Tools Und Instrumente Der Organisationsentwicklung
Tools Und Instrumente Der Organisationsentwicklung
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V
VI Vorwort
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1 Abgrenzung Untersuchungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Analyse der Organisationshistorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.3 FIT-GAP-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.4 Zielformulierung von Organisationsentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.5 Prämissen von Organisationsentwicklungsprojekten. . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.6 Organigramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.7 Staffing – Analyse Headcount und FTE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.8 Aufgabenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.9 Stellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.10 Schnittstellenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.11 Kundenkontaktanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.12 Prozessanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.13 Analyse von Durchlaufzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.14 Analyse Wert- und Mengengerüste
(Kosten, Umsatz, Entwicklungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.15 SWOT-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
3 Entwicklung und Beschreibung der Soll-Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.1 Dimensionen der Veränderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
3.3.1 Segmentierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.3.2 Soll-Organisations-Charts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3.3.3 Alternativenbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.3.4 Soll-FTE, Soll-Headcount. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
VII
VIII Inhaltsverzeichnis
Dr. Stefan Schifferer ist geschäftsführender Partner der Enovis Management Consul-
ting GmbH und berät seit 20 Jahren Unternehmen in Fragen Einkauf, Logistik und Orga-
nisation. Er hat eine Vielzahl von Projekten zur Organisationentwicklung u. a. in den
Branchen Handel, Druck, Logistik und Maschinenbau durchgeführt. Herr Schifferer hat
Abschlüsse der Universitäten Karlsruhe und München. 2001 hat er zum Thema Organi-
sation des Einkaufs an der TU-München promoviert.
Benjamin von Reitzenstein ist als Consultant für die Enovis Management Consulting
GmbH tätig und blickt auf 9 Jahre Beratungstätigkeit zurück. Er startete seine Karriere
bei E.ON Inhouse Consulting, der internen Managementberatung der E.ON SE, seine
Beratungsschwerpunkte sind Prozess- und Organisations-entwicklungen in Unterneh-
men der Branchen Energie, Maschinenbau und Logistik. Herr von Reitzenstein hat einen
Abschluss der Munich Business School.
IX
Abbildungsverzeichnis
XI
XII Abbildungsverzeichnis
Systeme wie Kirchen, Schulen, Behörden sicherstellen soll. Der institutionelle Organi-
sationsbegriff schließt dabei die Prozess- und Systemebene mit ein. Zentral bleibt aber
die geregelte Arbeitsteilung. Darunter soll verstanden werden, dass die Aufgaben nach
einem rationalen Muster geteilt und verbunden werden (vgl. Schreyögg 2008, S. 9).
Diese Muster werden anhand von formalen Beschreibungsinstrumenten wie z. B. Orga-
nigrammen, Organisationshandbüchern oder Aufgabenbeschreibungen für die Perso-
nen einer Organisation sichtbar gemacht und operationalisiert. Sie zeigen auch auf, was
gehört zur Organisation und was nicht. Zusammenfassend soll unter dem Begriff Orga-
nisation die Gesamtheit aller ablauf- und aufbauorganisatorischen Elemente verstanden
werden, die eine Arbeitsteilung für eine bestimmte Zweckerfüllung beschreiben. Da
viele Abläufe oder auch Prozesse ohne unterstützende Systeme oder Tools kaum mehr
denkbar sind, müssen IT-Systeme ganz allgemein mit eingeschlossen werden.
Fraglich ist, auf welche Typen von Organisation sich ein Buch zur Organisations-
entwicklung beziehen kann. Dazu ist erforderlich, sich klar zu machen, welche Typen
von Organisationen bekannt sind, soweit sich überhaupt eine durchgängige Typologie
ableiten lässt. Ganz allgemein können auf der einen Seite Organisationen für Unter-
nehmen, und diese wiederum nach verschiedenen Branchen, und auf der anderen Seite
Organisationen für Verwaltungen wie Behörden, gemeinnützige Verbände, Kirchen etc.
unterschieden werden, wie in Abb. 1.1 dargestellt. Dazwischen gibt es alle möglichen
Mischformen, etwa auch Vereine oder Genossenschaften, die wie Unternehmen Gewinne
erwirtschaften wollen. Allen Organisationen gemeinsam ist offenbar, dass sie einem
Organisationszweck folgen, einen wie auch immer gearteten Regelbetrieb aufrechterhal-
ten, Zuständigkeiten innerhalb der Organisation zuweisen, eine Hierarchie ausprägen,
feste formale Regeln formulieren, eine Aufgabenteilung vornehmen, Funktionen und
Spezialisierungen ausbilden oder eine Mitarbeiter- oder Mitgliederstruktur ausprägen
(vgl. hierzu auch Apelt 2017, S. 23 ff). Unterschiede hingegen bestehen in den Werten,
den Zielen und folglich der Strategie, der Art und Weise, wie sich die Organisationen
finanzieren, dem Autonomiegrad, Ziele und Strukturen selbst festzulegen, der Größe
nach Umsatz und Anzahl an Mitarbeitern, der Komplexität, der Art und Weise, wie Mit-
arbeiter vergütet und an die Organisation gebunden werden, dem Grad der Spezialisie-
rung, der Delegation und Koordination von Aufgaben oder ob die Organisation nur lokal
oder global agiert (vgl. auch Schiersmann 2014, S. 56).
All diese Kriterien auf verschiedene Branchen und Institutionen angewendet, ergäbe
eine Vielzahl an unterschiedlichen Organisationstypen. Aus den Unterschieden kann
aber die Schlussfolgerung gezogen werden, dass je nach Ausprägung auch die jeweilige
Organisation unterschiedlich ausgeprägt sein wird oder zumindest eine eigene Struktur
begründen könnte. Wichtig ist es also, bei der Organisationsgestaltung auf diese Aspekte
Rücksicht zu nehmen bzw. diese aktiv zu kennen. Es ist deswegen auch so schwierig,
allgemein gültige Gestaltungsempfehlungen für Organisationen ableiten zu wollen,
wie Unternehmen sich auszurichten hätten. Dies mag für einzelne Branchen zu einem
bestimmten Zeitpunkt gelingen, Allgemeingültigkeit können solche Empfehlungen
aber kaum haben und besitzen allenfalls eine Halbwertszeit von wenigen Monaten. Für
1 Einleitung 3
Organisationsentwicklung
Organisationstheorie
Organisationsanalyse
Instrumente & Methoden
Organisationsgestaltung
Leitlinien / Designkriterien
Beschreibung
Verantwortung Beschreibung
Legal-Struktur Aufbau- IT & Systeme
& Reporting Prozesse
organisation
Vorgehensweisen Organisationsentwicklung
Erfolgsmessung
gezählt werden muss, obgleich das vorgestellte Messkonzept selbst auch auf andere Fra-
gestellungen angewendet werden kann, weil es letztlich immer um betriebswirtschaftlich
relevante Größen geht, die sich in der Gewinn- oder Verlustrechnung bzw. in der Bilanz
niederschlagen.
Literatur
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Tools und Instrumenten, die sich zur Analyse von
Organisationen, Prozessen und Abläufen eignen. Hierbei werden das Ziel, das Vorgehen
bei der Anwendung sowie das Ergebnis und der Nutzen jeweils kurz erläutert. Das soll
es dem Leser ermöglichen, schnell die relevanten Aspekte des jeweiligen Tools zu erfas-
sen. Jedes Unterkapitel kann dabei für sich gelesen werden, es setzt nicht die Kenntnis
der vorangegangenen Kapitel zwingend voraus. Die in diesem Buch dargestellten Tools
stellen eine Auswahl von in der Praxis vielfach verwendeten Analyseinstrumenten dar.
Neben diesen existieren selbstverständlich noch weitere Instrumente, die jedoch in die-
sem Rahmen nicht vorgestellt werden. Abb. 2.1 gibt einen Überblick über die ausgewähl-
ten Tools und Instrumente, die im Folgenden näher beschrieben werden.
Dabei stellen die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs, die Organisationshistorie
und die FIT-GAP-Analyse keine Tools im engeren Sinne dar, sondern beschreiben die
oftmals notwendigen Vorarbeiten zur Ein- und Abgrenzung sowie Problematisierung.
Die Formulierung der Ziele und Prämissen ist elementar und wird daher mit behandelt.
Danach werden typische Analysen wie etwa eine Stellenanalyse oder Aufgabenanalyse
vorgestellt. Betont werden muss auch noch einmal an dieser Stelle, dass im Rahmen
eines Projekts zur Organisationsentwicklung nie alle Analysen erforderlich sind, son-
dern, je nach Aufgabenstellung, nur ausgewählte Tools und Instrumente zum Einsatz
kommen.
Die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs ist elementar, weil zunächst einmal festgelegt
werden muss, was der Umfang oder „Scope“ der geplanten Organisationsentwicklung sein
soll. Diese wirkt sich auf den Umfang der Analyse, der einzubeziehenden Gremien und
Personen, den Projektansatz und -verlauf, auf die einzusetzenden Ressourcen und nicht
Abgrenzung FIT-GAP-Analyse
Organisationshistorie
Untersuchungsbereich
Zielerreichung Prämissen
Staffing –
Organigramme Aufgabenanalyse
Analyse HC und FTE
Analyse Analyse
Prozessanalyse
Durchlaufzeiten Wert- und Mengengerüste
SWOT-Analyse
zuletzt auf die Dauer des Vorhabens aus. Zu beachten ist, dass der Scope und die Zielset-
zungen nicht unabhängig voneinander sind. Sollen etwa die Entwicklungsorganisationen
überprüft und weiterentwickelt werden, sind alle Standorte mit Entwicklungsfunktionen
einzubeziehen, ggf. auch angrenzende Funktionen wie Produktmanagement, Einkauf
usw. Es ist daher wichtig zu prüfen, ob die Zielsetzungen des Projekts mit dem gewählten
Untersuchungsbereich zusammenpassen.
Ziel
Ziel dieser Abgrenzung des Untersuchungsbereichs ist die eindeutige Bestimmung und
Erfassung der – zunächst für die Analyse relevanten – Unternehmenseinheiten, Organi-
sationseinheiten, Prozesse oder Abläufe, die im Rahmen der definierten Fragestellung
untersucht werden sollen. Über die Definition des Untersuchungsbereichs hinaus kann es
auch hilfreich sein, eine entsprechende Negativabgrenzung abzuleiten, also auch aktiv
konkrete Inhalte zu definieren, die kein Gegenstand der angestrebten Untersuchung sein
sollen. Typischerweise sind das ausgewählte Unternehmen, Bereiche, Standorte, Funkti-
onen, Abteilungen oder Prozessabschnitte.
Vorgehen Anwendung
Die Diskussion und die Festlegung der Abgrenzung erfolgen in der Regel in Abstim-
mung mit den entsprechenden Projektsteuerungsgremien. Der Untersuchungsbereich
hängt auch von der Zielsetzung des Projekts ab. Soll etwa die Entwicklungsorganisation
angepasst werden, um z. B. die Innovationsleistung zu erhöhen, müssen zumindest alle
2.2 Analyse der Organisationshistorie 11
Jede Organisation ist Veränderungen unterworfen. Es gibt in aller Regel eine Vielzahl von
kleinen und wenigen größeren organisatorischen Änderungen im Laufe der Zeit. Kleinere
sind beispielsweise, wenn sich Mitarbeiter verändern, neue Mitarbeiter hinzukommen
oder wenn neue unterstützende Tools eingesetzt werden. Größere Änderungen betref-
fen z. B. den Aufbau und Zuschnitt von Bereichen, Abteilungen oder die Berichtslinien.
12
Management- Management-Prozesse
Prozesse
- Gestalten und Steuern Strategie Führung Controlling Forschung Philosophie
der Kern- und Planung Reporting Reporting Entwicklung Methoden
Unterstützungs-
Prozesse Top- Personal- Performance Innovations- Qualiäts-
Management Management Management Management/ Management
F&E
Kern–Prozesse
Auftragsbearbeitung
- wertschöpfend
Vertrieb Produktion Distribution
Planung
Pricing Einzelne Lagerung
Finale Produktions- Waren
Angebots- prozesse & Auslieferung
erstellung Engineering Herstellung Abrechnung
-teilprozesse
Detaillierte Kundenlösung Spezialteile Fakturierung
Vertrags-
gestaltung
ielfach sind im Laufe der Jahre zahlreiche Veränderungen vorgenommen worden, und
V
Mitarbeiter fragen sich manchmal, was eine erneute Veränderung bringen soll. Es ist
also gut zu wissen, welche größeren Veränderungen bereits stattgefunden haben, welche
Modelle schon ausprobiert worden sind und warum ggf. eine Abkehr davon stattfand.
Ziel
Das Ziel der Analyse der Organisationshistorie ist, eine Übersicht und Darstellung der
bereits getätigten Veränderungen und Organisationsentwicklungen über einen definier-
ten Zeitraum, beispielsweise der letzten drei Geschäftsjahre, um die bereits in der Ver-
gangenheit vorgenommenen Organisationsentwicklungen transparent zu machen. Es soll
auch verhindern, dass Konzepte und Alternativen, die schon untersucht wurden, nicht
erst erfunden werden müssen, sondern von Anfang an Teil des Lösungsraums sind. Oft-
mals lassen sich einzelne Lösungsbausteine daraus in ein künftiges Konzept integrieren.
Wenn Unterlagen vorhanden sind, geben diese Hinweise und z. T Aufschluss über frü-
here Betrachtungen. Was schon analysiert wurde, muss nicht noch mal analysiert wer-
den. Meist wird aber die Qualität solcher Vorarbeiten vom Auftragsgeber überschätzt,
wenn die Projekte nicht sauber nach Standards dokumentiert sind.
verschiedene Lager und Befürworter für Modelle gibt, die in der Vergangenheit nicht
zum Zuge kamen. Eine lückenlose Organisationshistorie ist meist nicht zu erwarten und
lohnt auch den Zusatzaufwand nicht. Oft reicht es auch aus zu wissen, wie lange die
bestehende Struktur vorliegt und wer diese geschaffen hat.
2.3 FIT-GAP-Analyse
Ziel
Ziel der Analyse ist es, die Lücken zu identifizieren und zu strukturieren sowie die
Lücken qualitativ und wenn möglich quantitativ zu beschreiben. Die Ermittlung von
Lücken (engl. GAPS) erfolgt bei der Gegenüberstellung von Ist- und Soll- oder Plan-
werten von definierten Zielgrößen, wie beispielsweise Umsatz-, Absatzzahlen von Pro-
dukten, Produktgruppen etc. Die Identifikation dieser Lücken liefert die Grundlage zur
weiterführenden Analyse der Ursachen der vorliegenden Abweichungen. Aber auch
auf qualitativer Ebene können GAP-Analysen vorgenommen werden. Etwa als Ergeb-
nis einer Mitarbeiterbefragung, dass Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern hinsichtlich
der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeiten besteht, oder dass es zu starre Regelungen für
Dienstreisen gibt. Dann fehlt zunächst eine Quantifizierung.
Ähnlich wie beim Benchmarking geht es darum, Leistungslücken zu identifizieren
und zu messen. Werden die einzelnen Messpunkte systematisiert, lassen sich entlang
der Wertschöpfungskette, der Prozesse oder der Aufbauorganisation Schwachpunkte
oder Handlungsbedarfe ableiten. Eine strategische Lücke würde z. B. eine Diskrepanz
zu einem bestehenden versus zu einem geplanten Marktanteil betreffen, eine operative
Lücke könnte z. B. der Anteil an Aufträgen sein, der innerhalb einer Planlieferzeit abge-
arbeitet werden kann.
Potenzieller Ist-Wert
bei optimiertem Plan
operativen Strategische
Vorgehen Lücke
Ist
Operative
Prognostizierte Lücke
Entwicklung bei
gleichbleibendem
Vorgehen
Zeit
Abb. 2.3 Prinzip der FIT-GAP-Analyse. (Quelle: In Anlehnung an Kerth et al. 2011, S. 232)
Es erscheint auf den ersten Blick trivial, dass die Zielsetzungen für eine Organisations-
entwicklung klar formuliert sein müssen. In der Praxis erweist sich das als äußerst sen-
sible Fragestellung, weil damit nicht weniger als die Strategie und die Ausrichtung des
Unternehmens verbunden ist. Eine Zielformulierung für eine Organisationsentwicklung
setzt also voraus, dass der Strategieprozess abgeschlossen ist. Umgekehrt kann nicht
im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprozesses die Strategiediskussion erneut
geführt werden. Leider kommt das aber nicht selten vor, und es wird dann schnell offen-
sichtlich, wer hinter der Strategie steht und wer nicht.
Ziel
Ziele schaffen Fakten und werden auch für Organisationsentwicklungen benötigt. Ziele
werden benötigt, um Anreize für Veränderungen zu schaffen. Ohne Zielvorgaben fehlt
die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit und letztlich die Möglichkeit, das Erreichte zu
messen (vgl. Schiersmann und Thiel 2014, S. 200 ff.) Jedes Unternehmen hat Ziele.
Vorrangig besteht das Ziel darin, Gewinne zu erwirtschaften und eine angemessene Ver-
zinsung auf das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften. Abhängig vom Geschäftsmodell
werden diese ökonomischen Basisziele auf spezifische Kenngrößen heruntergebrochen.
Will das Unternehmen z. B. international wachsen, wird eine Kenngröße benötigt, wie
viel Prozent des Umsatzes künftig im Ausland erwirtschaftet werden soll usw. Will ein
Unternehmen die Kosten senken, stellt sich die Frage, wie hoch die Einsparungen in
Summe sein sollen. Klare Zielvorgaben stecken den Untersuchungsbereich mit ab, kön-
nen eine aktive Formulierung und Beschreibung eines angestrebten Zustands darstellen
und ermöglichen es zu einem späteren Zeitpunkt, den Projekterfolg zu bewerten und zu
messen. Meist hat ein Projekt zur Organisationsentwicklung nicht nur ein Ziel, sondern
mehrere. Hier ist zu prüfen, ob diese Ziele miteinander vereinbar sind oder sich sogar
widersprechen. Beispielsweise kürzere Durchlaufzeiten und niedrigere Bestände stehen
in keinem oder selten im Widerspruch, während der Ausbau der Vertriebskapazitäten und
18 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
der Personalabbau im Vertrieb schwer vereinbar sind. Mehr Sinn würde hier z. B. die
Überlegung machen, ob die Vertriebsressourcen richtig auf die Vertriebskanäle verteilt
sind.
TERMINTREUE
IST: gering
SOLL: hoch
LIEFERZEIT
IST: 12 Wochen
SOLL: 8 Wochen
Bestände WIP
und Fertigwaren
Im Grunde geht es also darum, nicht auf starre Termine hin zu planen, sondern die Fle-
xibilität einzuführen, dass auf markt- und kundenseitige Änderungen, die immer statt-
finden, besser reagiert werden kann. Vor allem auf der Seite der Produktion, die gerne
mit stabilen und festen Vorgaben arbeitet, bedeutet eine Flexibilisierung, weitere Detail-
prozesse wie Rüstzeiten, Materialversorgung etc. zu verkürzen bzw. schneller und damit
flexibler zu machen. In der Praxis sind vielfach mehrere Zieldimensionen gegeben, die
sich zudem oft gegenseitig beeinflussen. Um eine nachhaltige Verbesserung zu schaffen,
müssen somit die gesamte Prozesskette und weitere Einflussgrößen betrachtet werden.
Wie eine Zielformulierung und eine daraus abgeleitete Vorgehensweise in einem
Organisationsprojekt aussehen kann, verdeutlicht Abb. 2.6.
Hier wurde eine umfassende Organisationsentwicklung entlang von Hauptprozessen
eines Prozessmodells gewählt. Die Zielformulierung erfolgte für jeden Hauptprozess
separat. In der Folge wurden drei Teilprojekte definiert, die weitgehend unabhängig von-
einander, aber unter einer einheitlichen Gesamtprojektleitung bearbeitet werden konnten.
Die Ziele sind hier eher qualitativ formuliert, auf eine Quantifizierung wurde im ersten
Schritt verzichtet. Die Ziele haben aber einen beschreibenden Charakter, was erreicht
oder aufgebaut werden soll, ohne die konkrete Ausgestaltung vorwegzunehmen.
20 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
Ziel
Prämissen sind die Festlegung von Parametern und Dimensionen, die sich im Laufe der
Analyse und im Projektverlauf nicht verändern. Sie schaffen Klarheit darüber, was als
gesetzt angesehen wird und was im Rahmen der Organisationsentwicklung diskutiert und
verändert werden kann. Wenn man so will, umreißen die Prämissen den Lösungsrahmen
für eine Organisationsentwicklung und grenzen ihn vom Übrigen ab. Sie bilden damit
konstante Leitplanken und definieren fixe Parameter, unter denen die spezifische Frage-
stellung bearbeitet werden soll. Sie stellen die Basis für die Bearbeitung der Fragestellung
2.6 Organigramme 21
dar. Eine typische Prämisse lautet z. B.: „Es wird das bestehende Produkt- und Lösungs-
portfolio angenommen“ oder „Die bestehende Bereichsorganisation mit den vier Unter-
nehmensbereichen wird als gesetzt angesehen“.
Vorgehen Anwendung
Die Festlegung der Prämissen erfolgt in der Regel in einer sehr frühen Phase des Pro-
jekts und in Abstimmung mit den entsprechenden Steuerungsgremien. Die Prämissen
werden oft implizit vom Auftragsgeber formuliert, müssen aber explizit aufgeschrieben
werden. Dies zu tun, fällt dem Projektleiter zu. Im Zuge wachsender Erkenntnisse im
Projektverlauf können Prämissen geändert, gestrichen oder auch neue Prämissen aufge-
stellt werden. Eine Änderung/Anpassung der Prämissen sollte nur in Abstimmung mit
den entsprechenden Steuerungsgremien erfolgen. Eine Änderung von Prämissen kann
weitreichende Folgen haben, nicht nur dass dann ganz andere Konzepte und Lösungen
infrage kommen könnten, sondern dass auch eine hohe Verunsicherung bei den Mitarbei-
tern hervorgerufen wird. Besser ist es daher, dass sie, einmal festgeschrieben, nicht mehr
verändert werden. Es macht sogar vielmehr Sinn, im Rahmen des Projektverlaufs weitere
Prämissen zu formulieren, um die erzielten Ergebnisse festzuschreiben und die Diskussi-
onen, wenn Zwischenentscheidungen getroffen wurden, zu beenden.
2.6 Organigramme
Hohe Flexibilität hinsichtlich der Liefer- Hohe Flexibilität hinsichtlich der Liefer-
termine und der Reihenfolge der termine und der Reihenfolge der
Fertigung bleibt weiterhin bestehen Fertigung bleibt weiterhin bestehen
erfassen. Gerade die Organigramme der Arbeitsebenen geben Aufschluss darüber, wel-
che Aufgaben tatsächlich wo wahrgenommen werden.
Ziel
Zunächst dient diese Analyse einer strukturierten Erfassung der organisatorischen Auf-
stellung eines Unternehmens hinsichtlich der Geschäftsverantwortung, der vorhandenen
Berichtslinien, der Führungsstruktur und der bisher verwendeten Segmentierungskri-
terien. Darüber hinaus liefern Organigramme eine detaillierte Aufbereitung des globa-
len, regionalen und ggf. auch lokalen Organisationssetups in den Märkten, in denen das
Unternehmen agiert (Tochtergesellschaften, evtl. Beteiligungen an Joint Ventures etc.).
Es wird erkennbar, welcher Logik oder welchen Leitlinien Organigramme folgen. Struk-
turen fundiert zu problematisieren gelingt nur, wenn im Rahmen von Interviews Detail-
informationen zur Verfügung stehen, z. B. welche Mengengerüste dort bewältigt werden
oder welche Aufgaben zu welchen Prozessen dort wahrgenommen werden.
Anwendung Vorgehen
Zunächst sollten die offiziellen Organigramme gesichtet werden. Im Rahmen von Inter-
views sind Besonderheiten oder Unklarheiten zu erfassen. Meist geht die Personaldimen-
sionierung aus den Organigrammen nicht hervor. Hierbei wird zwischen Headcount und
FTE unterschieden. Beide Größen sind wichtig und sollten separat erfasst werden. Es
ist zu prüfen, ob die gewählte Darstellungsform übernommen wird, oder ob nicht eine
aussagekräftigere Darstellungsform gewählt werden muss. In einer vertiefenden Ana-
lyse können für den ausgewählten Untersuchungsbereich weitere Detailorganigramme
sinnvoll sein, beispielsweise um Teamstrukturen abzubilden. Solche Organigramme sind
2.6 Organigramme 23
vielfach bei Führungskräften vorhanden, sollten dort abgefragt und zur Verwendung
autorisiert werden. Berichtslinien, die nicht in den Organigrammen dargestellt werden,
sind zu ergänzen.
Konzernholding
Shared-Service-
Teilkonzern 1 Teilkonzern 2 Teilkonzern 3
Einheiten
Geschäftsführung
…
Vertrieb &
Produktion F&E Einkauf
Marketing
je nach Art der Leistung, die das Unternehmen produziert. Im Beispiel sind dies die
Funktionen Vertrieb & Marketing, Produktion, Forschung & Entwicklung (F&E) sowie
Einkauf (Abb. 2.9).
Durch die voranschreitende Internationalisierung der Geschäftswelt haben sich weitere
Organisationsformen etabliert, die eine zunehmende Globalisierung und das Zusammenspiel
von global verteilten Unternehmensfunktionen besser bedienen. Eine Organisationsform,
die sich hieraus entwickelte, ist die Matrixorganisation (vgl. Schreyögg 2008, S. 148).
Im folgenden Beispiel bilden die zwei Dimensionen die Geschäftssegmente und die
Regionen, in denen das Unternehmen z. T. mit eigenen Tochtergesellschaften aktiv ist,
die Matrix. Sie stellen die strukturierenden Elemente dieser Organisationsform dar. Die
funktionale Ausgestaltung der regionalen Tochtergesellschaften ist hierbei in der Praxis
nicht zwingend homogen. So stellen in einer Matrixorganisation beispielsweise gewisse
2.6 Organigramme 25
Standorte spezialisierte Fachfunktionen, die gebündelt an einem Standort für das gesamte
Unternehmen eine Leistung erbringen (als klassisches Beispiel kann hier F&E genannt
werden). In der Praxis ist die Organisationsstruktur so kostenoptimiert designed, dass spe-
zifische Funktionen an dem hierfür am besten geeigneten Unternehmensstandort angesie-
delt sind. Häufig sind für die geeignete Standortwahl u. a. Kriterien wie Unterschiede in
den Lohn- und Standortkosten oder die Verfügbarkeit von Fachkräften ausschlaggebend.
Die Steuerung und fachlich-inhaltliche Führung dieser Funktionen erfolgt jedoch
i. d. R. aus der Unternehmenszentrale. Die Abb. 2.10 und 2.11 verdeutlichen die unter-
schiedliche Ausgestaltung der einzelnen Unternehmenseinheiten.
Ausgewählte Funktionen wie z. B. Vertrieb und Operations sind an allen regionalen
Strukturen vorhanden, während z. B. die Entwicklung nur an einem Standort konzent-
riert ist. Soweit in den Regionen, was häufig der Fall ist, eigene rechtliche Einheiten
gebildet werden, wachsen entsprechende lokale Funktionen für Finanzen, Rechnungswe-
sen und Controlling an. Der Autonomiegrad der Funktionen, die in allen Regionen und
lokalen Einheiten vorhanden sind, ist häufig Gegenstand der Diskussion. Hier muss die
Frage beantwortet werden, bei welchen Fragestellungen lokale Anforderungen und folg-
lich lokale Lösungen erforderlich sind, und bei welchen Fragestellungen, z. B. einheitli-
chen weltweiten Produkten oder -Komponenten, gemeinsame Standards und Prozesse.
Abb. 2.12 zeigt, wie ein Governancemodell über die verschiedenen Hierarchieebenen
ausgeprägt werden kann.
Region 1
Finanzen /
Vertrieb Operations Einkauf
Controlling
Region 2
Headquarter/
Steuerungs-
funktionen
Strategy and steering-level HQ/Steering
Functions
governance
…
Regionale
Hubs Region 1
Regio3 Region 2
Operational
level
Betriebs-
stätten
Die zwei beispielhaften Abb. 2.13 und 2.14 verdeutlichen, welche Funktionen an wel-
chem Standort angesiedelt sind.
Ein regionaler Hub-Standort hat danach eine eigene Vertriebs-, Operations- und Sup-
portfunktion. Standorte, die an einen Hub angeschlossen werden, können viel schlanker
aufgestellt werden, da der regionale Hub Funktionen für die gesamte Region bündelt
(vgl. Nagel 2014, S. 228). Darunter können weitere rechtliche Einheiten oder reine
Betriebsstätten angeschlossen werden.
Das Beispiel verdeutlicht, dass der regionale Hub über alle notwendigen Funktionen
verfügt, um eine eigenständige Geschäftsverantwortung zu erfüllen. Dies beinhaltet u. a.
Funktionen wie Vertrieb, Operations und Supply Chain Management (inklusive Einkauf
und Logistik) sowie dezidierte Supportfunktionen wie beispielsweise Controlling, HR
oder IT. Eine eigene Forschung & Entwicklung ist in diesem Fallbeispiel nicht vorhanden,
der Hub bezieht die gefertigten Güter über eine andere Unternehmenseinheit, wie bei-
spielsweise von der Unternehmenszentrale oder von einem externen Partnerunternehmen.
Das Beispiel einer reinen Betriebsstätte, die die Aufgabe hat, Kunden vor Ort zu pro-
duzieren, zeigt, dass diese Einheit bis auf die reine Fertigung relativ wenige weitere
Funktionen benötigt. Übergeordnete Funktionen, z. B. Auftragsabwicklung, Controlling,
etc. werden hier durch den Hub vorgehalten. In einer Organisationsstruktur mit mehre-
ren regionalen Standorten können somit innerhalb der Region Synergien genutzt und das
Set-up u. a. nach Kostengesichtspunkten optimiert gewählt werden.
28 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
Regionen-Hub
Support
Vertrieb Operations
(CO, FI, HR, IT,…)
SCM …
Auftragsabwicklung
REGIONEN-
HUB
Logistik/Einkauf
Produktion
Operations
Produktion
Segment A
Segment B
SCM
PRODUKTIONS-
BETRIEBSSTÄTTE Lagerlogistik
Unmittelbar an die Analyse der Organigramme schließt sich in der Regel die Analyse
der Personalausstattung der jeweiligen Organisationseinheiten an. Dabei werden mit
dem sogenannten Headcount und den FTE (= Full-Time-Equivalent) zwei wesentliche
Personalkennzahlen unterschieden. Der Headcount gibt Auskunft, wie viele Mitarbeiter
beschäftigt sind, ohne Ansehung, wie viele Stunden ihr Vertrag umfasst. Zeitarbeitskräfte
werden in der Regel mit hinzugerechnet, bei ihnen unterscheidet sich nur das Arbeitsver-
hältnis gegenüber dem Arbeitgeber im Vergleich zu fest angestellten Mitarbeitern. Die
FTE-Zahl gibt in Prozent an, wie viele Stunden die Wochenarbeitszeit in Stunden bezo-
gen auf eine volle Stelle (100 %) beträgt. Entsprechen 38,0 h in der Woche 100 %, ent-
spricht ein Arbeitsvertrag über 19 h/Woche einem FTE von 0,50. Ein Stelleninhaber, der
einen FTE-Wert von 0,68 hat, füllt in der Organisation also keine Vollzeitstelle aus. Sein
Headcount beträgt dennoch 1,0.
Ziel
Ziel der Analyse ist, umfassende Transparenz über die derzeitige Mitarbeiterstruktur und
Dimensionierung in einem Unternehmen oder einzelner Abteilungen zu erlangen. Der
Fokus liegt auf der Ermittlung der reinen Anzahl der Mitarbeiter sowie auf der Art der
Anstellung (befristet vs. unbefristet) und der spezifischen Ausprägung des Arbeitsver-
hältnisses (Vollzeit, Teilzeit etc.). Innerhalb der Analyse wird zwischen FTE und Head-
count unterschieden.
Vorgehen Anwendung
Vielfach können Unternehmen den Großteil der Daten aus bestehenden Systemen gewin-
nen. In der Praxis kann vielfach auf Daten bestehender HR-Systeme zurückgegriffen
werden, die zur weiterführenden Analyse verwendet werden können. Eine andere oftmals
ebenso zuverlässige Quelle ist das Controlling. Nicht immer stimmen die Zahlen der bei-
den Abteilungen im ersten Wurf überein. Das liegt oftmals an der Geschwindigkeit, mit
der Personalveränderungen in Systemen nachgezogen werden. Unklarheiten sind durch
Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern aus dem HR-Bereich zu beseitigen.
Idealerweise werden die Daten in Tabellenform erhoben, sodass später beliebige Schnitte
30 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
berechnet werden können. Mindestens enthalten sein müssen die Abteilung, die Abtei-
lungsnummer, die Funktionsbezeichnung und die FTE-Zahl. Wenn der Name des Mitar-
beiters enthalten sein soll, ist das mitunter heikel, es sollte dann geprüft werden, welche
Zustimmungen dazu eingeholt werden müssen. Ggf. macht es auch hier Sinn, den Perso-
nalbestand im Zeitverlauf zu betrachten. Kritisch zu bewertende Veränderungen können
somit identifiziert und durch gezielte Maßnahmen zur Gegensteuerung bearbeitet werden
(Beispiele hierfür sind Stellennachbesetzungen, Stellenwechsel, abrupter Personalauf-
bau oder Personalabbau). Zudem sind meist Informationen über die Art der Anstellung
(unbefristeter Anstellungsvertrag oder befristetes Arbeitsverhältnis) und die Ausprägung
der zeitlich vereinbarten Arbeitskapazität (Vollzeittätigkeit oder Teilzeitbeschäftigung,
Altersteilzeit etc.) gepflegt. Zur Vervollständigung von fehlenden Daten können Inter-
views mit Führungskräften und Mitarbeitern aus dem Personalbereich geführt und in die
Datenbasis aufgenommen werden.
2.8 Aufgabenanalyse
Ziel
Primäres Ziel ist die Ermittlung der Kapazitätsverteilung der wesentlichen Hauptaufgaben
innerhalb einer Abteilung oder eines Bereichs. Auch Teil- oder Unteraufgaben innerhalb
der einzelnen Hauptaufgaben werden hierbei strukturiert erfasst (vgl. Schreyögg 2008,
S. 93). Die Kapazitätsverteilung wird, ausgehend von der Verteilung eines jeden einzel-
nen Mitarbeiters einer Abteilung, für alle zugeordneten FTE hochaggregiert. Zusätzlich
können im Rahmen dieser Analyse eine Reihe weiterer Aspekte abgefragt und ermittelt
werden. Dies sind neben den Hauptaufgaben z. B. die Teilaufgaben zur Ausführung der
Hauptaufgaben, die Schnittstellen in der Organisation, ein grobes Mengengerüst, wel-
ches für die Ausführung der Tätigkeit maßgeblich ist, das Ergebnis der Aufgabenbewälti-
gung, welche Schwachstellen gesehen werden und die Eignung der eingesetzten Tools zur
Unterstützung. Je nach Projektanforderungen können weitere Aspekte aufgenommen wer-
den, beispielsweise ob eine Aufgabe als wertschöpfend angesehen wird oder eher admi-
nistrativen Charakter hat.
Vorgehen Anwendung
Im ersten Schritt müssen die Hauptaufgaben der zu untersuchenden Organisationsein-
heit ermittelt werden. Hierzu können Stellenprofile herangezogen werden und im Rah-
men von Interviews mit den Führungskräften eine Aufgabenliste erstellt werden. In der
32 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
Regel sollten es nicht mehr als 10 bis maximal 15 Hauptaufgaben sein. Andernfalls ist
ein höherer Level der Aggregation zu wählen. Diese Hauptaufgaben werden in ein Form-
blatt als Tabelle übertragen. Im zweiten Schritt werden die erforderlichen Zusatzspalten
definiert. Mithilfe des so entstandenen Formblatts werden im Rahmen von Einzelinter-
views mit den Mitarbeitern der Abteilung die jeweiligen Hauptaufgaben besprochen und
zunächst die geschätzte zeitliche Kapazitätsverteilung dieser Tätigkeiten strukturiert
erfasst. Dabei bildet die FTE-Zahl des Mitarbeiters die 100 %-Basis für die Verteilung
auf die Hauptaufgaben. Beträgt die FTE-Zahl 1,0 und es werden zehn Hauptaufgaben
absolut gleichgewichtig wahrgenommen, hätte jede Hauptaufgabe einen FTE-Wert von
0,1. Es geht aber genau darum, die Unterscheide zwischen den Hauptaufgaben heraus-
zuarbeiten, um zu sehen wo kapazitiv intensive Aufgaben und was eher untergeordnete
Aufgaben sind.
Im Verlauf des Interviews werden dann die weiteren Spalten erfasst. Als letzter Schritt
werden die Schwachstellen bzw. Verbesserungspunkte aus Sicht der befragten Mitarbei-
ter erfasst. Das ausgefüllte Formblatt sollte von den Mitarbeitern unterschrieben werden;
wenn notwendig, soll er es im Nachgang in Ruhe durchlesen und ggf. korrigieren kön-
nen. Eine Alternative zu strukturierten Interviews mit den Beteiligten stellt das eigen-
ständige Ausfüllen des Formblatts durch die Mitarbeiter dar. Der Nachteil dabei ist, dass
derjenige, der die Analyse durchführt, dabei nicht die volle Informationsqualität erzielt.
Nr Hauptaufgabe Teil-Arbeits- Wert- Auslöser/ Häufigkeit Anzahl Zeit in Kapa- Ergebnisse Kunde Hilfsmittel Schwach-
schritte schöp- Input von p.a. Minuten/ zität Zustand der Ausführ- stellen
fend Stelle Stunden/ in nach Leistung ung der
Ja/ bzw. oder Prozent Aktivität Hauptauf-
nein Abteilung Tagen gabe
6 Aktivität 6 5%
7 Aktivität 7 5%
Auslöser (Stelle,
Interner Kunde
8 Aktivität 8 Teil- Abteilung) für die 5% Schwachstellen
der Leistung
Arbeits- Hauptaufgabe
schritt 8.1
9 Aktivität 9 < 1%
10 Aktivität 10 5%
11 Aktivität 11 1-2 5%
Summe 100%
Lieferantenauswahl aus Auswahl aus bestehendem Lieferanten- Formulierung von Make-or-Buy, Materialgruppenstrategien,
bestehenden Pool oder Suche neuen potenziellen Beschaffungsstrategien Identifizierung Einkaufspotenziale,
Lieferanten, Klärung Lieferanten, Lieferantenanfrage Beschaffungsmarktbearbeitung, Sourcing-
Verfügbarkeit Lieferant Strategien, Beziehungsmanagement,
Strategische Partnerschaften
Rechnungsprüfung und Klärung und ggf. Weitergabe an Abteilung
Abgleich mit Vertrag, Mitarbeit in Projekten/ Entwicklung Lieferantenstruktur,
Bestellung, Sonderaufgaben Lieferantenanbindung,
Reklamationsabwicklung Prozessoptimierung, Spend-Analysis
Pflege der Lieferanten- Aktualisierung der Stammdaten der Wahrnehmung Lead Marktkenntnisse
und Materialstamm- Lieferanten bei Änderungen, Löschungen Buyer Funktion
daten etc.
Tätigkeit/Aktivität
2.9 Stellenanalyse
Zum Teil reicht eine Aufgabenanalyse allein nicht aus, um alle Aspekte einer Tätigkeit
und Stelle zu erfassen, insbesondere dann, wenn mit der Organisationsentwicklung auch
eine Veränderung der Stellenprofile verbunden sein soll. Eine Stelle besitzt in der Regel
ein Stellenprofil, welches sich aus den zu leistenden Anforderungen an eine Funktion
ableitet. Diese sind im Idealfall durch explizite Stellenbeschreibungen dokumentiert.
Typischerweise werden Teile der Anforderungen davon bei der Personalsuche in internen
oder externen Suchanzeigen verwendet. Handlungsbedarf ist dann gegeben, wenn ver-
einfacht die Stelle und der Stelleninhaber nicht zusammenpassen. Besteht beispielsweise
ein Missverhältnis zwischen den Anforderungen an eine Stelle und dem Stelleninhaber,
versucht die Stellenanalyse dieses zu objektivieren. Dabei kann die Stelle zu breit ange-
legt sein, und es ist damit praktisch unmöglich, geeignete Besetzungen zu finden, der
Stelleninhaber hat nicht die erforderliche Qualifikation oder ist überqualifiziert, der Stel-
leninhaber ist unzufrieden und möchte sich weiterentwickeln oder das Stellenprofil muss
verändert werden, um künftigen Anforderungen zu genügen etc.
Ziel
Ziel einer Stellenanalyse ist daher die Aufnahme und Erstellung von detaillierten Beschrei-
bungen der derzeit existierenden Stellenprofile innerhalb einer Funktion, die Dokumentation
der Qualifikation und der Erfahrungen des derzeitigen Stelleninhabers und die Durchführung
einer Gegenüberstellung an die zukünftigen Anforderungsprofile dieser Stellen und Funkti-
onen. Ziel ist es weiter, transparent zu machen, für welche Stellen Abweichungen auftreten
und welcher Handlungsbedarf sich daraus ableitet. Daraus sollen Maßnahmen zur Personal-
entwicklung abgeleitet werden, um diesen GAPS gezielt entgegenwirken zu können.
Vorgehen Anwendung
Im ersten Schritt sollten die existierenden Stellenprofile im Untersuchungsbereich
gesichtet werden. Als Basis dient die formale Stellenbeschreibung einer Funktion, die
alle relevanten HR-administrativen Informationen (wie Vorgesetzter, Hierarchieebene,
Eingliederung Gehaltsspanne etc.) sowie qualitative Informationen (Verantwortungsbe-
reich, Aufgaben und Tätigkeiten, Befugnisse etc.) beinhaltet. Häufiger ist festzustellen,
dass diese entweder veraltet oder gar nicht vollständig und durchgängig vorhanden sind.
Im zweiten Schritt werden die Profile der Stelleninhaber erfasst. Dies erfolgt mit verfüg-
baren Basisdaten aus der Personalabteilung sowie Einzelinterviews. Aus solchen Inter-
views sind oft Erkenntnisse über Erfahrungen und das Know-how von Mitarbeitern zu
erfahren, die nicht in der Personalakte zu finden sind. Sinnvoll ist es auch, Wünsche oder
das Potenzial des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Weiterentwicklung dabei aufzuneh-
men. Klar ist, dass solche Interviews nur mit Zustimmung der erforderlichen Gremien
erfolgen können. Im dritten Schritt werden die künftigen Anforderungen an die Funk-
tionen bzw. einzelne Stellen abgleitet. Dieser erfolgt wiederum über Interviews mit den
Führungskräften oder der Personalabteilung. Hieraus wird ein Soll-Anforderungsprofil
erstellt, das die Stellenbeschreibung um weitere Anforderungskriterien ergänzt. Dies
2.9 Stellenanalyse 37
Bewertung Stellenprofil
= bisher = Ist
= künftig = Potenzial
1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Ausbildung
Fachkompetenz
Erfahrung
Fachwissen
Projektmanagement
kompetenz
Methoden-
Problemlösetechniken
Moderationstechniken
Sozialkompetenz
Teamfähigkeit
Führung
Kommunikation
Abb. 2.20 Praxisbeispiel Stellenanalyse. (Quelle: In Anlehnung an Simon und von der Gathen
2002, S. 91)
2.10 Schnittstellenanalyse 39
2.10 Schnittstellenanalyse
Keine größere Organisation kommt ohne Schnittstellen aus, die sich zwangsläufig erge-
ben, wenn Prozesse und Aufgaben arbeitsteilig organisiert werden. An Schnittstellen
müssen Informationen, Arbeitsergebnisse, Dokumente, Auftragsstatus, Güter etc. aus-
getauscht werden. Schnittstellen bestehen aus der Sicht eines Unternehmens auch nach
außen, zu Kunden, zu Lieferanten, zu Behörden usw. Betrachtet werden sollen hier die
Schnittstellen zwischen Organisationseinheiten in einem Unternehmen oder einer Orga-
nisation. Beispielsweise müssen bei der Auftragsfertigung die Kundenanforderungen
über den Vertrieb in einem ersten Schritt in ein kaufmännisches Angebot überführt wer-
den. Wenn der Vertrieb einen Außendienst und einen Vertriebsinnendienst unterscheidet,
müssen die Kundenanforderungen vom Außendienst an den Innendienst übermittelt wer-
den. Gibt es technische Fragen zu klären, sind wieder andere Abteilungen gefragt, das
zu beurteilen, um beispielsweise die Grenzen der Machbarkeit abzustecken. Ggf. muss
der Einkauf klären, ob die Materialien, die vom Standard abweichen, beschafft werden
können und ob das zu wirtschaftlichen Konditionen möglich ist. Oftmals gehen Infor-
mationen mehrmals hin und her. Fachabteilungen benötigen Zeit, um eine qualifizierte
und verlässliche Rückmeldung zu geben. Trifft die Qualität der Rückmeldung nicht die
Erwartung, kommt es schnell zur Unzufriedenheit und zu mehrfachen Rückfragen. So
haben jedes Team und jede Abteilung eine, meist mehrere Schnittstellen in der Organisa-
tion. Nicht alle Schnittstellen sind gleichgewichtig und werden gleich häufig in Anspruch
genommen. Auch die Anforderungen, die Wichtigkeit und die Zufriedenheit sowie die
Intensität der Schnittstellen sind sehr unterschiedlich. Um das herauszuarbeiten, dient die
Schnittstellenanalyse.
Ziel
Die Schnittstellenanalyse soll den Ist-Zustand der Zusammenarbeit von Abteilungen mit
anderen Abteilungen untersuchen. Sie erfolgt vielfach im Rahmen von Prozessoptimie-
rungen, da eine effiziente Zusammenarbeit auch Teil eines optimierten Prozesses ist. Ziel
ist die Identifikation der relevanten/kritischen Schnittstellen aus der Sicht einer Abtei-
lung, deren Typisierung und die qualitative Bewertung, inwiefern die Anforderungen
an die Schnittstelle aus Sicht einer Abteilung erfüllt werden. Im zweiten Schritt sollen
geeignete organisatorische Maßnahmen zum Abbau der Defizite der Schnittstellen abge-
leitet werden.
Anwendung Vorgehen
Zunächst muss festgelegt werden, für welche Abteilungen im Untersuchungsbereich eine
Schnittstellenanalyse durchgeführt werden soll. Meist kommen die Hinweise im Rahmen
der Aufgabenanalyse, dass Informationen von einer Abteilung an die andere nicht anfor-
derungsgerecht übergehen oder nicht zufrieden stellend gelöst sind. Auch eine Vielzahl an
abteilungsübergreifenden Meetings und Runden ist ein Hinweis darauf, dass Sachverhalte
mehrfach intensiv abgestimmt werden. Zentrale Sicht bei der Schnittstellenanalyse ist
40 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
zunächst die Sicht einer Abteilung (Abb. 2.21). Diese hat eine oder mehrere Schnittstel-
len innerhalb der Organisation. Im Rahmen von strukturierten Interviews mit Personen
der zu untersuchenden Abteilung erfolgt eine Aufnahme der jeweiligen Anforderungen
der Abteilung an andere Abteilungen. Zudem werden an der jeweiligen Schnittstelle die
Instrumente, mit welchen Informationen, Daten, Genehmigungen, Muster etc. ausge-
tauscht werden, gesichtet und ggf. erfasst. Im nächsten Schritt erfolgt eine qualitative
Bewertung der jeweiligen Schnittstelle durch die befragte Person. Hierbei können bei-
spielsweise die Kriterien Wichtigkeit und Zufriedenheit der Schnittstelle bewertet werden.
Diese Befragung und Bewertung wird für alle relevanten Schnittstellen aus Sicht einer
Abteilung durchgeführt. Spannend wird es, wenn die gleichen Fragen von der anderen
Seite beantwortet werden. Aus dem Abgleich kann dann abgleitet werden, inwieweit die
Abteilungen aneinander vorbeireden und gegenseitig unzufrieden sind. Oftmals fehlt auch
das Verständnis, warum eine nachgelagerte Stelle in einem Prozess ein Arbeitsergebnis
genau in der Form haben möchte und warum Abweichungen unweigerlich zu Rückfragen
führen. Beispielsweise benötigt der Einkauf von der Entwicklungsabteilung eine Spezifi-
kation für eingesetzte Materialien, um Beschaffungsquellen zu prüfen. Entwicklungsab-
teilungen neigen dazu, diese so eng zu formulieren, dass genau ein Lieferant übrig bleibt,
nämlich der, mit welchem die Prototypen erfolgreich produziert wurden. Aus Sicht des
Einkaufs wird dann der mögliche Wettbewerb ausgehebelt. Falls sinnvoll, wird ergänzend
auch der zeitliche Ablauf im Prozessabschnitt der beteiligten Schnittstellen untersucht,
wenn Hinweise auf zu lange Durchlaufzeiten (DLZ) vorliegen.
Die Erkenntnisse können für die Ableitung von konkreten Gestaltungshinweisen für
die weiterführende Organisationsentwicklung und zur Optimierung der Schnittstelle
genutzt werden. Entweder wird die Schnittstelle dann aufgehoben, weil Abteilungen
zusammengeführt oder anders zugeschnitten werden, oder es wird an der Qualität der
ausgetauschten Informationen an der Schnittstelle gearbeitet, weil z. B. andere Koordi-
nationsinstrumente verwendet werden. Im einfachsten Fall kann dies ein strukturiertes
Formular oder Tool sein oder, noch besser, eine verbesserte Datengewinnung in einem
integrierten System.
Anhand von strukturierten Gegenüberstellungen von zwei Fachabteilungen (hier im
Beispiel die Funktionen Entwicklung und Einkauf) an einer spezifischen Schnittstelle
lassen sich die einzelnen Anforderungen an die andere Abteilung erfassen und daraus
Deliverables ableiten, die die Gegenseite zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit liefern
muss. Die unterschiedlichen Anforderungen an einer Schnittstelle verdeutlicht das nach-
folgende Beispiel.
Da die Schnittstellenanalyse sehr schnell zu sehr viel Aufwand führen kann, sollte
diese nur gezielt für einzelne Abteilungen angewendet werden, insbesondere dann, wenn
diese Abteilung in der Organisation der Kritik ausgesetzt ist, Prozesse kompliziert und
langsam zu machen. Aufgrund der Methodik, jeweils beide Seiten zu befragen und dabei
sich nicht auf Einzelmeinungen verlassen zu müssen, kommen ganz schnell eine Vielzahl
von erforderlichen Interviews zusammen (Abb. 2.22).
Hier sei an einem relativ einfachen Beispiel aufgezeigt, welche typischen Erwartun-
gen eine Einkaufsabteilung an eine Entwicklungsabteilung formuliert, ohne dass diese
Ansprüche auf Vollständigkeit wiedergeben. Hier geht es um die Freigabe von Stück-
listen aus Entwicklungsprojekten, um den Prozess der Lieferantensuche und -auswahl
anzustoßen. Typischerweise ist die Freigabe von Materialien oder Stücklisten eine Akti-
vität in einem strukturierten Entwicklungsprozess. Das heißt aber nicht, dass in der Pra-
xis das gelebt wird, was als Soll-Prozess vorgegeben wird. Zu prüfen ist dann in diesem
Fall, warum Stücklisten fehlerhaft sind und warum diese aus Sicht des Einkaufs zu spät
freigegeben werden. Die Ursachen sind also eher in der Arbeitsweise im Entwicklungs-
prozess selbst zu suchen, als dass nicht durch einen Standardentwicklungsprozess klar
wäre, wer wann was zu welchem Meilenstein zu liefern hat. Der zweite Aspekt betrifft
eher ein operatives Thema, nämlich eine frühzeitige Information über neue Kunden-
aufträge im Hinblick auf die Beschaffung auftragsspezifischer Materialien. In Zeiten
integrierter Systeme sollte man annehmen können, dass dies mit der Anlage eines Kun-
denauftrags im System und anschließender Stücklistenauflösung über einen MRP-Lauf
gelöst wäre. Das Problem steckt also hier eher im systemgestützten Prozess, der die
erforderlichen Bedarfsanforderungen für Sondermaterialien aus Sicht des Einkaufs zu
spät generiert. Hier ist die Entwicklungsabteilung gar nicht der richtige Ansprechpartner,
sondern eher der Vertrieb.
Abb. 2.23 zeigt, wie die Ergebnisse aus einer Schnittstellenanalyse aussehen kön-
nen. Anhand von Formatvorlagen können die einzelnen Schnittstellen der Fachbereiche
1 5 1 5 1 5
sehr sehr sehr sehr sehr sehr
gering hoch gering hoch gering hoch
Information zu Lieferanten 5 3
3
Materialstammdaten 3 3
Bewertung zu erkannten
5 4
Abweichungen vom Standard
3
Lösungsvorschläge bei
4 2
Abweichungen
Bewertung Auswirkungen
5 4
Qualitätsstandards
4
Mitwirkung Prüfpläne 3 4
und deren Anforderungen an die Gegenseite strukturiert erfasst und durch die jeweilige
Fachabteilung bewertet werden. Hierzu werden die Kriterien Wichtigkeit und Zufrieden-
heit qualitativ bewertet. Die Bewertung erfolgt im Beispiel auf einer Skala von 1 (sehr
gering) bis 5 (sehr hoch). Anhand der errechneten Punktzahl aus Wichtigkeit und Zufrie-
denheit je Schnittstelle kann eine Schnittstellenqualität abgeleitet werden. Wichtig sind
hier aber nicht die absoluten Werte, die ja ohnehin auf subjektiven Einschätzungen beru-
hen, sondern die relativen Abstände zwischen den Schnittstellen. Am ehesten ist Hand-
lungsbedarf an der Schnittstelle zur Produktion gegeben, während der Schnittstelle QM
zu F&E eher eine hohe Schnittstellenqualität bescheinigt wird.
Abb. 2.24 und 2.25 zeigen Formblätter hierzu, wie sie für die Bewertung der Schnitt-
stellen verwendet werden können. Wichtig dabei ist, nicht nur in eine Richtung zu fragen
(Formblatt 1) welche Anforderungen aus Sicht einer Abteilung an andere Abteilungen
gegeben sind, sondern auch was wohl die jeweils andere Abteilung für Erwartungen
an die eigene Abteilung stellt (Formblatt 2). Dieses stellt eine Art Selbstbewertung dar
und zeigt, wie die Abteilung sich selbst gegenüber anderen Abteilungen einschätzt. Es
kommt nicht selten vor, dass Abteilugen sich überschätzen und mit der Erfüllung der
Anforderungen an andere Abteilungen weniger zufrieden sind. In der Praxis hat es sich
als praktikabel erwiesen, nicht zu viele Anforderungen aufzunehmen, sondern sich auf
die wesentlichen drei bis fünf zu konzentrieren. Stellt eine Abteilung keine Anforderun-
gen an andere Abteilungen, stimmt auch etwas nicht. Dann drängt sich schnell der Ein-
druck auf, dass sich diese Abteilung eher abschottet und ein Eigenleben führt. Jedenfalls
wäre das ein Anlass, das kritisch zu hinterfragen.
2.11 Kundenkontaktanalyse
der Vertriebsorganisation ab, inwieweit eine solche Analyse Sinn macht. Wir gehen hier
von einem zentral organisierten Vertrieb für ein technisches Produkt aus, wie er z. B. im
Maschinenbau vorzufinden ist. Für mehrstufige Vertriebsorganisationen lassen sich aber
Analogieschlüsse ziehen.
Ziel
Im Vordergrund steht die Verbesserung der Kundenorientierung. Ziel der Kundenkon-
taktanalyse ist die strukturierte Erfassung von Defiziten in der Kundenansprache oder
im Umgang mit Kunden. Vom Kunden können Unternehmen sehr viel lernen, und nicht
zuletzt gilt es immer wieder, das Produkt- und Lösungsportfolio am Kunden auszurich-
ten. Jeder hat schon einen Feedbackfragebogen in einem Hotel ausgefüllt. Meist werden
hier auch verschiedene Kundenkontaktpunkte abgefragt. Dies fängt an bei der Buchung
und Reservierung und endet meist bei Verbesserungsvorschlägen. Wesentlich sind also
sogenannte Kundenkontaktpunkte. Das sind Punkte, an denen der Kunde Leistungen des
Unternehmens wahrnimmt und die aus Sicht des Leistungserbringers im Rahmen von
Prozessen stattfinden. Der Kunde selbst kennt die Prozesse, die dahinter stehen, meist
gar nicht, sondern nimmt nur am Kontaktpunkt die Leistung wahr. Im Vordergrund steht
die Frage, erfüllt das Unternehmen mit seinen Prozessen, in welchen der Kunde vor-
kommt, die Erwartungen und Anforderungen, die der Kunde stellt, und sind die Abläufe
wirtschaftlich, und lassen sich diese verbessern, oder fehlen sogar Prozesse? In diesem
Rahmen der Analyse kann auch eine Typisierung von Kundenkontakten sinnvoll sein,
etwa nach Kundengruppen oder Produkten. Ziel ist dann auch die Aufklärung und Diffe-
renzierung der Anforderungen an Kundenkontaktpunkten. Bei einem Kundenerstkontakt
stehen andere Aspekte im Vordergrund (Bedarf des Kunden im Abgleich mit dem Pro-
dukt- und Lösungsportfolio), als wenn ein Reklamationsfall zu bearbeiten ist (schnelle
Klärung und Beseitigung der Reklamationsursachen). Übergeordnetes Ziel ist es daher,
alle Kundenkontaktpunkte und -prozesse aus Sicht des Kunden zu dokumentieren und im
Streben nach einem besseren Kundenerlebnis ganzheitlich zu optimieren.
Vorgehen Anwendung
Im ersten Schritt ist noch mal die Zielsetzung der Kundenkontaktanalyse aktiv zu formu-
lieren (Abb. 2.26). Die Erwartungen sind hier meist anfangs recht hoch und müssen der
Ernüchterung weichen, wenn festgestellt wird, dass externe Informationen ohne weiteres
nicht zu beschaffen sind und eine Kundenbefragung nicht infrage kommt. Viele Unter-
nehmen bieten über ihre Website die Möglichkeit, Kundenfeedback zu geben. Diese
Datenbasis ist dann auszuwerten. Ist das nicht möglich, muss die Analyse auf interne
Mitarbeiter gestützt werden, die regelmäßig oder auch nur sporadisch mit Kunden in
Kontakt stehen. Zunächst werden alle existierenden Kundenkontaktstellen im Unterneh-
men identifiziert und strukturiert erfasst. Parallel kann an einer quantitativen Analyse
der vorliegenden Mengengerüste zu Angeboten, Kundenanfragen etc. gearbeitet werden.
Beispiele hierfür sind Auswertungen zur Quantität der abgegebenen Angebote oder der
Anzahl der getätigten Bestellungen (engl. Orders received). Vielfach können diese Daten
46 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
Die Abb. 2.27 zeigt exemplarisch, welche Kundenkontaktpunkte bei einem Unterneh-
men des Maschinenbaus betrachtet wurden. Zu jedem einzelnen Kontaktpunkt wurde
letztlich eine Einstufung nach einer Ampellogik vorgenommen, um zu visualisieren,
wo am ehesten Handlungsbedarf besteht. Dahinter stehen konkrete Beschreibungen von
Defiziten, soweit vorhanden. Einige Kontaktpunkte sind nicht zu beanstanden. Auch das
ist dann Teil des Ergebnisses: zu wissen, wo kein Handlungsbedarf besteht. Hier erwies
sich vor allem der Reklamationsprozess mit sehr langen Antwort- und Reaktionszeiten
als kritisch. Unklar war z. B., ab wann eine Reklamation vorliegt oder ob es sich nur um
eine kritische Rückmeldung seitens des Kunden handelt. Es war festzulegen, welchen
Kriterien zutreffen müssen, dass eine Reklamation anerkannt wird bzw. vorliegt. Eine
Reklamation löst dann intern eine Reihe von Folgeprozessen und Klärungen aus, bis hin
zur Bildung von Rückstellungen. Der Kunde wiederum ist an einer schnellen Beseiti-
gung des Mangels interessiert.
Zielsetzung
Vorgehen
Definition Kundenkontakte
Definition interner und externer Zielgrößen zur Messung der definierten Soll-Anforderungen
3 Vorgabe Zielgrößen für Kennzahlen
Maßnahmen Umsetzung und Prozess zur Überwachung Zielerreichung
Durchführung
Interviews
- Geschäftsleitung
- Mitarbeiter Vertrieb
- Mitarbeiter anderer Bereiche mit Kundenkontakt (z. B. Telefonhotlines)
- Kundenbefragung
2.12 Prozessanalyse
Prozessanalysen und Process Mappings stellen eine der zentralen Analysen im Rahmen
von Organisationsentwicklungen dar. Insbesondere dann, wenn Prozessoptimierung auch
als Organisationsentwicklung verstanden wird. Nun befassen sich ganze Bücher nur mit
der Frage der Geschäftsprozessoptimierung und -modellierung oder Process Excellence.
Hier sollen eher die grundlegenden und einfachen Methoden der Prozessanalyse vorgestellt
werden, die im Rahmen von Projekten zur Organisationsentwicklung einen Nutzen stiften
können. Es geht nicht um die Methoden, eine flächendeckende Prozessanalyse wie z. B.
mithilfe der Aris-Logik durchzuführen, wie sie häufig im Vorfeld von Systemeinführungen
erfolgen. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, wie aus Prozessanalysen zusätzliche
Erkenntnisse für die Gestaltung der Aufbauorganisation gewonnen werden können. Dabei
ist es erfahrungsgemäß praktikabel, über ein eher generisches übergeordnetes Prozessmodell
einzusteigen und dann Schritt für Schritt den Detaillierungsgrad für ausgesuchte Prozesse
zu erhöhen. Auch das Denken in Unternehmensprozessen bzw. in einem Prozessmodell hat
seine Grenzen. Zum einen wird auf einem hohen Level das Ganze so abstrakt, dass kein
Erkenntnisgewinn daraus gezogen werden kann, zum anderen werden oft ganze Tapeten
mit Prozessdarstellungen gefüllt, ohne dass auch daraus Aussagen abgeleitet werden kön-
nen. Wichtig ist es daher, ein geeignetes Level zu finden. Besonders wichtig ist es, geeignete
Übergabe- und Entkopplungspunkte zu identifizieren. Dann können vergleichsweise kurze
2.12 Prozessanalyse 49
Prozessketten nach dem Input-Output-Modell analysiert und anhand von ausgewählten Pro-
zesskennzahlen wie z. B. der Durchlaufzeit oder First-Pass-Yield deren Leistungsfähigkeit
beurteilt werden. In vielen Unternehmen werden Prozesse schon allein aus Gründen der
ISO-Zertifizierungen systematisch beschrieben und anhand von Verfahrens- und Arbeitsan-
weisungen für die Organisation verfügbar gemacht. Es ist aber ratsam, genau hinzuschauen,
ob diese so dokumentierten Prozesse in der Praxis auch so gelebt werden. Es macht durch-
aus Sinn, sich von der im Unternehmen etablierten verwendeten Logik der Darstellung zu
lösen, und die Prozesse aus einem anderen Blickwinkel oder mittels einer anderen Methodik
zu analysieren, um Stärken und Schwächen herauszuarbeiten und aufzeigen zu können.
Ziel
Ziel der Prozessanalyse ist es, zunächst ein fundiertes Verständnis über das Prozess-
haus, die darin vorgenommenen Prozessabgrenzungen, die verschiedenen Prozesslevel
und nicht zuletzt die relevanten und bestehenden Abläufe und Prozesse innerhalb einer
Organisation zu erlangen. Zudem schafft sie Transparenz über die eingesetzten Res-
sourcen und die existierenden Mengengerüste der einzelnen Prozesse und ihrer Teilpro-
zesse, wenn die Prozessanalysen mit quantitativen Analysen verknüpft werden. Zentral
ist dabei immer die Frage, wie häufig wird der Prozess durchlaufen und welche Abwei-
chungen und Varianten gibt es? Welche Funktionen sind in den Prozess eingebunden,
und kann das Ganze noch als Prozess begriffen und beschrieben werden? Gerade beim
Übergang zur projekthaften Abwicklung von Aufgaben zeigen sich Grenzen. Es gibt
komplexe Aufgabenstellungen, die als Projekt abgewickelt werden. Im Rahmen der Pro-
jektbearbeitung greift das Projektteam auf einzelne Prozesse aus einem Prozesshaus zu,
z. B. Bestellung von Materialien, Anlage eines Auftrags, Erzeugen einer Rechnung oder
Auslieferung von Waren. Dennoch kann für das Gesamtprojekt kein Gesamtprozess auf-
gezeigt werden, weil es diesen so gar nicht gibt. Dies zeichnet ja gerade ein Projekt aus,
dass die Aufgabenwahrnehmung komplex und vielfältig ist und sich nicht in einen Mas-
terprozess mit sequenziellen Schritten abbilden lässt.
Vorgehen Anwendung
Zunächst erfolgt die Sichtung von im Unternehmen oder der Organisation vorhandenen Pro-
zessdarstellungen. Nicht selten sind diese veraltet, unvollständig oder nicht aussagekräftig.
Vielfach handelt es sich auch um idealtypische Soll-Prozesse, die sich in der Praxis anders
darstellen. Wesentlich ist es aber, die gelebten Ist-Prozesse aufzunehmen und deren Stär-
ken und Schwächen zu erkennen und wenn möglich zu messen. In der Regel erfolgt die
Aufnahme von Prozessen im Rahmen von Interviews. Dabei erfolgt eine Visualisierung
und Dokumentation ausgewählter Prozesse in geeigneter Form, beispielsweise in einer
Swim-Lane-Darstellung. Die Aufnahme erfolgt anhand von mehreren Interviews mit am
Prozess beteiligten Personen oder mittels eines Workshopformats, das mehrere Personen
der Abteilungen einbezieht, die der Prozess durchläuft. Danach erfolgen eine gemeinsame
Bewertung der aufgenommenen Prozesse und die Identifikation von Schwachstellen im Pro-
zess. Zu einer Prozessanalyse gehört auch immer ein Mengengerüst. Beispielsweise, wenn
50 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
ein Bestellprozess analysiert wird, wie viele Bestellungen werden nach diesem Prozess aus-
geführt? Welche Varianten oder Alternativen gibt es? Worin liegen die Unterschiede? Wel-
ches Mengengerüst haben die Alternativen? Ist das der richtige Mix? Welches Potenzial
ergibt sich aus der Veränderung des Mixes usw.? Aus diesen Erkenntnissen werden Ansatz-
punkte zur Optimierung der untersuchten Prozesse abgeleitet.
Core processes
-
Support Processes
heit
Finance/
HR IT Facility ...
Accounting
diesen beiden Prozessarten existieren noch die Managementprozesse. Sie geben die Vor-
gaben und den Handlungsrahmen für die Kernprozesse und die unterstützenden Prozesse
vor. So ein Überbau ist durchaus hilfreich, um einzuordnen, um welche Prozesse es im
Rahmen einer Analyse gerade geht. Selbstverständlich müssen, von diesen Überschriften
weg, die darunterliegenden Detailprozesse analysiert werden.
Grundlage für eine ganzheitliche Prozessanalyse (End-to-End) ist zunächst die Detail-
lierung und anschließende Zerlegung des Prozesses in verschiedene Prozessebenen/-
level. Auf diese Weise lassen sich auch komplexe Prozesse in einzelne Prozessebenen
und -schritte herunterbrechen und weiterführend analysieren. Abb. 2.29 verdeutlicht
diese Herangehensweise.
Wie viele Ebenen oder Level benötigt werden, kann nicht allgemein formuliert
oder festgelegt werden. Typischerweise werden vier bis sechs Level benötigt, um alles
zu erfassen, wobei Level 6 dann schon auf einzelne Tätigkeiten heruntergehen würde.
Solche detaillierten Mappings sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie im Kontext von
Systemeinführungen oder Anpassungen vorgenommen werden. Für eine Organisations-
entwicklung reichen meist die ersten drei Level völlig aus.
Eine dazu gehörende grundlegende Methode zur Analyse von Prozessen stellt das
sogenannte Input-Output-Modell dar (Abb. 2.30). Hierbei werden die jeweiligen Ein-
gangsgrößen und die Ergebnisse, die der einzelne Prozessschritt liefert, betrachtet.
Eingangs- und Ausgangsgrößen können u. a. Informationen, Dokumente oder Mate-
rialien sein. Der Vorteil liegt darin, dass schnell klar wird, was der Prozess leistet und
welche Inputs er dafür benötigt. Geht das Ergebnis direkt in einen Folgeprozess über,
kann über die Verkettung von verschiedenen Input-Output-Darstellungen einzelner Pro-
zesse eine Prozesskette abgebildet werden. Der Output kann zusätzlich über Kennzahlen
Eben 1
Ebene Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3
Geschäftsprozess Kundenauftragsabwicklung
Ebene 1 Auftrags-
Auftragsdaten- Warenbereit-
eingangs- Fakturierung Versand
erfassung stellung
bearbeitung
Teilprozesse
Zunehmender Detaillierungsgrad
Auftragseingangsbearbeitung
Ebene 2
Auftrags- Auftrags- Auftrags-
prüfung ergänzung freigabe
Teilprozesse
Auftragsprüfung
Ebene 3 Prüfung
Prüfung Prüfung Prüfung
Produkt-
Bonität Preis Termin
angaben
Weitere elementare
Teilverrichtungen
Ebene 4
… … … … …
Plan to Produce und Purchase to Pay untergliedern. Die jeweilige Ebene darunter teilt
sich bereits in eine wesentlich höhere Anzahl an operativen Teilprozessen auf. Durch die
Zerlegung in einzelne Prozessabschnitte lassen sich Gesamtprozessketten effektiv ana-
lysieren und auch die Wechselwirkungen zwischen den Prozessschritten untereinander
darstellen, insbesondere wenn dahinter ein integriertes ERP-System steht. Solche Dar-
stellungen dienen der hierarchischen Strukturierung und Zerlegung des Prozesshauses
in Einzelprozesse, um Diskussionen oder Detailanalysen gezielter steuern zu können.
Besteht beispielsweise ein Problem bei der Rechnungsprüfung (Invoice Verification)
oder soll dieser Prozess automatisiert werden, ist klar, welche Prozesse nicht von Rele-
vanz sind, aber welche angrenzenden Prozesse ggf. mit zu untersuchen sind, hier z. B.
einkaufsnahe Prozesse.
Für ausgewählte Prozesse kann es sich als nützlich erweisen, die Aufnahme des
Ablaufs auf der Ebene einzelner Tätigkeiten/Aktivitäten durchzuführen. Hier geht es dann
darum, einen Ablauf Schritt für Schritt zu erfassen. Diese Form der Prozessanalyse ist
auch für Shop-Floor-Prozesse geeignet. Für den Gesamtprozess werden ggf. zusätzlich die
Bearbeitungszeit (BAZ) und Durchlaufzeit (DLZ) abgeschätzt. Die Abbildung der betei-
ligten Stellen, Abteilungen bzw. Schnittstellen entspricht dem gängigen RACI-Modell
bzw. kann bei Bedarf dahin gehend erweitert werden. Abb. 2.34 zeigt ein beispielhaftes
Formblatt, mithilfe dessen einzelne Aktivitäten innerhalb eines Prozesses aufgenommen
werden können. Aus der Addition der BAZ und DLZ lassen sich Plausibilitäten ableiten.
54
Level 1
Kernleistungsprozesse Kundenauftrags-Abwicklung
1 2 3 4
CRM:
Customer- SCM-OtC: SCM-PltP: SCM-PtP:
Relation- Order-to-Customer Plan-to-Production Purchase-to-Pay
Management
Level 2
Teilprozess-CRM
1.1
Offer-Management
Level 3
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.1.7 1.1.8 1.1.9 1.1.10 1.1.11
Schwierig ist die Darstellung, wenn es Prozessvarianten gibt, weil dann die Darstellung
droht, unübersichtlich zu werden. Zunächst sollte daher die 80 %-Variante aufgenommen
werden, die Ausnahmen sind dann schnell in einer separaten Abbildung ergänzt. Daneben
können weitere Aspekte wie die Systemunterstützung des Prozessschritts oder Anmerkun-
gen zum Ergebnis erfasst werden, um noch mehr Informationen zum Prozess zu doku-
mentieren. Diese Form eignet sich vor allem dann, wenn es darum geht, den Prozess zu
optimieren, also schneller zu machen, zu vereinfachen etc. Anhand eines solchen Prozes-
ses können die typischen Ansätze wie Schritte weglassen, Schritte vereinfachen, Schritte
parallelisieren, Schritte beschleunigen, Schnittstellen reduzieren, Aufgaben anders zuord-
nen etc. diskutiert werden. Mit der gleichen Methodik kann dann ein idealtypischer Soll-
Prozess aufgenommen werden, sodass eine unmittelbare Vergleichbarkeit hergestellt und
bewertet werden kann.
Immer mehr etabliert hat sich die sogenannte Swim-Lane-Darstellung. Sie dient eben-
falls der einfachen Visualisierung von Prozessen, verknüpft aber dabei den Gedanken,
konkrete Schritte aufzuzeigen und gleichzeitig aufzeigen zu wollen, welche Funktionen
oder Abteilungen dabei beteiligt sind. Hierbei werden zunächst die am Prozess beteiligten
Abteilungen definiert und nebeneinander in den Swim-Lanes dargestellt und aufgeführt.
56
Prozessanforderung
(Ist-Prozess)
In Arbeitstagen
(durchschnittlich)
In Arbeitstagen
(durchschnittlich)
Abteilung 1
Abteilung 2
Abteilung 3
Abteilung 4
Abteilung 5
Abteilung 6
Abteilung 7
Abteilung 8
Abteilung 9
Aufwand pro
Tag
Aufwand pro
Tag
1 Aktivität/Tätigkeit 1
2 Aktivität/Tätigkeit 2
Jeder Prozessschritt kann bei der
Ist-Aufnahme danach bewertet
werden, ob er direkt wertschöpfend,
3 Aktivität/Tätigkeit 3 notwendig, aber nicht wertsteigernd
oder Verschwendung darstellt, wie
4 Aktivität/Tätigkeit 4
z. B. Doppelarbeit.
5 Aktivität/Tätigkeit 5
6 Aktivität/Tätigkeit 6
7 Aktivität/Tätigkeit 7
8 Aktivität/Tätigkeit 8
= Beteiligter
= Treiber
9 Aktivität/Tätigkeit 9
Im Anschluss daran werden die einzelnen Prozessschritte chronologisch nach ihrer Ablauf-
reihenfolge eingezeichnet und der jeweiligen Funktion, die diesen Schritt ausführt, zuge-
ordnet. Auch die übertragenen Informationen sowie die genutzten IT-Systeme werden
in der Darstellung nach Möglichkeit dokumentiert. Der Vorteil liegt darin, dass eine gute
Übersicht entsteht, wie viele Stellen beteiligt sind und wie viele Prozessschritte durchlau-
fen werden müssen. Problematisch ist, wie fast immer, die Darstellung von Rücksprün-
gen oder Alternativen, wenn Entscheidungen im Prozess getroffen werden. Dann droht die
Darstellung ihre Übersichtlichkeit einzubüßen. Die Methode eignet sich auch gut für eine
Prozessmodellierung, da beim Einsatz entsprechender Tools sehr schnell übersichtliche Pro-
zessdarstellungen entstehen, die dann diskutiert und optimiert werden können (Abb. 2.35).
Analysen von Durchlaufzeiten sind eine elementare Analyse im Rahmen von Pro-
zess- und Organisationsanalysen. Deshalb widmen wir dieser einen eigenen Abschnitt.
Elementar deshalb, weil Durchlaufzeiten sehr viel über die Leistungsfähigkeit von Pro-
zessen und einer Organisation aussagen. Grundsätzlich könnte man die These vertreten,
58 2 Tools und Instrumente zur Organisationsanalyse
je schneller, desto besser. Das trifft natürlich nicht immer zu, es geht oftmals darum,
einen Termin genau zu treffen, beispielsweise einen Liefertermin. Kurze Durchlaufzei-
ten ermöglichen dann kurze Reaktionszeiten und spiegeln sich letztlich in höherer orga-
nisatorischer Flexibilität wider. Flexibilität als Fähigkeit auf sich ändernde Markt- und
Kundenanforderungen einzustellen, hat eine hohe Bedeutung erlangt. Zeiten für die Ent-
wicklung von Produkten bis zur Marktreife können auch als Durchlaufzeiten angesehen
werden. Durchlaufzeiten und Produktivität schließen sich nicht aus, sondern bedingen
einander oftmals. Zu der Frage der Reduzierung und Optimierung von Durchlaufzeiten
gibt es eine Reihe spezifischer Literatur. Hier soll vor allem darauf abgestellt werden,
wie DLZ effizient mithilfe von Systemdaten ermittelt werden können und welche Hin-
weise für die Organisationsgestaltung sich daraus ableiten lassen.
Ziel
Ziel der Messung von Durchlaufzeiten ist es letztlich, zu messen, wie schnell oder termin-
gerecht ein Prozess den gewünschten Output liefert. Dabei ist es notwendig, einen kla-
ren Startpunkt und einen klaren Endpunkt zu definieren. Ein Bestellprozess im Einkauf
beginnt z. B. mit der Anlage einer Bestellung als Beleg und endet mit der Wareneingangs-
buchung, wenn auf das Objekt abgestellt wird, und mit Zahlung der Rechnung, wenn auf
den Wertefluss abgestellt wird. Die DLZ ist dann die Zeit, die ein ausgewählter unterneh-
mensinterner Prozess vom Startpunkt bis zum Endpunkt benötigt (End-to-End-Betrach-
tung). Ziel der Analyse von Durchlaufzeiten von Prozessen ist, die Minimaldurchlaufzeit,
aber auch die Maximaldurchlaufzeit zu ermitteln, und, wenn die Datenbasis groß genug
ist, auch deren Verteilung zu ermitteln. Aus der Minimaldurchlaufzeit kann z. B. ein Ziel
abgeleitet werden. Wenn es in 50 % aller Fälle unter drei Tagen DLZ geht, warum muss
es dann bis zu 15 Tage dauern? Über das Hinterfragen der Ursachen für die Verteilung
können Hinweise auf Defizite oder auch Stärken von Prozessen abgeleitet werden.
Vorgehen Anwendung
Mit der zunehmenden „Elektrifizierung“ von Prozessen über die Einführung von ERP-
Systemen herrscht heutzutage bei vielen mittleren und größeren Unternehmen eine flächen-
deckende Unterstützung der allermeisten Geschäftsprozesse. Diese Systeme können für
die Analyse der Durchlaufzeiten genutzt werden. In der heutigen Praxis erfordern nahezu
alle Prozesse Eingaben in verschiedene IT-Systeme und beinhalten somit die exakten Zei-
ten, die durch das System gespeichert werden. Beispielsweise werden für kaufmännische
Belege wie eine Bestellung, ein Angebot oder einen Kundenauftrag Datumswerte und meist
sogar Uhrzeiten erfasst, sodass bis auf die Sekunde genaue Zeitstempel vorliegen. In der
Regel muss mit Key-Usern, IT- oder Facharchitekten geklärt werden, welche Felder ver-
fügbar sind und ausgewertet werden können. Über eine Datenabfrage können dann meist
sehr zügig Datenbankabzüge als Auswertung gefahren werden. Liegen diese in Tabellen-
form vor, können diese sehr schnell mit Programmen der Tabellenkalkulation ausgewertet
werden. Die Abgrenzung der Daten erfolgt dann meist über einen Datumswert, z. B. für ein
komplettes Geschäftsjahr. Nicht selten kommen Rohdateien mit 20.000 Zeilen und mehr
2.13 Analyse von Durchlaufzeiten 59
zusammen. Die Verarbeitung solcher stellt aber heutzutage kein Problem mehr dar. Über
geeignete Zusatzspalten können sehr schnell die gewünschten Auswertungen erzeugt wer-
den. Besitzt eine Tabelle mit Bestellungen z. B. die Spalten „Anlagedatum Bestellung“ und
„Datum der Wareneingangsbuchung“ zu der Bestellung sowie die Spalte „Lieferant“, kön-
nen sehr schnell die tatsächlichen Lieferzeiten der Lieferanten analysiert werden. Probleme
gibt es dann, wenn eine Bestellmenge in mehreren Teillieferungen geliefert wird; dann
ist zu prüfen, welche Datumswerte zu den Teillieferungen zur Verfügung stehen und wel-
che Aussage dann noch zutrifft. Aber an diesem Beispiel wird deutlich, dass die aus dem
System extrahierten Daten sorgfältig zu hinterfragen sind, bevor die Ergebnisse interpre-
tiert werden können. An dieser Stelle sei auch der Hinweis vermerkt, dass grundsätzlich
DLZ-Daten Rückschlüsse auf die Leistung von einzelnen Mitarbeitern zulassen könnten,
beispielsweise wenn je Beleg auch der Bearbeiter mit ausgewertet wird. Es ist daher vor-
her sicherzustellen, dass Daten anonymisiert abgefragt werden oder entsprechende Geneh-
migungen vorliegen. Stehen keine Systeme für die Auswertung von Daten zur Verfügung,
bleibt nur der Weg, Durchlaufzeiten im Rahmen von Interviews abzuschätzen. Hier sollten
dann Gespräche mit am Prozess beteiligten Mitarbeitern aus den Fachabteilungen geführt
werden, die aufgrund ihrer Erfahrungen eine grobe Einschätzung geben können, was eine
durchschnittliche DLZ für die einzelnen Teilprozessschritte ist. Hier sind einmal mehr ver-
schiedene Sichten zusammenzuführen, eine solche Analyse darf sich nie auf Einzelmeinun-
gen stützen. Oftmals liegen subjektive Einschätzungen mit den objektiven Ergebnissen aus
Systemen weit auseinander.
Anzahl
12 120%
10 100%
10 100%
94% 96%
91% 93%
8
8 80% 80%
76%
6 69% 6
6 5 5 60%
50% 4
4 3 40%
35%
26% 2 2
2 1 1 1 20%
15%
9%
0 0%
Durchlaufzeit (d)
Funktion/Rolle
Einkauf 12.287
Kostenverantwortung 7.162
Controlling 3.968
Funktion/Rolle 4 3.533
Funktion/Rolle 5 2.930
Funktion/Rolle 6 1.302
Funktion/Rolle 7 1.005
Funktion/Rolle 8 572
Funktion/Rolle 9 1.174
Anzahl
4000
3000
2000 1660
1261 1100
1000
425 284 375 250 357
53 56 175 57 7 117
-
0-5 5-10 10-15 15-20 20-25 25-30 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 65-70 70-75 >75
Durchlaufzeit (h)
hin. Hier sind es beispielsweise die konkreten Bedarfsanforderungen bei der Bestellung
von Nichtproduktionsmaterial. Hier kann der Einkauf nachweisen, dass, wenn Bestel-
lungen lange DLZ haben, es nicht am Einkauf liegt, weil dort Vorgänge liegen bleiben,
sondern an der Vielzahl anderer eingebundener Stellen oder an unklaren Bedarfsanforde-
rungen. Bei der Analyse der Durchlaufzeiten steht also am Anfang immer die Hypothese,
dass die DLZ zu lang oder falsch verteilt sind. Über die Analyse der Durchlaufzeiten
kann diese dann bestätigt oder widerlegt werden. Nicht zwingend sind kurze Durchlauf-
zeiten das primäre Ziel. Prozesse, die Kunden direkt betreffen und durch den Kunden
angestoßen werden, müssen an den Erwartungen des Kunden ausgerichtet sein. Während
im Falle einer Reklamation eine schnelle erste Rückmeldung oft zunächst ausreicht, wird
bei einer Ersatzteillieferung meist ein schneller Prozess erwartet. Bei einer Bestellung
auf Termin wird die Einhaltung des Termins gefordert.
Ziel
Ziel ist eine Quantifizierung und Einordnung der Dimensionierung von Funktionen
anhand der Unternehmensgröße und der existierenden Wert- und Mengengerüste (Ist-
Werte) bezogen auf einen spezifischen Zeitraum (z. B. operatives Geschäftsjahr). Aus
der Bildung von Korrelationen zwischen den verschiedenen Dimensionen sollen Verwer-
fungen oder Handlungsbedarfe abgeleitet werden können. Oft dienen Wert- und Men-
gengerüste auch der Einordnung von Fragestellungen. Wenn sich z. B. herausstellt, dass
20 % der Bestellungen außerhalb des Systems erfolgen und somit bei der automatisierten
Rechnungsprüfung Probleme machen, ist Handlungsbedarf gegeben. Der Wert kann aber
nicht beliebig gesenkt werden, weil es immer einen Residualanteil an Rechnungen geben
wird, für die keine Bestellungen vorliegen, z. B. Rechnungen von Versorgungsunterneh-
men, Behörden usw.
Vorgehen Anwendung
Typischerweise ist eine der ersten Anlaufstellen das Controlling in einem Unternehmen.
Zur Erklärung und Plausibilisierung sind die Fachabteilungen hinzuzuziehen, etwa wenn
es um das Mengengerüst von Aufträgen geht, die Auftragsabwicklung, bei Bestellungen
der Einkauf usw. Ähnlich wie bei der Analyse von Durchlaufzeiten können heutzutage
vielfach Analysen aus den ERP-Systemen extrahiert werden, oder es kann sogar auf das
bestehende Berichtswesen zurückgegriffen werden. Soweit eigens angefertigte Daten-
bankabfragen erfolgen sollen, müssen die Datenfelder und deren erwarteter Inhalt vorher
genau beschrieben werden. Es muss abgeglichen werden, wie die Datenfelder im System
heißen und welches Datenformat die Werte haben. Typischerweise erfolgt die Analyse
eines kompletten Geschäftsjahres oder eines gut abgrenzbaren 12-Monatszeitraums. Lie-
gen die Daten in Tabellenform vor, sind zunächst Plausibilitäten zu überprüfen. Dabei
ist es sinnvoll, wirklich die Rohdaten auszuwerten und nicht durch zusätzliche Filter
reduzierte Tabellen zu bearbeiten. Gerade der Ausschluss von Ausnahmen oder Exoten
kann zusätzliche Erkenntnisse bringen. Oftmals ist es sinnvoll, Zusatzspalten zu definie-
ren, um Daten zu clustern. Liegt z. B. ein Regionen- oder Produktschlüssel vor, können
Wert- und Mengengerüste von z. B. Auftragsdaten nach diesen Schlüsseln ausgewertet
werden. Liegen Auswertungen dazu vor, sind die Ergebnisse im Rahmen von Interviews
mit Fachabteilungen zu interpretieren und erneut zu plausibilisieren. Mögliche Ursachen
müssen hinterfragt und verstanden werden. Es kommt nicht selten vor, dass solche Aus-
wertungen wiederholt durchgeführt werden müssen, weil Fehler in der Datenbasis ent-
deckt werden, z. B. Daten fehlen oder doppelt gezählt werden.
Personalzahlen Mengengerüste
FTE Absatzmengen
Headcount Produktionsmengen
Direkt/indirekt Bestände (Wert, Umschlag, …)
Qualifikation Anzahl Aufträge, Bestellungen, …
Analyse
Wert- und
Mengen-
Umsatzentwicklung gerüste Return on Capital Employed
(ROCE)
Kostenentwicklung
Working Capital
Gewinnentwicklung/DB-Entwicklung
Economic Value Added (EVA)
Working Capital, ...
…
Wertgerüste Kennzahlen
gerüste bilden dann die Grundlage von Potenzialabschätzungen sowie später die Basis
oder Referenz zur Messung von Veränderungen. Insoweit kommt der Analyse von diesen
Basisdaten eine zentrale Bedeutung zu (Abb. 2.39).
Die dargestellten Unternehmenswerte zeigen eine Auswahl an möglichen Analyse-
punkten. Je nach spezifischer Fragestellung kann die Einbeziehung von weiteren Indika-
toren für die grundlegende Analyse sinnvoll sein.
Im folgenden Fallbeispiel wird das Beschaffungsvolumen eines Unternehmens näher
betrachtet (Abb. 2.40). Zunächst werden die unterschiedlichen Rechnungen, die ein
Unternehmen erhält, mengen- und wertmäßig analysiert. Hierbei wird in Rechnungen
unterschieden, die keinen Bestellbezug haben, sowie Rechnungen, für die im ERP-Sys-
tem eine Bestellung vorliegt. Das Problem war hier, dass Rechnungen, auf welchen die
Bestellnummer fehlt, bei der automatischen Rechnungsprüfung in eine Sperre laufen und
nur mit manuellem Zusatzaufwand freigegeben werden können. Aus einer detaillierten
Analyse von Rechnungen ohne Bestellbezug (z. B. wer sind die Besteller, welche Liefe-
ranten stehen dahinter) konnte abgeleitet werden, welche Ansatzpunkte bestehen, um den
Anteil der Rechnungen mit Bestellbezug zu erhöhen und damit den manuellen Zusatz-
aufwand zu senken und in der Konsequenz die Prozesse zu beschleunigen.
2.15 SWOT-Analyse
Der Begriff SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats – über-
setzt Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen bzw. Risiken. Die SWOT-Analyse
ist eine ergänzende Analyse, insbesondere im Rahmen der strategischen Unternehmens-
planung. Es ist im Rahmen von Organisationsentwicklungsprojekten vor allem dann
2.15 SWOT-Analyse 65
100%
100%
25%
75%
Ziel
Ziel einer SWOT-Analyse im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprojekts ist
es, eine ganzheitlichere Sicht auf eine Unternehmenseinheit zu erlangen und vor allem
auch zunächst nicht quantifizierbare Aspekte in den genannten vier Dimensionen mit
aufzunehmen. Werden mehrere Interviewpartner befragt, zeigt sich eine Bandbreite der
genannten Themen, aber auch zu welchen Mehrfachnennungen erfolgen, also ein Ein-
druck nicht eine Einzelmeinung darstellt, sondern von vielen Entscheidern gleich bewer-
tet wird. Sie ermöglicht damit eine Verstärkung der unternehmerischen und strategischen
Aspekte bei der Organisationsentwicklung.
verdichtet. Hierbei erfolgt eine Priorisierung der Themen. Soweit aus den Interviews
Hinweise zu weiteren Analysen kommen, ist zu entscheiden, ob diese ergänzend durch-
geführt werden. Insoweit ist es sinnvoll, eine SWOT-Analyse in die Mitte der Analyse-
phase zu stellen. Zum einen bestehen dann beim Interviewer schon Kenntnisse über die
Strukturen und Abläufe, und er kann die Beiträge zur SWOT-Analyse besser einordnen
und einschätzen, zum anderen bleibt noch Zeit, um Hinweisen nachzugehen. Neben
den Interviews können bei der Konsolidierung der SWOT weitere Analysen zu externen
Marktkräften und Entwicklungen als Information herangezogen werden. Für jedes der
vier Felder können im folgenden Schritt spezifische Hinweise oder Maßnahmen abgelei-
tet werden, die zur weiteren Verbesserung der Unternehmensorganisation geeignet sind.
Davon sind die für die sonstigen relevanten Aspekte oder Hinweise, wie z. B. auf das
Produktportfolio, Entwicklungsausgaben etc. zu trennen.
Stärken/Strengths Schwächen/Weaknesses
SWOT-Analyse
ABC-Analyse
Spezifische Stärken des Konkrete Schwächen des
Lebenszyklusanalyse Unternehmens, wie Unternehmens, wie
Kostenstrukturanalyse beispielsweise beispielweise geringe
Technologieführerschaft, Flexibilität, hohe Umweltanalyse
Zufriedenheitsanalyse
Innovationsfähigkeit, Abhängigkeit von
Unternehmenskultur- Kostenführerschaft Lieferanten, geringe Zielgruppenanalyse
analyse Marktanteile Konkurrenzanalyse
Kernkompetenzanalyse Substitutionsanalyse
7S-Modell Stakeholder-Analyse
Wertkettenanalyse Chancen/Opportunities Risiken/Threats Benchmarking
Marktwachstums- Branchenstruktur-
Marktanteils-Portfolio- Neue Chancen, wie neue Mögliche Risiken, wie analyse
analyse Geschäftsfelder oder beispielsweise neue
Eintrittsmöglichkeiten in Markteinsteiger, …
Branchenattraktivität-
Wettbewerbsstärken- neue Märkte, Expansion, Änderungen in der
Portfolioanalyse Fusionen oder strategische Gesetzgebung
Partnerschaften etc.
…
Die Analyse der Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) bilden weitere
Untersuchungskriterien, die im Rahmen der Analyse betrachtet werden. Chancen stellen
beispielsweise die mögliche Erschließung von neuen Geschäftsfeldern oder neuen Märk-
ten, neue innovative Produkte, Technologien und Lösungen oder auch strategische Part-
nerschaften dar. Auch mögliche Akquisitionen von strategisch relevanten Unternehmen
oder Wettbewerbern stellen klassische Chancen dar.
Risiken sind beispielsweise Eintritte von neuen (branchenfremden) Wettbewerbern in den
Markt oder Änderungen in der geltenden Gesetzeslage. Auch eine politische Destabilisierung
in Ländern und Märkten, in denen das Unternehmen agiert, oder starke Währungsschwan-
kungen können als Risiko eingestuft werden.
Eine erweiterte SWOT-Analyse kann in der Regel über Interviews mit Führungskräf-
ten und operativen Mitarbeitern aus ausgewählten Fachabteilungen (wie beispielsweise
aus den Bereichen Forschung & Entwicklung, Market Intelligence, Vertrieb etc.) erstellt
werden (vgl. Kerth et al. 2011 S. 168 f.). Die Basis der Informationen bilden die gesam-
melten und aggregierten Erfahrungswerte der Interviewpartner. Da diese Sicht unter
Umständen stark intern geprägt ist, bietet es sich an, die Dimensionen der SWOT-Ana-
lyse mit Ergebnissen von weiteren Analysen zu ergänzen. Hierfür könnten u. a. folgende
Analysen herangezogen werden: Konkurrenzanalyse, Benchmarking oder eine Analyse
der Kostenstruktur.
Literatur
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Vorgehen zur Entwicklung und Beschreibung
der angestrebten Soll-Organisation im Rahmen von Organisationsentwicklungsprojekten.
Ist es im Rahmen der Problematisierung und Analyse gelungen, Verbesserungspotenziale
aufzuzeigen, stellt sich die Frage, wie die Organisation künftig ausgerichtet werden soll.
Der Weg von einer Problemstruktur zu einer Lösungsstruktur wird oft unterschätzt und
stellt einen wichtigen Schritt im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprojektes dar.
Zunächst erscheint es sinnvoll, sich klar zu machen, welche Dimension die Veränderung
hat.
Abteilungen oder Geschäftsfeldern neu gezogen werden oder z. B. ein integriertes ERP-
System eingeführt wird. Von einer radikalen Transformation kann gesprochen wer-
den, wenn buchstäblich kein Stein auf dem anderen bleibt. Dies ist der Fall, wenn ganze
Unternehmensteile wegfallen, wenn z. B. Märkte oder Produkte aufgegeben werden,
wenn der Grad der Wertschöpfungstiefe sich sprunghaft verändert, beispielsweise beim
Outsourcing von betrieblichen Funktionen. Der geneigte Leser wird sich fragen, warum
ist das wichtig zu wissen oder zumindest grob einzuordnen, welcher Typ der Organisa-
tionsveränderung vorliegt. Generell kann davon ausgegangen werden, dass, je umfang-
reicher das Vorhaben der Organisationsveränderung ist, desto mehr Ressourcen wird das
Projekt benötigen und desto formaler wird die Projektbeschreibung ausfallen müssen. Je
umfangreicher die Veränderung, desto mehr Aspekte oder Dimensionen der Veränderung
müssen in Betracht gezogen werden, desto mehr Interessengruppen sind vom Ergebnis
betroffen und folglich einzubeziehen (Abb. 3.1).
Der Grad der Veränderung kann systematisch anhand der Dimensionen der Verände-
rung beschrieben werden (Abb. 3.2). Die vier Hauptdimensionen für Organisationsver-
änderungen sind vor allem die formale Aufbauorganisation, die Prozesse und Abläufe,
die Zuweisung der Verantwortung und Berichtslinien sowie die Systemlandschaft. Hinzu
kommen die Aspekte der Kommunikation, einer geeigneten Transformation im Sinne
eines Change Managements von einem Zustand A zu einem Zustand B sowie die legale
Struktur der betroffenen Organisationseinheiten. In allen genannten Dimensionen kön-
nen Veränderungen parallel im Rahmen einer Organisationsentwicklung auftreten.
„Konsequente
„Radikale
hoch Neuausrichtung
Transformation“
oder -aufbau“
Grad der
Veränderung
„Gezielte „Umfassende
gering
Optimierung“ Weiterentwicklung“
klein groß
Scope Veränderung
Aufbauorganisation Hierzu zählen dann vor allem Zuschnitte und die Segmentierun-
gen bzw. Subsegmentierungen der Organisationseinheiten, die Funktionsabgrenzung
bzw. Bildung von Organisationseinheiten, die Besetzung und Benennung der Schlüs-
selpersonen, die Aufgaben und Funktionen, die gebildet werden und der notwendige
Personaltransfer, der hierfür notwendig ist. Dieser Begriff ist nicht zu verwechseln mit
dem Thema Transformation. Transfer beschreibt im einfachsten Fall die Umwidmung
von Personen von einer bestehenden Organisationseinheit in eine andere, während der
Betreff Transformation doch alle relevanten Veränderungen in allen Dimensionen mit
einschließt.
Prozesse und Abläufe Veränderungen in Prozessen und Abläufen können ganz allge-
mein alle Parameter betreffen, die einen Prozess ausmachen. Am Anfang steht die Pro-
zesstypologie bzw. Unterscheidung von Prozesshierarchien und -varianten. Wird für
einen einzelnen Prozess das Input-Output-Modell zugrunde gelegt, sind dies die Ein-
gangsgrößen, die Schritte innerhalb eines Prozesses und das Ergebnis aus dem Prozess,
z. B. ein Angebot oder ein Auftragspapier etc. Hinzu kommt, wer die Prozessschritte
ausführt und welche Systeme oder Tools zur Unterstützung eingesetzt werden. Gerade
bei der Frage, wer für die Ausführung der einzelnen Prozessschritte verantwortlich ist,
zeigt sich die Kopplung zu der Aufbauorganisation.
Systemlandschaft Eine nicht mehr wegzudenkende Dimension der Veränderung ist die
der Systemlandschaft. Mit der hochgradigen Unterstützung von Prozessen durch IT-Sys-
teme zieht eine Organisationsveränderung auch immer die Anpassung von IT-System-
landschaften nach sich. Diese haben – hier am Beispiel des Systems SAP – ebenfalls
eine hierarchische Struktur, die über das Unternehmen gelegt wird. Angefangen von
Mandanten, Buchungskreisen, Vertriebs- und Verkaufsorganisationen, Werken, Lageror-
ten etc. gibt es eine Vielzahl von Strukturelementen der Systeme, die an die jeweilige
Aufbauorganisation angepasst und zugeschnitten werden. Jede Anpassung kann Cus-
tomizing-, Programmier-, Test- und Schulungsaufwand nach sich ziehen, verursacht
zusätzliche Kosten und beansprucht Zeit für die Umsetzung.
72 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Transformation Unter Transformation ist der Weg zu verstehen, den eine Organisation
von einem Zustand A (Ist) in einen Zustand B (Soll) überführt. Organisationsveränderun-
gen passieren nicht von heute auf morgen. Vielmehr sind zahlreiche Schritte zu durchlau-
fen, bis eine Organisation den angestrebten Soll-Zustand erreicht. Typischerweise erfolgt
die Transformation über ein Projekt. Innerhalb des Projektes werden die verschiedenen
Arbeitspakete und Maßnahmen definiert, die umzusetzen sind. Das Projekt hat dabei alle
Merkmale wie ein beliebiges anderes Projekt. Mindestens sollte für das Organisations-
entwicklungsprojekt vorliegen, welches Ziel verfolgt wird, wie das Vorgehen ist, welcher
Zeitplan angesetzt wird und wie sich die Projektorganisation darstellt.
Kommunikation Es befassen sich ganze Bücher nur mit dem Thema Change Manage-
ment (vgl. u. a. Doppler und Lauterburg 2014). Aus Sicht der Autoren wird das Thema
bei einfachen Optimierungen dennoch meist überschätzt, weil oft ein breiter Konsens
zu erzielen ist, wenn das Neue offensichtlich besser ist als das Alte. Anders sieht es bei
radikalen Transformationen aus. Hier wird nicht selten ein Teil der betroffenen Mitar-
beiter abgehängt oder gar nicht einbezogen. Kommunikation ist aber unerlässlich, zu
jedem Zeitpunkt des Projekts und mit spezifischen Inhalten an die jeweiligen Interes-
sengruppen. Das kann während eines Projekts erhebliche Ressourcen beanspruchen, alle
Interessengruppen (z. B. Geschäftsführung, Gewerkschaft, Führungskräfte, Betroffene,
Belegschaft etc.) zeitnah mit den richtigen Inhalten zu informieren.
Transformation
legale Struktur
Verantwortung System-
& Reporting landschaft Anzahl ver-
Zuordnung schiedener
der Umsatz-, Systeme
Kosten- und
Ergebnis- Harmonisierung
verantwortung Tools
Legale Struktur Nicht zuletzt muss klar sein, welche Gesellschaften Teil der geplan-
ten Veränderung sind, ob etwa neue Gesellschaften hinzukommen oder andere wegfallen
und ob es Abhängigkeiten zwischen Gesellschaften gibt, etwa bei der Frage von Ver-
rechnungspreisen, Logistikströmen etc. Hieraus können dann weitere Handlungsfelder
entstehen, etwa die rechtliche Entflechtung, steuerliche Themen, Personalübergang, mar-
kenrechtliche Fragestellungen usw.
Im Rahmen der Planung einer Organisationsentwicklung ist es sinnvoll, geplante
Veränderungen oder Zielsetzungen entlang der betroffenen Dimensionen frühzeitig
zu formulieren. Im zuständigen Entscheidergremium soll weitgehend Konsens darüber
bestehen, in welche Richtung die Veränderungen gehen. Abb. 3.3 zeigt, wie das exem-
plarisch aussehen kann. Hier zeigt sich dann schnell, ob ein gemeinsames Verständnis
herrscht, oder ob einzelne Punkte kontrovers diskutiert werden. Dann muss eine Formu-
lierung gefunden werden, die noch keine endgültige Richtung vorgibt und noch Raum
für Alternativen lässt. Für Außenstehende sind dann solche politischen Formulierungen
meist zu „weich“ oder nicht nachvollziehbar. Gerade am Anfang eines Projektes ist der
Erklärungsbedarf, warum es das Projekt gibt und warum dieses Vorgehen gewählt wurde,
hoch.
Ein anderes Konzept zur Beschreibung der Dimensionen der Veränderung ist das
sogenannte 7-S-Konzept. Es wurde erstmals von McKinsey entwickelt (vgl. Kerth et al.
2011, S. 64). Ausgehend von der Strategie werden sechs weitere Gestaltungsebenen
definiert. Diese können auch als Erfolgsfaktoren angesehen werden, sofern deren Aus-
prägung messbar gemacht wird. Danach hat eine Struktur neben harten Faktoren auch
weiche Faktoren, welche die Organisation beschreiben und von denen der Unterneh-
menserfolg abhängt. Zu den harten Faktoren zählen die Strategie, die Struktur und die
Systeme. Sie bestimmen die Effektivität und Effizienz eines Unternehmens. Die wei-
chen Faktoren Selbstverständnis, Spezialkenntnisse, Stil und Stammpersonal sollen hin-
gegen den menschlichen Faktor und das interne Führungskonzept erfassen (vgl. Kerth
et al. 2011, S. 65). Zur Ermittlung des Ist-Zustandes entlang der 7-S-Struktur bietet sich
die Anwendung der vorgestellten Analyseinstrumente. Für die Strategie etwa die Stär-
ken-/Schwächenanalyse, für die Struktur Organigramme und eine Aufgabenanalyse oder
für die Prozesse Schnittstellen- und Prozessanalysen. Das 7-S-Modell bietet damit eine
geeignete Strukturierung für eine umfassende Unternehmensanalyse sowie für das zu
beschreibende Soll-Konzept, sofern es gelingt, die Inhalte der sieben Ebenen gegenein-
ander abzugrenzen (Abb. 3.4).
1. Strategy
4. Staff
7. Shared Values/
Style
5. Skills
6. Systems
Abb. 3.4 Gestaltungsfelder nach dem 7-S-Konzept. (Quelle: In Anlehnung an Kerth et al. 2011,
S. 65)
3.1 Dimensionen der Veränderung 75
Designprinzipien
Abb. 3.5 Designprinzipien
76 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Sind die grundlegenden Prinzipien geklärt und formuliert, stellen sich weitere Fragen
zu der konkreten und operationalen Ausgestaltung der Organisation. Angefangen mit
der Stellung in der Wertschöpfungskette, Art und Umfang der eigenen Wertschöpfung,
der sich daraus ableitenden Leistungstiefe und der Zahl der Standorte für die Leistungs-
erbringung müssen eine Reihe von weiteren Fragen ganz konkret beantwortet werden.
Etwa welche Prozesse beherrscht werden müssen, welchem Mengengerüst diese Pro-
zesse unterliegen bis hin zu der Frage, welche Leistungskennzahlen für diese Prozesse
gelten sollen. Aus der Zuordnung von Prozessabschnitten lassen sich Funktionsumfänge
für Organisationseinheiten ableiten, gemeinsam mit dem Mengengerüst die erforderliche
Kapazität.
Auch diese Fragen sind frühzeitig zu formulieren, sofern sie Relevanz im Projekt
haben. Eine vollständige Beschreibung des Organisationsdesigns liegt dann vor, wenn
alle Fragen eindeutig beantwortet werden können (Abb. 3.6).
Wie ist die generelle Struktur als Antwort auf die relevanten Entwicklungen der Umwelt, Märkte und
Wettbewerber bei gegebenem Geschäftsmodell und gegebener Strategie?
Stellung in der Wertschöpfungskette?
Eigene Wertschöpfung?
Leistungstiefe?
Zahl der Standorte/Marktabdeckung?
Welche Prozesse müssen beherrscht werden, welchem Mengengerüst unterliegen diese Prozesse?
Welcher Funktionsumfang mit welchen Bezeichnungen wird angestrebt?
Wie ist die kapazitive Dimensionierung von Funktionen?
Welcher grundlegende organisatorische Aufbau wird gewählt (Stablinien- oder Matrixorganisation)?
Nach welchen Kriterien werden Subsysteme in der Organisation gebildet (Segmentierungskriterien)?
Wie viele Hierarchieebenen werden ausgebildet?
Welche Leitungsspanne wird angestrebt?
Welche Weisungsstruktur wird ausgebildet?
Welche Berichtswege und Zuordnungen werden etabliert?
Welche Leistungsbeziehungen entstehen damit an Schnittstellen?
Welche Instrumente für die Koordination an Schnittstellen werden eingesetzt?
Welche konkreten Abteilungen und Teams werden ausgebildet?
Welche Aufgaben werden wo wahrgenommen?
Wie wird die Aufgabenwahrnehmung durch Systeme und Tools unterstützt?
Welche Anforderungen leiten sich dann an die Skills der Mitarbeiter ab?
In welchen Schritten und durch wen sollen diese Festlegungen erfolgen?
einer veränderten Aufbauorganisation erfolgen soll. Klingt ein wenig nach der Frage, ob
zunächst das Huhn oder das Ei da war. Tatsächlich ist es eher eine Philosophiefrage, für
beide Vorgehensweisen gibt es Vor- und Nachteile, die vor dem Hintergrund der spezifi-
schen Ausgangssituation zu bewerten sind.
Für eine vorgezogene Prozessoptimierung spricht, dass die Organisation von den
Prozessverbesserungen schnell profitiert und dann die Voraussetzungen oder weniger
Widerstand gegen die Organisationsveränderungen vorhanden sind. Nicht zuletzt sind
Prozessverbesserungen häufig an die Einführung oder Optimierung von IT-Systemen
gekoppelt. Es kann aber dazu führen, dass die Aufbauorganisation nicht mehr zum Pro-
zessmodell passt, weil beispielsweise neue Funktionen hinzukommen, dass Funktionen
anders dimensioniert sein müssen oder gar wegfallen, beispielsweise, wenn Prozesse
automatisiert werden (z. B. die Rechnungsprüfung). Die Gefahr besteht allerdings, dass
die Prozessoptimierung den vorgegebenen Zeitrahmen nicht einhält und so die Verände-
rung der Aufbauorganisation nicht rechtzeitig stattfindet.
Für eine vorgezogene Anpassung der Aufbauorganisation spricht, dass die neue Orga-
nisation ihre Prozesse aus sich selbst heraus gestaltet und mehr Freiheitsgrade hat oder
zumindest einfordert, diese nach den eigenen Vorstellungen auszuprägen. Gleichzeitig
hat die neue Organisation parallel zu den Hauptaufgaben ein Optimierungsprojekt, wel-
ches auch den inneren Zusammenhalt stärken kann. Wird mehr Fokus auf eine rasche
Änderung der Verantwortlichkeiten in der Organisation gelegt, ist dieses Vorgehen vorzu-
ziehen (Abb. 3.7).
<<<<
Strategie – Formulierung und Ableitung Handlungsfelder
Unternehmensstrategie
als Antwort auf die aktuellen und künftigen Umweltbedingungen
Messen/Verfolgen/ Problem/Ist-Analyse/
Controlling Umsetzung Ausgangslage/Ziele
Organisations-
...
entwicklung
Umsetzung/Arbeitspakete/ Designprinzipien/
Maßnahmen Lösungswege/Alternativen
und Messung der Umsetzung bzw. Zielerreichung. Diese Ergebnisse fließen letztlich
zurück in den neuen Strategiezyklus. Diese Art von Kreislauf ist ähnlich dem klassischen
Problemlösezyklus aus dem Qualitätsmanagement. Je nach Anschauung kann dieser in
bis zu sieben Phasen unterteilt werden.
Das Grundmuster ist aber mit vier Phasen ausreichend genau beschrieben und kommt,
mit Modifikationen, praktisch immer zur Anwendung. Hinzu kommen ggf. weitere
Grundmuster, die in dieses Vorgehen einfließen oder eingearbeitet werden. Daraus ent-
stehen dann fallbezogen ganz spezifische Vorgehensmodelle, die versuchen, den jewei-
ligen Projektrahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Ganz wesentlich ist z. B. die
Zeitvorgabe aus der Strategie. Soll der Umsatz in fünf Jahren oder in zwei Jahren ver-
doppelt werden? Je nachdem müssen auch die Projektzeitpläne für die dazu erforderli-
chen Organisationsveränderungen geplant und terminiert werden. Entsprechend wird der
dargestellte Zyklus schneller und häufiger durchlaufen.
Grundform 1: Entwicklungsebenen.
Die Grundform 1 befasst sich mit der Frage, welche Ebenen (Abb. 3.9) von einer Orga-
nisationsentwicklung betroffen sein können und ob es ggf. eine Reihenfolge für das Ver-
ändern der Ebenen gibt. Exemplarisch werden hierzu vereinfacht zwei Ebenen gewählt,
obgleich weitere per Definition hinzukommen können. Im hier gewählten einfachen
Modell mit zwei Ebenen würden zunächst mit einer veränderten Zuweisung der Verant-
wortung durch eine veränderte hierarchische Eingliederung die Rahmenbedingungen
für eine Veränderung geschaffen. Das kann u. U. ein reines „Verschieben von Käst-
chen“ im Organigramm bedeuten. Es hat aber u. U. den Vorteil, dass danach die Füh-
rungsstruktur zunächst klar ist, es aber noch Spielraum für die Führungskraft gibt, die
Aufgabenerfüllung so zu verändern, dass die Bereichs- oder Abteilungsziele, wie z. B.
Entwicklungsebenen Ziele
Projektbearbeitung mit
2. Optimierung der Aufgabenerfüllung für
geringen DLZ,
diese Funktionen in der gegebenen
geringen
Aufbauorganisation – Bildung von geeigneten
Kostenabweichungen
Organisationslösungen mit Pools von Aufgaben
und hoher Termintreue
geringe Durchlaufzeiten oder hohe Termintreue erreicht werden. Erst im zweiten Schritt,
aus der neuen Führungsstruktur heraus, würden die Optimierungen und Verbesserungen
erfolgen. Danach würden zwei wesentliche Entwicklungsebenen unterschieden werden:
1. Ebene: Schaffung der organisatorischen Rahmenbedingungen durch eine Veränderung
der hierarchischen Eingliederung der Funktion, 2. Ebene: Optimierung der Aufgabener-
füllung für die betroffenen Funktionen in der dann gegebenen Aufbauorganisation. Der
Vorteil mag auch hier darin liegen, dass die Ebene 1 vermutlich schneller umgesetzt wer-
den und auf einem höheren Abstraktionslevel diskutiert werden kann. Für die Ebene 2 ist
in der Regel ein tiefes Prozessverständnis notwendig.
Grundform 2: Transformation.
Bei dieser Grundform stellt sich die Frage, wie weit eine Veränderung (= Transfor-
mation) gehen soll. Auch hier anhand eines einfachen Beispiels beschrieben: Schritt 1
würde ein reines Zusammensetzen der Aufbauorganisation aus bestehenden Funktionen
bedeuten („Drag & Drop“), Funktion 4 käme dann mehrfach vor, oder ob nicht – von
Anfang an –, die Funktion 4 gepoolt werden soll. Funktion 4 (z. B. Auftragsabwicklung)
würde dann erst zu einem späteren Zeitpunkt im Schritt 2 zu einer Abteilung zusammen-
geführt werden. Für ein Vorgehen in zwei Schritten sprach hier, dass die Funktionen 1
bis 3 bislang unterschiedliche Anforderungen an die Funktion 4 stellten und somit nicht
ganz klar war, ob das auch operativ funktionieren würde. Wichtig erschien es, im ersten
Schritt eine neue Verantwortungsstruktur zu schaffen. Gegen zwei Schritte sprach, dass
das Personalpotenzial gerade aus dem Pooling der Funktion 4 ableitbar ist, während ja
die Funktionen 1 bis 3 nur in der Aufbauorganisation „umgehängt“ werden (Abb. 3.10).
Schritt 1: Startlösung eher über „Drag & Drop“ Schritt 2: Pooling – Ausschöpfen
bestehender Organisationsteile erzeugen* Synergien für Funktion 4
Pro und Kontraargumente in zwei Schritten zu entwickeln (+ = Vorteil bei zwei Schritten)
+ Im Vordergrund steht zunächst, zeitnah eine klare Verantwortungszuordnung für die Geschäftssegmente zu schaffen
+ Inwiefern einzelne Aufgaben für ein Pooling geeignet sind, ist zu prüfen, ggfs. sind diese eng mit Aufgaben aus den Funktionen
1 bis 3 verknüpft – Pooling somit nicht per se möglich oder sinnvoll
+ Geeignete Form der Systemunterstützung für kleine Anzahl von Aufträgen ist noch nicht definiert und muss aus den Prozessen
abgeleitet werden
– Volatilität des Geschäfts spielt hier eine zentrale Rolle: Je nach Ausprägungsgrad führt sie direkt zur Frage des Poolings von
Ressourcen
– Mögliches Personalpotenzial wird mit Schritt 1 ggfs. zunächst nicht erschlossen
– Die Skalierbarkeit ist nur in ausgewählten Geschäftsfeldern gegeben, ein Glättungseffekt aus der Ausweitung des Geschäfts ist
kurzfristig nicht zu erwarten ( Annahme: Volatilität ist weiter gegeben)
für angedachte Veränderungen. Überraschende oder auf den ersten Blick nicht plausible
Ergebnisse müssen sorgfältig überprüft werden, von ihnen hängen u. U. Entscheidun-
gen mit großer Tragweite ab. Aus allen durchgeführten Analysen sind die wesentlichen
Kernaussagen abzuleiten. Sie geben in der Gesamtschau Hinweise, welchen Leitlinien
die Soll-Organisation oder -abläufe folgen sollen. Zeichnen sich diese ab, können erste
Alternativen für eine Soll-Organisation daraus formuliert werden. Dieser Schritt in einer
so frühen Phase ist mit Vorsicht zu genießen, allerdings wird oft vom Entscheidergre-
mium auch in dieser frühen Phase eine Aussage erwartet, in welche Richtung es gehen
könnte. In der Regel werden die Ergebnisse der Analysephase in einer Gesamtunterlage
dokumentiert.
In der Phase der Ausarbeitung des Soll-Konzeptes steht die Entwicklung und Bewer-
tung von Organisationsalternativen im Vordergrund. Hierzu bietet es sich an, im Rah-
men von Workshops und Einzelgesprächen diese zu bewerten und zu diskutieren. Stehen
am Anfang meist noch eine Vielzahl von Alternativen im Raum, müssen über die Gre-
mien deren Anzahl schrittweise reduziert werden, sodass eine Konsenslösung heraus-
gearbeitet werden kann. Ist klar, welche Lösung umgesetzt wird, muss sich eine darauf
abgestimmte Umsetzungsplanung anschließen. Im Sinne einer lückenlosen Projektdo-
kumentation sollten die Ergebnisse in einer Unterlage „Soll-Konzept“ zusammengefasst
werden.
Die Umsetzungsphase wird oft unterschätzt, ganze Bücher befassen sich nur mit der
Frage des Change Managements. Herauszustellen ist, dass die Umsetzung einen ande-
ren Projektcharakter hat als die vorherigen Phasen. Sind die ersten Phasen noch von der
Unsicherheit geprägt, was das Ergebnis sein wird, ist das in der Umsetzungsphase klar.
Unklar ist eher, ob sich das Soll-Konzept in Reinform umsetzen lässt, oder ob noch-
mals Anpassungen notwendig sind, weil Detailfragen sich anders darstellen. Bewährt
hat es sich, die Aufgaben zur Umsetzung in Teilprojekte, Arbeitspakete, Aktivitäten und
Maßnahmen zu zerlegen. Erfolg versprechend ist es, Umsetzungsverantwortliche zu
definieren, die dann eigenverantwortlich ein Teilprojekt leiten und koordinieren. Diese
Teilprojektleiter berichten in regelmäßigen Abständen an die Gremien zum Stand der
Umsetzung. Die Ergebnisse aus Detailfestlegungen im Rahmen der Umsetzung wer-
den weiterhin nach einem gewählten Standard dokumentiert. Soweit Potenziale verfolgt
werden müssen, sind deren Erfolgswirksamkeit zu messen und nachzuhalten. Der Len-
kungskreis stellt zu gegebener Zeit die vollständige Umsetzung fest und entlastet die
Umsetzungsverantwortlichen. Diese Arbeitspakete schließen z. B. eine geeignete Kom-
munikation, die Ausarbeitung von Detailprozessen, notwendige Systemanpassungen,
Ausschreibung oder Neubesetzung von Stellen, Veröffentlichung neuer Organigramme,
Schaffung veränderter Infrastruktur- und Raumkonzepte oder Umsetzung neuer Legal-
Einheiten ein. Als Methoden kommen z. B. Einzelsitzungen, Arbeitssitzungen, Umset-
zungs- oder Übertragungsworkshops und nicht zuletzt Statusmeetings in Betracht.
Das bisher beschriebene Vorgehen mit vier Phasen ist generisch und lässt sich prak-
tisch auf alle Fragestellungen der Organisationsentwicklung übertragen. Am nachfolgen-
den Beispiel wird deutlich, wie ein Vorgehen im internationalen Kontext aussehen kann.
3.2 Vorgehensmodelle Organisationsentwicklung 83
Region 5
Phase 2: Konzept- und Entscheidungsfindung
Region …
Welche Funktionen und Unternehmenseinheiten sollten in welchen Regionen
bestehen?
Welche Veränderungen müssen in den Einheiten hierzu angestoßen werden?
Überblick über
Wie sieht die Roadmap für die Soll-Organisation aus und wie gestaltet sich die
globales Set-up
Umsetzung in den Regionen?
Phase 3: Umsetzung
Es empfiehlt sich also bei größeren, komplexeren Strukturen ein hierarchisch abge-
stuftes Vorgehen, welches relevante Ebenen der Unternehmensorganisation einbezieht.
Typisch ist z. B., dass ein Unternehmen ein Headquarter mit ausgesuchten Zentralfunk-
tionen unterhält, daneben hat es für verschiedene Produkte oder Wertschöpfungsstufen
verschiedene Standorte, ggf. ausgewählte Funktionen an einem Standort konzentriert.
Liegt eine globale Struktur vor, kommen noch Tochtergesellschaften oder Betriebstätten
als weitere Ebene hinzu. Dieses hierarchisch abgestufte Vorgehen lässt sich nicht nur in
der Analyse anwenden, sondern auch bei der Konzeption und Umsetzung. Es gilt das alte
Prinzip: Der Elefant wird in Scheibchen zerlegt (Abb. 3.13).
Welche Hierarchiestufen zu berücksichtigten sind, hängt von der Vorgabe oder Auf-
gabenstellung ab. Wenn es beispielsweise darum geht, eine weltweite Einkaufsorganisa-
tion zu gestalten, kommt man gar nicht umhin, alle Standorte mit Einkaufsfunktionen
mit einzubeziehen, zunächst einmal unabhängig von der globalen Lieferantenbasis. Geht
es um eine standortübergreifende Entwicklungsorganisation, sind alle Standorte mit Ent-
wicklungsfunktionen einzubeziehen usw.
Die Abb. 3.14 zeigt ein Vorgehen für die Untersuchung einer globalen Einkaufsor-
ganisation. Ausgehend vom Headquarter und einer zentralen Entwicklung am Stamm-
sitz gibt es in den Hauptmärkten Vertriebs- und Produktionsstandorte mit einer jeweils
lokalen Einkaufsorganisation. Fraglich war, wie Potenziale in der globalen Struktur
erschlossen werden können, ohne die Versorgungssicherheit der Werke zu gefährden.
Das Analysepaket wurde hier neben einem Analysepaket, was die Aufbauorganisation
als solches betrifft, um eine Analyse der Warengruppen-, Lieferanten- und Werks- und
Bedarfsstruktur erweitert.
Hierarchiestufen Workshopstruktur
Strategie
Unternehmen Standorte
Produkte
Prozesse
Mitarbeiter
Konzeption
Analyse
Werk A Werk B Werk C Werk … Potenziale
Prioritäten
Projekte
Workshops
Operationa-
Maßnahmen
lisierung
Produktlinie Produktlinie Indirekte … Messgrößen
A B Funktionen
Controlling
Coaching
Berichtswesen
2. Analysen
2.5. Potenziale
Programmmanagement – Organisationsentwicklung
Erstellung Umsetzungszeitplan
Vorgehen Strukturierung Umsetzungspakete
Umsetzung Definition der Umsetzungsverantwortlichen
Nachhalten der Umsetzungskontrolle
agieren können und setzt eine gewisse Seniorität und Erfahrung der handelnden Perso-
nen voraus. Gerade Maßnahmenverantwortliche neigen dazu, ihr Tagesgeschäft in den
Vordergrund zu stellen und mitunter leidige oder unangenehme Veränderungen hinten an
zu stellen. Hier benötigt das Programmmanagement Hartnäckigkeit und Durchschlags-
kraft.
In dem nachfolgenden Kapitel sollen die wesentlichen Instrumente und Methoden zur
Beschreibung der Soll-Organisation vorgestellt werden. Besonders wichtig sind dabei
die Segmentierungskriterien, die vorangestellt beschrieben werden, aber auch formale
Beschreibungsmuster wie Organigramme oder Prozessdarstellungen oder die Beschrei-
bung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung sowie die RACI-Methode sind
hierbei von praktischer Bedeutung.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 87
3.3.1 Segmentierungskriterien
Die Frage der geeigneten Segmentierungskriterien (vgl. Simon und von der Gathen
2002, S. 270) ist fundamental und knüpft an das Thema Designrichtlinien für eine Orga-
nisation an. Im Grunde geht es um die Frage, nach welchem Prinzip Aufgabenbündel in
kleinere Pakete geschnitten werden (vgl. Schreyögg 2008, S. 108). Ein einfaches Bei-
spiel sei vorangestellt: Eine Vertriebsorganisation bedient zwei unterschiedliche Märkte
und Kundenstämme, z. B. Kunden im Premiumsegment und Kunden im Standardbe-
reich. Die Margen im Premiumsegment sind höher, die verkauften Stückzahlen geringer,
im Standardsegment liegen hohe Stückzahlen, aber niedrige Margen vor. Im Standard-
segment sind Angebote einfach und standardisiert, im Premiumsegment individualisiert
und deutlich aufwendiger. Um es einfach zu machen, nehmen wir weiter an, die gesamte
Vertriebsmannschaft sitzt an einem Standort. Um alle Aufgaben bewältigen zu kön-
nen, werden 15 Mitarbeiter beschäftigt, es sollen drei weitere Mitarbeiter mit Schwer-
punkt Vertriebsinnendienst hinzukommen. Eine Abteilung mit 18 Vertriebsmitarbeitern
(Außen- und Innendienst) gilt als kaum führbar. Deswegen wird überlegt, daraus zwei
Abteilungen zu machen. Aber wonach sollen die beiden Abteilungen gebildet werden?
Nach Innen- und Außendienst (funktionale bzw. vertikale Arbeitsteilung) oder nach den
Segmenten Premium und Standard? Wie man schnell erkennt, keine triviale Aufgabe,
für beide Alternativen gibt es Pro- und Kontraargumente. Das Beispiel verdeutlicht
aber, wie zentral die Frage nach einer geeigneten Segmentierung ist. Es geht also um
die Frage, nach welchen Kriterien Aufgaben geschnitten bzw. Abteilungen oder Orga-
nisationseinheiten gebildet werden. Die Kriterien können ganz unterschiedlich sein. Ein
häufiges Kriterium ist das Objekt, z. B. verschiedene Komponentenwerke in einem Wert-
schöpfungsnetzwerk, ein anderes das Produkt, beispielsweise Nutzfahrzeuge und Pkws
in der Fahrzeugindustrie, oder Bekleidung und Schuhe bei einem Sportartikelhersteller.
Auch Kundengruppen eignen sich als Segmentierungskriterium, z. B. Firmenkunden
und Privatkunden. Unterschiedliche Märkte und Regionen können ganz unterschiedliche
Anforderungen an ein Produkt und dessen Vertrieb stellen und ebenfalls als Segmen-
tierungskriterium dienen. Unterschiedliche Technologien werden nicht selten als Seg-
mentierungskriterium herangezogen, beispielsweise in der Energiebranche erneuerbare
Energien und nicht-erneuerbare Energien. Nicht zuletzt sei als Segmentierungskriterium
die funktionale Segmentierung genannt, wie z. B. die Trennung in einen strategischen
und operativen Einkauf. Wird die Organisation eines Unternehmens systematisch nach
angewendeten Segmentierungskriterien untersucht, finden sich meist mehrere – auf
unterschiedlichen Ebenen. Fraglich ist dann immer, ob die richtigen Segmentierungskri-
terien angewendet wurden. Das ist oftmals die eigentliche Frage und vor allem welche
Argumente dafür und dagegen sprechen. Typische Argumente zielen auf die erhöhte Effi-
zienz der dahinterliegenden Prozesse, Durchgängigkeit der Verantwortung, Adressier-
barkeit der relevanten Märkte und Kunden, Bündelung des erforderlichen Know-hows
oder schlicht der Organisationshygiene und die durchgängige Anwendung derselben Kri-
terien, weil ein anderes Schnittmuster praktisch nicht verständlich kommunizier bar ist.
88 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Objekt
Funktional
Abb. 3.16 Segmentierungskriterien
Kein Segmentierungskriterium sind Personen (Abb. 3.16), obgleich in der Praxis auch
Organisationen um Personen herum gebaut werden. Das ist grundsätzlich zunächst ein-
mal abzulehnen, schließlich ist jeder ersetzbar. Im letzten Schritt spielen die handelnden
Personen und Führungskräfte oftmals aber doch eine wichtige Rolle. Wichtig ist es, die
Reihenfolge einzuhalten – erst nach Segmentierungskriterien, dann nach den handelen-
den Personen und Führungskräften.
Kommen die Segmentierungskriterien zur Anwendung, können daraus Organisations-
charts entwickelt und skizziert werden. Anhand welcher einfachen Hilfsmittel die Soll-
Organisation beschrieben werden kann, wird nachfolgend aufgezeigt.
3.3.2 Soll-Organisations-Charts
Fundamental für die Beschreibung einer Soll-Organisation sind Organigramme. Sie zei-
gen anhand der Linien zwischen den Abteilungen und Teams, welche Organisations-
einheiten gebildet werden und welche Verantwortungsbereiche existieren bzw. welche
Berichtslinien gegeben sind. Sie haben den Vorteil, dass sie klar Auskunft darüber geben,
wie die Organisation aufgebaut ist. In der Regel sollten diese in der Organisation für alle
Mitarbeiter verfügbar sein. Viele Mitarbeiter, egal welcher Hierarchiestufe, legen großen
Wert darauf, dass diese sachlich richtig und aktuell sind. Natürlich gibt es Grenzen der
Darstellung. Das fängt mit der Anzahl der dargestellten Führungsebenen und Hierar-
chiestufen an. Viele Unternehmen definieren die Anzahl der Level, die überhaupt in den
HR-Systemen und in der Visualisierung in Organigrammen dargestellt werden. Ab Ebene
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 89
Abb. 3.17 Soll-Organisation
90 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Chief Operations
Officer (COO)
Stabstelle
Kaufmännische
Auftrags-
bearbeitung
Planung mit
Material-
disposition
Produktion …
Einkauf
Die Matrix ist heute aus der Unternehmensorganisation nicht mehr wegzudenken,
spätestens dann, wenn ein zweiter Unternehmensstandort entsteht. Insoweit haben alle
Mehrstandortunternehmen, ob willkürlich oder unwillkürlich eine Matrixorganisation.
Fraglich ist oftmals, aus welchen Dimensionen die Matrix aufgespannt wird, im Grunde
wieder die Frage nach den wesentlichen Segmentierungskriterien der Organisation.
3.3.3 Alternativenbetrachtung
Es ist im Grunde fast trivial und logisch, dass im Rahmen eines Organisationsentwick-
lungsprojekts Alternativen formuliert und diskutiert werden. Weil es aber eine herausra-
gende Bedeutung im Rahmen des Projektvorgehens zur Organisationsentwicklung hat,
soll nachfolgend skizziert werden, wie ein typischer Weg zur Konsensfindung oftmals
aussieht (Abb. 3.21).
Ausgangspunkt sind in der Regel die aus, soweit externe Berater das Projekt unter-
stützen, neutraler Sicht formulierten Alternativen, die sich in der Regel aus der Anwen-
dung der vorgegebenen Leitlinien ableiten. Hier hat es sich als praktikabel erwiesen,
nicht mehr als drei robuste Alternativen zu formulieren, die aber geeignet sind, eine Dis-
kussion in dem Entscheidergremium zu erzeugen. Meist kommt es dann zur Erhöhung
Ausformulierte
Umsetzungs- Robuste
alternativen Alternativen
(2)
Umsetzungs-
alternative Bevorzugte
(1) Alternative
Unternehmen und folglich deren Organisationen müssen sich heute mehr denn je in
einem internationalen Wettbewerb behaupten. Der stetig steigende Kostendruck resul-
tiert auch darin, die eigene Organisationsstruktur möglichst effizient gestalten zu müssen
und in vielen Fällen dazu, dass die vorhandenen Personalressourcen optimiert eingesetzt
werden müssen. In Organisationsentwicklungsprojekten stellt sich somit oft die Frage,
wie die gegebenen Ressourcen besser, effizienter oder flexibler eingesetzt werden kön-
nen. In diesem Buch soll es jedoch weniger um die Fragestellung gehen, wie die vorhan-
denen Ressourcen flexibler einzusetzen wären. Typische Beispiele sind hier Job-Sharing
und/oder Job-Rotation. Hier sei auf die existierende weiterführende Literatur verwie-
sen. Hier liegt der Fokus auf der Vorgehensweise zur Ableitung der Soll-FTE-Zahl für
94 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
die Soll-Organisation. In der Praxis kann dies auf unterschiedlichsten Wegen erfolgen.
Einige in Organisationsprojekten häufig genutzte Varianten werden im Folgenden kurz
beschrieben. Der Unterschied zwischen den Bezeichnungen Headcount und Full-Time-
Equivalent wurde bereits in Kap. 2 erläutert (siehe Gliederungspunkt Abschn. 2.7 Staf-
fing Headcount – FTE). Aus Gründen der Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wird
im Folgenden lediglich der Begriff FTE weiterverwendet.
Zielvorgabe Top-down Eine Variante der Ermittlung von Soll-FTE Anzahlen ist die
Festlegung mittels einer einfachen Zielvorgabe „top down“ seitens des Managements des
Unternehmens. In diesem Fall erfolgt die Definition der Soll-FTE-Zahl durch die Reduk-
tion der vorliegenden Anzahl um einen gewissen Prozentsatz, beispielsweise 20 %. Diese
Methode wird häufig auch als sogenannter „Haircut“ bezeichnet. In der Praxis ist dies eine
durchaus weitverbreitete Methode, da sie das angestrebte Reduktionspotenzial in der Regel
gleichmäßig verteilt und die Durchführung ohne voranstehende grundlegende Analysen
gestartet werden kann. Insbesondere bei Organisationsentwicklungsprojekten, die schnell
Ergebnisse erzielen sollen, und/oder bei komplexen, weit gefassten Restrukturierungspro-
jekten mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Organisationseinheiten und Teilprojekten,
findet diese Variante vielfache Anwendung. Gerade diese durch das Management ver-
ordnete Top-down-Variante wird in der Praxis, jedoch durchaus kritisch gesehen, da sie
immer die Hypothese birgt, dass in der existierenden Organisation bis zu einem gewissen
Prozentsatz (in unserem fiktiven Beispiel 20 %) Ineffizienzen bestehen und eine poten-
zielle Straffung der Aufgaben bzw. der hierfür benötigten Ressourcen –von vornherein –
unterstellt wird. Das mag für manche Abteilungen zutreffen, für andere nicht. Oft bleibt
dabei unberücksichtigt, dass dann Aufgaben künftig schlicht wegfallen müssen.
aufweisen können. Die Erfahrung zeigt, dass diese Methode des Benchmarkings vielfach
an der unzureichenden Datenqualität der eigenen Organisation oder aufgrund der man-
gelnden Vergleichbarkeit und Belastbarkeit der externen Vergleichsdaten scheitert. Sol-
che Benchmarks sind nicht leicht zu beschaffen, zumal erst die Kenntnisse der Prozesse
und Strukturen dahinter weiterhilft. Benchmarks sind aber durchaus geeignet, um Deltas
und Lücken zu identifizieren und eine Detailanalyse anzustoßen.
Veränderter Zuschnitt Eine Ableitung einer Soll-FTE-Zahl kann auch durch die Verän-
derung des Zuschnitts der Aufgabenumfänge erfolgen. Hierbei werden die bisherige Auf-
gabenverteilung und das bisherige Aufgabenbündel sowie die Zuordnung der jeweiligen
Verantwortlichkeiten neu zugeordnet (siehe hierzu auch Gliederungspunkt Abschn. 3.3.5.
Soll-Aufgaben anhand AKV – Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung). Liegt aus der
Aufgabenanalyse eine Sammlung der wahrgenommenen Aufgaben einer Abteilung vor,
und es fallen künftig Aufgaben weg oder die Aufgaben werden von anderen Abteilungen
übernommen, fällt die erforderliche FTE-Kapazität weg. Alternativ erfolgt eine Bünde-
lung sowie stärkere Verdichtung der einzelnen Aufgaben auf eine geringere Anzahl an
Mitarbeitern, wenn erkennbar wird, dass Kapazitäten ungenutzt sind. In diesem Fall birgt
diese Alternative am Ende auch ein FTE-Einsparpotenzial.
Entfall von Aufgaben Mit der zunehmenden Vernetzung von Produktionsstätten und
leistungsfähigeren IT-Systemen sowie den in den letzten Jahren immer schnelllebiger
gewordenen Entwicklungen im Technologieumfeld gewinnen für viele Unternehmen ins-
besondere die Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 einen immer höheren Stellen-
wert. Unternehmen können durch neuartige Technologien Produkte anders entwickeln,
herstellen oder auch verkaufen. Unternehmen müssen sich heute zunehmend mit neuen
Technologien auseinandersetzten, sei es bei der Entwicklung und Vermarktung ihrer eige-
nen Produkte oder beispielsweise bei der Weiterentwicklung ihrer Produktionsstätten
und Anlagen (siehe hierzu auch Linz et al. 2017, S. 46 f.). Bei letzterem halten in den
letzten Jahren durch die zunehmende Automatisierung gravierende Veränderungen Ein-
zug. Hier sind in erster Linie die Entwicklungen rund um das Stichwort Industrie 4.0 zu
nennen. Produktionsnetzwerke und einzelne Maschinen werden smarter (dt. intelligen-
ter), kommunizieren miteinander und tauschen eigenständig Informationen untereinander
aus. Dieser technologische Fortschritt führt jedoch in der Konsequenz auch dazu, dass
einfache Tätigkeiten in den direkten Unternehmensbereichen, die vormals von Produk-
tionsarbeitern verrichtet wurden, entfallen bzw. deren Durchführung von Maschinen und
Anlagen selbst und größtenteils autark durchgeführt werden. Die Wertschöpfung, die vor-
her durch die Aktivitäten der Mitarbeiter geleistet wurde, wird somit substituiert durch
eine Wertschöpfung, die durch moderne Maschinen erbracht wird. Beispielsweise beim
Einsatz von Robotern. Die Wirtschaftlichkeit wird ja gerade durch den Entfall von manu-
ellen Arbeitsumfängen gerechtfertigt. Durch Investitionen in moderne Produktionstechnik
wird in der Regel ein höherer Automatisierungsgrad erreicht. Dieser wiederum birgt u. U.
ein Potenzial in den FTE-Ressourcen dieser Bereiche. In zahlreichen Branchen fallen
96 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Top-down
Zielvorgaben Benchmarking
Bottom-up
Fall korreliert der Aufwand linear mit dem zugrunde liegenden Mengengerüst. Wird die
Menge halbiert, fallen 50 % des Aufwands weg. Mit dem Entfall der Hauptaufgabe fal-
len ggf. weitere Nebentätigkeiten weg, obwohl diese nicht direkt vom Hauptmengen-
treiber abhängen. Die Genauigkeit solcher Berechnungen liegt bei etwa ± 0,1 FTE. Das
reicht aber in der Praxis aus, wenn die richtigen Tendenzen daraus ableitbar sind.
Abb. 3.22 Ableitung Soll-FTE Anzahl fasst die beschriebenen Alternativen zur Ablei-
tung einer Soll-FTE-Zahl nochmals zusammen. Danach können Top-down und Bottom-
up-Ansätze unterschieden werden. Top-down-Ansätze nehmen keine Rücksicht auf
konkrete Aufgaben- und Tätigkeitsprofile, sondern stellen die FTE-Dimensionierung
grundsätzlich infrage. Das hat den Vorteil, dass wahrgenommene Aufgaben grundsätzlich
überprüft werden. Bottom-up kommt eher von der konkreten Aufgabenebene und FTE-
Verteilung auf diese Aufgaben. Anhand der zugrunde liegenden Mengengerüste werden
Soll-FTE-Zahlen berechnet oder abgeleitet. Selbstverständlich sind noch weitere Varian-
ten denkbar. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird auch hier nicht erhoben.
Organisation sind dann u. a. vollständig und eindeutig beschrieben, wenn auch klar ist, wel
che Aufgaben durch welche Funktionen oder Abteilungen wahrgenommen werden, welche
Kompetenzen damit verbunden sind und welche Verantwortung damit übernommen wird.
98 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Eine mögliche Variante zur Ableitung der Soll-Aufgaben stellt das sogenannte AKV-Modell
dar. Dies steht für die betrachteten Dimensionen: Aufgaben – Kompetenzen – Verantwor-
tung. Gerade wenn Abteilungen durch andere Zuschnitte neu zusammengesetzt werden,
kann es sehr zielführend sein, nochmals aktiv die AKV für die gewählte Abteilungsstruktur
aktiv zu definieren. Im Rahmen eines Vorgehens zur Organisationsentwicklung setzt eine
AKV-Definition meist auf eine bereits vorgenommene Soll-FTE-Dimensionierung auf, ins-
besondere dann, wenn die betroffenen Mitarbeiter in die AKV-Definition aktiv eingebunden
werden sollen.
Kompetenzen Nach der Definition der Aufgaben können aus diesen Ergebnissen die
erforderlichen Kompetenzprofile, die zur erfolgreichen und vollständigen Erledigung der
Aufgaben benötigt werden, abgeleitet werden. Dies sind in der Regel formale Aspekte
wie Zeichnungsbefugnisse, Vollmachten oder auch Weisungsbefugnisse in einem
bestimmten Bereich oder für spezifische Unternehmensgeschäfte. Wer hat die Kom-
petenz, ein Angebot abzugeben? Wer hat die Kompetenz, einen Auftrag zu bestätigen?
Wer darf einen Auftrag in der Fertigung einplanen? Wer legt die Auslieferung fest? Wer
definiert die Höhe der vorgehaltenen Bestände? So muss beispielsweise eine Vertriebs-
leitungsfunktion fähig sein, Kundenaufträge und deren finale Geschäftsverträge in einem
gewissen Maß eigenständig zum Abschluss bringen und rechtswirksam im Auftrag der
Firma unterzeichnen zu können, ohne für jeden Vertrag die Unterschrift der Geschäfts-
führung zu benötigen. Das gleiche gilt selbstverständlich für einen Einkaufsleiter, der
Lieferverträge bis zu einem bestimmten Volumen gemeinsam mit einem Kollegen gegen-
zeichnen können muss. Es sei an der Stelle erwähnt, dass die meisten Unternehmen hier
interne Zeichnungsrichtlinien geschaffen haben, um zum einen das unternehmerische
Risiko einzugrenzen und ggf. auch Missbrauch vorzubeugen.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 99
Verantwortung Zuletzt ist abzugrenzen, welche Verantwortung mit der Erfüllung der
Aufgabe übernommen wird und damit verbunden ist. Klassische Beispiele in der Praxis
sind hier zum einen eine dezidierte Ergebnisverantwortung für eine Unternehmensein-
heit, für ein bestimmtes Geschäftsfeld oder eine bestimmte Marktregion – je nachdem
nach welchen Segmentierungskriterien die Unternehmung (siehe hierzu Gliederungs-
punkt Abschn. 3.3.1 Segmentierungskriterien) geschnitten ist. Zum anderen kann auch
eine festgelegte Budgetverantwortung in einem vorab definierten Umfang als Beispiel
genannt werden. Beispiele könnten u. a. Marketingverantwortliche sein, die in der Praxis
über vorab freigegebene Budgets für Kampagnen zur Einführung eines neuen Produktes
verfügen oder Leiter von Forschungsabteilungen für spezifische Forschungsaktivitäten,
die hierfür ein bestimmtes Budget zur Verfügung gestellt bekommen. Bei der Dimen-
sion der Verantwortung im AKV-Modell (Abb. 3.23) ist es mitunter wichtig, neben der
reinen Definition dieser Verantwortung, auch festzulegen, auf Basis welcher geeigneten
Messgrößen diese gemessen werden kann. Im Allgemeinen sind diese Punkte im Rah-
men von individuellen Zielvereinbarungen, die insbesondere Führungskräfte oder auch
Projektleiter unterzeichnen, geregelt. Eine konsequente Nachverfolgung und Messung
ist somit in der Regel möglich. Problematisch kann es werden, wenn die Verantwortung,
wie bereits näher beschrieben, innerhalb einer global operierenden Matrixorganisation
auf mehreren „Köpfen“ verteilt ist.
Die strukturierte Erarbeitung der drei Elemente Aufgabenprofile, Kompetenzpro-
file und Verantwortlichkeiten erfolgt in der Praxis häufig durch eine Workshopreihe. In
diesem Fall lassen sich die Inhalte gemeinsam mit den Mitgliedern einer oder mehrerer
Abteilungen strukturiert und aufeinander aufbauend erarbeiten. Die Mitglieder der Fach-
bereiche können hierbei auf ihre bisherigen Erfahrungen zurückgreifen und wichtigen
Input liefern. Zudem ist es ihnen möglich, eine belastbare Einschätzung zu treffen, z. B.
wenn es um die Fragestellung geht, welche Mengengerüste zu bestimmten operativen
Aufgaben vorliegen oder auch bei der Beantwortung der Fragestellung, welche Befug-
nisse eine Funktion haben muss, um spezifische Sachverhalte möglichst eigenständig
und effizient bearbeiten zu können. Das Know-how und die Erfahrung der Mitarbeiter
sind hier essenziell und sollte bei der Ausgestaltung der Funktionen aktiv genutzt wer-
den. Alternativ zu einer Workshopreihe könnten die Abfragen auch über Einzelinter-
views getätigt werden. In der Praxis hat sich jedoch das eher interaktivere Format eines
100 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Supply Chain
Vertrieb Auftragsabwicklung
Management
Neben dem AKV-Modell existiert ein weiteres Modell, mit dessen Hilfe bestehende Ver-
antwortungen, Kompetenzen und Aufgabenverteilungen in Organisationen beschrieben
werden können. Insbesondere bei der Darstellung von Verantwortlichkeiten in existie-
renden Prozessen und Abläufen hat sich in der Praxis vielfach die sogenannte RACI-
Darstellung etabliert. Das Modell kommt aus dem Englischen und steht abgekürzt für
die Begriffe Responsible, Accountable, Consulted, Informed. Auch dieses Modell hat –
analog dem AKV-Modell – das Ziel, bestehende Verantwortlichkeiten, die existierende
Aufgabenverteilung sowie die gegebene Kompetenzzuordnung in komplexen übergrei-
fenden Prozessen darzustellen. Es unterscheidet dabei aber vier Dimensionen. Um das
Modell erfassen zu können, muss zunächst auf die Definitionsbeschreibung der einzelnen
Dimensionen eingegangen werden.
104 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Responsible: Responsible (dt. verantwortlich) bezeichnet die Funktion oder die Person,
die für die Erfüllung einer zugewiesenen Tätigkeit verantwortlich ist. Sie führt demnach
die Aufgabe operativ selbst durch und kümmert sich um ihre vollständige Abarbeitung.
Die Durchführung kann entweder eigenständig erfolgen oder die Responsible-Person
kann weitere Funktionen zur Abarbeitung hinzuziehen. Dies ist vielfach der Fall, wenn
die Erfüllung der Aufgabe eine übergreifende Klärung von verschiedenen Fragestellun-
gen bzw. Sachverhalten erfordert, bei denen also mehrere Funktionen oder Abteilungen
involviert werden müssen. Verantwortlich für die Koordination dieser Zusammenar-
beit bleibt die Responsible-Funktion. Sie fügt die verschiedenen Inputs zusammen und
schließt die Aufgabe final ab.
Abb. 3.27 RACI-Darstellung
Durchführung
R A C I
Entwicklungsprojekte
Durchführung Produktpflege R A C I
R – Responsible
A – Accountable
C – Consulted
I – Informed
Das beschriebene Beispiel verdeutlicht bereits, dass selbst bei einer verhältnismäßig
geringen Zahl an Einzelaufgaben und involvierten Funktionen die Abgrenzung zwischen
den einzelnen Rollenfunktionen innerhalb des RACI-Modells nicht trivial verständlich
ist. Insbesondere bei den Rollen Responsible und Accountable ist eine exakte Trennung
teilweise nicht eindeutig. Die Logik steht und fällt mit der geeigneten Strukturierung der
Aufgabenebene. Ist diese zu feingliedrig, wird der Aufwand enorm. Ist diese zu grob,
bringt die Methode keinen Erkenntnisgewinn. In der Praxis erweist sich daher die RACI-
Methode als vor allem dafür eignet, um z. B. aus Sicht einer Abteilung deren Aufgaben
in Abgrenzung zu anderen Funktionen aufzuzeigen. Sie kann daher ergänzend zu der
Formulierung von Soll-Aufgaben verwendet werden. Sie ist dann etwas genauer als eine
reine AKV-Definition. Die RACI-Methode muss sich aber mit dem Vorwurf auseinan-
dersetzen, zu akademisch zu sein. Sie ermöglicht aber eine strukturierte Diskussion zwi-
schen verschiedenen Funktionen, um ausgewählte Themen konstruktiv und weitgehend
objektiv aufzeigen und diskutieren zu können.
Abb. 3.29 gibt ein Beispiel, wie eine andere RACI-Darstellung entlang eines Prozes-
ses – hier am Beispiel einer kundenspezifischen Auftragsfertigung – aussehen kann. Zu
unterscheiden gilt es hier, welchen Neuigkeitsgrad eine Kundenspezifikation hat und wer
welche Rolle bei der technischen Freigabe der Lösung hat. Die Beurteilungskompetenz
über den Neuigkeitsgrad einer Lösung hat hier im Zweifel immer die Entwicklungsabtei-
lung, wenn es sich nicht um einen Standard handelt. Die Schwierigkeit liegt dann in der
Praxis eher darin, Kriterien festzulegen, wann der Standard durchbrochen ist und wann
nicht. Das entbindet aber in diesem Fall die Auftragsbearbeitung nicht, daran gemessen
zu werden, wie viele Kundenprojekte erfolgreich durchgeführt wurden.
3.3
3.3.7 Soll-Prozesse
Level 1
1.1 1.2
…
Auftragsabwicklung Einkauf
Level 2
Start Produktion
1.1 Auftragsabwicklung
Level 2
Level 3
Input Output
1 2 3 4
Anfrage Abgleich mit Formulierung Beantwortung
Klärung Bedarf/ Klärung offener
Kunde Produkt-/ Rückmeldung Anfrage
Umfang Punkte
Lösungsportfolio Kunde
e inzelnen Aktivitäten noch genauer beschreiben. Hier ist der Level erreicht, auf welchem
zusätzlich die Input-Output Beziehung dargestellt wird. Im konkreten Fall wird für die
Anfragephase angenommen, dass diese durch eine Kundenanfrage beginnt und mit der
Beantwortung oder Rückmeldung an den Kunden abschließt. Dazwischen werden vier
wesentliche Teilprozesse unterschieden. Den Teilprozess Klärung Bedarf/Umfang des
Kunden lohnt es kaum noch weiter zu untergliedern, weil je nach Form der Anfrage
(schriftlich, telefonisch, mündlich) ganz unterschiedliche weitere Tätigkeiten auszufüh-
ren sind. Auch der nächste Teilprozess, Abgleich mit Produkt-/Lösungsportfolio kann
ebenfalls ganz unterschiedlich erfolgen, je nachdem, worauf sich die Anfrage bezieht,
weswegen es keinen Sinn macht, hier auch den Level 4 auszuarbeiten. Auch erwecken
solche Darstellungen den Eindruck, dass die einzelnen Schritte immer sequenziell abge-
arbeitet werden. Das ist nicht zwingend der Fall und auch nicht erforderlich. An diesem
Beispiel wird daher auch deutlich, dass das Zerlegen von Prozessen in weitere Teilpro-
zesse seine Grenzen hat. Selbstverständlich können aus einer einfachen Kundenanfrage
weitere Aktivitäten resultieren, wie z. B. ein Kundenbesuch, der Versand von Mustern
usw. Hier ist dann zu entscheiden, ob es lohnt, hierfür einen Prozess zu beschreiben.
Beim Versand von Mustern oder Samples mag das ggf. sinnvoll sein, weil hier zusätzli-
che Ressourcen gebunden werden.
Wesentlich bei der Betrachtung und Darstellung von Prozessen auf einem operativen
Level ist, dass jeder Prozess einen belastbaren Output, also ein konkretes Ergebnis her-
vorbringen muss. Schwierigkeiten bereiten meist die vielen verschiedenen Fälle. Dies
gilt es dann aufzunehmen und zu systematisieren und auf Grundtypen zurückzuführen.
Wird z. B. ein CRM-System eingesetzt, leiten sich aus einer Anfrage ggf. andere oder
durch das CRM-System vorgegebene Schritte ab, so etwa die Anlage eines Kundenstam-
mes bzw. die Anlage und Pflege einer Opportunity usw.
In der Praxis ist es in vielen Unternehmen häufig der Fall, dass Prozessdokumenta-
tionen – zum Teil aufgrund eines sehr ausgeprägten Dokumentationsstandards, der
wiederum vielfach aus einer Vielfalt an Anforderungen aus unterschiedlichsten Bericht-
erstattungspflichten und/oder auch aus geltenden Compliance-Vorgaben resultiert – in
einer sehr hohen Dokumentationstiefe und einem hohen Detailgrad vorliegen.
110 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Auch im Feld der Prozessdokumentation haben sich im Laufe der Jahre einheitliche
Standards gebildet, und es existieren auch hier eine Vielzahl von spezialisierten Soft-
wareherstellern im Markt, die in diesem Bereich verschiedenste Lösungen anbieten.
Diese ganzheitlichen Prozessmanagementtools erfordern häufig jedoch einen hohen Ver-
waltungs- und Administrationsaufwand – von der Neuanlage von Prozessen bis hin zum
operativen Managen der dahinterliegenden Datenbanken und Prozessbibliotheken. Die-
ser „laufende“ Aufwand darf, bei aller heutzutage möglichen Technologie und Automati-
sierung, nicht unterschätzt werden.
Einzelprozesse werden oftmals auf Basis sogenannter EPK-Darstellungen, (abge-
kürzt steht dies für „Ergebnisorientierte Prozessketten“ oder im Englischen EPC „Event-
driven Process Chains“) dokumentiert (vgl. Schiersmann und Thiel 2014, S. 334 ff.).
Diese dokumentieren einzelne Prozessketten, die jede maßgebliche Aktivität in einem
Prozessablauf chronologisch nach deren Eintreten abbilden. Diese Events können klassi-
scherweise Aktivitäten einer Abteilung zur Bearbeitung einer Aufgabe sein, die einfache
Weitergabe von Informationen oder die weitere Verarbeitung von erhaltenen Dokumen-
ten. Hier besteht eine sogenannte 1:1-Beziehung zwischen den Aktivitäten. Die Aktivi-
täten werden mit sogenannten Konnektoren verbunden. Hierbei unterscheidet man drei
Varianten „UND“, „ODER“ und „XOR“, letzteres steht für die Alternative „entweder/
oder“.
EPK-Darstellungen sind durch ihren einfachen Aufbau intuitiv leicht verständlich
und eignen sich zur Darstellung von komplexen fachlichen Prozessen für unterschied-
lichste Zielgruppen auch jene ohne spezifische IT-Fachkenntnisse (vgl. Schiersmann und
Thiel 2014, S. 335). Es ist üblich, dass in diesen Darstellungen auch die unterstützend
genutzten IT-Systeme, die Organisationseinheiten und die Informationsobjekte aufge-
nommen werden. Ziel ist es, den im operativen Betrieb durchgeführten Prozess zu dieser
spezifischen Aktivität möglichst vollständig und für Außenstehende, die nicht im Prozess
beteiligt sind, verständlich und eindeutig darzustellen. Abb. 3.32 visualisiert in einfacher
Form die beschriebene Darstellungsform und -logik.
Solche Darstellungen werden oftmals für die Arbeitsebene verwendet. Entlang der
Prozesshierarchie liegen dann solche Detailprozessbilder für jeden relevanten Teil-
prozess auf dem untersten Level vor. Innerhalb der einzelnen Dokumentationen ist der
Detailgrad – je nach Unternehmen – nahezu beliebig hoch, ab einer gewissen Tiefe leidet
jedoch zunehmend die Verständlichkeit. In der Praxis kommt es somit vielfach vor, dass
viele Prozesscharts für die operativ tätigen Mitarbeiter in Gänze kaum noch zu erfas-
sen sind. Dieser Tatbestand führt dann zum Teil dazu, dass viele Mitarbeiter hierdurch
„abgehängt“ werden und Prozesse oft in der operativen Geschäftspraxis anders gelebt
werden, als sie die Dokumentation beschreibt. Es gilt, bei der Dokumentation ein gewis-
ses Augenmaß zu finden, das den Grad der Komplexität nicht zu sehr steigen lässt und
auf der anderen Seite der illustrierte Prozess inhaltlich ausreichend beschrieben wird.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 111
Vom Kunden
gewünschte Anforderung
Vertrieb entspricht hinsichtlich der ja (Ampel = grün)
Beschreibung dem
Standard?
Lösung
vom Kunden Angepasster, weiterentwickelter
ja Freigabe
akzeptiert? Standard
nein
nein ja
eines komplexen Prozesskonstrukts kann in der Regel nicht durch einige kleine Verände-
rungen an nur wenigen Teilprozessen erfolgen. Komplexe „Prozesshäuser“ in Organisa-
tionen können hier eher schlecht mit einer Art Uhrwerk verglichen werden, in dem man
eine kleine Stellschraube richtet und dann das Gesamtkonstrukt optimiert weiterarbeitet.
Vielmehr gilt es, einzelne Teilprozesse schrittweise und sukzessive zu optimieren und
somit in Summe eine Verbesserung herbeizuführen. Hier ist es wesentlich, dass bei der
Optimierung die im Unternehmen tätigen qualifizierten Fachkräfte, die in den jeweiligen
Prozessbereichen arbeiten, einzubinden und ihr Know-how und ihren Erfahrungsschatz
aktiv zu nutzen. Wie wichtig es für Unternehmen ist, belastbare und effiziente Pro-
zesse zu etablieren, zeigt auch der nach wie vor anhaltende Trend der Verwendung der
KVP-Methodik in vielen Unternehmen. KVP steht für Kontinuierliches Verbesserungs-
Programm und beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz mit einer Vielzahl von Aktivitä-
ten und Maßnahmen, wie insbesondere fertigungsbezogene Prozesse in produzierenden
Unternehmen stetig überprüft, bewertet und optimiert werden können.
Auf Basis der Erfahrungswerte der Autoren ist subjektiv jedoch auch festzustellen,
dass die Bedeutung der Prozesssicht in Organisationsentwicklungsprojekten zum Teil
auch etwas überbewertet wird. Dies ist insbesondere auf das sequenzielle Vorgehen in
den Projekten bezogen. Zwar ist es richtig, dass ein Vorgehen, das sich zunächst damit
beschäftigt, wie die finalen „idealen“ Sollprozesse ausgestaltet sein sollten, einen durch-
aus validen Punkt darstellt und dieses Vorgehen die Umsetzung einer bestmöglichen und
effizienten Prozesslösung in den Mittelpunkt der Projektaktivitäten stellt – in der Pra-
xis ist dies jedoch nicht immer der Fall. Hier ist das Vorgehen nicht selten auch umge-
kehrt. Zunächst wird sich eher den organisatorischen Veränderungen (Transformation)
der Organisation gewidmet und definiert, welche Verantwortlichkeiten, Funktionen und
Organisationsteile sollen wo innerhalb der Gesamtorganisation künftig angesiedelt sein.
Die jeweiligen Prozesse werden dann zumeist im Nachgang aus der neuen Struktur her-
aus angepasst bzw. neu designed. Dies ist u. a. auch darin begründet, dass diese Art von
Organisationsentwicklungsprojekten in der Regel unter einem hohen Zeitdruck starten
und bearbeitet werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Art und Weise, wie Prozesse in Unternehmen
dokumentiert und gemanagt werden, sehr unterschiedlich ausfallen kann. Dies liegt u. a.
an der Art, der Größe des Unternehmens, dem Ausprägungsgrad der Verwendung von
IT-Systemen und den formalen Rahmenbedingungen, welche Art der Prüfungen und
Berichterstattungen seitens des Unternehmens vollzogen werden müssen. Sind diese
nicht sehr ausgeprägt, bestehen selbstverständlich Freiheitsgrade. Die Bewertung, wel-
cher Aufwand in das Management und die Dokumentation der Prozesse investiert wird,
sollte jedoch am Nutzen und den erzielten Ergebnissen gemessen werden. Vielfach ist
auch hier eine simple Abwägung zu treffen, in welcher Tiefe und Breite und mit wel-
chem Detailgrad die Prozesse aufgenommen werden sollen. Unbestritten ist, dass es für
effiziente Prozesse in einem Unternehmen klare und eindeutige Prozessbeschreibungen
als Basis für die operativen Prozesse geben muss, um die Abläufe und Tätigkeiten struk-
turiert darstellen zu können.
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 113
3.3.8 Soll-Systemunterstützung
1. Aufbauorganisation Systemlandschaft
Verkaufsbüro
Verkaufsgruppe Unterteilung der Verkaufsorganisationen
Untergeordnete
Organisation
hat. Vielfach herrscht aber auf Topmanagementebene die Meinung vor, die IT-Systeme
müssen dann halt im Nachgang passend gemacht werden. Es ist auch gar nicht einfach,
den Umfang der erforderlichen Anpassungen abzuschätzen und ein Preisschild dafür aus-
zustellen, ohne wiederum die Soll-Organisation genau zu kennen. Gerade wenn mehrere
Alternativen noch zur Diskussion stehen und in einem engen Entscheiderkreis diskutiert
werden, ist es mitunter schwierig oder gar nicht möglich, die entsprechenden Anfragen
3.3 Beschreibung der Soll-Organisation 115
an die IT-Abteilung zu stellen. Zumal diese Alternativen dann in dem Stadium noch als
vertraulich zu behandeln sind. Je nachdem, auf welcher Ebene die Organisationsverän-
derung angesiedelt ist, sind die Ebenen Technische Trennung, Logische Trennung und
Untergeordnete Organisation betroffen. Konkret bedeutet das, dass z. B. aus einer Verän-
derung der Konzernstruktur mit den dazugehörigen Gesellschaften IT-Anpassungen von
der Ebene Mandant, Buchungskreis, Werk herunter nach sich ziehen können, während
die reine Veränderung der Vertriebsorganisation sich ggf. nur auf die im System hinter-
legte Verkaufsorganisation auswirkt. Das Verkaufsbüro ist demnach die organisatorische
Einheit des Vertriebs, die für den Vertrieb innerhalb eines zugeordneten Gebietes zustän-
dig ist (vgl. Kappauf et al. 2012, S. 40). Sie ist genau einem Buchungskreis zugeordnet.
Einer Verkaufsorganisation können mehrere Verkaufsbüros zugeordnet sein. Es sind
gerade diese Grundstrukturen, die zu beachten sind, aber nicht im Wege stehen sollten,
wenn es darum geht, unternehmerisch sinnvolle Strukturen zu schaffen.
Jede geplante Veränderung der Aufbauorganisation sollte daher an diesen bestehenden
Strukturen und Stammdaten gespiegelt werden, und es sollte grob abgeschätzt werden,
wie hoch der Aufwand ist, die Systemlandschaft an die neue Struktur anzupassen oder an
welchen Stellen die neue Aufbauorganisation nicht vereinbar mit der bestehenden System
architektur wäre. Üblicherweise werden solche Aufwandschätzungen in Beratertagen für
die IT-Berater angegeben.
Für die Fälle 2 und 3, in welchen die Prozessebene bzw. die Systemebene explizit mit
einbezogen wird, ist es ohnehin unumgänglich, die gewünschten Veränderungen und den
Umsetzungsaufwand für das Anpassen der IT-Systeme oder auch nur einzelner Module
als ein Baustein des Umsetzungsaufwandes im Projektverlauf grob abzuschätzen. Das
ergibt sich automatisch, wenn Soll-Prozessalternativen diskutiert und entwickelt wer-
den. Hier muss zunächst identifiziert werden, welche Prozesse und Module im Untersu
chungsbereich genau betroffen sind. Dazu muss man sich anhand eines detaillierten
Bildes der Systemlandschaft einen Überblick verschaffen. In Abb. 3.35 (in Anlehnung
PP TM LES SD FI
CRM APO SRM
(ERP) (SCM) (ERP) (ERP) (ERP)
SAP ERP
MM SD PP LES
FI CO
(Materials (Sales & (Production (Logistics Exec.
(Finance) (Controlling)
Management) Distribution) Planning) System)
an Kappauf et al. 2012, S. 46) wird deutlich, in welche Einzelbausteine ein ERP-Sys-
tem, hier am Beispiel der SAP Business Suite, unterteilt werden. Dahinter liegen weitere
Detailstrukturen und Teil-Prozesse. Hier ist es meist erforderlich, IT-Spezialisten bei der
Analyse- und Soll-Konzeptphase hinzuzuziehen. Diese haben häufig eine modul- oder
bausteinbezogene Spezialisierung, Generalisten sind eher schwer zu finden.
In Bezug auf die IT-Prozessunterstützung der Soll-Prozesse ist in erster Linie zu
beachten, dass die jeweilige Systemunterstützung für die spezifischen Prozesse geeignet
sein muss. Hier ist insbesondere abzuwägen, welche IT-Tool-Unterstützung einen realen
Mehrwert für wertschöpfende Prozesse oder Arbeitsabläufe generiert, etwa dadurch, dass
Prozesse schneller oder effizienter dargestellt werden können. Dem entgegenzustellen
sind die Kosten, die für diese Systemlösung aufgewendet werden müssen. Neben den
reinen Anschaffungskosten sind insbesondere auch die, unter Umständen über Jahre hin-
weg resultierenden, Betriebs- und Wartungskosten heranzuziehen. Auch die Bindung von
internen Ressourcen sollte in die Betrachtung mit aufgenommen werden. Leider werden
solche Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu selten durchgeführt und müssen auch eher
auf das Gesamtsystem angewendet werden. Dazu muss auch gesagt werden, dass sich in
integrierten Systemen einzelne Abteilungen nicht einfach ausklinken können, ohne dass
das Gesamtsystem nicht mehr funktioniert. Leider besteht hier zwischen den IT-Spezia-
listen und den Anwendern nicht immer die gleiche Sicht.
3.3.9 Projektorganisation
zeichnen sich Projekte dadurch aus, dass sie einen Einmaligkeitscharakter haben. Für
Projekte ergeben sich neben der inhaltlichen Projektbearbeitung auch eine Reihe von
projektadministrativen Aufgaben, die auszuführen sind. Dazu zählen unter anderem: Pro-
gramm- und Projektplanung wie Meilensteine, Ressourcen, Gremien, Koordination der
Projektbearbeitung, z. B. über Meilenstein- oder Phasenpläne, Dokumentation der Pro-
jektergebnisse, Controlling der Ergebnisse, Termineinhaltung, Budget, Strukturieren,
Überwachung und Verfolgen von Arbeitspaketen, Zuweisen von Verantwortlichkeiten in
Projekten, Erstellung Berichte für Gremien, Planung, Einladungen, Durchführung und
Moderation von Workshops und Sitzungen und nicht zuletzt Konfliktmanagement.
Es lohnt, sich klar zu machen, welche Typen von Projekten in Organisationen unter-
schieden werden müssen und welche Schlussfolgerungen für die Organisationsgestaltung
daraus zu ziehen sind (vgl. auch Nagel 2014, S. 41 ff.). Zum einen sind dies Abteilungen
oder Unternehmen bei welchen die Leistungserbringung in Form von Projekten erfolgt,
typischerweise sind das z. B. F&E, die IT, Abteilungen oder Unternehmen im Bereich
Anlagenbau, Bauwirtschaft, Software etc. Als Entwickler oder Softwareingenieur sind
die Mitarbeiter ein oder mehreren Projekten zugeordnet. Sie wenden ihre gesamte Kapa-
zität für die ihnen zugeordneten Projekte auf. Die Projekte werden z. B. nach Kunden,
Modulen oder Technologien unterschieden und segmentiert. Die Anzahl und der Umfang
der Projekte gibt den erforderlichen Personal- und Ressourcenbedarf vor. Die Aufwände
werden in Stunden oder Tagen beziffert und auf die verfügbaren Kapazitäten verteilt.
Selbstverständlich besitzen solche Unternehmen auch Supportfunktionen wie Buchhal-
tung, Personal usw. Hier ist fraglich, inwieweit das zentrale Segmentierungskriterium für
die Leistungserbringung auf diese Funktionen durchschlägt. Die Art der Projekte schlägt
also hier auf die Primärorganisation durch und prägt deren Aufbau (Abb. 3.36).
Daneben stehen Projekte, die der Optimierung oder Weiterentwicklung von Struk-
turen und Prozessen dienen. Da sind z. B. Projekte zur Organisationsentwicklung, Ein-
führung von Tools und Systemen, aber auch kleinere Optimierungsprojekte zu z. B.
Reduktion Ausschuss, Rüstzeit, Materialverbrauch, Durchlaufzeiten, Lagerbestände etc.
oder auch solche Projekte, die der Verbesserung von Arbeitsbedingungen dienen wie
Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge etc. Die Mitglieder dieser Pro-
jekte sind entweder Mitarbeiter, die den dafür explizit geschaffenen Funktionen ange-
hören, wie z. B. Stabsabteilungen Konzernentwicklung, Organisationsentwicklung oder
Process Excellence, oder sie werden qua ihrer Fachkenntnisse aus ihrer angestammten
Linienfunktion in die Projekte eingebunden. Diese Projekte bestehen neben der exis-
tierenden Primärorganisation, vielmehr rekrutieren sie ihre Personalressourcen aus der
primären Linienorganisation. Mitarbeiter aus einbezogenen Fachfunktionen wenden nur
einen Teil ihrer Mitarbeiterkapazität auf solche Projekte auf. In einem Unternehmen sind
in der Regel mehrere verschiedene Projekte gleichzeitig in der Bearbeitung, nicht selten
klagen Mitarbeiter, dass sie kaum noch zu ihrem Tagesgeschäft kommen oder das neben-
bei erledigen müssen und sonst ganz in der Projektarbeit aufgehen. Da gilt das klassi-
sche Paradoxon: Was sind die besten Mitarbeiter für Projekte? Es werden die Mitarbeiter
benötigt, die keine Zeit haben.
118 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Projekttypen
Organisationsentwicklungen
Forschung & Entwicklung Optimierungen
Anlagenbau Verbesserungen
IT/Software Arbeitssicherheit
… Umweltschutz
…
Sender Die Verantwortung für die Kommunikation trägt in der Regel neben dem Top-
management der Auftraggeber, also in der Praxis oft die Geschäftsführung, bzw. die
Manager von einzelnen Bereichen oder Abteilungen, wenn sie als Projektleiter fun-
gieren. Hinzu kommen können die Personalabteilung, die Kommunikationsabteilung,
soweit vorhanden, ausgewählte Führungskräfte oder sogar eine externe Agentur. In Orga-
nisationsentwicklungsprojekten werden die Aktivitäten zur Kommunikation aus dem
Steuerungsgremium heraus bestimmt. Wenn Teile davon an die Personalabteilung, Kom-
munikationsabteilung oder Agentur ausgelagert werden, sind trotzdem entsprechende
Vorgaben zu den Inhalten durch die Projektverantwortlichen erforderlich. Sie legen die
Argumente und den Duktus der Kommunikation fest, an welchen sich die nachfolgende
Kommunikation orientieren.
Inhalte Die Inhalte der Kommunikation sollten zunächst auf die Motivation und die
Ausgangslage abstellen, also auf die Frage, weshalb eine Veränderung angestrebt wird.
Hierbei empfiehlt es sich, externe sowie interne Umstände und Entwicklungen, die die
Veränderung erfordern, aufzuzeigen. Diese „Reasons to act“ lassen sich in externe und
interne Gründe segmentieren. Externe Faktoren sind in vielen Fällen beispielsweise
sich verändernde Marktbedingungen oder stetig steigender, globaler Wettbewerb. Auch
Markteintritte von neuen Playern oder Wettbewerbern, die zuvor noch nicht in diesem
Geschäftsfeld agiert haben, können externe Faktoren sein. Interne Faktoren hingegen
sind klassischerweise existierende Ineffizienzen in wertschöpfenden Prozessabläufen,
ein veralteter Maschinenpark in der Produktion, zu hohe Produktionskosten oder eine
komplexe, nicht an den Marktbedürfnissen ausgerichtete Aufbauorganisation. Eine in
der Organisation unklare Verteilung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen kann
auch ein möglicher interner Faktor sein. Die Gründe, warum eine Transformation oder
Veränderung angestrebt wird, sind häufig ambivalent und bedingen sich gegenseitig. Die
Erfahrung zeigt jedoch, dass die Darstellung der initialen Argumente für eine Verände-
rung in der Regel positiv aufgenommen wird. Für die Stakeholder und die Mitarbeiter
wird so eher klar, warum eine Veränderung notwendig ist, und wieso die Geschäftsfüh-
rung nun durch konkrete Projektaktivitäten gegensteuern muss.
Der zweite inhaltliche Teil der Kommunikation sollte die Zielsetzung und das zukünf-
tige Zielszenario enthalten. Dieser Part beschreibt, wie die Organisation nach dem
Projekt gestaltet sein soll und welche einzelnen Bereiche von den organisatorischen
Änderungen betroffen sind. Hier werden die konkreten Veränderungen gegenüber dem
existierenden Zustand näher beschrieben. Darüber hinaus sollte die Kommunikation den
Zeitpunkt der Veränderung und den Weg, wie diese Veränderung schrittweise umgesetzt
120 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
werden soll, bereits beinhalten. Hier eignet sich in der Praxis zunächst eine aggregierte
Grobplanung mit wesentlichen Meilensteinen über den definierten Zeitverlauf. Abschlie-
ßend sollen die angestrebten Wirkungen ermittelt und dargestellt werden – etwa welche
Potenziale erschlossen werden sollen oder welche Verbesserungen angestrebt werden.
Neben den inhaltlichen Aspekten der Veränderung sollten zudem interne Ansprechpart-
ner genannt werden, an die sich die Mitarbeiter bei Fragen wenden können. In der Praxis
sind dies die Führungskräfte der Bereiche oder die Projektleiter, die das Projekt operativ
managen.
Empfänger Der adressierte Empfängerkreis bemisst sich an der Art und dem Umfang
der geplanten Veränderung. Angefangen von den Anteilseignern, den übrigen Mitglie-
dern der Geschäftsleitung, den Gremien wie Aufsichtsrat und Beirat oder Betriebs-
rat kann dies u. U. zunächst ein reiner Führungskräftekreis sein oder lediglich einzelne
Angestellte des Topmanagements. Je nach Fortschritt des Projekts werden die weiteren
Ebenen wie Abteilungsleiter, Teamleiter und die einzelnen Mitarbeiter informiert. Am
Adressat bemisst sich auch maßgeblich die Form der Kommunikation, also welches
Kommunikationsmittel hierfür verwendet wird. Dabei werden die jeweiligen Adressaten
entlang eines Projektverlaufs z. T. mehrfach informiert. Form und Inhalt variieren dabei.
In der Praxis ist es daher üblich eine Kommunikationskaskade aufzubauen, die eine
Chronologie definiert, welche Informationen welcher Adressatenkreis zu welchem Zeit-
punkt und in welcher Form erhält. Gremien wie Aufsichtsrat und Betriebsrat sind in der
Regel frühzeitig zu informieren. Dieses gestaffelte Vorgehen trägt vielfach dazu bei, den
operativen Betrieb der Linienorganisation so wenig wie möglich zu stören. Ziel ist, das
Tagesgeschäft bestmöglich am Laufen zu halten. In Fällen von gravierenden Umstruktu-
rierungen schüren Veränderungen in einer Organisation bei vielen Mitarbeitern zu einem
gewissen Teil eher Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Position und was die ange-
strebte Veränderung für den/die einzelnen Arbeitnehmer/in zur Folge hat. Aus diesem
Grund ist es essenziell, dass die Belegschaft kontinuierlich über die geplanten Verände-
rungsvorhaben und folgenden Maßnahmen ausreichend informiert wird. Insbesondere
in Unternehmen, die über starke Mitbestimmungsorgane verfügen, ist die zeitliche
Chronologie einer Kommunikationskaskade mehr oder weniger starren Abläufen unter-
worfen. Einschränkend ist hier festzuhalten, dass dies selbstverständlich nur für Orga-
nisationsentwicklungsprogramme gilt, die eine bestimmte Zielsetzung haben, über die
die Geschäftsführung die Mitbestimmungsorgane vorab informieren muss. Beispiele sind
hier geplanter Stellenabbau, eine Verlagerung von Arbeitsplätzen oder eine vollständige
Stilllegung von Betriebsstätten.
Instrumente und Rhythmus Erfahrungsgemäß richten sich auch die Frequenz und das
Format der Kommunikation stark am Projekttyp, den Projektphasen und der Projekt-
zielsetzung aus. Ideal erscheint es, zu den jeweiligen Projektmeilensteinen zu kommu-
nizieren, also nach der Analysephase, nach der Konzeptphase, den Umsetzungsplan, in
regelmäßigen Abständen während der Umsetzung. Kaum gerecht werden kann man in
3.4 Kommunikation von Organisationsveränderungen 121
der Regel der unterschiedlichen Geschwindigkeit, mit der einzelne Mitarbeiter Verände-
rungen verarbeiten. Während die einen Veränderungen schon lange einfordern und sich
freuen, dass endlich etwas passiert, bilden sich bei anderen Ängste und Unsicherheiten
aus. Hier helfen nur 1:1-Gespräche, um zu erklären und Ängste abzubauen. Typische
Instrumente sind etwa Präsentationen, Workshops, Town-Hall-Meetings, Einzelgesprä-
che, Meldungen im Intranet oder Pressemeldungen. Letztere sind etwa bei Fusionen oder
Übernahmen üblich, zumal diese vorher praktisch nur einem engen Kreis bekannt sind.
In einem Organisationsentwicklungsprojekt, in dem es beispielsweise darum geht,
einzelne Funktionen inklusive ihrer Aufgabenprofile im Unternehmen zu verändern und
die bisherige Organisationsstruktur nur leicht zu transformieren, also ohne existierende
Funktionen abzubauen, könnte eine einfache Kommunikationskaskade wie folgt ausse-
hen: Zunächst könnte eine Kommunikation über ein sogenanntes Town-Hall-Meeting
abgehalten werden, die Belegschaft würde im Gesamten oder in mehreren einzelnen
Terminen (mit einer jeweils größeren Anzahl an Teilnehmern) über die geplanten Pro-
jektaktivitäten und -zielsetzungen informiert werden. Im zweiten Schritt würden dann
die Abteilungen, die durch die Veränderung direkt betroffen sind, in Einzelterminen
mit allen jeweiligen Abteilungsmitarbeitern detaillierter über die Veränderung und das
geplante Vorgehen in der Umsetzung unterrichtet werden. Dies ermöglicht den Mitar-
beitern, Fragen und Anliegen zu formulieren, die in einem größeren Rahmen weniger
detailliert beantwortet werden könnten. Denkbar wäre auch, nach der Durchführung
des Town-Hall-Meetings eine Mitteilung im firmeninternen Informationsnetzwerk zu
veröffentlichen. Diese Meldung sollte dann die Ausgangslage, die Motivation, die Ziel-
setzung, den Ablauf sowie die nächsten Schritte des Projekts noch einmal zusammenfas-
send darstellen.
Die beschriebenen Dimensionen, die bei der Kommunikation von Veränderungsvorha-
ben/Organisationsentwicklungsprojekten zu beachten sind, werden in Abb. 3.37 zusam-
menfassend dargestellt.
In der Praxis wird der begleitenden Kommunikation von Organisationsentwicklungs-
projekten vielfach zu wenig Bedeutung beigemessen. Erfahrungsgemäß ist es jedoch
essenziell, die Mitarbeiter ausreichend und kontinuierlich über den Fortschritt der Pro-
jektaktivitäten zu informieren, um frühzeitig das Commitment der betroffenen Angestell-
ten zu erlangen. Ohne dieses Engagement lassen sich nachhaltige Veränderungen nur
sehr schwer erfolgreich implementieren. Eine offene Kommunikation und der Dialog mit
den involvierten Personen können erfahrungsgemäß erheblich zum Erfolg eines Projekts
beitragen. Welcher Personenkreis, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt erhält,
ist – wie bereits erwähnt – eher eine strategisch-taktische Entscheidung, die im Gesamt-
kontext des Projekts getroffen werden muss. Dies ist, wie beschrieben, unter anderem
stark von den definierten Zielen, aber auch von den zur erfolgreichen Umsetzung benö-
tigten (kritischen) Ressourcen abhängig.
Handelt es sich bei Organisationsentwicklungsprojekten um größere konzernübergrei-
fende Projektinitiativen, beispielsweise bei börsennotierten Unternehmen, existiert neben
der rein internen Kommunikation auch eine Informationspflicht gegenüber Externen,
122 3 Entwicklung und Beschreibung Soll-Organisation
Sender – Empfänger –
Wer? An wen?
Top-Management Anteilseigner/Investoren
Auftraggeber Projekt/ Geschäftsleitung
Projektleiter Information Aufsichtsrat
Personalabteilung Betriebsrat
Kommunikationsabteilung Bereichsleiter
Führungskräfte Abteilungsleiter
Agentur Teamleiter
Mitarbeiter
Inhalte – Instrumente –
Was? Wie?
Motivation Town-Hall-Meeting
Zielsetzung Einzeltermine in den
Veränderungen Transparenz Abteilungen
Zeitpunkt der Veränderungen Artikel im firmeninternen
Ansprechpartner Intranet
Ggf. Pressemeldung
also Investoren, Anteilseignern etc. Diese ist maßgeblich an die gesetzlich geregelten
Berichtspflichten von Aktiengesellschaften gebunden und wird daher in diesem Rahmen
nicht näher erläutert.
Literatur
Schiersmann C, Thiel H-U (2014) Organisationsentwicklung – Prinzipien und Strategien von Ver-
änderungsprozessen. Springer, Wiesbaden
Schreyögg G (2008) Organisation – Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Gabler, Berlin
Siebenbrock H (2016) Grundlagen der Organisationsgestaltung und -entwicklung. Niederle Media,
Altenberge
Simon H, Gathen A von der (2002) Das große Handbuch der Strategieinstrumente – Werkzeuge für
eine erfolgreiche Unternehmensführung. Campus, Frankfurt
Messkonzept zur Wirkung von
Organisationsveränderungen 4
Das vierte Kapitel beinhaltet Themen zur Etablierung geeigneter Konzepte zur Messung
der Wirksamkeit und der Erfolgskontrolle von Organisationsentwicklungsprojekten. Was
nicht gemessen wird, wird nicht verändert. Gerade bei Organisationsentwicklungen kön-
nen ganz unterschiedliche Zielsetzungen im Vordergrund stehen. Typisch sind die Sen-
kung der Kosten, Erhöhung der Effizienz und Effektivität, Erschließung von Synergien
oder die Realisierung von Umsatzsteigerungen. Allen gemein ist, dass sie letztlich der
Umsetzung der Unternehmensstrategie folgen. Um das Thema besser fassen zu können,
werden verschiedene Arten von Zieldimensionen als Grundlage der Erfolgsmessung vor-
gestellt, die Entwicklung von geeigneten Messkonzepten zur Wirkung der Veränderun-
gen dargestellt sowie mögliche Umsetzungskontrollen veranschaulicht.
v eränderte Steuerung der Investitionen auf Produktsegmente oder Märkte. Die Höhe der
getätigten Investitionen insgesamt würde sich demnach nicht ändern. Klassische Kos-
tenziele sind in der Regel integraler Bestandteil firmeneigener Cost-Cutting-Initiativen,
bei denen das Management darauf abzielt, das Unternehmen durch eine Optimierung der
Kostensituation wettbewerbsfähiger aufzustellen.
Neben diesen Kostenzielen sind in diesen Programmen vielfach auch Leistungs-
ziele definiert. Diese verfolgen das Ziel, eine Steigerung der Produktivität zu erwirken
(engl. Performance Enhancement). Beispiele hierfür sind die Steigerung der operativen
Produktivität in den Produktionswerken, die Reduktion von Durchlaufzeiten oder die
Reduktion von Doppelarbeiten in den organisatorischen Unternehmensabläufen. Auch
Ziele wie die Erhöhung der Produktqualität oder die Reduktion von Kundenreklamatio-
nen können als Leistungsziele kategorisiert werden. Eine Maximierung der fehlerfreien
Ausbringungsmenge „First Pass Yield“ (siehe Gliederungspunkt Abschn. 4.1. Zieldi-
mensionen als Grundlage der Erfolgsmessung) könnte ein weiteres Beispiel für ein Leis-
tungsziel sein.
Neben Kosten- und Leistungszielen können Gestaltungsziele definiert werden. Diese
zielen weniger auf eine reine Kostenreduktion ab, sondern auf die Optimierung des orga-
nisatorischen Set-ups und der internen Abläufe. Praxisbeispiele können eine Änderung
in der bestehenden Fokussierung der Ressourcen auf die existierenden Geschäftsfel-
der und Märkte, eine Bündelung oder Flexibilisierung der für die Aufgaben benötigten
Ressourcen, die Reduktion von Schnittstellen in Kernprozessen oder eine eindeutigere
Zuordnung und klarere Aufteilung der Verantwortlichkeiten sein. Ein übergeordnetes
Gestaltungsziel könnte die Fragestellung sein, inwieweit die angestrebte Veränderung in
der Organisation mit der verabschiedeten Strategie des Unternehmens konform ist.
Die unterschiedlichen Zieldimensionen stellen die Grundlage jeder Erfolgsmessung.
Um eine umfassende Erfolgsmessung durchführen zu können, müssen demnach die Ziel-
dimensionen eindeutig definiert sein.
Abb. 4.1 fasst eine Auswahl an möglichen Arten der Zieldimensionen und einige Bei-
spiele exemplarisch zusammen. Diese stellen lediglich eine Auswahl aus in der Praxis
häufig verwendeten Zielgrößen dar. Selbstverständlich können diese – je nach spezi-
fischer Fragestellung – stark variieren. Wie in Abb. 4.2 dargestellt, können die Zieldi-
mensionen auch auf Ebene von einzelnen Unternehmenseinheiten oder Abteilungen
heruntergebrochen werden. Die Zielgrößen sind dann abteilungsspezifische Messgrößen,
anhand derer die jeweilige Fachfunktion gemessen werden kann.
So kann der Vertrieb beispielsweise an der erzielten Hit Rate (engl. Bezeichnung für
die gewonnenen Aufträge) gemessen werden oder an der Steigerung der Anzahl von
gemachten Angeboten. In der Auftragsabwicklung sind das z. B. die Termintreue oder
die DLZ in der Auftragsbearbeitung. Im Entwicklungsbereich sind klassische Messgrö-
ßen die Anzahl der Projekte, die in der dafür vorgeschriebenen Zeit und dem dafür vor-
gesehenen Budget anforderungsgerecht fertiggestellt wurden. Messgrößen im Rahmen
der Beschaffung können die mit den Lieferanten neu verhandelten/ausgeschriebenen
4.1 Zieldimensionen als Grundlage der Erfolgsmessung 127
Zieldimensionen
Senkung Personalkosten
Senkung Materialkosten
Kostenziele Senkung Abschreibungen
Senkung sonstige betriebliche Aufwendungen
Steuerung Investitionen
Termintreue, Mengentreue
Auftragsabwicklung Reduktion DLZ Auftragsklärung/Auftragsbearbeitung
Reduktion Reklamationsquote
…
Um die Wirksamkeit von definierten Maßnahmen zur Zielerreichung verfolgen und die
einzelnen Maßnahmen systematisch steuern zu können, ist es notwendig, ein detaillier-
tes Reporting (Controlling) aufzusetzen (vgl. Schiersmann und Thiel 2014, S. 217 f.).
Dieses Reporting sollte für jede Zielgröße (Kennzahl) einzeln erstellt und durchgeführt
werden. Inhalt sind die bisher erzielten Ist-Werte der Zielgröße (hier im Beispiel die
4.3 Verfolgung der Wirksamkeit – Umsetzungskontrolle 129
Bewertung Zielerreichung
M2 Frau yz 30.08.2017 3
1. Ausschreibung Fuhrpark
2. Outsourcing Reinigung M3 Herr vy 31.12.2017 2
Sonstige betriebliche
Aufwendungen 3. Anpassung Travel Policy M4 … … …
4. …
M5 … … …
Es hat sich bewährt, dass genau eine namentlich genannte Person für die Maßnahme
verantwortlich ist, um die Verantwortung klar und eindeutig zu adressieren. Mit diesen
Umsetzungsverantwortlichen wird in regelmäßigen Abständen der Fortschritt bespro-
chen. Die Ergebnisse daraus fließen in das Reporting ein. Ziel dieses Umsetzungsre-
portings ist es, zu jedem Zeitpunkt der Maßnahmenbearbeitung den aktuellen Status aller
Einzelmaßnahmen mit geringem administrativem Aufwand aufzeigen und vorantreiben
zu können. Die Umsetzungsverantwortlichen sind durch das Steuerungsgremium zu
bestätigen und stellen idealerweise auch ihre Ergebnisse dort selbst vor.
Abb. 4.4 bildet eine mögliche Umsetzungskontrolle auf Basis einer Excel-Arbeitstabelle
ab, mit der das Tracking der Einzelmaßnahmen erfolgen kann. Ausgehend von den Poten-
zialfeldern, die den klassischen Kostenarten Personal, Material, sonstige betriebliche
Aufwendungen und Abschreibungen entsprechen, werden je Potenzialfeld die Ansätze
und Konzepte dokumentiert. Zu jedem Ansatz bzw. Konzept wird ein separater Potenzi-
alnachweis erstellt. Dieser beinhaltet die Potenzialberechnung, ggf. Wirtschaftlichkeits-
betrachtung sowie die zur Umsetzung erforderlichen Einzelmaßnahmen. Diese wiederum
werden nach Status verfolgt. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass mit der vollständigen
Umsetzung der Maßnahmen auch das Potenzial vollständig erschlossen wird. Im Rahmen
der Umsetzungskontrolle wird daher sowohl die Umsetzung der Maßnahmen wie auch die
ergebniswirksame Realisierung der Potenziale gemessen.
Neben der operativen Umsetzungskontrolle innerhalb der Implementierung eines
Organisationsentwicklungsprojekts, das durch die Projektleiter oder die Teammitglie-
der laufend aktualisiert und ergänzt wird, existieren selbstverständlich noch weitere
Berichte, die eher einer formalen Berichterstattung gegenüber dem Auftraggeber oder
dem Steuerungsgremium des Projekts dienen sollen (z. B. Geschäftsführung, Pro-
jektsponsor etc.).
Abb. 4.5 zeigt einen beispielhaften Projektreport der über die wesentlichsten Infor-
mationen zum Status des Projekts Auskunft gibt. Er stellt den Status der maßgeblichen
Projektmeilensteine dar, gibt einen Überblick über die Effekte, die eine Abweichung der
angestrebten Termintreue zur Folge haben könnten und informiert darüber, ob das Pro-
jekt insgesamt noch im zeitlichen Rahmen fertiggestellt werden wird. Zudem liefert er
die Aussage, ob die für die Aktivitäten bereitgestellten Ressourcen ausreichend sind und
ob die Kostenziele erreicht wurden. Das Schema kann auf die meisten Projekte angewen-
det werden, auch für Entwicklungsprojekte. Wesentlich bei diesem Format ist, dass nicht
nur Kennzahlen berichtet werden, sondern auch Raum für qualitative Aussagen besteht.
Sicher ist hier eine gewisse Prägnanz in den Formulierungen gefragt, aber der Report
bietet Raum, um Ursachen für Abweichungen vom Ziel zu erläutern. Die Maßnahmen,
die dahinterstehen, werden nicht dargestellt, und müssen separat verfolgt werden.
Eine alternative Form eines Statusberichts ist in Abb. 4.6 dargestellt. Neben den stan-
dardisierten Informationen eines Projekts wie Projektstart, Projektende und Zeitraum
der Berichtsperiode liegt darüber hinaus auch hier der Fokus auf der Zuweisung von
132
xx xx
Meilenstein 2: Time: xx
xx xx
xx
4
xx
Meilenstein 3: Resources: A B C D
Materialkosten
xx xxx: Fertigungskosten
SEK-Vertrieb
SEK-Herstellung
Materialgemeinkosten (MGK)
xxx:
Gesamt 0 Tage 1-5 6- 10 11 - 15 > 15 Fertigungsgemeinkosten
bzw. Fremdleistungen
= Anzahl Tage
Time Budget
Comment
Gesamtprojekt In Time Keine Änderung in Berichtsperiode
Teilprojekte bisher im geplanten Zeitplan
Teilprojekte
koordiniert und gesteuert werden und einzelne Projekte oder Teilprojekte eine hohe
gegenseitige Abhängigkeit untereinander aufweisen. Solche zusätzlichen Regeln werden
jedoch vorab mit den Steuerungsgremien abgestimmt und bei Projektstart durch das Pro-
grammmanagement an alle Projektbeteiligten/-verantwortlichen kommuniziert.
Neben den klassischen Projektreports an die Auftraggeber, die im Laufe der Projekt-
bearbeitung rollierend abgegeben werden, erweist es sich als sinnvoll, nach dem fina-
len Projektabschluss eine Art Umsetzungskontrollbericht zu erstellen, der in Kurzform
die erreichten Ziele darstellt. Dies kann im Rahmen eines Management-Summary erfol-
gen, das für das Steuerungsgremium erstellt wird. Ziel ist, die erzielten Ergebnisse in
prägnanter Form darzustellen. Ergebnisse von Projektaktivitäten, die bisher noch nicht
vollständig umgesetzt werden konnten, können hier ebenfalls genannt werden. Ent-
scheidend sollte bei diesen (noch offenen) Punkten jedoch sein, dass hier ein konkretes
Datum genannt werden kann, zu dem die Bearbeitung vollständig erfolgt sein wird sowie
ein(e) für die Bearbeitung verantwortlicher Mitarbeiter/Führungskraft aus der Linienor-
ganisation. Dieses Management-Summary steht neben der – in diesem Rahmen bereits
erwähnten – Enddokumentation eines Projekts, die selbstverständlich einen wesentlich
detaillierteren Dokumentationsgrad in der chronologischen Erarbeitung der Ergebnisse
in den einzelnen Projektphasen und unter Umständen nach Teilprojekten aufweist.
Abb. 4.7 zeigt ein Beispiel, wie eine komprimierte Visualisierung von erzielten Pro-
jektergebnissen auf C-Level aussehen könnte. Ausgangssituation sowie Zielerreichung
(Ist-Zustand zum Berichtszeitpunkt) sind in kurzer Form zusammenfassend dargestellt.
Beispiele Wirksamkeitskontrolle
40%
-32% -50% -100% -80%
62%
60%
target
38%
20%
Durch die Visualisierung der erzielten Veränderung in Prozentzahlen kann die Verände-
rung durch den Adressatenkreis schnell erfasst werden.
Literatur
Schiersmann C, Thiel H-U (2014) Organisationsentwicklung – Prinzipien und Strategien von Ver-
änderungsprozessen. Springer, Wiesbaden
Ausblick
5
Das fünfte Kapitel soll einen Ausblick darüber geben, welche Bedarfe das Thema Orga-
nisationsentwicklung insbesondere vor dem Hintergrund umfassender Veränderungs-
trends wie beispielsweise der fortschreitenden Digitalisierung der Industrie zukünftig
haben wird, welche weiterführende Forschung im Themenfeld Organisationsentwicklung
von Interesse sein könnte und welche empirischen Studien im Themenfeld wünschens-
wert sein könnten. Zudem wird in diesem Kapitel thematisiert, was das vorliegende
Buch nicht leisten konnte sowie in welchen Bereichen und zu welchen spezifischen The-
mengebieten die Inhalte des Buchs zukünftig noch erweitert werden könnten.
Zustands einer Organisation in Zukunft kürzer ist, als dies noch im letzten Jahrzehnt der
Fall gewesen ist. Unternehmen und Organisationen aus den vielbeschriebenen Emerging
Markets dringen heute in Märkte und Geschäftsfelder ein, in denen sie vorher aufgrund
eines Mangels an Know-how und technologischem Wissen nicht teilnehmen konnten.
Diese veränderten Rahmenbedingungen sorgen in vielen Märkten und Branchen für eine
kontinuierlich steigende Wettbewerbsintensität und den Umstand, dass sich Organisati-
onen heute stärker denn je damit auseinandersetzen müssen, mit welchem Organisa-
tions-Set-up sie zukünftig möglichst wettbewerbsfähig agieren können. Die Eigenschaft,
inwiefern Unternehmen imstande sind, ihre existierenden – und teils über Jahre gewach-
senen – Organisationsstrukturen laufend zu verändern und an neuen Marktsituationen
neu auszurichten, wird maßgeblich darüber entscheiden, ob sie in ihrem Geschäftsum-
feld weiterhin dauerhaft wettbewerbsfähig teilnehmen können. Gleiches gilt für die ein-
gesetzten Ressourcen, die heute flexibler und agiler eingesetzt werden müssen als noch
in vorherigen Jahrzehnten. Moderne und zukünftige Organisationsmodelle müssen darauf
ausgelegt sein, unterschiedliche Veränderungen in verschiedenen globalen Märkten
simultan bewältigen zu können. Sie müssen schneller, agiler und flexibler auf Verände-
rungen reagieren können und – wenn notwendig – auch tief greifende Veränderungen in
ihrer Organisationsstruktur vornehmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zuvor
branchenfremde Unternehmen in neue traditionelle und gewachsene Märkte eindringen
und diese in ihren Grundfesten erschüttern, weil sie einen völlig neuen Ansatz haben,
diese Geschäftsmodelle und Märkte zu bedienen. Dieser disruptive Ansatz zwingt klassi-
sche Unternehmen, ihre bisherigen Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen stetig
zu überprüfen und Anpassungen sowie Veränderungen u. U. in kurzer Zeit vorzunehmen,
um ihre Markstellung zu wahren. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der klassische Handel
mit physischen Ladenflächen zur Darbietung der Produkte, der durch den stetig steigen-
den Onlinehandel (eCommerce) massiv an Umsätzen eingebüßt hat. Klassische Händ-
ler mussten diesen zweiten Vertriebs- und Logistikweg inklusive aller unterschiedlichen
Prozessabläufe erst mühsam erlernen und dann möglichst schnell als alternative Prozess-
variante implementieren. Reine Onlinehändler, wie beispielsweise Amazon, haben diese
Prozesse bereits seit dem Beginn ihres ersten Geschäftsmodells – dem reinen Buchver-
sand (vgl. Zhu und Furr 2017, S. 32) – implementiert, fortlaufend weiterentwickelt und
durch eine sukzessive Ausweitung ihres Produktsortiments auf nahezu alle beliebigen
Produkte und Artikel transferiert.
Neben den organisatorischen Veränderungen, also der Transformation der strukturellen
Elemente einer Organisation, die Unternehmen in diesem Zusammenhang vornehmen,
sind noch weitere Elemente zu berücksichtigen, denen zukünftig bei Organisationsent-
wicklungen eine essenzielle Bedeutung zugeschrieben werden kann. Hier ist insbeson-
dere die Ressource Personal zu nennen. Die Arbeitswelt ist im Wandel begriffen. Es
findet immer mehr eine Abkehr von dem klassischen „Nine-to-Five“-Arbeitszeitmodell
statt, Mitarbeiter wollen eine andere Art von Work-Life-Balance, als das noch vor zehn
Jahren der Fall war. In den Vordergrund rückt, eine Leistung oder ein Arbeitsergebnis zu
erzielen. Wann und wie dies erfolgt, ist eher sekundär. In diesem Zuge verändern sich
5 Ausblick 139
auch Arbeitsumgebungen, die Erbringung der Arbeitsleitung ist nicht an die Anwesen-
heit an einen fixen Ort gekoppelt. In den Vordergrund rückt auch die Erbringung von
Arbeitsleitungen in einem Projektteam anstatt die festen Abteilungsstrukturen. Dies spie-
gelt sich auch in den Aufgabenkatalogen und -analysen wider. Es erfolgt eine Abkehr von
Routinen, weil diese zunehmend automatisiert und digitalisiert werden. Beides muss in
der modernen Organisationsgestaltung berücksichtigt werden. Mitarbeiter stellen ihr
Know-how Unternehmen auf Zeit zur Verfügung. Auch die Ausbildung an Hochschulen
und Universitäten trägt diesen Trends immer mehr Rechnung. Auch die Qualifikation
und kontinuierliche Weiterentwicklung der digitalen Fähigkeiten der Mitarbeiter in den
Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Unternehmen benötigen daher auf der einen Seite
klare Strukturen in der Aufbauorganisation, um Verantwortlichkeiten und Aufgaben klar
zuzuweisen, gleichzeitig aber die Fähigkeit, Ressourcen anforderungsspezifisch zu einem
Team zusammenzuführen.
Unternehmen werden diese weltweiten Trends und Transformationen in den Märkten
aktiv als Chance nutzen. Insbesondere Unternehmen, die sich durch gezielte organisato-
rische Maßnahmen ihre Aufbaustruktur optimieren und in ausreichendem Maße Flexibi-
lität darstellen können, werden in der Lage sein, an den veränderten Geschäftsmodellen
sowie in den sich verändernden Märkten zu partizipieren und diese auch nutzen, um
selbst in neue Geschäftsfelder und/oder neue Märkte zu expandieren.
Weitere Themen Im Hinblick auf mögliche weitere Fassungen dieser Publikation könnte
der gewählte inhaltliche Schwerpunkt dieser Publikation noch weiter ausgebaut wer-
den. Wesentlich wäre eine ausreichende Relevanz für die Zielgruppe, also Praktiker, die
operativ mit oder in Organisationsentwicklungsprojekten zu tun haben. Das hier vorlie-
gende Buch richtet sich primär an Praktiker, die im Rahmen von Organisationsentwick-
lungsprojekten schnell einen Einstieg in das Thema Organisationsentwicklung suchen.
Insbesondere die Vorstellung der ausgewählten Tools und Instrumente zur Analyse der
Organisation sollen einen schnellen und pragmatischen Weg darstellen und Werkzeuge
an die Hand geben, mit denen das existierende Organisations-Set-up zielführend analy-
siert werden kann. Es wird auf eine wissenschaftliche Herleitung oder Einordnung in der
Organisationstheorie verzichtet, ebenso auf die Definition von Begriffen. In den meisten
Fällen werden diese als bekannt oder gegeben vorausgesetzt. Das Themenfeld Prozessent-
wicklung ist sehr knapp gehalten, hier sei auf die spezifische Literatur zu dem Thema
verwiesen. Wird das Thema Prozessentwicklung und -optimierung in die Organisati-
onsentwicklung konsequenterweise mit eingeschlossen, gibt es hier noch Raum für eine
erweiterte Darstellung.
Das Thema Organisationsentwicklung beinhaltet vor allem noch das Thema Change
Management, was in vielen Veröffentlichungen umfangreich dargestellt wird. Auch
das könnte ausführlicher behandelt werden. Das vorliegende Buch versucht auch nicht
dem Organisationsdesign eine wie auch immer geartete Entwicklungsrichtung zu geben
oder Empfehlungen abzuleiten, weil es diese nach Auffassung der Autoren gar nicht
geben kann, dafür sind die Motivationen und Ausrichtungen von Organisationen viel
140 5 Ausblick
weiteren Kriterien wie Größe, Branche, Internationalität, oder der Art der produzierten
Leistung, beispielsweise produzierendes Gewerbe vs. Dienstleitung etc. weiter zu clus-
tern. Die Analyseergebnisse dieser Inhalte stellen dann rein auf die empirische Unter-
suchung der Datengrundlage ab, und nicht wie viele Cases in der Literatur eher auf die
Einzelbetrachtung von selektiven Best Practices. Sie stellen die Grundlage für weiter-
führende Analysen zum Thema, und die Ergebnisse lassen verlässliche Rückschlüsse zu.
Abschließend könnte anhand der Untersuchungsergebnisse auch eine Art Status quo zum
Thema Organisationsentwicklung ermittelt werden, der eine Indikation darüber zulas-
sen würde, welchen Stellenwert und welche Wichtigkeit Unternehmen organisatorischen
Veränderungen geben und wie hoch ihre Bedeutung beispielsweise zukünftig einge-
schätzt wird. Solche Ergebnisse würden beispielsweise bei der Formulierung von Orga-
nisationsalternativen einfließen können und hätten daher eine hohe praktische Relevanz
bei der konkreten Organisationsgestaltung.
Literatur
Linz C, Müller-Stewens G, Zimmermann A (2017) Fit für die Zukunft. In: Harvard Business
Manager 7-2017. manager magazin Verlagsgesellschaft mbH, S 46–55
Werther S, Jacobs C (2014) Theoretische Grundlagen. In: Brodbeck FC, Kircher E, Moschee R
(Hrsg) Organisationsentwicklung – Freude am Change. Die Wirtschaftspsychologie. Springer,
Berlin, S 41–74
Zhu F, Furr N (2017) Angriff von Amazon. In: Harvard Business manager 3-2017. Harvard Busi-
ness School Publishing Corporation, S 32–35