A19 A. Schnell Die Phänomenalisierung Des Phänomens. Grundlinien Einer Phänomenologischen Metaphysik
A19 A. Schnell Die Phänomenalisierung Des Phänomens. Grundlinien Einer Phänomenologischen Metaphysik
NEW CONCEPTS
IN MODERN PHENOMENOLOGY:
GENETIC METHOD AND INTERDISCIPLINARY PROBLEMS
Alexander Schnell
DIE PHÄNOMENALISIERUNG DES PHÄNOMENS.
GRUNDLINIEN EINER PHÄNOMENOLOGISCHEN METAPHYSIK 19
Läszlö Tengelyi
DIE NOTWENDIGKEIT DES FAKTISCHEN BEI ARISTOTELES UND HUSSERL.
ZWEI GRUNDÄTZE DER METAPHYSIK.. 36
Victor Molchanov
DER URSPRUNG DER IMMANENTEN ZEIT: EMPFINDUNG UND RAUM. 53
Gianfranco Soldati
ZUR ROLLE DER WAHRNEHMUNG IN DEMONSTRATIVEN GEDANKEN. . 74
Alexei Chernyakov
TRUTH AND INFINITY IN BADIOU AND HEIDEGGER. 98
Fedor Stanzhevskiy
OVER-DETERMINATION OF THE CONCEPT OF TRUTH. 105
YusukeIkeda
DAS KONZEPT DER PHÄNOMENOLOGIE DER MEDIALTTÄT BEI YOSHIHIRO NFTTA. EINE
DARSTELLUNG DER jAPANISaiEN BEITRÄGE ZUR GEGENWÄRTIGEN PHÄNOMENOLOGIE Ill
Ilya Inishev
MEDIALITÄT ALS GRUNDBEGRIFF DER GEGENWÄRTIGEN PHÄNOMENOLOGIE 131
^
18 1;\ \C)M I \01.0(',\
wird in den Jahren nach dem Weltkrieg diesen Befund mit den deutlichen Alexander Schnell
Worten formulieren: Die Existenz der Person „ist wahrhaft auf Nichts
gestellt".3 Sie steht im Nichts, weil das Erleben selbst „nirgends" sei. Der
Mensch besitze eine Mitte nur darin, dass er seine Erlebnisse vollzieht — mit DIE PHÄNOMENALISIERUNG DES PHÄNOMENS.
Plessners eigenen Worten: „Eine positionale Mitte gibt es nur im Vollzug."4 GRUNDLINIEN EINER PHÄNOMENOLOGISCHEN
Damit dieser Satz ausgesagt werden kann, muss etwas vorliegen, das man
mit Novalis Selbstgefühl' nennen könnte: ein vorgegenständliches Wissen METAPHYSIK
um den eigenen Erlebnisvollzug. Wenn der Mensch sich aber ausdrücklich
auf sein Erleben bezieht, verhält er sich, so Plessner, exzentrisch zu sich
selbst. Da dies, sich zu sich verhalten zu können und sich auch faktisch so zu Dieser Vortrag zielt darauf ab, sich im Rahmen einer Neubegründung
verhalten, erst die Position des Menschen im vollen Sinne beschreibt, ist der als transzendentalen Idealismus verstandenen Phänomenologie über
diese selbst als exzentrisch zu bezeichnen. Nur im Exzentrischen positioniert den Status des Phänomenbegriffs zu verständigen. Diese Neubegründung
sich der Mensch; da die positionale Mitte nur zu leben, aber nicht zu erfas- macht es sich zur Aufgabe, theoretische Un- bzw. Unterbestimmtheiten des
sen ist, könne auch das Erleben selbst nicht festgestellt werden. In diesem husserlschen (und nachhusserlschen) Ansatzes der Phänomenologie aufzu-
Sinne ist es ,nirgends' — bezüglich einer Feststellbarkeit seiner Position, und weisen und diesbezüglich alternative Lösungsvorschläge, die dem transzen-
weil das Erlebnis nirgends ist, kann gesagt werden, dass das „Subjekt seines
^
dentalen Idealismus keineswegs entsagen, sondern ihn vielmehr stärker ma-
Erlebens", die Person, auf Nichts gestellt ist. Hier gilt es genau auf die Rela- chen sollen, zu entwickeln. Aus Gründen, die weiter unten erhellen werden,
tion zu achten, bezüglich der dieses Nichts ausgesagt wird: Die Person ist wird diese Neuausrichtung der Phänomenologie als eine — sowohl an Fich-
deshalb auf Nichts gestellt, weil sie nicht fixierbar ist, und d. h., nicht beo- tes Transzendentalphilosophie und „Phänomenologie" als auch an Finks
bachtet werden kann. Sie ist unsichtbar für jeden Blick eines potentiellen Arbeiten aus den dreißiger Jahren orientierte — „konstruktive Phänomeno-
Zuschauers. Folglich kommt keinem Verhältnis von Erscheinung (Maske) logic" bezeichnet1. Diese führt die Phänomenologie anhand spekulativer
und Anschauung das Vermögen zu, das Erlebnis selbst (d. i. in seinem Voll- Erörterungen über das von Husserl abgesteckte Feld hinaus und versteht
zug) zu geben; und daraus folgt wiederum, dass keine beobachtende Posi- sich als ein Beitrag zu einer eigens ausgearbeiteten phänomenologischen
tion mit Recht dasjenige positiv zu bestimmen vermag, was Person und eine Metaphysik.
konkrete Person sei. Wenn es aber andererseits möglich ist, das Erlebnis zu Folgende Problembereiche sollen hier ausführlicher behandelt werden.
fassen und die Person zu bestimmen — da erst die exzentrische Position das Die Grundausrichtung des hier Ausgeführten betrifft die Frage nach einer
Sein des Menschen ausmacht -, so muss solches Bestimmen immer in Rela- genauen Abgrenzung und Bestimmung des Phänomenbegriffs in der Phä-
tion zum Bestimmenden gesehen werden und kann nur für diese Relation nomenologie überhaupt, sofern er der spezifischen Methodik derselben, die
von Maske und Zuschauer Geltung haben. Aus dem Befund, dass Person aus diesem Grunde kurz auseinandergelegt werden muss, entspricht. Es
nicht zu fassen ist, folgt also nicht, dass sie nicht doch gefasst werden könnte wird sich dabei ergeben, dass hier zunächst zwischen zwei unterschiedli-
— dies aber unter der Voraussetzung, dass ein Bewusstsein von der chen Phänomenbegriffen unterschieden werden muss/ wobei der sozusagen
Möglichkeit und Grenze der jeweiligen Erfassung diese begleitet. „tiefer" angelegte, den anderen begründende, eine erste „phänomenologi-
sehe Konstruktion" (deren Bedeutung zu erläutern sein wird) in Anspruch
nimmt. Ein weiterer, wesentlicher Aspekt besteht in der von Husserl selbst
1 Vgl. Bodin, Les six livres de la Republique, Paris 1583, Buch I, Kap. 3 u. 9. nicht gelieferten Beantwortung der Frage nach der transzendentalphiloso-
2 Ebd. phischen Selbsterfassung des Phänomens bzw. einer Selbstbegründung des
3 Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch [1928], 3. Aufl. Berlin 1975, 293. Wissens qua „Bild" - was die Einführung eines dritten Phänomenbegriffs
4 Ebd.290.
(des „Urphänomens") und eine zweite „phänomenologische Konstruktion"
erforderlich macht. Diese Antwort versteht sich zueleich als eine Reflexion
über den Grund des Erscheinens. In\einem letzten Schritt wird dann der aus
vorigem sich ergebende Begriff der Realität reflektiert werden2.
I
20 I N K W CONC^r'TS IN MO I-K K N PM fc. \!OM K NC l.t}^
NKW CONChP'IS 1\ MCinHKN I'H K N OM KNOI.OGY 21
***
nomene das „Reich der egologischen Tatsachen". Husserl gebraucht diese
Begriffe, um all das zu bezeichnen, was innerhalb der Bewusstseinssphäre
Wie jedermann weiß, ist innerhalb der Tradition des transzendentalen erscheint. Alles, was erscheint: also sowohl die Noemata (als Sinnbegriffe
Idealismus die Einführung des Phänomenbegriffs Kant zu verdanken. Wenn des intentionalen Gegenstands), als auch die die immanenten Erscheinungen
die Gründe für diese Einführung in erster Linie erkenntnistheoretischer Na- konstituierenden (noetischen) Bewusstseinsleistungen und ebenso die hyle-
tur sind - um die Möglichkeit erkenntnissichernder apriorischer Elemente tischen (sinnlichen) Daten, auf denen sich die noetischen Akte aufbauen. Die
zu gewährleisten -, so geht der Phänomenbegriff doch über den lediglich die egologischen Tatsachen sind daher: das Erscheinende (der Gegenstand, d.h.
Erkenntnis betreffenden Bereich insofern hinaus, als dadurch das Sein (wel- der noematische Sinn) und das, was das Erscheinende konstituiert (die hyle-
ches nun nicht mehr im Rahmen einer „Ontologie", sondern nur noch einer tischen Daten sowie die auffassenden Akte). Es muss dabei betont werden,
„Analytik" relevant sei) des vorstellungsmäßig Gegebenen bezeichnet wird. dass in den programmatischen Schriften (etwa den Ideen I und den Cartesia-
Die Zweideutigkeiten, die dem Phänomen bei Kant allerdings noch anhaf- nischen M.editationen) nur dieser (erste) Phänomenbegriff vorherrschend ist.
ten, können in der Phänomenologie - bei strenger Beachtung ihrer ureige- i:
Es gibt aber auch noch einen zweiten Phänomenbegriff, welcher vor al-
nen Methodik — vermieden werden. Hierzu ist es nötig, zu derselben einige lern in Husserls Arbeitsmanuskripten entwickelt wird. Die bekanntesten Stel-
kurze Anmerkungen zu machen. len, in denen man auf diesen zweiten Phänomenbegriff stößt, sind die Ma-
Die weitreichenden ontologischen Implikationen der transzendentalen nuskripte zur Konstitution des inneren Zeitbewusstseins und jene zur passi-
Epoche sind noch nicht ausreichend erörtert und erfasst worden. Wenn auch ven Synthesis. In den Zeitvorlesungen zum Beispiel, in denen Husserl die
die Behandlung derselben nicht Husserls Anliegen gewesen sein mag, so Analyse des Tons als Zeitobjekts liefert, zielt er zunächst auf den ersten Phä-
t
heißt das keineswegs, dass sie nicht in einer anderen (womöglich vertieften) nomenbegriff ab (er beschreibt die Retentionen, Urimpressionen usw.) und
Perspektive auseinandergesetzt werden können und müssen. Es soll zu- fragt dann: Was aber sind die ursprünglich zeitkonstituierenden Phänomene?
nächst versucht werden, diese Implikationen explizit auseinanderzusetzen. Was konstituiert die Zeitlichkeit der Retentionen selbst? Woraus unzweifel-
Vom theoretischen (spekulativen) Blickwinkel aus betrachtet, besteht haft zu ersehen ist, dass der zweite Phänomenbegriff — über den ersten
die Epoche nicht m einer subjektiven Herangehensweise („Praxis", Handlung Phänomenbegriff hinaus — die Konstitution des letzteren zum Thema hat.
oder dergleichen) an das Erscheinende, sondern in der Bewusstwerdung des Dieser zweite Phänomenbegriff betrifft also die konstitutiven Phänomene
Status der phänomenalen Gegebenheit der erscheinenden (und je nur erschei- dessen, was das Reich der gegebenen („egologischen") Tatsachen ausmacht.
nen könnenden) Gegenstände selbst. Ihr Vollzug bedeutet keine lediglich Und Husserl nennt diese ursprünglich konstituierenden Phänomene die
'vorübergehende Ausschaltung der Seinssetzung, die nach der Klarstellung „füngierenden Leistungen" der transzendentalen Subjektivität. Das ganz
der durch die transzendentale Subjektivität geleisteten Konstitutionsleistun- Wesentliche — Entscheidende — dabei ist, dass hier zwei verschiedene,
gen wieder aufgehoben werden könnte, um so zum natürlichen An-sich- grundlegende Dimensionen der Phänomenologie sichtbar werden. Die erste
Sein zurückzugelangen, sondern zielt auf den Seinsstatus des korrelativ zu ist die bekannte — klassische — Dimension der deskriptiven Phänomenolo-
dieser Subjektivität Gegebenen selbst ab: Die Phänomenologie macht eben gie. Und dementsprechend ist der erste Phänomenbegriff der eigentliche
die Phänomene zugänglich, und diese stehen zum natürlich Gegebenen in Gegenstand dieser deskriptiven Analyse. Dagegen sind die ursprünglich
einer Spannung, die sich in einem nicht reduzierbaren, das so Eröffnete konstituierenden Phänomene, d.h. die Phänomene in der zweiten Bedeu-
kennzeichnenden Dualismus ausdrückt. - Es soll hier insbesondere deut-
tung des Wortes, der deskriptiven Analyse nicht immer zugänglich. Hier
lich gemacht werden, inwiefern diese Perspektive, wenn sie konsequent kommen dann genetisch-konstruktive Elemente ins Spiel.
durchdacht wird, ein Forschungsfeld eröffnet, das diesseits der Alternative Um dies alles noch einmal auf eine andere Art und Weise zu sagen: Die
Erkenntnistheorie/Ontologie anzusiedeln ist. Phänomenologie beschäftigt sich mit Tatsachen, Fakten, auf die sie im Laufe
Was heißt nun aber „Phänomen" — eine Frage, die sich umso dringen- ihrer Beschreibungen trifft und deren Genese sie zu erzeugen hat. Man kann
der stellt, als eben diese „phänomenale Gegebenheit" erklärt werden muss? in der Phänomenologie im Wesentlichen zwei Arten von Tatsachen oder
Bei Husserl lassen sich auf eine sehr lehrreiche Art zunächst zwei Bedeutun-
Fakten voneinander unterscheiden. Die erste Art von Tatsachen ist das, was
gen dieses Begriffs unterscheiden. Einerseits bezeichnet das Phänomen „das soeben als „egologische Tatsachen" bezeichnet wurde — also der Phäno-
reine Erleben als Tatsache", und dementsprechend die Gesamtheit der Phä- menbegriff im ersten Sinne des Wortes. Die zweite Art von Fakten sind die
r
22 I \ I; 'A OMt:NOI.OC't
Mf'lV rONCfcl''IIS IN MOI-IFKN I'M l--si OM K MO I.OCY 23
Grenzfakten (Grenzen), auf die man innerhalb der deskriptiven Analyse noch Husserl selbst tatsächlich eme solche zufriedenstellende Erkenntnisle-
stößt. Als Beispiele sind — über das erwähnte Problem des Status der ur-
gitimation geliefert. Bevor es im Folgenden zu einer positiven Darstellung
sprünglichen Zeitlichkeit hinaus — die Frage nach der Existenz (nicht die
des Sinns und Gehalts der „phänomenologischen Konstruktion" kommt, soll
nach der apodiktischen Evidenz!) der Welt, nach der Endlichkeit oder Un-
vorher dieser letzte Punkt noch emgehender erläutert werden.
endlichkeit des transzendentalen Bewusstseinsflusses, nach dem phänome-
nologischen Ich (ist es solipsistisch, also rein egologisch, oder intersubjektiv ***
konstituiert?), usw. zu nennen. Und hier haben wir es dann also mit dem
zweiten Phänomenbegriff zu tun. Nur die konstruktive Analyse der ur-
Kant behauptet, m und mit der Kategoriendeduktion die Rechtfertigung
sprünglich konstituierenden Phänomene kann hier in der Tat eine Antwort
der Erkenntnis geliefert zu haben. Die Originalität seines Ansatzes — jen-
auf diese Fragen liefern.
Worin besteht nun aber genau eine — die „konstruktive Phänomenolo- seits der bloßen Aufstellung und Erörterung der Erkenntniselemente sowie
der Aufweisung (im Schematismuskapitel) der tatsächlichen (nichtsdesto-
gie" wesentlich prägende — „phänomenologische Konstruktion"? Es gilt
weniger apriorischen) Bedingungen der Subsumption der Anschauungen
zunächst, diesen Begriff sowohl von jeglicher metaphysischer Konstruktion,
unter die Kategorien dank der transzendentalen Schemata — besteht darin,
als auch von dem, was Heidegger und Fink ihrerseits als „phänomenologi-
sehe Konstruktion" bezeichnet haben, fernzuhalten.
eine neue „Argumentations" form4 (die transzendentale), die einem bloß psy-
chologisch- genetischen, und d.h. empirischen, Verfahren entgegengesetzt
Einerseits darf die phänomenologische Konstruktion nicht mit einer me-
werden muss, eingeführt zu haben. Dabei ist es durchaus verwunderlich,
taphysischen Konstruktion verwechselt werden. In der Phänomenologie zu
dass der Abschnitt, der die diesbezüglich wesentlichen Schritte zu dieser
konstruieren heißt nicht, etwas von einem Prinzip aus gleichsam mecha-
Legitimation enthält, nämlich die sogenannte „subjektive Deduktion", d.h.
nisch zu deduzieren, sondern in einer Zickzack- Bewegung von jenen Grenz-
fakten, von denen oben die Rede war, in die zu konstruierende Dimension
das Kapitel über die drei Verstandessynthesen aus der ersten Ausgabe von
1781, in den späteren Ausgaben der ersten Kritik nicht übernommen wurde.
dessen, was diese Fakten zu erklären vermag, hinabzusteigen, wobei man
sich freilich immer an diese Fakten zu halten hat — sie ist somit keine fiktive Noch sonderbarer mutet seine Behauptung an, das Wesentliche für seine
Absichten in der „objektiven Deduktion" geleistet zu haben, während sich
(und auch keine spekulative), sondern eine sich je an das zu Konstruierende
! doch der Kern der Kategoriendeduktion gerade in der subjektiven Dedukti-
haltende Konstruktion. Andererseits — und dies entspricht genau dem eben
> on von 1781 befindet. Das Hauptanliegen der Kategoriendeduktion besteht
Ausgeführten — fällt der Begriff der phänomenologischen Konstruktion, der
also, wie gesagt, in der Erkermtnislegitimation. Eine solche kann nicht auf
hier stark gemacht werden soll, weder mit dem heideggerschen Konstrukti-
onsbegriff in Sein und Zeit, noch mit dem, was Fink in der VL Cartesianischen
faktisch Gegebenem beruhen, sondern muss die „Bedingungen der Mög-
Meditation als „phänomenologische Konstruktion" bezeichnet, zusammen.
lichkeit" der Erkenntnis beinhalten. Worin bestehen nun diese Ermöglich-
keitsbedingungen? Kant antwortet hierauf in zwei Schritten. Jede Erkenntnis
Die phänomenologische Konstruktion — so wie sie hier aufgefasst wird —
dient nämlich nicht dazu, Bestandstücke des „Daseins" oder der „transzen-
beinhaltet drei Synthesisleistungen des Verstandes: in der Anschauung, in
der Reproduktion des Angeschauten und in der bewusstseinsmäßigen Ver-
dentalen Subjektivität", die sich nicht mehr (oder noch nicht) phänomenolo-
einigung des Angeschauten und Reproduzierten im Begriff, welche zugleich
gisch aufweisen lassen und daher „konstruiert" werden müssen, gleichsam
an das sich noch phänomenologisch zu Bezeugende „anzustücken , sondern
das empirische Selbstbewusstsein des Begreifenden stiftet. Soweit der erste
sie hat einen fundierenden Charakter: Die phänomenologische Konstruktion
Schritt, der noch auf der Ebene einer empirischen Deskription angesiedelt ist.
ist, wie Husserl es selber zu Ende der zwanziger Jahre zumindest ansatzwei-
Der für den transzendentalen Idealismus (so wie Kant ihn versteht) ent-
scheidende zweite — transzendentale — Schritt besteht nun darin, nachzu-
se angedeutet hat, die einzige Möglichkeit, die Erkenntnis definitiv zu be-
gründen und zu legitimieren.
weisen, dass diese Synthesisleistungen nicht nur für jedes empirisch Gege-
bene notwendig sind, sondern ebenso auch von den reinen Anschauungen
Wie aus Husserls Vorlesungen und Abhandlungen aus demselben Zeit-
erfordert werden: Die Anschauungen a priori des Raums und der Zeit sind
räum3 hervorgeht, ist die Legitimationsproblematik der Erkenntnis für die
als transzendentalen Idealismus verstandene Phänomenologie absolut we-
also ihrerseits nur durch diese drei Synthesen des Verstandes möglich (wo-
sentlich. Der hier vertretenen Auffassung zufolge haben aber weder Kant durch ersichtlich wird, weshalb und inwiefern die Verstandessynthesen für
die Modi der grundlegendsten Form der Sinnlichkeit — nämlich gerade der
24
Mt'W CONChP'l'S IN MOnKKN 1"H KNOM E NOL.OCY 25
geln, sondern diese lassen sich erst in der Konstruktion und durch die Kon- diglich die notwendig apriorische Erkenntnis durch apriorische Elemente er-
struktion selbst erfassen. Die phänomenologische Konstruktion" erweist klärt. Ein solcher Verweis von Gleichartigem auf Gleichartiges liefert aber
sich somit als eine im fichteschen Sinne genetische Konstruktion: Das zu Kon- eben noch nicht eine Erkenntnisbegrundung. Gerade hier setzt nun die kon-
struierende ist an sich „nichts", es entsteht nur dem diese Konstruktion struktive Phänomenologie an16.
Vollziehenden. Sie ist aber nichtsdestoweniger notwendig, weil eben nur sie Die Phänomenologie hat es mit Phänomenen zu tun. Es ist nicht einzu-
die geforderte Letztbegründung liefert. sehen, weshalb das, was jedes Wissen als Wissen fundiert, nicht auch seiner-
***
seits als „Phänomen" zum Thema gemacht werden könnte. Es handelt sich
dabei freilich um ein in einem zweifachen Sinne besonderes Phänomen: Es
ist nämlich nicht an einen bestimmten Gegenstand gebunden, sondern eben
Es war oben bereits mehrfach von der Letztbegründung die Rede - und ein jedes Wissen als Wissen kennzeichnendes — also, wie schon erwähnt, ein
dies selbst im Rahmen der husserlschen Phänomenologie auch nicht zu Un- einziges Phänomen; und es ist nie thematisch und explizit gegeben, also ein
recht, wenn anders der transzendentale Idealismus in allen seinen Ausges- „unscheinbares" Phänomen. Versuchen wir nun, uns von diesem „Urphäno-
taltungen eben diese Letztbegründung zum Ziel hat. Es soll nun gezeigt men" ein Bild zu machen.
werden, dass letztere nur als eine Selbstbegründung des Wissens aufgefasst Es wird jetzt also darum gehen, die erforderte Erkenntnisbegründung \
werden kann. Die Hauptthese dieses Beitrags wird dann darin bestehen, tatsächlich zu liefern zu versuchen. Es sei darauf hingewiesen, dass im
aufzuzeigen zu versuchen, dass diese Selbstbegründung in emem Sichbilden Rahmen einer konstruktiven Phänomenologie eine solche Letztbegründung
des als „Bild" verstandenen - und insofern erweiterten - „Phänomens" zugleich immer auch die Phänomenalität als Phänomenalität zu erhellen hat.
geliefert werden kann. Hierbei handelt es sich in der Tat insofern um eine Auf dieses Zweifache im Einen zielt die nun folgende phänomenologische
Erweiterung des Phänomenbegriffs, als dieses „Phänomen" einzig ist - und Konstruktion ab17.
die konstruktive Phänomenologie somit auf ein „Urphänomen"" stößt, das
auf der tiefsten konstitutiven Ebene alles Wissens der Vielfalt der zu beschrei- ***
nach „inhaltlich", und dabei selbstverständlich und notwendigerweise phä- daher ein von ihm Abhängiges. Das oben sich offenbarte Ausbilden hatte
nomenologisch ausweisbar, „erfüllen" wird. Was ergibt sich aus dieser Refle- sich daraus ergeben, dass das bloße Abbilden sich als ein solches begriff und
xion? Das entworfene Abbild ist nicht das Prinzip der Erkenntnislegitimati- infolgedessen vernichtete. Die jetzt vollzogene verinnerlichende Reflexion
on selbst, sondern eben bloß ein ihm gegenüberstehendes Abbild. Das Ab- geht nun noch einen Schritt weiter: Sie begreift sich nicht bloß als ab-
bild „begreift sich" in dieser Reflexion als ein bloßes Abbild. Um zum Prinzip bildende, sondern als begreifende. Und dieses Begreifen als Begreifen, diese
selbst zu gelangen, muss daher das soeben Entworfene vernichtet werden. Reflexion als Reflexion, eröffnet ein ganz neues Feld (das freilich im Moment
Hierdurch wird ein neues Bild ausgebildet: kein reines, lediglich — freilich des Ausbildens schon anklang und durchschien): ein Feld des nicht je schon
unvermeidlich — hinprojiziertes Abbild, sondern ein genetisch durch Ver- objektiv Gegebenen, sondern des reinen Ermöglichens21 selbst. Was ist dar-
nichtung des Abgebildeten und Ausbildung des Prinzips selbst erzeugtes unter zu verstehen?
Bild. Worin besteht nun dieses Bild — wenn es kein rein formales sein soll? Die diese phänomenologische Konstruktion vollendende verinnerli-
Eben gerade im doppelten Prozess des gleichzeitigen Entwerfens und Vemich- I chende Reflexion, die nur uneigentlich als „Reflexion" bezeichnet werden
tens. (Der Begriff des „Ausbildens" ist hier insofern passend, als er ja einer- kann, da sie gerade nicht — wie sonst üblich — im Reflexionsakt auf ein
seits, negativ, ein Ausmerzen, Ausschalten usw. und andererseits, positiv, dem Reflektierenden unvermeidlich Äußerliches22 reflektiert, macht den letz-
eben ein Ausformen, Ausbilden, zum Ausdruck zu bringen vermag.) Das so ten Gesichtspunkt des „Urphänomens" aus. Will man ihm einen „bilden-
verstandene Ausbilden bezeichnet also paradoxerweise das Vernichten eines den" Charakter zuschreiben, wäre wohl der Begriff des „Einbildens" der
ersten, notwendigen Abbildens. Und da das Abbilden nichts Anderes als der geeignetste — was zugleich darauf verweist, dass hier die (selbstverständ-
Ausdruck der Bedingung des (intentionalen) Bewusstseins selbst ist (inso- lich transzendentale) Einbildungskraft vorrangig ist (s.u.). Das „ein-" in „ein-
fern es die BewusstseinsÄ-orreJaft'on zum Ausdruck bringt), ist dieses Ausbil- bilden" drückt nämlich implizit eine Innerlichkeit aus. Und dieses Einbilden
den zugleich ein solches einer prä-intentionalen (und „vorzeitlichen") „Be- ist nun also nichts Anderes als ein sich als begreifendes Begreifen, ein sich
wusstseins"form (die somit ihrerseits durch dieses gleichzeitige Setzen und als reflektierendes Reflektieren23! Die geforderte und gesuchte Erkermtnisle-
Vernichten ausgezeichnet ist)! Hierdurch erweist sich diese phänomenologi- gitimation mündet somit in diesem phänomenologisch konstruierten ermög-
sehe Konstruktion zugleich als eine die intentionale Struktur genetisch kon- liebenden Sich-Erfassen als Sich-Erfassen. Sie begnügt sich, wie gesehen,
stituierende. Diese „Konstitution" ist nun dadurch ausgezeichnet, dass das
nicht mit lediglich postulierten Erkenntnisformen, sondern bringt das reflexi-
in ihr Konstituierte nicht in einem ihm Zugrundeliegenden fundiert ist, son-
ve Grundprinzip der Ermöglichung des Verstehens von... zum Ausdruck.
dem letzeres selbst erst durch die Konstruktion zugänglich wird. Im
Fassen wir noch einmal diese phänomenologische Konstruktion präg-
Schlussabschnitt wird auf die entscheidenden ontologischen Konsequenzen
nant zusammen. Gefordert wird ein Legitimationsprinzip der Erkenntnis,
dieses prä-intentionalen Setzungs- und Vernichtungsakts zurückzukommen
das nicht faktisch hingestellt werden darf (wie das etwa mit der postulierten
sein (denn die Realität wird sich dann nämlich als nichts Anderes als die auf
anschaulichen Evidenz der Fall ist), sondern sich selbst phänomenologisch
diesem Wege zu leistende Bewusstwerdung eines je „endogenen Seins er- ausweisen muss — und zwar in einer fortwährenden, nach und nach verin-
weisen).
nerlichenden Reflexion. Von diesem Prinzip machen wir uns zunächst ein be-
Die phänomenologische Konstruktion des Prinzips der Erkenntnisbe-
griff liches „Bild" — ohne zunächst zu wissen, was es eigens beinhaltet. Auf
gründung ist hiermit aber noch keineswegs abgeschlossen. Der phänomeno- dieses reflektieren wir nun nicht äußerlich, sondern lassen es sich vor unse-
logische „Gehalt" des Konstruierten ist bis dato bloß negativ als ein „Aus-
ren Augen selbst reflektieren. In dieser ersten Selbstreflexion begreift sich
bilden" aufgetreten. Ein erster Hinweis auf eine positive Bestimmung des
das Bild als bloßes Abbild - was sein Vernichten als Bild nötig macht. Was
Konstruierten besteht nun darin, dass das sich aus der bisherigen Konstruk-
bleibt übrig? Nicht nichts, sondern die eben beschriebene Doppeltätigkeit
tion Ergebende nicht lediglich auf das ursprüngliche Sein-Sollende zurück- eines Enfrwerfens und Vernichtens. In einer zweiten Reflexion, die nun auf
fällt, sondern eben auf eine (dieses Ausbilden ausmachende) zweifache ent-
keine auf einen Gegenstand gerichtete Tätigkeit geht (sei diese auch — nega-
gegengesetzte prä- sujektive „Tätigkeit" eines Setzens und Aufhebens ver-
tiv — eine vernichtende, die ja doch noch, wie schon gesagt, auf das zu Ver-
weist. Diese ist aber selbstverständlich keine rein mechanische „Tätigkeit",
sondern lässt sich in einer noch tieferen, nun verinnerlichenden Reflexion er-
nichtende bezogen bleibt), sondern auf das bloße rein innere Reflektieren
fassen. Jedes Aufheben ist ein Aufheben eines zunächst Gesetzten — und selbst, begreift sich dieses Reflektieren als Reflektieren, das Begreifen als Be-
greifen, das Erkennen als Erkennen. Und die Ermöglichung ist also nichts An-
30 0\CI.I''IS IN MOnt'KN I'ULNOMKNOI-OCY
NK\V CONCKP'IS l\i VIOI-lKRN I'H E NOM K NOI..OCY 31
deres als dieses sich als reflektierendes Reflektieren, sich als begreifendes
lich, wie genau die oben ausgeführte, das „Ausbilden" kennzeichnende
Begreifen, sich als erkennendes Erkennen. Worin bekundet sich hier aber die Doppelbewegung des Entwerfens und Vernichtens des Abbildens zu ver-
Begründung der Phänomenalität als Phänomenalität? stehen ist: Wenn das zunächst nur durch ein „Soll" geforderte Legitimati-
Die Antwort ist im soeben Entwickelten bereits enthalten. Der Begriff
onsprinzip der Erkenntnis im Entwerfen und Vernichten der begrifflichen
der Phänomenalisierung wird missverstanden, wenn er als phänomenale Entwurfsstrukturen sich tatsächlich nicht nur einsichtig fassen lässt, sondern
Äußerung eines zunächst nicht phänomenal - also „an sich" - Gegebenen auch „real" äußert, dann heißt das, dass dieses Prinzip je schon „bei" uns ist
aufgefasst wird. Die Phänomenalisierung ist so sehr keine Äußerung, dass sie und auf diesem Wege bloß unser Zugang zu ihm gesichert wird. Auch hier-
vielmehr ein „ausstehendes Innestehen"24 ausdrückt. Dieser Begriff ist aber
in drückt sich also die Bewusstseinsendogeneität alles Seins — sowie dessen
selbst noch missverständlich, denn das „Innen" (in „Inne-" bzw. „In-") hat ja
Prinzips — aus.
nur im Gegensatz zu einem „Außen" einen Sinn. Diesbezüglich wäre daher
3) Was die Rolle der verschiedenen Erkenntnisvermögen bei diesem An-
der Begriff der „Semsendogeneität" vorzuziehen. Um das näher zu erläutern,
satz einer phänomenologischen Metaphysik angeht, muss betont werden,
soll jetzt in einem letzten kurzen Abschnitt der Begriff der „Realität" näher
dass der (transzendentalen) Einbildungskraft vor allen anderen Vermögen
ins Auge gefasst werden.
Priorität eingeräumt werden muss. In der konstruktiven Phänomenologie
*** hat, im Gegensatz zur husserlschen Phänomenologie, die Einbildungskraft
den Vorrang vor dem Wahrnehmungsvermögen25. Dies hat seinen haupt-
sächlichen Grund in dem imaginären Charakter der Realität. Und dabei ist die
Aus alledem folgen in der Tat wesentliche Konsequenzen für den Status
Wirklichkeit nicht deswegen imaginär, weil eine solche Priorität postuliert
der Realität, die sich nach drei verschiedenen Gesichtspunkten ausbreiten
wird, sondern letztere resultiert aus besagter Imaginarität. Die erkenntnis-
lassen.
s
theoretischen Einsichten folgen hier aus den ontologischen — und nicht
l) Die „Realität" ist vom reflexiven Moment nicht zu trennen. Das Reale
umgekehrt. In diesem Sinne sieht sich die konstruktive Phänomenologie ge-
ist das Übrigbleibsel - der Absatz - der Vernichhing des entworfenen Ab- zwungen, Errungenschaften der kantischen „kopernikanischen Wende" neu
bildes. Es ist das Sein, das bei der Vernichtung des subjektiven Pols der Be-
zu befragen und gegebenenfalls neu zu erörtern.
wusstseinskorrelation allein übrig bleibt (und insofern prä-intentional ist!).
Es ist aber kein totes An-sich-Sein, sondern wird durch die verinnerlichende ***
Reflexion verlebendigt: Es ist nichts Anderes als Reflexion der Reflexion, bes-
ser: Reflexion ALS Reflexion. Die Realität „erbt" und verkörpert also dadurch
Je tiefer man in die ursprünglich konstitutiven Sphären hinabsteigt, des-
die drei Grundaspekte des „Urphänomens .
to mehr verliert der Phänomenbegriff seinen lediglich erschauten Charakter.
2) Somit können nun die ontologischen Konsequenzen aus dem, was die
Wenn die statisch-deskriptive Phänomenologie — so wie ihr Name ja schon
phänomenologische Epoche bereithält, gezogen werden: Das phänomenolo-
besagt — es mit evident sich gebendem Erscheinenden zu tun hat (das also
gisch Zugängliche steht in keiner Weise in einem Gegensatz zu einem äußer- i
! in einem Sehen erfassbar wird), so gilt das für die genetisch-konstruktive
lich „Natürlich"-Realen. Real ist nur, was sich eben in der phänomenologi- t
Phänomenologie nicht mehr unbedingt. Schon der zweite Phänomenbegriff,
sehen „Einstellung", und d.h. in der Epoche, offenbart. Das heißt aber näher,
der, das sei noch einmal zusammenfassend gesagt, die füngierenden Leis-
dass das real Gegebene dem Bewusstsein (und dem transzendentalen Be-
tungen der transzendentalen Subjektivität bezeichnet, welche das in der
wusstsein) „immanent" ist. Realität ist Seins- bzw. Bewusstseinsimmanenz —
immanenten Sphäre des Bewusstseins sich Zeigende (und den ersten Phä-
wir führen hierfür, wie gesagt, den Begriff der „Endogeneität" ein, der keine
reine Immanenz bezeichnet, sondern dem „Ausstehen", dem „Transzen-
nomenbegriff Ausmachende) konstituieren, verweist ja bereits auf eine (frei-
denzcharakter" des Realen Rechnung trägt. Niemals kann das Bewusstsein
lich keiner freien und willkürlichen Subjektivität unterliegenden) genetische
„Tätigkeit". Noch mehr gilt das für den dritten Phänomenbegriff, das „Ur-
dem Sein gegenüber „zu spät" kommen, nichts ist — als „Sein" — dem
phänomen", in dem sich das Wissen selbst (oder, wie man auch sagen könn-
transzendentalen Bewusstsein vorgegeben oder vorausgesetzt. Dies ist zwei-
te, das transzendentale Selbstbewusstsein) begründet: In diesem wird das
felsohne der gemeinsame Nenner der wesentlichen Ausarbeitungen der
neuesten phänomenologischen Forschungen. Hier wird nun auch verständ-
Prinzip der Letztbegründung eigens zu einem „Phänomen", das zugleich
Prinzip der Phänomenalisierung ist.
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in den verschiedenen „Epochen" der „pragmatischen Geschichte des Selbstbewusst- „Phantasie" inderPhänomenologie, Psychopathologie, Ästhetik, usw.). Sein Werk
seins" in seinem System des transzendentalen Idealismus (1800) liefern somit jeweils gehört ohne Zweifel zum Bedeutendsten, was die neueste französischsprachige
eine Erkenntnisbegründung im Rahmen ihres je eigenen transzendentalen Idealis- phänomenologische Forschung hervorgebracht hat. Siehe hierzu v. Vf. Le sens se
mus.
faisant. Marc Richir et la refondation de la phenomenologie transcendantale (in Vorberei-
Die phänomenologische Konstruktion ist keine Urdversalmethode, sondern tung).
hängt selbstverständlich stets von dem zu Konstruierenden ab. Dementsprechend
unterscheidet sich die folgende zweite Konstruktion — die das „Urphänomen"
betrifft — wesenhaft von der obigen ersten Konstruktion, die sich ja auf den zwei-
ten Phänomenbegriff bezog.
Dies wiirde zuerst von Fichte herausgestellt, siehe vor allem seine Wissen-
schaßslehre von 1804 (zweite Fassung).
Der mit der Spätphilosophie Fichtes vertraute Leser wird in der nun vollzo-
genen phänomenologischen Konstruktion einen Versuch, Fichtes Bildlehre für eine
phänomenologische Letztbegründung der Erkenntnis fruchtbar zu machen, erken-
nen.
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Der BiJdcharakter des „Urphänomens" ist in einem ursprünglichen Bilden
imd, wie im Folgenden auseinandergesetzt wird, in dessen verschiedenen Modi
(Abbilden, Ausbilden, Einbilden) begründet.
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In der phänomenologischen Tradition ist dieser Gedanke vor allem bei Hei-
degger anzutreffen. Siehe seine Ausführungen zur „Ermöglichung" in Sein und Zeit,
in den Grundproblemen der Phänomenologie und in den Grundbegriffen der Metaphysik.
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In dem Moment, in dem das reflektierende Subjekt in der Reflexion auf
das zu Reflektierende zurückkommt, ist ihm dieses in der Tat unweigerlich ein äu-
ßerliches.
Diese drei Gesichtspunkte des „Urphänomens" können für das Verständnis
der modernen Ästhetik
fruchtbar gemacht werden. Es wären dann drei „Bilder" als Paradigmen
von drei entsprechenden ästhetischen Grundeinstellungen (und den ihnen korres-
pondierenden Formen des Kunstwerks) zu unterscheiden: l) das „phänomenologi-
sehe Bild": das Kunstwerk als sichtbar machendes, unendlich variierende Erschei-
nungen hervorbringendes (Beispiel; das Werk Andre Thomkins,,); 2) das „konden-
sierende Bild": das Kunstwerk als Konzentration oder Absatz der
künstlerischen, vitalen, erotischen usw. Energien des Schaffenden (Beispiel: Mallar-
mes Buch, Bellmers Puppe); 3) das „reflektierende Bild": das Kunstwerk als Refle-
xion auf den Schaffensprozess selbst (Beispiel: das Werk Gerard Esmerians,,). Der
Vf. ist gerade dabei, eine vertiefte Studie über diese Thematik auszuarbeiten.
In diesen Worten charakterisiert Heidegger das "Bewahren", siehe "Über den
Ursprung des Kunstwerkes", in Holzwege, Frankfurt am Main, Klostermann, 1980", S.
54.
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Phänomenologisch wiirde dieser Sachverhalt in den Werken M. Richirs
aus dem vergangenen Jahrzehnt ausgearbeitet (siehe insbesondere die Rolle der
llill