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Info aktuell

33/2018 Informationen zur politischen Bildung

ERNST PIPER

Deutsche Revolution
1918/19
Die Revolution, die im November 1918 begann,
ist in ihrer Deutung und Beurteilung bis heute
so umstritten wie kaum ein anderes Ereignis der
deutschen Geschichte. Sie markiert das abrupte
Ende des 1871 gegründeten Kaiserreiches und
schuf die erste parlamentarische Demokratie auf
deutschem Boden.
In vielem hatte die Revolution von 1918/19 den
Charakter einer bürgerlichen Revolution, denn
eine erfolgreiche bürgerliche Revolution hatte es
in Deutschland bis dahin nicht gegeben. Dagegen
hatte in Russland 1917 eine sozialistische Revolu-
tion stattgefunden. Die Bolschewiki etablierten
eine sozialistische Sowjetrepublik (Räterepublik)
und entmachteten die Konstituante, das gerade
neu gewählte Parlament.
Diese Ereignisse hatten eine starke Wirkung
auch auf die politischen Kräfte in Deutschland.
Die SPD war gespalten in eine Mehrheitspartei,
die eine parlamentarische Demokratie anstrebte,
und eine Minderheit, aus deren Reihen die Grün-
der der KPD hervorgingen, die eine Diktatur des
Proletariats nach sowjetischem Vorbild errich-
ten wollten. Hieraus ergab sich ein grundsätz-
licher Konflikt zwischen den beiden Flügeln der
Arbeiterbewegung, der sich ohne gewaltsame
Auseinandersetzungen nicht lösen ließ und der,
so unvermeidlich er war, die gerade gegründete
Weimarer Republik von Anfang an belastete.

Inhalt

Russische Revolution 2

Französische Revolution 5

Deutsche Revolution 6

Nachspann: die Nationalversammlung 21

Deutungen 22

9. November 1918, Berlin. Philipp Scheidemann (mit erhobenem Arm) ruft auf dem Balkon des Reichstagsge-
bäudes die Republik aus. Möglicherweise wurde diese Szene nach dem Ereignis für die Fotografen nachgestellt.
Erstveröffentlichung: Berliner Illustrirte Zeitung vom 24. November 1918
2 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

Russische Revolution*
In Petrograd, wie die russische Hauptstadt St. Petersburg ab
1914 hieß, gab es – ähnlich wie auch in den Städten anderer
Krieg führender Staaten – im dritten Jahr des Ersten Weltkrie-
ges Demonstrationen verzweifelter Menschen, die hungerten
und immer drängender nach Brot und Frieden verlangten. Das
zaristische Russland war den Anforderungen des Krieges we-
der militärisch noch wirtschaftlich gewachsen. Der ausblei-

picture alliance / dpa / N. Tagryn


bende Erfolg auf den Schlachtfeldern hatte einen großen Ver-
trauensverlust in die Führung des Landes und eine wachsende
Kriegsmüdigkeit nach sich gezogen.
Am 8. März 1917 brachen in Petrograd Streiks aus, aus denen
sich rasch ein Generalstreik entwickelte. Daraufhin erteilte Zar
Nikolaus II. den Kosaken, militärisch organisierten Reiterver-
bänden, den Befehl, gewaltsam gegen die Demonstrierenden
vorzugehen. Die Kosaken befolgten diesen Befehl nur zöger- 23. März 1917, Petrograd. Trauerzug auf dem Newski-Prospekt mit Opfern der
lich, dennoch gab es bei den Auseinandersetzungen mehrere Februarrevolution
Tote. Aber die Menschen ließen sich nicht aufhalten, inzwi-
schen demonstrierten in der ganzen Stadt Hunderttausende

akg-images / Science Source


und etliche Kosaken verbündeten sich mit ihnen.
Am 12. März schlossen sich auch die Soldaten der Petrogra-
der Garnison dem Aufstand an, der bald die ganze Stadt be-
herrschte. Am Tag darauf liefen die Truppen, die der Zar nach
Petrograd entsandt hatte, ebenfalls zu den Aufständischen
über. Die Duma, das 1912 gewählte Parlament, trat nach
längerer Pause wieder zusammen und am 15. März musste
Nikolaus II. abdanken. 300 Jahre lang hatte die Dynastie der
Romanows geherrscht, jetzt war die Zarenherrschaft been-
det. Erster Ministerpräsident der Russischen Republik wurde
Fürst Georgi Jewgenjewitsch Lwow, der eine provisorische
Regierung anführte.
Wladimir Iljitsch Lenin, der wegen seiner gegen die Zaren-
herrschaft gerichteten Aktivitäten die Jahre zuvor im Schwei-
3./16. April 1917, Petrograd. Lenins Ankunft am Finnischen Bahnhof, undatiertes
zer Exil verbracht hatte, bestieg nach intensiven Verhandlun-
Gemälde von Mikhail G. Sokolow. Der Künstler fügte aus Gründen der Oppor-
gen mit der deutschen Regierung am 9. April in Zürich einen tunität hinter Lenin auch Josef Stalin ins Bild, obwohl dieser nicht zu den Teil-
Sonderzug, in dem er und seine Begleiter ohne Kontrollen nehmern der Zugfahrt gehörte.
Deutschland durchqueren konnten. Am späten Abend des
16. April traf er in Petrograd ein. Auf dem Bahnhofsvorplatz
erwarteten ihn begeisterte Menschenmassen. Auf einem Pan- Am 22. April erschien in der „Prawda“ der Artikel „Über Dop-
zerwagen stehend hielt er seine erste Rede, die mit den Worten pelherrschaft“, in dem Lenin das Nebeneinander von Duma
endete: „Es lebe die sozialistische Weltrevolution!“ und Sowjets, d. h. von Parlament und Räten, grundsätzlich kri-
Lenin hatte sich auf seine Rückkehr intensiv vorbereitet und tisierte. Er forderte bereits zu diesem Zeitpunkt den Sturz der
er war entschlossen, so schnell wie möglich die Kontrolle über Provisorischen Regierung, die sich auf die Duma stützte. Zuvor
die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (Bolschewi- allerdings müssten die Bolschewiki die Kontrolle über die Räte
ki; SDAPR [B]) zu gewinnen. Bereits am nächsten Tag sprach erlangen, wovon sie zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt
er vor bolschewistischen Mitgliedern des örtlichen Sowjets waren.
„Über die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Re- Im Juli 1917 kam es dennoch zu einem ersten spontanen Auf-
volution“. Diese „Aprilthesen“ wurden drei Tage später in der standsversuch. Er begann am 16. Juli mit der Weigerung eines
„Prawda“, dem Parteiorgan der SDAPR [B], veröffentlicht und Maschinengewehrregiments, an die Front zu ziehen. Stattdes-
enthielten bereits den Kern seines Programms: Alle Macht den sen zogen die Soldaten bewaffnet durch die Straßen von Pe-
Sowjets, Beendigung des Krieges, Enteignung des Großgrund- trograd. Rasch schlossen sich ihnen etwa 500 000 Arbeiter an
besitzes, Verstaatlichung der Banken und Bildung einer Natio- und am Tag darauf auch 10 000 Matrosen aus Kronstadt, aber
nalbank, Gründung einer revolutionären Internationale sowie der geplante Generalstreik kam nicht zustande und die Koor-
Umbenennung der Partei, da der Begriff „Sozialdemokratie“ dination zwischen den revolutionären Kräften funktionierte
durch die Burgfriedenspolitik der Parteien der Sozialistischen nicht richtig.
Internationale im Ersten Weltkrieg diskreditiert war. Lenin lobte die Aufständischen, vermied es aber, sich in die Sa-
che hineinziehen zu lassen, weil die spontane Erhebung aus sei-
* In diesem Kapitel sind alle Daten nach dem gregorianischen Kalender angege- ner Sicht zu ungeplant und undiszipliniert war. Die Erfolgsaus-
ben, der heute auf der ganzen Welt in Gebrauch ist. Im zaristischen Russland sichten waren ungewiss, die Übernahme der Führung durch die
galt der julianische Kalender, der damals zum gregorianischen Kalender eine
Bolschewiki ebenfalls. Dennoch erließ die Regierung nach dem
Differenz von 13 Tagen aufwies. Die Umstellung erfolgte erst am 1. (jul.) bzw.
14. (greg.) Februar 1918. Deshalb fanden nach unserem Kalender die Februar- Scheitern des Aufstands am 20. Juli einen Haftbefehl gegen
revolution im März und die Oktoberrevolution im November statt. Lenin und beschuldigte ihn, ein Handlanger der deutschen

Informationen zur politischen Bildung aktuell Nr. 33/2018


Russische Revolution 3

Regierung zu sein. Er musste aus Petrograd fliehen und kehrte Brücken und Bahnhöfe zu besetzen, während die Regierung
erst am 20. Oktober in die Stadt zurück. sich im Winterpalais verschanzte. Es fanden sich nur noch
Fürst Georgi Jewgenjewitsch Lwow trat infolge des Juliauf- wenige Soldaten dazu bereit, die Regierung dort zu verteidi-
stands zurück, sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde gen, sodass der vielzitierte „Sturm auf das Winterpalais“ rasch
Alexander Fjodorowitsch Kerenski. Fürs Erste war die Doppel- und vergleichsweise unblutig über die Bühne ging. Kerenski
herrschaft tatsächlich beendet, allerdings nicht so, wie Lenin hatte die Stadt inzwischen verlassen, ansonsten befand sich
sich das vorgestellt hatte, sondern zugunsten der Regierung. die gesamte Provisorische Regierung, die am 15. März gebildet
Wie Lwow setzte auch Kerenski den Krieg gegen das Deutsche worden war, nun in den Händen der Bolschewiki.
Reich fort. Das spielte Lenin in die Hände, denn die Kriegsmü- Auf dem zweiten Allrussischen Sowjetkongress, der am
digkeit in der Bevölkerung war enorm groß. 7. November eröffnet wurde, waren die Bolschewiki sehr viel
Die Fortführung des Krieges und das gleichzeitige Ausblei- stärker vertreten als auf dem ersten Kongress fünf Monate zu-
ben militärischer Erfolge führten zu einer fortschreitenden vor. Sie hatten zwar keine Mehrheit, profitierten aber in erheb-
Destabilisierung der innenpolitischen Situation. Kerenskis Kal- lichem Maß von der Uneinigkeit ihrer Gegner. Die Delegierten
kül, durch eine militärische Offensive gegen die Mittelmächte vom linken Flügel der Sozialrevolutionäre kooperierten mit
eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen, ging nicht den Bolschewiki, während andererseits viele Menschewiki
auf und erwies sich als kontraproduktiv. Außerdem ergriff die und die gemäßigten Sozialrevolutionäre den Kongress unter
Regierung keinerlei Initiative, um die Verteilung von Land an Protest verließen, als sie erfuhren, dass die Mitglieder der Pro-
die verarmten Bauern voranzubringen. Zwischen den beiden visorischen Regierung verhaftet worden waren. An deren Stel-
Themen bestand ein Zusammenhang, weil fast alle Soldaten le trat der Rat der Volkskommissare, dessen Vorsitz Lenin über-
im Zivilberuf Bauern waren, denn eine Industriearbeiterschaft nahm. Die Leitung der einzelnen Ministerialverwaltungen
gab es in Russland damals noch kaum. Wenn also das Thema übernahmen Kommissare anstelle der verhafteten Minister.
Landverteilung doch einmal auf die Tagesordnung kam, woll- Für auswärtige Angelegenheiten war Leo Trotzki zuständig,
ten die Soldaten unbedingt dabei sein, was eine entschlossene für Nationalitätenfragen Josef Stalin.
Weiterführung des Krieges nahezu unmöglich machte. Kontrolliert werden sollte der Rat der Volkskommissare
Nach Lenins Rückkehr ging alles sehr schnell. Am 21. Okto- von dem Allrussischen Kongress der Arbeiter-, Soldaten- und
ber verfasste er die „Ratschläge eines Außenstehenden“, in Bauernräte und von dessen zentralem Exekutivkomitee. Der
denen er sehr konkrete Vorschläge für die Machtübernahme Kongress verabschiedete am 8. November 1917 zwei vorberei-
machte. Zwei Tage später wurde sein Plädoyer für den be- tete Dekrete, die die beiden drängendsten Probleme betrafen.
waffneten Aufstand bei einer konspirativen Nachtsitzung im Im „Dekret über den Frieden“ schlug „die Arbeiter- und Bau-
Zentralkomitee der SDAPR [B] mit zehn zu zwei Stimmen ge- ernregierung, die durch die Revolution vom 6./7. November
billigt. Seine Überzeugung, dass der Aufstand unumgänglich geschaffen wurde“, den Krieg führenden Staaten sofortige
sei und jede Verzögerung den Tod bringen könne, fand am Friedensverhandlungen vor. Das „Dekret über Grund und Bo-
29. Oktober auch im erweiterten Zentralkomitee der Partei den“ verfügte die entschädigungslose Enteignung der Guts-
eine Mehrheit. Am 6. November verließ Lenin sein illegales besitzer. Es sollte kein Privateigentum an Grund und Bo-
Quartier und begab sich ins Smolny-Institut, wo die Bolsche- den mehr geben. Das gesamte Land sollte in Volkseigentum
wiki ihr Hauptquartier hatten. Am folgenden Tag gelang es, übergehen und denen zur Verfügung gestellt werden, die es
alle strategisch wichtigen Punkte in der Stadt wie zum Beispiel bewirtschafteten.
SZ Photo / Süddeutsche Zeitung Photo

1917, Petrograd (undatiert). Revolutionäre Soldaten posieren auf einem Lastwagen.

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4 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

Der Kongress verlief nach einem erstaunlich präzisen Dreh- 1917


buch und war nach zwei Tagen schon wieder zu Ende. Die 8. März Beginn des Aufstands in Petrograd
Delegierten sangen gemeinsam „Die Internationale“ und fuh- 12. März Die aufgelöste Duma tritt wieder zusammen und übernimmt
ren danach wieder nach Hause. Der Umsturz war „militärisch die Regierungsgeschäfte.
schon vollzogen, bevor er politisch überhaupt begonnen hatte“
13. März Konstituierende Sitzung des Petrograder Sowjets; Aufstand
(Manfred Hildermeier).
in Moskau
War die Februarrevolution eine wirkliche Revolution gewe-
sen, ein Regimewechsel, der von den demonstrierenden Volks- 15. März Zar Nikolaus II. dankt ab.
massen erzwungen worden war, so war die Oktoberrevolution 15. März Fürst Georgi Jewgenjewitsch Lwow wird Ministerpräsident,
ein genau geplanter Militärputsch. Im Handstreich hatten die Alexander Fjodorowitsch Kerenski Justizminister.
Bolschewiki die Macht übernommen, obwohl sie außerhalb von
16. April Ankunft Wladimir Iljitsch Lenins in Petrograd
Petrograd und Moskau zu dieser Zeit noch nicht viel Rückhalt
besaßen. Das zeigte sich schon am 25. November, als die noch 17. April Lenin spricht auf einer Konferenz bolschewistischer De-
von der Provisorischen Regierung angesetzte Wahl der Konsti- legierter des Petrograder Sowjets über die kommenden Aufgaben
(„Aprilthesen“).
tuante, der Verfassunggebenden Versammlung, stattfand. Nur
in den genannten beiden Städten erreichten die Bolschewiki 7./12. Mai Erste gesamtrussische Konferenz der Bolschewiki seit der
die Mehrheit der Stimmen, während auf dem Land die Sozial- Revolution; Lenin hält das Hauptreferat zur politischen Lage, wird ins
revolutionäre dominierten. Insgesamt entfielen auf die Bol- Präsidium gewählt und seine radikale Linie wird bestätigt.
schewiki 168 von 707 Mandaten. Daraufhin versuchten sie, die 16. Juni / 7. Juli Erster Allrussischer Kongress der Arbeiter- und Solda-
Konstituierung des neu gewählten Parlaments zu verschieben. tenräte (Sowjets). Die Bolschewiki stellen nur einen kleinen Teil der
Als das nicht länger möglich war, verabschiedete das Allrussi- Delegierten.
sche Zentrale Exekutivkomitee ein Dekret über die Auflösung 16./20. Juli Der „Juliaufstand“ scheitert, Lwow tritt zurück, Kerenski
der Konstituante, das klar machte, dass die Sowjets keine Macht wird am 21. Juli neuer Ministerpräsident. Lenin versteckt sich im da-
neben sich dulden würden. Sie wollten keine Doppelherrschaft, mals noch russischen Finnland und schreibt dort sein Buch „Staat und
der Parlamentarismus sollte abgeschafft, die Gewaltenteilung Revolution“.
aufgehoben werden.
8. Oktober Trotzki wird zum Vorsitzenden des Petrograder Sowjets
Die liberalen Parteien wurden sehr bald verboten, etwas
gewählt.
später auch die mit den Bolschewiki konkurrierenden linken
Gruppierungen. Demonstrationen zur Unterstützung der Kon- 20. Oktober Lenin kehrt nach Petrograd zurück.
stituante wurden blutig unterdrückt. In dem am 10. Juli 1918 ver- 23. Oktober Das Zentralkomitee der SDAPR [B] entscheidet sich für den
abschiedeten Grundgesetz der Russischen Sozialistischen Föde- von Lenin propagierten bewaffneten Aufstand.
rativen Sowjetrepublik war die „Diktatur des städtischen und 7./8. November Zweiter Allrussischer Kongress der Arbeiter- und Sol-
ländlichen Proletariats und der ärmsten Bauernschaft in der datenräte (Sowjets). Die Bolschewiki stellen 300 von etwa 670 Dele-
Form der mächtigen gesamtrussischen Sowjetmacht zur völ- gierten.
ligen Niederhaltung der Bourgeoisie“ festgeschrieben. Bereits
Der bolschewistische Aufstand unter Leitung von Lenin und Trotzki
am 20. Dezember 1917 wurde die neue Geheimpolizei Tscheka
ist erfolgreich, Lenin proklamiert die sozialistische Sowjetrepublik.
gegründet, die rücksichtslos gegen politische Gegner der sowje-
tischen Regierung vorging. Der Beschluss über den Roten Terror 7./15. November Kämpfe in Moskau
vom 5. September 1918, der bewusst an die „Terreur“ der Franzö- 25. November Bei der noch von der Regierung Kerenski angesetzten
sischen Revolution anknüpfte, schuf die Grundlage für die sys- Wahl der allrussischen konstituierenden Versammlung (Konstituante)
tematische Vernichtung der antibolschewistischen Opposition. erhalten die Bolschewiki 168 von 707 Mandaten.
Er brach mit der Tradition der Sozialistischen Internationale, die 11. Dezember Verbot der liberalen Kadettenpartei
die Todesstrafe stets abgelehnt hatte. Bis zum Ende des Bürger-
15. Dezember Deutsch-russischer Waffenstillstand
krieges 1922 kamen hunderttausende Menschen ums Leben.
20. Dezember Gründung der Außerordentlichen Allrussischen Kom-
mission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sa-
botage (Tscheka)
Österreichische Nationalbibliothek

1918
18./19. Januar Konstituierende Sitzung der Verfassunggebenden Ver-
sammlung, die von den Bolschewiki mit Waffengewalt aufgelöst wird.
Darauf folgende Massenproteste werden niedergeschlagen.
3. März Friedensvertrag von Brest-Litowsk
11. März Moskau wird russische Hauptstadt.
6./8. März Auf dem siebten außerordentlichen Parteitag wird die So-
zialdemokratische Arbeiterpartei Russlands [Bolschewiki] in Kommu-
nistische Partei Russlands [Bolschewiki] umbenannt.
10. Juli Grundgesetz der Russischen Sozialistischen Föderativen Sow-
jetrepublik
Plakat der Kommunistischen Partei Österreichs zur österreichischen Nationalrats- 16./17. Juli Nikolaus II. und seine Familie werden erschossen.
wahl am 17. Oktober 1920 (Entwurf: Oskar Glatzel, Wien). Es dokumentiert den damals
noch bestehenden Anspruch der im März 1919 gegründeten Kommunistischen Inter- 5. September Beschluss des Rates der Volkskommissare über den
nationale, die sozialistische Revolution weltweit zu verbreiten. Roten Terror

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Französische Revolution 5

Französische Revolution
Die Französische Revolution von 1789 war die erste Revolution
in der europäischen Geschichte; mit ihren imponierenden Fol-
gewirkungen ist sie „kaum mit einem anderen historischen
Ereignis vergleichbar“ (Ernst Schulin). Die Amerikanische Re-
volution mit der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776
ging ihr zeitlich voraus. Diese beiden weltgeschichtlich be-
deutsamen Ereignisse prägen unser Bild von der bürgerlichen
Revolution bis heute. In unser historisches Gedächtnis hat sich
vor allem die Französische Revolution eingeschrieben; sie gilt

akg-images / Science Source / Pierre-Ambrose Richebourg


als zentraler Erinnerungsort für die Entwicklung der Demo-
kratie. Der absolutistische Ständestaat, der durch seine starre
Ständeordnung soziale Mobilität verhindert hatte, wurde mit
ihr überwunden. Die Ideen von 1789 – Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit – beinhalten gleichzeitig Vorstellungen von der
Volkssouveränität, der universalen Geltung der Menschen-
rechte und eines von den Grundwerten der Aufklärung getra-
genen liberalen Verfassungsstaates.
Waren in der Feudalgesellschaft der Klerus (erster Stand)
und der Adel (zweiter Stand) privilegiert, so hatte die bürgerli-
che Revolution die Emanzipation des dritten Standes zum Ziel.
Zum dritten Stand gehörten vor allem das städtische Bürger-
tum, aber auch die aus ihrer Abhängigkeit von den adeligen April 1871. Eine Barrikade der Pariser Kommune an der Place Hotel de Ville / Ecke
und geistlichen Grundherren befreiten Bauern. Frankreich Rue de Rivoli
musste seine neue Ordnung militärisch gegen die europäi-
schen Nachbarstaaten verteidigen.
Unter der Führung Napoleon Bonapartes führte es erfolgrei- Ziel, die errungene revolutionäre Autonomie notfalls auch mit
che Angriffskriege, die 1806 das Ende des Heiligen Römischen Waffengewalt gegen die französische Regierung zu verteidi-
Reiches deutscher Nation mit sich brachten, aber gleichzeitig gen, sie mussten sich aber nach knapp zweieinhalb Monaten
auch die Ablösung der französischen Republik durch die Allein- geschlagen geben.
herrschaft Napoleons. 1815, nach der endgültigen Niederlage In der kurzen Zeit ihrer Existenz versuchte die Kommune,
Napoleons, wurde die Herrschaft der Bourbonen vom Wiener mithilfe zahlreicher Maßnahmen ein demokratisches und
Kongress wiederhergestellt. Erst 1830 wurden sie durch die sozial gerechtes Gemeinwesen zu schaffen. Für Friedrich En-
Julirevolution endgültig vertrieben und der „Bürgerkönig“ gels und Karl Marx, die führenden Theoretiker der Interna-
Louis-Philippe I. kam auf den Thron. tionalen Arbeiterassoziation, war die Pariser Kommune die
1848 war ein Jahr revolutionärer Umbrüche in vielen Län- Geburtsstunde der von ihnen propagierten Diktatur des Pro-
dern Europas. Nach der Februarrevolution in Paris musste letariats. Das schloss auch die Aufhebung der Gewaltentei-
Louis-Philippe I. abdanken, es folgten längere Auseinander- lung ein. Die Trennung von gesetzgebender und vollziehender
setzungen und 1852 ließ sich der zunehmend autoritär regie- Gewalt sollte zugunsten einer einzigen „arbeitenden Körper-
rende Präsident Louis Napoléon Bonaparte als Napoleon III. schaft“ aufgegeben werden. Und August Bebel erklärte am
zum Kaiser krönen. In Frankfurt am Main tagte 1848/49 in 25. Mai 1871 im Deutschen Reichstag, dass „der Schlachtenruf
der Paulskirche eine Nationalversammlung, die einen geein- des Pariser Proletariats ‚Krieg den Palästen, Friede den Hüt-
ten deutschen Nationalstaat mit Freiheits- und Grundrechten ten, Tod der Not und dem Müßiggange!‘ der Schlachtruf des
schaffen wollte. Aber der preußische König lehnte die angebo- gesamten europäischen Proletariats“ sein werde.
tene Kaiserkrone ab und im Zuge der Restauration wurde die Bis 1917 war die Pariser Kommune der zentrale Erinnerungs-
traditionelle Ordnung wiederhergestellt. ort für die europäische Arbeiterbewegung, die für eine sozia-
Damit scheiterte die bürgerliche Revolution in Deutschland, listische Revolution kämpfte. Hier wurde schon deutlich, dass
stattdessen kam es zu einer „Reichseinigung von oben“. Nach zwischen einer bürgerlichen und einer sozialistischen Revolu-
mehreren, maßgeblich vom preußischen Kanzler Otto von tion grundlegende Unterschiede bestehen (siehe Tabelle S. 6).
Bismarck betriebenen Kriegen, den sogenannten Einigungs- Karl Marx und Friedrich Engels, die maßgeblichen Theore-
kriegen, wurde das Deutsche Reich am 18. Januar 1871 im tiker des Marxismus, schrieben 1848 im „Kommunistischen
Spiegelsaal von Versailles proklamiert. Unmittelbar voraus- Manifest“: „Auf Deutschland richten die Kommunisten ihr
gegangen war der Deutsch-Französische Krieg, der mit der Hauptaugenmerk, weil Deutschland am Vorabend einer bür-
Niederlage Frankreichs und der Gefangennahme von Napo- gerlichen Revolution steht und weil es diese Umwälzung unter
leon III. endete. fortgeschrittenen Bedingungen der europäischen Zivilisation
Vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 bestand die Pariser Kom- überhaupt und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat
mune. Ein revolutionärer Stadtrat, dem Mitglieder der Natio- vollbringt als England im 17. und Frankreich im 18. Jahrhun-
nalgarde, aber auch Anhänger der sozialistischen Internatio- dert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das unmit-
nalen Arbeiterassoziation angehörten, beherrschte Paris. Die telbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann.“
stärkste Fraktion stellten die Parteigänger des Revolutionärs Damals wussten sie noch nicht, dass die deutsche Revolution
Louis-Auguste Blanqui, der schon als junger Mann an der Juli- 1848 scheitern und dass sie kein Vorspiel für Kommendes sein
revolution von 1830 teilgenommen hatte. Sie alle einte das würde.

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6 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

Idealtypischer Vergleich der bürgerlichen und Krieg sich in die Länge zog, desto brüchiger wurde der Burgfrie-
der sozialistischen Revolution den. Nach dem „Steckrübenwinter“ 1916/17 hatte es im Früh-
jahr 1917 in verschiedenen Orten Streiks und Demonstrationen
bürgerliche sozialistische wegen der schlechten Lebensmittelversorgung gegeben. Im
Revolution Revolution
Januar 1918 erreichten die Streiks eine neue Qualität. Nach der
Träger der Revolution Bürgertum Arbeiterklasse Oktoberrevolution und dem deutsch-russischen Waffenstill-
stand war das Ausscheiden Russlands aus dem Krieg abseh-
Modernisierung liberales Modell autoritäres Modell
bar und das beflügelte die Hoffnung, dass es endlich Frieden
Ziele universale Menschen- Diktatur des geben würde. Die Kriegsmüdigkeit bei der durch Hungersnöte
rechte, gesellschaftliche Proletariats
Teilhabe geschwächten Bevölkerung war außerordentlich groß.
Am Montag, den 28. Januar 1918, traten in Berlin rund
Staatlichkeit Nationalstaat proletarischer Interna-
tionalismus, Ver-
400 000 Arbeiter und Arbeiterinnen in der Metall verarbei-
schwinden des Staates tenden Industrie in den Streik. Am Nachmittag trafen sich die
414 Delegierten der Streikenden im großen Saal des Berliner
globale Perspektive Welthandel, Imperia- Antiimperialismus,
lismus Weltrevolution Gewerkschaftshauses. Sie wählten, in Anlehnung an das rus-
sische Beispiel, einen elfköpfigen „Arbeiterrat“, der als Streik-
Staatsverfassung parlamentarische Räteherrschaft, Legisla-
Demokratie, Gewalten- tive und Judikative der leitung fungierte. Den Vorsitz übernahm Richard Müller, der
teilung Exekutive unterworfen innerhalb des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV)
Branchenleiter der Dreher war.
Müller spielte eine führende Rolle bei den Revolutionären
Obleuten, die innerhalb der Gewerkschaftsstrukturen in ver-
schiedenen Industriebetrieben ein unabhängiges Netzwerk frei
Die rote Fahne gewählter Vertrauensleute gebildet hatten. Sie lehnten die Burg-
[…] [D]ie Ereignisse überstürzen sich, alle Ereignisse scheinen friedenspolitik ab, bildeten eine betrieblich organisierte Arbeiter-
in Feuerbrillanten gefasst, die Straße ist die Atmosphäre des opposition und waren mit der aus der SPD hervorgegangenen
Tages, so spricht Marx. Aber er spricht auch von dem Katzen- USPD verbunden. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei
jammer, der den bürgerlichen Revolutionen folgt. Hüten wir Deutschlands (USPD) hatte sich im April 1917 von der SPD abge-
uns vor einem Katzenjammer. spalten, die damals häufig als Mehrheitssozialdemokratische
Diese Revolution muss nicht nur hinwegschwemmen alle Partei Deutschlands (MSPD) bezeichnet wurde, offiziell aber im-
Reste und Ruinen des Feudalismus, sie muss nicht nur brechen mer den Namen SPD beibehielt. Besonders stark waren die Revo-
alle Zwingburgen des Junkertums […], ihre Losung heißt nicht lutionären Obleute in den Berliner Rüstungsbetrieben vertreten,
nur Republik, sondern sozialistische Republik! Ihr Banner ist weswegen das falsche Gerücht aufkam, der Januarstreik sei aus-
nicht die schwarzrotgoldene Fahne der bürgerlichen Republik schließlich ein Streik der Rüstungsarbeiter gewesen.
von 1848, sondern die rote Fahne des internationalen sozialis- Gestreikt wurde Ende Januar 1918 nicht nur in Berlin, son-
tischen Proletariats, die rote Fahne der Kommune von 1871 und dern auch in Hamburg, Kiel, Nürnberg, Leipzig, Braunschweig,
der russischen Revolution von 1905 und 1917. Die Umwälzung Köln, Breslau, München, Magdeburg, Halle, Bochum, Dort-
im Deutschen Reiche muss unter diesem Zeichen die Bahn frei mund und anderen Städten. Insgesamt waren mehr als eine
machen für den Sozialismus. Aus dem Schutt und den Trüm- Million Menschen im Ausstand. Diese reichsweiten Januar-
mern des Weltkrieges muss das revolutionäre, siegreiche Pro-
letariat die neue Wirtschaft errichten. Dazu bedarf es der poli-
tischen Macht und der wirtschaftlichen Kräfte. […]
Die Rote Fahne, Zentralorgan des Spartakusbundes, vom 10. November 1918 Am Montag, den 28. Januar, beginnt der
Massenstreik!
Arbeiterinnen und Arbeiter auf zum Massenstreik! Auf zum
Kampf! […] Unser Massenstreik soll kein kraftloser „Protest“
Erst 70 Jahre später kam es in Deutschland zu einer erfolgrei- und kein von vornherein auf eine bestimmte Frist beschränk-
chen Revolution; was ihr Ziel sein sollte, war allerdings unter ter hohler Demonstrationsstreik, sondern ein Machtkampf
den politischen Kräften, die sie trugen, von Anfang an um- sein. Wir kämpfen so lange, bis unsere Mindestforderungen
stritten. Während viele Sozialdemokraten auf die unvollendete unverkürzt verwirklicht worden sind: Aufhebung des Belage-
Revolution von 1848 rekurrierten, sahen die Kommunisten in rungszustandes, der Zensur, aller Beschränkungen der Koa-
der bolschewistischen Revolution von 1917 ihr Vorbild. litions-, Streik-, Vereins- und Versammlungsfreiheit, Freilas-
sung aller politisch Inhaftierten – dies sind die Bedingungen,
die uns notwendig sind, um unseren Kampf um die Macht,
um die Volksrepublik in Deutschland und einen sofortigen
Deutsche Revolution allgemeinen Frieden frei zu entfalten.
Jeder Separatfriede führt nur zur Verlängerung und Ver-
Januarstreik 1918 schärfung des Völkermordens. Es gilt um jeden Preis, den
Im Rahmen der Burgfriedenspolitik hatte die Generalkommis- Separatfrieden in einen allgemeinen Frieden zu verwandeln.
sion der Gewerkschaften Deutschlands sich am 2. August 1914 Dies ist unser Ziel. […] Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der
bereit erklärt, solange der Krieg andauerte, auf Lohnkämpfe Regierung! Hoch der Massenstreik!
und Streiks zu verzichten. Waren 1913 im Deutschen Reich noch Streikaufruf des Spartakusbundes, in: Günter Hillmann (Hg.), Die Rätebewegung, Bd. 1,
über vier Millionen Arbeitstage durch Streiks verloren gegan- Rowohlt Verlag, Reinbek 1971, S. 14 f.
gen, betrug die Zahl 1915 weniger als 5000. Doch je mehr der

Informationen zur politischen Bildung aktuell Nr. 33/2018


Deutsche Revolution – Oktoberreformen 7

reich-Ungarn in den Friedensverhandlungen mit Sowjetruss-


Forderungen der Revolutionären Obleute, land in Brest-Litowsk erhoben.
Berlin, 28. Januar 1918 Der Januarstreik war eine erste Machtprobe, aber nach einer
1. Schleunige Herbeiführung des Friedens ohne Annexion, Woche musste er abgebrochen werden. Die Militärbehörde ver-
ohne Kriegsentschädigung, auf Grund des Selbstbestim- hängte den verschärften Belagerungszustand, verbot Streikver-
mungsrechts der Völker entsprechend den Ausführungs- sammlungen und Sitzungen des Arbeiterrates, verhaftete strei-
bestimmungen, die dafür von den russischen Volksbeauf- kende Arbeiter und zog andere zum Militärdienst ein. Außerdem
tragten in Brest-Litowsk formuliert wurden. wurden die kriegswichtigen Rüstungsbetriebe militärischer
2. Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den Frie- Leitung unterstellt. Der Streik war aber nicht nur für das Wil-
densverhandlungen. helminische Kaiserreich eine Herausforderung, sondern auch
3. Ausgiebigere Nahrungsversorgung durch Erfassung der für die oppositionelle SPD. Für sie war es sehr gefährlich, wenn
Lebensmittelbestände in den Produktionsbetrieben wie in der Eindruck entstand, dass die große Mehrheit der traditionell
den Handelslagern zwecks gleichmäßiger Zuführung an sozialdemokratischen Arbeiterschaft gar nicht mehr hinter ihr
alle Bevölkerungskreise. stand. Der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert trat deshalb in die
4. Der Belagerungszustand ist aufzuheben. Das Vereinsrecht Streikleitung ein, obwohl er den Streik ablehnte. Er wollte daran
tritt vollständig wieder in Kraft, ebenso das Recht der freien mitwirken, dass er sich nicht ausweitete und zu einem baldigen
Meinungsäußerung in der Presse und in Versammlungen. […] Ende kam. Auf der einen Seite lehnte die Streikleitung die von
5. Die Militarisierung der Betriebe ist gleichfalls aufzuheben. der SPD vorgeschlagene Vermittlung der Generalkommission
6. Alle wegen politischer Handlungen Verurteilte und Ver- der Gewerkschaften bei der Regierung ab. Auf der anderen Seite
haftete sind sofort freizulassen. wäre eine Weiterführung des Streiks auf einen offenen Kampf
7. Durchgreifende Demokratisierung der gesamten Staats- gegen das Militär hinausgelaufen. Deshalb musste er abgebro-
einrichtungen in Deutschland, und zwar zunächst die chen werden. Trotz dieses Scheiterns trugen die Erfahrungen
Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und gehei- des Januarstreiks dazu bei, dass der DMV sich 1919 als einzige
men Wahlrechts für alle Männer und Frauen im Alter von deutsche Gewerkschaft zu den Ideen der Räterepublik bekannte.
mehr als 20 Jahren für den preußischen Landtag.
Wilhelm Dittmann, Erinnerungen, Bd. 2, Campus Verlag, Frankfurt / M. 1995, S. 526 f. Oktoberreformen
Die revolutionären Ereignisse in Russland beeinflussten auch
die innenpolitische Debatte in Deutschland. Die Arbeiter-
streiks wurden wesentlich von den Revolutionären Obleuten schaft, die das Gros der Soldaten in den Schützengräben an
organisiert. Inspiriert waren sie nicht zuletzt durch den Er- der Westfront stellte, sah mit wachsender Ungeduld, dass es
folg der russischen Oktoberrevolution, vor allem aber durch keine Fortschritte bei der Demokratisierung des deutschen
den auf Initiative der Bolschewiki zustande gekommenen Kaiserreiches gab, für das sie Krieg führen mussten. Kaiser
deutsch-russischen Waffenstillstand und die damit verbun- Wilhelm II. stellte auf Drängen von Reichskanzler Theobald
denen Hoffnungen auf Friedensverhandlungen. Das galt auch von Bethmann Hollweg in seiner Osterbotschaft vom 7. April
für den „Jännerstreik“. Er fand vom 3. bis 25. Januar im Habs- 1917 immerhin eine Reform des preußischen Dreiklassen-
burger Reich statt, über 700 000 Arbeiter nahmen ­daran teil. wahlrechts in Aussicht, das die Arbeiterschaft bisher extrem
Die Streiks richteten sich vor allem gegen die territorialen benachteiligt hatte. Das war wenig aus der Sicht der kriegs-
Forderungen, die die Mittelmächte Deutschland und Öster- müden Bevölkerung, aber den preußischen Konservativen
akg-images / Sammlung Berliner Verlag / Archiv

Januar 1918, Hamburg. Truppen und Geschütze auf den Straßen von St. Pauli

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8 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

schon zu viel. Das linksliberale Bürgertum, das die tragen- Gegner ansah. Nach seiner Überzeugung war Erzberger die trei-
de Kraft der Revolution von 1848 gewesen war, spielte nach bende Kraft hinter dem Bemühen, der Regierung „Majoritäts-
der „Reichsgründung von oben“ als politischer Machtfaktor fesseln“ anzulegen. Prinz Max wollte die Reichstagsmehrheit
kaum noch eine Rolle. „wieder in ihre wohlverdiente Ohnmacht zurücktreiben“ und
Seit den Reichstagswahlen von 1912 war die SPD die mit das Deutsche Reich vor einem „Erzberger-Scheidemann-Frie-
Abstand stärkste Fraktion im Deutschen Reichstag. Zusam- den“, das heißt einem Verständigungsfrieden, retten. Er war
men mit dem katholischen Zentrum und der Fortschrittlichen davon überzeugt, dass er dazu eher in der Lage war als sein
Volkspartei stellte sie eine klare Mehrheit der Abgeordneten. Vorgänger Georg Graf von Hertling.
Aber politisch wirksam wurde diese Mehrheit nicht, da die SPD Ob gewollt oder nicht, die Zugeständnisse in Richtung einer
jede Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien ablehnte. Erst Parlamentarisierung entfalteten ihre eigene Dynamik. Als der
im Lauf des Krieges wuchs die Bereitschaft zur Zusammenar- soeben gekürte Reichskanzler am 5. Oktober seine erste Rede
beit zwischen dem sozialdemokratischen Mehrheitsflügel und im Reichstag hielt, bekannte er sich zur parlamentarischen De-
den gemäßigten bürgerlichen Parteien. Manifest wurde dies mokratie, zur Friedensresolution von 1917 und begrüßte Wilsons
am 6. Juli 1917, als die drei Parteien den sogenannten Interfrak- 14-Punkte-Programm. Das alles tat er gegen seine innere Über-
tionellen Ausschuss bildeten. Anlass dazu war die Friedens- zeugung. In der Rede, die er eigentlich hatte halten wollen, hatte
resolution, die der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger etwas ganz anderes gestanden, aber Vizekanzler Friedrich von
im Reichstag eingebracht hatte und die auf eine Beendigung Payer und der Staatssekretär des Auswärtigen, Wilhelm Solf,
des Krieges durch einen Verständigungsfrieden abzielte. Es hatten ihn genötigt, eine Rede zu halten, die den Eindruck hin-
waren dies dieselben politischen Kräfte, die nach der Wahl zur terließ, die neue Regierung habe die Zeichen der Zeit verstanden.
Nationalversammlung dann die sogenannte Weimarer Koali- Prinz Max war auch nicht in Uniform vor den Reichstag getre-
tion bildeten. ten, was ebenfalls ein Zugeständnis an die Zeitstimmung war.
Am 29. September 1918 erklärte die Oberste Heeresleitung Dabei hatte er die Hoffnung, der Krieg könne womöglich doch
(OHL) den Krieg an der Westfront für verloren und forderte noch so lange fortgesetzt werden, bis man den Alliierten erträg-
die Regierung auf, Waffenstillstandsverhandlungen aufzu- liche Friedensbedingungen abringen könne, und als seine vor-
nehmen. Erich Ludendorff plädierte dafür, sofort mit US-Prä- nehmste Aufgabe sah er es an, die Kaiserkrone zu retten. Aber
sident Woodrow Wilson Kontakt aufzunehmen, von dem man in der Öffentlichkeit wurde er als ein Mann wahrgenommen,
sich die mildesten Waffenstillstandsbedingungen erhoffte. der bereit war, die erforderlichen Schritte einzuleiten, um das
Zugleich schlug er eine Parlamentarisierung des Deutschen Land aus der schweren Krise, in die es geraten war, herauszu-
Reiches vor, das bedeutete eine Einbeziehung der im Inter- führen und der auch vor Reformen nicht zurückscheute. Diese
fraktionellen Ausschuss verbundenen Parteien in die Regie- Schritte waren indes zu zögerlich und sie kamen zu spät, um
rungsarbeit. Das war sicher ein taktischer Vorschlag, denn noch viel zu bewirken.
Ludendorff war nicht bereit, selbst an den anstehenden Kapi- Das „Gesetz zur Änderung der Reichsverfassung“ war der Ver-
tulationsverhandlungen mitzuwirken. such, die Reichstagsmehrheit politisch einzubinden und das vor-
Am 3. Oktober 1918 wurde Prinz Max von Baden neuer Re- parlamentarische System des semikonstitutionellen deutschen
gierungschef. Er war ein Vertreter der alten gesellschaftlichen Kaiserreiches zu überwinden. Aber diese Parlamentarisierung
Elite, kein Demokrat, aber vom süddeutschen Liberalismus ge- kam zu spät, sie war de facto die unmittelbare Vorstufe zum
prägt. Prinz Max ernannte die Sozialdemokraten Philipp Schei- Ende der Monarchie. Das politische System des Kaiserreiches
demann und Gustav Bauer zu Staatssekretären, sodass nun war bei allen Modernisierungsdefiziten den Herausforderungen
erstmals auch die SPD in der Regierung vertreten war. Er tat des Krieges gewachsen gewesen, solange die große Mehrheit
dies, weil er es für unvermeidlich hielt, die Sozialdemokratie der Bevölkerung an einen deutschen Sieg glauben konnte. Aber
einzubinden, und außerdem Erzberger als den gefährlicheren im Herbst 1918 gab es für diesen Glauben keine Basis mehr.

Aufzeichnung des Reichskanzlers Prinz Max


United Archives / TopFoto / Süddeutsche Zeitung Photo

von Baden, 16. Oktober 1918


Die militärische Lage hat uns auf Verlangen der Obersten
Heeresleitung unerwartet genötigt, am 5. Oktober ein has-
tiges Ersuchen um Waffenstillstand an den Präsidenten der
Vereinigten Staaten zu richten. Dieser Schritt kam einer Ka-
pitulation gleich und ist von unseren Feinden wie auch im
neutralen Ausland nicht anders als militärische Bankerott­
erklärung aufgefasst worden. […]
Angesichts der Lage sind für heute nur zwei Entscheidun-
gen möglich, entweder der Kampf bis zur Vernichtung oder
der Versuch, nach dem militärischen Zusammenbruch wirt-
schaftlich und politisch zu retten, was noch zu retten ist.
Der Wunsch, in Ehren unterzugehen, liegt sicher für den Ein-
zelnen nahe. Der verantwortliche Staatsmann muss aber damit
rechnen, dass das Volk in seinen breiten Massen ein Recht hat,
nüchtern zu verlangen, zu leben, statt in Schönheit zu sterben.
August 1918, während der zweiten Somme-Schlacht nahe Amiens: deutsche Solda- Die Erste Republik, Piper Verlag, München 1992, S. 39
ten in britischer Kriegsgefangenschaft

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Deutsche Revolution – Kieler Matrosenaufstand 9

1918
8. August Eine britisch-französische Offensive fügt den Deutschen
schwere Verluste zu, „schwarzer Tag des deutschen Heeres“ (Luden-
dorff).
14. September Kaiser Karl I. von Österreich sendet eine Friedensnote
an alle alliierten und neutralen Staaten.
29. September Die OHL erklärt den Krieg an der Westfront für verloren,
Erich Ludendorff plädiert für Waffenstillstandsverhandlungen.
30. September Kapitulation Bulgariens
Wilhelm II. kündigt an, das parlamentarische System in Deutschland
einzuführen, Reichskanzler Georg Graf von Hertling tritt zurück.
3. Oktober Prinz Max von Baden wird zum Reichskanzler ernannt,
Philipp Scheidemann wird Staatssekretär ohne Portefeuille, Gustav
Bauer wird am Tag darauf Staatssekretär des neu errichteten Reichs-
arbeitsamtes. Beide gehören der SPD an.

© Deutsches Historisches Museum


4. Oktober Prinz Max von Baden ersucht Woodrow Wilson in einer
öffentlichen, von der OHL vorbereiteten Note um Friedensverhand-
lungen auf der Basis der 14 Punkte vom 8. Januar 1918.
25. Oktober Das „Gesetz zur Abänderung der Reichsverfassung“ wird
verabschiedet und tritt am 28. Oktober in Kraft.
26. Oktober Die österreichische Regierung beschließt, unabhängig
vom Deutschen Reich mit Wilson über einen Waffenstillstand zu ver-
handeln. 4. November 1918. Im U-Boot-Hafen in Kiel wird auf einem Boot die rote Fahne
gehisst.
28. Oktober Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik

lutionäre Frankreich 1793 im Ersten Koalitionskrieg in schwie-


Kieler Matrosenaufstand riger Lage zum Sieg geführt. Aber in Deutschland war daran
Es gehörte zu den ersten Amtshandlungen des neuen Reichs- nicht zu denken. Prinz Max von Baden schrieb rückblickend
kanzlers Prinz Max von Baden, mit Woodrow Wilson, dem Prä- über das Ende des Ersten Weltkrieges: „Wohl würden die Mas-
sidenten der USA, Kontakt aufzunehmen. Von allen Kriegs- sen aufstehen, aber nicht gegen den Feind, sondern gegen den
gegnern war er derjenige, von dem am ehesten moderate Krieg und die ‚militärischen Beherrscher’ und ‚monarchischen
Friedensbedingungen zu erhoffen waren. Konkreter Bezugs- Aristokraten’, zu deren Schutz er ihrer Meinung nach geführt
punkt war sein 14-Punkte-Programm vom 8. Januar 1918, in würde.“ Das war zutreffend beobachtet. Die Menschen woll-
dem er Grundzüge einer Friedensordnung für ein Nachkriegs- ten sich nicht in einem Krieg opfern, von dem sie den Eindruck
europa entwickelt hatte. Unglücklicherweise versenkte sechs haben mussten, dass es nicht um ihre Sache ging. Es rächte
Tage später, am 10. Oktober, ein deutsches U-Boot das briti- sich, dass ein erstarrtes Regime es versäumt hatte, durch ein
sche Passagierschiff RMS Leinster. Das führte zu einer abrup- Reformprogramm, das den Namen verdiente, dem Millionen-
ten Verhärtung auf amerikanischer Seite, schließlich war die heer der Arbeiter deutlich zu machen, dass der Staat, für den
Wiederaufnahme des deutschen U-Boot-Krieges, der sich aus- sie ins Feld zogen, auch ihr Staat war.
drücklich auch gegen zivile Schiffe richtete, der Anlass für den Die Initialzündung für die Revolution ging weder von der
Kriegseintritt der USA gewesen. Obersten Heeresleitung noch von der Regierung, sondern von
Wilson präsentierte verschärfte Friedensbedingungen und der Seekriegsleitung aus. Konteradmiral Adolf von Trotha, der
forderte eine Garantie der fortwährenden militärischen Über- Chef des Personalamts im Reichsmarineamt, gab am 24. Ok-
legenheit der Alliierten, was dazu führte, dass die Führung tober den Befehl zum Auslaufen der in dem Reichskriegs-
der OHL, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und hafen Wilhelmshaven liegenden Hochseeflotte, der drei Tage
sein Stabschef Erich Ludendorff, von ihrer Befürwortung von später von Admiral Reinhard Scheer genehmigt wurde. Das
Friedensverhandlungen wieder abrückten. Sie fuhren ohne sprach sich bald herum und sorgte für erhebliche Unruhe.
kaiserliche Erlaubnis nach Berlin und erklärten am 24. Okto- Die Kriegsmüdigkeit war auch bei den Schiffsbesatzungen
ber in einem von Ludendorff verfassten und von Hindenburg groß und sie wollten nichts tun, was die Aussicht auf baldi-
unterzeichneten Armeebefehl: „Die Antwort Wilsons fordert gen Frieden gefährden konnte.
die militärische Kapitulation. Sie ist deshalb für uns Soldaten Als sich die Anzeichen verdichteten, dass die Hochseeflotte
unannehmbar. Sie ist der Beweis, dass der Vernichtungswille zu einer letzten Feindfahrt auslaufen sollte, um die Ehre der
unserer Feinde, der 1914 den Krieg entfesselte, unvermindert deutschen Marine zu retten, kam es auf den Schiffen zu einer
fortbesteht.“ Das war ein klarer Fall von Insubordination, offenen Rebellion, die auch durch zahlreiche Verhaftungen
von Gehorsamsverweigerung. Reichskanzler Prinz Max von nicht mehr zu stoppen war. Die Matrosen hatten keine Lust,
Baden zwang die beiden Generäle, Wilhelm II. um ihre Entlas- sich am Ende des offensichtlich verlorenen Krieges noch ver-
sung zu bitten. Der Kaiser nahm das Entlassungsgesuch von heizen zu lassen und meuterten. Die entscheidenden Ereig-
Ludendorff an, nicht aber das von Hindenburg. nisse, die zur Revolution führten, spielten sich in Kiel ab, das
Ludendorff wollte das deutsche Volk zu einer letzten großen wie Wilhelmshaven Reichskriegshafen war. Von den Nord-
Anstrengung aufrufen, um das Blatt doch noch zu wenden. seehäfen breitete sich die Revolution dann innerhalb weni-
Eine solche levée en masse (Massenaushebung) hatte das revo- ger Tage über ganz Deutschland aus.

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10 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

Überlegungen in ernster Stunde


1. Auch jetzt muss allen anderen Überlegungen vorangehen: 7. Die Ausfahrt der Flotte hat unter allen Umständen zu unter-
„Wie kann der Ubootskrieg in stärkster Wirkung erhalten bleiben.
werden.“ […] 8. Jegliche Schutzmaßnahmen mit Blutvergießen haben zu
3. So ist die Flotte durch den Ubootskrieg gebunden; ein Vorstoß unterbleiben.
der gesamten Hochseestreitkräfte, um einen Erfolg auf dem 9. Zurückziehung sämtlicher nicht zur Garnison gehöriger
Wasser zu suchen, […] würde das Aufgeben der Grundlage für Truppen.
den U-Krieg bedeuten. 10. Alle Maßnahmen zum Schutze des Privateigentums werden
4. Ein solcher Einsatz kommt daher nur in Frage: sofort vom Soldatenrat festgesetzt.
a. wenn der Gegner in die Deutsche Bucht oder in die Belte 11. Es gibt außer Dienst keine Vorgesetzten mehr.
einbricht. 12. Unbeschränkte persönliche Freiheit jedes Mannes von Been-
b. wenn der Ubootskrieg völlig aufgegeben wird. digung des Dienstes bis zum Beginn des nächsten Dienstes.
c. wenn eine schwere Schädigung der englischen Seemacht 13. Offiziere, die sich mit den Maßnahmen des jetzt bestehen-
mehr Vorteil für uns verspricht als die Weiterführung des den Soldatenrates einverstanden erklären, begrüßen wir in
U-Krieges oder unserer Mitte. Alles Übrige hat ohne Anspruch auf Versor-
d. unsere Flotte sonst einem schmachvollen Ende entgegen- gung den Dienst zu quittieren.
geht. 14. Jeder Angehörige des Soldatenrates ist von jeglichen Diens-
5. Der Flotte steht ein solcher Schlusskampf als höchstes Ziel vor ten zu befreien.
Augen, um nicht diesen Krieg beschließen zu müssen, ohne 15. Sämtliche in Zukunft zu treffenden Maßnahmen sind nur
dass die in ihr steckende nationale Kraft voll zur schlagenden mit Zustimmung des Soldatenrates zu treffen.
Wirkung gekommen ist.
Die Erste Republik, Piper Verlag, München 1992, S. 39 f.
6. Aus einem ehrenvollen Kampf der Flotte, auch wenn er ein
Todeskampf wird in diesem Kriege, wird – wenn unser Volk
nicht überhaupt national versagt – eine neue deutsche Zu- Zur geschichtlichen Betrachtung der November-
kunfts-Flotte hervorwachsen; einer durch schmachvollen Ereignisse von 1918
Frieden gefesselten Flotte ist die Zukunft gebrochen. […] Am Beginn der Ereignisse steht nicht die militärische Rebel-
lion der Marinemannschaften, sondern die militärische Re-
Konteradmiral Adolf von Trotha, Aufzeichnung vom 6. Oktober 1918, in: Wilhelm Deist,
1966, S. 352 f. bellion der Admiräle! Der Flottenvorstoß war der Dolchstoß
der Seekriegsleitung in den Rücken der parlamentarischen
Regierung des Prinzen Max von Baden, die auf dem Boden der
14-Punkte-Programm des Kieler Soldatenrates, Bismarck’schen Reichsverfassung völlig legal gebildet worden
4. November 1918 war. Den Hoch- und Landesverrat der Admiräle durchkreuz-
1. Freilassung sämtlicher Inhaftierten und politischen Gefan- te die Gegenaktion der Matrosen und Heizer für die verfas-
genen. sungsmäßige Regierung. Die Racheaktion der Admiräle, die
2. Vollständige Rede- und Pressefreiheit. nunmehr einsetzte, löste erst die revolutionäre Erhebung der
3. Aufhebung der Briefzensur. Heizer und Matrosen aus, die zum Beginn der Revolution im
4. Sachgemäße Behandlung der Mannschaften durch Vorgesetzte. Reiche wurde.
5. Straffreie Rückkehr sämtlicher Kameraden an Bord und in Wilhelm Dittmann, Die Marine-Justiz-Morde von 1917 und die Admirals-Rebellion von
die Kasernen. 1918, Verlag J. H. W. Dietz Bonn 1926, S. 104
akg-images

5. November 1918, Kiel. Gustav Noske spricht als Beauftragter der Regierung zu den Marinesoldaten.

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Deutsche Revolution – Das Ende des deutschen Kaiserreiches 11

5. November Alle Kriegsschiffe hissen die rote Fahne. Bildung von Ar-
beiter- und Soldatenräten in Brunsbüttelkoog und Lübeck
Die Regierung in Berlin verweigert Vizeadmiral Mann die Erlaubnis
zum Angriff.
6. November Arbeiter- und Soldatenräte übernehmen die politische
Gewalt in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Bremen, Hamburg, Rendsburg
und Flensburg. In den folgenden Tagen folgen zahlreiche weitere
Städte in ganz Deutschland.
7. November Gustav Noske wird zum Vorsitzenden des örtlichen Ar-
beiter- und Soldatenrates sowie als Nachfolger von Admiral Wilhelm
Souchon zum Gouverneur von Kiel gewählt.

Das Ende des deutschen Kaiserreiches


Am Ende ging alles sehr schnell. Am 7. November 1918 erklär-
te Kurt Eisner den bayerischen König Ludwig III. für abgesetzt
und ließ sich tags darauf vom Münchner Arbeiter- und Solda-
tenrat zum ersten Ministerpräsidenten des neuen Freistaates
wählen. Innerhalb von wenigen Tagen wurden alle 22 gekrön-
ten Häupter, die in Deutschland bis dahin regiert hatten, abge-
setzt oder traten zurück.
akg-images

Reichskanzler Prinz Max von Baden betrieb ab dem 28. Okto-


ber die Abdankung Wilhelms II. Als der Kaiser erkennen musste,
dass nicht nur der Rückhalt in der Bevölkerung immer mehr ge-
10. November 1918, Wilhelmshaven. Am „Freiheits-Sonntag“, nach der Proklamati-
schwunden war, sondern auch die Regimentskommandeure der
on der „Sozialistischen Republik Oldenburg/Ostfriesland“, veranstalten Matrosen
der Hochseeflotte ein Feuerwerk. Erstveröffentlichung: Berliner Illustrirte Zeitung Westfront auf Befragen angaben, nicht mehr für die Loyalität der
vom 24. November 1918 Truppe garantieren zu können, verließ er Berlin und nahm Quar-
tier in Spa, von wo er weiter Kontakt mit der Obersten Heereslei-
tung hielt. Der Kieler Matrosenaufstand und die sich anschlie-
1918 ßende Novemberrevolution mussten ihm die letzten Illusionen
8. August Errichtung der Seekriegsleitung unter Admiral Reinhard nehmen, dass seine Machtposition noch eine Zukunft hatte.
Scheer Inzwischen forderten nicht nur die Fortschrittliche Volkspar-
tei und die SPD seine Abdankung, sondern auch das Zentrum.
30. September Admiral Scheer zieht die Hochseeflotte in Wilhelmsha-
Hindenburg riet ihm ebenfalls, ins Ausland zu gehen. Dennoch
ven zusammen.
zögerte er und überlegte, nur als Kaiser, nicht aber als preußi-
20. Oktober Reichskanzler Prinz Max von Baden und das Kriegskabi- scher König und Oberbefehlshaber des Heeres zurückzutreten,
nett lehnen eine Fortsetzung des U-Boot-Krieges ab. sodass der Reichskanzler schließlich gezwungen war, die Ab-
23. Oktober US-Präsident Woodrow Wilson fordert in seiner dritten dankung ohne Autorisierung bekannt zu geben. Wilhelm II.,
Note die Entmachtung des Kaisers, die Entwaffnung des Deutschen der das Schicksal der Zarenfamilie vor Augen hatte, bestieg am
Reiches, die Rückgabe von Elsass-Lothringen und die Aufhebung des Abend des 9. November seinen Hofzug und fuhr am nächsten
Friedens von Brest-Litowsk. Morgen in den 50 Kilometer nördlich gelegenen niederlän-
24. Oktober Befehl der Seekriegsleitung zum Auslaufen der Hochsee- dischen Grenzort Eijdsen. Dort begab er sich in die Hände der
flotte niederländischen Regierung, die ihm Asyl gewährte und sich
auch später nicht davon beeindrucken ließ, dass im Versailler
26. Oktober General Erich Ludendorff wird entlassen.
Friedensvertrag stand, Wilhelm solle als Kriegsverbrecher vor
27. Oktober Admiral Scheer genehmigt den Befehl zum Auslaufen der Gericht gestellt werden. Dies allein schon deshalb, weil die neu-
Flotte am 30. Oktober. Auf mehreren Schiffen kommt es zu ersten Be- tralen Niederlande nicht Vertragspartei waren. Reichskanzler
fehlsverweigerungen.
Prinz Max von Baden gab die Abdankung von Kaiser Wilhelm II.
29. Oktober Der Admiral und Chef der Hochseeflotte Franz von Hipper bekannt und übertrug die Reichskanzlerschaft an den SPD-Vor-
suspendiert den Befehl, nachdem die Matrosen des 1. und 3. Geschwa- sitzenden Friedrich Ebert.
ders die Kesselfeuer stillgelegt hatten. Damit war das 1871 in Versailles proklamierte Kaiserreich Ge-
2. November Vizeadmiral Ernst Ritter von Mann wählt kaisertreue schichte, das Deutsche Reich eine Republik. Es war ein „merk-
U-Boot-Kommandanten aus, um die in Kiel ankernden Schlachtschiffe würdig laut- und widerstandsloses Vergehen der Monarchie in
von See anzugreifen. Deutschland“ (Alexander Gallus). Das maßgeblich von Otto von
3. November Bei einer Demonstration in Kiel werden sieben Matrosen Bismarck geschaffene Reich hatte immer unter erheblichen in-
erschossen. neren Spannungen gestanden. Die von ihm erstrebte „innere
Reichsgründung“ war nicht wirklich geglückt. Es war ein halb-
3./4. November Demonstrationen mit dem Ziel, die etwa 1000 in Wil-
feudaler Obrigkeitsstaat, der eine enorme Industrialisierung,
helmshaven verhafteten Matrosen zu befreien
die im Begriff war, sogar Großbritannien den Rang abzulaufen,
4. November Bildung eines Soldatenrates, Verabschiedung eines nicht mit einer Modernisierung in Politik und Gesellschaft ver-
14-Punkte-Programms, die Aufständischen haben Kiel unter Kontrolle. bunden hatte. Neben der höfischen Kultur hatte sich keine eben-
Die Beauftragten der Regierung Conrad Haußmann (Fortschrittliche bürtige moderne bürgerliche Kultur etablieren können. Viele
Volkspartei) und Gustav Noske (SPD) treffen in Kiel ein. Vertreter der Funktionseliten vertraten einen „radikalen, antide-

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12 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

mokratischen Nationalismus“ (Hans-Ulrich Wehler). Heinrich


Ernst Dahn – Ernst Friedrich (Hg.), Deutscher Revolutions-Almanach 1919 für das Jahr 1919 über die Ereignisse des Jahres 1918, Berlin 1919, S. 59

Mann hat dieses Milieu meisterhaft in seinem Roman „Der Unter-


tan“ geschildert, den er im Juli 1914 abgeschlossen hatte, der aber
erst nach Ende des Ersten Weltkrieges erscheinen konnte. Mit
schwindendem Kriegsglück hatten die inneren Spannungen zu-
genommen und zugleich schwand die Loyalität zum Kaiserhaus.
Am Ende weinte kaum jemand Wilhelm II. eine Träne nach.
Auch viele Monarchisten empfanden seine Flucht in die Nie-
derlande, ohne Abdankung und ohne jeden Dank an die Sol-
daten, die mehr als vier Jahre lang für ihn gekämpft hatten,
als unwürdig. Gleichzeitig standen große Teile der alten Eliten
und auch des Bürgertums den revolutionären Ereignissen ab-
lehnend gegenüber.
Am 9. November um die Mittagszeit erschienen die Sozialde-
mokraten Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann im Reichs-
kanzler-Palais, wo sie von Prinz Max, Vizekanzler Friedrich von
Payer und weiteren Regierungsmitgliedern erwartet wurden.
Der Reichskanzler fragte die SPD-Politiker, ob sie für Ruhe und
Ordnung garantieren könnten, was Scheidemann bejahte.
Sodann sprach er die Regentschaftsfrage an, d. h., die Frage
der Nachfolge von Wilhelm II. Ebert beschied ihm, dafür sei es
zu spät. Prinz Max trug unter Zustimmung der anwesenden
Staatssekretäre Ebert als dem Vorsitzenden der größten Reichs-
tagsfraktion das Amt des Reichskanzlers an, da es ja nun keinen
Kaiser mehr gab, der einen Reichskanzler ernennen konnte, und
er selbst seine Mission als erfüllt ansah. Ebert antwortete: „Es ist
ein schweres Amt, aber ich werde es übernehmen.“
Schließlich verständigte man sich darauf, dass die National-
7. November 1918, Berlin. Schon vor dem Beginn der Revolution in Berlin warnte
versammlung über die Frage der künftigen Staatsform ent-
der militärische Oberbefehlshaber in den Marken vor der Bildung von Arbeiter- scheiden solle. Um 14 Uhr rief Scheidemann dennoch vor dem
und Soldatenräten nach russischem Muster. Reichstag die deutsche Republik aus, worüber Ebert, mit dem
er dies nicht abgesprochen hatte, sehr verärgert war. Zwei
Stunden später propagierte der Spartakist Karl Liebknecht
von einem Balkon des Berliner Stadtschlosses die freie sozia-
listische Republik. (1950 wurde das im Zweiten Weltkrieg be-
schädigte Schloss gesprengt. Der Balkon wurde mitsamt dem
darunterliegenden Portal später als „Karl-Liebknecht-Portal“
in das Staatsratsgebäude der DDR eingebaut.) Die Ansprachen
von Scheidemann und Liebknecht zeigten bereits deutlich,
dass Sozialdemokraten und Kommunisten ganz unterschied-
liche Vorstellungen davon hatten, was das Ergebnis der gerade
beginnenden Revolution sein sollte.

1918
28./29. Oktober Wilhelm II. verlässt Berlin und fährt in sein Großes
Hauptquartier in Spa (Belgien).
30. Oktober Kapitulation des Osmanischen Reiches (Waffenstillstand
von Mudros)
9. November Reichskanzler Prinz Max von Baden gibt eigenmächtig
die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. bekannt. Anschließend über-
gibt er die Reichskanzlerschaft an Friedrich Ebert.
9./10. November Wilhelm II. verlässt Spa und begibt sich in die neutralen
Niederlande. Die niederländische Regierung gestattet ihm den Aufenthalt
unter der Bedingung, dass er auf jede politische Betätigung verzichtet
Erich Ludendorff flieht unter falschem Namen mit einem finnischen
Diplomatenpass nach Schweden.
11. November Unterzeichnung des Waffenstillstands bei Compiègne
akg-images

28. November Wilhelm II. unterzeichnet seine Abdankungsurkunde.

1919

9. November 1918, Berlin. Extraausgabe des sozialdemokratischen „Vorwärts“ Wilhelm II. erwirbt das Haus Doorn (Provinz Utrecht), wo er bis zu sei-
mit dem Erlass des Reichskanzlers Prinz Max von Baden nem Tod 1941 lebt.

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Deutsche Revolution – Novemberrevolution 13

bpk
ullstein bild / Haeckel Archiv
November 1918. Nach der Ausrufung der Republik verlässt das Hofpersonal Kaiser 10. November 1918. Kaiser Willhelm II. (4. v. l.) wartet nach seiner Abdankung in Spa
Wilhelms II. den Dienst. auf den Zug ins niederländische Exil.

Novemberrevolution
Ausrufung der Republik durch Philipp Reichskanzler Prinz Max von Baden hatte mit dem Sozial-
Scheidemann, 9. November 1918 demokraten Friedrich Ebert den Vorsitzenden der größten
Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt. Das alte deutschen Partei zu seinem Nachfolger gemacht und damit
Morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erle- gewissermaßen im Sinn der durch die Oktoberreformen ge-
digt! Die Hohenzollern haben abgedankt! Es lebe die deut- schaffenen Verfassung gehandelt. Ebert wollte zunächst die
sche Republik! Der Abgeordnete Ebert ist zum Reichskanzler ab Juli 1917 bestehende Zusammenarbeit mit der Fortschritt-
ausgerufen worden. Ebert ist damit beauftragt worden, eine lichen Volkspartei und dem Zentrum fortsetzen, sah allerdings
neue Regierung zusammenzustellen. Dieser Regierung wer- die Notwendigkeit, angesichts ihrer beträchtlichen Anhän-
den alle sozialistischen Parteien angehören. Jetzt besteht gerschaft unter den Arbeitern, die USPD mit ins Boot zu holen.
unsere Aufgabe darin, diesen glänzenden Sieg, diesen vollen Sein Ziel war es, die Arbeiter- und Soldatenräte, die in vielen
Sieg des deutschen Volkes nicht beschmutzen zu lassen, und Städten entstanden waren, so rasch wie möglich zu entmach-
deshalb bitte ich Sie, sorgen Sie dafür, dass keine Störung der ten und die Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. An-
Sicherheit eintrete! […] gesichts der revolutionären Lage gab die SPD aber diese Linie
Bericht von Manfred Jessen-Klingenberg, in: Die Erste Republik, Piper Verlag,
bald auf und entschloss sich zu Verhandlungen mit der USPD
München 1992, S. 46 f. über die Bildung einer rein sozialistischen Regierung, wobei
allerdings die bisherigen Staatssekretäre, wie die Ressortmi-
nister damals hießen, zunächst im Amt blieben.
Ausrufung der sozialistischen Republik durch Die USPD zeigte sich kompromissbereit und machte Ab-
Karl Liebknecht, 9. November 1918 striche von ihrem ursprünglichen Forderungskatalog, sodass
[…] „Wir müssen alle Kräfte anspannen, um die Regierung der sich schon am 10. November der Rat der Volksbeauftragten
Arbeiter und Soldaten aufzubauen und eine neue staatliche konstituierte. Ihm gehörten vonseiten der SPD Friedrich Ebert,
Ordnung des Proletariats zu schaffen, eine Ordnung des Frie- Philipp Scheidemann und Otto Landsberg an, für die USPD
dens, des Glücks und der Freiheit unserer deutschen Brüder Hugo Haase und Wilhelm Dittmann, die den eher gemäßigten
und unserer Brüder in der ganzen Welt. Wir reichen ihnen die Flügel der Unabhängigen repräsentierten, außerdem der Ra-
Hände und rufen sie zur Vollendung der Weltrevolution auf. dikale Emil Barth, der auch bei den Revolutionären Obleuten
Wer von Euch die freie sozialistische Republik Deutschland eine führende Rolle spielte. Richard Müller, der Vorsitzende
und die Weltrevolution erfüllt sehen will, erhebe seine Hand der Revolutionären Obleute, lehnte eine Mitwirkung ebenso
zum Schwur“ (alle Hände erheben sich und Rufe ertönen: ab wie der Spartakist Karl Liebknecht. Die USPD war eine he-
Hoch die Republik!). Nachdem der Beifall verrauscht war, ruft terogene Partei. Hervorgegangen aus der Gegnerschaft gegen
ein neben Liebknecht stehender Soldat und schwenkt die die Bewilligung der Kriegskredite durch die Reichstagsfrakti-
rote Fahne, die er in Händen trägt: „Hoch lebe ihr erster Prä- on der SPD, gab es in ihr Pazifisten, die wie Eduard Bernstein
sident Liebknecht!“ dem revisionistischen Flügel angehörten, aber auch Vertreter
Liebknecht schloss: „So weit sind wir noch nicht. Ob Präsi- des sogenannten marxistischen Zentrums der SPD wie den
dent oder nicht, wir müssen alle zusammenstehen, um das früheren Parteivorsitzenden Hugo Haase.
Ideal der Republik zu verwirklichen. Hoch die Freiheit und Daneben existierte ein relativ kleiner linker Flügel, des-
das Glück und der Frieden!“ sen programmatischen Kern die Spartakusgruppe um Rosa
Bald darauf wurde an dem Mast der Kaiserstandarte die Luxemburg und Karl Liebknecht bildete. Sie veröffentlichte am
rote Fahne gehisst. 10. November in der „Roten Fahne“, dem publizistischen Or-
Bericht der Vossischen Zeitung vom 10. November 1918, in: Die Erste Republik,
gan der Spartakusgruppe, ein Programm, das deutlich machte,
Piper Verlag, München 1992, S. 47 dass sie einen ganz anderen Staat wollte. Sie forderte die Ent-
waffnung der gesamten Polizei, die Übernahme aller Behörden

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14 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

in der Regierung sitzen; es darf kein Sozialist in die Regierung

bpk / Gebrüder Haeckel


eintreten, solange ein Regierungssozialist noch in ihr sitzt. Es
gibt keine Gemeinschaft mit denen, die Euch vier Jahre lang
verraten haben.“ Hier wird ein Alleinvertretungsanspruch der
Spartakusgruppe deutlich, der keine Kompromisse kannte und
einige Wochen später dann in der Gründung einer eigenen Par-
tei, der KPD, mündete. Es war konsequent, dass Karl Liebknecht
es ablehnte, im Rat der Volksbeauftragten mitzuarbeiten.
Den Spartakisten stand die Mehrheit der Revolutionären Ob-
leute nahe, die schon am 6. November Beschlüsse über einen
revolutionären Massenstreik gefasst hatten, der spätestens am
11. November stattfinden sollte, und die auch hinter den Streikak-
tionen vom 9. November standen. Die meisten Obleute waren
wie die Spartakisten Befürworter einer deutschen Räterepublik.
Diese am weitesten links stehende Strömung innerhalb des
sozialistischen Lagers bekämpfte die Parlamentarisierung des
9. November 1918, Berlin. Demonstration Unter den Linden. An der Spitze des Zuges Deutschen Reiches und agitierte mit großer Vehemenz gegen
trägt der Kieler Matrose Johann Marx die rote Fahne. die Einberufung einer Nationalversammlung. Es gab allerdings
auch Differenzen zwischen beiden Gruppen. Als die Spartakis-
bpk
ten am 1. Januar 1919 die KPD gründeten, verblieben die Revolu-
tionären Obleute in der USPD.
Schon am Abend des 10. November erlitt Liebknecht eine
herbe Niederlage. Im Zirkus Busch hatten sich 3000 von den
Berliner Soldaten und Arbeitern gewählte Vertrauensmän-
ner versammelt. Für die verschiedenen Strömungen sprachen
Friedrich Ebert, Hugo Haase und Karl Liebknecht. Liebknecht
warnte vor der Gegenrevolution, die bereits auf dem Marsch
sei, und klagte die Sozialdemokraten an, „die heute mit der
Revolution gehen und vorgestern noch Feinde der Revolution
waren“. Daraufhin wurde er durch stürmische Rufe „Einigkeit!
Einigkeit!“ unterbrochen. Am Ende wurde ein Vollzugsrat ge-
wählt, der aus je 14 Arbeitern und Soldaten bestand. Sieben
Vertreter der Arbeiterschaft kamen von der SPD, während die
10. November 1918. Zum Rat der Volksbeauftragten gehörten (von links nach
rechts) Wilhelm Dittmann, Otto Landsberg, Hugo Haase, Friedrich Ebert, Emil sieben USPD-Mandate die Revolutionären Obleute übernah-
Barth, Philipp Scheidemann. Fotopostkarte (undatiert) men, die mit Richard Müller auch den Vorsitzenden stellten.
Der Vollzugsrat war gewissermaßen der Arbeitsausschuss der
Arbeiter- und Soldatenräte, die sich – so ihr Selbstverständnis –
als Ausdruck des revolutionären Volkswillens als provisori-
sches Parlament gebildet hatten. Der Rat der Volksbeauftrag-
ten wiederum sollte der Beauftragte des Vollzugsrates bei der
politischen Umsetzung der von den Arbeiter- und Soldatenrä-
ten formulierten Ziele sein: „Die Träger der politischen Macht
sind jetzt Arbeiter- und Soldatenräte. Sofortiger Friede ist die
Parole der Revolution. Die rasche und konsequente Vergesell-
schaftung der kapitalistischen Produktionsmittel ist nach der
sozialen Struktur Deutschlands und dem Reifegrad seiner
wirtschaftlichen und politischen Organisation ohne starke Er-
schütterung durchführbar. Sie ist notwendig, um aus den blut-
getränkten Trümmern eine neue Wirtschaftsordnung aufzu-
bpk

bauen, um die wirtschaftliche Versklavung der Volksmassen


November 1918, Berlin. Revolutionäre Soldaten und Matrosen vor dem Branden- und den Untergang der Kultur zu verhüten.”
burger Tor Von dieser Erwartung emanzipierte der Rat der Volksbe-
auftragten sich sehr rasch. Sein Sprecher, Friedrich Ebert,
dem das zusätzliche Amt des Reichskanzlers Prestige und
und Kommandostellen durch den Arbeiter- und Soldatenrat, administrative Möglichkeiten verschaffte, war radikalen so-
die Beseitigung des Reichstags und aller Parlamente und die zialistischen Experimenten nicht zugeneigt. Die russischen
Errichtung eines Reichsarbeiter- und Soldatenrates, die Ab- Ereignisse von 1917 waren in der deutschen Sozialdemokratie
schaffung aller Dynastien und Einzelstaaten, stattdessen „eine sehr intensiv wahrgenommen worden. Sie haben dazu bei-
einheitliche sozialistische Republik Deutschland“. Die letzte getragen, dass Ebert die grundsätzliche Systemopposition,
Forderung zeigt deutlich, worauf man hinauswollte: „Sofor- die August Bebel propagiert hatte, hinter sich ließ. Er suchte
tige Rückberufung der russischen Botschaft nach Berlin.“ Die die Zusammenarbeit mit Liberalen und Katholiken auch des-
Oktoberrevolution war das Vorbild, an dem man sich orien- halb, weil er glaubte, nur so könnten „russische Zustände“ in
tierte. Des Weiteren hieß es: „Es darf kein ‚Scheidemann‘ mehr Deutschland vermieden werden. Schon im Januar 1918 hatte

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Deutsche Revolution – Novemberrevolution 15

die SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ die gewaltsame Auflösung wie die Meinungsfreiheit, vor allem aber das Gebiet der Sozial-
der Verfassunggebenden Versammlung Russlands auf das politik. So wurde zum 26. November 1918 der Achtstundentag
Schärfste verurteilt. Ebert gehörte dem rechten Flügel der eingeführt. Viele dieser neuen Regelungen brachten für die
SPD an und hatte mit der Vergesellschaftung von Produk- Menschen spürbare Verbesserungen, aber revolutionär waren
tionsmitteln, Räteregierung und Diktatur des Proletariats sie nicht. Jahrzehntelang war die SPD eine Partei des Klassen-
nichts im Sinn. Ihm ging es im November 1918 darum zu zei- kampfs gewesen, die sich in grundsätzlicher Gegnerschaft
gen, dass die Sozialdemokraten, die jahrzehntelang als „va- zum Staat befunden hatte. Nun stand sie plötzlich selbst an
terlandslose Gesellen“ und „innere Reichsfeinde“ diffamiert der Spitze dieses Staates und sah ihre Aufgabe vor allem darin,
worden waren, durchaus in der Lage waren, die Regierungs- den Übergang in eine neue Nachkriegsordnung – soweit mög-
geschäfte zu übernehmen und den deutschen Staat nach lich – ohne Blutvergießen zu bewältigen. Sie war im Grunde
der schweren Kriegsniederlage einer besseren Zukunft zuzu- genommen zu einer Reformpartei geworden, ohne dass dieses
führen. Seine ersten Bekanntmachungen als Reichskanzler neue Selbstverständnis sich schon in einer neuen Programma-
waren geprägt von Appellen an die Bevölkerung, Ruhe und tik niedergeschlagen hätte.
Ordnung zu bewahren. Für die revolutionären Kräfte, die einen radikalen gesell-
Die Mitglieder des Rates der Volksbeauftragten waren schaftlichen Umsturz anstrebten, musste das enttäuschend
formal den Staatssekretären, die bisher die verschiedenen sein. Diese Enttäuschung brach sich dann Bahn in den gewalt-
Reichsämter geleitet hatten, übergeordnet. De facto waren sie samen Auseinandersetzungen der zweiten Phase der Revolu-
aber auf deren Sachkenntnisse angewiesen. Die Sozialdemo- tion, die mit dem Januaraufstand begann. Als am 9. Novem-
kraten waren hier gegenüber den Vollzugsräten der USPD im ber in Berlin der Generalstreik anfing, musste die SPD damit
Vorteil, weil die Ministerialbeamten die Zusammenarbeit mit rechnen, dass auch viele ihrer Anhänger dem Aufruf der Re-
ihnen bevorzugten. Außerdem sicherte sich die SPD bei der volutionären Obleute Folge leisten würden. Deshalb setzte die
Aufteilung der Ressorts die wichtigsten Bereiche. Ebert selbst SPD sich an die Spitze der Bewegung, aber mit dem erklärten
übernahm Inneres und Militär, Landsberg Finanzen und Schei- Ziel, sie unter Kontrolle zu bringen, was auch gelang. Das kann
demann Presse und Nachrichtenwesen. Der Vollzugsrat nahm man je nach eigenem Standpunkt als „taktische Meisterleis-
sehr rasch seine Arbeit auf und erließ eine Vielzahl von Ge- tung“ (Heinrich August Winkler) oder als Verrat an der Re-
setzen und Anordnungen. Das betraf klassische Grundrechte volution ansehen. Die SPD fungierte als Scharnier zwischen

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16 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

der kaiserlichen Ministerialbürokratie, mit der sie durch die


Regierung verbunden war, und den revoltierenden Arbeitern. Der Vorstand der SPD an den Vorstand der
De facto war sie in die Rolle einer Ordnungsmacht hineinge- USPD, 9. November 1918
wachsen. Die Tatsache, dass Friedrich Ebert in Personalunion Von dem aufrichtigen Wunsche geleitet, zu einer Einigung zu
die Ämter als Reichskanzler und Sprecher des Rates der Volks- gelangen, müssen wir Ihnen unsere grundsätzliche Stellung
beauftragten wahrnahm und so über eine doppelte Legitima- zu Ihren Forderungen klarlegen. Sie fordern:
tion verfügte, brach der Gefahr einer konkurrierenden Dop- 1. Deutschland soll eine soziale Republik sein.
pelherrschaft, wie es sie 1917 in Russland gegeben hatte, von Diese Forderung ist das Ziel unserer eigenen Politik, indes-
vornherein die Spitze ab. Ebert und seine Mitstreiter prägten sen hat darüber das Volk durch die konstituierende Ver-
die erste Phase der Revolution und waren deshalb später die sammlung zu entscheiden.
bevorzugten Hassobjekte der enttäuschten Revolutionäre. 2. In dieser Republik soll die gesamte exekutive, legislative
Carl Legien, der Vorsitzende der Generalkommission der und jurisdiktionelle Macht ausschließlich in den Händen
Gewerkschaften Deutschlands, war wie Friedrich Ebert ein von gewählten Vertrauensmännern der gesamten werktä-
reformorientierter Sozialdemokrat. 1914 hatte er die Burgfrie- tigen Bevölkerung und der Soldaten sein.
denspolitik unterstützt, die vorsah, dass die Gewerkschaften Ist mit diesem Verlangen die Diktatur eines Teils einer
im Interesse der nationalen Verteidigung für die Dauer des Klasse gemeint, hinter dem nicht die Volksmehrheit steht,
Krieges auf alle Kampfmaßnahmen verzichten sollten. Im Ge- so müssen wir diese Forderung ablehnen, weil sie unseren
genzug erwartete er aber auch, dass die Gewerkschaften von demokratischen Grundsätzen widerspricht.
den Arbeitgebern als gleichberechtigte Partner anerkannt 3. Ausschluss aller bürgerlichen Mitglieder aus der Regierung.
wurden. Die Verhandlungen darüber hatten bereits gegen Diese Forderung müssen wir ablehnen, weil ihre Erfüllung
Ende des Krieges begonnen, wobei auf der Arbeitgebersei- die Volksernährung erheblich gefährden, wenn nicht un-
te der Ruhrindustrielle Hugo Stinnes federführend war. Am möglich machen würde.
15. November wurde die „Vereinbarung zwischen Arbeitge- 4. Die Beteiligung der Unabhängigen gilt nur für drei Tage als
ber- und Arbeitnehmerverbänden“, wie das Stinnes-Legien- ein Provisorium, um eine für den Abschluss des Waffen-
Abkommen offiziell hieß, abgeschlossen. Dieses Abkommen stillstands fähige Regierung zu schaffen.
brachte den Gewerkschaften die Anerkennung als „berufene Wir halten ein Zusammenwirken der sozialistischen Rich-
Vertretung der Arbeiterschaft“, außerdem viele soziale Verbes- tungen mindestens bis zum Zusammentritt der Konstitu-
serungen wie zum Beispiel den Achtstundentag. ante für erforderlich. […]
Man kann sich fragen, ob in der damaligen politischen Si- Vorwärts vom 10. November 1918, in: Die Erste Republik, Piper Verlag, München 1992, S. 54
tuation, in der die Zukunft der großen Unternehmen sehr un-
übersichtlich war, nicht mehr hätte erreicht werden können.
Bei der Beurteilung ist zu bedenken, dass mit der gegenseiti- Rosa Luxemburg, Die Nationalversammlung
gen Anerkennung auch die Gewerkschaften die Großindustrie […] Bürgerkrieg ist nur ein anderer Name für Klassenkampf
als gleichberechtigten Partner akzeptierten. Den damals sehr und der Gedanke, den Sozialismus ohne Klassenkampf, durch
lautstark vorgetragenen Forderungen nach Sozialisierung des parlamentarischen Mehrheitsbeschluss einführen zu kön-
Kohlebergbaus, die auch viele gemäßigte Sozialdemokraten nen, ist eine lächerliche kleinbürgerliche Illusion.
teilten, war dadurch erst einmal der Wind aus den Segeln ge- Was gewinnt man also durch diesen feigen Umweg der Na-
nommen. Hugo Stinnes war einer der „Ruhrbarone“, die davon tionalversammlung? Man stärkt die Position der Bourgeoisie,
profitierten. Er gehörte zu der großen, weit rechts stehenden man schwächt und verwirrt durch leere Illusionen das Prole-
Mehrheit der Funktionseliten, die der im Entstehen befindli- tariat, man verzettelt und verliert Zeit und Kraft auf „Diskus-
chen Weimarer Demokratie skeptisch bis ablehnend gegen- sionen“ zwischen Wolf und Lamm, man arbeitet mit einem
überstanden. Wort all denjenigen Elementen in die Hand, deren Zweck und
Absicht es ist, die proletarische Revolution um ihre sozialis-
tischen Ziele zu betrügen, sie zu einer bürgerlich-demokrati-
schen Revolution zu entmannen.
Aber die Frage der Nationalversammlung ist […] eine Prin-
zipienfrage, eine Frage der sozialistischen Selbsterkenntnis
der Revolution. […]
Die Nationalversammlung ist ein überlebtes Erbstück bür-
gerlicher Revolutionen, eine Hülse ohne Inhalt, ein Requisit
aus den Zeiten kleinbürgerlicher Illusionen vom „einigen
Bundesarchiv, Bild 146ll-816 / Robert Sennecke

Volk“, von der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ des


bürgerlichen Staates.
Wer heute zur Nationalversammlung greift, schraubt die
Revolution bewusst oder unbewusst auf das historische Sta-
dium bürgerlicher Revolutionen zurück. […]
Die von der Geschichte auf die Tagesordnung gestellte Fra-
ge lautet: bürgerliche Demokratie oder sozialistische Demo-
kratie. Denn Diktatur des Proletariats, das ist Demokratie im
sozialistischen Sinne. […]
Die Rote Fahne vom 20. November 1918, in: Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd. 4,
21. November 1918, Berlin. Sitzung der Soldatenräte im Reichstag. Am Rednerpult: Dietz Verlag, Berlin 1974, S. 408 f.
Otto Wels (SPD), Stadtkommandant von Berlin

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Deutsche Revolution – Dezemberkämpfe 17

1918 Schießerei beerdigt. Karl Liebknecht ließ den Trauerzug vor


7. November Kurt Eisner (USPD) proklamiert den Freistaat Bayern und der Kommandantur anhalten und forderte die Menge auf, den
erklärt König Ludwig III. für abgesetzt. Im Bayerischen Landtag konsti- „Bluthund Wels“ herauszuholen. Otto Wels und seiner Frau ge-
tuiert sich ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat. lang es aber, sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen.
8. November Bildung eines provisorischen Nationalrates in Bayern, Die verschiedenen politischen Lager, die sich in den revoluti-
Eisner wird Ministerpräsident und Außenminister. onären Novembertagen zusammengefunden hatten, strebten
nun immer deutlicher auseinander. Die Spartakisten und die
9. November Die Berliner Betriebe werden bestreikt.
vor allem in Norddeutschland verbreiteten Internationalen
Mehrere Berliner Zeitungshäuser werden von den Revolutionären be- Kommunisten Deutschlands arbeiteten zunehmend auf die
setzt. Erstmals erscheint „Die rote Fahne“.
Gründung einer eigenen politischen Partei hin. In diesen Be-
10. November Der Rat der Volksbeauftragten unter dem Vorsitz von strebungen sahen sie sich bestätigt, als die 514 Delegierten
Friedrich Ebert (SPD) und Hugo Haase (USPD) übernimmt die Regie- der Arbeiter- und Soldatenräte aus ganz Deutschland am
rungsgeschäfte. 16. Dezember im preußischen Abgeordnetenhaus zum ersten
Wahl der Arbeiter- und Soldatenräte der Berliner Betriebe und Garni- Reichsrätekongress zusammentraten. Unter den Delegierten
sonen, anschließend Vollversammlung im Zirkus Busch; ein Vollzugs- waren 288 Mehrheitssozialdemokraten, denen nur 88 Ver-
rat des Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Berlin wird gewählt. treter der USPD gegenüberstanden. Die Spartakisten stellten
Generalleutnant Wilhelm Groener versichert Ebert in einem Telefon- nur ein kleines Häuflein von zehn Delegierten. Entsprechend
gespräch, dass das Heer sich der neuen Regierung unterstellt („Ebert- eindeutig fiel nach hitziger Debatte die Entscheidung über das
Groener-Pakt“). weitere Vorgehen aus. Der Antrag von Ernst Däumig (USPD),
11. November Neugründung des Spartakusbundes in Berlin. Der Zen­ das Rätesystem zur Grundlage der Verfassung einer deutschen
trale gehören u. a. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Leo Jogiches, Paul sozialistischen Republik zu machen, wurde mit 344 gegen
Levi und Wilhelm Pieck an. 89 Stimmen abgelehnt. Dagegen wurde der Antrag von Max
Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zwischen dem
Cohen (SPD), am 19. Januar 1919 eine Nationalversammlung zu
Deutschen Reich, Frankreich und Großbritannien in Compiègne wählen, mit einem sogar noch eindeutigeren Stimmenver-
hältnis angenommen. Damit war klar, dass der von den Mehr-
12. November Aufruf des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche
heitssozialdemokraten befürwortete Weg in eine parlamenta-
Volk. U. a. wird der Belagerungszustand aufgehoben, die Zensur abge-
schafft und für politische Straftaten eine Amnestie erlassen.
rische Demokratie sich durchgesetzt hatte.
Zu einer gravierenden Konfrontation kam es an Weihnach-
15. November Unterzeichnung des Stinnes-Legien-Abkommens, mit ten. Am 23. Dezember befahl der Rat der Volksbeauftragten
dem die Unternehmer die Gewerkschaften als gleichberechtigte Ta-
der Volksmarinedivision den Abzug aus Berlin und die Redu-
rifpartner anerkennen
zierung ihrer Truppenstärke. Doch die Volksmarinedivision,
25. November Reichskonferenz des Rates der Volksbeauftragten mit die außerdem noch offene Soldforderungen hatte, zog nicht
Vertretern der Landesregierungen ab, sondern brachte die Reichskanzlei im Berliner Schloss in

Dezemberkämpfe
Der Dezember 1918 war die Phase des Übergangs zwischen
dem November, in dem der Regimewechsel erstaunlich schnell
und unblutig über die Bühne gegangen war, und den gewalt-
samen Konfrontationen im Januar 1919. Der Monat begann mit
einem Ereignis, das wie ein schlechtes Omen für die kommen-
den Ereignisse wirkte. Am Freitag, den 6. Dezember, schossen
Gardefüsiliere mit Maschinengewehren auf eine belebte Stra-
ßenkreuzung. Sie richteten innerhalb von wenigen Minuten
ein Blutbad an, das mehr Opfer forderte als die Umwälzungen
vom 8. und 9. November. Eine Gruppe schwerbewaffneter Sol-
daten nötigte Ebert, die Reichskanzlei zu verlassen und auf die
Straße zu kommen. Sie wollten ihn zum Reichspräsidenten
ausrufen, was er ablehnte. Zeitgleich wurde der Vollzugsrat vo-
rübergehend verhaftet. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass dies
ein rechter Putschversuch zur Entmachtung des Arbeiter- und
Soldatenrates war. Andere Stimmen sprechen davon, dass der
Schießerei spartakistische Provokationen vorausgingen. Den
Schießbefehl soll der Berliner Stadtkommandant Otto Wels
(SPD) erteilt haben, was dieser entschieden bestritt. Ebert wur-
de von manchen unterstellt, er sei Mitwisser gewesen oder
habe das Ganze sogar mit vorbereitet.
Die Hintergründe dieses Zwischenfalls konnten nie wirklich
aufgeklärt werden, genauso wenig, wer den Befehl erteilt hat-
akg-images

te. An dem darauffolgenden Wochenende kam es zu zahllosen


Demonstrationen der verschiedenen politischen Lager. Allein
die SPD veranstaltete 16 Kundgebungen in den verschiede- 25. November 1918. Der Spartakusbund ruft die Proletarier aller
nen Teilen der Stadt. Am 8. Dezember wurden die Opfer der Krieg führenden Staaten dazu auf, den Krieg zu beenden.

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18 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

Bundesarchiv, Bild 146-2007-0006


Photothek Willy Römer / Willy Römer
bpk / Kunstbibliothek, SMB,
12. Dezember 1918, Berlin. Schaulustige erwarten auf dem Pariser Platz die aus dem
Krieg heimkehrende 4. Garde-Infanterie-Division.
© Deutsches Historisches Museum

18. Dezember 1918, Berlin. Die „Freie Republik“ heißt die aus dem Krieg heimkehrende Dezember 1918, Berlin. Revolutionäre Soldaten und Matrosen stellen auf ein Eingangs­
231. Division willkommen. portal des Stadtschlosses ein Maschinengewehr.
bpk
bpk

16. Dezember 1918, Berlin. Der erste Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte Ende Dezember 1918, Berlin. Nach den Weihnachtskämpfen betrachten Schaulustige
tagt im Preußischen Abgeordnetenhaus (heute Berliner Abgeordnetenhaus). die Zerstörungen am Stadtschloss.

ihre Gewalt, errichtete dort ihr Hauptquartier und hielt den sozialdemokraten Gustav Noske und Rudolf Wissell zusätz-
Berliner Stadtkommandanten Otto Wels im Marstall als Gei- lich in den Rat ein. Noske erhielt den Befehl, eine bewaffnete
sel. Am 24. Dezember kam es zu heftigen Kämpfen zwischen Macht zur Verteidigung der Regierung aufzubauen und dabei
Truppen, die Generalleutnant Groener auf Eberts Bitte in die verstärkt auch auf Freikorps zu setzen. Dies waren Freiwilligen-
Stadt entsandt hatte, und den Matrosen der Volksmarinedivi- verbände aus ehemaligen Frontsoldaten, die in ihrer großen
sion. Die im Häuserkampf unerfahrenen Frontsoldaten erlitten Mehrheit entschieden antirevolutionär und antidemokratisch
dabei erhebliche Verluste, aber es kamen auch Matrosen um. gesinnt waren. Er nahm diesen Auftrag an mit den viel zitier-
Die Volksmarinedivision blieb bestehen, erhielt ihren Sold und ten Worten „Einer muss der Bluthund sein“.
Wels musste zurücktreten. Diese Ereignisse führten dazu, dass Die Weihnachtskämpfe gaben den letzten Anstoß für den
die bisherige Koalition zwischen den beiden sozialdemokrati- linken Flügel der USPD, die Gründung einer eigenen Partei in
schen Parteien zerbrach und die Vertreter der USPD den Rat der Angriff zu nehmen. 94 Spartakisten, 29 Delegierte der Interna-
Volksbeauftragten verließen. Stattdessen traten die Mehrheits- tionalen Kommunisten Deutschlands und drei Vertreter des Ro-

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Deutsche Revolution – Januaraufstand 19

ten Soldatenbundes gründeten auf dem vom 30. Dezember 1918 Januaraufstand
bis zum 1. Januar 1919 dauernden Parteitag die Kommunistische Am 4. Januar wurde der Berliner Polizeipräsident Emil Eich-
Partei Deutschlands (KPD). Damit war die deutsche Arbeiterbe- horn abgesetzt, weil er während der Weihnachtskämpfe mit
wegung endgültig in zwei gegnerische Lager gespalten. den revolutionären Matrosen kollaboriert hatte. Eichhorn war
gelernter Elektromonteur und hatte vor dem Krieg als Jour-
nalist für sozialdemokratische Zeitungen gearbeitet. Seit 1917
Mitglied der USPD, wurde er in dieser Auseinandersetzung
Resolution, 30. Dezember 1918 zu einer Symbolfigur von großer Wirkung. Seine Absetzung
Die USP[D] ist zwar aus der allgemeinen Krisis innerhalb der wurde von den Anhängern der USPD und der KPD, aber auch
alten deutschen Sozialdemokratie hervorgegangen, in ihrer von den Revolutionären Obleuten als Provokation empfunden.
Zusammensetzung jedoch das Ergebnis der besonderen Gegen- Dennoch warnte vor allem die Zentrale der KPD zunächst da-
sätze in der Kriegspolitik. Sie entstand durch Zusammenschluss vor, die Machtübernahme anzustreben. Sie ging davon aus,
verschiedenartiger Elemente, die weder in den Grundsätzen dass eine sich auf das Proletariat stützende Regierung sich
noch in der Taktik übereinstimmen und in den offiziellen höchstens 14 Tage im Amt halten könne und ihr eine Macht-
Instanzen überwiegend eine verhängnisvolle scheinradikale basis im Land fehle.
Impotenz verkörpern. Die Politik der USP war von Anbeginn an Doch Massendemonstrationen am Folgetag führten zu
niemals eine solche der sozialistischen Klarheit, des entschlos- einem Stimmungsumschwung: Am Abend des 5. Januar
senen Klassenkampfes, des konsequenten Internationalismus, beschloss eine Versammlung von etwa 70 Revolutionären
sondern nur eine solche der opportunistischen Verworrenheit, Obleuten und dem Zentralvorstand der Berliner USPD mit gro-
der ängstlichen Kompromisselei, der nationalen Rechnungsträ- ßer Mehrheit, den Kampf um die Macht aufzunehmen. Auch
gerei und so von Anfang an zur Aktionsunfähigkeit verdammt. die beiden Mitglieder der KPD-Zentrale Karl Liebknecht und
Seit der Novemberrevolution hat sich die Halbheit und Wilhelm Pieck stimmten dafür. Lenin allerdings schickte Karl
Unsicherheit dieser Politik bis zur völligen Prinzipienlosig- Radek nach Berlin, der im Namen der Kommunistischen Partei
keit gesteigert. Obwohl die Mehrheitssozialisten schon am Russlands am 6. Januar und erneut drei Tage später die deut-
9. November unzweideutig erklärten, dass sie eine proleta- sche Bruderpartei dazu aufforderte, jetzt keinen Aufstand zu
risch-revolutionäre Politik auch künftig ablehnen würden, beginnen bzw. den begonnenen Kampf wieder einzustellen,
traten Vertreter der USP in das paritätische Kabinett ein. […] weil die Zeit dafür noch nicht reif sei.
Sie haben damit auch eine Mitverantwortung für die trauri-
gen Vorgänge vom 23. und 24. Dezember auf sich geladen. […]

Bundesarchiv, Bild 143-18594-0014


Der Gründungsparteitag der KPD: Protokolle und Materialien, hg. v. Hermann Weber,
Dietz Verlag, Berlin 1969, S. 63 f.

1918
6. Dezember Vor dem Stettiner Bahnhof (heute Berlin Nordbahnhof)
schießen Gardefüsiliere an der Kreuzung Chausseestraße/Invali-
denstraße auf demonstrierende Soldaten und Matrosen, töten 16 Men-
schen und verletzen etwa 80, davon zwölf schwer.
7./8. Dezember Massenversammlungen von Spartakisten, USPD, SPD
und Mittelstandsvereinigungen
14. Dezember Veröffentlichung des Programms des Spartakusbundes
15./17. Dezember Reichskonferenz der Internationalen Kommunisten
Deutschlands (IKD), die sich zur Zusammenarbeit mit dem Spartakus- Januar 1919, Berlin. Kämpfe im Zeitungsviertel: Revolutionäre verschanzen sich
bund bereit erklärt hinter Papierrollen und Zeitungsstapeln.

16./21. Dezember Erster Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte


22. Dezember Die Zentrale des Spartakusbundes beschließt die Einbe-
rufung einer Reichskonferenz.
23./24. Dezember Friedrich Ebert lässt das Berliner Stadtschloss räu-
men. Bei den „Weihnachtskämpfen“ kommen 56 Soldaten der Regie-
akg-images / Sammlung Berliner Verlag / Archiv

rungstruppen und elf Matrosen ums Leben.


25. Dezember Das Verlagsgebäude des „Vorwärts” wird von Spartakis-
ten und Matrosen besetzt. Nach langen Verhandlungen wird es am
Tag darauf wieder geräumt.
27. Dezember Der Stadtkommandant Otto Wels (SPD) tritt zurück.
29. Dezember Die USPD-Vertreter Hugo Haase, Wilhelm Dittmann
und Emil Barth verlassen den Rat der Volksbeauftragten, dafür kom-
men Gustav Noske und Rudolf Wissell (SPD) hinzu.
Der Spartakusbund beschließt in nicht öffentlicher Sitzung die Tren-
nung von der USPD und die Gründung einer neuen Partei.
Januar 1919, Berlin. Die Regierungstruppen setzen einen erbeuteten britischen Tank
30. Dezember – 1. Januar 1919 Gründungsparteitag der KPD Mark IV am Bülowplatz (heute Rosa-Luxemburg-Platz) gegen die Revolutionäre ein.

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20 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

An die Arbeiterschaft Berlins!

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Zum zweiten Male hat die revolutionäre Arbeiterschaft Ber-
lins den „Vorwärts“ besetzt! Dieses Mal soll keine Macht der
Welt ihn seinen rechtmäßigen Besitzern wieder entreißen;
dafür werden wir Sorge tragen.
Arbeiter! Genossen! Soldaten! Die Stunde hat geschlagen,
wo es gilt, die Revolution zum siegreichen Ende zu führen.
Entweder wir errichten die Diktatur des Proletariats oder wir
werden es erleben, dass Ebert – Scheidemann, die Henker der
Revolution, diese vollends erdrosseln. […]
Arbeiter! Genossen! Soldaten! Nehmt die Macht in die
Hände. Stürzt diese Regierung, die sich schützend vor die
Geldschränke stellt, die Verrat und immer Verrat an der Revo-
lution begangen hat.
Es lebe die Diktatur des Proletariats!
Es lebe die Revolution!
Flugblatt der revolutionären Arbeiterschaft Groß-Berlins, Anfang Januar, in: Die Erste
Republik, Piper Verlag, München 1992, S. 83

Mitbürger!
Spartakus kämpft um die ganze Macht. Die Regierung, die
binnen zehn Tagen die freie Entscheidung des Volkes über
sein eigenes Schicksal herbeiführen will, soll mit Gewalt ge-
stürzt werden. 10. Januar 1919, Berlin. Angehörige von Vermissten warten vor dem Leichenschau-
Das Volk soll nicht sprechen dürfen, seine Stimme soll un- haus der Gerichtsmedizin in der Hannoverschen Straße, um nach ihnen zu suchen.
terdrückt werden.
Die Erfolge habt ihr gesehen!

bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer


Wo Spartakus herrscht, ist jede persönliche Freiheit und Si-
cherheit aufgehoben.
Die Presse ist unterdrückt, der Verkehr lahmgelegt. Teile
Berlins sind die Stätte blutiger Kämpfe. Andere sind schon
ohne Wasser und Licht. Proviantämter werden gestürmt.
Die Ernährung der Soldaten und Zivilbevölkerung wird un-
terbunden. […]
Gewalt kann nur mit Gewalt bekämpft werden. Die orga-
nisierte Gewalt des Volkes wird der Unterdrückung und der
Anarchie ein Ende machen. Einzelerfolge der Feinde der Frei-
heit, die von ihnen in lächerlicher Weise aufgebauscht wer-
den, sind nur von vorübergehender Bedeutung.
Die Stunde der Abrechnung naht!
Flugblatt des Rates der Volksbeauftragten vom 8. Januar 1919, in: Illustrierte Geschich-
te der Deutschen Revolution, Internationaler Arbeiter-Verlag, Berlin 1929, S. 277

Am 8. Januar begann die gewaltsame Niederschlagung des


Aufstands, wobei die Truppen der Regierung nicht von ei-
nem Offizier, sondern von dem sozialdemokratischen Mili-
tärexperten und Volksbeauftragten Gustav Noske befehligt
wurden. Dies war eine bewusste Entscheidung Eberts, um die 12. Januar 1919, Berlin. Das von Revolutionären vorübergehend besetzte Vorwärts-
Arbeiterschaft nicht unnötig zu provozieren. Trotzdem wur- Gebäude in der Lindenstraße nach den Kämpfen
den die Kämpfe mit großer Brutalität geführt. Vor allem um
das von den Aufständischen besetzte Zeitungsviertel wurde
erbittert gekämpft. Nach der Einnahme des Polizeipräsidi- Die Toten der revolutionären Ereignisse vom November und
ums brach der unzureichend vorbereitete Aufstand rasch Dezember 1918 wurden auf dem Berliner Friedhof in Fried-
zusammen. Er forderte insgesamt 165 Todesopfer, die zum richshain bestattet, wo auch die Toten der Revolution von
guten Teil durch das exzessive Vorgehen der Regierungstrup- 1848, die sogenannten Märzgefallenen, ihre Ruhestätte ge-
pen umkamen. Die Führer der KPD Rosa Luxemburg und Karl funden hatten. Den Toten des Januaraufstands 1919 hat der
Liebknecht, die sich geweigert hatten, die Stadt zu verlassen Berliner Magistrat diese Ehre verweigert. Sie wurden in
und sich in Sicherheit zu bringen, wurden von Freikorpsan- Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beerdigt. Das war ein
gehörigen ermordet. symbolpolitischer Konflikt zwischen der KPD, der viele der

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Nachspann: die Nationalversammlung 21

Toten angehörten, und der SPD, die den Magistrat dominier- gepartei der Fortschrittlichen Volkspartei angesehen werden
te. Noch heute marschieren am zweiten Sonntag im Januar kann, erzielte 18,5 Prozent. Diese Parteien, die schon 1917 im
Menschen, die zumeist der Partei Die Linke nahestehen, zur Interfraktionellen Ausschuss zusammengearbeitet hatten, bil-
Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Fried- deten gemeinsam die Regierung der sogenannten Weimarer
richsfelde. Koalition. Die KPD hatte die Wahl boykottiert, die USPD kam
Die Ereignisse des Januar 1919 verfestigten die Feindschaft lediglich auf 7,6 Prozent. Auf der rechten Seite des Parteien-
zwischen den beiden Parteien der Arbeiterbewegung, die bis spektrums erreichten die Deutschnationale Volkspartei (DNVP)
heute fortbesteht. Für die Weimarer Republik war die Klärung 10,3 Prozent und die Deutsche Volkspartei (DVP) 4,4 Prozent.
des grundsätzlichen politischen Zielkonflikts zwischen SPD Der Eindruck großer Stabilität, den das Wahlergebnis sugge-
und KPD einerseits eine notwendige Existenzbedingung, an- rierte, relativierte sich allerdings rasch. Schon bei den ersten re-
dererseits eine schwere Belastung. gulären Reichstagswahlen im Juni 1920 erreichten die Parteien
der „Weimarer Koalition“, die noch im Jahr zuvor über eine Drei-
1919 viertelmehrheit verfügt hatten, nicht einmal mehr die einfache
4. Januar Entlassung des Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD) Mehrheit der Stimmen, während die beiden Parteien am rech-
durch den Rat der Volksbeauftragten ten Rand ihren Stimmenanteil glatt verdoppelten. Tatsächlich
5. Januar Beschluss zum Aufstand bei sechs Gegenstimmen, Einset- erwiesen sich die Verhältnisse als wenig stabil. In den 14 Jahren
zung eines Revolutionsausschusses, gleichberechtigte Vorsitzende der Weimarer Republik wurde acht Mal der Reichstag gewählt
sind Karl Liebknecht (KPD), Georg Ledebour (USPD) und Paul Scholze und es gab 20 verschiedene Regierungen.
(Revolutionäre Obleute). Der Vater der Weimarer Verfassung war der liberale Staats-
6. Januar Der Revolutionsausschuss erklärt den Rat der Volksbeauf- rechtslehrer und Politiker Hugo Preuß, der das Bürgertum
tragten für abgesetzt. bereits am 14. November 1918 dazu aufgerufen hatte, sich
auf den Boden der Tatsachen zu stellen und am Aufbau der
Die SPD ruft ihre Anhänger in die Berliner Wilhelmstraße, wo sie
Republik mitzuwirken. Am Tag darauf hatte Ebert ihn zum
durch ihre Präsenz die Regierung schützen sollen.
Staatssekretär im Reichsamt des Inneren ernannt und mit der
Beschluss des Rates der Volksbeauftragten zur Schaffung loyaler mili- Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragt. Diese erste
tärischer Verbände, Noske übernimmt den militärischen Oberbefehl.
demokratische deutsche Verfassung nahm viele Ideen aus der
7. Januar Die Aufständischen besetzen verschiedene Gebäude, u. a. er-
neut die Redaktion des sozialdemokratischen Parteiorgans „Vorwärts“.
8. Januar Aufruf der Regierung zur gewaltsamen Bekämpfung des

© AdsD / Friedrich-Ebert-Stiftung
Aufstands
9. Januar Aufruf des Revolutionsausschusses zum Generalstreik
11. Januar Stürmung des „Vorwärts“-Gebäudes und der anderen be-
setzten Pressehäuser durch Regierungstruppen, sieben Parlamentäre
werden von Regierungstruppen erschossen.
12. Januar Niederschlagung des Aufstands, insgesamt gibt es 165 Tote.
15. Januar Freikorps besetzen Berlin.
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg werden ermordet.
16. Januar Vier Mitglieder des Arbeiter- und Soldatenrates werden im
Tegeler Forst von Soldaten der Freikorps ermordet.

25. Januar Karl Liebknecht und 31 weitere Spartakisten werden in


Friedrichsfelde bestattet, für Rosa Luxemburg, deren Leichnam erst im
1. Juni 1919, Weimar. Die weiblichen Abgeordneten der SPD in der Weimarer Nati-
Mai gefunden wird, wird ein leerer Sarg beigesetzt. onalversammlung. Unter ihnen Marie Juchacz (vorn sitzend, 3. v. r.): Sie sprach am
19. Februar 1919 als erste Frau in einem deutschen Parlament.
bpk / Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie / Archiv Kester

Nachspann: die Nationalversammlung


So wie es der im Dezember 1918 tagende Kongress der Arbeiter-
und Soldatenräte beschlossen hatte, wurde am 19. Januar 1919
die Nationalversammlung gewählt. Sie tagte in Weimar, weil
die Situation in Berlin noch zu unruhig war. Deshalb wird die
erste Demokratie auf deutschem Boden als Weimarer Republik
bezeichnet. Erstmals durften auch Frauen wählen. Außerdem
wurde das Wahlalter von 25 auf 20 Jahre gesenkt. Dadurch stieg
die Anzahl der Wahlberechtigten um 20 Millionen. Die SPD, die
schon bei den Reichstagswahlen vor dem Krieg stärkste Par-
tei geworden war, steigerte ihren Stimmenanteil nochmals
und erhielt 37,9 Prozent, war aber von der erhofften absoluten
Mehrheit weit entfernt. Die katholischen Parteien Zentrum
und Bayerische Volkspartei kamen auf 19,7 Prozent und die 6. Juni 1920, München. Wählerinnen und Wähler vor einem Wahllokal zur Reichs-
linksliberale Deutsche Demokratische Partei, die als Nachfol- tagswahl

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22 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

Paulskirchenverfassung von 1849 auf. Sie enthielt zahllose Fort-


schritte, hatte aber auch Schwächen, so die zu starke Stellung Zur Eröffnung der verfassunggebenden deut-
des Reichspräsidenten, die in der Zeit der Präsidialkabinette ab schen Nationalversammlung, 6. Februar 1919
1930 ein Regieren am Parlament vorbei ermöglichte. […] Wir haben den Krieg verloren. Diese Tatsache ist keine
Bei der Formulierung des Grundgesetzes von 1949 hat man Folge der Revolution. Es war die Kaiserliche Regierung des
versucht, aus den „Lehren von Weimar“ Konsequenzen zu Prinzen Max von Baden, die den Waffenstillstand einlei-
ziehen. Das Grundgesetz schuf den Rahmen für eine funkti- tete, der uns wehrlos machte. Nach dem Zusammenbruch
onstüchtige parlamentarische Demokratie. Sie war und ist unserer Verbündeten und angesichts der militärischen und
nach ihrem Selbstverständnis keine neutrale, sondern eine wirtschaftlichen Lage konnte sie nicht anders handeln. Die
wehrhafte Demokratie, die sich der Devise „Keine Freiheit den Revolution lehnt die Verantwortung ab für das Elend, in das
Feinden der Freiheit“ verpflichtet weiß. Nicht nur wurde die die verfehlte Politik der alten Gewalten und der leichtfertige
Verfassung durch ein eigenes Amt geschützt. Zahlreiche Be- Übermut der Militaristen das deutsche Volk gestürzt haben.
stimmungen, darunter das konstruktive Misstrauensvotum, […] Die provisorische Regierung hat eine sehr üble Herr-
das eine Abwahl des Bundeskanzlers durch eine negative schaft angetreten. Wir waren im eigentlichsten Wortsinne
Mehrheit verhindert, die Fünfprozentklausel, die eine Auf- die Konkursverwalter des alten Regimes: Alle Scheuern, alle
splitterung in zu viele kleine Parteien und damit instabile Lager waren leer, alle Vorräte gingen zur Neige, der Kredit
Regierungen verhindern soll, die Möglichkeit des Parteien- war erschüttert, die Moral tief gesunken. Wir haben, gestützt
verbots, die Beschränkung des Bundespräsidenten auf eine und gefördert vom Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte,
repräsentative Rolle, die starke Stellung des Bundesverfas- unsere beste Kraft eingesetzt, die Gefahren und das Elend der
sungsgerichts, sollen Gefährdungen, wie es sie in der Weimarer Übergangszeit zu bekämpfen. Wir haben der Nationalver-
Republik gegeben hat, entgegenwirken. sammlung nicht vorgegriffen. Aber wo Zeit und Not dräng-
ten, haben wir die dringlichsten Forderungen der Arbeiter
1918 zu erfüllen uns bemüht. Wir haben alles getan, um das wirt-
30. November Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden schaftliche Leben wieder in Gang zu bringen. […]
deutschen Nationalversammlung: „Wahlberechtigt sind alle deut- Friedrich Ebert: Schriften, Aufzeichnungen, Reden, Bd. 2, Dresden 1926, S. 149, S. 154
schen Männer und Frauen, die am Wahltag das 20. Lebensjahr voll-
endet haben.“

1919 tungshorizonte, sondern auch um den Vorwurf, dass politische


19. Januar Wahl der Nationalversammlung Akteure ihre Ziele verraten haben, etwas anderes getan haben,
als sie zuvor gesagt haben oder als es den Erwartungen ihrer
6. Februar Konstituierende Sitzung der Nationalversammlung
Anhängerschaft entsprach. Dieser Vorwurf des Verrats traf ins-
10. Februar Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt: „Die verfassung- besondere die Sozialdemokratie. Das begann bereits 1914, als die
gebende deutsche Nationalversammlung hat die Aufgabe, die künfti-
Reichstagsfraktion der SPD den Kriegskrediten zustimmte.
ge Reichsverfassung sowie auch sonstige dringende Reichsgesetze zu
In diesem Zusammenhang ist es sicherlich sinnvoll, sich noch
beschließen.“ (§ 1)
einmal zu vergegenwärtigen, was in den entscheidenden Wo-
11. Februar Die Nationalversammlung wählt Friedrich Ebert zum chen der deutschen Revolution 1918/19 passiert ist und dies in
Reichspräsidenten.
Beziehung zu setzen zu den Gesetzmäßigkeiten, die der Politik-
13. Februar Philipp Scheidemann (SPD) wird Reichsministerpräsident, wissenschaftler Wolfgang Merkel beim Übergang von autokra-
Hugo Preuß (DDP) Reichsinnenminister. Scheidemann tritt bereits tischen zu demokratischen Systemen ermittelt hat. Merkel un-
am 20. Juni zurück, weil er den Versailler Friedensvertrag nicht unter- terscheidet drei Phasen. In der ersten Phase, die durch interne
zeichnen will.
Ursachen, zum Beispiel eine Legitimitätskrise, oder durch exter-
28. Juni Unterzeichnung des Friedensvertrags durch Außenminister ne Ursachen, zum Beispiel eine Kriegsniederlage, ausgelöst sein
Hermann Müller (SPD) kann, gibt es unterschiedliche Verlaufsformen, für die sich un-
31. Juli Die Nationalversammlung beschließt die Weimarer Reichsver- terschiedliche historische Beispiele finden lassen.
fassung.
14. August Die Verfassung tritt in Kraft.
Verlaufsformen historische Beispiele
lang dauernde, evolutionäre Demo- Großbritannien
kratisierung
Deutungen von den alten Funktionseliten die Oktoberreformen 1918 und der
gelenkter Systemwechsel Versuch eines von oben eingeleiteten
Parlamentarisierungsprozesses
Die deutsche Revolution von 1918/19 ist in ihrer Deutung, Be- von unten erzwungener Systemwechsel die Französische Revolution 1789
wertung und Einordnung so umstritten wie kaum ein anderes ohne Verhandlungen
Ereignis der deutschen Geschichte. Das ist nicht ganz überra- Systemwechsel nach Aushandlung der November 1918 mit dem Ebert-
schend, weil gerade bei einem revolutionären Umbruch der von Kompromissen zwischen alten Groener-Pakt und dem Stinnes-Legien-
eigene Standpunkt unvermeidlich in die Beurteilung einfließt. und neuen Eliten Abkommen

Aus konservativer, sozialdemokratischer oder sozialistischer abrupter Kollaps des alten Systems, die Russische Revolution
häufig aufgrund äußerer Ursachen
bzw. kommunistischer Sicht wird das Ereignis naturgemäß je-
weils ganz unterschiedlich beurteilt. Schwierigkeiten bereitet Zerfall von Imperien und Gründung der Zerfall des Zarenreiches, des
neuer Staaten Habsburger Reiches und des Osma-
dabei der Umgang mit Begriffen wie „die verratene Revoluti- nischen Reiches nach dem Ende des
on“. Denn hierbei geht es nicht nur um unterschiedliche Erwar- Ersten Weltkriegs

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Deutungen 23

© Deutsches Historisches Museum


7. Februar 1919, Weimar. 3. Sitzung der Nationalversammlung: Hugo Preuß (DDP) trägt als zuständiger Staatssekretär des Inneren den Gesetz-
entwurf über die vorläufige Reichsgewalt vor.

An dieser Tabelle wird deutlich, dass für die deutsche Revolu- Deutschland eine erhebliche Rolle gespielt hatte, kam auf Dau-
tion 1918/19 der Systemwechsel nach Aushandlung von Kom- er außerhalb der Sowjetunion nirgends zum Tragen. Und ein
promissen zwischen alten und neuen Eliten stattfand. Kenn- Nebeneinander von Parlament und Räten, eine „Doppelherr-
zeichnend hierfür sind vor allem der Ebert-Groener-Pakt und schaft“, die nicht wenige linke Vordenker damals propagier-
das Stinnes-Legien-Abkommen. ten, konnte sich nie irgendwo etablieren. Gleichwohl gibt es
Die zweite Phase der Systemtransformation ist die der Insti- bis heute immer wieder Stimmen, die in der strikten Abwehr
tutionalisierung demokratischer Strukturen. Im Kern geht es von Versuchen in diese Richtung durch SPD und Gewerkschaf-
dabei um die Verabschiedung einer neuen Verfassung. Das ge- ten eine verpasste Chance sehen wollen.
schah in Deutschland am 31. Juli 1919. Eine entscheidende Wei- Die dritte Phase der Systemtransformation ist die der Kon-
chenstellung brachte allerdings schon der erste Reichsrätekon- solidierung. Die neue Verfassung muss zunächst formal legiti-
gress im Dezember 1918, der mit überwältigender Mehrheit für miert werden. So gewinnt die Politik an Berechenbarkeit und
die Wahlen zur Nationalversammlung stimmte und mit eben- kann sich an institutionell abgesicherten Normen orientieren.
falls sehr großer Mehrheit den Antrag ablehnte, das Rätesystem Das in der Verfassungstheorie festgeschriebene neue System
zur Grundlage einer neuen Verfassung zu machen. Hier wurde muss sich aber auch in der Verfassungswirklichkeit bewähren.
keine Revolution „verraten“. Es war einfach so, dass das sozial- Dafür müssen Legislative, Exekutive und Judikative zusam-
demokratische Delegiertenkontingent auf diesem Kongress menwirken. Nur so kann ein neuer gesellschaftlicher Grund-
sehr viel größer war als das der USPD und beide Parteien unter- konsens (Common Sense) entstehen, auf dessen Boden sich
schiedliche politische Vorstellungen hatten. Diese unterschied- eine zivilgesellschaftliche Bürgerkultur entwickeln kann.
lichen Größenordnungen bei den Delegierten entsprachen den Diese dritte Phase hat die Weimarer Republik nur unter gro-
Verhältnissen im Land. Das zeigte sich auch bei den Wahlen zur ßen Schwierigkeiten bewältigt. In den ersten Jahren – man
Nationalversammlung, als die SPD 37,9 Prozent erreichte, die denke an den Kapp-Lüttwitz-Putsch, kommunistische Auf-
USPD aber nur 7,6 Prozent. Die KPD hatte zu diesem Zeitpunkt standsversuche und den Hitler-Ludendorff-Putsch – herrsch-
noch den Status einer Splitterpartei und trat zu den Wahlen ten bürgerkriegsähnliche Zustände. Ein großer Teil der alten
gar nicht an. Anders gesagt: Die Parteien, die eine sozialistische Eliten stand dem neuen System mehr oder weniger ablehnend
Revolution anstrebten, hatten nur einen kleinen Teil der Bevöl- gegenüber. Insbesondere in der Judikative gab es massive repu-
kerung hinter sich. Die große Mehrheit wollte Parlamentarisie- blikfeindliche Einstellungen. So musste sich Reichspräsident
rung und Demokratie, aber keine Diktatur des Proletariats. Ebert noch kurz vor seinem Tod vom Amtsgericht Magdeburg
In die Weimarer Reichsverfassung fand der Rätegedanke bescheinigen lassen, er habe als Beteiligter am Januarstreik
dann Eingang im Artikel 165, dem letzten Artikel des fünf- 1918 Landesverrat begangen. Er hatte sein Amt unter schwieri-
ten Abschnittes „Das Wirtschaftsleben“. Dort ist die Rede von gen Umständen angetreten. Bisweilen überschätzte er die Ge-
Bezirksarbeiterräten und einem Reichsarbeiterrat, der sich fahr einer kommunistischen Machtübernahme, unterschätzte
mit Vertretern der Unternehmerschaft zu einem Reichswirt- gleichzeitig die Risiken einer vorbehaltlosen Kooperation mit
schaftsrat zusammenschließen sollte. Ein vorläufiger Reichs- den alten Eliten und nutzte nicht immer die Spielräume zum
wirtschaftsrat wurde 1920 gegründet, entfaltete aber bis zu Aufbau einer neuen zukunftsweisenden Ordnung. Friedrich
seiner Auflösung 1934 kaum Aktivitäten. Der Rätegedanke, der Ebert war das erste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt
sich nicht nur im Grundgesetz der Russischen Sozialistischen der deutschen Geschichte. Von nationalistischen Gegnern der
Föderativen Sowjetrepublik vom 10. Juli 1918 durchgesetzt hat- neuen Republik gnadenlos verfolgt bis zuletzt, starb er bereits
te, sondern auch in der frühen Nachkriegszeit in Ungarn und mit 54 Jahren.

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24 DEUTSCHE REVOLUTION 1918/19

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beit, München 2006, S. 133–163 fessor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und hat zahlrei-
che Bücher zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts publiziert, zuletzt
Der Gründungsparteitag der KPD. Protokolle und Materialien, hg. v. Hermann
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Kolb, Eberhard: Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918–1919,
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KonzeptQuartier® GmbH, Art Direktion: Linda Spokojny,
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Hirschenstraße 16, 90762 Fürth
Aufl., München 2013, 386 S.
Druck:
Merkel, Wolfgang: Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie
apm alpha print medien AG, 64295 Darmstadt
und Empirie der Transformationsforschung, 2. Aufl., Wiesbaden 2010, 564 S.
Vertrieb:
Merridale, Catherine: Lenins Zug. Eine Reise in die Revolution, Frankfurt /
IBRo, Kastanienweg 1, 18184 Roggentin,
Main 2017, 384 S. Fax: 03 82 04/66-273 oder E-Mail: [email protected]
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