvoll und notwendig, existierende Prozesse kontinuierlich


auf den Prüfstand zu stellen und diese sukzessive zu verbessern. Unter anderem ist dies
allein schon aus Kostengründen anzustreben. Hierbei ist es jedoch notwendig, auf die
Einzelbetrachtung von Teilprozessen abzuzielen, da eine Gesamtoptimierung eines kom-
plexen Prozesshauses nur auf diese Weise erfolgen kann. Eine umfassende Optimierung
112 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

eines komplexen Prozesskonstrukts kann in der Regel nicht durch einige kleine Verände-
rungen an nur wenigen Teilprozessen erfolgen. Komplexe „Prozesshäuser“ in Organisa-
tionen können hier eher schlecht mit einer Art Uhrwerk verglichen werden, in dem man
eine kleine Stellschraube richtet und dann das Gesamtkonstrukt optimiert weiterarbeitet.
Vielmehr gilt es, einzelne Teilprozesse schrittweise und sukzessive zu optimieren und
somit in Summe eine Verbesserung herbeizuführen. Hier ist es wesentlich, dass bei der
Optimierung die im Unternehmen tätigen qualifizierten Fachkräfte, die in den jeweiligen
Prozessbereichen arbeiten, einzubinden und ihr Know-how und ihren Erfahrungsschatz
aktiv zu nutzen. Wie wichtig es für Unternehmen ist, belastbare und effiziente Pro-
zesse zu etablieren, zeigt auch der nach wie vor anhaltende Trend der Verwendung der
KVP-Methodik in vielen Unternehmen. KVP steht für Kontinuierliches Verbesserungs-
Programm und beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz mit einer Vielzahl von Aktivitä-
ten und Maßnahmen, wie insbesondere fertigungsbezogene Prozesse in produzierenden
Unternehmen stetig überprüft, bewertet und optimiert werden können.
Auf Basis der Erfahrungswerte der Autoren ist subjektiv jedoch auch festzustellen,
dass die Bedeutung der Prozesssicht in Organisationsentwicklungsprojekten zum Teil
auch etwas überbewertet wird. Dies ist insbesondere auf das sequenzielle Vorgehen in
den Projekten bezogen. Zwar ist es richtig, dass ein Vorgehen, das sich zunächst damit
beschäftigt, wie die finalen „idealen“ Sollprozesse ausgestaltet sein sollten, einen durch-
aus validen Punkt darstellt und dieses Vorgehen die Umsetzung einer bestmöglichen und
effizienten Prozesslösung in den Mittelpunkt der Projektaktivitäten stellt – in der Pra-
xis ist dies jedoch nicht immer der Fall. Hier ist das Vorgehen nicht selten auch umge-
kehrt. Zunächst wird sich eher den organisatorischen Veränderungen (Transformation)
der Organisation gewidmet und definiert, welche Verantwortlichkeiten, Funktionen und
Organisationsteile sollen wo innerhalb der Gesamtorganisation künftig angesiedelt sein.
Die jeweiligen Prozesse werden dann zumeist im Nachgang aus der neuen Struktur her-
aus angepasst bzw. neu designed. Dies ist u. a. auch darin begründet, dass diese Art von
Organisationsentwicklungsprojekten in der Regel unter einem hohen Zeitdruck starten
und bearbeitet werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Art und Weise, wie Prozesse in Unternehmen
dokumentiert und gemanagt werden, sehr unterschiedlich ausfallen kann. Dies liegt u. a.
an der Art, der Größe des Unternehmens, dem Ausprägungsgrad der Verwendung von
IT-Systemen und den formalen Rahmenbedingungen, welche Art der Prüfungen und
Berichterstattungen seitens des Unternehmens vollzogen werden müssen. Sind diese
nicht sehr ausgeprägt, bestehen selbstverständlich Freiheitsgrade. Die Bewertung, wel-
cher Aufwand in das Management und die Dokumentation der Prozesse investiert wird,
sollte jedoch am Nutzen und den erzielten Ergebnissen gemessen werden. Vielfach ist
auch hier eine simple Abwägung zu treffen, in welcher Tiefe und Breite und mit wel-
chem Detailgrad die Prozesse aufgenommen werden sollen. Unbestritten ist, dass es für
effiziente Prozesse in einem Unternehmen klare und eindeutige Prozessbeschreibungen
als Basis für die operativen Prozesse geben muss, um die Abläufe und Tätigkeiten struk-
turiert darstellen zu können.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 113

3.3.8 Soll-Systemunterstützung

Aufgrund der immer stärkeren Verzahnung von Prozesslandschaften mit IT-Systemen


und dem weltweit stetigen Anstieg der Nutzung von Business-Intelligence-Systemen in
Unternehmen, existieren in der Praxis heute kaum noch Prozesse, die gänzlich ohne eine
gewisse IT-Systemunterstützung prozessiert werden (vgl. Siebenbrock 2016, S. 108).
Dies ist unter anderem darin begründet, dass die Komplexität und Vielzahl von unterneh-
mensinternen Prozessen zunimmt und zugleich ein immer höherer Grad an automatisier-
ten Abläufen vorherrscht. IT-Lösungen von international tätigen Softwarefirmen, die sich
auf umfassende Business-Enterprise-Managementsysteme oder ähnliche Systemlösungen
spezialisiert haben, sind aus vielen Unternehmen – insbesondere produzierenden Indus-
trieunternehmen – kaum noch wegzudenken. Die Vorteile dieser Systeme sind offen-
sichtlich: sie liefern unter anderem schnell und verlässlich Daten zu einer Vielzahl von
Kennzahlen und ermöglichen so eine übergreifende, globale Steuerung von Geschäfts-
feldern. Häufige Kritikpunkte an solchen Lösungen sind die hohe Komplexität, die hier-
durch geschaffen wird, die hohen Anschaffungs- und Betriebskosten sowie die Kosten
für eine erfolgreiche Einführung insgesamt. Auch wird oft die Verlagerung der Tätigkei-
ten vor den Bildschirm beklagt, anstatt der Klärung von Sachverhalten im persönlichen
Gespräch mit Kollegen. Darüber hinaus wird vielfach eine Überelektrifizierung beklagt,
dass selbst einfache Prozesse über ein noch weiteres Spezialmodul abgewickelt werden
sollen.
Synchron zum Design einer geeigneten Soll-Organisation und geeigneter Soll-Pro-
zesse ist es daher wichtig, dass spätestens in der Konzeptionsphase auch die Einbezie-
hung der IT-Landschaft und Systemunterstützung mit in Betracht gezogen werden sollte.
Prozessveränderungen können meist ohne die Betrachtung der dafür genutzten Systeme
kaum noch erfolgen, abhängig vom Grad der bestehenden Systemunterstützung. Da auch
hier eine Vielzahl von Konstellationen möglich ist, soll folgende vereinfachende Fallun-
terscheidung getroffen werden (Abb. 3.33). Der Scope kann sich auf eine reine Verände-
rung der Aufbauorganisation beziehen, dann mit der Prämisse, die Prozesse, wo nötig,
machen wir danach passend, oder die Prozessorganisation und die Aufbauorganisation
sind von Anfang an Teil der Optimierungen. Dritter möglicher Fall ist, dass alles zusam-
men erfolgen soll, etwa im Zuge einer Systemeinführung, wobei nie alle Veränderungen
gleichzeitig stattfinden, sondern auch hier eine sinnvolle Reihenfolge der Bearbeitung
gewählt wird. In allen drei Fällen wird die Systemlandschaft tangiert, am wenigsten
Auswirkungen sind bei einer reinen Veränderung der Aufbauorganisation zu erwarten.
Dennoch kann die reine Veränderung der Aufbauorganisation Auswirkungen auf die Sys-
temlandschaft haben. Um dies zu verdeutlichen muss man sich klarmachen, wie ERP-
Systeme wie z. B. SAP aufgebaut sind.
Die Abb. 3.34 veranschaulicht (vgl. Kappauf et al. 2012, S. 40), wie ERP-Systeme
grundsätzlich aufgebaut sind. Aus dem Umfang der geplanten Organisationsveränderung
kann dann daraus abgeleitet werden, welche Layer betroffen sind und welche nicht und
ob das sogar Rückwirkungen auf die Organisationsgestaltung in der Entscheidungsphase
114 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

1. Aufbauorganisation Systemlandschaft

2. Prozess- und Aufbauorganisation Systemlandschaft

3. Prozess-, System- und Aufbauorganisation Systemlandschaft

Scope Projekt Eingesetzte IT-Systeme

Abb. 3.33  Typisierung Einbezug IT-Systeme bei Organisationsentwicklungen

System Eigenes System für Konzerntöchter und/oder Regionen


Technische
Trennung

Mandant Eigener Mandant für Konzerntöchter und/oder Regionen

Buchungskreis Eigene Buchungskreise für Konzerntöchter und/oder Regionen


Trennung
Logische

Verkaufsorganisation Verkaufsorganisationen für Sparten und/oder Regionen


Beispiel: Vertrieb

Verkaufsbüro
Verkaufsgruppe Unterteilung der Verkaufsorganisationen
Untergeordnete
Organisation

Vertriebsweg Organisationale Definition der Kundenbeziehung

Sparte Organisatorische Definition der Produktverantwortung

Abb. 3.34  Soll-Systemunterstützung Organisatorische Schichten eines SAP-Systems. (Quelle: In


Anlehnung an Kappauf et al. 2012, S. 39)

hat. Vielfach herrscht aber auf Topmanagementebene die Meinung vor, die IT-Systeme
müssen dann halt im Nachgang passend gemacht werden. Es ist auch gar nicht einfach,
den Umfang der erforderlichen Anpassungen abzuschätzen und ein Preisschild dafür aus-
zustellen, ohne wiederum die Soll-Organisation genau zu kennen. Gerade wenn mehrere
Alternativen noch zur Diskussion stehen und in einem engen Entscheiderkreis diskutiert
werden, ist es mitunter schwierig oder gar nicht möglich, die entsprechenden Anfragen
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 115

an die IT-Abteilung zu stellen. Zumal diese Alternativen dann in dem Stadium noch als
vertraulich zu behandeln sind. Je nachdem, auf welcher Ebene die Organisationsverän-
derung angesiedelt ist, sind die Ebenen Technische Trennung, Logische Trennung und
Untergeordnete Organisation betroffen. Konkret bedeutet das, dass z. B. aus einer Verän-
derung der Konzernstruktur mit den dazugehörigen Gesellschaften IT-Anpassungen von
der Ebene Mandant, Buchungskreis, Werk herunter nach sich ziehen können, während
die reine Veränderung der Vertriebsorganisation sich ggf. nur auf die im System hinter-
legte Verkaufsorganisation auswirkt. Das Verkaufsbüro ist demnach die organisatorische
Einheit des Vertriebs, die für den Vertrieb innerhalb eines zugeordneten Gebietes zustän-
dig ist (vgl. Kappauf et al. 2012, S. 40). Sie ist genau einem Buchungskreis zugeordnet.
Einer Verkaufsorganisation können mehrere Verkaufsbüros zugeordnet sein. Es sind
gerade diese Grundstrukturen, die zu beachten sind, aber nicht im Wege stehen sollten,
wenn es darum geht, unternehmerisch sinnvolle Strukturen zu schaffen.
Jede geplante Veränderung der Aufbauorganisation sollte daher an diesen bestehenden
Strukturen und Stammdaten gespiegelt werden, und es sollte grob abgeschätzt werden,
wie hoch der Aufwand ist, die Systemlandschaft an die neue Struktur anzupassen oder an
welchen Stellen die neue Aufbauorganisation nicht vereinbar mit der bestehenden System­
architektur wäre. Üblicherweise werden solche Aufwandschätzungen in Beratertagen für
die IT-Berater angegeben.
Für die Fälle 2 und 3, in welchen die Prozessebene bzw. die Systemebene explizit mit
einbezogen wird, ist es ohnehin unumgänglich, die gewünschten Veränderungen und den
Umsetzungsaufwand für das Anpassen der IT-Systeme oder auch nur einzelner Module
als ein Baustein des Umsetzungsaufwandes im Projektverlauf grob abzuschätzen. Das
ergibt sich automatisch, wenn Soll-Prozessalternativen diskutiert und entwickelt wer-
den. Hier muss zunächst identifiziert werden, welche Prozesse und Module im Untersu­
chungsbereich genau betroffen sind. Dazu muss man sich anhand eines detaillierten
Bildes der Systemlandschaft einen Überblick verschaffen. In Abb. 3.35 (in Anlehnung

Annahme Beauftragung Rech-


Planung Bestellung Fertigung Waren-
des Transport nungs- Buchung
Produktion Material Produkte ausgang
Auftrags stellung

PP TM LES SD FI
CRM APO SRM
(ERP) (SCM) (ERP) (ERP) (ERP)

SAP ERP

MM SD PP LES
FI CO
(Materials (Sales & (Production (Logistics Exec.
(Finance) (Controlling)
Management) Distribution) Planning) System)

ggf. weitere Module wie HCM, LO, etc.

Abb. 3.35  Geschäftsprozesse in der SAP Business Suite und SAP-Kernkomponenten. (Quelle: In


Anlehnung an Kappauf et al. 2012, S. 46)
116 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

an Kappauf et al. 2012, S. 46) wird deutlich, in welche Einzelbausteine ein ERP-Sys-
tem, hier am Beispiel der SAP Business Suite, unterteilt werden. Dahinter liegen weitere
Detailstrukturen und Teil-Prozesse. Hier ist es meist erforderlich, IT-Spezialisten bei der
Analyse- und Soll-Konzeptphase hinzuzuziehen. Diese haben häufig eine modul- oder
bausteinbezogene Spezialisierung, Generalisten sind eher schwer zu finden.
In Bezug auf die IT-Prozessunterstützung der Soll-Prozesse ist in erster Linie zu
beachten, dass die jeweilige Systemunterstützung für die spezifischen Prozesse geeignet
sein muss. Hier ist insbesondere abzuwägen, welche IT-Tool-Unterstützung einen realen
Mehrwert für wertschöpfende Prozesse oder Arbeitsabläufe generiert, etwa dadurch, dass
Prozesse schneller oder effizienter dargestellt werden können. Dem entgegenzustellen
sind die Kosten, die für diese Systemlösung aufgewendet werden müssen. Neben den
reinen Anschaffungskosten sind insbesondere auch die, unter Umständen über Jahre hin-
weg resultierenden, Betriebs- und Wartungskosten heranzuziehen. Auch die Bindung von
internen Ressourcen sollte in die Betrachtung mit aufgenommen werden. Leider werden
solche Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu selten durchgeführt und müssen auch eher
auf das Gesamtsystem angewendet werden. Dazu muss auch gesagt werden, dass sich in
integrierten Systemen einzelne Abteilungen nicht einfach ausklinken können, ohne dass
das Gesamtsystem nicht mehr funktioniert. Leider besteht hier zwischen den IT-Spezia-
listen und den Anwendern nicht immer die gleiche Sicht.

3.3.9 Projektorganisation

Projekte gewinnen in Organisationen zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Aktivitä-


ten in einem Unternehmen werden im Rahmen von Projekten durchgeführt. Dies betrifft
nicht nur Veränderungs- oder Optimierungsprojekte. In ausgesuchten Branchen ist die
Leistungserbringung und Auftragsabwicklung nach Projekten organisiert, beispielsweise
in der Softwareentwicklung oder im Anlagenbau. Die Arbeit in Projekten wird für viele
Mitarbeiter zunehmend die Regel, nicht die Ausnahme. Ein erheblicher Anteil ihrer Kapa-
zität ist in ein oder gar mehreren Projekten gebunden. Dies betrifft auf der einen Seite
Mitarbeiter aus der Linienorganisation, deren Expertise in interdisziplinären Projekten
gefragt ist oder deren Leistungserbringung im Rahmen von Projekten stattfindet, z. B. in
Forschung und Entwicklung, auf der anderen Seite Mitarbeiter aus Funktionen, die dafür
geschaffen wurden, projekthaft Veränderungen in einer Organisation zu bewerkstelligen.
Projekte zeichnen sich i. d. R. vor allem dadurch aus, dass sie einen definier-
ten Anfang und ein definiertes Ende besitzen. Im Rahmen von Projekten werden
ausgewählte Ressourcen aus verschiedenen Bereichen temporär gebündelt. Projektor-
ganisationen bilden eine Art Sekundärorganisation neben der bestehenden Aufbauorga-
nisation (Primärorganisation). Der Erfolg von Projekten lässt sich vor allem am Grad
der Zielerreichung sowie der Termin- und Budgeteinhaltung messen. Projekte erfor-
dern eine andere Form der Aufgabenwahrnehmung als in einer Linienfunktion. Wäh-
rend in einer klassischen Linienfunktion Tätigkeiten Wiederholungscharakter besitzen,
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 117

zeichnen sich Projekte dadurch aus, dass sie einen Einmaligkeitscharakter haben. Für
Projekte ergeben sich neben der inhaltlichen Projektbearbeitung auch eine Reihe von
projektadministrativen Aufgaben, die auszuführen sind. Dazu zählen unter anderem: Pro-
gramm- und Projektplanung wie Meilensteine, Ressourcen, Gremien, Koordination der
Projektbearbeitung, z. B. über Meilenstein- oder Phasenpläne, Dokumentation der Pro-
jektergebnisse, Controlling der Ergebnisse, Termineinhaltung, Budget, Strukturieren,
Überwachung und Verfolgen von Arbeitspaketen, Zuweisen von Verantwortlichkeiten in
Projekten, Erstellung Berichte für Gremien, Planung, Einladungen, Durchführung und
Moderation von Workshops und Sitzungen und nicht zuletzt Konfliktmanagement.
Es lohnt, sich klar zu machen, welche Typen von Projekten in Organisationen unter-
schieden werden müssen und welche Schlussfolgerungen für die Organisationsgestaltung
daraus zu ziehen sind (vgl. auch Nagel 2014, S. 41 ff.). Zum einen sind dies Abteilungen
oder Unternehmen bei welchen die Leistungserbringung in Form von Projekten erfolgt,
typischerweise sind das z. B. F&E, die IT, Abteilungen oder Unternehmen im Bereich
Anlagenbau, Bauwirtschaft, Software etc. Als Entwickler oder Softwareingenieur sind
die Mitarbeiter ein oder mehreren Projekten zugeordnet. Sie wenden ihre gesamte Kapa-
zität für die ihnen zugeordneten Projekte auf. Die Projekte werden z. B. nach Kunden,
Modulen oder Technologien unterschieden und segmentiert. Die Anzahl und der Umfang
der Projekte gibt den erforderlichen Personal- und Ressourcenbedarf vor. Die Aufwände
werden in Stunden oder Tagen beziffert und auf die verfügbaren Kapazitäten verteilt.
Selbstverständlich besitzen solche Unternehmen auch Supportfunktionen wie Buchhal-
tung, Personal usw. Hier ist fraglich, inwieweit das zentrale Segmentierungskriterium für
die Leistungserbringung auf diese Funktionen durchschlägt. Die Art der Projekte schlägt
also hier auf die Primärorganisation durch und prägt deren Aufbau (Abb. 3.36).
Daneben stehen Projekte, die der Optimierung oder Weiterentwicklung von Struk-
turen und Prozessen dienen. Da sind z. B. Projekte zur Organisationsentwicklung, Ein-
führung von Tools und Systemen, aber auch kleinere Optimierungsprojekte zu z. B.
Reduktion Ausschuss, Rüstzeit, Materialverbrauch, Durchlaufzeiten, Lagerbestände etc.
oder auch solche Projekte, die der Verbesserung von Arbeitsbedingungen dienen wie
Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge etc. Die Mitglieder dieser Pro-
jekte sind entweder Mitarbeiter, die den dafür explizit geschaffenen Funktionen ange-
hören, wie z. B. Stabsabteilungen Konzernentwicklung, Organisationsentwicklung oder
Process Excellence, oder sie werden qua ihrer Fachkenntnisse aus ihrer angestammten
Linienfunktion in die Projekte eingebunden. Diese Projekte bestehen neben der exis-
tierenden Primärorganisation, vielmehr rekrutieren sie ihre Personalressourcen aus der
primären Linienorganisation. Mitarbeiter aus einbezogenen Fachfunktionen wenden nur
einen Teil ihrer Mitarbeiterkapazität auf solche Projekte auf. In einem Unternehmen sind
in der Regel mehrere verschiedene Projekte gleichzeitig in der Bearbeitung, nicht selten
klagen Mitarbeiter, dass sie kaum noch zu ihrem Tagesgeschäft kommen oder das neben-
bei erledigen müssen und sonst ganz in der Projektarbeit aufgehen. Da gilt das klassi-
sche Paradoxon: Was sind die besten Mitarbeiter für Projekte? Es werden die Mitarbeiter
benötigt, die keine Zeit haben.
118 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Projekttypen

Projekt als Form zur


Projekt als primäre Form der Optimierung/
Leistungserbringung Weiterentwicklung von
Strukturen/Prozessen

Organisationsentwicklungen
Forschung & Entwicklung Optimierungen
Anlagenbau Verbesserungen
IT/Software Arbeitssicherheit
… Umweltschutz

Mitarbeiter sind Projektmitglied


Mitarbeiter sind Projektmitglied
qua Zugehörigkeit zu einer für
qua Zugehörigkeit zu einer
Optimierungen zuständigen
Fachfunktion/Abteilung
Funktion/Stabstelle

Mitarbeiter sind Projektmitglied qua Zugehörigkeit einer eingebundenen


Schnittstellenfunktion (z. B. Einkauf in F&E Projekt)

Abb. 3.36  Übersicht Projekttypen

3.4 Kommunikation von Organisationsveränderungen

Bei Organisationsveränderungen stellt die Kommunikation der angestrebten Veränderun-


gen einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Mitarbeiter des Unternehmens wollen
frühzeitig über etwaige Änderungen informiert werden, insbesondere dann, wenn diese
Veränderungen den Fachbereich, in dem sie tätig sind, oder sogar ihren eigenen Arbeits-
bereich betreffen. Die Form und die Inhalte der Kommunikation unterscheiden sich
maßgeblich von der Art des Organisationsentwicklungsprojekts und den betrieblichen
Veränderungen, die daraus hervorgehen. Je nach Art der Veränderung bestimmt ferner
auch die Tatsache, ob ein Unternehmen über Organe der Mitbestimmung verfügt oder
nicht, auch wesentlich, wie die Kommunikation zu erfolgen hat. Ob und welche Inhalte
kommuniziert werden, in welcher Form und welche Stakeholder zu welchem Zeitpunkt
informiert werden, lässt sich logischerweise nicht allgemein gültig formulieren. Die
genannten Fragestellungen müssen immer im jeweiligen Kontext des Organisationent-
wicklungsprojekts definiert werden. Es gibt verschiedene Typen von Veränderungen in
einer Organisation. Dazu gehört z. B. Verkauf/Übernahme/Fusion, Sanierung/Personal-
abbau, Reorganisation/geänderte Verantwortlichkeiten, Abläufe und Prozesse, andere
Zusammensetzung der Teams, Veränderung der Aufgabenzuschnitte, Umstrukturierung
einer Abteilung, Entwicklung einer neuen Unternehmenskultur. All diese Veränderungen
bedürfen unterschiedlicher Kommunikationsstrategien für eine erfolgreiche Umsetzung.
3.4 Kommunikation von Organisationsveränderungen 119

Dennoch lassen sich grundlegende Aspekte zu Verantwortlichkeiten, Kommunikati-


onsinhalten, dem Rhythmus und den Empfängern und verwendeten Kommunikationsin-
strumenten aufzeigen. Aus der Kombination der jeweiligen Elemente kann erschlossen
werden, wie vielfältig die Kommunikation verläuft, weil alle zu verschiedenen Stadien
eines Projektes informiert werden wollen.

Sender Die Verantwortung für die Kommunikation trägt in der Regel neben dem Top-
management der Auftraggeber, also in der Praxis oft die Geschäftsführung, bzw. die
Manager von einzelnen Bereichen oder Abteilungen, wenn sie als Projektleiter fun-
gieren. Hinzu kommen können die Personalabteilung, die Kommunikationsabteilung,
soweit vorhanden, ausgewählte Führungskräfte oder sogar eine externe Agentur. In Orga-
nisationsentwicklungsprojekten werden die Aktivitäten zur Kommunikation aus dem
Steuerungsgremium heraus bestimmt. Wenn Teile davon an die Personalabteilung, Kom-
munikationsabteilung oder Agentur ausgelagert werden, sind trotzdem entsprechende
Vorgaben zu den Inhalten durch die Projektverantwortlichen erforderlich. Sie legen die
Argumente und den Duktus der Kommunikation fest, an welchen sich die nachfolgende
Kommunikation orientieren.

Inhalte Die Inhalte der Kommunikation sollten zunächst auf die Motivation und die
Ausgangslage abstellen, also auf die Frage, weshalb eine Veränderung angestrebt wird.
Hierbei empfiehlt es sich, externe sowie interne Umstände und Entwicklungen, die die
Veränderung erfordern, aufzuzeigen. Diese „Reasons to act“ lassen sich in externe und
interne Gründe segmentieren. Externe Faktoren sind in vielen Fällen beispielsweise
sich verändernde Marktbedingungen oder stetig steigender, globaler Wettbewerb. Auch
Markteintritte von neuen Playern oder Wettbewerbern, die zuvor noch nicht in diesem
Geschäftsfeld agiert haben, können externe Faktoren sein. Interne Faktoren hingegen
sind klassischerweise existierende Ineffizienzen in wertschöpfenden Prozessabläufen,
ein veralteter Maschinenpark in der Produktion, zu hohe Produktionskosten oder eine
komplexe, nicht an den Marktbedürfnissen ausgerichtete Aufbauorganisation. Eine in
der Organisation unklare Verteilung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen kann
auch ein möglicher interner Faktor sein. Die Gründe, warum eine Transformation oder
Veränderung angestrebt wird, sind häufig ambivalent und bedingen sich gegenseitig. Die
Erfahrung zeigt jedoch, dass die Darstellung der initialen Argumente für eine Verände-
rung in der Regel positiv aufgenommen wird. Für die Stakeholder und die Mitarbeiter
wird so eher klar, warum eine Veränderung notwendig ist, und wieso die Geschäftsfüh-
rung nun durch konkrete Projektaktivitäten gegensteuern muss.
Der zweite inhaltliche Teil der Kommunikation sollte die Zielsetzung und das zukünf-
tige Zielszenario enthalten. Dieser Part beschreibt, wie die Organisation nach dem
Projekt gestaltet sein soll und welche einzelnen Bereiche von den organisatorischen
Änderungen betroffen sind. Hier werden die konkreten Veränderungen gegenüber dem
existierenden Zustand näher beschrieben. Darüber hinaus sollte die Kommunikation den
Zeitpunkt der Veränderung und den Weg, wie diese Veränderung schrittweise umgesetzt
120 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

werden soll, bereits beinhalten. Hier eignet sich in der Praxis zunächst eine aggregierte
Grobplanung mit wesentlichen Meilensteinen über den definierten Zeitverlauf. Abschlie-
ßend sollen die angestrebten Wirkungen ermittelt und dargestellt werden – etwa welche
Potenziale erschlossen werden sollen oder welche Verbesserungen angestrebt werden.
Neben den inhaltlichen Aspekten der Veränderung sollten zudem interne Ansprechpart-
ner genannt werden, an die sich die Mitarbeiter bei Fragen wenden können. In der Praxis
sind dies die Führungskräfte der Bereiche oder die Projektleiter, die das Projekt operativ
managen.

Empfänger Der adressierte Empfängerkreis bemisst sich an der Art und dem Umfang
der geplanten Veränderung. Angefangen von den Anteilseignern, den übrigen Mitglie-
dern der Geschäftsleitung, den Gremien wie Aufsichtsrat und Beirat oder Betriebs-
rat kann dies u. U. zunächst ein reiner Führungskräftekreis sein oder lediglich einzelne
Angestellte des Topmanagements. Je nach Fortschritt des Projekts werden die weiteren
Ebenen wie Abteilungsleiter, Teamleiter und die einzelnen Mitarbeiter informiert. Am
Adressat bemisst sich auch maßgeblich die Form der Kommunikation, also welches
Kommunikationsmittel hierfür verwendet wird. Dabei werden die jeweiligen Adressaten
entlang eines Projektverlaufs z. T. mehrfach informiert. Form und Inhalt variieren dabei.
In der Praxis ist es daher üblich eine Kommunikationskaskade aufzubauen, die eine
Chronologie definiert, welche Informationen welcher Adressatenkreis zu welchem Zeit-
punkt und in welcher Form erhält. Gremien wie Aufsichtsrat und Betriebsrat sind in der
Regel frühzeitig zu informieren. Dieses gestaffelte Vorgehen trägt vielfach dazu bei, den
operativen Betrieb der Linienorganisation so wenig wie möglich zu stören. Ziel ist, das
Tagesgeschäft bestmöglich am Laufen zu halten. In Fällen von gravierenden Umstruktu-
rierungen schüren Veränderungen in einer Organisation bei vielen Mitarbeitern zu einem
gewissen Teil eher Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Position und was die ange-
strebte Veränderung für den/die einzelnen Arbeitnehmer/in zur Folge hat. Aus diesem
Grund ist es essenziell, dass die Belegschaft kontinuierlich über die geplanten Verände-
rungsvorhaben und folgenden Maßnahmen ausreichend informiert wird. Insbesondere
in Unternehmen, die über starke Mitbestimmungsorgane verfügen, ist die zeitliche
Chronologie einer Kommunikationskaskade mehr oder weniger starren Abläufen unter-
worfen. Einschränkend ist hier festzuhalten, dass dies selbstverständlich nur für Orga-
nisationsentwicklungsprogramme gilt, die eine bestimmte Zielsetzung haben, über die
die Geschäftsführung die Mitbestimmungsorgane vorab informieren muss. Beispiele sind
hier geplanter Stellenabbau, eine Verlagerung von Arbeitsplätzen oder eine vollständige
Stilllegung von Betriebsstätten.

Instrumente und Rhythmus Erfahrungsgemäß richten sich auch die Frequenz und das
Format der Kommunikation stark am Projekttyp, den Projektphasen und der Projekt-
zielsetzung aus. Ideal erscheint es, zu den jeweiligen Projektmeilensteinen zu kommu-
nizieren, also nach der Analysephase, nach der Konzeptphase, den Umsetzungsplan, in
regelmäßigen Abständen während der Umsetzung. Kaum gerecht werden kann man in
3.4 Kommunikation von Organisationsveränderungen 121

der Regel der unterschiedlichen Geschwindigkeit, mit der einzelne Mitarbeiter Verände-
rungen verarbeiten. Während die einen Veränderungen schon lange einfordern und sich
freuen, dass endlich etwas passiert, bilden sich bei anderen Ängste und Unsicherheiten
aus. Hier helfen nur 1:1-Gespräche, um zu erklären und Ängste abzubauen. Typische
Instrumente sind etwa Präsentationen, Workshops, Town-Hall-Meetings, Einzelgesprä-
che, Meldungen im Intranet oder Pressemeldungen. Letztere sind etwa bei Fusionen oder
Übernahmen üblich, zumal diese vorher praktisch nur einem engen Kreis bekannt sind.
In einem Organisationsentwicklungsprojekt, in dem es beispielsweise darum geht,
einzelne Funktionen inklusive ihrer Aufgabenprofile im Unternehmen zu verändern und
die bisherige Organisationsstruktur nur leicht zu transformieren, also ohne existierende
Funktionen abzubauen, könnte eine einfache Kommunikationskaskade wie folgt ausse-
hen: Zunächst könnte eine Kommunikation über ein sogenanntes Town-Hall-Meeting
abgehalten werden, die Belegschaft würde im Gesamten oder in mehreren einzelnen
Terminen (mit einer jeweils größeren Anzahl an Teilnehmern) über die geplanten Pro-
jektaktivitäten und -zielsetzungen informiert werden. Im zweiten Schritt würden dann
die Abteilungen, die durch die Veränderung direkt betroffen sind, in Einzelterminen
mit allen jeweiligen Abteilungsmitarbeitern detaillierter über die Veränderung und das
geplante Vorgehen in der Umsetzung unterrichtet werden. Dies ermöglicht den Mitar-
beitern, Fragen und Anliegen zu formulieren, die in einem größeren Rahmen weniger
detailliert beantwortet werden könnten. Denkbar wäre auch, nach der Durchführung
des Town-Hall-Meetings eine Mitteilung im firmeninternen Informationsnetzwerk zu
veröffentlichen. Diese Meldung sollte dann die Ausgangslage, die Motivation, die Ziel-
setzung, den Ablauf sowie die nächsten Schritte des Projekts noch einmal zusammenfas-
send darstellen.
Die beschriebenen Dimensionen, die bei der Kommunikation von Veränderungsvorha-
ben/Organisationsentwicklungsprojekten zu beachten sind, werden in Abb. 3.37 zusam-
menfassend dargestellt.
In der Praxis wird der begleitenden Kommunikation von Organisationsentwicklungs-
projekten vielfach zu wenig Bedeutung beigemessen. Erfahrungsgemäß ist es jedoch
essenziell, die Mitarbeiter ausreichend und kontinuierlich über den Fortschritt der Pro-
jektaktivitäten zu informieren, um frühzeitig das Commitment der betroffenen Angestell-
ten zu erlangen. Ohne dieses Engagement lassen sich nachhaltige Veränderungen nur
sehr schwer erfolgreich implementieren. Eine offene Kommunikation und der Dialog mit
den involvierten Personen können erfahrungsgemäß erheblich zum Erfolg eines Projekts
beitragen. Welcher Personenkreis, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt erhält,
ist – wie bereits erwähnt – eher eine strategisch-taktische Entscheidung, die im Gesamt-
kontext des Projekts getroffen werden muss. Dies ist, wie beschrieben, unter anderem
stark von den definierten Zielen, aber auch von den zur erfolgreichen Umsetzung benö-
tigten (kritischen) Ressourcen abhängig.
Handelt es sich bei Organisationsentwicklungsprojekten um größere konzernübergrei-
fende Projektinitiativen, beispielsweise bei börsennotierten Unternehmen, existiert neben
der rein internen Kommunikation auch eine Informationspflicht gegenüber Externen,
122 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation

Sender – Empfänger –
Wer? An wen?

Top-Management Anteilseigner/Investoren
Auftraggeber Projekt/ Geschäftsleitung
Projektleiter Information Aufsichtsrat
Personalabteilung Betriebsrat
Kommunikationsabteilung Bereichsleiter
Führungskräfte Abteilungsleiter
Agentur Teamleiter
Mitarbeiter

Inhalte – Instrumente –
Was? Wie?

Motivation Town-Hall-Meeting
Zielsetzung Einzeltermine in den
Veränderungen Transparenz Abteilungen
Zeitpunkt der Veränderungen Artikel im firmeninternen
Ansprechpartner Intranet
Ggf. Pressemeldung

Abb. 3.37  Kommunikation von Organisationsveränderungen

also Investoren, Anteilseignern etc. Diese ist maßgeblich an die gesetzlich geregelten
Berichtspflichten von Aktiengesellschaften gebunden und wird daher in diesem Rahmen
nicht näher erläutert.

Literatur

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Simon H, Gathen A von der (2002) Das große Handbuch der Strategieinstrumente – Werkzeuge für
eine erfolgreiche Unternehmensführung. Campus, Frankfurt
Messkonzept zur Wirkung von
Organisationsveränderungen 4

Das vierte Kapitel beinhaltet Themen zur Etablierung geeigneter Konzepte zur Messung
der Wirksamkeit und der Erfolgskontrolle von Organisationsentwicklungsprojekten. Was
nicht gemessen wird, wird nicht verändert. Gerade bei Organisationsentwicklungen kön-
nen ganz unterschiedliche Zielsetzungen im Vordergrund stehen. Typisch sind die Sen-
kung der Kosten, Erhöhung der Effizienz und Effektivität, Erschließung von Synergien
oder die Realisierung von Umsatzsteigerungen. Allen gemein ist, dass sie letztlich der
Umsetzung der Unternehmensstrategie folgen. Um das Thema besser fassen zu können,
werden verschiedene Arten von Zieldimensionen als Grundlage der Erfolgsmessung vor-
gestellt, die Entwicklung von geeigneten Messkonzepten zur Wirkung der Veränderun-
gen dargestellt sowie mögliche Umsetzungskontrollen veranschaulicht.

4.1 Zieldimensionen als Grundlage der Erfolgsmessung

Im Rahmen der Erfolgskontrolle sind zunächst unterschiedliche Zieldimensionen zu


unterscheiden. Mögliche Dimensionen können u. a. Kostenziele, Leistungsziele oder
Gestaltungsziele sein.
Reine Kostenziele stellen klassischerweise die Senkung von Kosten jeglicher Art, die für
ein Unternehmen anfallen. In Organisationsveränderungsprojekten sind dies vielfach die
Reduktion der Personalkosten, Verwaltungskosten (engl. Overhead) oder beispielsweise
bezogen auf den Einkauf die, über die Organisationsveränderung beeinflusste, Sen-
kung der Materialkosten oder der Materialgemeinkosten bestimmter Material- oder
Warengruppen. Weitere Ziele können die Reduktion von Abschreibungen auf getätigte
Investitionen sein, z. B. der Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung. Ein
Kostenziel könnte auch eine veränderte Verteilung der Kostenausgaben sein. Hier wäre
nicht die Reduktion primärer Fokus, sondern eine veränderte Verteilung und somit

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 125


S. Schifferer und B. von Reitzenstein, Tools und Instrumente der
Organisationsentwicklung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55560-6_4
126 4 Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen

v­ eränderte Steuerung der Investitionen auf Produktsegmente oder Märkte. Die Höhe der
getätigten Investitionen insgesamt würde sich demnach nicht ändern. Klassische Kos-
tenziele sind in der Regel integraler Bestandteil firmeneigener Cost-Cutting-Initiativen,
bei denen das Management darauf abzielt, das Unternehmen durch eine Optimierung der
Kostensituation wettbewerbsfähiger aufzustellen.
Neben diesen Kostenzielen sind in diesen Programmen vielfach auch Leistungs-
ziele definiert. Diese verfolgen das Ziel, eine Steigerung der Produktivität zu erwirken
(engl. Performance Enhancement). Beispiele hierfür sind die Steigerung der operativen
Produktivität in den Produktionswerken, die Reduktion von Durchlaufzeiten oder die
Reduktion von Doppelarbeiten in den organisatorischen Unternehmensabläufen. Auch
Ziele wie die Erhöhung der Produktqualität oder die Reduktion von Kundenreklamatio-
nen können als Leistungsziele kategorisiert werden. Eine Maximierung der fehlerfreien
Ausbringungsmenge „First Pass Yield“ (siehe Gliederungspunkt Abschn. 4.1. Zieldi-
mensionen als Grundlage der Erfolgsmessung) könnte ein weiteres Beispiel für ein Leis-
tungsziel sein.
Neben Kosten- und Leistungszielen können Gestaltungsziele definiert werden. Diese
zielen weniger auf eine reine Kostenreduktion ab, sondern auf die Optimierung des orga-
nisatorischen Set-ups und der internen Abläufe. Praxisbeispiele können eine Änderung
in der bestehenden Fokussierung der Ressourcen auf die existierenden Geschäftsfel-
der und Märkte, eine Bündelung oder Flexibilisierung der für die Aufgaben benötigten
Ressourcen, die Reduktion von Schnittstellen in Kernprozessen oder eine eindeutigere
Zuordnung und klarere Aufteilung der Verantwortlichkeiten sein. Ein übergeordnetes
Gestaltungsziel könnte die Fragestellung sein, inwieweit die angestrebte Veränderung in
der Organisation mit der verabschiedeten Strategie des Unternehmens konform ist.
Die unterschiedlichen Zieldimensionen stellen die Grundlage jeder Erfolgsmessung.
Um eine umfassende Erfolgsmessung durchführen zu können, müssen demnach die Ziel-
dimensionen eindeutig definiert sein.
Abb. 4.1 fasst eine Auswahl an möglichen Arten der Zieldimensionen und einige Bei-
spiele exemplarisch zusammen. Diese stellen lediglich eine Auswahl aus in der Praxis
häufig verwendeten Zielgrößen dar. Selbstverständlich können diese – je nach spezi-
fischer Fragestellung – stark variieren. Wie in Abb. 4.2 dargestellt, können die Zieldi-
mensionen auch auf Ebene von einzelnen Unternehmenseinheiten oder Abteilungen
heruntergebrochen werden. Die Zielgrößen sind dann abteilungsspezifische Messgrößen,
anhand derer die jeweilige Fachfunktion gemessen werden kann.
So kann der Vertrieb beispielsweise an der erzielten Hit Rate (engl. Bezeichnung für
die gewonnenen Aufträge) gemessen werden oder an der Steigerung der Anzahl von
gemachten Angeboten. In der Auftragsabwicklung sind das z. B. die Termintreue oder
die DLZ in der Auftragsbearbeitung. Im Entwicklungsbereich sind klassische Messgrö-
ßen die Anzahl der Projekte, die in der dafür vorgeschriebenen Zeit und dem dafür vor-
gesehenen Budget anforderungsgerecht fertiggestellt wurden. Messgrößen im Rahmen
der Beschaffung können die mit den Lieferanten neu verhandelten/ausgeschriebenen
4.1 Zieldimensionen als Grundlage der Erfolgsmessung 127

Zieldimensionen

Senkung Personalkosten
Senkung Materialkosten
Kostenziele Senkung Abschreibungen
Senkung sonstige betriebliche Aufwendungen
Steuerung Investitionen

Steigerung der Produktivität


Senkung Durchlaufzeiten
Leistungsziele Erhöhung Qualität
Reduktion Doppelarbeit
Reduktion Reklamationsquote

Konformität zur Strategie


Fokussierung von Ressourcen für ein Geschäftsfeld
Gestaltungsziele Bündelung von Ressourcen
Reduktion von Schnittstellen
Klare Zuordnung von Verantwortung

Abb. 4.1  Zieldimensionen als Grundlage

Organisationsteil Ziel- und Messgrößen (Beispiele)

Erhöhung Anzahl Angebote


Erhöhung Hit Rate
Vertrieb
Reduzierung DLZ Angebotserstellung

Termintreue, Mengentreue
Auftragsabwicklung Reduktion DLZ Auftragsklärung/Auftragsbearbeitung
Reduktion Reklamationsquote

Anzahl Projekte „in time“, „in Budget“ and „in Quality“


Gesamtausgaben Entwicklung in Relation zu Umsatz
Entwicklung oder Gesamtkosten
Umsatzentwicklung nach Produkten

Verhandelte oder ausgeschriebene Volumina


Umgesetzte Sourcingstrategien
Einkauf Anzahl bearbeiteter Bestellungen
Anzahl Lieferanten

Abb. 4.2  Beispiele für Ziel- und Messgrößen


128 4 Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen

Volumina sein oder erfolgreich umgesetzte Sourcingstrategien für ausgewählte Waren-


gruppen.

4.2 Messkonzept für Vorher-Nachher-Betrachtungen

Um die konkrete Veränderung eines Organisationsentwicklungsprojekts messen zu kön-


nen, ist es notwendig, dass zu Beginn des Projekts wenige, aber relevante Zielgrößen
definiert werden, die über geeignete Analysen in der Analysephase gemessen werden
können. Die erzielten Werte der Analyseergebnisse liefern auch erste Aussagen zur Pro-
blematisierung und stellen die Ausgangswerte dar, gegen die die ermittelten Werte spä-
ter nach Umsetzung gemessen werden. In der Praxis wird dieser Abgleich in der Regel
nach einem festgelegten Zeitrahmen, z. B. drei Monate nach Abschluss der Implemen-
tierung der getätigten (Organisations-)Veränderung, vorgenommen, sodass die getrof-
fenen Änderungen bereits in ihrer Wirksamkeit greifen können und sich somit auch in
den Analysewerten widerspiegeln. Die einfache Gegenüberstellung der Werte ermöglicht
eine Bewertung des Zielerreichungsgrads jedes einzelnen Analysewerts. Für Werte, die
durch ihre positive Entwicklung bei der Beurteilung als erreicht eingestuft werden kön-
nen, gilt es diese nachzuhalten und durch geeignete Maßnahmen zu stabilisieren, damit
die Veränderung über den Zeitverlauf Bestand hat. Für alle übrigen Werte, die als nicht
erreicht kategorisiert werden müssen, muss eine weiterführende Ursachenforschung
angestoßen werden. Gegebenenfalls reichen die getroffenen Maßnahmen hier nicht aus,
und es müssen alternative Initiativen oder Zusatzmaßnahmen ergriffen werden, um den
gewünschten Zielerreichungsgrad zu erlangen.
Wesentlich bei Vorher-Nachher-Betrachtungen ist die regelmäßige Wiederholung der
Durchführung des Abgleichs in fest definierten Abständen, um bei Veränderungen in den
Analysewerten mit spezifischen Maßnahmen gegensteuern zu können. Oft wird dabei der
erneute Analyseaufwand unterschätzt oder als lästig empfunden. Meist ist die Organisa-
tion auch schon mit neuen Themen befasst, sodass für eine konsequente Erfolgsmessung
keine Ressourcen zur Verfügung stehen und eine nachhaltige Messung viel zu selten
konsequent stattfindet.
Abb. 4.3 visualisiert das Grundprinzip der Implementierung eines Messkonzepts nach
Umsetzung eines Organisationsentwicklungsprojekts.

4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle

Um die Wirksamkeit von definierten Maßnahmen zur Zielerreichung verfolgen und die
einzelnen Maßnahmen systematisch steuern zu können, ist es notwendig, ein detaillier-
tes Reporting (Controlling) aufzusetzen (vgl. Schiersmann und Thiel 2014, S. 217 f.).
Dieses Reporting sollte für jede Zielgröße (Kennzahl) einzeln erstellt und durchgeführt
werden. Inhalt sind die bisher erzielten Ist-Werte der Zielgröße (hier im Beispiel die
4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle 129

„Messen, Zählen, Wiegen“

Messung zu Projektbeginn Messung nach Umsetzung


Zielgröße(n)

Durch- Ergebnisse erneute


Ergebnisse Analyse/
führung Analyse/
Problematisierung Abgleich Problematisierung

Bewertung Zielerreichung

Ziel nicht erreicht


Ziel erreicht
– Ursachenforschung, ggf.
– Nachhalten und Stabilisieren
Zusatzmaßnahmen

Abb. 4.3  Messkonzept quantitative Betrachtung

Reklamationsquote), der angestrebte Soll-Zielwert sowie der aktuelle Wert an einem


ausgewählten Stichtag. Zudem liefert der Bericht eine detaillierte Auflistung aller getrof-
fenen Maßnahmen, die zur Verbesserung der Kennzahl definiert wurden. Sie bilden die
eigentliche operative Ebene, um die Kennzahl zu verbessern.
Für jede einzelne Maßnahme wird festgehalten welchem übergeordneten Maßnah-
mencluster die Einzelmaßnahme zugeordnet werden kann, welche Funktion für die Maß-
nahme verantwortlich ist, wer Beteiligte an der Umsetzung sind, zu welchem Termin sie
fertiggestellt sein soll und welchen Status die Maßnahme zum Berichtszeitpunkt inne-
hat. Der Einfachheit halber werden in der Praxis Maßnahmen in der Regel chronologisch
nummeriert und, wie bereits dargestellt, in verschiedene Maßnahmencluster aggregiert.
Die einzelnen Statusstufen innerhalb des Umsetzungscontrollings können variieren. Im
exemplarischen Formblatt in Abb. 4.4 sind dies folgende drei Stufen: Status 1 bedeutet,
dass die Maßnahme sich in Bearbeitung befindet, Status 2, dass die Bearbeitung abge-
schlossen ist und Status 3, dass die Ergebnisse aus der Bearbeitung bereits vollständig
vorliegen. In der Praxis empfiehlt es sich, diese Art des Maßnahmencontrollings in einer
möglichst einfachen Form anzulegen und den Aufbau und das Format nicht zu kom-
plex zu gestalten. Zumeist bietet sich hier ein auf Excel-Anwendung basierendes Form-
blatt als Standardlösung an. Diese in der Regel auf VBA-Programmierung basierenden
Anwendungen können flexibel erstellt, aktualisiert und nachgehalten werden und haben
einen relativ geringen Komplexitätsgrad hinsichtlich der Handhabung.
130

Potenzialfelder Ansätze/Konzepte Potenzialnachweis

1. Entfall manuelle Bestellprüfung


2. Zusammenlegung Abteilungen A & B 1.1. Entfall manuelle Bestellprüfung
Personalkosten 3. Schließung Werk A
4. … Freisetzung von 2,0 FTE: 160.000 Euro
4

Investition einmalig: 35.000 Euro


1. Ausschreibung Bedarfe WG 1 & 2
2. Materialsubstitution WG 4
Materialkosten 3. Lieferentenkonzentration WG 5, 6, 7 & 8 Maßnahme Verantwortlich Termin Status
4. …
M1 Herr xy 15.07.2017 1

M2 Frau yz 30.08.2017 3
1. Ausschreibung Fuhrpark
2. Outsourcing Reinigung M3 Herr vy 31.12.2017 2
Sonstige betriebliche
Aufwendungen 3. Anpassung Travel Policy M4 … … …
4. …
M5 … … …

1. Einfrieren Investition Technologie A


Investition Ist: 22.000 Euro
2. Auflösen Anlagenpark Wertschöpfung X
Abschreibungen 3. …
4. … Potenzial Ist: 80.000 Euro

Abb. 4.4  Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle


Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen
4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle 131

Es hat sich bewährt, dass genau eine namentlich genannte Person für die Maßnahme
verantwortlich ist, um die Verantwortung klar und eindeutig zu adressieren. Mit diesen
Umsetzungsverantwortlichen wird in regelmäßigen Abständen der Fortschritt bespro-
chen. Die Ergebnisse daraus fließen in das Reporting ein. Ziel dieses Umsetzungsre-
portings ist es, zu jedem Zeitpunkt der Maßnahmenbearbeitung den aktuellen Status aller
Einzelmaßnahmen mit geringem administrativem Aufwand aufzeigen und vorantreiben
zu können. Die Umsetzungsverantwortlichen sind durch das Steuerungsgremium zu
bestätigen und stellen idealerweise auch ihre Ergebnisse dort selbst vor.
Abb. 4.4 bildet eine mögliche Umsetzungskontrolle auf Basis einer Excel-­Arbeitstabelle
ab, mit der das Tracking der Einzelmaßnahmen erfolgen kann. Ausgehend von den Poten-
zialfeldern, die den klassischen Kostenarten Personal, Material, sonstige betriebliche
Aufwendungen und Abschreibungen entsprechen, werden je Potenzialfeld die Ansätze
und Konzepte dokumentiert. Zu jedem Ansatz bzw. Konzept wird ein separater Potenzi-
alnachweis erstellt. Dieser beinhaltet die Potenzialberechnung, ggf. Wirtschaftlichkeits-
betrachtung sowie die zur Umsetzung erforderlichen Einzelmaßnahmen. Diese wiederum
werden nach Status verfolgt. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass mit der vollständigen
Umsetzung der Maßnahmen auch das Potenzial vollständig erschlossen wird. Im Rahmen
der Umsetzungskontrolle wird daher sowohl die Umsetzung der Maßnahmen wie auch die
ergebniswirksame Realisierung der Potenziale gemessen.
Neben der operativen Umsetzungskontrolle innerhalb der Implementierung eines
Organisationsentwicklungsprojekts, das durch die Projektleiter oder die Teammitglie-
der laufend aktualisiert und ergänzt wird, existieren selbstverständlich noch weitere
Berichte, die eher einer formalen Berichterstattung gegenüber dem Auftraggeber oder
dem Steuerungsgremium des Projekts dienen sollen (z. B. Geschäftsführung, Pro-
jektsponsor etc.).
Abb. 4.5 zeigt einen beispielhaften Projektreport der über die wesentlichsten Infor-
mationen zum Status des Projekts Auskunft gibt. Er stellt den Status der maßgeblichen
Projektmeilensteine dar, gibt einen Überblick über die Effekte, die eine Abweichung der
angestrebten Termintreue zur Folge haben könnten und informiert darüber, ob das Pro-
jekt insgesamt noch im zeitlichen Rahmen fertiggestellt werden wird. Zudem liefert er
die Aussage, ob die für die Aktivitäten bereitgestellten Ressourcen ausreichend sind und
ob die Kostenziele erreicht wurden. Das Schema kann auf die meisten Projekte angewen-
det werden, auch für Entwicklungsprojekte. Wesentlich bei diesem Format ist, dass nicht
nur Kennzahlen berichtet werden, sondern auch Raum für qualitative Aussagen besteht.
Sicher ist hier eine gewisse Prägnanz in den Formulierungen gefragt, aber der Report
bietet Raum, um Ursachen für Abweichungen vom Ziel zu erläutern. Die Maßnahmen,
die dahinterstehen, werden nicht dargestellt, und müssen separat verfolgt werden.
Eine alternative Form eines Statusberichts ist in Abb. 4.6 dargestellt. Neben den stan-
dardisierten Informationen eines Projekts wie Projektstart, Projektende und Zeitraum
der Berichtsperiode liegt ­darüber hinaus auch hier der Fokus auf der Zuweisung von
132

Projektbericht – Projekt Name xxx Status: xx.xx 2017

Status Meilensteine Status Zeit und Budget DB II

Meilenstein 1: Budget: [DB II] [Datum]


xx

xx xx
Meilenstein 2: Time: xx
xx xx
xx
4

xx

Meilenstein 3: Resources: A B C D

= Werte IST = Werte SOLL

Terminabweichungen Erläuterungen Kostenveränderungen

[Tage] [Datum] xxx:


PLAN-IST

Materialkosten
xx xxx: Fertigungskosten
SEK-Vertrieb
SEK-Herstellung
Materialgemeinkosten (MGK)
xxx:
Gesamt 0 Tage 1-5 6- 10 11 - 15 > 15 Fertigungsgemeinkosten
bzw. Fremdleistungen
= Anzahl Tage

*Abweichung Vertragstermin zu geplantem Realisierungstermin.

Abb. 4.5  Umsetzungskontrolle Beispiel Statusbericht Einzelprojekt


Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen
Projekt Start 01.0x.2017 Projekt Ende 30.0x.2017 Reporting Periode KW xx 2017 - KW xx 2017

Time Budget
Comment
Gesamtprojekt In Time Keine Änderung in Berichtsperiode
Teilprojekte bisher im geplanten Zeitplan

Teilprojekte

Status TP/ Verantwortung Ampel Zwischenergebnisse

Gespräche mit zuständigen Abteilungsleitern geführt


I. Reorganisation
Einkaufsorganisation Analyseumfang und -methodik definiert
Analyse bereits gestartet, Ergebnisse Ende Monat xx erwartet
Hr. Mustermann Umsetzung in Q3 geplant

Auswahl Lieferanten getroffen


4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle

II. Lieferantenaudit Ist-Zustand für Untersuchungsbereich ermittelt


Abgleich mit Soll-Zustand gemäß bestehenden Verträgen offen
Fr. Müller Termine mit Lieferanten geplant für Ende Q2

Sammlung und Auswahl möglicher Supplier abgeschlossen


III. Outsourcing Werkschutz Erstellung Lastenheft mit Spezifikationen in Arbeit
Finale Abstimmung zwischen Fachabteilungen ausstehend
Hr. Huber Ausschreibung geplant ab xx.0x.2017

Legende TP definiert TP in Bearbeitung TP Ergebnisse TP


Arbeit abgeschlossen umgesetzt

Abb. 4.6  Umsetzungskontrolle Beispiel Statusbericht Teilprojekte


133
134 4 Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen

­ msetzungsverantwortung. Es ist auch immer relevant, ob Projekte im für sie angesetz-


U
ten zeitlichen Rahmen abgewickelt werden können und zum gewünschten Termin abge-
schlossen sind. Essenziell ist auch, inwiefern das für das Projekt bereitgestellte Budget
ausreicht, um das Projekt erfolgreich zum angesetzten Termin fertigzustellen. Dabei
erfolgt eine Unterteilung der Umsetzung in Teilprojekte, für die jeweils ein Umsetzungs-
verantwortlicher benannt wird.
Diese Darstellung stellt sicher, dass der Adressatenkreis des Reports auch die wesent-
lichsten Informationen der einzelnen Teilprojekte auf einem aggregierten Berichtslevel
erhält. Diese Inhalte können u. a. bisher erreichte Ergebnisse, derzeitige Herausforde-
rungen, notwendige Entscheidungsbedarfe oder nächste Schritte in einem spezifischen
Teilprojekt sein. Eindeutige Verantwortliche für die Themen sind auch hier definiert.
Diese fungieren zudem – neben dem Projektleiter – als inhaltliche Ansprechpartner für
das Steuerungsgremium. Aufgrund der plakativen, einfachen Darstellung werden in der
Praxis für Projektberichte vielfach Ampeln verwendet, um einen Status bzw. Fortschritt
im Projektverlauf anzuzeigen. Die generelle Logik ist universell und wird daher interna-
tional gut verstanden. Die Ausprägung der einzelnen Ampelphasen (grün, gelb und rot)
kann jedoch unterschiedlich gestaltet sein. Eine mögliche Steuerungslogik könnte bei-
spielsweise sein, dass der Status Grün bedeutet, dass das Projekt erfolgreich bearbeitet
wird, die Rahmenbedingungen zu Termin und Budget eingehalten werden und es kei-
nerlei kritischen Entscheidungsbedarf seitens des Steuerungsgremiums gibt. Gelb würde
demnach signalisieren, dass es entweder kritische Themen bezüglich des terminierten
Projektendes gibt, das verabschiedete Budget für das Projektvorhaben nicht ausreicht
oder möglicherweise definierte Meilensteine in der Berichtsperiode nicht eingehalten
werden konnten. In dieser Steuerungslogik würde die gelbe Ampel jedoch implizieren,
dass das Projektteam die anstehenden Themen eigenständig, ohne steuernde Eingriffe
seitens des Gremiums lösen kann.
Status Rot indiziert dann in dieser Steuerungslogik, dass entweder der Termin für das
Projektende nicht gehalten werden kann und/oder dass das Budget überschritten wird.
Zudem können beispielsweise kritische Meilensteine nicht mehr realisierbar sein oder
sonstige kritische Entwicklungen Hemmnisse darstellen. Der Unterschied zum Status
Gelb ist, dass im Fall Status Rot das aktive Eingreifen des Steuerungsgremiums erfor-
derlich ist und Entscheidungen zur weiteren Projektbearbeitung getroffen werden müs-
sen. Das Projektteam meldet damit, dass der angestrebte Zustand nicht so oder jedenfalls
nicht so schnell erreicht werden kann. Das Lenkungsgremium muss auf diesen Umstand
dann reagieren. Im einfachsten Fall werden die Zeitschiene verlängert und die Projekt-
ressourcen aufgestockt.
In zeitkritischen unternehmensübergreifenden Großprojekten kann diese Steuerungs-
methodik auch noch durch eigene, vorab verabschiedete Steuerungslogiken ergänzt wer-
den. Ein Beispiel hierfür wäre, dass bei zwei aufeinanderfolgenden Statusreports der
Farbe Gelb die Statusampel automatisch auf Rot gesetzt werden würde. Dies ist in der
Regel der Fall, wenn Projekte übergreifend durch ein zentrales P
­ rogrammanagementoffice
4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle 135

koordiniert und gesteuert werden und einzelne Projekte oder Teilprojekte eine hohe
gegenseitige Abhängigkeit untereinander aufweisen. Solche zusätzlichen Regeln werden
jedoch vorab mit den Steuerungsgremien abgestimmt und bei Projektstart durch das Pro-
grammmanagement an alle Projektbeteiligten/-verantwortlichen kommuniziert.
Neben den klassischen Projektreports an die Auftraggeber, die im Laufe der Projekt-
bearbeitung rollierend abgegeben werden, erweist es sich als sinnvoll, nach dem fina-
len Projektabschluss eine Art Umsetzungskontrollbericht zu erstellen, der in Kurzform
die erreichten Ziele darstellt. Dies kann im Rahmen eines Management-Summary erfol-
gen, das für das Steuerungsgremium erstellt wird. Ziel ist, die erzielten Ergebnisse in
prägnanter Form darzustellen. Ergebnisse von Projektaktivitäten, die bisher noch nicht
vollständig umgesetzt werden konnten, können hier ebenfalls genannt werden. Ent-
scheidend sollte bei diesen (noch offenen) Punkten jedoch sein, dass hier ein konkretes
Datum genannt werden kann, zu dem die Bearbeitung vollständig erfolgt sein wird sowie
ein(e) für die Bearbeitung verantwortlicher Mitarbeiter/Führungskraft aus der Linienor-
ganisation. Dieses Management-Summary steht neben der – in diesem Rahmen bereits
erwähnten – Enddokumentation eines Projekts, die selbstverständlich einen wesentlich
detaillierteren Dokumentationsgrad in der chronologischen Erarbeitung der Ergebnisse
in den einzelnen Projektphasen und unter Umständen nach Teilprojekten aufweist.
Abb. 4.7 zeigt ein Beispiel, wie eine komprimierte Visualisierung von erzielten Pro-
jektergebnissen auf C-Level aussehen könnte. Ausgangssituation sowie Zielerreichung
(Ist-Zustand zum Berichtszeitpunkt) sind in kurzer Form zusammenfassend dargestellt.

Beispiele Wirksamkeitskontrolle

xxx Euro xxx Euro xxx Euro xxx Euro

40%
-32% -50% -100% -80%
62%

60%
target
38%
20%

Kostenreduktion Ratio erzielter Reduktion Fuhrpark Investitionen


Filialnetz Umsätze Filiale vs. Lagerbestände Filialen
Onlinegeschäft

Abb. 4.7  Beispiel Visualisierung Wirksamkeitskontrolle


136 4 Messkonzept zur Wirkung von Organisationsveränderungen

Durch die Visualisierung der erzielten Veränderung in Prozentzahlen kann die Verände-
rung durch den Adressatenkreis schnell erfasst werden.

Literatur

Schiersmann C, Thiel H-U (2014) Organisationsentwicklung – Prinzipien und Strategien von Ver-
änderungsprozessen. Springer, Wiesbaden
Ausblick
5

Das fünfte Kapitel soll einen Ausblick darüber geben, welche Bedarfe das Thema Orga-
nisationsentwicklung insbesondere vor dem Hintergrund umfassender Veränderungs-
trends wie beispielsweise der fortschreitenden Digitalisierung der Industrie zukünftig
haben wird, welche weiterführende Forschung im Themenfeld Organisationsentwicklung
von Interesse sein könnte und welche empirischen Studien im Themenfeld wünschens-
wert sein könnten. Zudem wird in diesem Kapitel thematisiert, was das vorliegende
Buch nicht leisten konnte sowie in welchen Bereichen und zu welchen spezifischen The-
mengebieten die Inhalte des Buchs zukünftig noch erweitert werden könnten.

Zukünftige Bedarfe Organisationsentwicklung Weltweite Megatrends, wie beispiels-


weise die Themen Globalisierung, Klimawandel, Digitalisierung und Industrie 4.0 haben
weitreichende Auswirkungen auf die Organisationen aller Art, wie sie heute bestehen.
Das betrifft nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch gemeinnützige Organisa-
tionen, Behörden und staatliche Einrichtungen. Hinzu kommt, dass sich die zeitlichen
Abfolgezyklen globaler Trends u. a. durch heute realisierbare Technologiesprünge ten-
denziell eher verkürzen und Unternehmen somit gezwungen sind, auf Veränderungen
schneller und flexibler zu reagieren als zuvor. Disruptive Technologien und Entwick-
lungen führen dazu, dass Unternehmen mehr denn je gezwungen sind, ihre Geschäfts-
modelle und Organisationsaufbaustrukturen kritisch zu hinterfragen und fortlaufend
anzupassen. Dies ist unter anderem auch dadurch der Fall, dass traditionelle Geschäfts-
modelle etablierter Unternehmen heute nahezu in allen Branchen herausgefordert wer-
den können. (vgl. Linz et al. 2017, S. 46). Um die eigene Markstellung zu behaupten,
reichen einzelne kleine Veränderungen nicht mehr aus, es bedarf vielmehr umfassender
Transformationen der existierenden Organisationsstrukturen und Geschäftsmodelle, um
im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben.
Vor diesem Hintergrund wird das Thema Organisationsentwicklung weiter an Bedeu-
tung gewinnen. Es ist davon auszugehen, dass die Bestandsdauer eines organisatorischen

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 137


S. Schifferer und B. von Reitzenstein, Tools und Instrumente der
Organisationsentwicklung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55560-6_5
138 5 Ausblick

Zustands einer Organisation in Zukunft kürzer ist, als dies noch im letzten Jahrzehnt der
Fall gewesen ist. Unternehmen und Organisationen aus den vielbeschriebenen Emerging
Markets dringen heute in Märkte und Geschäftsfelder ein, in denen sie vorher aufgrund
eines Mangels an Know-how und technologischem Wissen nicht teilnehmen konnten.
Diese veränderten Rahmenbedingungen sorgen in vielen Märkten und Branchen für eine
kontinuierlich steigende Wettbewerbsintensität und den Umstand, dass sich Organisati-
onen heute stärker denn je damit auseinandersetzen müssen, mit welchem Organisa-
tions-Set-up sie zukünftig möglichst wettbewerbsfähig agieren können. Die Eigenschaft,
inwiefern Unternehmen imstande sind, ihre existierenden – und teils über Jahre gewach-
senen – Organisationsstrukturen laufend zu verändern und an neuen Marktsituationen
neu auszurichten, wird maßgeblich darüber entscheiden, ob sie in ihrem Geschäftsum-
feld weiterhin dauerhaft wettbewerbsfähig teilnehmen können. Gleiches gilt für die ein-
gesetzten Ressourcen, die heute flexibler und agiler eingesetzt werden müssen als noch
in vorherigen Jahrzehnten. Moderne und zukünftige Organisationsmodelle müssen ­darauf
ausgelegt sein, unterschiedliche Veränderungen in verschiedenen globalen Märkten
simultan bewältigen zu können. Sie müssen schneller, agiler und flexibler auf Verände-
rungen reagieren können und – wenn notwendig – auch tief greifende Veränderungen in
ihrer Organisationsstruktur vornehmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zuvor
branchenfremde Unternehmen in neue traditionelle und gewachsene Märkte eindringen
und diese in ihren Grundfesten erschüttern, weil sie einen völlig neuen Ansatz haben,
diese Geschäftsmodelle und Märkte zu bedienen. Dieser disruptive Ansatz zwingt klassi-
sche Unternehmen, ihre bisherigen Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen stetig
zu überprüfen und Anpassungen sowie Veränderungen u. U. in kurzer Zeit vorzunehmen,
um ihre Markstellung zu wahren. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der klassische Handel
mit physischen Ladenflächen zur Darbietung der Produkte, der durch den stetig steigen-
den Onlinehandel (eCommerce) massiv an Umsätzen eingebüßt hat. Klassische Händ-
ler mussten diesen zweiten Vertriebs- und Logistikweg inklusive aller unterschiedlichen
­Prozessabläufe erst mühsam erlernen und dann möglichst schnell als alternative Prozess-
variante implementieren. Reine Onlinehändler, wie beispielsweise Amazon, haben diese
Prozesse bereits seit dem Beginn ihres ersten Geschäftsmodells – dem reinen Buchver-
sand (vgl. Zhu und Furr 2017, S. 32) – implementiert, fortlaufend weiterentwickelt und
durch eine sukzessive Ausweitung ihres Produktsortiments auf nahezu alle beliebigen
Produkte und Artikel transferiert.
Neben den organisatorischen Veränderungen, also der Transformation der strukturellen
Elemente einer Organisation, die Unternehmen in diesem Zusammenhang vornehmen,
sind noch weitere Elemente zu berücksichtigen, denen zukünftig bei Organisationsent-
wicklungen eine essenzielle Bedeutung zugeschrieben werden kann. Hier ist insbeson-
dere die Ressource Personal zu nennen. Die Arbeitswelt ist im Wandel begriffen. Es
findet immer mehr eine Abkehr von dem klassischen „Nine-to-Five“-Arbeitszeitmodell
statt, Mitarbeiter wollen eine andere Art von Work-Life-Balance, als das noch vor zehn
Jahren der Fall war. In den Vordergrund rückt, eine Leistung oder ein Arbeitsergebnis zu
erzielen. Wann und wie dies erfolgt, ist eher sekundär. In diesem Zuge verändern sich
5 Ausblick 139

auch Arbeitsumgebungen, die Erbringung der Arbeitsleitung ist nicht an die Anwesen-
heit an einen fixen Ort gekoppelt. In den Vordergrund rückt auch die Erbringung von
Arbeitsleitungen in einem Projektteam anstatt die festen Abteilungsstrukturen. Dies spie-
gelt sich auch in den Aufgabenkatalogen und -analysen wider. Es erfolgt eine Abkehr von
Routinen, weil diese zunehmend automatisiert und digitalisiert werden. Beides muss in
der modernen Organisationsgestaltung berücksichtigt werden. Mitarbeiter stellen ihr
Know-how Unternehmen auf Zeit zur Verfügung. Auch die Ausbildung an Hochschulen
und Universitäten trägt diesen Trends immer mehr Rechnung. Auch die Qualifikation
und kontinuierliche Weiterentwicklung der digitalen Fähigkeiten der Mitarbeiter in den
Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Unternehmen benötigen daher auf der einen Seite
klare Strukturen in der Aufbauorganisation, um Verantwortlichkeiten und Aufgaben klar
zuzuweisen, gleichzeitig aber die Fähigkeit, Ressourcen anforderungsspezifisch zu einem
Team zusammenzuführen.
Unternehmen werden diese weltweiten Trends und Transformationen in den Märkten
aktiv als Chance nutzen. Insbesondere Unternehmen, die sich durch gezielte organisato-
rische Maßnahmen ihre Aufbaustruktur optimieren und in ausreichendem Maße Flexibi-
lität darstellen können, werden in der Lage sein, an den veränderten Geschäftsmodellen
sowie in den sich verändernden Märkten zu partizipieren und diese auch nutzen, um
selbst in neue Geschäftsfelder und/oder neue Märkte zu expandieren.

Weitere Themen Im Hinblick auf mögliche weitere Fassungen dieser Publikation könnte
der gewählte inhaltliche Schwerpunkt dieser Publikation noch weiter ausgebaut wer-
den. Wesentlich wäre eine ausreichende Relevanz für die Zielgruppe, also Praktiker, die
operativ mit oder in Organisationsentwicklungsprojekten zu tun haben. Das hier vorlie-
gende Buch richtet sich primär an Praktiker, die im Rahmen von Organisationsentwick-
lungsprojekten schnell einen Einstieg in das Thema Organisationsentwicklung suchen.
Insbesondere die Vorstellung der ausgewählten Tools und Instrumente zur Analyse der
Organisation sollen einen schnellen und pragmatischen Weg darstellen und Werkzeuge
an die Hand geben, mit denen das existierende Organisations-Set-up zielführend analy-
siert werden kann. Es wird auf eine wissenschaftliche Herleitung oder Einordnung in der
Organisationstheorie verzichtet, ebenso auf die Definition von Begriffen. In den meisten
Fällen werden diese als bekannt oder gegeben vorausgesetzt. Das Themenfeld Prozessent-
wicklung ist sehr knapp gehalten, hier sei auf die spezifische Literatur zu dem Thema
verwiesen. Wird das Thema Prozessentwicklung und -optimierung in die Organisati-
onsentwicklung konsequenterweise mit eingeschlossen, gibt es hier noch Raum für eine
erweiterte Darstellung.
Das Thema Organisationsentwicklung beinhaltet vor allem noch das Thema Change
Management, was in vielen Veröffentlichungen umfangreich dargestellt wird. Auch
das könnte ausführlicher behandelt werden. Das vorliegende Buch versucht auch nicht
dem Organisationsdesign eine wie auch immer geartete Entwicklungsrichtung zu geben
oder Empfehlungen abzuleiten, weil es diese nach Auffassung der Autoren gar nicht
geben kann, dafür sind die Motivationen und Ausrichtungen von Organisationen viel
140 5 Ausblick

zu unterschiedlich. Vielmehr wurden mit den Segmentierungs- und Designkriterien


grundlegende Aspekte aufgezeigt, die fallbezogen zur Anwendung kommen. Im Rah-
men dieses Buches wird auch davon ausgegangen, dass die Struktur der Strategie folgt,
ein Kapitel zur Ableitung der Unternehmensstrategie ist daher nicht enthalten. Von
Bedeutung ist noch das Thema organisatorischer Wandel und Lernen. Hier kann auch
das Stichwort der lernenden Organisation genannt werden, das in Zukunft durch die
Herausforderungen für Unternehmen, die Gesellschaft und folglich auch den Menschen
noch weiter an Bedeutung gewinnen wird (vgl. Simon und Werther 2014, S. 55). Es
würde sich in der Tat lohnen, dies ausführlicher zu behandeln, weil die Umsetzungs-
geschwindigkeit von organisatorischen Änderungen und die gewünschte Veränderungs-
geschwindigkeit oft nicht zusammenpassen. Mögliche weitere Themenfelder könnten
dann noch kritische Erfolgsfaktoren von Organisationsprojekten sowie Qualitätsma-
nagementmethoden in Organisationsentwicklungsprojekten sein.

Potenzielle Forschungsaktivitäten Es existiert im deutschsprachigen Raum eine ganze


Reihe von Buchveröffentlichungen und Fachpublikationen zum Thema Organisations-
entwicklung. Woran es eher mangelt, ist ein systematischer und auf Empirie gestützter
Abgleich von Organisationsstrukturen, um noch besser gewisse Muster bei der Organisa-
tionsgestaltung erkennen und ableiten zu können. Hinsichtlich der Anzahl an Veröffent-
lichungen zum Thema Organisationsentwicklung, die sich auf empirische Forschungen
und Studien konzentrieren, besteht also noch Nachholbedarf. Dies mag vor allem daran
liegen, dass Unternehmen ungern einen Einblick in ihre eigene detaillierte Organisati-
onsstruktur gewähren, zumindest, wenn es um die unteren funktionalen Ebenen geht,
also über die erste Hierarchieebene hinausgeht (beispielsweise den Schnitt der Vor-
standsressorts, die Gliederung der Divisionen etc.), die häufig aufgrund von Berichts-
pflichten ohnehin seitens des Unternehmens veröffentlicht werden muss und wird. Es
existieren in vielen Büchern und Veröffentlichungen eine Vielzahl an einzelnen Cases,
die exemplarische Unternehmensentwicklungen beschreiben und deren Vorgehen und
Umsetzung beleuchten, diese sind jedoch in der Regel stark vergangenheitsbezogen
und stellen weniger auf die neuesten Trends und Entwicklungen des Designs von Orga-
nisationsstrukturen ab. Erst ein Vergleich mit Unternehmen der gleichen Branche und
Größenordnung würde die Ableitung zusätzlicher Erkenntnisse ermöglichen. Fraglich
ist auch, wie lange die Strukturen Bestand haben und was die Strategie dahinter war.
In vielen Fällen stellen sie eher eine Art Best-Practice-Darstellung (zu einem spezifi-
schen Zeitpunkt in der Vergangenheit) dar. Von Interesse wäre zudem, Organisations-
entwicklungen nach Art, Größe und Umfang empirisch zu erfassen und auszuwerten.
Interessant wäre demnach auch, wie häufig Unternehmen Organisationsveränderungen
oder -entwicklungen vornehmen und welche Art und welche Form hierbei vorherrschen.
Zusätzlich würde man sich in geeigneter Form Größencluster wünschen. Wie bei jeder
empirischen Studie bedürfen die einzelnen Cluster zunächst einer ausreichenden quanti-
tativen Anzahl an Unternehmen, damit aussagekräftige Analysen und Rückschlüsse aus
den Ergebnissen gezogen werden können. Denkbar wäre auch, die Unternehmen nach
Literatur 141

weiteren Kriterien wie Größe, Branche, Internationalität, oder der Art der produzierten
Leistung, beispielsweise produzierendes Gewerbe vs. Dienstleitung etc. weiter zu clus-
tern. Die Analyseergebnisse dieser Inhalte stellen dann rein auf die empirische Unter-
suchung der Datengrundlage ab, und nicht wie viele Cases in der Literatur eher auf die
Einzelbetrachtung von selektiven Best Practices. Sie stellen die Grundlage für weiter-
führende Analysen zum Thema, und die Ergebnisse lassen verlässliche Rückschlüsse zu.
Abschließend könnte anhand der Untersuchungsergebnisse auch eine Art Status quo zum
Thema Organisationsentwicklung ermittelt werden, der eine Indikation darüber zulas-
sen würde, welchen Stellenwert und welche Wichtigkeit Unternehmen organisatorischen
Veränderungen geben und wie hoch ihre Bedeutung beispielsweise zukünftig einge-
schätzt wird. Solche Ergebnisse würden beispielsweise bei der Formulierung von Orga-
nisationsalternativen einfließen können und hätten daher eine hohe praktische Relevanz
bei der konkreten Organisationsgestaltung.

Literatur

Linz C, Müller-Stewens G, Zimmermann A (2017) Fit für die Zukunft. In: Harvard Business
Manager 7-2017. manager magazin Verlagsgesellschaft mbH, S 46–55
Werther S, Jacobs C (2014) Theoretische Grundlagen. In: Brodbeck FC, Kircher E, Moschee R
(Hrsg) Organisationsentwicklung – Freude am Change. Die Wirtschaftspsychologie. Springer,
Berlin, S 41–74
Zhu F, Furr N (2017) Angriff von Amazon. In: Harvard Business manager 3-2017. Harvard Busi-
ness School Publishing Corporation, S 32–35

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