ZD ZIVI KoBe de Lehrmittel Fuer Zivildienstleistende Interaktiv
ZD ZIVI KoBe de Lehrmittel Fuer Zivildienstleistende Interaktiv
www.srk-bern.ch/moodle/KOBE_DE
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Impressum
Herausgeber: Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Bern
Autorinnen: Annette Alder, René Beetschen, Esther Schläppi, Catherine Wiedmer
Gestaltungskonzept und Layout: Mansing Tang
Fotografien: Ruben Ung
Auflage: Deutsch 6000 Ex., Französisch 1500 Ex., Italienisch 450 Ex.
Druck: rubmedia AG
© Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Bern, 1. Auflage, 2020
Inhalt
Erster Tag
Zweiter Tag
Ganzheitliche Kommunikation 17
Kommunikationsgrundlagen und Kommunikationsebenen 18
Gesprächsführungsformen und -techniken 21
Dritter Tag
Vierter Tag
Fünfter Tag
Lernziel
Die Zivis sind durch das Kennenlernen der Kursgruppe und des
Wochenplans sowie durch das gemeinsame Erstellen von Regeln
für den Kurs und das Formulieren von individuellen Kurszielen
und -wünschen arbeitsfähig geworden. Sie sind sich ihrer
Verantwortung, einen Beitrag zum Gelingen der Kurswoche zu
leisten, bewusst.
Partnerarbeit 25 Min.
Vorstellen
Jeweils zwei Zivis machen sich einander kurz bekannt.
Anschliessend stellt jeder seinen Gesprächspartner im Plenum vor:
– Einsatzort im Zivildienst
– Motivation, mit Menschen zu arbeiten
– Persönliches (Ausbildung, Hobbys usw.)
Einzelarbeit 5 Min.
Individuelle Kursziele und -wünsche und eigener Beitrag
Die Zivis setzen sich mit den Kursthemen auseinander und übernehmen Verantwortung
für ihr Lernen und das Gruppenklima.
Lernziel
Theorieinput
Was ist ein Menschenbild, und wieso entstehen unterschiedliche
Menschenbilder?
Mit Menschenbildern sind diejenigen Ansichten gemeint, die sich auf die Na-
tur des Menschen beziehen und das Zentrale des Menschseins zu erfassen
versuchen. Das Menschenbild, das jemand vertritt, ist seine individuelle und
dadurch selektive Sichtweise und beinhaltet sowohl sein Selbstbild wie auch
seine Überzeugungen hinsichtlich der Menschheit generell. Menschenbilder
sind von grosser Wichtigkeit, da sie oft implizit oder explizit als Grundlage
dafür dienen, wie jemand sich und andere Menschen behandelt. Dadurch sind
sie immer auch handlungsrelevant. Im Betreuungs- und Begleitungskontext
beziehen sich viele Institutionen, Berufsgruppen und Einzelpersonen auf das
Menschenbild der humanistischen Psychologie.
Lernziel
Die Zivis sind sich ihrer eigenen Werte und der Unterschiedlich-
keit von individuellen Haltungen bewusst.
Theorieinput
Verankerung von Werten und Werthaltungen
Modell aus M. Gellert/C. Nowak, Darstellung nach Skizze von Annette Alder, 2018
Werte haben die Aufgabe, zu begründen, während Normen die Aufgabe ha-
ben, Werte, die oft abstrakt sind, konkret und situativ passend umzusetzen.
Auch Prinzipien sind eher abstrakt und befinden sich auf derselben Ebene wie
Werte. Da Prinzipien als «oberster einheitsstiftender allgemeiner Grundsatz»
(Fenner, 2008) definiert werden, haben sie im Betreuungsalltag eine hohe
Wichtigkeit. Im «Seerosenmodell» stehen die Wurzeln der Seerose für Werte,
Normen und frühe Prägungen, woraus Haltungen und Einstellungen – durch
den Stängel symbolisiert – wachsen. Die Blätter und Blüten auf der Wasser
oberfläche stehen für das beobachtbare Verhalten eines Menschen, das unter
anderem durch Werte, Normen, Einstellungen und Haltungen beeinflusst ist.
Gruppenarbeit 15 Min.
Wertemarkt
Alle Zivis erhalten 3 Karten mit unterschiedlichen Werten, anschliessend diskutieren
sie darüber und tauschen die Wertekarten solange untereinander aus, bis alle 2 Werte
gefunden haben, die ihnen entsprechen.
Lernziel
Ethische Prinzipien
Theorieinput
Ethik und ethische Prinzipien
Alternativ können die Zivis über eigene Fallbeispiele zu ethischen Dilemmata diskutieren.
Theorieinput
Ethische Dilemmata
Da keines der ethischen Prinzipien absolute Geltung hat und sie je nach
Situation miteinander in Widerspruch geraten können, müssen sie im Alltag
immer wieder reflektiert und gegeneinander abgewogen werden, dabei
spricht man von einer «Güterabwägung». Geraten ein oder mehrere ethische
Prinzipien in Widerspruch nennt man das «ethisches Dilemma». «Die Haltung
der handelnden Person ist ein weiterer entscheidender Faktor, um eine Hand-
lung zu einer guten Handlung zu machen» (Schweizer Berufsverband der
Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK-ASI:2013). Es wird also die Frage
nach der moralischen Haltung der beteiligten Personen gestellt. Für die Be-
gleitung und Betreuung von Menschen gelten folgende drei Tugenden als
sehr wichtig: Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit.
Lernziel
Diversität
Theorieinput
Diversität
Theorieinput
Vorurteile: Entstehung und Funktion
Transkulturelle Kompetenz
Theorieinput
Transkulturelle Kompetenz
Einzelarbeit 5 Min.
«Brainwriting»
Jeder Zivi notiert für sich, inwiefern Transkulturalität im Zivildiensteinsatz von Bedeutung
ist und welche Kompetenzen er in diesem Gebiet mitbringt.
Einzelarbeit 5 Min.
Notieren der wichtigsten Erkenntnisse des heutigen Tages
Ganzheitliche Kommunikation
(verbal, paraverbal und nonverbal)
Die Zivis haben praktische Beispiele aus dem Alltag erarbeitet, können die
Theorien in eigenen Worten erklären und setzen sie im Zivildienst ein.
Lernziel
– betreute Menschen
– Team
– Angehörige
– ich selbst
Theorieinput
Verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikation
Einzelarbeit 5 Min.
Reflexion über die eigene Grundhaltung nach O.K. Corral
– Wie beurteilst du deinen nonverbalen Kommunikationsstil?
– Was glaubst du, wie du mit deinem Stil/Auftreten auf dein Gegenüber wirkst?
– Wie gelingt es dir, in der Position +/+ zu bleiben?
– Wann besteht das Risiko, dass du die Grundposition +/+ verlässt?
– Was kannst du konkret tun, um dein Gegenüber zur Position +/+ einzuladen?
Theorieinput
Grundeinstellungen: O.K.-Corral-Modell
Bei mehr als 4 Teilnehmenden gibt es die Rolle des Beobachters, der den Teilnehmenden
anschliessend Rückmeldungen zum Geschehenen gibt.
Die innere Haltung, mit der ein Mensch einem anderen Menschen entgegentritt,
ist für die Kommunikation und die Beziehung zwischen den beiden von grosser
Wichtigkeit. Das O.K. Corral verdeutlicht die vier Grundhaltungen der Transak
tionsanalyse und ihr Anteil an der Kommunikation.
Lernziel
Theorieinput
Erweiterte Fragetechniken
Übung Teil 1
Zwei Personen setzen sich einander gegenüber, sodass sie miteinander Blickkontakt
halten können.
– Person A erzählt von einem Ereignis aus ihrem Leben. Das kann eine Situation aus dem
Arbeitsalltag, etwas Belastendes oder eine Schwierigkeit sein, die sie an ihrem Einsatzort
im Zivildienst erwarten könnte.
– Person B hört zu und übt die verschiedenen (verbalen und nonverbalen) Techniken
des aktiven Zuhörens, sagt zum Beispiel: «Du sagst, dass …», «Ich höre …»,
«Verstehe ich richtig …?», «Du meinst, dass …».
– Person C beobachtet das Gespräch und macht Notizen: Worte, Körperhaltungen,
Gesprächsatmosphäre …
Nach ca. 5 Minuten findet eine Austauschrunde statt. Alle Beteiligten geben sich gegen
seitig aus der Position ihrer Rolle Rückmeldung. Danach werden die Rollen getauscht.
Ziel ist, dass jede Person jede Rolle einmal besetzt.
Übung Teil 2
Alle Teilnehmenden versetzen sich in die Rolle des Beobachtenden und tauschen ihre
Erfahrungen aus:
– Was ist in den Gesprächssituationen aufgefallen?
– Welche Interventionen waren fördernd für das Gespräch?
– Welche Interventionen waren hindernd/blockierend für das Gespräch?
Fazit: Die Gruppen wählen maximal 3 Erkenntnisse, die sie aus der Übung gewonnen
haben, und stellen diese anschliessend im Plenum vor.
Theorieinput
Aktives Zuhören – eine personenzentrierte Technik im Betreuungsalltag
Wer die Fähigkeit zum aktiven Zuhören hat, leistet in der Betreuungsarbeit
einen Beitrag dazu, dass begleitete und betreute Menschen mehr Selbstver-
antwortung übernehmen können und dadurch mehr Autonomie erlangen,
was wiederum zu mehr Wohlbefinden beiträgt und Konflikten vorbeugt.
Theorieinput
Gewaltfreie Kommunikation – ein Gesprächsführungsmodell
Beeinflusst von Rogers und Maslow, hat Marshall Rosenberg die gewaltfreie
Kommunikation (GFK) entwickelt (vgl. Steinweg, 1996). Er war der Ansicht, dass
die Quelle von Konflikten – von intrapersonellen, von interpersonellen sowie
von Konflikten zwischen Gruppen – in den nicht beachteten und nicht erfüll-
ten Bedürfnissen liegt (vgl. Rosenberg, 2016). Es ist denn auch das Hauptziel
der GFK, mit sich selbst und mit anderen einfühlsam und respektvoll umzu-
gehen, damit konstruktivere Beziehungen aufgebaut werden können. Die
Gesprächstechnik der GFK basiert auf den folgenden vier Komponenten:
Zusammengefasst heisst das: «Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich
C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.»
Humor-Fragenkatalog
Frage 1: Welche humorvolle Person aus deiner Kindheit kommt dir in den Sinn?
Frage 2: Hast du humoristische Vorbilder? Wenn ja, wen?
Frage 3: E
rinnerst du dich an eine humorvolle Situation, die kürzlich passiert ist?
Notiere eine Begebenheit.
Frage 4: Was bedeutet für dich Situationskomik? Beschreibe ein Beispiel stichwortartig.
Frage 5: In welchen Situationen kannst du über dich selbst lachen?
Frage 6: In was für Situationen oder bei welchen Themen kannst du herzhaft lachen?
Frage 7: Wie schaffst du eine fröhliche oder lustige Atmosphäre? (Gesang, Spiele …)
Theorieinput
Humor in der Begleitung und Betreuung von Menschen
«Humor bezeichnet aus der Perspektive der Psychologie die Eigenschaft einer
Handlung, einer Ausdrucksweise oder eines Textes, heiter zu stimmen, scherz-
haft, lustig, witzig, spaßig oder kurios zu sein. (…) Humor spielt in nahezu jeder
Form zwischenmenschlicher Interaktionen eine Rolle, und er hilft, den Um-
gang mit schwierigen Situationen zu erleichtern, negative Emotionen zu re-
gulieren» (Stangl, 2019). «Jeder Mensch besitzt ein Potential an Heiterkeit,
Witz, und guter Laune» (Steinberger, 2013). Humor hat seine Berechtigung,
sollte jedoch nicht als Technik verwendet werden. Wichtig ist, sich zu überle-
gen, welcher Humorstil an das Gegenüber angepasst sein könnte und zu-
gleich zu einem selbst passt. Es geht darum, gemeinsam über etwas Lachen
zu können (vgl. Journal Humor 2019). «Humor ist eine wichtige Säule der eige-
nen Psychohygiene. Neben den medizinisch belegten Vorteilen einer heiteren
Grundhaltung (Blutdruck, Stoffwechsel, Puls) führt Lachen und Komik zu einer
salutogenen Erregungsabfuhr, die sich kreislaufstabilisierend und entspan-
nend auswirkt» (Journal bso, Humor, 2019).
Einzelarbeit 5 Min.
Notieren der wichtigsten Erkenntnisse des heutigen Tages
Lernziel
Die Zivis haben sich mit ihrer eigenen Persönlichkeit und ihren
Ressourcen auseinandergesetzt, was sie in der Gestaltung der
Beziehungen zu begleiteten und betreuten Menschen unterstützt.
Die Abgrenzung von privaten und professionellen Beziehungen
ist ihnen klar.
Einzelarbeit 10 Min.
Was heisst für dich Persönlichkeit? Notiere dir Interessantes aus der Übung.
Theorieinput
«Persönlichkeit» und «Identität» – was ist das? Wie zeigt sich «Persönlichkeit»?
Identität ist das gesamte Wissen, das ein Individuum über sich selbst hat,
Werte, Motive, Einstellungen und Ziele sind Teil dieses Wissens und dadurch
Teil der Identität. Die Identität und damit verbunden das Selbstkonzept kann sich
immer wieder verändern, dies geschieht oft während Umbruchs- und Krisen
phasen im Verlauf des Lebens.
Einzelarbeit 5 Min.
Was unterscheidet private von professionellen Beziehungen?
Plenumsarbeit 8 Min.
Notizen zu Merkmalen privater und professioneller Beziehungen
Theorieinput
Eine Einführung in die Kernpunkte der professionellen Beziehungsgestaltung
Wer im Pädagogik-, Sozial- und Gesundheitswesen arbeitet, tut bei der Arbeit
oft dasselbe wie in Beziehungen im Privatleben: miteinander sprechen, essen,
Sport treiben, die Freizeit gestalten, lernen usw. Die Rolle, die man aber als
professionelle Betreuungs- und Begleitungsperson einnimmt, ist eine andere.
Mit ihr sind klare Funktionen und Aufgaben verbunden. Sie beinhaltet auch
die Verantwortung für die Beziehungsgestaltung gemäss Rolle und Auftrag.
Die begleiteten oder betreuten Personen stehen im Fokus (Dienstleistungs
orientierung). Es geht immer um Unterstützung und Förderung nach dem
Prinzip «Hilfe zur Selbsthilfe».
Einzelarbeit 15 Min.
Beantworte die nachfolgenden Fragen mit einer Zahl von 1 bis 10 bzw. mit Ja oder Nein
und führe unter Bemerkungen aus, was dir bei der Beantwortung der Fragen wichtig war.
Gruppenarbeit 10 Min.
1. T
ausche dich mit deinem Tischnachbarn zu den Resultaten aus dem
Fragebogen aus.
2. Z
ieh für dich am Schluss des Arbeitsblattes ein Fazit, welche «Identitätssäulen»
Ressourcen für dein Leben sind und welche du stärken könntest.
Ja Nein Bemerkung
Ja Nein Bemerkung
4. Materielle Sicherheit
Ja Nein Bemerkung
Ja Nein Bemerkung
Habe ich Werte, die ich für richtig halte und von
denen ich überzeugt bin?
Fragebogen erstellt von Esther Schläppi, angelehnt an Petzold, Heinemann und Stein, 2019.
Theorieinput
Eigene Ressourcen und ressourcenorientiertes Arbeiten
Als Ressourcen werden all jene Faktoren bezeichnet, die aktuell verfügbar sind
und die die Entwicklung eines Menschen unterstützen (vgl. Petermann,
Schmidt, 2006).
Die Ressourcen eines Menschen sind eng mit seiner Persönlichkeit und seiner
Identität, aber auch mit seinem sozialen Umfeld und ökonomischen Status ver-
bunden. H.G. Petzold (*1944) hat in den 1970er-Jahren aufgrund seiner berufli-
chen Erfahrungen als Psychotherapeut das Modell der «fünf Säulen der Identi-
tät» entwickelt. Mithilfe dieses Modells können Ressourcen und Defizite in den
Bereichen «Leiblichkeit» – dazu gehören Körper und Psyche –, «Soziales Netz»,
«Arbeit und Leistung», «Materielle Sicherheit» und «Werte» fokussiert werden.
In der Begleitung und Betreuung von Menschen ist es zentral, die eigenen
Ressourcen zu erkennen, zu aktivieren und einzubeziehen und so neben der
Lebensqualität auch die eigene Autonomie, Selbstverantwortung und Selbst-
wirksamkeit zu stärken.
Lernziel
Rollen
Theorieinput
Rollen
«Die Rolle ist das Verhalten, das an die Position und die Erwartungen der Ge-
meinschaft angepasst ist» (Meyer und Meyer, 2018). «Eine Rolle ist ein Bündel
von Verhaltenserwartungen, geprägt von sozialen Normen, die an den Inhaber,
die Inhaberin einer sozialen Position gerichtet sind» (Thomann, 2019). Rollen
müssen in der Zusammenarbeit, beispielsweise in einem Team, geklärt werden.
Für das Handeln in einer Rolle ist es wichtig, zu wissen, was die an die Rolle ge-
bundenen Muss-, Soll- und Kann-Erwartungen sind. Das Klären von Erwartun-
gen kann Konflikten vorbeugen und die Zusammenarbeit im Team stärken.
Gruppenarbeit 10 Min.
Tauscht euch in der Gruppe darüber aus, wer welche Rolle hatte. Stimmen eure Einschät-
zungen überein oder nicht?
Einzelarbeit 10 Min.
Die wichtigsten Bezugspersonen und ihre Erwartungen an mich
1. N
otiere deine wichtigsten 4–6 Bezugspersonen, deren Erwartungen für dich die grösste
Bedeutung haben.
2. S
telle dir die Frage, welche deiner Bezugspersonen am stärksten irritiert wären, wenn
du ihre Erwartungen nicht erfüllen würdest. Vergiss dabei deine eigenen Erwartungen
und Selbstansprüche an dich nicht (es geht hier um deine Sichtweise, notiere deshalb
auch vermutete unausgesprochene Erwartungen).
3. Rollenunklarheit
Möglicherweise ist dir bei einigen deiner Bezugspersonen unklar, welche Erwartungen
sie an dich haben. Hinzu kommt deine Unsicherheit, ob du ihre Erwartungen überhaupt
erfüllst. Vielleicht weisst du auch gar nicht, ob du von zu viel (unausgesprochenen)
Erwartungen ausgehst.
Lernziel
Die Zivis kennen die verschiedenen Arten von Stress und den
möglichen Einfluss von Stress auf das Handeln von Menschen.
Ihnen ist bewusst, dass sowohl betreuende wie betreute Men-
schen auf Stress reagieren können.
Einzelarbeit 5 Min.
Notiere deine Stresserfahrungen und wie sie dich im Verhalten als Person verändert haben.
Theorieinput
Stress: Grundlagen
Theorieinput
Transaktionales Stressmodell nach Lazarus und die Stressampel
Es gibt verschiedene Modelle, die das komplexe Geschehen von Stress erklä-
ren: Der Psychologe Richard Lazarus (1922–2002) veröffentlichte 1984 sein
«transaktionales Stressmodell», das auch heute noch oft zur Erklärung von
Stressentstehung und Reaktion auf Stress verwendet wird und das vor allem
die psychologische Ebene und das Coping aufgreift.
Theorieinput
Salutogenese: Was erhält Menschen gesund?
Partnerarbeit 10 Min.
Murmelgespräch mit Tischnachbar
Die Zivis diskutieren die Frage «Welche Technik kann ich an meinem Einsatzort
bei der Begleitung und Betreuung von Menschen einsetzen?»
Einzelarbeit 5 Min.
Notieren der wichtigsten Erkenntnisse des heutigen Tages
Die Zivis sind sich ihrer eigenen Grenzen im Umgang mit aggressivem Ver-
halten von betreuten Menschen bewusst.
Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt Vierter Tag | 41
Macht und Ohnmacht in Abhängigkeits
verhältnissen/Selbst- und Fremdbestimmung
Lernziel
Theorieinput
Macht im Kontext von Betreuung und Begleitung
42 | Vierter Tag Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt
Gruppenarbeit | Zweiergruppen 10 Min.
Führen und geführt werden – ein Bild zeichnen
– Papier und ein Stift pro Gruppe
– Gemeinsam ein Bild (z. B. ein Haus oder einen Hund) zeichnen: Beide Personen halten
den Stift, eine führt (ohne zu sprechen), die andere lässt sich führen.
– Rollen und Sujet wechseln
Lernziel
Gruppenarbeit 20 Min.
Konfliktbarometer Skalierungsaufstellung
Was bedeutet für mich konkret Konflikt, Aggression und Gewalt?
Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt Vierter Tag | 43
Definitionen, Formen und Ausprägungen von Konflikt,
Aggression und Gewalt
Theorieinput
Definitionen, Formen und Ausprägungen von Konflikt,
Aggression und Gewalt
«Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion (ein aufeinander bezogenes Kommuni
zieren oder Handeln) zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisatio-
nen)» (Glasl, 2011). Früher wurde der Begriff Aggression häufig mit Gewalt,
Zerstörung oder Verletzung gleichgesetzt. Heute unterscheidet man zuneh-
mend zwischen Aggression als einem aktiven Verhalten und Handeln und Ge-
walt als einem zerstörenden und verletzenden Mittel.
44 | Vierter Tag Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt
Konflikte: Arten, Ursachen und Folgen
Theorieinput
Konflikte: Konfliktarten, Konfliktursachen und Folgen
Die seelischen Konflikte einer Person werden als intrapersonelle (innere) Kon-
flikte bezeichnet, die sozialen Konflikte als interpersonelle (äussere). Als Ursa-
chen von Konflikten definiert Regnet (1992) unter anderem «unzureichende
Kommunikation», «gegenseitige Abhängigkeit» und «das Gefühl, ungerecht
behandelt worden zu sein». Intrapersonelle Folgen von Konflikten sind «ver-
änderte Wahrnehmung», «Veränderungen im Vorstellen, Erinnern, Denken
und Interpretieren», «Veränderungen im Gefühlsleben», «Veränderungen im
Willen» und «Veränderungen im äusseren Verhalten». Ein möglicher Nutzen
von Konflikten ist, dass sie Probleme aufzeigen, Wurzeln für Veränderungen
sein können und Stagnation verhindern.
Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt Vierter Tag | 45
Eskalationsstufenmodell nach Friedrich Glasl
Theorieinput
Eskalationsstufenmodell Friedrich Glasl
Das Eskalationsmodell von Glasl basiert auf neun Stufen, wovon jeweils drei
zusammen eine Ebene bilden: die «Win-win-Ebene», auf der beide Konflikt-
parteien gewinnen können, die «Win-lose-Ebene», auf der nur eine Partei
gewinnen kann und die «Lose-lose-Ebene», auf der beide Parteien verlieren.
Das Modell eignet sich als Analyseinstrument, um herauszufinden, auf welcher
Ebene ein Konflikt stattfindet und welche Interventionsmöglichkeiten es gibt.
Gruppenarbeit 15 Min.
Eskalationsstufen nach Glasl
Mögliche Anzahl Gruppen:
– 3 Gruppen (win-win/win-lose/lose-lose)
– 9 Gruppen (pro Stufe eine)
– 4 Gruppen (Stufe 1 und 2/Stufe 3 und 4/Stufe 5 und 6/Stufe 7, 8 und 9)
– Inhalt und Konfliktdynamik der jeweiligen Stufen inklusive konkreter Beispiele erarbeiten
– Ergebnisse auf Flipchart notieren
– Theorie auf Moodle lesen und Recherchen im Internet durchführen
46 | Vierter Tag Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt
Eigene Konfliktmuster und Streitkultur
Lernziel
Theorieinput
Eigene Konfliktmuster und Streitkultur
Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt Vierter Tag | 47
Persönliche Erfahrungen mit Gewalt
Lernziel
Einzelarbeit 10 Min.
Reflektiere mit den unten stehenden Fragen deine eigenen Gewalterfahrungen.
Eigene Erfahrungen mit Gewalt
1. W
ie habe ich persönlich das letzte Mal Gewalt erlebt?
– Als Täter – Als Opfer – Als Zuschauer – Als Retter
Welche Gefühle hat das in mir ausgelöst? Wie habe ich reagiert?
3. W
elche Gewaltformen (z. B. physische, psychische, verbale oder sexuelle) lösen bei mir
die stärksten Gefühle aus? Welche Gefühle sind es? Warum sind sie besonders stark?
Gruppenarbeit 20 Min.
Austausch und Diskussion der Ergebnisse aus der Einzelarbeit in Kleingruppen – auf einem
Spaziergang zu zweit oder zu dritt.
Einzelarbeit 10 Min.
Perspektivenerweiterung bezüglich eines Konfliktpartners
Die Zivis überlegen sich eine Person, mit der sie momentan einen Konflikt haben oder mit
der sie in der Vergangenheit einen hatten. Sie notieren danach mindestens 5 positive
Charaktereigenschaften, die sie der Person zuschreiben. Es soll darum gehen, den eigenen
Fokus und dadurch die innere Haltung der betreffenden Person gegenüber zu verändern.
48 | Vierter Tag Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt
Aggressionsmanagement
und Konfliktlösungsstrategien
Lernziele
Theorieinput
Aggressionsmanagement nach dem Radar-Modell
Das Radar-Modell ist ein Stufenmodell, das in vielen Bereichen der Begleitung
und Betreuung von Menschen angewandt wird (in Psychiatrien, bei der Arbeit
mit Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, in der Pflege usw.) und zur Ein-
schätzung des Aggressions- und Gewaltrisikos bei betreuten Personen dient.
Es ist unterteilt in die Stufen «assertives Verhalten», «Agitationsverhalten»,
«aggressives Verhalten» und «physisch-gewalttätiges Verhalten» mit jeweils
drei Niveaustufen und verschärft sich gegen oben.
Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt Vierter Tag | 49
Gruppenarbeit 20 Min.
Konfliktdynamiken durchbrechen
Die Zivis besprechen in Kleingruppen, wie man aufgrund des Radar-Modells am Einsatzort
Konfliktdynamiken erkennen und unterbrechen kann.
Gruppenarbeit 20 Min.
Konfliktpräventions- und Konfliktlösungsstrategien
Die Zivis erhalten von der Kursleitung Arbeitsblätter, mit deren Hilfe sie in Gruppen an
verschiedenen Konfliktlösungsstrategien arbeiten. Jede Gruppe erhält eines der folgenden
Themen: «Harvard-Verhandlungskonzept», «Konstruktive Haltungen im Konflikt»,
«Mediation», «Selbsthilfe in Konflikten nach Glasl».
Die Gruppen halten das, was sie erarbeiten, so fest, dass sie es anschliessend im Plenum
präsentieren können (Rollenspiel, Flipchart, PowerPoint-Präsentation usw.).
50 | Vierter Tag Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt
Einzelarbeit 5 Min.
Notieren der wichtigsten Erkenntnisse des heutigen Tages
Umgang mit Konflikten, Selbst- und Fremdbestimmung, Aggression und Gewalt Vierter Tag | 51
52 | Fünfter Tag Sicherheit und Verantwortung
Fünfter Tag
2. Sicherheitsanforderungen
Die Zivis sind sich der Sicherheitsanforderungen an den einzelnen Einsatz-
orten bewusst und beachten diese.
Die Zivis haben offene Fragen zu ihrer Rolle und ihrem Einsatzort geklärt.
Einzelarbeit 5 Min.
Die Zivis fragen sich: «Habe ich mein/e Wochenziel/e erreicht?» Haben sie eines oder
mehrere Ziele nicht erreicht, schreiben sie ihren Bedarf auf eine Moderationskarte.
Zweieraustausch 5 Min.
Die Zivis tauschen sich mit dem Tischnachbarn darüber aus, ob und wie sie die Wochenziele
erreicht oder nicht erreicht haben.
Lernziel
Theorieinput
Sicherheit und Verantwortung: Begrifflichkeiten und Sicherheit durch
Übernahme von Verantwortung
1. Sicherheitsanforderungen
2. Datenschutz und Schweigepflicht
3. Anforderungen an das Erscheinungsbild und an die Hygiene
4. U mgang mit Nähe und Distanz in den professionellen Beziehungen sowie Prävention
von Grenzüberschreitungen und Missbrauch
5. Psychohygiene: in der Arbeit mit begleiteten und betreuten Menschen gesund bleiben
Arbeitsauftrag
1. D
iskutiert die Praxisbeispiele und sprecht darüber, wie ihr in den jeweils beschriebenen
Situationen handeln würdet (10 Min.).
2. B
eschäftigt euch mit der Theorie zum Thema (Moodle und eigene Recherchen) und
überprüft eure Handlungsvorschläge (10 Min.).
3. S
chreibt die 5 wichtigsten Punkte aus der Auseinandersetzung mit der Theorie zum
Thema auf ein Flipchartpapier, das ihr anschliessend im Plenum präsentiert (5 Min.).
4. E
ntscheidet euch für ein Beispiel aus dem Lehrmittel oder für ein eigenes Beispiel.
Dieses bringt ihr ins Plenum und spielt es als Rollenspiel vor. Danach begründet ihr euer
Handeln aufgrund der Theorie (5 Min.).
Lernziel
Theorieinput
Sicherheitsanforderungen
Lernziel
Theorieinput
Datenschutz und Schweigepflicht
«Datenschutz bezeichnet nicht den Schutz von Daten, sondern den Schutz
von Personen. Das heisst, es sollen Personen vor Missbrauch persönlicher
Daten durch Dritte geschützt werden. Der Datenschutz ist Teil der persönli-
chen Freiheit und ein in der Bundesverfassung verankertes Grundrecht. (...)
Datenschutz im Betreuungsalltag
Dazu gehören unter anderem:
– Gespräche über die Gesundheit des Patienten im Mehrbettzimmer
– Auskunft am Telefon
– Diskussionen unter Mitarbeitenden in öffentlich zugänglichen Räumen
– Aufbewahrung der Behandlungsdokumentation (Archive, auf den Abteilun-
gen/Stationen, elektronische Datenerfassung)
– Auskunft an Angehörige
– Keine privaten Datensammlungen (z. B. Handy-Fotos)
– Erstellen von persönlichen Datenbanken
(...) Die Schweigepflicht stellt eine wichtige Grundlage für das Vertrauensver-
hältnis dar, welches zwischen betreuenden und zu betreuenden Personen
besteht.» (Datenschutzleitfaden Rechtsdienst Inselspital, 2014).
Bei Personen mit nicht vollständiger oder fehlender Handlungs- und Urteils-
fähigkeit wird eine Person mit einem Beistandsmandat eingesetzt. Die Bei-
ständin oder der Beistand darf gemäss Mandat informiert werden.
Lernziel
Theorieinput
Anforderungen an das Erscheinungsbild und an die Hygiene
Lernziel
Die Zivis haben sich mit dem Thema «Nähe und Distanz» aus
einandergesetzt und sind sich ihrer Verantwortung diesbezüglich
bewusst. Sie kennen Möglichkeiten, um Grenzüberschreitungen
und Missbrauch vorzubeugen.
Theorieinput
Umgang mit Nähe und Distanz in professionellen Beziehungen sowie
Prävention von Grenzüberschreitungen und Missbrauch
Ohne Nähe ist ein Beziehungsaufbau nicht möglich, ohne Distanz kann man
Menschen zu nahe kommen. «Von fremder Hilfe abhängige Menschen (…)
sind Übergriffen aller Art besonders ausgeliefert.» (Pörtner, 2007). Emotiona-
ler Missbrauch ist Integrität nicht ernst nehmen oder verletzen, manipulieren,
schimpfen, anschreien, nicht zuhören, aushorchen usw. Körperlicher Miss-
brauch ist über den Körper des anderen bestimmen, Menschen grob anfassen
oder schlagen, eine Person zärtlich berühren, die das nicht will oder als unan-
gepasst empfindet, sexuelle Annäherungen machen oder sexuelle Handlun-
gen vornehmen usw. «Professionelle Nähe kann gelingen, wenn Betreuende
eine systematische, permanente, sorgfältige Selbstreflexion vollziehen. Um
dieser Anforderung gerecht zu werden, braucht es dafür vorgesehene, wie-
derkehrende Reflexionsgefässe im Berufsalltag» (Iten 2016). Der Prävention
von Missbrauch muss hohe Beachtung geschenkt werden. Viele Organisatio-
nen haben interne Standards im Umgang mit heiklen Situationen entwickelt,
um Missbrauch vorzubeugen. Diese sollten von jeder Person in einer profes-
sionellen Rolle beachtet werden.
Lernziel
Theorieinput
Psychohygiene: in der Arbeit mit begleiteten und betreuten Menschen
gesund bleiben
Wer Menschen begleitet und betreut, muss seine psychische Gesundheit be-
achten und aktiv schützen. Die psychische Verarbeitung von Belastungen, die
im Arbeitsalltag erlebt werden, ist wichtig und kann sowohl persönlich wie
auch im Austausch mit Teammitgliedern geschehen.
Lernziele
Die Zivis haben offene Fragen zu ihrer Rolle und ihrem Einsatzort
geklärt.
Lernziele
Die Zivis haben die Kurswoche persönlich und mit der Gruppe
evaluiert.
Einzelarbeit 10 Min.
Evaluationsbogen des Zivildienstes ausfüllen
Die Zivis füllen den Fragebogen aus, den sie per Mail vom Zivildienst erhalten haben.
Einzelarbeit 5 Min.
Notieren der wichtigsten Erkenntnisse des heutigen Tages