Hirschfeld, Ursula / Reinke, Kerstin: Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Unter Berücksichtigung des
Verhältnisses von Orthografie und Phonetik. Erich Schmidt Verlag, 2. Aufl. 2018 (978-3-503-17756-1)
Schwerpunkt 4: Wortgruppenakzent und Satzakzent (für
Lehrer/-innen)
Einführung
In syntaktischen bzw. inhaltlich zusammengehörenden Wortgruppen (Wörter, die ohne Pause
dazwischen ausgesprochen werden) oder Sätzen wird meistens nur ein Wort besonders her-
vorgehoben (vgl. Kap. 4.2). Hierfür lassen sich jedoch keine allgemein gültigen Regeln auf-
stellen. Die meisten Regeln gelten vorrangig für eine sachlich-neutrale Sprechweise, die be-
sonders in offiziellen Sprechsituationen angewendet wird und nicht für alle Kommunikations-
situationen angemessen ist.
Für den DaF-/DaZ-Ausspracheunterricht sollte man von folgenden Prämissen ausgehen:
• In jeder Äußerung bzw. Teiläußerung (Wortgruppe, die ohne Pause dazwischen gespro-
chen wird) wird meist (nur) ein Wort bzw. dessen wortakzentuierte Silbe mit den entspre-
chenden suprasegmentalen Mitteln besonders hervorgehoben. Dies fällt vor allem jenen
Lernenden schwer, die in ihrer Erstsprache den Kontrast akzentuiert vs. nichtakzentuiert
nicht so deutlich realisieren (z. B. Spanisch, Französisch). Ihnen muss vermittelt werden,
dass sich die gesamte Sprechenergie (Sprechspannung) im Zusammenhang mit den weite-
ren verwendeten suprasegmentalen Mitteln (Tempo-, Lautstärke- und Tonhöhenvariation)
auf die hauptakzentuierte Silbe der Äußerung konzentriert. Sie müssen lernen, diese Silbe
im besonders akzentuierten Wort perzeptiv zu erfassen und produktiv umzusetzen. Ebenso
müssen sie trainieren, die jeweils nichtakzentuierten Silben/Wörter viel ungespannter und
flüchtiger auszusprechen.
• Zusammenhängend gesprochene Wortgruppen/Äußerungen/Sätze können im Deutschen
sowohl relativ kurz (Komm! bzw. Komm doch!) als auch ziemlich lang sein (Komm doch
bitte mal ganz schnell her zu mir!).
Vor allem längere Äußerungen mit nur einer besonders hervorgehobenen Silbe stellen für
manche Lernende eine Herausforderung dar (z. B. für Lernende mit der Ausgangssprache
Chinesisch). Sie müssen lernen, ihre Sprechenergie fast komplett auf die Akzentsilben zu len-
ken.
• In sachlich gesprochenen Sätzen liegt der Satzakzent oft am Ende des Satzes, im soge-
nannten Rhema, das neue und/oder wichtige Information zum bereits bekannten Thema
enthält (= Thema-Rhema-Struktur gesprochener Äußerungen). Den Satzakzent tragen in
diesem Fall eher Nomen, Verben und Adjektive und seltener Artikel, Pronomen, Kon-
junktionen und Hilfsverben. Darüber hinaus hängt die Position des Satzakzents aber auch
von textuellen und situativen Bedingungen (Kontext) sowie von der Intention und Emoti-
on der Sprecherperson ab. Aufgrund dessen sind praktisch alle Wortarten akzentuierbar,
z. B. auf dem Tisch (nicht unter dem Tisch), auf dem Tisch (nicht auf einem anderen
Tisch), …Bei nicht situationsangemessener und/oder nicht textkohärenter Akzentuierung
der Äußerung wird deren Verständlichkeit mitunter stark beeinträchtigt.
Für all diese Zusammenhänge müssen Lernende sensibilisiert werden. Hierdurch eröffnet sich
auch ein großes Potenzial für einen in kommunikative Kontexte integrierten Ausspracheunter-
richt. Lernende sollten angeregt werden, über derartige Aspekte zu reflektieren, verschiedene
Varianten der Satzakzentuierung auszuprobieren und sich ein entsprechendes Repertoire an
Mustern anzueignen. Satzakzentuierung muss zudem in unterschiedlichen Textsorten (vorge-
lesenen und frei produzierten) sowie in diversen Kommunikationssituationen (Alltagsgesprä-
che, offizielle Gespräche, Diskussionen, Vorträge, …) geübt werden.
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Hirschfeld, Ursula / Reinke, Kerstin: Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Unter Berücksichtigung des
Verhältnisses von Orthografie und Phonetik. Erich Schmidt Verlag, 2. Aufl. 2018 (978-3-503-17756-1)
Die unter Schwerpunkt 3 (Wortakzent) aufgeführten methodischen Hinweise gelten auch hier:
Lernende müssen üben, dass in zusammenhängend gesprochenen Wortgruppen nur ein Wort
bzw. die entsprechende Wortakzentsilbe dieses Wortes besonders stark hervorgehoben wird.
Es empfiehlt sich, mit kurzen Wortgruppen zu beginnen (z. B. Komm her!) und diese dann
Silbe um Silbe zu erweitern (Komm mal her! Komm doch mal her! …), wobei die Artikulati-
onsspannung über die gesamte Wortgruppe/Äußerung aufrecht erhalten bleiben muss und nur
eine einzige Silbe betont werden darf. Besonders gut eignen sich zu Beginn nachdrücklich
gesprochene Äußerungen, weil in diesen die akzentuierten Silben besonders deutlich hervor-
treten. Unbedingt sollten diese Wortgruppen mit passender Redegestik oder nonverbalen Mit-
teln begleitet werden (z. B. bei den betonten Silben auf den Gesprächspartner / die Ge-
sprächspartnerin zeigen, aufstehen/hinsetzen etc.).
In allen Übungen dieses Schwerpunktes wird von oft mehreren möglichen Haupt- und Neben-
akzentpositionen i. d. R. eine übliche bzw. häufige Variante vorgestellt. Dies ist aber meist
nicht die einzige.
Anmerkungen:
Übungen, zu denen Lösungen angegeben werden, sind durch einen Balken am linken Rand
der Aufgabe a), b), … gekennzeichnet. Das Feld mit entsprechender Lösungsangabe ist grau
hinterlegt. Lösungshinweise haben einen Pfeil .
Audios zu den Übungen sind durch dieses Piktogramm am rechten Rand
gekennzeichnet: Nummer des Schwerpunktes_Übungsnummer. 2_2a
Die Audios sind unter <http://Phonetik-Arbeitsblaetter.ESV.info> abrufbar.
Empfehlung zur Fehlerkorrektur und zum Weiterüben:
Phonetik Simsalabim Online – Lektion 2 – Akzent und Rhythmus
[Online: www.simsalabim.reinke-eb.de/lektion02/index.html (02.04.2018)]
Übungen
ÜBUNG 1: KOMM!
4_1a
a) Sätze mehrmals hören und leise mitsprechen
Komm! Nicht!
Komm her! Ich nicht!
Komm bitte her! Ich will nicht!
Komm mal bitte her! Ich will nicht mit!
Komm mal bitte schnell her! Ich will nicht mit zum Sport!
Komm mal bitte ganz schnell her! Ich will nicht mit dir zum Sport!
Komm mal bitte ganz schnell her zu mir! Ich will heute nicht mit dir zum Sport!
b) nochmals hören und in jedem Satz den Satzakzent (akzentuiertes Wort) unterstreichen
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c) ankreuzen – wie werden Satzakzentwörter gesprochen?
Akzentwörter werden …
lauter leiser undeutlicher deutlicher
schneller langsamer höher tiefer
also melodisch anders
gesprochen.
d) Sätze (a) nochmals hören und nachsprechen
e) zu zweit als Gespräch spielen
A: Komm! B: Nicht!
A: Komm her! B: …
ÜBUNG 2: WAS MAGST DU?
4_2a
a) Vers in zwei Varianten (1 und 2) hören und jeweils Akzentwörter unterstreichen
1 Magst du dies? 2 Magst du dies?
Magst du das? Magst du das?
Ganz egal! Ganz egal!
Kauf dir was. Kauf dir was.
b) beide Varianten nochmals hören und halblaut mitsprechen
c) eine Variante auswählen und auswendig aufsagen
ÜBUNG 3: SPRICHWÖRTER
4_3a
a) Sprichwörter in zwei Varianten (1 und 2) hören und auf Akzentwörter achten
b) nochmals hören und jeweils das Wort mit dem Hauptakzent unterstreichen
1 Aller Anfang ist schwer. 2 Aller Anfang ist schwer.
Übung macht den Meister. Übung macht den Meister.
Ohne Fleiß kein Preis. Ohne Fleiß kein Preis.
Keine Regel ohne Ausnahme. Keine Regel ohne Ausnahme.
Zum Lernen ist man nie zu alt. Zum Lernen ist man nie zu alt.
b) beide Varianten nochmals hören und halblaut mitlesen
c) Sprichwörter zuerst laut vorlesen, dann auswendig sprechen
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Hirschfeld, Ursula / Reinke, Kerstin: Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Unter Berücksichtigung des
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ÜBUNG 4: FRAGEN UND ANTWORTEN
a) Frage in vier Varianten hören: Zu welcher Frage passt welche Antwort (A, B, C, D)? – Ziffer
4_4a
der gehörten Frage aufschreiben
Frage: Hast du Toms neue Freundin schon gesehen?
1 Hast du Toms neue Freundin schon gesehen? B
2 Hast du Toms neue Freundin schon gesehen? A
3 Hast du Toms neue Freundin schon gesehen? D
4 Hast du Toms neue Freundin schon gesehen? C
A Nein, ich kenne nur die alte. Frage 2
B Nein, ich nicht, aber Maja. Frage 1
C Nein, aber ich hab von ihr gehört. Frage 4
D Nein, ich kenne nur die von Tim. Frage 3
b) Fragen nochmals hören und nachsprechen
c) zu zweit üben: A stellt eine Frage, B gibt eine dazu passende Antwort
ÜBUNG 5: TANZEN
a) Sätze von vorn aufbauen – hören und auf den Hauptakzent achten (er bleibt immer auf
4_5a
dem letzten Wort)
b) nochmals hören und nachsprechen
Anna.
Anna und Anton.
Anna und Anton tanzen.
Anna und Anton tanzen nicht.
Anna und Anton tanzen nicht gern.
Anna und Anton tanzen nicht gern hier.
Anna und Anton tanzen nicht gern hier oben.
Anna und Anton tanzen nicht gern hier oben auf dem Dach.
c) jetzt den Satz von hinten aufbauen – hören und auf den Hauptakzent achten
(er bleibt hinten) 4_5c
d) nochmals hören und nachsprechen
… Dach.
… auf dem Dach.
… oben auf dem Dach.
… hier oben auf dem Dach.
… gern hier oben auf dem Dach.
… nicht gern hier oben auf dem Dach.
… tanzen nicht gern hier oben auf dem Dach.
Anna und Anton tanzen nicht gern hier oben auf dem Dach.
e) auch andere Sätze so sprechen (von vorn und hinten aufbauen), z. B. die Sprichwörter aus
Übung 3.
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ÜBUNG 6: WER KENNT DIE ANTWORT?
4_6a
a) Gedicht hören und in jeder Zeile den Hauptakzent unterstreichen
Wer kennt die Antwort?
Warum haben Zebras Streifen?
Warum haben Autos Reifen?
Warum leuchten Sterne hell?
Warum vergeht die Zeit so schnell?
Wie kommt der Ton ins Radio?
Warum ist man nicht immer froh?
Warum ist der Himmel blau?
Welche Uhr geht ganz genau?
Warum ist die Erde rund?
Warum ist Grünkohl so gesund?
Fragen, Fragen, Fragen, Fragen, …
Wer kann mir die Antwort sagen? (Kerstin Reinke)
b) hören und halblaut mitlesen
c) Gedicht vorlesen, dabei auf die Akzentuierung achten
d) selbst ein Gedicht mit Fragen aufschreiben und vorlesen (es muss sich nicht reimen)