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Betriebliches Gesundheitsmanagement

Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt

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Betriebliches Gesundheitsmanagement

Thorsten Uhle • Michael Treier

Betriebliches Gesundheits-
management
Gesundheitsförderung in der
Arbeitswelt – Mitarbeiter einbinden,
Prozesse gestalten, Erfolge messen

3., überarbeitete und erweiterte Auflage

Mit 101 Abbildungen und 32 Tabellen

123
Thorsten Uhle Michael Treier
Currenta GmbH & Co. OHG Abteilung Duisburg
Leverkusen, Deutschland Fachhochschule für öffentliche
Verwaltung NRW
Duisburg, Deutschland

Ergänzendes Material ¿nden Sie unter http://extras.springer.com/

ISBN 978-3-662-46723-7 ISBN 978-3-662-46724-4 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra¿e; detail-
lierte bibliogra¿sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Umschlaggestaltung: deblik Berlin


Fotonachweis Umschlag: © SerrNovik / iStockphoto

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Berlin Heidelberg ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media
(www.springer.com)
Für meinen Bruder Ralf Uhle < (1959-2002)  Du fehlst!

Für meine Familie  Sophia, Linda und Mirjam Treier  Danke für alles!
Für meine Eltern  Resi und Peter Treier  Bleibt gesund!
Inhaltsverzeichnis


Unser Einstieg 5

1 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung 15


1.1 Gesundheitsstatus und Risiken 16
1.2 Standortbestimmung in Unternehmen 25

2 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM 35


2.1 Der Klarheit geschuldet 35
2.2 Unser Verständnis von BGM 40
2.3 Entwicklungen und Trends im BGM 57
2.4 Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 78
2.5 BGM im Dialog: „Wohin geht die Reise?“ 100

3 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern 105


3.1 Ordnung im Begriffschaos schaffen 107
3.2 Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 117
3.3 Präventionsressourcen sichten und ausbauen 129
3.4 BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die Welt.“ 136

4 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an! 147


4.1 Verhaltens- und Verhältnisprävention 148
4.2 Alle Werkzeuge sind sortiert: Die Toolbox BGM 154
4.3 Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 157
4.4 Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 169
4.5 Werkzeuge für das Wissen: Gesundheitskommunikation 181
4.6 Werkzeuge für die Motivation: Empowerment 184
4.7 Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit Risiken 188
4.8 BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 198
5 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung 215
5.1 Erfolgskriterien und Prüfpunkte 216
5.2 Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 234
5.3 Baustein 1: Kennzahlen 248
5.4 Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 282
5.5 Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 301
5.6 Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 314
5.7 BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 344

6 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen 359


6.1 Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 361
6.2 Gelassen bleiben: Stressmanagement 373
6.3 Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 393
6.4 BGM im Dialog: „Neue Wege gehen“ 404

7 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt 411


7.1 Unsere Kernaussagen zum BGM 411
7.2 Verantwortung tragen: Unsere Leitsätze 412
7.3 BGM im Dialog: „Warum ist Selbstbestimmung so wichtig?“ 418 

Ein paar Worte zum Schluss 425

Verzeichnisse 429
Ansprechpartner
Wir als Autoren stehen Ihnen gerne als Ansprechpartner zur Verfügung. Beim
Schreiben dieses Buches haben wir uns Schwerpunktkapitel zugeteilt. Falls Sie
Fragen, Anmerkungen oder Anregungen haben, sprechen Sie uns bitte an.

Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung …

Dipl.-Psych. Thorsten Uhle  [email protected]

Leiter „Gesunde Arbeitswelt“ bei der Currenta GmbH & Co. OHG
Ich bin mit meinem Team verantwortlich für die Psychosoziale Be-
ratung, die Psychologie der Arbeitssicherheit und das Betriebliche
Gesundheitsmanagement  im eigenen Haus, bei Bayer, Lanxess und
CHEMPARK-Kunden. Für mehr als 50.000 Beschäftigte bieten wir
Unterstützung bei Konflikten, psychischen Erkrankungen, der Ge-
fährungsbeurteilung psychischer Belastungen oder beim Implemen-
tieren von BGM-Prozessen an. Vor meiner Tätigkeit bei Currenta
war ich Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens und wissen-
schaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Arbeit- und Organisations-
psychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor hatte ich Klini-
sche und Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität
Wuppertal studiert. Meine Schwerpunkte sind Gesundheitsförderli-
che Führung, Stressmanagement und die Entwicklung neuer Wege
im Umgang mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt.

Schwerpunktkapitel:  3,  4,  6
Prof. Dr. Michael Treier  [email protected]

Professor für Psychologie, Personal und Organisation


an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW
Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Personal-, Gesund-
heits- und Qualitätsmanagement. Nach einer Krankenpflegeausbil-
dung absolvierte ich Studiengänge in Psychologie, Arbeitswissen-
schaften, Wirtschaftspädagogik und Organisationsmanagement.
Weiterbildungen zum systemischen Organisationsberater, Coach,
zum Qualitätsmanagement und zur Psychotraumatologie ergänzen
mein Kompetenzprofil. Vielfältige Aktivitäten rund um Gesund-
heitsmanagement in der Praxis als Unternehmensberater, als Ange-
stellter in einem Konzern, als Beirat von Unternehmen und als
Hochschullehrer kennzeichnen mein Erfahrungsspektrum. Derzeit
widme ich mich der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastun-
gen und dem Arbeitsfähigkeitsmanagement.

Schwerpunktkapitel:  2,  5,  7
WEB-Inhalte
Auf der Website finden Sie weitere Inhalte, bspw. eine umfassende Präsentation
zur Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Präsentationen Toolbox Information Multimedia


Grafiken als PDF-
Konzept für BGM Seminarpläne Glossar Portfolio integriert
und kommentiert

Fehlzeitenanalyse Self-Checks BGM Barometer Film zum FAGS

Umgang mit Fragen zu Skizze zur Fehl- Multimedia-PDF


Mitarbeitern Gesundheitsscores zeitenanalyse Stressmanager

Film zu „Mission
Burnout Instrumente der
against Stress“
Arbeitsanalyse und
Hinweise zur Ge- Inhalte werden
Film zum Stress-
Gesundes Führen fährdungsbeurteilung nach Bedarf
manager
aktualisiert

Unser Tipp: Die Portfolio-Datei „Abbildungen“ bietet Ihnen nicht nur den Down-
load der Grafiken als hochauflösende JPEG-Dateien (300 dpi, A4-Format), son-
dern jede Grafik ist zusätzlich kommentiert und per TAG zugeordnet.

Portfolio der Abbildungen: eine kommentierte Zusammenstellung

Wie kommen Sie an die Web-Inhalte?


Gehen Sie bitte im Web-Browser http://extras.springer.com ein! Sie brauchen
nur noch unsere ISBN-Nummer einzugeben. Viel Spaß beim Durchstöbern!
Unser Einstieg

Um die Lesbarkeit des Buches zu steigern, weist unsere Avatarin


Sunny als Maskottchen unserer Ideen Sie auf wichtige Inhalte im
Buch hin. Zudem haben wir für Sie ein & Glossar (ª S. 503) und
ein kommentiertes  Internetverzeichnis (ª S. 487) erstellt.

Folgende Positionen nehme ich ein …

Hinweis auf eine Kommentierte


wichtige Informationen Kernaussage

Kommentierte Web-
Offene Frage oder Über-
Adresse (siehe auch
sicht zu den Leitfragen
Internetverzeichnis)

Literaturempfehlung Zusammenfassung

Hinweis auf Materialien Check-Listen und In-


im WEB-Bereich Springer haltsübersichten am
http://extras.springer.com Ende eines Kapitels

Übungs- oder Transfer oder


Reflexionsaufgabe Praxisbeispiel

Problematische Frage- Informations-Box (zum


stellung bzw. Baustelle Beispiel Definitionen)

BGM im Dialog  Inter-


views mit Fachexpertin-
nen und Fachexperten

Die Grundlage für nahezu jedes Buch zur betrieblichen Gesund- WHO Gesund-
heitsförderung (BGF) oder zum betrieblichen Gesundheitsma- heitsbegriff
nagement (BGM) ist die  Definition der Weltgesundheitsorganisa-
tion (WHO) von Gesundheit. Jeder kennt sie, und niemand würde
sie ernsthaft hinterfragen. Dies käme einem Sakrileg oder jeden-
falls einer Verfehlung gleich, denn sie ist „Common Sense“.

Oder würden Sie die folgende positive Definition ablehnen?

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
EA6 Unser Einstieg

WHO Definition
Gesundheit wird als Zustand des vollkommenen körperlichen,
sozialen und geistigen/seelischen Wohlbefindens und nicht
nur als das Freisein von Krankheit/Gebrechen beschrieben.
; Box 0-1: WHO-Definition von 1946

Frage nach der Stellt man in der Praxis aber die Frage, wie sich diese allmächtige
Umsetzung Definition operationalisieren bzw. in konkrete Maßnahmen umset-
zen lässt, dann tritt betretendes Schweigen ein. Der ganzheitliche
Blick eröffnet ein faszinierendes Spektrum an denkbaren Gestal-
tungswegen. Dieser Umfang lähmt uns aber zugleich, denn wo soll
der konkrete Angriffspunkt zur Gesundheitsförderung sein? Wir
E haben Angst, uns zu verzetteln. Abwesenheit von Krankheit reicht
nicht aus, um Gesundheit zu verstehen, denn es geht nicht nur um
den körperlichen Zustand sowie die physiologische und psychische
Funktionalität, sondern Lebensqualität und Zufriedenheit treten
in den Vordergrund (Mayring in Jerusalem & Weber, 2003,
S. 1 ff.). An welchen Indikatoren können wir uns orientieren, um
dem erweiterten Gesundheitsbegriff im Rahmen der BGM gerecht
zu werden? Die Bandbreite von Gesundheitsindikatoren offenbart
das Handlungsspektrum des BGM (Ulich & Wülser, 2015, S. 25 ff.):
x Einstellungen wie ein positives Selbstwertgefühl,
x physische Indikatoren wie Fitness,
x psychische Indikatoren wie Motivation,
x verhaltensbezogene Indikatoren wie Engagement und
x Leistungsindikatoren wie Produktivität.
Die arbeitswissenschaftliche Reflexion ist in Bezug auf die Ar-
beitsperson ganzheitlich ausgerichtet und berücksichtigt neben
konstitutionellen Aspekten wie Geschlecht auch dispositionelle
Aspekte wie Persönlichkeit, Gesundheit oder Intelligenz. Zudem
wird die Bedeutung von Kompetenzen und Anpassungsmerkmalen
wie Motivation aufgezeigt (Schlick et al., 2010, S. 87 ff.).

Rechtliche Ebene Auf die rechtliche und Richtlinienebene hat diese Definition von
1946 jedenfalls nachhaltig abgefärbt. Sie finden Elemente aus
dieser Definition im Arbeitsschutzgesetz (ArSchG), im Arbeitssi-
cherheitsgesetz (AsiG), im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
oder im Sozialgesetzbuch (SGB) (ª Kap. 2.4, S. 78). Viele flankie-
rende Verordnungen, Vorschriften und Normungen greifen auf
diese Definition zurück. Die Gesetze und Richtlinien konzentrieren
sich jedoch auf die Abwehr, Bekämpfung und Vermeidung von
Risikofaktoren, welche die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten
erhöhen. Wegweiser für eine aktive Umsetzung des umfassenden
WHO Gesundheitsbegriffs sind sie aber nicht. Jedoch zeichnet sich
in der jüngsten Geschichte des Verordnungs- und Regelwerks Ar-
Unser Einstieg
7A E
beits- und Gesundheitsschutz ein Paradigmenwechsel ab. So kon-
kretisiert die seit dem 01.01.2011 geltende Unfallverhütungsvor-
schrift DGUV V2 die Aufgaben einer reformierten und integrierten
Gesundheitsförderung, die bspw. klassische Gefährdungsfaktoren,
psychische Fehlbelastungen, Gesundheitsressourcen und den de-
mografischen Wandel als gemeinsame Aufgabe betrachtet (DGUV,
2010). Integrierte Arbeitsschutz-Managementsysteme berücksich-
tigen zwar die Facetten des erweiterten Gesundheitsbegriffes
(Schmager, 1999), faktisch aber oft nur in einer homöopathischen
Dosierung oder als Randphänomene des klassischen Arbeitsge-
sundheitsschutzes.

Lässt sich Gesundheit in dieser breit gefächerten Abbil-


dung wirklich noch betrieblich erfassen und gestalten?
Zeigt nicht schon die Indikatorenvielfalt, dass Gesundheit
kaum objektiv zu fassen und positiv zu beeinflussen ist?

Bei der BGM verhält es sich ähnlich wie bei der Bekämpfung von Gefahrenabwehr
Malware durch Virenscanner und Anti-Spam-Filtern in der EDV. durch den Nutzer
Hier und dort kämpfen wir gegen Windmühlen. Signaturen alleine
reichen bei der Virenbekämpfung nicht mehr zur Identifizierung
der wandlungsfähigen Malware aus. Neuere Systeme bemühen
sich, den Ansturm der Malware u. a. durch Heuristiken und verhal-
tensbasierten Analysen im Sinne von „Deep Guard“ abzuwehren.
Damit sollen die Schwächen der reaktiven Vorgehensweisen, die
stets den Angriffen hinterherhinken, durch proaktive, den Gefah-
ren vorausschauende Techniken kompensiert werden. Doch der
technische Healthcheck allein reicht nicht aus. Eine wichtige Rolle
spielen dabei der Nutzer und sein Risikobewusstsein. Analog sieht
es in der betrieblichen Gesundheitspolitik aus: Gesundheitsbedro-
hende Einflüsse sind so vielfältig, dass eine Gefahrenabwehr nach
„Schema F“ nicht funktioniert. Auch hier rückt der Nutzer, also
der Mitarbeiter, ins Zentrum: Er sollte der Dreh- und Angelpunkt
betrieblicher Gesundheitspolitik und gesundheitsgerechter Ar-
beitsgestaltung sein (Meifert & Kesting, 2004).

Demnach interessiert man sich nicht nur für die Gefahrenredukti- Vom Objekt- zum
on, sondern v. a. auch für die Präventions- oder Schutzfaktoren, Subjektcharakter
die wie Puffer wirken und schädigende Umweltagenzien in ihren
negativen Auswirkungen dämpfen können. Der wichtigste Puffer
ist der Mensch! 1988 hat auch die WHO das Verständnis von Ge-
sundheit vom Objektcharakter befreit und das Subjekt als Träger
und Verantwortlicher für Gesundheit in den Vordergrund gestellt.
Gesundheit wird als die Kompetenz des Individuums verstanden,
die eigenen Gesundheitspotenziale auszuschöpfen und zu erwei-
tern sowie angemessen auf die Herausforderungen der Umwelt zu
EA8 Unser Einstieg

reagieren. Diese & Selbstregulationskompetenz wird zur Kern-


kompetenz der modernen Arbeitswelt (Wiese, 2004). Sie passt im
Argumentationsschema zum „flexiblen Menschen“ in Bezug auf die
Erhöhung der & Employability (Beschäftigungsfähigkeit) (Sennett,
2006), die mehr und mehr in die Eigenverantwortung gelegt wird
(Kaschube, 2006; Böhne & Breutmann, 2009) (ª Kap. 7.2, S. 412).
Der damit assoziierte Algorithmus klingt auf dem ersten Blick ver-
lockend und verheißungsvoll (vgl. Loß et al., 2009), jedoch sind
vorprogrammierte Konflikte zwischen den Faktoren zu beachten:

Erfolgreiches Arbeiten =
Qualifizierter & Motivierter & Flexibler & Gesünder
E
Fördern und Fordern sind nur im Verbund Garanten für eine
erfolgreiche BGM! Mitarbeiter müssen im Hinblick auf ihre
gesundheitliche Kompetenz zugleich gefördert und gefordert
werden. Das bedeutet: Einerseits muss der jeweilige Betrieb
durch verschiedene Maßnahmen Gesundheit fördern (& Em-
powerment oder Gesundheitsbildung), andererseits fordern,
dass sich die Mitarbeiter hilfreiche Kompetenzen aneignen
und auf Verhaltenspathogene im weiteren Sinne verzichten.

Ottawa Charta Diese Denkweise passt zur Ottawa Charta von 1986, die den Be-
griff der Gesundheitsförderung als Prozess der Befähigung erklärt.

Ottawa-Charta
Gesundheit wird hier als die Fähigkeit bzw. Kompetenz des
Individuums beschrieben, die eigenen Gesundheitspotenziale
auszuschöpfen und damit angemessen auf die Herausforde-
rungen der Umwelt zu reagieren.
; Box 0-2: Gesundheitsverständnis der Ottawa Charta von 1986

Selbst- Das Individuum ist also der Träger und Gestalter von Gesundheit,
bestimmung das heißt: Hier geht es um Selbstbestimmung. Selbstbestimmung
kann sich jedoch nur dann entfalten, wenn die Rahmenbedingun-
gen dies ermöglichen. Aber diese Umfeldbedingungen wie Wohn-
bedingungen, Einkommen, stabiles Öko-System etc. sind nicht
einfach nur gegeben, sondern Menschen gestalten selbst Gesund-
heit in ihrer Umwelt. Sie ändern selbst ihre Rahmenbedingungen,
also das Setting. Dieses Setting bezieht sich nicht nur auf die Ar-
beits-, sondern auch auf die Freizeit- und Familienwelt im Sinne
der vielversprechenden, aber trügerischen Terminologie einer
konzilianten & Work-Life-Balance (Esslinger & Schobert, 2007).
Unser Einstieg
9A E
Die Maxime „Fördern und Fordern“ klingt plausibel und für
alle Beteiligten gerecht. Aber sie verkappt ein gewaltiges
Problem im Bereich BGM/BGF: Ist Gesundheit eine Privatan-
gelegenheit? Darf sich der Arbeitgeber hier überhaupt einmi-
schen? Sollte der Arbeitgeber im Sinne der Gesundheitsbil-
dung lediglich den pädagogischen Mahnfinger erheben und
Gestaltungsangebote machen oder darf er auch richtiges
Verhalten einfordern? So kann der Arbeitgeber bspw. Infor-
mationen zur Bildschirmarbeitsverordnung geben. Hat er
aber auch das Recht, die Einhaltung derselben zu erzwingen?
Eine analoge Problematik findet sich in der Teleheimarbeit
wieder, wo sich der Arbeitsplatz in Privaträumen befindet.

Das System LIFE

Was ist LIFE? Das System LIFE der STEAG GmbH baut konse-
quent auf den Gedanken der Selbstbestimmung auf und inte-
griert bestehende Angebote, Möglichkeiten und Handlungs-
felder im Unternehmen und in Netzwerken, um eine nachhal-
tige Gesundheitspolitik im Unternehmen zu erzielen. Die Ab-
kürzung LIFE steht für Langfristige, Individuelle Förderung
der Eigenverantwortung. Denn & Gesundheitsprävention und
Gesundheitsschutz funktionieren nach LIFE nur dann, wenn
der Mensch verantwortlich für sein Handeln ist. Worum geht
es in LIFE? Persönliche Kompetenzen sollen entwickelt, ge-
sundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen unterstützt, ge-
sundheitsförderliche Lebens- und Arbeitswelten geschaffen
werden als ein Bündel von Maßnahmen, die den Weg der Zu-
kunft kennzeichnen.
; Box 0-3: Das System LIFE

Mit dem klassischen arbeitsmedizinischen sequenziellen Ansatz Zweifel an


der Feststellung von Symptomen, Diagnose, Therapie und zusätz- klassischer
lich begleitender & Prävention in den verschiedenen Stufen (Pri- Vorgehensweise
mär-, Sekundär- und Tertiärprävention) werden wir nicht aus-
kommen. Warum? Faktisch vernachlässigt der Präventionsfokus die
Innenperspektive der selbstverantwortlichen Personen. Auch wäre
es eine Illusion anzunehmen, dass es sich „nur“ um Wohlbefinden
handelte, welches gefördert werden sollte. Die Unternehmen
fordern vielmehr Leistungsfähigkeit in Verbindung mit einer psy-
chisch stabilen Konstitution, die heute gerne mit dem Begriff
& Resilienz umschrieben wird (Belastbarkeit und Flexibilität)
(Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014). Die Anforderungen stei-
gen stetig, divergierende Erwartungen bilden sich in unterschied-
lichen Rollensystemen ab, und der Erholungsbegriff wandelt sich
zum Eventbegriff ohne Regenerationskraft. Es geht also immer
E A 10 Unser Einstieg

mehr darum, die Widerstandskraft gegenüber Belastungen zu un-


terstützen  ein neues Handlungsfeld im Bereich BGM/BGF (Som-
mer et al., 2014).

Demnach muss die BGF nicht nur das Wohlbefinden der Mit-
arbeiter fördern, sondern auch ihre Leistungsfähigkeit si-
chern und gleichzeitig vor Überlastung schützen. Damit rückt
die Frage nach der psychischen Gesundheit in den Fokus der
BGF. Die Synergismen zwischen psychischer Gesundheit und
gesunder Arbeitswelt sind hier Erfolg versprechend.

E Was verbinden Sie mit Gesundheit?

Wie kann der Mensch gesund bleiben (oder werden), wenn es


gar keine Erholungsphasen mehr gibt? Wie kann seine Arbeits-
und Leistungsfähigkeit gesichert werden? Wer setzt über-
haupt den Maßstab, was gesund bedeutet?

Psychische In unserem Buch setzen wir auf die psychische Gesundheit als
Gesundheit als individuelle „Widerstandskraft“, ohne den betrieblichen Kontext
Regulations- außer Acht zu lassen. Wir verstehen psychische Gesundheit aber
phänomen nicht als eine Liste persönlichkeitsbezogener Merkmale der ange-
messenen Gesundheitseinstellung und des konstruktiven Gesund-
heitsverhaltens wie Autonomie, Lebensbejahung, Vertrauen,
& Selbstwirksamkeit oder erfolgreicher sozialer Integration (Jeru-
salem & Weber, 2003; Schwarzer, 2004). Für uns handelt es sich
vielmehr um einen kybernetischen handlungsorientierten Begriff:
Das Kernkonstrukt der Gesundheit ist die erfolgreiche Regulation
des Menschen in und mit seiner Umwelt (Wieland-Eckelmann,
1996; Wieland, 2004). Die dynamische und komplexe Umwelt mit
ihren in qualitativer und quantitativer Hinsicht wachsenden Ar-
beitsanforderungen, Qualifikationserfordernissen und Belastungs-
strukturen kann nicht allein durch Richtlinien geregelt werden,
denn diese sind zu statisch. Die Kunst des aktiven Steuerns liegt
beim Menschen und wird als Selbstmanagement verstanden (Kan-
fer et al., 2005; Kesting, 2004). Analog einem Thermostat muss
der Mensch es schaffen, die eigene Gesundheit trotz vieler & Be-
lastungen und Anforderungen auf ein stabiles Soll-Niveau einzu-
pendeln. Es geht u. a. um den & salutogenetischen Begriff der
Kohärenz mit den Komponenten der Verstehbarkeit, der Handhab-
barkeit und der Sinnhaftigkeit (Antonovsky, 1987).
Unser Einstieg
11 A E
Gesundheit
Gesundheit ist die Fähigkeit, sich und seine Umwelt selbst zu
regulieren (personale Gesundheitskybernetik). Wir benötigen
Vertrauen in die eigene & Regulationskompetenz beim un-
aufhörlichen Gegensteuern in komplexen Systemen. Komplex
sind die Systeme der Mitarbeiter deshalb, weil nicht nur die
Arbeitswelt, sondern viele weitere gesellschaftlich-kulturelle
Determinanten zu berücksichtigen sind. Das Vertrauen in sei-
ner Regulationskompetenz sollte durch Maßnahmen der BGM
gestärkt werden.
; Box 0-4: Gesundheitsbegriff als Regulationskompetenz

Was können die Unternehmen machen?


Welche Hilfen wollen wir in diesem Buch anbieten?

Das Wort Kybernetik drückt Komplexität aus, und psychische


Gesundheit lässt sich nicht einfach so erfassen und verstehen
wie biologische Erkrankungsbilder. Entrückt damit das Thema
für die Praxis im Sinne überbordender theoretischer Ge-
sundheitsmodelle? Wir sagen: Nein, der Transfer ist möglich
und auch notwendig. Er verlangt eine Kehrtwende im traditi-
onellen Denken. Die Regenschirmmentalität als Gefahrenab-
wendung reicht jedenfalls hier definitiv nicht mehr aus.

Das Unternehmen hat nunmehr den Auftrag, diesen kyberneti- Auftrag an die
schen Prozess zu unterstützen und förderliche Gestaltungsbedin- Unternehmen
gungen zu schaffen. In den Foren des  Deutschen Netzwerkes für
Betriebliche Gesundheitsförderung (DNBGF) wird auf die Proble- Die horrenden
Zahlen sprechen
matik der noch zu geringen Verbreitung von BGM/BGF aufmerksam
für sich!
gemacht. Der aktuelle Bericht (Dezember 2014) zum Stand von
Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SUGA, 2014, S. 161)
unterstreicht die Notwendigkeit, denn im Jahr 2013 ergeben sich
nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Ar-
beitsmedizin (BAuA) immerhin etwa 568 Millionen Arbeitsunfähig-
keitstage  davon anbei fast 79 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage
allein in der Diagnosegruppe „Psychische und Verhaltensstörun-
gen“. Arbeitsunfähigkeit als Spitze des Eisberges verursachte da-
mit 2013 einen Produktionsausfall anhand der Lohnkosten von
etwa 59 Milliarden Euro. Der volkswirtschaftliche Verlust lässt sich
auf rund 103 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung beziffern.
Die Finanzkrisen und die überbordenden Defizite in den Staats-
haushalten in der Eurozone haben uns an solche unvorstellbaren
Zahlen schon gewöhnen und abstumpfen lassen. Dennoch hoffen
wir, dass diese Zahlen nachdrücklich den Bedarf signalisieren.
E A 12 Unser Einstieg

Auftrag Wir stellen uns in diesem Buch immer wieder die Fragen, wie die-
an das Buch se & Regulationskompetenz im Bereich Gesundheit im betriebli-
chen Kontext aufrechterhalten und gefördert werden kann und
welche Rahmenbedingungen diese Aufgabe unterstützen. Im Zu-
sammenhang mit der Demografie-Fitness der Organisation oder
auch mit der Bedeutungszunahme des Personals stellt dieser Auf-
trag kein „Sozialklimbim“ dar. Der gesunde und sich selbstregulie-
rende Mensch ist die Voraussetzung für eine gesunde Arbeitswelt.
Die gesunde Organisation ist ein Asset, das in Anbetracht der Her-
ausforderungen niemand bestreiten wird. In diesem Zusammen-
hang und im Hinblick auf die oben genannten Zahlen lohnt sich die
Investition in das BGM. Dieses Buch soll dazu einen Beitrag leisten.
E
Wir behaupten, dass Arbeit nicht krank, sondern reich
macht. Reich aber nicht im finanziellen Sinne, sondern v. a.
im Hinblick auf Gesundheit und Selbstbewusstsein (Selbsthei-
lungskraft der Arbeit). Unser Anliegen ist nicht die Repara-
turergonomie einer anonymisierten Arbeits- und Lebenswelt,
sondern die Personalisierung von Arbeit als Grundrecht, als
Würde und als Vision. Die Anamnese des Arbeitsgesundheits-
schutzes zeigt, dass es nicht nur um die Minimierung von Ex-
positionen schädlicher Agenzien gehen kann, sondern wir
müssen uns v. a. um die Nabe Mensch im Speichenradmodell
der Arbeits- und Gesundheitswissenschaften kümmern (im
Sinne von Prof. Dr. Claus Piekarski, ehemaliger Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin
( DGAUM) (ª Kap. 2.5, S. 100). Das Schmiermittel ist hier
die & Regulationskompetenz. Identifiziert sich der Mensch
mit seiner Arbeit, dann gewinnen die Deklarationen an sicht-
barer Bedeutung. Es geht nicht mehr nur um das Aufschwei-
ßen, um weitere Brüche zu verhindern, sondern wir befassen
uns mit einem neuen kunstvollen Schmiedestück:

DER GESUNDEN ARBEITSWELT


Unser Einstieg
13 A E
} Abbildung 1 illustriert unseren Weg zur gesunden Arbeitswelt.

'HUJHVXQGH0HQVFKLQ =LHO Eigenverantwortung und


HLQHUJHVXQGHU$UEHLWVZHOW Verantwortung Unternehmen

+HUDXVIRUGHUXQJHQ Aktuelle Themenfelder

Steuerung / Qualitätssicherung
*HVXQGKHLWVFRQWUROOLQJ 'HU:HJ Erfolgskriterien und Prüfpunkte
]XU
Verhältnis und Verhalten
3UlYHQWLRQVDXIWUDJ JHVXQGHQ Unsere Toolbox BGM
$UEHLWVZHOW
+DQGOXQJVPD[LPHQ Risiken und Ressourcen

(FNSIHLOHUGHV%*0 Pflicht, Gebot oder Kür

6WDUW Gesundheitsstatus, Risiken und


'LH$XVJDQJVODJH empirische Herleitung

} Abbildung 1: Unser Weg zur gesunden Arbeitswelt


1 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

KAPITEL 1 beginnt mit einer empirischen Herleitung, um die


Notwendigkeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements zu ver-
deutlichen. Auf Basis zugänglicher Daten wird ein Risikokataster de-
finiert, der durch eigene Studien untermauert wird. Am Ende werden
relevante „Grundgesetze“ aus Evidenzsicht abgeleitet.
K1
Unsere Leitfragen …
Ź Kap. 1.1: Gesundheitsstatus und Risiken (Seite 16)
Wie stellt sich der allgemeine Gesundheitsstatus dar?
Welche Risiken bestimmen die gegenwärtige Gesundheitssituation?
Ź Kap. 1.2: Standortbestimmung in Unternehmen (Seite 25)
Wie sieht die Lage in Unternehmen aus?
Welche Handlungsfelder lassen sich bestimmen?

In den letzten Jahren erweitern deutsche, europäische und inter- Wir wissen es!
nationale Studien stetig unseren Kenntnisstand im Hinblick auf
Gesundheitsstatus und Risiken in der Bevölkerung. Die Studien
zeichnen sich aus methodologischer Sicht nicht nur durch zuneh-
mende Repräsentativität, sondern v. a. durch Aussagekraft und
(prognostische) Validität im Sinne der inhaltlichen Gültigkeit aus.
Diese Qualität erfordert neue Zugänge, indem bspw. auf standar- Qualität durch
disierte Instrumente und auf eine Mehrfacherhebungstechnik zu- Methodenmix
rückgegriffen wird. Bei der & Triangulation werden verschiedene
Methoden wie medizinische Untersuchungen, subjektive Befragun-
gen oder Dokumentenanalysen und somit unterschiedliche Sicht-
weisen auf das zu untersuchende Phänomen angewendet. Auch
beschränkt man sich nicht mehr ausschließlich auf Querschnittsda-
ten. Vielmehr ist man trotz der Erhebungs- und Zugangsprobleme
sowie der Panelsterblichkeit der Teilnehmer (Ausfälle) bemüht,
Längsschnittdaten zu gewinnen. Ein & Panel ist eine Stichprobe,
die im Rahmen der gleichen Fragestellung wiederholt untersucht
wird. Neben Zeitreihendaten sind Untersuchungsdesigns aus Pa-
nel- und Mehrebenenstrukturen beliebt, um Antworten auf sozio-
ökonomische und demografische Zusammenhänge in Bezug auf
Gesundheitsstatus und Risikofaktoren zu gewinnen. So lassen sich
das Verhalten, die Gesundheitsentwicklung und die Einstellungen
der Befragten über mehrere Messzeitpunkte beobachten und da-
mit nicht „nur“ Prävalenzen bestimmen, sondern auch kausale
Fragestellungen ableiten und bearbeiten.

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
1 A 16 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

1.1 Gesundheitsstatus und Risiken


Wir haben für Erfreulicherweise muss man nicht aufwendige Recherchen betrei-
Sie geschürft! ben, um an relevante Daten zu gelangen. Für den ersten Schritt
einer & Evidenzbegründung reicht es, auf allgemein zugängliche
und oftmals gut kommentierte Datensysteme zu rekurrieren. Zur
Bestimmung eignen sich für Deutschland v. a. folgende Quellen:
x Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Hier interes-
sieren uns v. a. die Umfragen zu verschiedenen Gesundheits-
themen wie Suchtvorbeugung, AIDS, Drogenaffinität, Gesund-
heitsverhalten und Einstellung zu Gesundheitsfragen sowie Er-
nährung, Bewegung und Stressbewältigung. Diese Studien und
weitere Fachpublikationen sind auch beim Datenarchiv für So-
zialwissenschaften abrufbar. [ BZgA]
x Deutsche Krebsforschungszentrum: Neben vielen spezifischen
1 Studienergebnisse sind hier aus Sicht der Arbeitswelt die um-
fassenden Analysen zum Zusammenhang zwischen Lebensstil-
faktoren und Lebenserwartung von Interesse. Ungute Lebens-
stilkombinationen (Rauchen, Adipositas, Bewegung, Alkohol-
konsum usw.) führen zu signifikanten Verlusten an Lebenszeit.
So büßen Männer bei einer ungünstigen Kombination bis zu 17
und Frauen bis zu 14 Lebensjahren ein. Die Daten stammen
aus einer gesamteuropäischen Studie zum Zusammenhang von
Ernährung, Lebensstilfaktoren und Krebs (EPIC)  seit über 20
Jahren werden die Lebensstilfaktoren von einer halben Million
Europäer dokumentiert. Das EPIC-Zentrum im DKFZ betreut
fast 26.000 Teilnehmer (Li et al., 2014). [ DKFZ]
x Drogen- und Suchtbericht: Suchtkrankheiten sind in der Ar-
beitswelt noch ein Tabuthema, obwohl das Suchtphänomen
regelrecht grassiert  vom Alkohol am Arbeitsplatz über
Glücksspiel bis zur exzessiven Internetnutzung. BGM muss sich
daher mit diesem Thema in Bezug auf Prävention und Bera-
tung auseinandersetzen. Der jährlich aktualisierte Drogen-
und Suchtbericht von der Drogenbeauftragten der Bundesre-
gierung bietet aktuelle Daten zu stoff- und nichtstoffgebunde-
nen Suchterkrankungen. [ Drogenbeauftragte]
x Europäische Erhebungen über die Arbeitsbedingungen: Die
Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Ar-
beitsbedingungen als Agentur der Europäischen Union führt
regelmäßig im Fünfjahreszyklus umfangreiche Untersuchungen
(derzeit 44.000 Erwerbstätige) zu den Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen nach Branchen bzw. Sektoren in derzeit 34 europäi-
schen Ländern durch und liefert damit wichtige Erkenntnisse
über Schlüsselaspekte der Arbeitswelt wie bspw. Arbeitszeit,
-organisation und -zufriedenheit, Gesundheit und Wohlbefin-
den (Eurofound, 2012). [ Eurofound]
Gesundheitsstatus und Risiken 17 A 1.1
x Fehlzeitenberichte des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
(WIdO): Wer nach umfassenden Daten und Analysen zu krank-
heitsbedingten Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft sucht,
wird hier gewiss fündig. Das AOK-Institut in Zusammenarbeit
mit der Universität Bielefeld präsentiert jährlich Statistiken
zum Krankenstand der Arbeitnehmer nach Branchen, Be-
triebsgrößen, Berufsgruppen und Ländern. [ WIdO]
x Gesundheitsberichte der Krankenkassen: Die Gesundheitsbe-
richte der Krankenkassen (hier v. a. Techniker Krankenkasse,
Barmer GEK, AOK und Bundesverband der Betriebskrankenkas-
sen) stellen Auswertungen der Arbeitsunfähigkeits- und Arz-
neiverordnungsdaten zu sozialversicherungspflichtig beschäf-
tigten oder arbeitslos gemeldeten Mitgliedern der jeweiligen
Krankenkassen vor. Diagnosekapitel, Bundesländer, Berufsfel-
der, Geschlecht und Alter sind relevante Gruppierungsvariab-
len. Viele dieser Berichte enthalten Schwerpunktthemen. Sie
lassen sich kostenlos bestellen oder im Internet downloaden.
So stellt die TK hochauflösende illustrierende Grafiken zu den
Datenlandschaften zur Verfügung. Aktuell erhalten Sie im In-
ternet die TK-Gesundheitsreports von 2008 bis 2014. Das BKK
Gesundheitsreport-Archiv bietet Berichte ab 2004 an, was eine
„quasilängsschnittliche“ Betrachtung ermöglicht. [ TK]
x Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Diese Quelle hat
sich in den letzten Jahren als regelrechte Fundgrube für Ge-
sundheitsdaten erwiesen. Sie bietet viele Informationen zu
Krankheiten und Gesundheitsproblemen, zu Rahmenbedingun-
gen, zum Gesundheitsverhalten und Gesundheitsgefährdungen
sowie zur Gesundheitsversorgung und zu finanziellen Aspek-
ten. Dabei wird eine Breite von Gesundheitsindikatoren ver-
wendet, aufbereitet nach den Definitionen des Europäischen
Gesundheitsindikatorensatzes (ECHI). [ GBE-Bund]
x Nationale Verzehrstudie: Das Max Rubner-Institut als Bundes-
forschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel liefert ak-
tuelle Daten zum Aktivitäts- und Ernährungsverhalten sowie
Ernährungsstatus und Körperdaten wie Gewicht in Abhängig-
keit von soziodemografischen Basisdaten. Dazu wurden
2005/06 etwa 20.000 Menschen in Deutschland im Alter zwi-
schen 14 und 80 Jahren befragt. Zur Weiteranalyse der Daten
kann man ein Scientific-Use-File anfordern. [ NVS]
x PROCAM-Studie: Bei der PROCAM Studie (Prospective Car-
diovaskular Münster Study) handelt es sich um eine Beobach-
tungsstudie mit Schwerpunkt auf Herz- und Gefäßerkrankun-
gen. Vom Design präsentiert sie sich als eine Prospektivstudie.
Die Daten ermöglichen die individuelle Risikobestimmung, in-
nerhalb der nächsten zehn Jahre einen Herzinfarkt oder einen
Schlaganfall zu erleiden. Im Internet kann man an einem
1 A 18 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

Schnell-, Gesundheits- oder Schlaganfalltest teilnehmen  ein


interessanter Ansatz für Self-Checks in der Arbeitswelt. Über
50.000 Personen im Alter zwischen 16 und 78 Jahren haben
bislang an dieser Untersuchung teilgenommen. [ PROCAM]
x Robert Koch-Institut: Das Robert Koch-Institut als Bundesinsti-
tut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesund-
heit ist für die wachsende Gesundheitsberichterstattung des
Bundes (siehe oben) zuständig. Es liefert bundesweit reprä-
sentative Gesundheitsinformationen (KiGGS = Studie zur Ge-
sundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland; DEGS
= Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland; GEDA =
Gesundheit in Deutschland aktuell). Daneben gibt es aber
auch weitere Daten zum Gesundheitsmonitoring, bspw. die
Daten des Krebsregisters (Zentrum für Krebsregisterdaten,
ZfKD) oder epidemiologische Forschungen zu spezifischen Ge-
sundheitsfaktoren wie Bluthochdruck, Allergien, psychische
1 Gesundheit. Aus Forschungssicht ist wichtig, dass Datensätze
zur Verfügung gestellt werden (Public Use Files). [ RKI]
x Statistisches Bundesamt: Für das Thema Gesundheit sind hier
v. a. die Daten des Mikrozensus von Interesse. Der Mikrozensus
ist eine repräsentative Haushaltsbefragung der amtlichen Sta-
tistik in Deutschland. Er liefert sozio-ökonomische Informatio-
nen, aber auch Informationen zu Fragestellungen wie Gesund-
heit und Freizeitgestaltung. Diese Daten lassen sich zur Stich-
probenplanung und zur Ermittlung von Strukturdaten für Quo-
tenstichproben von Studien verwenden. [ DeStatis]

Die Initiative Gesundheit und Arbeit [ IGA] veröffentlicht regel-


mäßig Informationen zu ausgewählten Krankheitsschwerpunkten
und Gesundheitsrisiken in der Arbeitswelt. Die Broschüre iga-
Fakten Nr.3 (IGA, 2012) präsentiert wichtige Fakten im Hinblick
auf lebensstilbezogene Gesundheitsrisiken wie Rauchen, Alkohol,
Ernährung, Bewegung sowie Stress und psychosoziale Belastungen.
Zu empfehlen ist hier auch der Unfallverhütungsbericht „Sicher-
heit und Gesundheit bei der Arbeit“ (SUGA, 2014). Sie können auf
der Website der  BAuA die Unfallverhütungsberichte ab 2001
downloaden. [www.baua.de/suga]

Eine Ikone — die Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland des Robert
DEGS-Studie Koch-Instituts hat aufgrund ihrer methodologischen Qualität und
im Hinblick auf die Facettenbreite der Inhaltsfelder eine heraus-
ragende Bedeutung  v. a. für die Kalibrierung eigener Gesund-
heitsdaten in Organisationen (Kurth, 2009). Sie ist ein wesentli-
cher Bestandteil eines systematischen Gesundheitsmonitorings
(Kurth et al., 2009) (ª Kap. 5.2, S. 234).
Gesundheitsstatus und Risiken 19 A 1.1
Gesundheitsmonitoring
Die Herausforderungen in Bezug auf die Gesunderhaltung der
Bevölkerung wachsen. Dies steht im Zusammenhang mit dem
demografischen Wandel, der Globalisierung und der Verände-
rung der Umweltbedingungen. So wandelt sich u. a. das
Krankheitspanorama. Chronifizierung, Stoffwechselerkran-
kungen, psychische Störungen, Multiresistenzen in Bezug auf
Infektionskrankheiten, Multimorbidität sind nur einige nen-
nenswerte Aspekte. Die Auswirkungen auf das Gesundheits-
system sind frühzeitig zu bestimmen, um präventiv den Her-
ausforderungen zu begegnen. Das Gesundheitsmonitoring be-
obachtet systematisch und objektiv diese Entwicklungen un-
ter Berücksichtigung der Arbeits- und Lebensbedingungen,
um Krankheitsrisiken und Krankheitshäufigkeiten zu identifi-
zieren und ihre Entwicklung im Sinne einer epidemiologi-
schen Herangehensweise vorherzusagen. Das Gesundheitsmo-
nitoring ist daten- und indikatorengetrieben und greift auf
sich ständig aktualisierende Datenlandschaften zurück.
; Box 1-1: Gesundheitsmonitoring

Es handelt sich um einen repräsentativen Gesundheitssurvey so- Skizze zur


wohl im Querschnitt- als auch Längsschnittdesign als Beitrag zur DEGS-Studie
Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Sie ist als Kohortenstu-
die angelegt, um über die Studienwellen hinweg Veränderungen
und Trends bestimmen zu können. Dies erfordert einen systemati-
sches Design und ausgeprägte Kontinuität der eingesetzten In-
strumente und der zu berücksichtigenden Fragestellungen unter
Beachtung soziodemografischer Faktoren und des Sozialstatus:
x Gesundheitsstatus (breites Spektrum an Gesundheitsfaktoren)
x Subjektiv erlebte Gesundheit und Lebensqualität
x Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems
x Gesundheitsrelevanter Lebensstil und Gesundheitsverhalten
x Lebens- und Umweltbedingungen
Die DEGS-Studie wird begleitet durch weitere Studien u. a. zur
Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Im Erhebungszeitraum
von 2008 bis 2011 sind je nach Untersuchungsansatz etwa zwi-
schen 7000 und 8000 Teilnehmern erfasst worden. Dabei ist das
standardisierte Vorgehen hervorzuheben. Die geschichtete Stich-
probenerhebung erfolgt in zwei Stufen. Zunächst findet eine
Schichtung nach Bundesland und Gemeindegrößenklassen statt.
Dabei sind die 120 Studienorte der Vorstudie um weitere 60 Orte
ergänzt worden. Anschließend ist aus den Melderegistern der Ein-
wohnermeldeämter eine neue Personenstichprobe gezogen wor-
den. Zudem lassen sich aufgrund der fast 4000 gematchten Daten-
paare zwischen Teilnehmern der Vorstudie BGS 98 (Bundesgesund-
1 A 20 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

heitssurvey) und der ersten DEGS-Studie Veränderungen aufzei-


gen. Schließlich erfolgt ein Vergleich der Indikatoren mit der amt-
lichen Statistik und dem Mikrozensus. Ferner erfolgt eine Kurzbe-
fragung der Nonresponder. Aufgrund der Methodenvielfalt lassen
sich gesundheitsrelevante Informationen aus Befragungen (Frage-
bögen zum Selbstausfüllen, ärztliche Interviews), medizinischen
Untersuchungen (körperlichen Untersuchungen wie Blutdruck,
Fahrradergometrie, Lactatschnelltest, Schilddrüsensonografie
sowie anthropometrischen Messungen wie Körpergewicht) und
Laboranalysen (Blut-/Urinproben) verknüpfen (& Triangulation).

Die DEGS-Studie schafft eine verlässliche Datenlandschaft


für das Gesundheitsmonitoring in Deutschland. Die Repräsen-
tativität der Daten ist hoch und bietet aufgrund der Metho-
denvielfalt die Chance, umfassende Aussagen zum jetzigen
und künftigen Gesundheitszustand zu treffen.
1
Zum Design } Abbildung 2 illustriert das Design der Studie (aus Gößwald et
der Studie al., 2012, S. 776). Mit diesem komplexen Aufbau erlaubt die Stu-
die verschiedene Analysestrategien von & Prävalenz- und Inzi-
denzschätzungen über Zusammenhangsanalysen bis zu Kausalbe-
trachtungen und Lebenslaufanalysen:
1. Querschnittanalyse: Analyse bestimmter Merkmale bei ver-
schiedenen Teilnehmern bzw. Teilnehmergruppen in ein und
derselben Zeitperiode Æ Abschätzung von Prävalenzen.
2. Trendanalyse: Aufzeigen der zeitlichen Entwicklung von rele-
vanten Gesundheitsgrößen von der Vergangenheit bis in die
prognostizierte Zukunft in Bezug auf die Teilnehmergruppen
bei entsprechender Adjustierung (Beispiel: Altersgruppe) Æ
Darstellung von Trends.
3. Lebenslaufanalyse: Verfolgung der Entwicklung der Teilneh-
mer im Hinblick auf die erhobenen Merkmale (Längsschnitt),
also Untersuchung bestimmter Merkmale bei ein und demsel-
ben Merkmalsträger Æ Aussagen zu Inzidenzraten, Bedingun-
gen und Kausalitäten.

Auf dieser Website finden Sie alle Informationen zur Studie. Um


eigene Daten bspw. aus einer Standortbestimmung (ª Kap.1.2,
S. 25) mit den bevölkerungsrepräsentativen Daten der DEGS-
Studie zu verknüpfen, wird künftig ein Public Use File für wissen-
www.degs- schaftliche Analysen angeboten. Gelungen ist die nach Filtern
studie.de
(gesundheitsrelevanten Themen) sortierbare Literaturrecherche.
Link: www.degs-studie.de/deutsch/ergebnisse/literatur.html
Gesundheitsstatus und Risiken 21 A 1.1
$OWHU

Module
Standardprogramm

  


4XHUVFKQLWWVDQDO\VHQ
  
 /HEHQVYHUOlXIH
  

  

7UHQGDQDO\VHQ
  


     

    

-DKU
%*6 '(*6 '(*6 '(*6
   
   

%*63RSXODWLRQ
DXV*|‰ZDOG HW DO6HLWH
1HXH6WLFKSUREH'(*6 

1HXH6WLFKSUREH'(*6 

} Abbildung 2: Aufbau der DEGS-Studie des Robert Koch-Instituts aus


Gößwald et al. (2012, S. 776)

Die Gesundheitsdiebe: In einem Symposium am 14. Juni 2012 sind Risikokataster


erste Ergebnisse der DEGS-Studie der Phase 1 veröffentlicht wor- nach DEGS
den (Kurth, 2012). Die Basispublikationen DEGS Phase 1 lassen sich
als PDF-Dateien auf der DEGS-Website downloaden. Als gebündel-
te Zusammenfassung sind die Ergebnisse in der Zeitschrift „Bun-
desgesetzblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz“ er-
schienen. Aktuell ist die zweite Phase der DEGS-Studie eingeläu-
tet. Erste Vergleichsergebnisse sind hier 2016 zu erwarten.
0 Werden wir immer dicker? Deutschland hat ein Gewichtsprob-
lem. Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in
Deutschland auch im internationalen Vergleich ist weiterhin
als hoch einzustufen (vgl. Nationale Verzehrstudie,  NVS).
Auch wenn das Übergewicht BMI • 25 kg/m2 auf hohem Niveau
im Vergleich zur BGS 98 stagniert oder sogar nach Adjustie-
rung in Bezug auf die veränderte Altersstruktur rückgängig ist,
schwerwiegender ist ein deutlicher Anstieg der Adipositasprä-
valenz BMI • 30 kg/m2. Dabei sind keineswegs nur ältere Men-
schen betroffen, sondern gerade auch Jüngere!
1 A 22 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

0 Wie sieht es mit der Volksgeißel Zucker aus? Der bekannte


Diabetes tritt aktuell bei 7,2 Prozent der Bevölkerung auf.
Dies bedeutet eine statistisch signifikante Zunahme der Le-
benszeitprävalenz um rund zwei Prozentpunkte, bei entspre-
chender Altersadjustierung im Schnitt um 1,4 Prozentpunkte.
Jedoch ist die Dunkelziffer hoch, denn der unbekannte Diabe-
tes oder Vorstufen des Diabetes wie die Insulinresistenz oder
Glucosetoleranz im Rahmen des metabolischen Syndroms (be-
drohliches Risiko-Quartett: Bluthochdruck, veränderte Blut-
fettwerte, Insulinresistenz, abdominelle Fettleibigkeit) lauern
im Hintergrund. Diese Stoffwechselkrankheit ist auf dem Vor-
marsch. Neben anderen Faktoren führen v. a. die hochkalori-
sche Ernährung und körperliche Inaktivität zur schleichenden
Überlastung des Stoffwechselhaushalts. Tipp: Mit dem  Dia-
betes FINDRISK können Sie Ihr Diabetes-Risiko bestimmen.
0 Wie aktiv sind wir? Hier zeichnet sich ein positiver Trend ab,
1 denn die Deutschen bewegen sich mehr als früher. Aber laut
WHO-Definition ist die Bewegungsmenge noch nicht ausrei-
chend. Die WHO empfiehlt eine Aktivitätszeit von wöchentlich
mindestens 2,5 Stunden. Jedoch erreichen laut der Studie nur
etwa 25 Prozent der Männer und 16 Prozent der Frauen die
Empfehlungen der WHO (ergo, vier Fünftel der Erwachsenen
nicht). Zudem ist das Aktivitätsniveau bei jüngeren stärker als
bei älteren Menschen ausgeprägt. Frauen sind im Vergleich zu
Männern eher bereit, an Maßnahmen zur Bewegungsförderung
teilzunehmen und ihr Gewichtsmanagement aktiv anzugehen.
0 Welche Rolle spielen Funktionseinschränkungen im Alter? Der
demografische Wandel hat das Bewusstsein für die Gesundheit
im Alter geschärft. Im Rahmen der Studie werden alltagsrele-
vante Funktionsfähigkeiten mit Hilfe standardisierter Testver-
fahren (isometrische Handgreifkraft, Mobilität, Beinkraft, sta-
tisches Gleichgewicht und kognitive Leistung) erfasst. Damit
erhält man alters- und geschlechtsspezifische Referenzwerte
auch zum Thema Arbeitsfähigkeit. Hier geht es auch um das
nationale Gesundheitsziel: Gesund älter werden ( gesund-
heitsziele.de). Gerade bei den Krankheiten des Muskel-
Skelett-Systems und des Bindegewebes ist im Kontext des de-
mografischen Wandels zukünftig mit Problemen zu rechnen.
0 Wie belastet sind wir? Psychische Antworten wie Stress,
Schlafstörungen, Depressionen und Burnout sind bekannte
Klassiker. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die hohe Be-
deutung der psychischen Gesundheit. Dies wird auch vom ak-
tuellen Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin bestätigt (Lohmann-Haislah, 2012). Allein fast
27 Prozent der Befragten geben an, an einer Schlafstörung
von mindestens dreimal pro Woche zu leiden. Der Wert nimmt
mit dem Alter zu. Aber auch andere Faktoren sind teilweise
hoch ausgeprägt. Eine aktuelle Depression bzw. ein depressi-
Gesundheitsstatus und Risiken 23 A 1.1
ves Syndrom weisen acht Prozent der Teilnehmer auf. Gerade
junge Leute sind betroffen  dort ist die Prävalenz bei den 18
bis 29 Jährigen mit fast zehn Prozent am höchsten. Betrachtet
man eine jemals diagnostizierte Depression, erreichen die
Werte teilweise schwindelerregende Ausprägungen: bspw.
über 20 Prozent bei Frauen im Alterssegment von 45 bis 64
Jahre. Neben depressiven Syndromen ist Burnout in aller Mun-
de. Hier kristallisiert sich jedoch als Problem heraus, dass
keine anerkannte Diagnose existiert, wohl aber das Burnout
eine versorgungspolitische Realität darstellt, da anhaltende
Erschöpfung und Leistungsminderung gerade aus arbeitswelt-
bezogener Sicht große Probleme aufwerfen. Zudem erwartet
man auch dauerhafte psychische und biologische Veränderun-
gen. In Bezug auf Burnout zeichnet sich die höchste Zwölfmo-
natsprävalenz von 2,5 Prozent bei den 40 bis 49 Jährigen ab.
Bei über vier Prozent der Befragten ist ein Burnout Syndrom
festgestellt worden, wobei hier auf die diagnostische Definiti-
onsbreite hinzuweisen ist. Chronischer Stress als starke und
überdauernde Stressbelastung erfolgt in subjektiver Einschät-
zung (Bezugszeitraum: letzte drei Monate). Hier zeichnet sich
ein eindeutiger Gender-Effekt ab, denn Frauen überwiegen in
allen Altersklassen. So geben über 16 Prozent der Frauen im
Alterssegment von 18 bis 29 Jahren an, starke Stressbelastun-
gen zu haben. Vielleicht sind Frauen hier aber auch nur ehrli-
cher als Männer. Man sollte an dieser Stelle bedenken, dass
psychische Beeinträchtigungen wie depressives Syndrom,
Burnout-Syndrom oder Schlafstörungen gerade gehäuft bei
Menschen mit chronischem Stress auftreten.
0 Sind wir psychisch krank? Eine Zusatzuntersuchung zur psychi-
schen Gesundheit (DEGS-MHS) als klinische und diagnostisch
differenzierte Beurteilung psychischer Störungen und ihrer
Folgen zeigt auf, dass fast jeder vierte Männliche und jede
dritte weibliche Person im Erhebungsjahr zumindest zeitweilig
unter einer voll ausgeprägten psychischen Störung gelitten
hat. Meistens handelt es sich um Angst- und depressive Stö-
rungen, gefolgt von Substanz- und somatoformen Störungen
(vgl. Wittchen & Hoyer, 2011). Relativ selten (< 3 Prozent)
sind posttraumatische Belastungsstörungen, bipolare, psycho-
tische, Zwangs- und Essstörungen. Problematisch sind die aus-
geprägte & Komorbidität, eine hohe Anzahl an Ausfalltagen
und eine relativ niedrige Behandlungsrate sowie die Neigung
zur Chronifizierung bei psychischen Krankheitsbildern.
0 Verändert sich die Lebensqualität? Im Rahmen der DEGS-
Studie sind Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität
mit einem normierten Instrument erfasst worden (Ellert &
Kurth, 2013). Dort zeigt sich, dass Männer generell über eine
bessere Lebensqualität als Frauen berichten. Auch resultieren
in vielen Bereichen erwartungskonforme Alterseffekte. Zudem
1 A 24 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

verschlechtern sich die Werte bei einem niedrigeren sozialen


Status. Kritisch ist das Ergebnis, dass chronische Krankheiten
maßgeblich auf die erlebte Lebensqualität einwirken. In Anbe-
tracht der Zunahme chronischer Erkrankungen im Kontext des
demografischen Wandels wird dies eine zentrale Herausforde-
rung der Zukunft sein. Auffällig ist, dass bei den älteren Al-
tersgruppen (ab 40 Jahre) die allgemeine Gesundheit im Ver-
gleich zur BGS Studie (1998) deutlich besser eingestuft wird.

Viele suchen nach Studien zur „Psychischen Gesundheit in der


Arbeitswelt“.  psyGA unter Projektleitung des BKK Dachverban-
des als Angebot der Initiative Neue Qualität der Arbeit ( INQA)
bietet hier auf ihrer Website eine verlinkte Übersicht zu aktuellen
Studien rund um psychische Gesundheit. Die Studien werden vor-
psyga.info gestellt. Download-Links reduzieren die weitere Recherchearbeit.
Es lohnt sich, hier länger zu verweilen. Direkter Link zu den Stu-
1 dien: http://psyga.info/ueber-psyga/materialien/studien/

Tief- und Hoch- Die fünfte Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen
druckgebiete aus (2012) belegt, dass die Arbeitswelt sowohl in Bezug auf klassische
der Perspektive als auch psychische Faktoren belastet ist. In den Vergleichsstudien
der Arbeitswelt zeichnet sich moderate Bewegung in den Datenverläufen ab, wenn
man alte mit neuen Ergebnissen vergleicht:
x Arbeitsinhalt: Eintönige Tätigkeiten scheinen etwas stärker
verbreitet zu sein. Ansonsten sind die mentalen Anforderun-
gen gleichbleibend ausgeprägt.
x Arbeitsintensität: Diese ist nach wie vor hoch, hat sich aber in
den letzten beiden Jahrzehnten stabilisiert.
x Arbeitszeit: Die Zahl der Wochenarbeitsstunden sinkt weiter.
Normalarbeitszeitregelungen dominieren weiterhin.
x Work-Life-Balance: Ein leichter Rückgang im Vergleich zu den
Daten von 2000 ist festzustellen. Dennoch geben fast ein Fünf-
tel an, Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit zu haben.
x Gesundheit: Weniger Erwerbstätige sorgen sich um ihre Ge-
sundheit und Sicherheit bei der Arbeit, obwohl sie weiterhin
in unverändert hohem Maße physischen Risiken exponiert sind.
Dies hängt teilweise mit der verbesserten Informationspolitik
zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammen.
x Psychosoziale Risiken: Hohe Anforderungen, Arbeitsintensität,
Emotionsarbeit, geringe Selbstbestimmung, ethische Konflik-
te, schlechte soziale Beziehungen sowie Arbeitsplatzunsicher-
heit wirken verstärkt negativ auf Gesundheit und Wohlbefin-
den. Diese Faktoren werden auch in der & Gefährdungsbeur-
teilung psychischer Belastungen erfasst (ª Kap. 5.5, S. 301).
Standortbestimmung in Unternehmen 25 A 1.2
Auch die jährlichen Fehlzeiten-Reports des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO) verzeichnen hohe Krankenstände und
erlauben keine Entwarnung. Also „aufgewacht aus dem Dornrös-
chenschlaf“! Die Arbeitswelt muss sich warm anziehen, denn es
nähern sich einige Tiefdruckgebiete. Aber auch Hochdruckgebiete
zeichnen sich im Wetterbarometer ab. Die } Abbildung 3 illus-
triert einige wichtige Tief- und Hochdruckgebiete.

UnsereTiefdruckgebiete UnsereHochdruckgebiete

0RGHUQH5HKDELOLWDWLRQVZHJH
$EQDKPHGHU]XNQIWLJHQ Betreuung, technische Umsetzung,
$UEHLWVIlKLJNHLW Requalifizierung, Früheingliederung
Demografischer Wandel

%HZHJXQJVYHUKDOWHQ
6WRIIZHFKVHONUDQNKHLWHQZLH Bewegungsaktive Freizeitgestaltung
GDVPHWDEROLVFKH6\QGURP
Fettwerte u Übergewicht $UEHLWVSODW]HUJRQRPLH
Insulinresistenz u Bluthochdruck Bildschirmarbeitsplätze,
Softwareergonomie, moderne
Arbeitsplätze
=XQDKPHSV\FKLVFKHU6W|UXQJHQ
Verändertes Krankheitspanorama
*HVXQGKHLWVEHZXVVWVHLQ
&KURQLVFKH(UNUDQNXQJHQ Kompetenzen liegen vor, Medien, aber
LP9RUPDUVFK nicht Umsetzung und Eigenprävention
Demografischer Wandel
:HLWYHUEUHLWHW :RUN/LIH%DODQFH
3UlVHQWLVPXV Rahmenfaktoren verbessern
Krank zur Arbeit und sich, Flexibilisierung
Verschleppung Arbeitszeit und Arbeitsort

} Abbildung 3: Tief- und Hochdruckgebiete

Aus Sicht der Arbeitswelt sind v. a. die Gesundheitsthemen


Rücken, Nacken, Übergewicht, Stress, Müdigkeit, Stoffwech-
selerkrankungen wie Zucker und Vorstufen sowie Blutdruck
im Rahmen der gesundheitlichen Entwicklungen der älter
werdenden Mitarbeiter (Methusalem-Falle) zu beachten.

1.2 Standortbestimmung in Unternehmen

Die allgemeinen Studien können aber nicht eine eigene Standort- Wer sind wir?
bestimmung ersetzen (Treier, 2012) (ª Kap. 5.6, S. 314). Diese ist Wie gesund
ein wichtiger Ansatzpunkt, um das Risikopotenzial der eigenen sind wir?
Organisation einzuschätzen sowie im Sinne der Prävention gezielte
Maßnahmen zu definieren, die knappen Ressourcen angemessen
zuzuweisen und mit Nachhaltigkeit umzusetzen (Treier, 2012).
Damit überlassen wir es nicht dem Zufall, ob BGM Ernte einfährt
oder ob BGM vor sich hin dümpelt (Treier, 2013a). Die Standortbe-
stimmung greift auf ein ressourcenorientiertes Belastungs-
Beanspruchungsmodell zurück (} Abbildung 4).
1 A 26 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

9 =XNQIWLJH$UEHLWVIlKLJNHLW
9 %HDQVSUXFKXQJVIROJHQIUGHQ*HVXQGKHLWV]XVWDQG
9 %HDQVSUXFKXQJVIROJHQIU/HLVWXQJVIlKLJNHLW
9 )ROJHQIUGLH$UEHLWV]XIULHGHQKHLW
9 %HDQVSUXFKXQJVIROJHQIUGDV:RKOEHILQGHQ

0VVHQHUNDQQW
.|QQHQQHJDWLY
XQGJHQXW]W
ZLHSRVLWLYZLUNHQ
ZHUGHQ

%HODVWXQJHQ 5HVVRXUFHQ

3HUV|QOLFKH5HVVRXUFHQ
$NWXHOOH$UEHLWVIlKLJNHLW
3V\FKRVR]LDOHXQG
HPRWLRQDOH%HODVWXQJHQ
6HOEVWZLUNVDPNHLW

*HULQJHV
$QIRUGHUXQJHQ
+RKHV

5LVLNR
5LVLNR 9HUWUDXHQ
.|USHUOLFKH%HODVWXQJHQ
*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ
%HODVWXQJHQGHV *HVXQGKHLWVNRPSHWHQ]HQ
$UEHLWVXPIHOGHV
$UEHLWVLQKDOWXQG (UKROXQJVIlKLJNHLW
$XIJDEHQJHVWDOWXQJ
:RUN/LIH%DODQFHXQG

([WHUQDOH 5HVVRXUFHQ
VR]LDOH8QWHUVWW]XQJ
DX‰HUEHUXIOLFKH$QIRUGHUXQJHQ
*HVXQGKHLWVNXOWXU

1 *HVXQGKHLWVI|UGHUXQJ

8QWHUQHKPHQVNXOWXU

)KUXQJVNXOWXU
5HVVRXUFHQDXVGHPSULYDWHQ%HUHLFK
*HVXQGH)KUXQJ

} Abbildung 4: Grundmodell der Standortbestimmung

Auf Basis eigener Gesundheitsbefragungen der Autoren in der


chemischen und chemienahen Industrie, Softwareindustrie, Ener-
giewirtschaft, metallverarbeitenden Industrie, Verwaltungen so-
wie bei Dienstleistern (Gesamtstichprobe: > 17.500 Teilnehmer,
Stand 12/14),die sowohl Querschnitt- als auch Längsschnittdaten
enthalten, zeichnen sich Stärken und Schwächen ab, wobei hier
branchenspezifische Unterschiede zu beachten sind. Unterschiede
finden sich hier im Bereich der Arbeitsumfeldbelastungen und dort
v. a. das Thema Arbeitszeit betreffend. Auch Gesundheitszustand
und Arbeitsfähigkeit in Zukunft variieren in Abhängigkeit von der
vorliegenden Personalstruktur.

Beispiel einer Die } Abbildung 5 fasst einige Ergebnisse am Beispiel der Unter-
Standort- suchung von Verwaltungstätigkeiten zusammen (kombinierter
bestimmung Datensatz eigener und externer Studien: 4.853 Teilnehmer in der
Querschnittsuntersuchung, 514 Teilnehmer im Längsschnitt, prä-
sentiert vom Autor Treier an der 6. Personalfachtagung in Münster
des Studieninstituts Westfalen-Lippe). Auffällig sind die kritischen
Werte im Bereich der Führungskultur bei den externen Ressourcen
sowie die psychosozialen Belastungen bei den Anforderungen aus
den Arbeitstätigkeiten. Verknüpft mit den grenzwertigen Ergeb-
nissen hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens und der Erholungs-
fähigkeit bei den persönlichen Ressourcen sind zukünftig negative
Veränderungen der Arbeitsfähigkeit und des Gesundheitszustands
zu erwarten. Aktuell fallen die Ergebnisse im Folgenbereich Ge-
sundheit jedoch vergleichsweise unkritisch aus. Zu beachten ist
Standortbestimmung in Unternehmen 27 A 1.2
aber, dass hier noch keine Differenzierung zwischen physischer
und psychischer Gesundheit erfolgt ist. Positive Ressourcen findet
man in Bezug auf die klassischen Belastungenfaktoren. Auch wird
die Work-Life-Balance positiv eingestuft. Selbstwirksamkeit als
eine wichtige personale Gesundheitsressource kann sich ebenfalls
aussichtsreich in dieser Stichprobe behaupten. Betrachtet man im
Vergleich einen Produktionsbetrieb mit geringem Anteil an Ver-
waltungsaktivitäten, ändern sich v. a. die Werte im Bereich An-
forderungen aus der Arbeitstätigkeit. Dort liegen die psychosozia-
len Belastungen noch im unkritischen Bereich, dagegen nehmen
die Belastungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsinhalt und
insbesondere die Belastungen Arbeitsumfeld (Schichttätigkeit) zu.
Schichttätigkeit wirkt sich kritisch auf die Erholungsfähigkeit und
auf die aktuelle Arbeitsfähigkeit aus. Auch fällt die zukünftige
Arbeitsfähigkeit als Folgegröße vergleichsweise kritischer aus (ei-
ne Angleichung der altersbezogenen Daten ist erfolgt).

} Abbildung 5: Standortbestimmung am Beispiel Verwaltungstätigkeiten

Im Rahmen der Untersuchung werden auch Beschwerden und Risi- Risiken belasten
ken bestimmt. Bei der Erfassung von Risiken fällt auf, dass nicht
nur ältere Mitarbeiter (> 45 Jahre) betroffen sind, sondern eben-
falls jüngere Mitarbeiter (d 45 Jahre). Demografie- und Gesund-
heitsmanagement sollten sich daher nicht auf die ältere Zielgrup-
pe einseitig fokussieren. Der hohe Anteil der Befragten, die über
Müdigkeit und Zerschlagenheit berichten, verweist auf mögliche
psychische Belastungsfaktoren. Im Bereich der Beschwerdematrix
zeigen sich auch die für Bildschirmarbeitsplätze oftmals erhöhten
Ausprägungen im Bereich Rücken-/Kreuz- und Nackenbeschwer-
den. Auch ist der Anteil der als adipös gemäß BMI-Index einzustu-
1 A 28 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

fenden Teilnehmer mit bis zu 32 Prozent vergleichsweise hoch.


Weitere Risikofaktoren sind Blutfett, Rauchen, Zucker und Blut-
hochdruck. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren ergeben sich bei
einigen Organisationseinheiten bedenkliche Wertkonstellationen.
Bspw. finden sich Angaben zum vom Arzt diagnostizierten Blut-
hochdruck bei Mitarbeitern älter als 45 Jahre bis zu 34 Prozent
sowie bei Blutfettwerten bis zu 39 Prozent. Manche Befragungs-
einheiten weisen Raucherquoten bis zu 36 Prozent auf. Die } Ab-
bildung 6 illustriert beispielhaft ein Risikobild für verwaltungsori-
entierte Befragungseinheiten in der Gesamtstudie  die Ergebnisse
variieren je nach Befragungseinheit. Solche Zahlen sind erschre-
ckend. Aus der empirischen Herleitung sind aber die Solisten der
Risiken nur eine Größe. Maßgeblich ist der Risikokombinationsin-
dex, denn multiple Risikoprofile ergeben ein exponentielles Risiko
laut epidemiologischer Studien. So zeigen die Daten, dass schon
bei unter 45 Jährigen bei den Teilnehmern bis zu 45 Prozent Mehr-
1 fachrisiken (also zwei und mehr Risiken) vorliegen. Im Durch-
schnitt liegt dieser Wert in den eigenen Studien bei knapp 24 Pro-
zent. Wenn man bedenkt, dass im Schnitt ein Risikofaktor v. a. im
Altersbereich zwischen 40 bis 60 Jahren in einer Dekade dazu
kommt, ist dies ein alarmierender Tatbestand.

d 45Jahre
8QWHU > 45Jahre

JHZLFKW %OXWKRFKGUXFN 7% 31%

 %OXWIHWWH 12% 29%

5DXFKHUTXRWH 9% 15%




'LDEHWHV 1% 5%
$GLSRVLWDV 1RUPDO
JHZLFKW



hEHUJHZLFKW

d 45Jahre > 45Jahre


$GLSRVLWDV
TXRWH 16% 32%
1 'DWHQVlW]H
'HVLJQ4XHUVFKQLWW
%HUXIVVFKLFKWEHUZLHJHQG
9HUZDOWXQJVWlWLJNHLWHQ
6WDQG

} Abbildung 6: Risikoprofil verwaltungsorientierter Standorte (Beispiel)

Der Akku Viele Faktoren wirken darauf, dass der Akku der Mitarbeiter zu
wird leer. Neige geht. Es sind nicht nur Belastungen in der Arbeitswelt wie
im Bereich Führung oder Arbeitszeit, sondern auch Defizite in der
eigenen Auseinandersetzung mit der Gesundheit. Viele Mitarbeiter
bringen eine relativ geringe psychische Widerstandsfähigkeit
Standortbestimmung in Unternehmen 29 A 1.2
(& Resilienz) mit und realisieren nicht, dass die Erholungsfähig-
keit eine zentrale Voraussetzung ist, um der veränderten Arbeits-
welt gesund und arbeitsfähig zu begegnen. Eine zunehmende Emo-
tionsarbeit ohne ausreichende Ventilfunktion beschleunigt den
Abbau der letzten Energiereserven (Uhle & Detering, 2012).

Gewiss sind keine Quick-Wins zu erwarten, aber dafür steht ein Es lohnt sich!
nachhaltiger Gewinn in Aussicht, wenn sich Unternehmen auch als
Aufladestation im Bereich Gesundheit analog zum Bereich Wissen
begreifen (ª Kap. 5.4, S. 282). Die Präventionsbilanz ist positiv,
wie aktuelle Studien belegen (ISSA, 2011). In unserer eigenen
Längsschnittstudie resultieren innerhalb von 12 Monaten schon
signifikante positive Hinweise auf Veränderungen im subjektiv
erlebten Beschwerdebild. Die } Abbildung 7 zeigt bei einer ge-
mischten Tätigkeitsgruppe (N=411) den Wandel im Beschwerdebild
(Stand 11/13). Verschlechterungen in den adressierten Gesund-
heitsthemen liegen im Durchschnitt bei kleiner fünf Prozent. 81
Prozent der Befragten nehmen eine Zunahme der Lebensqualität
im Zusammenhang mit der Einführung eines Multikomponenten-
Programms im Bereich BGM nach sechs Monaten wahr. Nach 12
Monaten erzielen wir immerhin noch eine Stabilisierungsquote von
knapp 70 Prozent. Jedoch nimmt der Wert signifikant ab, wenn
das Programm nicht fortgesetzt wird („Jojo-Effekt“).

Das „Rauf-Runter-Rauf-Prinzip“ im BGM ist für den Erfolg


die kritischste Baustelle, die wir in der Praxis häufig erleben.
Kurzatmigkeit ist es geschuldet, dass oftmals die Programme
aus Evaluationssicht keinen Erfolg nachweisen können. Nur
nachhaltige Ansätze erzielten positive Effekte.

In der Längsschnittstudie zeichnet sich weiterhin ab, dass die Ei-


genverantwortung und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung
mit Gesundheit zunehmen. Die Effekte auf die allgemeine Lebens-
zufriedenheit sind indes nicht stark ausgeprägt, was zeigt, dass
BGM nicht alle Themen rund um Lebenszufriedenheit adressiert.

Allgemeine Tendenzen zeichnen sich ab, die in der Check-


Liste zu diesem Kapitel als ableitbare Grundgesetze hinter-
legt sind. Dennoch ergeben sich stets aus den Standortbe-
stimmungen eigene Risikoprofile, die bei einer systemati-
schen Gesundheitsförderung zu beachten sind. Das Wissen
um organisationsspezifische Risikoprofile im Hinblick auf ge-
sundheitsrelevante Themen sowohl aus der personen- als
auch arbeits-/umweltbezogenen Perspektive ermöglicht eine
angemessene Verhaltens- und Verhältnisprävention.
1 A 30 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

Ergo: Eine systematische, gezielte und nachhaltige Gesund-


heitsförderung im Sinne des BGM ist erst auf Basis einer um-
fassenden Standortbestimmung möglich. Man kann und darf
nicht allgemeine Erkenntnisse auf den eigenen Standort
übertragen, sondern es erfordert stets eine eigene Analyse.

} Abbildung 7: Nachhaltigkeitsmessung — Veränderungen sind möglich!

Unsere Hand- Die folgenden handlungsbezogenen „Gesetze“, die auch die Inhal-
lungsfelder te des Buches bestimmen, erheben weder den Anspruch auf Voll-
ständigkeit noch sind sie für alle Arbeitsplätze in Deutschland
repräsentativ. Sie basieren auf den Ergebnissen der Gesundheits-
erhebungen der Autoren in unterschiedlichen Organisationen.
Größtenteils werden sie durch andere Studien bestätigt.

 Empirische Herleitung als „Grundgesetze“:


§ 1 Bei den Arbeitsbelastungen menschelt es mehr.
Die Studien zeigen unisono, dass in den vergangenen Jahren
die klassischen ergonomischen Belastungen (Hitze, Kälte,
Lärm, Heben und Tragen schwerer Lasten etc.) immer mehr
in den Hintergrund getreten sind und die psychosozialen und
arbeitsaufgabenbezogenen Belastungen (Arbeitsdichte, Ver-
antwortung, Konflikte etc.) die Top-Plätze erklimmen. Damit
muss sich auch ein modernes BGM umorientieren und einen
Paradigmenwechsel einläuten.
§ 2 Wandelprozesse im Großen wie im Kleinen.
Die gesamte Arbeitswelt ist dynamischer und anspruchsvoller
geworden. Die Wandelprozesse betreffen ganze Organisatio-
nen über Arbeitsgruppen bis hin zum einzelnen Beschäftigten
und seinen Arbeitsplatz. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Standortbestimmung in Unternehmen 31 A 1.2
sind keine Modebegriffe, sondern überlebenswichtige Attribu-
te  zumindest, was den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes
anbelangt. Das Delta zwischen Ursprungsqualifikation und den
aktuellen Berufsanforderungen wird immer größer. Wer hier
nicht am Ball bleibt und sich mit den Wandelprozessen mit
entwickelt, wird letzten Endes über Bord gehen.
§ 3 Der Einzelne im Team ist oft allein.
Soziale Unterstützung stellt eine der wichtigsten und effek-
tivsten Präventionsressourcen dar. Sich auf Kollegen und Vor-
gesetzte verlassen zu können, wenn es mal bei der Arbeit eng
und stressig wird und im Bedarfsfall auch Hilfe anzunehmen,
ist in der modernen Arbeitswelt ein wesentlicher Schutzfaktor
und Puffer. Dieser jedoch wird immer seltener, denn der
übermächtige Wunsch nach Individualisierung lässt die Prob-
leme anderer in den Hintergrund treten oder sogar lästig
werden oder konterkariert alle Bemühungen um positives or-
ganisationales Sozialverhalten (Organizational Citizenship Be-
havior). Zudem blockiert dieser ausufernde Individualismus
auch die eigene Inanspruchnahme fremder Hilfen. Das wirkt
sich auf das Betriebsklima und die Lösung von Konflikten aus
 wo früher zwei Streithähne die Köpfe zusammengesteckt
und den Konflikt vom Tisch gekehrt haben, wird so etwas
schnell und gerne nach oben eskaliert. In den Studien zeigt
sich auch, dass sich der einzelne Mitarbeiter immer weniger
mit seinem Unternehmen identifiziert, was sich nicht nur im
Fehlzeitenmanagement manifestiert.
§ 4 Führungskräfte sind in einer schwierigen Position.
Viele Führungskräfte werden in kurzzyklischen Abständen mit
immer neuen Themen oder alten Themen in neuen Gewän-
dern in Schulungen konfrontiert. Effektives Führen, erfolgrei-
ches Führen, mitarbeiter- und aufgabenorientiertes Führen,
Führen von „schwierigen“ Mitarbeitern, das gute Führungsge-
spräch, werteorientiertes Führen, … und jetzt auch noch ge-
sundes respektive gesundheitsgerechtes Führen. Die Komple-
xität der Führungsaufgabe wächst rasant, allerdings ohne
dass mehr Zeit zum Führen an sich als Ressource zur Verfü-
gung gestellt würde. Mitarbeiter zu motivieren, sie zu parti-
zipieren, gemeinsam Ziele zu definieren und die Zielerrei-
chung auch unterstützend zu begleiten  all das ist gesund-
heitsförderlich, braucht aber Zeit! Gesundes Führen ist daher
in den meisten Unternehmen eher selten zu finden.
§ 5 Frauen sind die besseren Gesundheitsmanagerinnen.
Frauen zeigen im Vergleich zu Männern ein größeres Interesse
und eine höhere Sensibilität für alle Gesundheitsthemen. Sie
nehmen eher fachliche Unterstützung in Anspruch und sind
auch mehrheitlich in gesundheitsförderlichen Maßnahmen zu
finden. Hinsichtlich der eigenen Gesundheitskompetenzen
1 A 32 Die Ausgangslage: Empirische Herleitung

sind Frauen (selbst)bewusster als ihre männlichen Kollegen,


d. h., sie formulieren für sich selbst mehr Gesundheitsziele
und versuchen diese auch zu erreichen, gehen proaktiv mit
gesundheitsrelevanten Informationen um, nehmen körperli-
che und psychische Signale achtsamer wahr und trauen sich
im Falle eines Falles eher eine erfolgreiche Bewältigung zu.
§ 6 Es brennt immer öfter.
Gereiztheit, Belastetheit, Ruppigkeit im Umgang mit ande-
ren, nach der Arbeit nicht abschalten können und über ar-
beitsbezogene Probleme auch in der Freizeit grübeln  all das
sind Indikatoren für mittelfristige negative Beanspruchungs-
folgen, für ein Zuviel an Arbeit und ein ineffektives Coping.
Und das hat in den vergangenen Jahren beschleunigt zuge-
nommen. Aus den mittelfristigen negativen Beanspruchungs-
folgen können sich mit der Zeit langfristige Stressbeschwer-
den aus dem psychischen und psychosomatischen Bereich er-
1 geben. Einige unserer Studienergebnisse zeigen, dass ein sehr
großes Risiko für Stressbeschwerden bei älteren Mitarbeitern
in Vollkonti-Schicht vorliegt.
§ 7 Die Volkskrankheiten sind im Vormarsch.
Fragt man Beschäftigte, wie häufig in den vergangenen zwölf
Monaten stressinduzierte Beschwerden auftreten, geben
durchschnittlich 47 Prozent der Befragten an, dreimal pro
Woche bis fast täglich unter Müdigkeit, Zerschlagenheit,
Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten („man-
gelnde Erholungsfähigkeit“), 34 Prozent unter Rücken-,
Kreuz-, Nacken- und Schulterschmerzen („Rücken“) und 32
Prozent unter depressiver Verstimmung und emotionaler Er-
schöpfung („Psyche“) zu leiden. Diese „Top 3“ korrespondie-
ren mit den Gesundheitsberichten der Krankenkassen auf Ba-
sis ärztlicher Diagnosen.
§ 8 Die Arbeitsfähigkeit nimmt ab.
Diese Erkenntnis ist seit den umfassenden Studien rund um
den & Work Ability Index keine wirkliche Neuigkeit. Überra-
schend ist aber, dass die bislang beobachtete Korrelation zwi-
schen Alterszunahme und Abnahme der Arbeitsfähigkeit kein
zementiertes Gesetz darstellt. Im Gegenteil zeigen sich in un-
seren Studien Hinweise, dass die Arbeitsfähigkeit junger Mit-
arbeiter in Abhängigkeit von spezifischen Belastungsprofilen
teilweise schneller abfällt als die von älteren Mitarbeitern.
Die aktuelle und zukünftige Arbeitsfähigkeit zu messen ist
wichtig, sollte aber an dieser Stelle nicht einseitig betrachtet
werden. Eine moderne Gesundheitsbewertung setzt nicht nur
defizitorientiert an den Belastungen an und orientiert sich an
den vorliegenden oder zu erwartenden Beschwerden bzw.
Krankheiten, sondern forciert einen & salutogenetischen An-
satz, in der es auch um Ressourcen und Stärken geht.
Standortbestimmung in Unternehmen 33 A 1.2

§ 9 Die Wohlstandskrankheit: das metabolische Syndrom.


Aus Präventionssicht bereitet der Bedeutungszuwachs des
& metabolischen Syndroms Kummer (Bluthochdruck, verän-
derte Blutfettwerte, Insulinresistenz und stammbetonte Fett-
leibigkeit als tödliches Quartett). Primär handelt es sich um
eine Kohlenhydrat- und Fettstoffwechselstörung, die sich
schleichend entwickelt und im Zusammenhang mit einer zu-
nehmenden Fehlernährung und körperlichen Inaktivität in den
Industrieländern grassiert. Manche Menschen scheinen eine
Art Disposition zu haben. Man vermutet, dass etwa 25 Prozent
aller Bundesbürger vom metabolischen Syndrom betroffen
sind. Wenn der Anstieg der Prävalenz nicht gestoppt wird,
drohen hier dramatische Zunahmen beim Diabetes und bei ar-
teriosklerotischen Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder
arteriellen Verschlusskrankheiten. Präventiv ist eine radikale
Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten uner-
lässlich. Aber gerade hier setzen die typischen Verhaltenspa-
thogene an  nämlich den inneren Schweinehund zu besiegen.
Daher betrachten wir in diesem Buch auch als wesentliche
Aufgabe des BGM, das Gesundheitsverhalten zu optimieren
und das Gesundheitsbewusstsein zu steigern.
 Check-Liste 1: Empirische Herleitung  unsere Ausgangslage

Unsere persönliche Meinung: Wenn man alle Bedrohungen und


Problembereiche der Empirie zusammenführt, sieht es so aus, als
ob unser Gesundheitsstatus nahe am Abgrund stünde. Dies ist
nicht der Fall, aber es macht bewusst, dass wir nicht so weiter
machen können wie bisher. Jedes Darlehen muss irgendwann auch
getilgt werden. In diesem Buch werden auch nicht nur Risiken und
Beschwerden dramatisiert, sondern v. a. auch Chancen und Stär-
ken kommuniziert. Im salutogenetischen Modell ist Vertrauen eine
zentrale Stärke.

Wir als Autoren haben Vertrauen in ein modernes BGM.


BGM kann den aktuellen und künftigen Herausforderungen
angemessen begegnen und Mehrwert für die Unternehmen
schaffen. Dazu benötigt man aber Geduld und darf nicht in
die Falle des kurzatmigen Aktionismus geraten.
2 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

KAPITEL 2 stellt eine Einführung zum betrieblichen Gesund-

K2
heitsmanagement (BGM) dar. Wir machen Sie mit unseren Vorstellun-
gen, mit Perspektiven und Handlungsansätzen, mit Trends und Visio-
nen vertraut. Auch diskutieren wir das Spannungsfeld zwischen Ge-
setz und betrieblicher Realität, denn Regularien haben einen beson-
deren Stellenwert im Bereich BGM.
Unsere Leitfragen …
ŹKap. 2.1: Der Klarheit geschuldet
Seite 35: Was sind unsere Handlungsfelder „Gesunde Arbeit“?
Seite 38: Ist aus Praxissicht eine Begriffsunterscheidung sinnvoll?
ŹKap. 2.2: Unser Verständnis von BGM
Seite 40: Was ist ein gesunder und humaner Arbeitsplatz?
Seite 43: Was ist für uns Gesundheitsförderung?
Seite 50: Benötigen wir überhaupt Gesundheitsmanagement?
Seite 55: Welche Perspektiven sind zu beachten?
ŹKap. 2.3: Entwicklung und Trends im BGM
Seite 58: Benötigen wir ein Konjunkturprogramm für die Gesundheitsförderung?
Seite 60: Weshalb brauchen wir Visionen?
Seite 61: Welche Trends bestimmen die Gesundheitsförderung der Zukunft?
Seite 70: Was bedeutet der Trend zur konstruktivistischen Gesundheitsdidaktik?
Seite 73: Warum ist Gesundheitskompetenz der zentrale Stellhebel?
ŹKap. 2.4: Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität
Seite 78: Warum benötigen wir Gesetze und Leitlinien?
Seite 85: Wie kommen wir von der Leitlinie zur Gestaltungsvorschrift?
ŹKap. 2.5: BGM im Dialog mit Prof. Dr. Claus Piekarski
Seite 100: Wohin geht die Reise?

2.1 Der Klarheit geschuldet

Was sind unsere Handlungsfelder „Gesunde Arbeit“?

Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, ob es Unterschiede in Eine häufige


den Handlungsfeldern der „Gesunden Organisation“ gibt ( Ta- Nachfrage
belle 2-1 nach Treier, 2015a, S. 37). Sie werden verschiedene
mögliche Antworten auf diese Frage finden:

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
2 A 36 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Ö Antwort (1): BGM ist quasi die Dachorganisation aller Hand-


lungsfelder rund um die gesunde Arbeit. Es integriert ver-
schiedene Bereiche und setzt dabei auf Managementinstru-
mente sowie auf nachhaltige Verankerung in Strukturen und
Prozesse. Bestandteile des BGM sind die betriebliche Gesund-
heitsförderung (BGF), der Arbeits- und Gesundheitsschutz
(AGS), das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), die
Personalpflege sowie spezifische Bereiche der Personal- und
Organisationsentwicklung.
Ö Antwort (2): Die gesundheitsbezogenen Handlungsfelder sind
in ihren Schwerpunkten größtenteils eigenständig unterwegs
und greifen teilweise auf verschiedene gesetzliche Grundlagen
zur Legitimation zurück. Sie sollten aber in enger Abstimmung
gemeinsam das Ziel der gesunden Organisation vorantreiben.
Ö Antwort (3): Die Zusammenarbeit der verschiedenen Diszipli-
nen wie Arbeitsmedizin, Personal oder Arbeitssicherheit hängt
von den Zielgrößen der „Gesunden Organisation“ ab. Entspre-
chend bilden sich Task Forces, die sich bspw. mit dem Demo-
grafiethema, mit Gefährdungsfaktoren am Arbeitsplatz oder
mit spezifischen Themen wie psychische Störungen oder Sucht
2 befassen. Dabei dominieren projektähnliche Strukturen.
Ö Antwort (4): Managementmodelle wie BGM und neuerdings
auch AFM (Arbeitsfähigkeitsmanagement) lassen sich zur In-
tegration der Bemühungen um Mitarbeitergesundheit imple-
mentieren. Sie bündeln und koordinieren diejenigen Aufga-
ben, die nicht im klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutz
und in der Arbeitssicherheit schon abgebildet sind. Dadurch
entsteht jedoch auch ein Wettbewerb zwischen BGM und dem
klassischen etablierten Arbeits- und Gesundheitsschutz.

 Tabelle 2-1: Handlungsfelder der gesunden Arbeitswelt

Betriebliches Gesundheitsmanagement
Abkürzung: BGM
Ansatzpunkt: Verankerung in Strukturen und Prozesse
Kurzdefinition: Steuerungsmodell der Gesundheitsförderung
Aspekte: nachhaltige und systematische gesundheitsförderliche Gestal-
tung von Strukturen und Prozessen, Maßnahmen der Arbeitsorganisation,
Bewertung und Steuerung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung
Betriebliche Gesundheitsförderung
Abkürzung: BGF
Ansatzpunkt: Stärkung individueller Gesundheitsressourcen
Kurzdefinition: Interventionen am Menschen (Fokus auf Verhalten)
Aspekte: Steigerung der funktionellen Kapazität, Verhaltensprävention,
Steigerung der Stressresistenz und psychischen Widerstandskraft sowie
Optimierung der Erholungsfähigkeit
Der Klarheit geschuldet 37 A 2.1
Arbeits- und Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit
Abkürzung: AGS/AS
Ansatzpunkt: Unfallverhütung und Schutz der Beschäftigten
Kurzdefinition: Identifikation unfall-/gesundheitsgefährdender Faktoren
Aspekte: Identifizierung gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen,
Ermittlung von Unfallrisiken und deren Vermeidung, Reduktion körperli-
cher und psychischer Belastungen, Ergonomie und Verhältnisorientierung
Arbeitsfähigkeitsmanagement & siehe Glossar
Abkürzung: AFM
Ansatzpunkt: Schlüssel zum Haus der Arbeitsfähigkeit
Kurzdefinition: Handlungskonzept zur Steigerung der Arbeitsfähigkeit
Aspekte: Integration der Bemühungen zur Steigerung der Arbeitsfähig-
keit, Berücksichtigung der Stockwerke des Hauses der Arbeitsfähigkeit
(Gesundheit, Kompetenz, Werte, Arbeit), Blick auf Umgebungsfaktoren
Arbeitsmedizinische Betreuung
Abkürzung: AM
Ansatzpunkt: Prävention und Diagnostik
Kurzdefinition: Fachmedizinische Beratung in der Arbeitswelt
Aspekte: Prävention, dabei Beachtung der Wechselbeziehung zwischen
Arbeit und Gesundheit, Diagnostik arbeits- und umweltbedingter Gesund-
heitsschäden, Berufskrankheiten, Rehabilitation, Anamnese
Betriebliches Eingliederungsmanagement & siehe Glossar
Abkürzung: BEM
Ansatzpunkt: von der Arbeitsunfähigkeit zur Beschäftigungsfähigkeit
Kurzdefinition: Wiedereingliederung und berufliche Rehabilitation
Aspekte: Einschätzung der Rückkehrperspektive nach Langzeiterkrankun-
gen, Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit (Rückfallschutz), Arbeitsfä-
higkeitscoaching, Stufenkonzept der schrittweisen Wiedereingliederung,
Wandel von der gesetzlichen zu einer aktiven und gestaltenden Rolle
Demografie- und AGE-Management & siehe Glossar
Abkürzung: AGE
Ansatzpunkt: Erhalt und Förderung der Arbeits-/Beschäftigungsfähigkeit
Kurzdefinition: Demografiefitness und alternsgerechte Förderung
Aspekte: Senkung der Arbeitslast, alternsgerechte Führung, altersge-
mischte Teams, Job Rotation, Wissensmanagement, alternsorientierte
Personalstrategien, alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen
Work-Life-Balance & siehe Glossar
Abkürzung: WLB
Ansatzpunkt: Flexibilisierung von Ort und Zeit
Kurzdefinition: Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
Aspekte: Balance von Privatleben und Beruf, Modelle zur Flexibilisierung
des Arbeitsortes und der Arbeitszeit, angepasste Arbeitsorganisation,
Führungsrichtlinien und unternehmenskulturelle Akzeptanz, gesundheits-
präventive Leistungen im Kontext zunehmender Rollenkonflikte

Im Diskurs wird v. a. zwischen BGF und BGM differenziert. Eine Definitionen der
erste konsensfähige Formulierung von Standards (Spezifikationen) DIN SPEC 91020
zur Einführung eines BGM bietet die DIN SPEC 91020 (; Box 2-1,
2 A 38 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

S. 39). Dort finden Sie auch die klassische Unterscheidung zwi-


schen BGF und BGM, der man oft im Diskurs begegnet.

BGF: „Maßnahmen des Betriebes unter Beteiligung der Orga-


nisationsmitglieder zur Stärkung ihrer Gesundheitskompeten-
zen sowie Maßnahmen zur Gestaltung gesundheitsförderlicher
Bedingungen (Verhalten und Verhältnisse), zur Verbesserung
von Gesundheit und Wohlbefinden im Betrieb sowie zum Er-
halt der Beschäftigungsfähigkeit.“ (DIN SPEC 91020, 2012:7)

BGM: „Systematische sowie nachhaltige Schaffung und Ge-


staltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozes-
sen einschließlich der Befähigung der Organisationsmitglieder
zu einem eigenverantwortlichen gesundheitsbewussten Ver-
halten.“ (DIN SPEC 91020, 2012:7)

Ist aus Praxissicht eine Begriffsunterscheidung sinnvoll?

2 Keine klaren In vielen Workshops und Meetings wird deutlich, dass die bewusste
Trennlinien Trennung zwischen den Handlungsfeldern in der Praxis sowohl
inhaltlich als auch sprachlich zunehmend aufgehoben wird. Die
Trennlinien verschwimmen in Anbetracht der komplexen Heraus-
forderungen, denen Insellösungen nicht mehr gerecht werden.

Bekenntnis zur Wir haben uns als Autoren für BGM als Kernbegriff entschieden,
Ganzheitlichkeit um die Ganzheitlichkeit hervorzuheben. Gesundheit ist ein strate-
gischer Faktor und benötigt daher systematische Zugänge. Um
Gesundheit in der Arbeitswelt zu fördern, bedarf es der Analyse
(Risiken und Bedarf), gezielter Maßnahmen (Intervention auf Ver-
haltens- und Verhältnisebene) sowie der Kommunikation
(} Abbildung 8). In Anlehnung an das Qualitätsmanagement
(ª Kap. 5.1, S. 216) lassen sich Nachhaltigkeit, Systematik und
Effektivität der Maßnahmen nur durch Koordination, Verankerung
und Qualitätssicherung gewährleisten. Zwar gibt es noch nicht ein
allgemein anerkanntes Managementsystem BGM, aber es lassen
sich schon die ersten Vorboten identifizieren. Dazu gehört bspw.
die DIN SPEC 91020, die einen Beitrag zur Standardisierung des
BGM leisten kann (Kaminski, 2013). Die Spezifikationen bestimmen
Minimalanforderungen in Anlehnung an Tools zur Standardisierung
wie  SCOHS (Social Capital and Occupational Health Standards)
und offenbaren den Weg zu einem nachhaltigen Gesamtkonzept,
in der bewährte Einzelmaßnahmen zielgerichtet in entsprechende
Prozesse und Strukturen verankert sind (; Box 5-4, S. 229).
Der Klarheit geschuldet 39 A 2.1

.RPPXQL ,QWHU
$QDO\VH (YDOXDWLRQ
NDWLRQ YHQWLRQ

%HWULHE
6WHXHUXQJ 1DFKKDOWLJNHLW

*HVXQGKHLW 4XDOLWlWVVLFKHUXQJ 6\VWHPDWLN

0DQDJHPHQW 9HUDQNHUXQJ
(IIHNWLYLWlW

} Abbildung 8: BGM ist mehr als ein Maßnahmenpool.

Der Weg muss letztlich in ein zertifiziertes und qualitätsgesicher- Zum zertifizier-
tes Gesundheitsmanagement enden. Gesundheitspreise wie der ten BGM-Modell
 Corporate Health Award, der  Haward® Health Award oder
der  Deutsche Unternehmenspreis Gesundheit können aufzeigen,
wie BGM zum Schlüsselfaktor des Organisationserfolgs aufsteigen
kann. Die Bereitschaft, an Awards teilzunehmen, ist sprunghaft
gestiegen  allein beim Corporate Health Award von 158 (2009)
auf 323 Teilnehmern (2013) (EuPD Research, 2014, S. 22). Im Ka-
pitel 5.1 (ª S. 216) werden die Erfolgskriterien dargestellt.

Die DIN SPEC 91020


Wichtig: Die DIN SPEC ist keine DIN-Norm!
Die DIN SPEC 91020 als Initiative der B-A-D GmbH ist von ver-
schiedenen Akteuren wie Universität Bielefeld, TÜV NORD
CERT GmbH oder dem Bundesverband Betriebliches Gesund-
heitsmanagement e. V. in einem Arbeitskreis, vom Fraunhof-
er IAO geleitet, entwickelt worden. Das Motto lautet: „Mit-
arbeitergesundheit ist ein strategischer Erfolgsfaktor.“ Sie
liegt seit 2012 im Beuth Verlag in veröffentlichter Form vor.
Trotz ihres noch schwebenden Status kann sie als Hilfe zur
Einführung eines BGM und auch als Zertifizierungsgrundlage
verwendet werden. DIN SPEC stellt eine Art Vorstufe zu einer
entwicklungsbegleitenden Normung für konsensbasierte Nor-
mungsvorhaben dar. Spezifikationen gelangen damit schnel-
ler auf dem Markt (PAS-Verfahren). Der Entwicklungsprozess
wird von der DIN als Organisation begleitet und professionali-
siert. Hier ist zu betonen, dass die DIN SPEC 91020 keine
Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme enthält.
; Box 2-1: DIN SPEC 91020
2 A 40 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

2.2 Unser Verständnis von BGM

Was ist ein gesunder und humaner Arbeitsplatz?

Unser Anspruch: „Menschlichkeit gewinnt“ (Mohn in Craes et al., 2002, S. 13 f.) ist
Humanisierung ein Bekenntnis für den Menschen in einer zunehmend anonymisier-
der Arbeitswelt ten und indifferenten Arbeitswelt. In unserem Buch ist der Mensch
nicht nur Objekt, sondern erklärtes Subjekt des BGM. Das staatli-
che Programm „Humanisierung der Arbeitswelt (HdA)“ von 1974
bis 1989 zur Verbesserung der Arbeitsinhalte und -beziehungen
sowie zum Abbau belastender bzw. gesundheitsgefährdender Ar-
beitssituationen sowie die Folgeprogramme bemühen sich red-
lichst um den humanen Arbeitsplatz und damit um den Faktor
Mensch in der Arbeitswelt. Dieser Dienst ist nicht nur wirtschafts-
ethisch begründet, sondern erklärt sich zunehmend aus einer wirt-
schaftlichen Unumgänglichkeit. Die } Abbildung 9 stellt wichtige
deutschsprachige Projekte vor (Treier, 2009a, S. 31). Wir werden
v. a. auf die Ergebnisse der  Initiative Neue Qualität der Arbeit
(INQA) zurückgreifen, um die aktuellen Herausforderungen rund
2 um BGM zu verdeutlichen. Das Ziel ist Nachhaltigkeit.

ELV ELV ELV ELV

HdAͲProjekte AuT X Y Z

    6HLW6WDDWOLFKHV


3URJUDPPÄ,QQRYDWLYH
6WDDWOLFKHV3URJUDPP 'DVVWDDWOLFKH)RUVFKXQJV
$UEHLWVJHVWDOWXQJ =XNXQIW
Ä+XPDQLVLHUXQJGHU XQG(QWZLFNOXQJVSURJUDPP GHU$UEHLW³ GHV%XQGHV
PLQLVWHULXPVIU%LOGXQJXQG
$UEHLWVZHOW +G$ ³ ]XU Ä$UEHLWXQG7HFKQLN³O|VWGDV
)RUVFKXQJPLW)RNXVDXIQHXH
9HUEHVVHUXQJGHU ELVKHULJH+G$3URJUDPPDE $UEHLWV 2UJDQLVDWLRQVIRUPHQ
$UEHLWVLQKDOWHXQG =XVlW]OLFKH6FKZHUSXQNWHVLQG
6HLWÄ,QLWLDWLYH1HXH
$UEHLWVEH]LHKXQJHQVRZLH]XP QHEHQGHUZLVVHQVFKDIWOLFKHQ 4XDOLWlWGHU$UEHLW³DOV
$EEDXEHODVWHQGHUXQGRGHU LQWHUGLV]LSOLQlUHV3UD[LVSURMHNW
%HJOHLWXQJDXFKGHU
JHVXQGKHLWVJHIlKUGHQGHU (UJHEQLVWUDQVIHU 6HLW3URMHNWÄ*XWH
$UEHLW³ GHU,*0HWDOOPLWGHP
$UEHLWVVLWXDWLRQHQ
)RNXVDXI9HUHLQEDUNHLWYRQ
)DPLOLHXQG%HUXIVRZLH
GHPRJUDILVFKHU:DQGHO

} Abbildung 9: Der Weg zum humanen Arbeitsplatz

Wertschätzung Solange wir Menschlichkeit als Fremdkörper der Arbeitswelt be-


und Erholung greifen, werden wir keinen Paradigmenwechsel im Bereich der
„Gesunden Arbeitswelt“ erzielen, der die Parole „Gesundheit ist
ein zentraler Lebenswert“ fördert (Rudow, 2014, S. 1). Damit
rücken Erholung und Wertschätzung in Bezug auf die Arbeit in den
Fokus. Gerade in unserer Nonstop-Gesellschaft ist es jedoch ab-
Unser Verständnis von BGM 41 A 2.2
surd anzunehmen, dass wir durch Regularien wie Arbeitszeitgesetz
kontrollierbare Erholungs- und Gesundungszeiten als Kompensati-
on für krankmachende Arbeitswelten festlegen können (vgl. Kad-
ritzke in Meifert & Kesting, 2004, S. 321 ff.). Erholung ist nicht
einfach mehr Freisein von Arbeit zur Rekonvaleszenz. So ist unse-
re Arbeitstätigkeit zunehmend fragmentiert und reicht unverhoh-
len in die Privatsphäre  Freisein von Arbeit ist eher eine Illusion
trotz Work-Life-Balance. Auch unsere Freizeitaktivitäten sind sel-
ten Ausdruck von physischer Erholung. Meistens weisen sie einen
Event-Charakter auf. Erholung ist daher aus unserer Sicht erfahre-
ne Menschlichkeit, die sich v. a. in der Wertschätzung unserer
Tätigkeit ausdrückt und einen positiven Widerhall in unseren
& Ressourcen findet. Nach dem & Arbeits-Erholungs-Zyklus geht
es um das sensible Gleichgewicht zwischen Anforderungen und
Kapazitäten (Wieland-Eckelmann et al., 1994).

Der Weg zum humanen Arbeitsplatz sollte nicht den Dualis-


mus zwischen krank und gesund machenden Faktoren frönen,
sondern Erholung als Humanisierungsfaktor in bestehenden
Arbeitsprozesse integrieren. In gewisser Weise verhält es sich
analog in der Wirtschaft. Die Erhöhung des Bruttoinlandspro-
dukts als konservative Wirtschaftsstrategie ist nur zu verkraf-
ten, wenn sie sich im ökologischen Fußabdruck einpasst.
Mehr zu beanspruchen als die vorhandene Biokapazität führt
zur Grenzüberziehung bzw. zu untilgbaren Ökoschulden.

Wie könnte diese Einbeziehung aussehen? Wenden wir uns kurz Flow als Modell
der Personalpsychologie zu (Treier, 2009a), dann stoßen wir auf
das & Flow-Konstrukt als höchste Form der Eigenmotivation nach
Csikszentmihalyi (1991). Wenn wir mit unserer Arbeit ein positives
Erleben verknüpfen, dann induziert diese autotelische Aktivität
einen Zustand der Erholung oder des optimalen Erlebens. Im Zu-
stand des Flows ist der Mensch Handlung, denn die Aktivität ist
selbst das Ziel des Handelns. Jeder von uns kennt diesen Zustand:
Wenn uns eine Tätigkeit Spaß macht, merken wir nicht, wie die
Zeit vergeht. Es läuft alles glatt. Man ist selbstvergessen und muss
regelrecht aufgeschreckt werden, um seine Arbeit aufzuhören.
Nach der Tätigkeit ist man nicht ermüdet, sondern hat im Gegen-
teil Energie zu weiteren Aktivitäten.

„Wenn jemand eine Situation als herausfordernd wahrnimmt


und seine Fähigkeiten für die Bewältigung der Situation als
hoch einschätzt, dann wird die Situation sehr positiv erlebt 
unabhängig davon, ob die Aktivität als Arbeit oder Freizeit
bezeichnet wird.“ (Nerdinger, 1995, S. 56)
2 A 42 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Psychophysische Mit den Stärken und Schwächen des Konstrukts & Flow aus empiri-
Sichtweise scher und methodischer Sicht können wir uns hier nicht befassen
(Rheinberg et al., 2007; Treier, 2009a, S. 215 ff.). Flow ist auf
jeden Fall Ausdruck eines Gesundheitsverständnisses, das sich von
der physischen zur psychophysischen Reflexion von Gesundheit als
Ausdruck eines Paradigmenwechels verlagert. Durch entsprechen-
de Tätigkeitsanreize wie klare Zielvorgaben, optimalen Hand-
lungsspielraum oder konstruktives Feedback kann die Situation
flow-orientiert gestaltet werden und damit die Arbeit selbst als
Schlüssel für Lernen, Wachstum und Motivation avancieren. Die
Arbeitspsychologen sprechen hier vom & arbeitsorientierten Ler-
nen (Sonntag & Stegmaier, 2007). Gesundheitsförderung ist also
nicht ausschließlich das Pflaster mit Wundsalbe, das nach einer
Verletzung zur Heilung aufgetragen wird, sondern eine Kräftigung
von Innen durch Wertschätzung und durch eine humane Gestal-
tung der Arbeit in Bezug auf Inhalte, Beziehungen und Bedingun-
gen (Ulich & Wülser, 2015). Die } Abbildung 10 illustriert hier das
Ineinandergreifen von situativen und personalen Faktoren.

Paradigmenwechsel
2
Menschlichkeit, Wertschätzung und Vertrauen sind die
Grundpfeiler für eine moderne Gesundheitspolitik, die das
Subjekt wieder anerkennt und in den Mittelpunkt der Maß-
nahmen rückt. Eine Kultur der Reparaturergonomie als Kom-
pensationsstrategie ist obsolet, wenn wir einen Neuanfang im
Bereich BGM anstreben. Auch gilt es sich von der Denkweise,
die Arbeit als krankmachend und Freizeit als erholend be-
stimmt, zu verabschieden. Vielmehr wird es wichtig sein, Er-
holung und Arbeit in ihrer positiven Wechselwirkung zu be-
greifen. In unserem Buch werden wir Ihnen Wege von der Ge-
staltung bis zum Controlling aufzeigen, die diesem Paradig-
menwechsel Rechnung tragen. Dabei ist stets zu bedenken,
dass der Mitarbeiter nicht nur irgendeine Ressource ist, son-
dern er ist die Nabe der Organisation, mit der das Rad auf
der Welle sitzt. Was passiert, wenn diese Nabe zerbricht?
; Box 2-2: Menschlichkeit und Wertschätzung als Grundpfeiler

Gesund durch die Arbeit und gesund in der Arbeit


ist das Motto unseres Denkens und Handelns!

Der angedeutete Paradigmenwechsel wird noch deutlicher, wenn


wir uns im Kap. 2.3 (ª S. 57) mit den Trends auseinandersetzen.
Doch bevor wir den Blick in die Zukunft wagen und das Orakel
befragen, sind wir Ihnen noch eine Antwort schuldig geblieben.
Unser Verständnis von BGM 43 A 2.2

*HVXQGKHLWVEHZXVVWVHLQZHUWH
*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ 6 , 7 8 $7 , 2 1
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6HOEVWZLUNVDPNHLW Ve r h ä l t n i s
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Ve r h a lt e n 6WUXNWXUHOOH$EELOGXQJ
$UEHLWV2UJDQLVDWLRQVJHVWDOWXQJ

} Abbildung 10: Gesundheit in der Arbeit

Was ist für uns Gesundheitsförderung?

Gleichviel, ob wir von BGF oder BGM sprechen, für uns ist Ge- Anspruch der
sundheitsförderung nicht nur Verhütung und Abwehr, sondern ein Gesundheits-
Anspruch der Betroffenen an sich selbst. Das impliziert keineswegs förderung
Privatisierung der Gesundheit, denn damit düpieren wir uns
selbst. Im Gegenteil sind gerade die Unternehmen aufgerufen, der
Verwirklichung dieses Anspruches nicht nur keine Steine im Weg
zu legen, sondern fördernde und fordernde Maßnahmen zu ergrei-
fen. Diese Maßnahmen betreffen sowohl die internalen & Res-
sourcen wie Selbstwirksamkeit und Gesundheitsbewusstsein als
auch die externalen Ressourcen wie Führung, Arbeitsgestaltung
und Organisationsentwicklung (Zimolong & Stapp in Zimolong,
2001, S. 141 ff.). Es gilt, ein gesundes Unternehmen im Sinne des
& salutogenetischen Ansatzes aufzubauen (Fröschle-Mess, 2005).
Dazu benötigen wir eine Politik des Vertrauens (& Kohärenz).
Dabei ist zu bedenken, dass die Arbeitswelt nicht von der Lebens-
welt abzukapseln ist. Denn es liegt eine totale Verflechtung vor!

Auftrag der Gesundheitsförderung


Gesundheitsförderung zielt auf die Stärkung positiver Kräfte
sowohl in Bezug auf die Arbeits- und Lebenswelt als auch auf
den einzelnen Menschen und auf Gruppen (Demmer, 1995,
S. 8). Positive Kräfte sind Lebens- und Arbeitsqualität, ge-
2 A 44 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

sunde Lebensweise, Wahrnehmung der Eigenverantwortung


für Gesundheit, Auseinandersetzung mit Gesundheitsfragen,
Hoffnung und Vertrauen in das eigene Handeln, Lebens- und
Arbeitszufriedenheit bzw. Arbeitsfreude. Gesundheitsförde-
rung ist dabei nicht nur präventiv auszurichten, sondern aus-
drücklich auch in den Phasen der Therapie, Rehabilitation
und der Begleitung chronischer Erkrankungen im Sinne eines
& Disease Management Programms (Chronikerprogramme)
anzuwenden (Pfaff et al., 2003).
; Box 2-3: Aktivierung positiver Kräfte als BGM-Auftrag

Verantwortung Im Kontext des Damoklesschwertes Demografieverschiebung ist


für unser Ge- BGM aus unternehmerischer Sicht eine titanische Herausforderung
sundheitssystem (Badura et al., 2007). Dabei wird der Unternehmer durch die Ver-
knappung der Ressourcen aus Sicht der Gesundheitssysteme künf-
tig selbst ein Teil des & Managed Care Systems (Amelung, 2012) 
eines sowohl kommerziell als auch solidarisch finanzierten Versor-
gungssystems, das um effiziente und effektive Allokation von Res-
sourcen unter Berücksichtigung hoher Qualitätsstandards ringt.
2
BGF findet nicht Im Rahmen dieses Buches können wir uns nicht mit dem Gesund-
im Vakuum statt! heitssystem als solchem befassen. Die Frage der Verantwortung ist
aber auf jeden Fall nicht nur im Solidarsystem zu verorten, v. a.,
wenn man an die gesundheitsökonomischen Herausforderungen
denkt (Breyer et al., 2013). Die Unternehmen sind wesentlicher
Bestandteil, vielleicht sogar künftig der wichtigste Faktor im Ge-
sundheitssystem. Damit die Einführung zu den Eckpfeilern BGM
nicht zu langatmig wird, illustrieren wir Ihnen anhand von Info-
Grafiken die für das Verständnis grundlegenden Wissenselemente:
x Einflussfaktoren } Abbildung 11, S. 45
x Portfolio der Maßnahmen } Abbildung 12, S. 46
x Angebotsportfolio } Abbildung 13, S. 47
x Vernetzte Akteure } Abbildung 14, S. 48

Doppelgesichtig- In gewisser Weise stellen die Info-Grafiken das Gerüst BGM dar,
keit als Problem denn BGM findet nicht im Vakuum statt. Diverse hemmende und
fördernde Faktoren lassen sich in der Praxis konstatieren. Was
jedoch wirklich hemmend oder fördernd ist, erschließt sich auf-
grund der komplexen Wechselwirkungen oft nicht direkt. Die
meisten Einflussmomente sind janusköpfig und weisen zwei Ge-
sichter auf. So ist das Demografieproblem ein Katalysator, der
Unternehmen erkennen lässt, dass Investitionen in BGM unerläss-
lich sind (Beispiel: Demografiefond der Gewerkschaft IG BCE). Auf
der anderen Seite darf man nicht verhehlen, dass das Ausmaß des
Demografieproblems mehr eine Gefahr als eine Herausforderung
Unser Verständnis von BGM 45 A 2.2
impliziert. Warum? Die demografische Verschiebung gekoppelt mit
der Lebensarbeitszeitverlängerung stellt definitiv ein Risiko für
die Fitness der Organisationen dar. Wir reagieren überschnell mit
unabgestimmten Instrumenten wie Implementierung von Demogra-
fie-Beauftragten, alternsgerechte Arbeitsgestaltung, BGM, flexible
Arbeitszeitmodelle, Weiterbildung für ältere Mitarbeiter, Alters-
strukturanalyse. Dabei missachten wir aber die Notwendigkeit
einer fundierten Einflussanalyse (ª Kap. 6.1, S. 361).

Jede Grafik zu den Einflussmomenten ist entweder zur Unvoll- Zu den Einfluss-
ständigkeit oder zur unbegreifbaren Komplexität verurteilt. Daher momenten
stellt die } Abbildung 11 nur die traditionellen Faktoren auf der
Umwelt- und auf der Personenebene dar. Auf der Umweltseite
lassen sich noch die Wissenschaft und der Globalisierungstrend als
Einflussfaktoren ergänzen. Auf der Personenebene wird nicht nur
die physische, sondern v. a. auch die psychische Fitness berück-
sichtigt. Zudem kristallisieren sich Einstellungen und Werte, die
sich in Lebensstilen verdichten, als zentrale Faktoren heraus. Die
Verbindung zwischen Umwelt und Person wird durch das Bewälti-
gungsverhalten im Sinne der & transaktionalen Stresstheorie nach
Lazarus bestimmt (Lazarus & Folkmann 1994) (ª Kap. 6.2, S. 373;
} Abbildung 87, S. 376). Das Coping ist hier nicht nur defensiv,
sondern bewusst präventiv ausgerichtet. Bedeutende & Moderato-
ren sind Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Netzwerke, die als
soziale Ressourcen, aber auch als Belastungen fungieren können.

} Abbildung 11: Infografik zu den Einflussfaktoren


2 A 46 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Portfolio der Viele Einflussfaktoren erschweren zielgerichtetes Handeln. Was


Maßnahmen tun wir nun in Sachen BGM? } Abbildung 12 (S. 46) illustriert die
Bandbreite der Maßnahmen, die in allen Phasen zur Geltung kom-
men können. Wir müssen uns von der Utopie verabschieden, dass
die & Prävention den Mainstream darstellt. Durch die demografi-
sche Verschiebung werden die Phasen der Therapie, der Rehabili-
tation und der Begleitung gleichermaßen ihren Tribut fordern. Wir
wissen, dass das gesundheitsgerechte Handeln nicht nur vom Wis-
sen abhängt, sondern v. a. von Bewusstwerdung und Sensibilisie-
rung in einer erschöpften Organisation (Achtsamkeit). Auf der
individuellen Ebene sollten daher Maßnahmen der Kompetenzent-
wicklung und Sensibilisierung ineinandergreifen. Bisweilen sind die
Maßnahmen nicht eindeutig der Wissens- oder Handlungskompo-
nente zuzuordnen. Aber damit allein erreicht man nicht Kontinui-
tät und Nachhaltigkeit, denn wir müssen ferner eine Gesundheits-
struktur gewährleisten, die das individuelle Bemühen fordert und
fördert. Auf der Wissensebene geht es um die gesunde Organisati-
on. Auf der Handlungsebene spielen Werte, Vorbilder, Anerken-
nung und Wertschätzung eine bedeutsame Rolle. Der Nachweis der
Wirksamkeit der Maßnahmen ist dabei nicht Kür, sondern Gebot!
2 Eine begleitende Evaluation ist vonnöten (ª Kap. 5, S. 215).

} Abbildung 12: Infografik zum Portfolio der Maßnahmen


Unser Verständnis von BGM 47 A 2.2
Die Phasen (Prävention, Therapie, Rehabilitation und Begleitung) Sockel der
und die Attribute (Wirksamkeit, Evaluation, Kontinuität und Nach- Maßnahmen
haltigkeit) bilden den Sockel der Maßnahmen. Die Phasen und At-
tribute eignen sich später als Struktur für eine & Health Balanced
Scorecard (ª Kap. 5.6, S. 314), um die Synergien und Wirkmecha-
nismen der einzelnen Maßnahmen als Auftrag des Gesundheitscon-
trollings optimal zu koordinieren und in ihrer Wirksamkeit zu eva-
luieren (ª Wirkungsmodell BGM Æ } Abbildung 85, S. 349).

Auf Basis einer Benchmarkstudie haben wir Einzelprogramme von Konkrete Ange-
63 Unternehmen analysiert. Die } Abbildung 13 zeigt das facet- bote gemäß
tenreiche Angebotsportfolio rund um BGF/BGM. Die Gefahr be- Benchmarkstudie
steht jedoch, dass sich die Wirksamkeit dieser Angebote nicht voll
entfalten kann, weil die Angebote teilweise „aktionistisch“ und
kurzatmig abgebildet werden und nicht in einem Gesamtkonzept
verknüpft sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit zeigen wir je-
weils vier typische Angebote pro Themenfeld.

'DUPWDJH
%(00RGHOOH
+DXWVFKXW]
)HKO]HLWHQPDQDJHPHQW
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,QIRUPDWLRQ $UEHLWVJHVWDOWXQJ $UEHLWVRUJDQLVDWLRQ
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)KUXQJ %HZHJXQJ )LWQHVVNXUVH
*HVXQGKHLWV]LUNHO
5FNHQVFKXOH6LW]WUDLQLQJ
0DQDJHPHQW&KHFN8S

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(UQlKUXQJVEHUDWXQJ
*HVXQGKHLWVJHVSUlFKH
*HZLFKWVPDQDJHPHQW
(UQlKUXQJ (LQVWHOOXQJ9HUKDOWHQ *HVXQGKHLWVRULHQWLHUWHV
.DQWLQHQDNWLRQHQ
9HUKDOWHQVPDQDJHPHQW
.RFKNXUVH
.|USHUZDKUQHKPXQJ

(DUO\3DLQ5HSRUWLQJ
$XWRJHQHV7UDLQLQJ
*HVXQGKHLWVEHIUDJXQJ
(UKROXQJVIlKLJNHLW
*HVXQGKHLWVGLDJQRVWLN (UIDVVXQJ (QWVSDQQXQJ 3URJUHVVLYH0XVNHOHQWVSDQQXQJ
7lWLJNHLWVDQDO\VHQ
<RJD

} Abbildung 13: Thematisch strukturiertes Angebotsportfolio

Favoriten sind weiterhin Ernährung und Bewegung. Zunehmend Was tun wir?
spielen auch Angebote rund um Entspannung eine Rolle  dies ist
u. a. dem medialen Hype Burnout geschuldet. Im öffentlichen
Sektor sind Gesundheitstage eine beliebte Herangehensweise, um
Gesundheitsthemen in der Organisation zu lancieren.
2 A 48 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Vernetzte Kommen wir zur letzten Frage: Wer macht was? Die Experten-
Akteure kommission der Bertelsmann und Hans-Böckler-Stiftung (2004)
differenziert zwischen internen und externen Stakeholdern bei
den Kooperationsebenen und –strängen:
x Interne Stakeholder sind Sicherheitsfachkräfte, Betriebsärz-
te, Betriebsrat, Personalreferenten, Demografie- und Frauen-
beauftragte, Schwerbehindertenvertretung, Sozial- und Sucht-
beratung. Teilweise sind diese Anspruchsgruppen in Ausschüs-
sen/Arbeitskreisen organisiert (Arbeitsschutzausschuss, ASA).
x Externe Stakeholder: Die } Abbildung 14 stellt den Kranz
wichtiger externer Stakeholder dar. Staatliche Arbeitsschutz-
behörden wie die Gewerbeaufsicht, Unfallversicherungsträger
wie die Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, die Verbände
der Sozialpartner (hier v. a. die Gewerkschaften, Tarifpartei-
en und Arbeitgeberverbände), die Bundesagentur für Arbeit,
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, Innungen sowie
die Handwerks- und Industrie- und Handelskammern bilden ein
Netzwerk, das in seinen Wechselwirkungen kaum zu ergründen
ist. Zu ergänzen wären hier noch die vielen kommunalen Ein-
2 richtungen wie Gesundheitsämter und andere Körperschaften
wie Kassenärztliche Vereinigungen, Landesvereine für Ge-
sundheitsförderung etc.  also ein Dschungel an Akteuren.

(XURSlLVFKHV$UEHLWVVFKXW]UHFKW
(XURSlLVFKH)DFKYHUElQGHXQG.RPPLVVLRQHQ

.UDQNHQ
1DWLRQDOH)DFKYHUElQGHXQG.RPPLVVLRQHQ

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6WDDWOLFKH $UEHLWV
%HK|UGHQ YHUZDOWXQJ

,+.
,QQXQJHQ

%XQGHVDQVWDOWIU$UEHLWVVFKXW]XQG$UEHLWVPHGL]LQ

} Abbildung 14: Infografik zu den Akteuren des BGM


Unser Verständnis von BGM 49 A 2.2
Berücksichtigt man noch zusätzlich die Fachverbände und Kom- Wer ist der beste
missionen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, Adressat für
nimmt die Komplexität der Zuständigkeiten explosionsartig zu. Betriebe?
Aus Erfahrung sind für die Pilotisierung, Refinanzierung und fach-
liche Begleitung von betrieblichen Maßnahmen im Bereich der
Gesundheitsförderung maßgebende Ansprechpartner die Kranken-
kassen und Berufsgenossenschaften (EuPD-Research, 2007). Sie
kennen die Netzwerke und pflegen die jeweiligen Kooperations-
stränge. Zudem sind die Krankenkassen und Berufsgenossenschaf-
ten an innovativen Konzepten interessiert und beteiligen sich ak-
tiv an der Umsetzung im Unternehmen laut Gesetzgebung. Bei
hoher gewerkschaftlicher Sozialisation des Betriebes kann auch
die Gewerkschaft ein interessanter Partner der Umsetzung sein.
Dies gilt v. a. für das & Demografiemanagement. Keiner spricht es
aus bzw. es wird dazu nur verschämt Stellung bezogen: Die exter-
nen Anspruchs- und Interessengruppen bilden ein kompetitives
Netzwerk, deren Dynamik man gezielt für die Modernisierung und
Aktualisierung des BGM nutzen kann. Der Erfolgsdruck, etwas zu
tun, ist hoch. Institutionen wollen sich durch ihre Arbeit vonei-
nander abgrenzen und damit ihre Existenz legitimieren. Also be-
stehen genügend Ansatzpunkte, um Refinanzierungen und Piloti-
sierungen zu starten. Sie müssen lediglich fragen!

Wie gestalte ich nun konkret BGM als Teil dieses komplexen Sys- Bewältigbarkeit
durch
tems? Wir empfehlen den Einstieg durch das pragmatische Lernen
Best Practice
von anderen. Es gibt hervorragende Best Practice, die sich zum
Glück nicht verstecken. Startfenster für eine Recherche sind
Erfolgssäulen
bspw. die Preisträger der renommierten Awards wie der  Deut-
nach CHA
sche Unternehmenspreis Gesundheit. Zugegeben sind viele Bei-
spiele aus dem Erfolgsmilieu der Großunternehmen entnommen.
Strategie & Controlling

Maßnahmen in der BGF


Strukturelle Abbildung

Aber nicht alle „Größen“ sind groß im BGM. Nach einer Studie von
2007/08 des Marktforschungsinstitut EuPD Research (2007) schrei-
ben sich lediglich 258 der 800 größten deutschen Konzerne BGM
auf ihre Fahne. Die zwei Spitzenreiter (DaimlerChrysler und Post)
implementieren ein institutionell fest verankertes und ganzheitli-
ches Gesundheitsmanagementsystem mit integriertem Controlling.
Die Leitbilder der & Prävention der großen Konzerne mit einer
ausgefeilten Infrastruktur sind nicht ohne weiteres auf den Klein-
und Mittelstand übertragbar. Aber auch hier zeichnen sich zuneh-
mend Beispiele guter Praxis ab, wie auch das aktuelle „Corporate
Health Jahrbuch“ offenbart, denn immerhin sind mittlerweile
mehr als 36 Prozent der Bewerber um den  Corporate Health
Award kleine oder mittelständische Organisationen bzw. Unter-
nehmen (EuPD Research, 2014, S. 23). Dieser Anteil ist aber wei-
terhin hinsichtlich der realen Anzahl KMUs als gering einzustufen.
2 A 50 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Best Practice als Leuchttürme guter Praxis


Fachverbände und Netzwerke sind hervorragende Quellen für
Best Practice. Wir empfehlen Ihnen das Europäische Netz-
werk „Enterprise for Health“ (EfH) (Trägerorganisationen:
Bertelsmann Stiftung und BKK BV). Dort finden Sie Beispiele
guter Praxis seit 2001 (Enterprise for Health, 2006). Die
INQA-Datenbank Guter Praxis bietet mit gut 200 Fällen der
betrieblichen Praxis Handlungshilfen im Bereich BGF/BGM
und des & Demografiemanagements. Im öffentlichen Sektor
lohnt sich ein Blick auf die Leuchttürme der BGF als Beispiele
guter Praxis im Öffentlichen Dienst (DNBGF, 2008). Doch
nicht jeder Award ist automatisch Best Practice. Wichtig ist,
dass der Award auf Basis eines validierten, praktikablen und
dynamischen Systems mit differenziertem Benchmarking er-
folgt (dies ist bspw. beim Corporate Health Award der Fall).
; Box 2-4: Lernen durch andere

Der Blick auf diese folgenden Websites lohnt sich auf jeden Fall,
um von anderen zu lernen …
2  Enterprise for Health (EfH)
 Die INQA-Datenbank Guter Praxis

Für die Einführung bleibt jetzt noch eine Frage offen …


Benötigen wir überhaupt Gesundheitsmanagement?

Sind wir gesund? Das Kap. 1 (ª S. 15) lässt keinen Zweifel aufkommen, dass hier
Bedarf besteht. Dabei darf man aber nicht Opfer einer verzerrten
Logik [Arbeit führt zu Belastungen, und Belastungen machen
krank] werden, denn die Arbeitskräfteerhebung 2007 zu den Ge-
sundheitsrisiken am Arbeitsplatz belegt, dass die große Mehrzahl
der Erwerbstätigen in Deutschland ihre Erwerbstätigkeit nicht als
gesundheitliche Belastung einstufen (Grau, 2009). Vielmehr stellt
Arbeit eine Voraussetzung für die psychosoziale Gesundheit dar.
Für die Mehrzahl der Menschen ist Arbeit ein schützender Faktor.
Diese Erkenntnis bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass
Arbeit nicht auch krankmachen kann. So bewerten fast 14 Prozent
der Frauen und 20 Prozent der Männer ihre Arbeitsbedingungen als
gesundheitsgefährdend (Kroll et al., 2011). Dabei dominieren ein-
deutig die Beschwerden des Bewegungsapparates (Rückenleiden,
Beschwerden an Schultern, Nacken, Händen sowie Probleme mit
Hüfte, Beinen und Füßen) gefolgt von den psychischen Erkrankun-
gen wie Stress oder Beklemmungen. Erwartungsgemäß sind ältere
Erwerbstätige v. a. in Bezug auf die Beschwerden des Bewegungs-
apparates stärker betroffen als jüngere, wobei hier eine relevante
Wechselwirkung mit der Art der Tätigkeit vorliegt. Dieser & Mik-
rozensus basiert auf den subjektiven Einschätzungen der Befrag-
Unser Verständnis von BGM 51 A 2.2
ten (N=13.767). Damit zielt die Frage „Sind wir gesund?“ sowohl
auf den messbaren Gesundheitszustand als auch auf die Definition
von Gesundheit ab. Aus der politischen Diskussion entnehmen wir
als Bürger nur, dass sich der Gesundheitszustand Deutschland zwi-
schen Szylla und Charybdis bewegt. Betrachtet man die Lebens-
erwartungs- und Mortalitätsstatistiken, so kommt man zum tröstli-
chen Schluss, dass unsere Gesellschaft aus naturwissenschaftlicher
Sicht gesünder geworden ist. Der Gesundheitsbericht „Gesundheit
in Deutschland“ des Robert Koch Instituts (2012) ist die ergiebigs-
te und valideste Quelle für Daten. Er bestätigt die steigende Le-
benserwartung und die gute Gesundheit sowohl aus objektiver als
auch subjektiver Sicht. Negativ schlägt zu Buche, dass immer noch
zu viele Menschen rauchen, viele auch definitiv adipös sind und
sich trotz positiver Tendenzen zu wenig bewegen. Hierfür gibt es
viele Datenbelege. Bspw. zeigt die nationale  Verzehrstudie,
dass knapp zwei Drittel der männlichen und gut die Hälfte der
weiblichen deutschen Bevölkerung gemäß dem & Body-Mass-Index
übergewichtig sind (Max-Rubner-Institut, 2008). Auch bleibt der
Alkoholkonsum weiterhin auf hohem Niveau und verschiebt sich
teilweise bedenklich in Richtung junger Menschen. Dennoch ist
der Gesundheitszustand trotz dieser Wermutstropfen zufrieden-
stellend, wenn man auf den naturwissenschaftlichen Gesundheits-
begriff zurückgreift. Aber Gesundheit bedeutet noch mehr.

Bei all diesen Statistiken muss man sich jedoch die Kernfrage stel- Nicht unbedingt
len: Was subsumieren wir unter Gesundheit? Wenn es nur um die selbsterklärend
Lebenserwartung geht, können wir uns zurücklegen. In den letzten …
Jahren haben wir dort Beachtliches erreicht. Betrachtet man je- Der Gesundheits-
begriff
doch die & Morbiditätsstatistiken, die Daten zur Beschreibung und
Verteilung von Krankheiten auf Bevölkerungsgruppen, zeichnet
sich ein etwas anderes Bild ab. Die kostenlos erhältlichen  Ge-
sundheitsreports der Krankenkassen (Beispiel: Techniker Kranken-
kasse) lassen die Verantwortlichen BGM aufhorchen. Dies reicht
aber nicht aus! Denn Störungen biologischer Prozesse im mensch-
lichen Organismus sind zwar Indikatoren für Krankheit, aber defi-
nieren den Krankheitsbegriff nicht vollständig. Den meisten fallen
als Erstes die „Blockbuster“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen und
Krebsleiden ein. Auch Skelett-Muskel-Bindegewebe-Leiden und
Stoffwechselerkrankungen sind aufgrund der demografischen Ver-
schiebung auf dem Vormarsch. Mit steigendem Alter müssen wir
verstärkt mit Krankheiten wie Diabetes mellitus, Osteoporosen,
zerebrovaskulären Erkrankungen und schließlich auch Demenz und
Alzheimer rechnen. Diese plakativ oft als Volkskrankheiten titu-
lierten Leidensbilder, allen voran der Diabetes, werden zukünftig
mit sehr hohen Kosten und Ausfallzeiten verknüpft sein (& HERO-
Studie Æ Kap. 5.4, S. 282). Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in der
Arbeitswelt mit dem Krankheitsbild der Demenz konfrontiert wer-
2 A 52 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

den, nimmt zu. Auch wird sich die Prävalenz von Arthrosen poten-
zieren, was viele Implikationen für die klassische Arbeitsgestal-
tung und Ergonomie aufwerfen wird.

Zunahme Was sich aber erst sukzessive in den Köpfen der Verantwortlichen
psychischer Er- drängt, ist die gewaltige Zunahme psychischer Erkrankungen, die
krankungen nicht unbedingt die Lebenserwartung tangieren, aber sehr wohl
die Fehlzeiten bestimmen. Problematisch ist hier die Verlässlich-
keit der Daten, denn die Diagnose & „Psychische Störung und
Verhaltensstörung“ ist nicht eindeutig und erlaubt einen bedenk-
lichen Interpretationsspielraum. So zeigen die Daten von
2008/2009 einen signifikanten Anstieg der Frühberentungen auf-
grund psychischer Erkrankungen v. a. bei Frauen (Platz 1). 1974
waren etwa nur 7 Prozent der Berufsunfähigkeit durch psychische
Probleme verursacht. Heute jonglieren Sie mit Werten von 32 bis
42 Prozent je nach Quelle. Im Jahr 2013 wurden bundesweit allein
79 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkran-
kungen ermittelt  dies entspricht einem Ausfall an Bruttowert-
schöpfung von über 14 Milliarden Euro (vgl. SUGA, 2014, S. 161).
2 Eine Übersicht zur psychischen Gesundheit bietet der sehr fun-
dierte Barmer Gesundheitsreport 2009 (Wieland, 2009).

Web-Tipp: Aktuelle und Daten und Fakten zur psychischen Ge-


sundheit finden Sie übersichtlich auf der Website
http://psyga.info/psychische-gesundheit/daten-und-fakten/

„Stress am Arbeitsplatz, Burnout und psychische Belastungen


machen seit einigen Jahren Schlagzeilen: Die Krankenstands-
zahlen aufgrund psychischer Erkrankungen steigen und neh-
men inzwischen mit einem Anteil von 16,8 % an allen krank-
heitsbedingten Fehltagen den zweiten Rang nach Muskel-
Skelett-Erkrankungen ein. Körperliche Auswirkungen auf an-
dere Bereiche wie Rückengesundheit und Herz-
Kreislaufsystem sind belegt.“ (Wieland, 2009, S. 1)

Epidemiologisch sehr bedenklich: „Vergegenwärtigt man sich


die Häufigkeit, das Ausmaß an Chronifizierung und damit die
sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen psychischer Er-
krankungen durch einen zunehmenden Anteil an Arbeitsunfä-
higkeitstagen und Frühberentungen, so wird deutlich, wie
wichtig & Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen
sind.“ (Albus & Wandl, 2007, S. 608)
Unser Verständnis von BGM 53 A 2.2
Die Fallgrube ist unseres Erachtens damit das biomedizinische und Fallgrube Ge-
statische Modell der Gesundheit, das mechanistisch, eindimensio- sundheitsver-
nal und negativ konnotiert ist (Greiner in Bamberg et al., 1998, S. ständnis
39 ff.). Die Statistiken belegen, dass wir uns stärker dem biopsy-
chosozialen Modell, das körperliche, psychische und soziale Be-
stimmungsstücke der Gesundheit aufweist, zuwenden müssen. Nur
so werden wir dem prozessualen und mehrdimensionalen Charak-
ter von Gesundheit im Kontext der Herausforderungen gerecht.
Gesundheit ist positiv und kein Zustand. Gesundheit ist nicht nur
Abwesenheit von Krankheit (; Box 0-1, S. 6). Alles Gemeinplätze?
Durchaus nicht, denn viele BGF/BGM-Konzepte sind symptoma-
tisch auf Abwehr körperlicher Krankheiten ausgerichtet. Die psy-
chische und soziale Komponente werden faktisch bei Gestaltungs-
konzepten kaum berücksichtigt und auf jeden Fall nicht evaluiert.

Fassen wir zusammen: Damit relativieren der demografische Wan- Relativierung


del und die Zunahme psychischer Erkrankungsbilder die positive der positiven
Statistik Gesundheit. Auch nimmt der Anteil der & Ko- und Multi- Statistik
morbidität zu, was zu kaum kalkulierbaren Wechselwirkungen
führen wird. Bei den Stoffwechselerkrankungen spricht man schon
von einem metabolischen Syndrom. Der Mediziner spricht vom
Syndrom, wenn er nicht mehr die Komplexität der verschiedenen
pathogenen Faktoren und manifestierten Symptome voneinander
differenzieren kann. Damit verschlechtert sich die Datenland-
schaft, denn wir wissen nicht, welche Krankheit für was verant-
wortlich ist Æ also die Frage nach der Kausalität. Psychische Er-
krankungen können psychosomatische Beschwerden auslösen;
umgekehrt können schwere Erkrankungen auch psychische Leiden
nach sich ziehen. Das Einzige, was wir dann wissen, ist, dass das
Zusammentreffen verschiedener charakteristischer Symptome ein
unbestimmtes Krankheitsbild wie das depressive oder psychovege-
tative Syndrom bestimmt. Syndrome bestimmen künftig das Bild.

Gesundheitszustand

Trotz einiger Wermutstropfen lässt sich derzeit eine relativ


positive Ausgangslage, was sowohl den objektiven als auch
subjektiv eingeschätzten Gesundheitszustand betrifft, fest-
stellen. Dieses Niveau zu steigern oder wenigstens aufrecht-
zuerhalten, wird jedoch die größte Herausforderung sein. Die
Chronifizierung von Krankheiten, die Verschiebung von soma-
tischen zu psychischen Leiden und die Prävalenz von Syndro-
men lassen aufhorchen. Nur durch konzertierte Aktionen sind
diese Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Die Ar-
beitswelt muss hier einen wesentlichen Beitrag leisten, gera-
de was die & Prävention psychischer Leiden betrifft. Warum?
Die Arbeitswelt ist aufgrund der Leistungsverdichtung der
2 A 54 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

& „Miasma“, wo & psychische Störungen am ehesten ent-


stehen können. Die Infiltration der Arbeitswelt in die Pri-
vatsphäre erlaubt keine Kompensation mehr, sondern fordert
& Work-Life-Balance (Parasuraman & Greenhaus, 1999). Die-
se Lebenssphären sind aber selten ausgeglichen, sondern es
kristallisiert sich faktisch eine Life Domain in Bezug auf die
Arbeitswelt heraus (Ulich & Wülser, 2015, S. 351 ff.).
; Box 2-5: Gesundheitszustand und Auftrag an die Arbeitswelt

Kein Mangel Sie suchen nach Belegen? Das  Informationssystem der Gesund-
an Daten! heitsberichterstattung des Bundes bietet Ihnen kostenfrei über
eine Milliarde Zahlen und Kennziffern in Form von übersichtlichen
Tabellen. Der Blick in die Online-Datenbank der Gesundheitsbe-
richterstattung lohnt sich. Wer hier noch nicht befriedigt wird,
kann zudem einen Blick auf die Primär-Datenlandschaften der
folgenden Anbieter schauen …
 DZA-Statistik  Deutsches Zentrum für Altersfragen
 Robert Koch-Institut
 Renten-Statistik
2
Wüsten und Für uns sind diese Daten notwendig, aber nicht hinreichend, denn
Oasen des BGM das eigentliche Problem ist nicht die biologische Erkrankung.
Problem ist vielmehr der schleichende Gesundheitsverlust durch
mangelnde Menschlichkeit, Wertschätzung und Leistungsverdich-
tung, der in der Arbeitswelt grassiert und sich in den bedenklich
hohen Prävalenzzahlen & „Psychische Störungen“ ausdrückt. Aber
auch die & Inzidenzraten sprechen Bände. Gerade an diesen Fak-
toren kann die Arbeitswelt ansetzen und ein Setting schaffen, dass
im Sinne der & Salutogenese gesundheitsförderlich ist (Antono-
vsky, 1987). Aber es soll hier nicht der falsche Eindruck hinterlas-
sen werden, dass die Arbeitswelt im Hinblick auf die Gesundheit
und Gesundheitsförderung eine Wüste sei. Mitnichten, denn wir
finden in der Gestaltung der Arbeitsplätze nach arbeitswissen-
schaftlichen Kriterien auch viele Oasen. Es wird aber Zeit, dass
wir auch eine Oase für den psychischen und nicht nur für den so-
matischen Bereich des Faktors Mensch in der Arbeitswelt schaffen.
Der Grund für die Einseitigkeit liegt im Gesundheitsbegriff, den
wir aufgrund der Datenlandschaft nicht mehr nur als Störung des
biologischen Systems begreifen dürfen.

Unser Gesundheitsverständnis
Somatische Gesundheit ist eine wichtige Prämisse für das
Wohlbefinden im Sinne der WHO (; Box 0-1, S. 6). Mit der
positiven Entwicklung unseres Gesundheitssystems darf aber
Unser Verständnis von BGM 55 A 2.2
der psychische Faktor nicht stiefmütterlich behandelt wer-
den. Menschen sind aus psychosozialer Sicht gesund, …
Æ wenn sie mit sich selbst im Einklang stehen,
Æ wenn sie die Anforderung bewältigen können,
Æ wenn sie einen Sinn in ihrem Leben erkennen,
Æ wenn sie Vertrauen zum Umfeld haben,
Æ wenn sie erfüllte soziale Beziehungen haben.
; Box 2-6: Psychosozialer Gesundheitsbegriff

Welche Perspektiven sind zu beachten?

Unser Grundverständnis von BGM bildet sich in den verschiedenen Perspektiven und
Perspektiven im Unternehmen ab (} Abbildung 15, S. 56) (Ulich & Handlungsfelder
Wülser, 2015; Zimolong, 2001). Diesen Perspektiven lassen sich
Handlungsansätze zuordnen, die verdeutlichen, dass BGM ein
ganzheitlicher Ansatz ist:
1. Individuum: Gesundheitsbildung, medizinisch-psychische Be-
treuung, Coaching, Training auf psycho-sozial-emotionaler
Ebene und auf Aufgabenebene, Mobbing- und Suchtpräventi-
on, Kompetenzprofiling etc.
2. Organisation: Führung, Integration der Gesundheitsförderung
in das Zielsystem des Unternehmens, Unternehmenskultur und
Werte, Vertrauenskultur, Ressourcen, gesundheitsförderliches
Vergütungssystem, Personalstruktur etc.
3. Arbeitsbedingungen: Gewährleistung von Sicherheitsstan-
dards, Expositionsreduktion, Ergonomie, Arbeitsinhalte, Ar-
beitszeitgestaltung, Arbeitsorganisation etc.
4. Umwelt: Familienfreundlichkeit, Work-Life-Balance, Sozialbe-
ratung, psychosoziale Betreuung, Freizeit- bzw. Urlaubsma-
nagement, & soziale Verantwortung etc.

 Zusammenfassung zum Grundverständnis von BGM


x Paradigmenwechsel: Menschlichkeit, Wertschätzung und
Vertrauen sind die Grundfesten einer aktiven betrieblichen
Gesundheitspolitik im & salutogenetischen Sinn.
x BGM-Verständnis: Wir wollen weg von einer Reparaturergo-
nomie und Kompensationsstrategie hin zu einer Kultur der Ei-
genverantwortung Æ aber nicht Privatisierung, sondern im
Gegenteil Verantwortungszunahme der Unternehmen als Be-
standteil des & Managed Care Systems.
x Einflussmomente: Faktisch handelt es sich um ein Wechsel-
spiel von Faktoren der Umwelt- und Personenebene, vermit-
telt durch das Bewältigungsverhalten und die Selbstregulation
als personale Momente.
2 A 56 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

x Maßnahmen: Es resultiert ein Portfolio von ineinandergrei-


fenden Maßnahmen auf den Achsen „Wissen Ù Handeln“ und
„Umfeld Ù Individuum“ unter Berücksichtigung von Präven-
tions- und Motivationskonzepten als ganzheitlichem Ansatz.
x Akteure: Wir sind nicht einsam, wenn man sich das komplexe
Netzwerk an Kooperationssträngen und -ebenen hinsichtlich
der internen und externen Stakeholder vor Augen führt.
x Gesundheitsförderung: Wir zielen auf die Stärkung positiver
Kräfte als Ausgangspunkt wie Lebens- und Arbeitszufrieden-
heit und Eigenverantwortung für Gesundheit.
x Gesundheitszustand: Unser Gesundheitszustand ist biologisch
gesehen hoffnungsvoll, aber aus psychosozialer Sicht kritisch.
Unsere Herausforderungen lauten: Verschiebung von somati-
schen zu psychischen Erkrankungsbildern, Zunahme der
& Multimorbidität, Chronifizierung von Krankheiten und er-
höhte Prävalenz von Syndromen.
x Gesundheitsbegriff: Der psychosoziale Gesundheitsbegriff in
einer sich wandelnden Arbeits- und Lebenswelt in Anlehnung
an das Konzept der & Salutogenese verdrängt Konzepte, die
2 sich ausschließlich „biologisch“ orientieren.
x Perspektiven und Handlungsfelder: Wir differenzieren zwi-
schen der Perspektive des Individuums, der Organisation, der
der Arbeitsbedingungen und der Umwelt. Diesen Perspektiven
lassen sich diverse Handlungsfelder zuordnen.
 Check-Liste 2: Grundverständnis BGM

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} Abbildung 15: Perspektiven des BGM im Unternehmen


Entwicklungen und Trends im BGM 57 A 2.3

2.3 Entwicklungen und Trends im BGM

Dass der Trend zum gesunden Unternehmen nicht nur reines Von der Idee
Wunschdenken oder eine Utopie ist, zeigen viele Beispiele guter zur Tat
Praxis. Unser Begriff vom gesunden Unternehmen lehnt sich an die
Begriffe Gesundheitsmanagement, Arbeits- und Gesundheitsschutz
sowie Personalpflege an (Rudow, 2004 & 2014). Cave! Manche
Autoren wie Fournier (2005) verstehen Gesundheit eher als lang-
fristiges betriebswirtschaftliches Wachstum nach den Geboten des
& Sustainable Human Resource Managements (Ehnert, 2009), um
der „wirtschaftlichen Brandrodung“ durch Nachhaltigkeit und
Strategie entgegenzuwirken. Der ökonomische Gedanke der Nach-
haltigkeit und damit dauerhaften Tragfähigkeit ist zweifellos ein
wichtiger Trendsetter, der auch für das BGM gilt. Ernüchterung
liegt aber in Bezug auf die Fahrt der Umsetzung vor. Wir finden
Anfang bis Mitte der neunziger Jahre eine Vielzahl von seriösen
Berichten, die das Millennium der Gesundheit in Unternehmen
ausrufen (Demmer, 1995). „Von der Idee zur Tat“ heißt das Mot-
to, das viele anspornt. Manche Autoren wie Kastner (2001, S. 5)
sprechen auch vom sechsten & Kondratieff-Zyklus, „in dem Le-
bensqualität, Gesundheit, Sicherheit etc. als entscheidende Wirt-
schaftsfaktoren in den Vordergrund des Interesses rücken wer-
den.“ Faktisch müssen wir aber in Anbetracht der demografischen
Herausforderung erkennen, dass zwar viele Unternehmen Leitli-
nien zum Thema BGM definieren, diese aber nicht systematisch bis
in die untersten Ebenen des Unternehmens herunterbrechen. Zu-
dem existieren viele Perspektiven im Unternehmen, die es gleich-
zeitig zu beachten gilt (} Abbildung 15, S. 56).
Kurzum: Wir haben unsere Hausaufgaben noch nicht gemacht,
v. a., wenn man an die tragfähige und nachhaltige Entwicklung
denkt. Wir wissen aber immerhin, was wir in etwa aufhaben. Aber
es gibt genug Ausflüchte, um das Thema vor sich herzuschieben.
So dürfen Wirtschafts- und Finanzkrisen bspw. die Fahrt zum ge-
sunden Unternehmen nicht drosseln.

Benötigen wir ein Konjunkturprogramm für das BGM?

Haben wir es geschafft? Liegen gesündere Arbeitsbedingungen Erfolgsstory BGM


vor? Haben sich der Gesundheitszustand und das Wohlbefinden der oder Strohfeuer?
arbeitenden Bevölkerung verbessert? Fragen, auf die es nur ver-
haltene Antworten gibt. Denn hört man sich in Unternehmen um,
registriert man nur schwache Signale im Hinblick auf die prophe-
zeite „Erfolgsstory BGM“ mit Ausnahme weniger Best Practice
Unternehmen. Seit über einem Jahrzehnt stehen einige wenige
Best Practice Unternehmen kontinuierlich als Gesundheitsförderer
im Rampenlicht wie E.ON Ruhrgas AG, Bertelsmann AG oder die
2 A 58 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Metro Group. Die BASF erfasst das breite Spektrum von Nachhal-
tigkeitsfragen unter dem Stichwort „Sustainable Development“ als
eine Frage der sozialen Verantwortung (& Corporate Social
Responsibility) (Visser et al., 2008). Die Handlungsfelder von
 Generations@Work manifestieren, dass nur lang anhaltendes
Engagement positive Effekte zeitigen wird (ª Kap. 6.1, S. 361).
Viele Unternehmen setzen jedoch BGM kurzfristig wie eine ver-
ordnete Diät ein. Doch der Jo-Jo-Effekt ist vorprogrammiert. Die
Herausforderungen der sich abbildenden Chronifizierung des
Krankheitspanoramas, der schwer kalkulierbaren & Multimorbidi-
tät und der Verschiebung von somatischen zu psychosozialen Er-
krankungsbildern dulden kein kurzlebiges Engagement (Maaz et al.
in Badura et al., 2006, S. 5 ff.). Wir brauchen hier eine längere
Puste, um uns diesen Anforderungen konstruktiv und nachhaltig zu
stellen. Jede andere Form der Gesundheitspolitik ist wirkungslos
verpuffendes Strohfeuer und brüskiert letztlich die Betroffenen.

Unkenruf der Chronifizierung

Die größte Herausforderung für die Unternehmen liegt in der


2 Auseinandersetzung mit der Chronifizierung vor dem Hinter-
grund der faktischen Lebensarbeitszeitverlängerung. Neben
der primären & Prävention zur Verhütung von Krankheiten
und Stärkung von Schutzfaktoren werden v. a. die sekundäre
Prävention im Sinne der Verhütung von Chronifizierung durch
Früherkennung und die tertiäre Prävention zur Minderung der
Folgeschäden und Rezidiven an Bedeutung gewinnen (ª Kap.
4, S. 147). Aus Sicht des Unternehmers geht es hier u. a. um
die Beschäftigungsfähigkeit als Zielgröße (& Employability),
die aber nicht ohne Arbeitsfähigkeit auskommt.
; Box 2-7: Chronische Zukunft und Prävention

Attribute der Maaz et al. (in Badura et al., 2006, S. 7) sehen folgende typische
Chronifizierung Charakteristika der Chronifizierung:
x Kontinuierliches oder periodisches Auftreten von Krankheits-
symptomen, die durch irreversible krankmachende Prozesse
verursacht werden.
x Einhergehen mit einem fortwährenden hohen Betreuungsbe-
darf unter eindeutiger Begrenzung der kurativen Erfolge, also
der Anstieg palliativer Maßnahmen.
x Gravierende Veränderungen, meist Verschlechterungen im
Krankheitsverlauf mit Einfluss auf alle Lebensbereiche und der
Notwendigkeit psychosozialer Anpassungsleistungen.
Entwicklungen und Trends im BGM 59 A 2.3
Unternehmen haben sich bis dato relativ wenig mit diesem gesell- Kumulations-
schaftlichen und volkswirtschaftlichen Dilemma befasst, denn das punkt
Problem war relativ weit ins Rentenalter entrückt oder auf das Arbeitswelt
Solidarsystem abgewälzt. Die demografische Verschiebung und die
Chronifizierung des Krankheitspanoramas greifen aber auf die
Arbeitswelt über. Die Arbeitswelt wird sogar in den nächsten De-
kaden zum Kumulationspunkt der Chronifizierung. Hier baut sich
ein Tornado auf, der aus wirtschaftlicher Sicht unvorstellbare
Schäden hervorrufen kann. Die Devise lautet: Die Unternehmen
müssen sich als einen signifikanten Teil des Gesundheitssystems
im Sinne der & sozialen Verantwortung begreifen, die weit über
„Charitable Projects“ hinausreichen (Visser et al., 2007). Sie kön-
nen als Sammelpunkt unseres Wirtschafts- und Gesellschaftslebens
durch die zielgerichtete Gestaltung einer gesundheitsgerechten
Arbeitswelt einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung
leisten. & Managed Care (Amelung, 2012) kann erfolgreich dieser
Herausforderung durch die intelligente Vernetzung aller & Res-
sourcen (Unternehmen, Gesundheitsinstitutionen, Trägern der
Sozialversicherung etc.) begegnen (} Abbildung 14, S. 48). Große
Unternehmen nutzen diese Möglichkeiten schon proaktiv, wie Best
Practice Berichte belegen (Craes & Mezger, 2001; Schröer, 1999).

Wer damit definitiv unzureichend erfasst und eingebunden ist, Schieflage der
bleibt weiterhin der Mittelstand, das Rückgrat unseres Wirt- Adressaten-
schaftssystems. Dort befinden sich nicht nur die meisten Beschäf- orientierung
tigten, sondern dort treffen wir auch noch die gravierendsten
Veränderungen an, was atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse
mit unsicheren Berufsperspektiven betreffen (Raubbau am Schutz-
faktor Arbeit). Euphemistisch spricht man hier von der Pluralisie-
rung der Erwerbsformen; man könnte aber auch von der schlei-
chenden Erosion des Normalarbeitsverhältnisses sprechen. Laut
 Statistischem Bundesamt (Destatis, 2009a) ist die Zahl unbefris-
teter, sozialversicherungspflichtiger Stellen von etwa 75 auf 65
Prozent in den letzten zehn Jahren geschrumpft. Eine Erholung
(aktuell 66 Prozent) zeichnet sich zwar 2011 ab, aber keineswegs
eine Trendwende (Destatis, 2012). Der Fokus von BGM darf also
nicht diejenigen vergessen, die nicht im Normalarbeitsverhältnis
beschäftigt sind, denn Personen mit atypischen Beschäftigungs-
verhältnissen und Personen im Niedrigeinkommenssektor sind sel-
ten Adressaten fortschrittlicher betrieblicher Gesundheitspolitik.
Verschärfend kommt noch die unterschiedliche soziodemografi-
sche Verteilung hinzu, gerade was Alter, Geschlecht und Bildung
betrifft. Die Allokation von Finanzmitteln durch Sozialversiche-
rungsträger scheint nicht mittelstandsfreundlich zu sein oder der
Mittelstand ruft diese Mittel zu selten ab. Außerdem muss man die
Adressatenorientierung ändern, denn es kann in Anbetracht des
Datenmaterials nicht zufriedenstellend sein, dass der Typus „Voll-
2 A 60 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

zeitbeschäftigter in Großkonzernen“ der Hauptabnehmer moder-


ner Gesundheitsförderung ist. Eine gleichmäßigere Verteilung
unserer & Ressourcen ist anzustreben. Viele Mittelständler sehen
sich überfordert, das Thema Gesundheit ernsthaft anzugehen.
Doch es gibt individualisierte innovative Konzepte für den Mittel-
stand (Orfeld & Sochert, 2002), selbst wenn es typische Schwach-
punkte gibt wie das Fehlen von geschultem Personal für BGM, das
Nichtvorhandensein eines eigenständigen Budgets und eine defizi-
täre Evaluations- und Controllingtätigkeit (Gröben, 2008).

Weshalb brauchen wir Visionen?

Eine Bilanz
Die Ausgangslage ist diffizil und verlangt visionäre Konzepte.
Die Extrapolation und Intensivierung bisheriger Handlungs-
weisen reichen definitiv nicht aus, um das Ruder umzudre-
hen. Dies gilt v. a. für die Zugänglichkeit in der Arbeitswelt,
wenn man bspw. an den Mittelstand als bedeutsamen Adres-
saten denkt, wo immer noch Gesundheitsförderung relativ
2 unsystematisch erfolgt (Hollederer, 2007). Dennoch fällt die
Bilanz insgesamt positiv aus. Was noch fehlt, ist eine Vision,
die dem BGM Schwung und Nachhaltigkeit verleiht.
; Box 2-8: Visionäre Konzepte als Bilanz

Wozu denn Visionen? Hat sich tatsächlich so viel in der Ar-


beitswelt getan, dass wir uns umorientieren müssen? Um die-
se Fragen zu beantworten, haben wir Experten gefragt und
Quellen recherchiert, um Ihnen eine Antwort zu geben.

Von … zu … Die  Tabelle 2-2 gibt eine Übersicht der Gründe, warum wir
Veränderungen visionäre Konzepte benötigen.

 Tabelle 2-2: Veränderungen in der Arbeits- und Lebenswelt

Zielstellung Was wollen wir erreichen?


Von(m) … zu(r) …
Expositionsschutz Eigenverantwortung
Fachbereichsdenken Interdisziplinarität
Rechtskonformität Qualität und Kundenorientierung
Theorielosigkeit Theorienotwendigkeit
Versicherungsrechtlichen Zielen Fragen des Wohlbefindens
Methodologie und Strategie Was sind unsere Ansatzpunkte?
Von … zu(r) …
Anforderungen am Arbeitsplatz Anforderungen aus Organisation
Arbeitszeitgestaltung Lebenszeitgestaltung
Biologisierung Emotionalisierung
Entwicklungen und Trends im BGM 61 A 2.3
Einzelnen Belastungen Sichtweise des „total work load“
Fokus auf Arbeitsbezug Erfassung des Lebensumfeldes
Kategorisierung Analyse der Arbeitstätigkeit
Konzepte für Arbeitsgestaltung Verhaltens- und Wertbeeinflussung
Materiellen Belastungen Arbeitsinhalten
Prinzipien Evaluation
Technologien und Werkstoffen Nutzung und Organisation
Strukturen in der Arbeitswelt Was wird sich verändern?
Von … zu(r) …
Arbeit in Gruppen individuellen Arbeit mit Netzwerk
Arbeit von Frauen Arbeit von Älteren
Blue Collar Workers White Collar Workers
Großbetrieben Klein- und Kleinstbetrieben
Produktion/Dienstleistung sozial-kommunikativen Tätigkeiten

Welche Trends bestimmen das BGM der Zukunft?

Visionen, Trends, Entwicklungen. Als Auftakt bietet sich eine An- Quo vadis? Die
thologie namhafter Autoren an (Ludborzs & Nold, 2009). Dieses Klassiker kehren
Werk bündelt die Abstracts des 15. Workshops „Psychologie der zurück!
Arbeitssicherheit und Gesundheit“. Das Ergebnis nach sorgfältiger
Durchsicht und qualitativer Kategorisierung ( Tabelle 2-3, S. 64)
fällt aber bescheiden aus. Die Autoren definieren viele Trendset-
ter, diese weisen aber keine genuine avantgardistische Qualität
auf. Vielleicht ist das Wort „visionär“ im Bereich Gesundheit de-
platziert, denn wir sollten uns nicht von den soliden arbeitswis-
senschaftlichen Erkenntnissen abwenden. Als typisches Beispiel
lässt sich die Zunahme psychosozialer Belastungen und Beanspru-
chungen in Anbetracht des Anstiegs der Arbeitsverdichtung und
des Treibhauseffektes der Flexibilisierung aufführen (Stadler &
Spieß, 2003). Man hat schon in Studien der 80er Jahre im Rahmen
der HdA-Projekte (} Abbildung 9, S. 40) den Faktor Führung iden-
tifiziert, der auf das psychische Stresserleben der Mitarbeiter
signifikant Einfluss nimmt. Empirische Belege für die Wirkung
nicht gesundheitsförderlicher Führungsstile auf Selbstwert, auf
& Burnout sowie auf & Absentismus lassen nur einen Schluss zu:

„Wie eine Vielzahl von empirischen Studien zeigt, tragen


Vorgesetzte wesentlich durch die Gestaltung der Arbeitstä-
tigkeit und Arbeitsorganisation sowie durch ihr Führungsver-
halten zum Niveau des betrieblichen Gesundheitsschutzes
und zum Wohlbefinden der Mitarbeiter bei.“ (Stadler &
Spieß, 2003, S. 97 f.)

Führung ist mithin ein zentraler Stellhebel


moderner betrieblicher Gesundheitspolitik.
2 A 62 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Gesundheits- Ist damit die gesundheitsgerechte Führung der neue und alte
gerechte Führung Trend im BGM? Wir vermuten nicht, dass die Ausrichtung auf Füh-
als Paradigmen- rung einen wirklichen Paradigmenwechsel einläuten wird. Führung
wechsel? ist und bleibt ein wichtiger Promotor und Gestaltungsfaktor (vgl.
ª Kap. 4.6, S. 184 & Kap. 4.8, S. 198). Damit wird das eigentliche
Problem nur auf eine spezifische Anspruchsgruppe verschoben. Die
Erfolgsstory „Gesundes Unternehmen“ wird mit der Qualität der
Führung gleichgesetzt. Wer ist denn für Gesundheit im Unter-
nehmen verantwortlich? Weder der Arbeitgeber, der Betriebsrat,
das Personalwesen, der Betriebsmediziner oder Fachkräfte des
Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind die Verantwortlichen für
diese Erfolgsstory, sondern der Mitarbeiter selbst. Zugegebener-
maßen tragen alle diese Anspruchsgruppen durch ihre Entschei-
dungen und durch ihr Verhalten wesentlich zur gesunden Arbeits-
welt bei und sind damit auch wichtige Ansatzpunkte betrieblicher
Gesundheitspolitik. Dies gilt v. a. für die Führung als Experten der
Arbeits- und Organisationsgestaltung. Sie sollen auf ein angemes-
senes und gesund erhaltendes Ressourcen-Management achten
(Kernen & Meier in Steiger & Lippmann, 2013, Bd. 1, S. 123 ff.).
Sie sind aber auch „nur“ Getriebene im System, die durch hohe
2 und widersprüchliche Erwartungen unter beträchtlichem Erfolgs-
zwang stehen (Rollenkonflikte). Der eigentliche nachhaltige Fak-
tor ist und bleibt damit der Betroffene, gleichviel of Mitarbeiter
oder Führungskraft. Das ist der entscheidende Paradigmenwech-
sel, denn wir müssen wieder lernen, den Betroffenen nicht als
Opfer, sondern als Täter wahrzunehmen und ihm mehr Aufmerk-
samkeit zu widmen. Er darf nicht nur zum passiven Objekt von
brillanten Maßnahmen der BGF abgestempelt werden. Das wäre
dann Strohfeuerpolitik, die mehr mit Silvesterlärm und Geglitzer
als mit Nachhaltigkeit und Trägfähigkeit zu tun hat.

Selbstverantwor- Es geht also um Selbstverantwortung, wohlgemerkt nicht um Pri-


tungsprinzip und vatisierung der Verantwortung oder um die Delegation von Ver-
Professiona- antwortung. Gesellschaftspolitisch spricht man auch von der
lisierung & Subsidiarität, wonach übergeordnete gesellschaftliche Einhei-
ten nur solche Aufgaben übernehmen sollen, zu deren Wahrneh-
mung untergeordnete Einheiten nicht in der Lage sind. Dieses
Selbstverantwortungsprinzip muss aber gepaart sein mit Professi-
onalisierung, v. a. was den Bildungs- und Weiterbildungsmarkt
betrifft. Führung kann nur gesundheitsgerecht agieren, wenn Füh-
rung selbst & Gesundheitskompetenz besitzt.
Entwicklungen und Trends im BGM 63 A 2.3
Gesundheitskultur
Professionalisierung darf aber nicht nur einfach von außen
eingekauft oder verschrieben werden, sondern muss sich in
den Strukturen und Werten des Unternehmens verankern.
Dann sprechen wir auch von & Gesundheitskultur
(ª Kap. 4.8, S. 198). Die Veränderungsprozesse in der Ge-
sellschaft und Wirtschaft lassen keinen anderen Schluss zu,
um die Gesundheitskatastrophe in Unternehmen abzuwen-
den. Die Internalisierung, also die weitestgehende Übernah-
me von Werten und Wissen, sowohl auf der Personenebene
(Einstellungen, Wissen und Handeln) als auch auf der Organi-
sationsebene (Strukturen, Werte, Führung, Kultur) ist der de-
zidierte Weg moderner betrieblicher Gesundheitspolitik.
; Box 2-9: Gesundheitskultur

Diese visionäre Forderung ist keine Eingebung, sondern baut auf Bestimmungs-
den Bestimmungsmomenten der Trends im BGM auf (Brandenburg momente der
et al., 2000, S. 10 ff.). Die  Tabelle 2-3 stellt wichtige Faktoren Trends
dar, die unser Verständnis von BGM determinieren (vgl. Vorschläge
der Expertenkommission: Bertelsmann Stiftung & Hans-Böckler-
Stiftung, 2004). Das Hauptproblem ist die Wechselwirkung der
Bestimmungsmomente, denn sie treten nicht isoliert voneinander
auf, sondern beeinflussen sich gegenseitig.

Diese Auflistung bekräftigt unser Anliegen, die Grenzen des tradi- Grenzen des
tionellen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu verlassen. Diese traditionellen
Grenzen werden durch zwei Marksteine festgelegt: Verständnisses

x Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten


x Erhöhung der Anwesenheit der Mitarbeiter
Wenn wir von Visionen sprechen und die betriebliche Gesund-
heitspolitik als proprietäres Feld unserer Aktivitäten begreifen
wollen, dann müssen wir uns der unsäglichen und wenig wert-
schöpfenden Diskussion, die durch die beiden Marksteine definiert
ist, verabschieden. Die existierenden Instrumente und Methoden
der klassischen betrieblichen Gesundheitspolitik wie Projektma-
nagement, Gesundheitsberichterstattung, & Gesundheitszirkel,
Mitarbeitergespräche, Qualifizierung, & Tätigkeits- und & Ge-
fährdungsanalysen usw. müssen auf die & salutogenetische und
am & Sozialkapital ausgerichtete Zielsetzung angepasst werden
(Badura et al., 2010).
2 A 64 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

 Tabelle 2-3: Bestimmungsmomente der Trends

Bestimmungs-
Kurze Erläuterung
momente
Als Vektoren lassen sich hier Handlungsspielraum, Sinnhaftigkeit und
Partizipation bestimmen. Bei Nichterfüllung droht die Gefahr der
inneren Kündigung und des & Präsentismus. Zudem nimmt das Arbeit-
Ansprüche
geberimage dauerhaften Schaden (Stichwort Employer Branding).
an die Arbeit
Quellenempfehlung:
Ulich (2011): Arbeitspsychologie
Der Belastungswandel in der Arbeitswelt spiegelt sich in der Zunahme
der Informations- und Emotionsregulation wider. Technisierung,
Informatisierung und Virtualisierung sowie die Zunahme psychosozialer
Belastungs-
Belastungen (Mobbing, Zeitdruck, Führung, kognitive Informationsver-
wandel
arbeitung usw.) kennzeichnen diesen Belastungswandel.
in der
Arbeitswelt
Quellenempfehlungen:
Moser et al. (2002): Informationsregulation
Fineman (2003): Emotionsregulation
Definitiv ist der demografische Wandel kein Leisetreter in der aktuel-
2 len Debatte, aber seine Implikationen für die alternsgerechte Gestal-
tung und Führung sind noch relativ verschwommen. Viele sprechen
noch von einem Versuchsballon hinsichtlich der Maßnahmen. Unab-
Demografischer hängig davon ist der demografische Wandel der Katalysator schlecht-
Wandel hin für die Modernisierung und Erweiterung der Ressourcen des BGM.

Quellenempfehlungen:
INQA (2005), Olesch (2007) und Richenhagen (2007b): Demografie
Handlungsfelder außerhalb Gesundheit: Schuett (2014a)
Die Europäisierung mit einer stärkeren Richtlinienorientierung
schafft Raum zur konkreten und kreativen Gestaltung. Dadurch kann
sich die Effektivität und Effizienz des BGM erhöhen, aber auch verwäs-
Deregulierung
sern, denn der Nachteil einer Entbürokratisierung ist die Zunahme von
und
Grauzonen und Schlupflöchern (Gefahr eines Nebellochs).
Europäisierung
Quellenempfehlung:
ª Kap. 2.4, S. 78
Neben Alter und Geschlecht zählt zur Diversity noch die Kultur. Diese
Faktoren haben starken Einfluss auf die BGM-Praxis. So sind bspw.
Essgewohnheiten kulturell definiert. Manche befürworten auch eine
genderorientierte Medizin und Prävention (Gender Mainstreaming und
BGM). Und dass sich Alter als der wichtigste Diversity-Faktor für BGM
Diversity herauskristallisiert, zeigt die Debatte um den demografischen Wandel.
BGM und Diversity werden aber noch relativ zaghaft verbunden außer
im Themenfeld & Work-Life-Balance.

Quellenempfehlung:
Becker & Seidel (2006): Diversity-Management
Entwicklungen und Trends im BGM 65 A 2.3
Bestimmungs-
Kurze Erläuterung
momente
Gesund im medizinischen Sinne bedeutet noch nicht gesund, denn die
biopsychosoziale Sichtweise erweitert das Gesundheitsverständnis
bspw. in Bezug auf soziale Beziehungen (& Sozialkapital). Problema-
tisch ist auch der dichotome Ansatz zwischen Krank- und Gesundsein.
Man postuliert heutzutage ein Kontinuum. Ein weiterer Modernisie-
Erweitertes rungsschub bringt das Konzept der & Salutogenese. Hier sind die Be-
Gesundheits- griffe „krank” und „gesund” obsolet, denn es geht hier um Vertrauen
verständnis bzw. & Kohärenz. Was hält uns gesund trotz steigender Belastungen?

Quellenempfehlungen:
Badura et al. (2010): Moderne Gesundheitspolitik
Bernard (1993): Biopsychosoziales Konzept
Antonovsky (1987): Salutogenese
Das Zeitalter der Schirmphilosophie im BGM ist definitiv vorbei. Es geht
nicht mehr nur um den passiven Schutz von Expositionen belastender
Faktoren, sondern die Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Verhaltenswei-
Gesundheits- sen der Betroffenen stehen im Vordergrund der Betrachtung im Sinne
bewusstsein und der Gesundheitspsychologie. Der Mensch ist Mittelpunkt!
-verhalten
Quellenempfehlung:
Schwarzer (2004): Gesundheitsverhalten
Renneberg & Hammelstein (2006): Gesundheitspsychologie (Kapitel 5)
Die  Ottawa Charta (; Box 0-2, S. 8) wird den Herausforderungen der
Globalisierung nicht gerecht. Die Ungleichheiten zwischen den Ländern,
neue Konsum- und Kommunikationsmuster, Kommerzialisierung, globale
Umweltveränderungen und Urbanisierung etc. erfordern Strategien für
eine Gesundheitsförderung in einer globalisierten Welt. Die Arbeitswelt
Globalisierung
ist ebenfalls durch den globalen Trend davon betroffen. Die Bangkok
Charta von 2005 erweitert die Ottawa Charta in diesem Sinne.

Quellenempfehlung:
 Bangkok Charta von 2005
Telearbeit, virtuelle Teams, Zeit- und Leiharbeit, fraktale Unterneh-
men, Dezentralisierung und v. a. auch die „fluidere“ Arbeitsvertragsge-
staltung (Weggang von der Normalbeschäftigung) erzeugen neue For-
men der Belastung und Beanspruchung, die mit den klassischen In-
strumenten der Arbeitswissenschaft nicht in den Griff zu bekommen
Neue Arbeits-
sind. Teilweise sind diese Formen auch noch unerforscht. Das Projekt
und
„Gesundheit und Sicherheit in neuen Arbeits- und Organisationsfor-
Organisations-
men“ (GESINA) hat hier regelrecht Pionierarbeit geleistet.
formen
Quellenempfehlungen:
Kastner et al. (2001): Projekt GESINA
Reichwald et al. (2009): Telekooperation
Treier (2002): Telearbeit und Gesundheitsschutz
2 A 66 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Bestimmungs-
Kurze Erläuterung
momente
Generell konstatieren wir in den letzten Dekaden einen stetigen Wandel
von der funktions- bzw. technologie- zur autonomieorientierten Pro-
zessgestaltung durch teilautonome Gruppenarbeit, Spielarten des
Neue
& Partizipativen Produktivitätsmanagements (PPM) und durch neue
Formen der Mitarbeiterbeteiligung.
Produktions-
konzepte
Quellenempfehlungen:
Antoni (1996): Teilautonome Gruppenarbeit
Pritchard et al. (2002): PPM-System
Wegge (2004): Führung von Arbeitsgruppen
V. a. sind hier die Implikationen durch die Europäisierung zu erwähnen.
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 1996 (novelliert 2013) als Um-
setzung der europäischen Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz 89/391/EWG,
aber auch spezifische Verordnungen wie die Bildschirmarbeitsverord-
nung oder die PSA-Benutzungsverordnung (Persönliche Schutzausrüs-
Neue
tung) bieten dem Praktiker eine ausreichende Rechtsgrundlage für das
Rechtsformen
nachhaltige Agieren im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Quellenempfehlungen:
2 Richenhagen et al. (2002): Bildschirmarbeit
ª Kap. 2.4, S. 78: Rechtsgrundlagen
In den nächsten Jahren werden wir eine Verschiebung des Krankheits-
panoramas mit Prävalenzzunahme von chronisch-degenerativen und
psychosozialen Krankheitsbildern und mit der Entstehung relativ neu-
Wandel des
artiger Formen von Gesundheitsstörungen wie & Multiple Chemical
Krankheits-
panoramas Sensitivity, & Repetitive Strain Injury und & Burnout registrieren.

Quellenempfehlung:
Badura et al. (2007): Chronische Krankheiten
Die Frage nach der Wertschöpfung von Maßnahmen ist das Feigenblatt.
Diese Schamhaftigkeit ist aber in Anbetracht der empirisch nachgewie-
senen Wirksamkeit von Maßnahmen und der Bedeutungszunahme kont-
raproduktiv. Es gibt Ansatzpunkte und Instrumente, die die Frage nach
Wertschöpfungs- dem Value Added von Gesundheitsförderung positiv beantworten.
orientierung
Quellenempfehlungen:
ª Kap. 5, S. 215: Steuerung und Qualitätssicherung
IGA-Report 13 (2008): Wirksamkeit und Nutzen der BGF und Prävention
Treier (2012): Gesundheitscontrolling

Bevor wir Ihnen die Antworten der Praktiker vorstellen, die


sich mit der Umsetzung betrieblicher Gesundheitspolitik be-
schäftigen, wäre es interessant zu wissen, ob sich Ihre Wahr-
nehmung mit den Befragten deckt. Schreiben Sie doch ein-
fach spontan Ihre Trendsetter eines modernen BGM auf!
Was erwarten Sie von der Zukunft im BGM?
Entwicklungen und Trends im BGM 67 A 2.3
Die Befragung erfolgte telefonisch oder per E-Mail. Insgesamt Die Zielscheibe
wurden 121 Personen adressiert. 69 beantworteten die Frage aus Sicht der
„Welche Themen sind im Bereich BGF/BGM zukünftig von hoher Praktiker
Bedeutung?“. 33 Prozent stammen aus Großunternehmen, 22 Pro-
zent aus dem Mittelstand, 26 Prozent aus Institutionen oder dem
Bildungssystem und 19 Prozent aus Beratungsunternehmen. In den
Unternehmen sind 29 Prozent im Bereich Arbeits- und Gesund-
heitsschutz und 26 Prozent im Bereich Personal verortet, wobei
der Anteil Arbeits- und Gesundheitsschutz im Großunternehmen
im Vergleich zum Mittelstand signifikant dominiert. Bei der Befra-
gung wird deutlich, dass wir aus Sicht der Praktiker bzw. praktisch
tätigen Wissenschaftler kein gravierendes Defizit im Forschungs-
bereich haben, sondern unser Handlungsfeld die Anschlussfähig-
keit an aktuelle Themen im Unternehmen ist. Ein Befragter wies
auf das Vernetzungs- und Anerkennungsproblem der BGF hin. In
unserer Befragung konnten wir aus 400 Antworten nach inhalts-
analytischer Kategorisierung 19 Trends im BGM/BGF identifizieren
(} Abbildung 16, S. 68).

Die fünf Haupttrends:


Erwartungsgemäß aufgrund der medialen Präsenz ist der stärkste Die Trendsetter
Trendsetter & „Demografiemanagement und organisationale
Fitness“. Dieser Trendsetter ermöglicht derzeit eine Art Reform
des klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und ist insbe-
sondere auf die Anschlussfähigkeit mit anderen Themen wie Per-
sonalmanagement und Führung im Unternehmen ausgerichtet
(Treier, 2009a, S. 340 ff.). Ebenfalls hoch gescort ist der Trend-
setter „Ganzheitlichkeit und Systematik“. Viele Praktiker nehmen
wahr, dass Einzelaktivitäten schnell versanden und nicht den ge-
wünschten nachhaltigen Effekt erzielen. „Nachhaltigkeit“ kristal-
lisiert sich generell als wichtiges Thema der Befragung heraus,
dicht gefolgt von der Gestaltungsrichtlinie der „Förderung von
Eigenverantwortung für Gesundheit“. Erwähnenswert ist auch der
Faktor & „Gesundheitskultur und Wertemanagement“.

Chronifizierung haben wir als hohes Gefährdungspotenzial hin- Was hat uns
sichtlich des Krankheitspanoramas identifiziert (; Box 2-7, S. 58). überrascht?
Noch ist aber dieser Punkt nicht ins Bewusstsein der Praktiker
oder wissenschaftlich praktisch Tätigkeiten gerückt. Auch das
Potenzial der neuen Rechtsbasis scheint nicht erkannt zu werden
(ª Kap. 2.4, S. 78). Erfreulich ist, dass relativ viele die Auseinan-
dersetzung mit psychischen Belastungen als zukünftiges Hand-
lungsfeld einstufen. Diese werden oft durch biologische Störungen
wie Rückenbeschwerden in ihrer Bedeutung verdeckt. Hier wirkt
sich auch die ausgeprägte mediale Präsenz von Themen wie Burn-
out etc. aus. Die Novellierung des ArbSchG geht in diese Richtung.
2 A 68 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

'HPRJUDILHPDQDJHPHQW2UJDQLVDWLRQDOH)LWQHVV
*DQ]KHLWOLFKNHLWXQG6\VWHPDWLN
1DFKKDOWLJNHLWXQG.RQWLQXLWlW
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8PVHW]XQJGHUQHXHQ5HFKWVEDVLV
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9HUWUDXHQVELOGHQGH0D‰QDKPHQ 0HKUIDFKDQWZRUWHQDQDO\VH
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8PJDQJPLW&KURQLIL]LHUXQJ *HVDPWVWLFKSUREHNDWHJRULVLHUWH$QWZRUWHQ
:HUWVFK|SIXQJVRULHQWLHUXQJXQG.HQQ]DKOHQ
0RGXODULVLHUXQJGHU$QJHERWVVWUXNWXU
0 2 4 6 8 10 12 14

2 Beratungi.w.S. Unternehmen Gesamt

} Abbildung 16: Trends aus Sicht der Praktiker

Gibt es Gruppen- Wenn wir uns nur die fünf Haupttrends anschauen, konstatieren
unterschiede? wir signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen
Großunternehmen, Mittelstand, Institutionen und Bildungssysteme
sowie Beratungsunternehmen. Keine relevanten Unterschiede
finden sich bei den Trendsettern „Eigenverantwortung“ und &
„Demografiemanagement“, denn sie werden einhellig als wichtig
erkannt. „Nachhaltigkeit“ wird v. a. von Beratungsunternehmen
und Institutionen bzw. Bildungssystemen akzentuiert. „Ganzheit-
lichkeit“ und Systematik finden wir verstärkt bei Vertretern von
Großunternehmen aus dem Bereich Arbeits- und Gesundheits-
schutz. Der Mittelstand fokussiert u. a. auf „Führung“ als Vorbild
und auf die „Zielgruppen- und Adressatenorientierung“. Dies ver-
wundert nicht, da hier der Gesundheitsbereich hauptsächlich aus
der Sichtweise des Personalmanagements reflektiert wird. Die 
Tabelle 2-4 zeigt Trends aus der Organisationsperspektive.

Hinweis: Dem Demografiemanagement widmen wir aufgrund


seiner herausragenden Bedeutung ein eigenes Kapitel. Span-
nende Themen sind hier die alterngerechte Arbeitsgestaltung
und Führung (ª 6.1, S. 361). Der demografische Wandel hat
eine beschleunigende Funktion, denn die Altersstrukturanaly-
se ist in ihren Ergebnissen unbarmherzig erschreckend.
Entwicklungen und Trends im BGM 69 A 2.3
 Tabelle 2-4: Trends aus der Organisationsperspektive

Konzerne Mittelstand Institutionen Beratung


Demografie- Adressaten- Nachhaltigkeit Demografie-
c management orientierung Kontinuität management
Ganzheit- Demografie- Demografie- Gesundheits-
d lichkeit management management kultur
Eigen- Ganzheit- Ganzheit- Nachhaltigkeit
e verantwortung lichkeit lichkeit Kontinuität
Gesundheits- Psychische Work-Life- Eigen-
f kultur Belastungen Balance verantwortung

Reform durch und mit Trends


Die Reform des klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes
drückt sich in den Gestaltungsfeldern „Dialog“ und „Kultur“
aus. Das & Demografiemanagement ist ein Katalysator, der
verdeutlicht, dass Rechtskonformität und Krankenstand als
Gestaltungsparameter nicht mehr ausreichen. Um Eigenver-
antwortung und Ganzheitlichkeit in den Programmen zu for-
cieren, muss man offensichtlich systemische Ansätze nutzen.
Damit sind folgende Herausforderungen zu bewältigen:
! Demografieverschiebung (Altersdurchschnitte über 50)
! Personalreduktion mit Zunahme an Belastungsfaktoren
! Anspruchssteigerung der Kunden in Bezug auf Gesundheit
! Bedeutungszunahme des Imagefaktors Arbeitgeber
! Steigerung des Kostendrucks und der Ressourcenprobleme
; Box 2-10: Reformrichtung „Systemdenken“

Aus Praxissicht zeichnet sich auf jeden Fall ein Trend zur Ganz- Trend zum Sys-
heitlichkeit ab. Man ist bemüht, die Maßnahmen nicht isoliert, temdenken am
sondern in ihrer Wechselwirkung mit anderen Prozessen zu sehen Beispiel der
und tragfähig zu implementieren. Als Beispiel können wir hier den Fehlzeiten
Klassiker Fehlzeiten anführen (ª Kap. 5.3, S. 248). Aus politischer
Sicht wird die Fehlzeiten- bzw. Gesundheitsquote gerne verwen-
det, denn sie ist immer noch die heilige Kuh der Gesundheitscon-
troller (Treier, 2009a, S. 366 ff.; Treier, 2012). Dass sich Fehl-
zeitenmanagement jedoch nicht auf eine Kennzahl reduzieren
lässt, zeigen Brandenburg und Nieder (2009). Sie definieren meh-
rere Ansatzpunkte für das Fehlzeitenmanagement:
x Präventive Maßnahmen: personale Maßnahmen vom Einsatz
über Gespräche und Führung bis zur gesundheitlichen Betreu-
ung und bis zum Anreizmanagement; strukturelle Maßnahmen
von der Arbeitsplatz- und Kulturgestaltung bis zu organisatio-
nalen Ansatzpunkten wie & Work-Life-Balance oder bis zur
Implementierung von Gesundheitsbeauftragten
2 A 70 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

x Kurative Maßnahmen: von der Betreuung besonderer Gruppen


bis zum Gesundheitscoaching und Rückkehrgespräche sowie
& betrieblichem Eingliederungsmanagement (BEM); Maßnah-
men der Arbeitsgestaltung und des Netzwerkmanagements als
Dialog mit Kliniken und Ärzten

Das Systemdenken ist generell sehr beliebt, bspw. in der Or-


ganisationsberatung (König & Volmer, 2008). Aber es kristal-
lisiert sich als wenig praktisch heraus, weil man keinen An-
griffspunkt im Wirrwarr der interdependierenden Faktoren
sichten kann. Eine Alternative stellt der & systemische Kon-
struktivismus als eine Art Gesundheitsdidaktik dar.

Was bedeutet der Trend zur


konstruktivistischen Gesundheitsdidaktik?

Vom System Das Systemdenken allein hilft uns in der Praxis relativ wenig wei-
zur Person Æ ter. Entscheidend ist die Kopplung mit einem anderen Trend, der
2 Die Gesundheits-
didaktik
ebenfalls von den Praktikern als wichtig erkannt wird: Der Trend
zur Eigenverantwortung im Sinne der & Subsidiarität. Das System
bildet das Gerüst im Sinne einer aktivierenden Gesundheitsdidak-
tik (Treier, 2015c). Innerhalb dieses Systems kann sich die Person
eigenverantwortlich bewegen und im konstruktivistischen Sinne
seine gesunde Welt erleben. Der & systemische Konstruktivismus,
der aus der Erwachsenenbildung unter dem Stichwort & Ermögli-
chungsdidaktik bekannt ist (Arnold, 2007; Arnold & Tutor, 2007),
kann den Paradigmenwechsel einleiten (} Abbildung 17, S. 71).
Das System ist der Nährboden, auf dem gesundes Verhalten nach-
haltig wächst. Der Motor ist der Mensch, der eigenverantwortlich
und nachhaltig an seine Gesundheit arbeitet.

Didaktik der Eigenverantwortung

Das Wort Eigenverantwortung klingt positiv, hat aber nur


dann einen konstruktiven Effekt, wenn der Schwarze Peter
der Erfolgsstory BGM nicht einfach an den Mitarbeitern bzw.
Betroffenen weitergereicht wird. Wenn wir Gesundheit als
Anspruch an uns selbst definieren, können wir durch eine ge-
sundheitsgerechte Systemgestaltung Anreize geben und Res-
sourcen ermöglichen. Innerhalb dieser Systemgestaltung als
Gerüst (Scaffolding) gilt es jedoch, das Individuum als eigen-
verantwortlich und selbstregulativ wertzuschätzen. Ansons-
ten erzielt man keine Nachhaltigkeit und v. a. auch keinen
Transfer auf andere Lebensbereiche. Viele gut gemeinte
Maßnahmen der BGF im Bereich Bewegung, Ernährung, Um-
gang mit Zeitdruck oder Entwöhnung von Rauchen verhallen,
Entwicklungen und Trends im BGM 71 A 2.3
sobald die Maßnahme wieder zurückgefahren wird. Erfolgrei-
cher ist man, wenn der Fokus der Maßnahmen auf die Sensi-
bilisierung gesetzt wird (Achtsamkeit) sowie durch koordi-
nierte und evaluierte Vorgehensweisen ein motivierendes Un-
terstützungsangebot geschnürt wird.
; Box 2-11: Konstruktivistische Gesundheitsdidaktik

S I N E

0D[LPH6HOEVWUHJXOLHUWHV/HUQHQ

. R Q V W U X N W L Y L V W L V F K H 
* H V X Q G K H L W V G L G D N W L N
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=LHO9RPZLGHUVSHQVWLJHQ]XPPRWLYLHUWHQ*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ
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3UlPLVVH*HVXQGKHLWVNRPSHWHQ]XQG6HOEVWUHIOH[LRQ

*HVWDOWXQJ$XWKHQWLVFKHPXOWLSOHVR]LDOH.RQWH[WH

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6HQVLELOLVLHUXQJ ,QIRUPDWLRQ 1DFKKDOWLJNHLW (YDOXDWLRQ


} Abbildung 17: Konstruktivistische Gesundheitsdidaktik und BGM

Ohne? Die Entwickler dieses Prinzips sind sich der Mehrdeutigkeit Praxisbeispiel
des Wortes SINE (Bedeutung im Lateinischen „ohne“) bewusst, S-I-N-E
weshalb sich auch der Alternativbegriff „Circle of Life“ oder „Life im LIFE-Modell
Cycle“ eingebürgert hat (Gronwald, 2009). LIFE hat das sogenann-
te S-I-N-E-Prinzip (; Box 0-3, S. 9) entwickelt, bei dem S für Sen-
sibilisierung, I für Information und Kommunikation, N für Nachhal-
tigkeit und E für Evaluation und Qualitätssicherung steht. Dieses
Prinzip stellt ein Paradebeispiel für ein Umsetzungsmodell dar,
das Eigenverantwortung durch Sensibilisierung stärkt und gleich-
zeitig die Rahmenkompetenz des Systems für das Ziel der nachhal-
tigen Gesundheitsförderung von den Verantwortlichen fordert
(} Abbildung 18, S. 73). Unabhängig von der Etikettenfrage ist
entscheidend, dass der Mitarbeiter durch Sensibilisierung auf sich
selbst aufmerksam gemacht wird und für die Erweiterung seiner
& Gesundheitskompetenz im Sinne der Selbstregulation optimal
vorbereitet wird. Soziale und individuelle Unterstützungsangebote
tragen ferner zur Nachhaltigkeit bei. Damit das System aber nicht
statisch wird und nicht von den Interessen und Bedürfnissen der
2 A 72 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Beteiligten abweicht, bedarf es einer systematischen und formati-


ven Evaluation als Instrument des Qualitätsmanagements.

Im WEB finden Sie Informationen zum LIFE-Modell. Dieses Konzept


zeichnet sich durch die konsequente Ausrichtung auf das Konstrukt
der Eigenverantwortung aus, das sich zunehmend als zentraler
Gestaltungshebel einer nachhaltigen und effektiven Gesundheits-
förderung herauskristallisiert. So hat u. a das Unternehmen STEAG
LIFE-Modell konsequent das LIFE-Konzept in das vorhandene BGM integriert
und im Rahmen des  Corporate Health Award 2011 das Gütesie-
gel „Exzellenz“ erzielen können.
 http://www.bmg.bund.de/themen/praevention/betriebliche-
gesundheitsfoerderung/best-practice-nordrhein-
westfalen/projekte-vorsorge/steag-gmbh.html

Typische Fehler SINE könnte man auch im Sinne von „ohne Fehler“ verstehen. Wir
haben die Praktiker auch mit der Frage „Was sind Kardinalfehler
im Bereich BGF/BGM?“ konfrontiert. Die Beantwortung ist interes-
2 santerweise im Gegensatz zu den Trends relativ einhellig. Ein
modernes BGM muss sich gegenüber einigen typischen Fehlern
wappnen, um den fulminanten Gesundheitscrash im Unternehmen
zu verhindern. Typische Fehler sind:
x Denken in Fehlzeiten- und Gesundheitsquoten,
x Gießkannenprinzip = „Alle sind gleich“,
x Kappung der Leistung wegen Ressourcenmangels,
x keine ausreichende Vernetzung der Akteure im BGM und
dadurch unabgestimmtes Handeln (Beispiel: Personalmanage-
ment sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz),
x keine strategische und strukturelle Verankerung (BGM als Insel
der Glückseligen Æ Vereinsamungsproblem),
x Kurzatmigkeit der Maßnahmen und Strohfeuerpolitik,
x mangelnde Einbindung der Mitarbeiter bzw. Betroffenen, aber
auch zu geringe Beachtung der Veränderungsfähigkeit bzw.
Veränderungswilligkeit (Stichwort Sensibilisierung),
x Problemverschiebung aufgrund „wichtigerer“ Aufgaben wie
Veränderungsprozesse im Unternehmen,
x Reparaturmanagement und „hechelndes“ Nacheilen,
x Vermeidung „heißer“ Themen wie Führung und Mobbing,
x Ziellosigkeit der Maßnahmen (Geisterfahrt) und Zielkonflikte
(vertrauensbildende Maßnahmen versus Kostenstrukturpro-
gramme Æ ein Dilemma in der & Gesundheitskultur).
Entwicklungen und Trends im BGM 73 A 2.3
Warum ist Gesundheitskompetenz
der zentrale Stellhebel in Bezug auf die Trends?

Wenn wir einen Basistrend bestimmen wollen, dann zeigt diese Zentraler Stell-
Diskussion, dass Gesundheitskompetenz der zentrale Stellhebel hebel: Gesund-
ist. Man läuft natürlich hier Gefahr, & Gesundheitskompetenz als heitskompetenz
modische Worthülse zu platzieren, aber in Wirklichkeit handelt es
sich um die zentrale Ressource, denn Eigenverantwortung ist ohne
Kompetenz Blendwerk (Wieland & Hammes, 2008). Man beachte
aber: Ohne substanzielle Rückendeckung des Systems wird und
kann kein signifikanter Kompetenzaufbau erfolgen.

„Kompetenz umfasst die Fähigkeiten und Fertigkeiten (das


Können), die Ordination zur Handlung (das Dürfen) sowie den
motivationalen Antrieb (das Wollen) einer Person zur anfor-
derungsgerechten Ausführung (Performanz) einer konkreten
Aufgabe oder die allgemeine Voraussetzung zur Erledigung
einer Klasse von Aufgaben oder von Aufgaben allgemein.“
(Becker, 2008, S. 163)

} Abbildung 18: Life Cycle oder S-I-N-E-Prinzip


2 A 74 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Was bedeutet Das Zitat verdeutlicht den Komplexitätsgrad dieses so einfach


Gesundheits- anmutenden Begriffes. & Gesundheitskompetenz ist nicht nur
kompetenz? passives oder träges Wissen, sondern stellt eine Erwartung dar,
gesundheitliche Beschwerden aktiv und wirksam begegnen zu kön-
nen, also selbst Herr über seine Gesundheit zu sein und damit
Vertrauen zu seinen eigenen Möglichkeiten zu haben. Diese Aussa-
ge ist zum einen mit unserer konstruktivistischen Gesundheitsdi-
daktik und zum anderen auch mit dem renommierten Modell der
& Salutogenese kompatibel (Antonovsky, 1987).

Wir wollen kein Opfer-, sondern explizit ein Tätersystem!

Können Ù Wol- Um erfolgreicher Täter zu sein, brauche ich Kompetenz, die nicht
len Ù Dürfen in Schubladen verrostet (träges Wissen), sondern präsent ist. Die-
se Präsenz ist Ausdruck der Sensibilisierung. Damit stellt sich
Das Kongruenz- Kompetenz als eine Wissens-, Verhaltens- und Einstellungskompo-
prinzip
nente dar (Erpenbeck & Rosenstiel, 2005). Die Erfolgsstory BGM
spiegelt sich schlussendlich im Gesundheitsverhalten wider. Aus
wissenschaftlicher Sicht mag die Trennung von Kompetenz und
2 Verhalten sinnvoll sein, da sich Verhalten nicht nur aus der Kom-
petenz erklärt. Denken Sie hier nur an den „inneren Schweine-
hund“ als Ausdruck der Bequemlichkeit, manchmal aber auch der
Feigheit, der es uns erschwert, gesundheitsbewusst trotz besseren
Wissens zu leben! Eine pragmatische Verwendung des Kompetenz-
begriffs berücksichtigt daher das Kongruenzprinzip Können, Wol-
len und Dürfen (Treier, 2009a, S. 100 ff.) und sollte in Gesund-
heitsbefragungen entsprechend beachtet werden (Dlugosch &
Krieger, 1995; ª Kap. 5.6, S. 314).

Selbstwirksam- Das Konstrukt Gesundheitskompetenz ist eng verbunden mit dem


keit als Grund- Konzept der & Selbstwirksamkeitserwartung der sozial-kognitiven
konzept Theorie von Bandura (1997). Selbstwirksamkeitserwartung (SWE)
ist nach Schwarzer (2002, S. 521) „die subjektive Gewissheit,
neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener
Kompetenz bewältigen zu können.“ Was ist noch schwieriger, als
Herr der eigenen Gesundheit zu sein? Dies bestätigen auch Ergeb-
nisse von Befragungen, die die Gesundheitskompetenzerwartung
(GKF) auf Basis der  Selbstwirksamkeitsskala erheben (Wieland
& Scherrer et al., 2008). Typische Fragen zur Erfassung der
& Selbstwirksamkeit und damit auch des beruflichen Bewälti-
gungsverhaltens lauten:
x Finde ich Mittel und Wege, wenn sich Widerstände auftun?
x Kann ich meinen Fähigkeiten vertrauen?
x Komme ich mit unerwarteten Problemen zurecht?
x Kann ich meine Ziele ohne Schwierigkeiten verwirklichen?
Entwicklungen und Trends im BGM 75 A 2.3
Die & Selbstwirksamkeitserwartung stellt also eine optimistische Empirischer
Selbstüberzeugung dar und ist eine wichtige Komponente einer Zusammenhang
effektiven Selbstregulation (Jerusalem & Schwarzer, 2002). Wie zwischen SWE
die Arbeiten von O`Leary (1992) und Schwarzer (1996) zeigen, und Gesundheit
gibt es bedeutsame Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß der
Kompetenzerwartung und der Fähigkeit zur Bewältigung von
Stress, dem Ertragen von Schmerzen, dem Umgang mit chroni-
schem Leiden, der Entwöhnung von Abhängigkeiten sowie den
gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen (vgl. Militärstudie mit
2273 U.S. Soldaten von Jex & Bliese, 1999). Damit schließt sich
unser Kreis und wir kommen zum Trend der Eigenverantwortung
zurück (ª Kap. 7, S. 411).

Selbstwirksamkeit als Kernelement


Gesundheitskompetenz stellt eine Erwartung dar, sich
selbstwirksam und erfolgreich mit Gesundheitsproblemen
auseinandersetzen zu können. Damit wird der Betroffene
zum Täter und verliert den passiven Status des Opfers. Eine
wichtige Voraussetzung ist die Sensibilisierung, denn träges
Wissen liegt oft vor. Dieses Schubladenwissen ist aber nicht
mit dem alltäglichen Verhalten verknüpft und bleibt damit
ein stumpfes Schwert für die Gesundheit. Wollen wir BGM
handlungsbezogen aufbauen, benötigen wir die Betroffenen
als kompetente Partner. Wenn wir die Eigenleistung der Mit-
arbeiter einfordern, müssen wir gleichzeitig notwendige
Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Dies wird in der
Forschungstradition der gesundheitsorientierten Arbeitspsy-
chologie deutlich, die Selbstregulationskompetenz mit beruf-
licher Kompetenzentwicklung, Arbeits- und Kulturgestaltung
und Führung verknüpft (Wieland, 2004, S. 170 ff.).
; Box 2-12: Gesundheitskompetenz

Wie kann man den Trends durch Maßnahmen gerecht werden? Was Unsere
müssen wir tun? Schon in diesem Kapitel haben wir Ihnen Angriffs- Ansatzpunkte
punkte genannt. Denken Sie bspw. an das Konzept der Sensibilisie-
rung im Praxismodell LIFE! Das Buch wird Ihnen aber noch andere
Antworten auf den jeweiligen Ebenen geben. Grob kann man fest-
halten, dass es drei Ansatzpunkte in Anlehnung an Rantanen
(2001) und Badura et al. (2008) gibt, um Belastungsreaktionen auf
der Personenebene (Depression, Gereiztheit, Schlafstörungen,
Verspannungen, innere Kündigung, & Burnout, Müdigkeit etc.)
und auf der Organisationsebene (geringes & Commitment, abfal-
lende Arbeitszufriedenheit, hohe Fehlzeiten, Qualitätsmängel,
& Fluktuation, verringerte Produktivität etc.) zu reduzieren
(} Abbildung 19, S. 76).
2 A 76 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

1. Erhöhung des Humankapitals: Dabei ist zu beachten, dass


es hier nicht nur um & Empowerment geht, sondern v. a.
Gesundheit. Gesundheit ist ein Kapital, was sich meistens
erst dann als wertvoll erweist, wenn es nicht mehr vor-
handen ist. Zudem ist die Reversibilität eingeschränkt.
2. Steigerung des & Sozialkapitals: Soziale Beziehungen,
gemeinsame Werte und Vertrauen sind unerlässlich in ei-
ner zunehmend kompetitiven Arbeitswelt.
3. Belastungsreduktion und & Beanspruchungsoptimalität:
Mithilfe einer menschengerechten Aufgaben- und Arbeits-
gestaltung erzielen Sie Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit.

*HVXQGKHLWVNXOWXU
:HUWHPDQDJHPHQW
*HVXQGH)KUXQJ
Kultur, Betriebsklima, soziale Beziehungen
Führung, Werte, Anerkennung, Vertrauen
(UK|KXQJGHV6R]LDONDSLWDOV

2 $UEHLWVJHVWDOWXQJ
$XIJDEHQJHVWDOWXQJ
2UJDQLVDWLRQVJHVWDOWXQJ
%HODVWXQJVUHGXNWLRQ
%HDQVSUXFKXQJVRSWLPDOLWlW
Ergonomische Defizite, Zeitdruck, Aufgaben-
komplexität, Rollenambiguitäten, Über- und
Unterforderung, organisatorischer Wandel

(PSRZHUPHQW
6HOEVWZLUNVDPNHLW
6HQVLELOLVLHUXQJ

} Abbildung 19: Unsere Ansatzpunkte eines modernen BGM

 Zusammenfassung zu den Trends im BGM


x Millennium der Gesundheit: Inhaltliche Meilensteine sind
bekannt, aber die praktische Umsetzung hat an Fahrt verlo-
ren. Typisches Beispiel: Leitlinienpolitik und Deklamation von
Werten als Etikettenschwindel, da die Umsetzung oft fehlt.
x Erfolgsstory BGM: Ein Schereneffekt ist zwischen Best Prac-
tice und breiter Allgemeinheit feststellbar. Die Kurzatmigkeit
in Bezug auf BGM dominiert im betrieblichen Alltag.
x Chronische Zukunft: Trends müssen sich an ihrer Wirksam-
keit hinsichtlich der drohenden Chronifizierung des Krank-
heitspanoramas messen lassen. Die Arbeitswelt wird durch die
Entwicklungen und Trends im BGM 77 A 2.3
Lebensarbeitszeitverlängerung zum Kumulationspunkt. Die
Unternehmen müssen sich als Teil des Gesundheitssystems im
Sinne der sozialen Verantwortung begreifen (Managed Care).
x Schieflage Adressat: Fortschrittliche betriebliche Gesund-
heitspolitik ist ungleichmäßig in der Unternehmenswelt ver-
teilt. Profiteure sind Großunternehmen. Der Mittelstand mit
der Häufung von atypischen und prekären Arbeitsverhältnis-
sen verfügt oft nur über gedrosselte BGM-Programme.
x Paradigmenwechsel: Er wird durch die Bedeutungszunahme
der Eigenverantwortung (Anspruch an sich selbst) in Verbin-
dung mit einer professionalisierten Systemgestaltung gekenn-
zeichnet. Das Unternehmen ist die Gesundheitsbühne, der
Mitarbeiter der aktive Schauspieler. Das dramaturgische
Skript erhalten wir von einer „edukativen“ bzw. erwachse-
nendidaktisch reflektierten Gesundheitsbildung.
x Bestimmungsmomente der Trends: Die Grenzen des klassi-
schen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zeigen sich u. a. hin-
sichtlich der wachsenden Ansprüche an die Arbeit, des Demo-
grafiewandels, des erweiterten Gesundheitsverständnisses,
der Europäisierung und Deregulierung der Rechtsbasis, der
Herausforderungen durch Informatisierung und Globalisierung
sowie des sich drastisch verändernden Krankheitspanoramas.
x Trends: Trends müssen sich an den Paradigmenwechsel aus-
richten. V. a. sind hier & Demografiemanagement, Ganzheit-
lichkeit und Systematik, Nachhaltigkeit und Kontinuität, Ei-
genverantwortung und & Subsidiarität sowie & Gesundheits-
kultur und Wertemanagement zu nennen.
x Konstruktivistische Gesundheitsdidaktik: Diese Trends er-
fahren dann eine Realisationsebene in der betrieblichen Ge-
sundheitspolitik, wenn wir einen didaktischen Ansatz wählen,
der Eigenverantwortung und Systemgestaltung verknüpft. Die
Gesundheitsdidaktik erbaut die Bühne, lässt aber den Be-
troffenen Spielraum zur Verinnerlichung und aktiven Hand-
lung. Entscheidend ist, dass das System zu gesundheitsgerech-
ten Verhaltensweisen sensibilisiert und aktiviert.
x Gesundheitskompetenz: Gesundheitsgerecht verhalten kann
sich nur jemand, der kompetent ist. Also ist der Stellhebel
der Trends die & Gesundheitskompetenz. Kompetenz inte-
griert Wissens-, Verhaltens- und Einstellungskomponenten im
Sinne des Dürfens, Könnens und Wollens. Die theoretische Ba-
sis bildet die & Selbstwirksamkeit. Mithin ist Gesundheits-
kompetenz die Erwartung, sich selbstwirksam mit Gesund-
heitsproblemen erfolgreich auseinandersetzen zu können.
x Unsere Angriffspunkte: Neben Gesundheitskompetenz zählen
hier v. a. Arbeits-/Aufgabengestaltung, Gesundheitskultur und
Wertemanagement, um den Trends Leben einzuflößen.
 Check-Liste 3: Trends und Entwicklungen
2 A 78 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

2.4 Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und


betrieblicher Realität

Warum benötigen wir Gesetze und Leitlinien?

BGM ist nicht BGM ist nicht amöboid und damit hinsichtlich ihrer Realisierung
beliebig! der Beliebigkeit und des „Goodwills“ des Arbeitgebers überant-
wortet. Ein feingliedriges Skelett aus Deklarationen, Richtlinien,
Gesetzen und Verordnungen verleiht dem BGM eine feste Körper-
form (DGFP, 2004, S. 123 ff.). Bisweilen kommt sogar der Eindruck
eines Dschungels der Erlasse und Gebote auf, was durch eine flei-
ßige Novellierungstätigkeit auch nicht vereinfacht wird. Immerhin
schaut das BGM im Hinblick auf die Rechtsbasis auf eine lange
Geschichte zurück. Die grundlegende Kodifizierung erfolgte schon
im 19. Jahrhundert. Dieses Skelett ist aber allein nicht lebensfä-
hig, sondern wir benötigen Muskelmasse. Die Ausgestaltung BGM in
der Praxis wird zumeist weniger durch die gesetzlichen Grundla-
gen als vielmehr durch die Ausprägung des Anspruchs des Unter-
nehmens, seinen Auftrag der Gesundheitsförderung zu beherzigen,
2 bestimmt. Gesetze und Verordnungen beschreiben lediglich Min-
destanforderungen und stecken damit den Handlungsrahmen für
die verschiedenen Akteure ab. Für die Entwicklung eines nachhal-
tigen und ganzheitlichen BGM reicht die Erfüllung dieser Mindest-
anforderungen nicht aus. Hier benötigen wir Leitlinien, die uns
helfen, Ziele und Qualitätskriterien zu definieren.

Leitlinien als Die  Ottawa Charta der WHO (; Box 0-2, S. 8) und die  Lu-
oberste Ebene xemburger Deklaration des Europäischen Netzwerks für betriebli-
che Gesundheitsförderung von 1997 (2005 und 2007 aktualisiert)
werden dem Anspruch von Leitlinien zweifellos gerecht.

Luxemburger Deklaration
Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle gemeinsamen
Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesell-
schaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatz. Dies kann durch eine Verknüpfung folgender
Ansätze erreicht werden:
(1) Verbesserung der Arbeitsorganisation †
(2) Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung †
(3) Stärkung persönlicher Kompetenzen

Es lohnt sich nachzuschauen, welche Unternehmen bzw. Or-


ganisationen diese Deklaration schon unterschrieben haben …
http://www.luxemburger-deklaration.de/
; Box 2-13: Luxemburger Deklaration in der Fassung von 2007
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 79 A 2.4
„Move europe“ war ein zweijähriges Großprojekt (Startschuss Leitlinien-
2007) zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Europa ( EN- Kampagne
WHP = Europäisches Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförde- move europe
rung). Rund 3000 Organisationen hatten sich beteiligt. Vier Berei-
che standen im Mittelpunkt …
1. Bewegung
2. Gesunde Ernährung
3. Raucherprävention www.enwhp.org
4. Psychische Gesundheit
Die aktuelle Initiative 2012 heißt „Return to Work  Wieder ge-
sund zurück an den Arbeitsplatz“. Die Kampagne von „move euro-
pe“ und „Gesunde Mitarbeiter in gesunden Unternehmen“ von BKK
Bundesverband,  INQA, DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und
Raumfahrt), Enterprise for Health, Unternehmen für Gesundheit in
Anlehnung an die Leitlinie der Luxemburger Deklaration haben
große Unternehmen wie METRO Group, Daimler AG, E.ON Ruhrgas
AG, BASF SE, Deutsche Telekom AG, Bertelsmann AG, BMW Group,
Fraport AG unterzeichnet. Die Schieflage in Bezug auf den Adres-
saten ist jedoch nicht wegzuretuschieren. Die meisten Beteiligten
sind Großunternehmen. Die Anzahl der Klein- und Mittelunter-
nehmen nimmt sich bescheidener aus wie START Zeitarbeit NRW
GmbH, Laufer Mühle, HS  Hamburger Software GmbH & Co. KG.
Diese Schieflage gefährdet die Vision „Gesunde Mitarbeiter in
gesunden Unternehmen“, denn es fehlt die „Flächenausdehnung“.

Da es den Akteuren Schwierigkeiten bereitet, die vielsagenden Auslegbarkeit


und visionären Deklarationen auszulegen, helfen Gesetze, Nor- der Leitlinien
men, Richtlinien und Handlungsleitfäden bei der Interpretation.
Doch genau an dieser Stelle kollabiert das Rechtssystem. Befragt
man Praktiker, wird bestätigt, dass man die Deklarationen kennt.
Nahezu alle zitieren aus Teilen dieser Deklarationen, ohne die
Nuancen derselben zu differenzieren. Auch wissen die meisten,
dass das Sozialgesetzbuch und Arbeitsschutzgesetz wichtige Eck-
pfeiler der Umsetzung sind. 78 Prozent der Befragten geben aber
zu, dass sie sich bei der Auslegung auf andere sekundäre Quellen
verlassen. Noch dünner wird das Wissen, wenn es um Verordnun-
gen, Handlungsleitfäden oder spezielle Rechtsprechungen geht.
Damit kommt ein gegenläufiger Trend zum Ausdruck, der ein libe-
raleres Verständnis von BGM einfordert: Die Gesetze und Richtli-
nien sollen Mindeststandards definieren, aber die Gestaltung vor
Ort darf nicht durch Regularien erdrückt werden. Liberalisierung
trägt aber das Risiko der Aufweichung. Da das Thema Gesundheit
zu sensibel ist, halten wir ein liberaleres Verständnis für einen
gefährlichen Weg, um Gesundheit nachhaltig im Unternehmen zu
implementieren. Gesetze aber allein werden auch nicht ausrei-
chen, um einen „Mindshift“ im BGM zu erzielen!
2 A 80 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Corporate Warum? Nicht die Gesetze ermuntern den Unternehmer, in die


Health Kodex Gesundheit seiner Mitarbeiter zu investieren, sondern neben wirt-
schaftlichen Interessen (Beispiel: & Demografiemanagement) die
& soziale Verantwortung im Sinne der Unternehmensethik und der
organisationalen Integrität (Friske et al., 2005). Es ist hier nicht
zu leugnen, dass dies ein philanthropisches Menschenbild voraus-
setzt. Vielleicht erfordert dies eine Art Corporate Health Kodex in
Anlehnung an den & Corporate Governance Kodex, wobei die
Aktionäre die Mitarbeiter sind und das Thema Gesundheit heißt.
Wenn es einen Gesundheitsbericht analog zum Geschäftsbericht
gibt, sind drei Wirkungsebenen bei einer „Health Due Diligence“
zu berücksichtigen (} Abbildung 20, S. 80) (ª Kap. 5.4, S. 282).

6R]LDOH
9HUDQWZRUWXQJ

/HEHQVVWLOXQG
JHVXQGKHLWVJHUHFKWH
2 $UEHLWVJHVWDOWXQJ
Gesundheitsförderlichkeit

$UEHLWV XQG*HVXQGKHLWVVFKXW]
Belastungsreduktion und Ergonomie

} Abbildung 20: Wirkungsebenen des BGM

„Wohlbefinden und Gesundheit sollten von Unternehmen,


Verwaltungen und Dienstleistungsorganisationen zuallererst
aus sozialer Verantwortung für die Mitarbeiter geschützt und
gefördert werden.“
(Bertelsmann Stiftung & Hans-Böckler-Stiftung, 2004, S. 22)

Beispiel Arbeits- Das Arbeitsschutzgesetz, der grundlegende Eckpfeiler des BGM (


schutzgesetz und Tabelle 2-5, S. 93), bietet viel Raum für eigene Gestaltung unter
psychische Beachtung der Mindeststandards und Rahmenbedingungen. Das
Belastungen Gesetz ersetzt damit nicht Freiwilligkeit und Engagement. Dieser
Gestaltungsspielraum impliziert umgekehrt auch unscharfe Formu-
lierungen in den Gesetzestexten. Denken Sie bspw. hier an die
psychischen Belastungen bei der & Gefährdungsanalyse (Holm &
Geray, 2012) (ª Kap. 5.5, S. 301)! Gerade die Beurteilung psycho-
sozialer & Belastungen wird teilweise von den Arbeitgebern abge-
lehnt, weil es hierzu angeblich keine gesetzliche Verpflichtung
gäbe und zudem das Privatleben tangiert würde. Die seit 2011
geltende DGUV Vorschrift 2 konkretisiert hier das Thema und
schafft damit auch eine gewisse „Rechtsverbindlichkeit“. Nimmt
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 81 A 2.4
man das Arbeitsschutzgesetz in Bezug auf den ganzheitlichen
Schutz ernst (§ 5 ArbSchG), so gehören eindeutig arbeitsbedingte
psychische Belastungen zu den arbeitsbedingten Gesundheitsge-
fährdungen und sind damit bei der  Gefährdungsanalyse zu be-
rücksichtigen (Wieland, 2009).

Aufatmen  Der Gesetzgeber hat endlich reagiert.


Psychische Gesundheit wird in der Arbeitswelt ernst genom-
men. Mit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes Oktober
2013 werden psychosoziale Belastungen als Risikofaktoren bei
der Arbeit explizit aufgeführt (ArbSchG § 5 Abs.3 Nr.6). Die
gemeinsame Erklärung zur Psychischen Gesundheit in der Ar-
beitswelt (BMAS, 2013) zeigt, dass sich die unterschiedlichen
Anspruchsgruppen einig sind, dass das Thema „psychische
Gesundheit“ eine Anwaltschaft aus regulatorischer Sicht er-
fordert (Rechtsrahmen bei Treier, 2015b, S. 13 ff.).

Stehen hierfür praktikable Instrumente zur Erfassung zur Verfü-


gung? Psychische Belastungen sind in Unternehmen valide und
reliabel erfassbar (Resch, 2003; Treier, 2015b, S. 41 ff.). Gerade
die Forschung rund um psychologische Arbeitsanalyseverfahren
stellt hier praktische Instrumente zur Verfügung (Dunckel, 1999).
Geeignete und teilweise kostenlose Methoden finden Sie in der
 Tool-Box der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi-
zin (ª Kap. 5.5, S. 301 & Kap. 5.6, S. 314).

Klarheit und Kundenorientierung


Trotz des Dschungeleffektes der Erlasse und Gebote sehen
viele Akteure, dass durch den Katalysator Europäisierung
mehr Klarheit und Kundenorientierung im Bereich BGM ent-
steht. Das Arbeitsschutzgesetz stellt unmissverständlich klar,
wohin die Reise geht. Analog zur arbeitsmedizinischen Ver-
ordnung werden wir zwischen Pflicht-, Angebot- und Wunsch-
maßnahmen differenzieren (Wahl-Wachendorf, 2009). Der
Pflichtanteil wird aber den geringsten Part ausmachen.
Pflichtmaßnahmen müssen z. B. erfolgen, wenn der Arbeits-
platzgrenzwert nach der Gefahrstoffverordnung nicht einge-
halten wird (Asbest, Benzol usw.). Angebotsmaßnahmen sind
vom Arbeitgeber anzubieten, aber der Arbeitnehmer ent-
scheidet selbst, ob er sie wahrnehmen möchte (Beispiel Bild-
schirmarbeitsplatzuntersuchung). Gesetze und Regularien
müssen aber stets auf die Leitlinien der Deklarationen ausge-
richtet sein. Sie dürfen kein Eigenleben entwickeln und sich
nicht von ihren Ursprüngen abwenden.
; Box 2-14: Klarheit durch rechtlichen Rahmen
2 A 82 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Ausflug zu den Lassen Sie uns einen kleinen Ausflug zu den Mysterien der Geset-
Mysterien der ze und Regularien wagen! Das Gute ist, Sie benötigen hierzu keine
Regularien Literatur, denn das Wichtigste finden Sie im Netz. Alle Gesetze
liegen dort in „Reintext“ vor. Behutsam sollten Sie aber mit den
Auslegungen sein, denn sie weichen je nach Verfasser bisweilen
von der eigentlichen Zielvorstellung ab. Neben der vom Bundes-
ministerium der Justiz verwalteten Online-Rechtsdatenbank emp-
fehlen wir Ihnen nach heutigem Stand weitere Websites zu den
Rechtsgrundlagen und Leitlinien von BGM:
www.gesetze-im-
internet.de  Ergo-online Æ Reiter Rechtsgrundlagen
 Infoline Gesundheitsförderung Æ Reiter Rechtsgrundlagen
 Präventionsrecht online

Das duale System


Die gesetzlichen Grundlagen und das Zusammenwirken der
Akteure sind im Arbeitsschutzgesetz und Sozialgesetzbuch VII
festgeschrieben. Dabei stützt sich der Arbeits- und Gesund-
heitsschutz auf:
2
(a) Staatliche Arbeitsschutzaufsicht der Länder: Ämter für
Arbeitsschutz oder Gewerbeaufsichtsämter mit dem Auf-
trag, branchenübergreifend die betriebliche Umsetzung
staatlicher Rechtsvorschriften zu kontrollieren.
(b) Unfallversicherungsträger: Berufsgenossenschaften und
Unfallkassen mit dem hoheitlichen Auftrag, branchenori-
entiert die allgemeinen Regelungen zu operationalisie-
ren, deren Befolgung zu überwachen bzw. dabei zu bera-
ten. Sie sind ermächtigt, Unfallverhütungsvorschriften als
autonome Rechtsvorschriften und ggf. konkretisierende
Durchführungsanweisungen zu erlassen.

Gemäß § 21 ArbSchG und § 20 SGB VII sollen die beiden Säu-


len des dualen Arbeitsschutzsystems bei der Überwachung
der Betriebe eng zusammenarbeiten. Einige Informationen
zum Verhältnis zwischen Berufsgenossenschaften und Staat
finden Sie in der  Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz-
strategie (GDA). Hiermit verbindet sich eine jahrelange Dis-
kussion, ob das BG-Modell überhaupt noch mit EU-Recht ver-
einbar ist. Mithilfe der GDA und ähnlicher Kooperationsfor-
men ist inzwischen aber dieser Streit konstruktiv geklärt.
; Box 2-15: Gesetzliche Grundlagen und das duale System

Aufbau des In Anlehnung an den KAN-Brief 1/12 (Kommission Arbeitsschutz


Kooperations- und Normung, Autor: Marcus Hussing, S. 6) lassen sich einige Zu-
modells ständigkeiten im Hinblick auf das Vorschriften- und Regelwerk der
Unfallversicherungsträger verdeutlichen.
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 83 A 2.4
x Unfallverhütungsvorschriften: Verbindliche autonome Rechts-
normen gemäß § 15 SGB VII Æ nur dort einzusetzen, wo keine
staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (Vorfahrtsregel des Staa-
tes) existieren.
x Regeln: Hilfestellungen, wo kein Bedarf an staatlichen Rege-
lungen vorliegt. Es handelt sich hier um Empfehlungen, die
nicht rechtsverbindlich sind.
x Branchenregeln: Sie bilden ein tätigkeits-, arbeitsplatz- oder
arbeitsverfahrensbezogenes Gesamtkompendium. Sie kombi-
nieren staatliche Regeln mit branchenspezifischen Inhalten.
x Informationen: branchenspezifische Hilfestellungen Æ sie
werden nicht nach einem formalisierten Verfahren erarbeitet,
sondern werden individuell von den UV-Trägern publiziert.
x Grundsätze: Vereinheitlichung der Prüfmaßstäbe, also letzt-
endlich die „Überwachungsleitlinien der Berufsgenossenschaf-
ten“. Sie sind verbindlich für die Unfallversicherungsträger.

Leider reicht es aber für den Praktiker nicht aus, sich nur auf die- Spannbreite der
se beiden Eckpfeiler zu berufen. Die } Abbildung 21 (ª S. 86) Regularien
illustriert die Spannbreite von der Leitlinie bis zu konkreten Ge-
staltungsvorschriften, um den Gefahrenquellen in der Arbeitswelt
bzw. im Arbeitsprozess zu begegnen. Man könnte hier von einem
Meteoritenschwarm an Risiken sprechen. Die Spannbreite korre-
liert mithin mit der Inhaltsbreite folgender Gefährdungsbereiche:
x Arbeitsabläufe: Arbeitsverfahren und Kommunikation
x Arbeitsinhalt: Arbeitsaufgabe, Über- und Unterforderung
x Arbeitskontext: Zusammenwirken von Mensch, Technik und
Organisation sowie die sozialen Beziehungen
x Arbeitsmittel: Maschinen, Geräte, Informations- und Kommu-
nikationstechnologie etc.
x Arbeitsplatz: Mobiliar und Fläche
x Arbeitsstätte: Verkehrswege, Beleuchtung, Sicherheit
x Arbeitsstoffe: Lösungsmittel etc.
x Arbeitsumgebung: physikalische, chemische, biologische und
psychische Einwirkung wie Lärm, Klima, Gefahrstoffe
x Arbeitszeit: Nachtarbeit, Flexibilisierung, Schichtzeiten

Hinweis: Werfen Sie hier auch einen Blick in das Kapitel 3.2
(ª S. 117)! Dort wird aufgezeigt, welche Risikofaktoren im Be-
triebsalltag zu bestimmen sind.
2 A 84 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Noch unzu- Die aufgezählten Gefährdungsbereiche im Gesetz sind nicht ab-


reichend erfasst: schließend, v. a. wird der Bereich der psychosozialen & Belastun-
Psychosoziale gen noch unzureichend erfasst, obwohl diese aus Sicht der Krank-
Belastungen heitsstatistiken eindeutig im Vormarsch sind und vielleicht sogar
künftig die Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) des Bewegungsap-
parates von der Nr.1 der Hitliste verdrängen werden. Depressio-
nen sind derzeit schon der vierthäufigste Grund für Berufsunfähig-
keit. An dieser Stelle greifen neue Verordnungen die Lücke auf.
Bspw. berücksichtigt die seit dem 1.1.2011 geltende DGUV Vor-
schrift 2 das Thema psychische Fehlbelastungen.

„In den letzten fünf Jahren hat sich der Krankenstand in der
Diagnosegruppe ´Psychische und Verhaltensstörungen´ mehr
als verdoppelt und nimmt somit  nach den Muskel-Skelett-
Erkrankungen  Platz 2 auf der Rangliste der wichtigsten
Krankheiten ein.“ (Wieland, 2009, S. 5)

Angriffspunkt: Demnach muss im Sinne des Leitbilds des Arbeitsschutzgesetzes


Arbeitsinhalte
2 ein umfassendes Verständnis von Gesundheitsschutz greifen. Aus
arbeitspsychologischer Sicht gilt es v. a. die Arbeitsinhalte zu
gestalten, denn diese wirken nachhaltig und & evidenzbasiert auf
die Gesundheit der Mitarbeiter (Ulich, 2011). Die DIN EN ISO 9241
und 10075 enthalten Hinweise für gut gestaltete Arbeitsaufgaben.
Sie fordern die Vermeidung von Über- und Unterforderung, sozia-
ler Isolation, & Monotonie und Zeitdruck (ª Kap. 3.2, S. 117). Die
Klassiker sind Stress und & Burnout im Arbeitsleben. Der beste
Ansatzpunkt, damit diese nicht entstehen, ist die Gestaltung der
Aufgabe, d. h. der Arbeitsanforderungen und der Organisation,
d. h. der sozialen Beziehungen (Richter & Hacker, 1998).

Wissenschaftliche Erkenntnisse
Das umfassende Verständnis von Gesundheitsschutz verlangt
eine wissenschaftliche Fundierung, um nicht Gefahr zu lau-
fen, das Thema zu ideologisieren und zu bagatellisieren. In
der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung vom 16. Juni 2014 wird deutlich, dass es noch vie-
le offene Fragen auf dem Gebiet „Präventive Maßnahmen für
die sichere und gesunde Arbeit von morgen“ gibt. So soll
bspw. das Forschungsprojekt „Psychische Gesundheit in der
Arbeitswelt“ eine wissenschaftliche Standortbestimmung er-
möglichen (F 2353 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin) (Projektlaufzeit von 2014 bis etwa 2016).
; Box 2-16: Wissenschaft als Basis
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 85 A 2.4
Wie kommen wir von der Leitlinie
zur Gestaltungsvorschrift?

Um Ihnen den Weg von der Leitlinie zur konkreten Gestaltungsvor-


schrift zu illustrieren, sind sieben Marksteine zu beachten:
(1) Ausgangsbasis (2) Die Legitimation (3) Die Richtschnur
(4) Die Direktiven (5) Die Gebote (6) Die Umsetzungen
(7) Umsetzungsstreit und was kommt dann?

UNSERE AUSGANGSBASIS! Hier sind die  WHO-Definition, die Zu den Leitlinien


 Ottawa Charta und die  Luxemburger Deklaration zu nennen
(; Box 0-1, S. 6; ; Box 0-2, S. 8; ; Box 2-13, S. 78). Zu ergänzen
ist noch die  Bangkok Charta, die den Globalisierungsaspekt
stärker berücksichtigt. Die meisten unternehmensspezifischen
Leitlinien zur Gesundheit werden vor dem Hintergrund der
 Ottawa Charta von 1986 formuliert. Für die Richtlinien steht Wir benötigen
v. a. die  Luxemburger Deklaration Patin. Viele Institutionen des Qualitätskriterien!
öffentlichen und privaten Sozial- und Wirtschaftslebens bekennen
sich zu diesen Grundsätzen. Da aber das Bekenntnis nicht aus-
reicht, von der Idee zur Tat zu gelangen, empfiehlt es sich, aus
diesen Maximen Qualitätskriterien abzuleiten (BKK, 1999). Diese
eignen sich zur Überprüfung der Maßnahmen in Bezug auf eine
hochwertige und erfolgreiche BGF (ª Kap. 5, S. 215). Sie bezie-
hen sich auf sechs Bereiche:

1. BGF und Unternehmenspolitik


2. Personalwesen und Arbeitsorganisation
3. Planung der BGF
4. Soziale Verantwortung
5. Umsetzung der BGF
6. Ergebnisse der BGF

Wer sich in das Thema Standardisierung des BGM aus Sicht


des Qualitätsmanagements umfassend aus wissenschaftlicher
Sicht vertiefen möchte, dem ist die frei zugängliche Disserta-
tion von Uta Walter (2007), betreut von Prof. Badura und
Prof. Greiner, sehr zu empfehlen. Die theoretische Diskussion
wird durch empirische Daten aus zwei Projekten hinterlegt. Ein Plädoyer für
Insbesondere lohnt sich ein Blick auf das Kapitel 6, denn dort Qualität durch
wird die Leitlinie BGM als Idealform bzw. Maximalstandard Standardisierung
präsentiert. Qualitätskriterien und Prüfpunkte ermöglichen
den Abgleich zwischen Ist und Soll (Walter, 2007, S. 193 ff.).
2 A 86 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

.RQNUHWH*HVWDOWXQJVULFKWOLQLHQ

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OHLWIlGHQ
5HFKWV
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&KDUWDXQG'HNODUDWLRQHQ 9HURUGQXQJHQ

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7DULIYHUWUlJH

.RQNUHWH*HVWDOWXQJVULFKWOLQLHQ

} Abbildung 21: Von der Leitlinie zur Gestaltungsvorschrift


2
Arbeitswissen- DIE LEGITIMATION! Die gesicherten arbeitswissenschaftlichen
schaftliche Er- Erkenntnisse stellen einen vergleichbaren Schutzstandard dar wie
kenntnisse der Stand der Technik. Sie gelten für die Praxis als hinreichend
gesichert. Ihre Anwendung ist im Arbeitsschutzgesetz § 4 (3) und
im Arbeitszeitgesetz § 6 gefordert und im Betriebsverfassungsge-
setz §§ 90, 91 (analog Personalvertretungsgesetze der Länder)
erwähnt. Leider finden abgesicherte Studien relativ spät in Richt-
linien und Verordnungen angemessenen Ausdruck. Die arbeitswis-
senschaftlichen Erkenntnisse sind aber die Legitimationsbasis.
Daher möchten wir Sie auf einige Zugangswege aufmerksam ma-
chen, um diese Erkenntnisse für Ihre Praxistätigkeit zu nutzen:
x  Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Dort
gibt es eine vierbändige Reihe „Arbeitswissenschaftliche Er-
kenntnisse“. Diese Loseblattsammlung eignet sich für Prakti-
ker, an das derzeit allgemein anerkannte arbeitswissenschaft-
liche Wissen zu gelangen. Die Sammelbände sind im Wirt-
schaftsverlag NW erschienen. Offene Punkte liegen v. a. zu
Spezialbereichen wie „Neue Arbeits- und Organisationsfor-
men“ vor (Kastner et al., 2001a).
x Klassiker von Luczak (1998) als fundierte Quelle [eine aktuali-
sierte Fassung finden Sie unter Schlick et al. (2010)].
x Zeitschrift „Angewandte Arbeitswissenschaft“ des  Instituts
für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.
x Zeitschrift für Arbeitswissenschaften als Organ der  Gesell-
schaft für Arbeitswissenschaft e. V.
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 87 A 2.4
x  International Labour Office (ILO): Empfehlenswert ist die
„Encyclopaedia of Occupational Health and Safety“, die Sie
auf der Website der ILO in der Rubrik SafeWork Bookshelf ein-
sehen können (Stellman, 1998).

DIE RICHTSCHNUR! Das deutsche Arbeitsschutzrecht basiert Zu den EU-


überwiegend auf europäischen und internationalen Rechtsvorga- Richtlinien
ben ( Tabelle 2-5, S. 93). Das Schlüsselkonzept der Gemein-
schaftsstrategie ist die Entwicklung und Umsetzung kohärenter
nationaler Strategien in den Mitgliedsstaaten der EU. Der EG-
Vertrag verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Verbesserung des
Arbeitsumfeldes, um die Sicherheit und die Gesundheit der Ar-
beitnehmer zu schützen. Ausgangspunkt ist der Artikel 137 des
EWG-Vertrages. Seit dem Vertrag von Nizza 2001, der nach Ratifi-
zierung 2003 in Kraft getreten ist, stellt dieser die Grundlage für
die Verbesserung der Arbeitsumgebung mit dem erklärten Ziel des
Schutzes der Gesundheit der Arbeitnehmer und der Arbeitssicher-
heit dar. Der Artikel 137 verdeutlicht, dass es dabei der Europäi-
schen Union (EU) nicht nur um reine Unfallverhütung geht: Es geht
um Harmonisierung und Fortschritt. Man möchte das Gesamt-
niveau des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gemäß der Gemein-
schaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von
1989 steigern. Dazu erlässt die EU Mindestvorschriften z. B. in
Gestalt der  Europäischen CE-Richtlinien, die durch die nationa-
le Gesetzgebung nicht unterschritten werden dürfen. Sie können
aber zum Glück überschritten werden, jedoch dürfen diese natio-
nal höheren Anforderungen wiederum nicht den freien Handel
gefährden. Die wichtigste Richtlinie ist die 89/391/EWG des Rates
von 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung
der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei
der Arbeit. Sie ist als Europäische Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz
bekannt. Sie orientiert sich an nationalen Gesetzen und v. a. am
Abkommen Nr. 155 „Übereinkommen über Arbeitsschutz und Ar-
beitsumwelt“ der  Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
Hintergrund ist dabei der Gesundheitsbegriff der  World Health
Organization (WHO) (; Box 0-1, S. 6). Von ihr aus sind 19 Toch-
terrichtlinien erlassen worden, z. B. die Richtlinie 89/654/EWG
„Anforderungen an Arbeitsstätten“ oder die Richtlinie
90/270/EWG „Arbeit an Bildschirmgeräten“. Der im Dezember
2009 in Kraft getretene Lissabon-Vertrag berücksichtigt v. a. den
Faktor der Bewahrung der Handlungsfähigkeit (d. h. institutionelle
Reformen betreffend). Entscheidend ist aber auch die Stärkung
der Grundrechte im Sinne eines sozialen Europas. Der Druck auf
Europa im Sinne der Internationalisierung nimmt ständig zu und
verlangt eine erneute Reichweitenerhöhung des Arbeits- und Ge-
sundheitsschutzes. Die  ILO nahm bspw. im Jahr 2006 ihren
„Promotional Framework for Occupational Safety and Health“ auf.
2 A 88 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Die  WHO verabschiedete einen „Global Action Plan on Worker´s


Health“ für den Zeitraum von 2008 bis 2017.

Wir möchten Ihnen folgende Websites zum Thema Europäisierung


des Arbeits- und Gesundheitsschutzes empfehlen …
 Web-Server der Europäischen Union
 European Agency for Safety and Health at Work
 Zugang zum EU-Recht
 Europäisches Netzwerk der BGF (ENWHP)

Europäisierung
Europäisierung klingt gut. Sie fordert Fortschritt und Harmo-
nisierung (Keller, 2001). Der Gesamtschutz soll europaweit
auf Basis hoher Standards durchgesetzt werden. Allerdings
gibt es Risiken: Die EU-Richtlinien geben Mindeststandards
vor, was möglicherweise Schlupflöcher und Grauzonen er-
laubt. Zudem wird der sehr hohe Standard des deutschen du-
2 alen Arbeitsschutzsystems implizit infrage gestellt (; Box
2-15, S. 82). Problematisch ist auch, dass die Mitbestimmung
durch Europäische Betriebsräte, also die europäische Koordi-
nation von Tarifpolitik und Mitbestimmung noch unzu-
reichend auf europäischer Unternehmensebene abgebildet
ist. Erfreulich ist hingegen, dass der EU-Sozialstandard im
Gegensatz zu einigen nationalen Vorschriften nicht nur tech-
nische, physikalische, chemische, sondern auch soziale und
psychische Aspekte der Arbeit ausdrücklich erfasst.
; Box 2-17: Europäisierung als Chance und Risiko

Viele Verordnungen und Gesetze in Deutschland wie das Ar-


beitsschutzgesetz oder die Arbeitsstättenverordnung sind
letzten Endes Ergebnisse von EU-Richtlinien. Diese EU-
Richtlinien stellen die Spitze einer vollständig umstrukturier-
ten Arbeits- und Gesundheitsschutzgesetzgebung und deren
Verordnungen bis zu den Konkretisierungen dar. Um noch den
Überblick zu wahren, erfordert es „konzertierte Aktionen“
der Beteiligten wie bspw. die gemeinsame Deutsche Arbeits-
schutzstrategie (GDA) von Bund, Ländern und Unfallversi-
cherträgern. Das  Internetportal GDA bietet im Download-
Bereich relevante Leitlinien, so bspw. die „Leitlinie zur Bera-
tung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeits-
platz“ oder die „Leitlinie zur Gefährdungsbeurteilung und
Dokumentation“.
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 89 A 2.4
DIE DIREKTIVEN! Werden Normen nicht berücksichtigt, wider- Zu den Normen
spricht dies der Grundpflicht des Arbeitgebers zur ständigen Ver-
besserung des Schutzniveaus. Normen gelten als Handlungsauffor-
derung für die Wirtschaft und alle Bereiche der Gesellschaft.
Normen tragen den Charakter von Empfehlungen, werden jedoch
faktisch von Gerichten als direktive Maßstäbe anerkannt und er-
langen dadurch rechtliche Bedeutung. Die Koordination der Nor-
mung für den Arbeitsschutz erfolgt im DIN (Deutsches Institut für Berücksichtigung
Normung) oder beim VDI/VDE (Verein Deutscher Ingenieure und ist eine Grund-
pflicht des Arbeit-
Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik). gebers!
Wichtig ist hier, auch den Beitrag der  Kommission für Arbeits-
schutz und Normung (KAN) zu erwähnen. Dort sind Sozialpartner,
der Staat und gesetzliche Unfallversicherung sowie die DIN (Deut-
sches Institut für Normung e. V.) vertreten. Die KAN ist aber
selbst kein Normungsgremium! Sie nimmt aber Einfluss auf Nor-
mungsprogramme der Europäischen Kommission, indem sie Nor-
mungsbedarfe ermittelt. Hier sind v. a. die  Normungsinstituti-
onen wie z. B. das DIN auf nationaler Ebene und auf europäischer
Ebene CEN (European Committee for Standardization) und
 CENELEC (European Committee for Electrotechnical Standar-
dization) sowie auf internationaler Ebene  internationale Norm
ISO (International Organization for Standardization) und IEC (In-
ternational Electrotechnical Commission) zu nennen, die im Be-
reich der Normung eng zusammenwirken. Gemeinsam abgestimm-
te Normen sind entsprechend gekennzeichnet, wie z. B. DIN EN
ISO oder DIN EN IEC XXXX. Die folgenden Normen sind für das BGM
der Moderne besonders erwähnenswert:
x DIN EN ISO 9241: Ergonomie der Mensch-System-Interaktion
(ehemals nur auf Bürotätigkeiten bezogen). Es geht um Anfor-
derungen und Gestaltungshilfen zur menschengerechten Ge-
staltung moderner, v. a. bildschirmgestützter interaktiver Sys-
teme. Die Grundsätze der Dialoggestaltung (DIN EN ISO 9241-
110, 2008) haben sowohl in Gestaltungs- als auch Bewertungs-
prozessen in der Praxis eine zentrale Bedeutung.
x DIN EN ISO 10075: Ergonomische Grundlagen bezüglich psy-
chischer Arbeitsbelastung. Diese Norm ist gerade in Anbe-
tracht der Zunahme psychosozialer Erkrankungen von großer
Relevanz. Im Kap. 3 (ª S. 105) wird auf die Wechselwirkungen
zwischen psychischer Arbeitsbelastung, dessen Risiken und die
Relevanz der persönlichen Ressourcen eingegangen.
x DIN SPEC 91020: Es handelt sich noch nicht um eine Norm,
aber schon um konsensfähige Spezifikationen zur Standardisie-
rung des BGM (; Box 2-1, S. 39).
2 A 90 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Die KAN und das Deutsche Informationszentrum für technische


Regeln (DITR) im DIN bieten seit 2002 kostenlose Recherchemög-
lichkeiten nach arbeitsschutzrelevanten Normen in der  Daten-
bank NoRA (Normen-Recherche-Arbeitsschutz) an. Zurzeit umfasst
die Datenbank Informationen zu 13.676 Normen (02/2015). Es
lassen sich Normentwürfe einsehen, aber auch speziell Normen
mit ergonomischem Inhalt recherchieren.

Zur Nationalen DIE GEBOTE! Mit der Verabschiedung des neuen Arbeitsschutzge-
Gesetzgebung setzes stellen wir einen generellen Wandel in der deutschen Ge-
setzgebung rund um Arbeitsgesundheitsschutz fest. Das traditio-
nell ordnungsrechtlich geprägte Leitbild der Gefahrabwendung
bzw. des Expositionsschutzes wird um ein präventionsorientiertes
Leitbild ergänzt. Diese dringend erforderliche Neuausrichtung
zielt dabei nicht nur auf die Verhütung von Arbeitsunfällen oder
Berufskrankheiten ab, sondern bindet ausdrücklich auch nieder-
schwellige Belastungen und Gefährdungen mit ein, die sich erst
nach langer Frist negativ auf die Gesundheit der Betroffenen aus-
wirken. Hierzu zählen bspw. psychosoziale & Belastungen. Damit
2 wird auch das Verständnis von Gesundheit bei der Arbeit erwei-
tert. Neben der körperlichen Unversehrtheit werden arbeitsbe-
dingte gesundheitsrelevante psychische Faktoren berücksichtigt.
Flankierend zeichnet sich ein Trend zur umfassenden Integration
des BGM in die betrieblichen Aufbau- und Ablaufstrukturen ab. So
gut sich dieser Gesamttrend anhört, gibt es dennoch einen Wer-
mutstropfen: Der Präventionsgedanke als neues Leitbild ist noch
nicht in den Köpfen der Verantwortlichen ausreichend verankert
und in der Gesetzgebung noch vergleichsweise verschwommen und
zu wenig handlungsorientiert abgebildet.

Zu den Konkreti- DIE UMSETZUNGEN! Verordnungen, Handlungsleitfäden, Informa-


sierungen tionen und Vorschriften fassen die unterschiedlichen Konkretisie-
rungsebenen der nationalen Gesetzgebung zusammen. Am be-
kanntesten sind die berufsgenossenschaftlichen Informationen
(BGI), Regeln (BGR) und Unfallverhütungsvorschriften (BGV), die
noch durch die Grundsätze (BGG) abgerundet werden.
x Vorschriften: Es handelt sich um Vorschriften nach § 15 SGB
VII, die verpflichtend sind.
x Regeln: Sie konkretisieren oder erläutern staatliche Arbeits-
schutz- bzw. Unfallverhütungsvorschriften.
x Informationen: Sie enthalten Hinweise und Empfehlungen zur
Erleichterung der Anwendung von Regelungen.
x Grundsätze: Sie stellen Maßstäbe in bestimmten Verfahrens-
weisen dar (Beispiel: Durchführung).
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 91 A 2.4
Berufsgenossenschaftliche Vorschriften tragen durch ihre Verbrei-
tung im Sinne der Prävention dazu bei, dass spezifische und bran-
chenübergreifende Anforderungen aus Gesetzen, Verordnungen
und technischen Regeln praxisnah gebündelt und konkretisiert
sowie den Unternehmen bekannt gemacht werden.

Die  Datenbank BGVR erfasst das gesamte berufsgenossenschaft-


liche Vorschriften- und Regelwerk (BGV, BGR, BGI und BGG). Über
die Website der  Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
haben Sie ebenfalls Zugriff auf die Datenbank nebst weiteren
praktischen Datenbanken (Bilddaten-, Gefahrstoffdatenbank etc.).
Anhand von zwei Beispielen möchten wir Sie mit der Arbeit mit Suche mit der
einer solchen Datenbank vertraut machen. Gehen Sie bitte auf die Datenbank
 Datenbank BGVR. Dort finden Sie ein Suchfeld. Geben Sie dort
BGI 650 ein! Wenn Sie auf „Suchen“ drücken, erhalten Sie Infor-
mationen zum Portal und zur Bibliothek. Die entsprechenden In-
formationen und PDF-Dateien finden Sie im Reiter Bibliothek.
Zwei Beispiele verdeutlichen, wie diese Konkretisierungsebene
aussieht. Die } Abbildung 22 nach der Verwaltungs-
Berufsgenossenschaft illustriert den Weg von der Rahmenrichtlinie
bis zur Information am Beispiel der BGI 650 (VBG, 2007, S. 6).
1. BGI 650: Bildschirm- und Büroarbeitsplätze  Leitfaden für
die Gestaltung (Fachinformation der Verwaltungs-
Berufsgenossenschaft). Der Leitfaden enthält arbeitswissen-
schaftlich gesicherten Informationen zur Bildschirmarbeit. Er
verweist auf entsprechende Normen und technische Spezifika-
tionen und ist für Praktiker gut geeignet.
2. BGV A1 (aktuell als DGUV Vorschrift 1): Unfallverhütungsvor-
schrift  Grundsätze der Prävention. Vorschriften haben
Rechtscharakter. Die BGV A1 ist die wichtigste Vorschrift für
BGM, denn sie bildet die Grundlage zur Anwendung des staat-
lichen Arbeitsschutzrechtes.

DER STREIT UM DIE UMSETZUNG! Der Staat und die Unfallversi- Tarifverträge
cherungsträger üben hinsichtlich des Arbeitsgesundheitsschutzes und Betriebsver-
hoheitliche Tätigkeiten aus. Die Ausgestaltung kann aber auch einbarungen
durch die Tarifpartner als autonomes Recht für bestimmte Bran-
chen abgebildet sein. Die Diskussion um den Gesundheitstarifver-
trag, den die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes (ver.di
und GEW) im Kita-Streik (Forderung nach mehr Gesundheitsschutz
für Erzieher und Sozialarbeiter) teilweise durchgesetzt haben,
zeigt, dass es bei Tarifverhandlungen nicht mehr nur um das Geld
geht, sondern auch um Themen wie Gesundheit. Dies bedeutet
eine neue Dynamik im Bereich BGM, denn die betriebliche Ge-
sundheitsförderung gewinnt zunehmend Streitpotenzial!
2 A 92 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

2 } Abbildung 22: Von der Gesetzgebung zum Leitfaden

Wir brauchen Regularien!


Wir benötigen Gesetze oder Regularien, wenn wir eine trag-
fähige Anwaltschaft für Gesundheit in unseren Unternehmen
gewährleisten wollen. Diese Regularien dürfen aber kein Ei-
genleben entwickeln und müssen daher konsistent auf den
Grundrechten und auf Solidarität basieren. Wir benötigen ei-
ne nachhaltige Gesundheitspolitik in den Betrieben, was un-
seres Erachtens nur durch Regularien sichergestellt werden
kann. Dringender Bedarf besteht noch bei der Regulierung im
Kontext Globalisierung und Diversity. Ansonsten ist die natio-
nale Gesetzgebung mit dem dualen System als verlässlicher
Partner und Anwalt für BGM wertzuschätzen. Die deutsche
Arbeitsschutzstrategie wird auf der Website der  Gemein-
samen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) illustriert.
; Box 2-18: Anwaltschaft für Gesundheit

Kommentierte Die  Tabelle 2-5 bietet Ihnen eine kommentierte Übersicht zu


Übersicht Gesetzen in Deutschland zum Thema Arbeitsgesundheitsschutz
(erweitert um die psychische Gesundheit), wobei man zwischen
öffentlichem (staatlichem und unfallversicherungsrechtlichem
Arbeitsschutzrecht) und privatem Recht (kollektivem und indivi-
duellem Arbeitsschutzrecht) unterscheidet (Pieper, 2009). Wer
sich für weitere Details in Bezug auf die Aktualisierungen interes-
siert, sollte stets einen Blick auf das  Bundesgesetzblatt werfen.
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 93 A 2.4
 Tabelle 2-5: Übersicht zum Rechtsrahmen

Rechtsgrundlagen Kommentierung
Das AGG ist der Nachfolger des Beschäftigtenschutzgesetzes
(BschutzG). Ziel ist es, jegliche Benachteiligungen aus Gründen der
Allgemeines Gleich- Rasse bzw. ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder
behandlungsgesetz Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identi-
AGG von 2006 tät zu verhindern oder ggf. zu beseitigen. Hier geht es keineswegs
(aktualisiert 2013) nur um arbeitsrechtliche Fragestellungen, sondern auch indirekt um
das Thema Gesundheit bspw. im Zusammenhang mit der al-
ter(n)sgerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen.
Es ist das entscheidende Gesetz über die Durchführung von Maß-
nahmen des Arbeitsgesundheitsschutzes zur Verbesserung der
Sicherheit und der Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit.
Damit zielt das Gesetz auf alle Gefährdungen in der Arbeitswelt, die
zu Personenschäden führen können. Das ArbSchG setzt die europäi-
sche Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz 89/391/EWG ins deutsche Recht
um. Es verpflichtet den Arbeitgeber, Gesundheitsgefahren am Ar-
Arbeitsschutzgesetz beitsplatz zu ermitteln und abzubauen. Dabei sind explizit körper-
ArbSchG von 1996 liche und psychische Belastungen zu berücksichtigen.
(aktualisiert 2013)
Die wichtigsten Paragrafen:
x § 2 Begriff der menschengerechten Gestaltung der Arbeit
x § 3 Grundpflichten des Arbeitgebers wie die Einbindung des
Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen
x § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen (psychische Belastungen
werden ausdrücklich berücksichtigt)
x § 6 Dokumentation
Es handelt sich um das zentrale Gesetz, das den Arbeitgeber vor-
schreibt, eine qualifizierte Unterstützung beim Arbeitsschutz und
bei der Unfallverhütung durch die Bestellung von Betriebsärzten,
Sicherheitsingenieuren und anderen Fachkräften für Arbeitssicher-
heit zu gewährleisten. Das Gesetz wurde bereits 1973 verabschiedet
und mit Inkrafttreten des ArbSchG geändert. Neben der Bestellung
regelt es auch die Pflicht zur Gründung eines Koordinationsgremiums
des innerbetrieblichen Arbeitsschutzes (Arbeitsschutzausschuss).
Damit bestimmt dieses Gesetz die grundsätzlichen Strukturen der
Arbeitssicherheits- Organisation eines wirksamen betrieblichen Arbeitsgesundheits-
gesetz schutzes, indem es die Akteure, ihre Aufgaben und ihre Zusammen-
ASiG von 1973 arbeit festlegt.
(aktualisiert 2013)
Die wichtigsten Paragrafen:
x §§ 2,3 Bestellung Betriebsarzt und Aufgaben
x § 8 Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat

Hinweis: Zum ASiG ist eine reformierte Unfallverhütungsvorschrift


der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung seit dem 1. Januar
2011 in Kraft getreten  die DGUV Vorschrift 2. Sie standardisiert
das Vorgehen bei der Umsetzung des ASiG und erweitert die Mitspra-
cherechte bei der Ausgestaltung des Arbeitsschutzes.
2 A 94 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Rechtsgrundlagen Kommentierung
Diese Verordnung dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz
der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstät-
ten. Schlechte Arbeitsbedingungen können die Gesundheit der Be-
schäftigten beeinträchtigen und negative psychische Beanspruchun-
gen hervorrufen. Störender Lärm kann bspw. Stressreaktionen auslö-
sen. Dabei werden sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und
Hygiene-Regeln für die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstät-
ten, auch Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz, berücksichtigt. Kon-
Arbeitsstätten-
kret bedeutet dies, dass die Anforderungen an Arbeits-, Pausen-,
verordnung
Bereitschafts- und Sanitärräume geregelt werden. Hier befasst man
ArbStättV von 2004
sich u. a. mit der Beleuchtung, Belüftung und Raumtemperatur.
(aktualisiert 2010)
Nach der Regelungssystematik der europäischen Arbeitsstätten-
richtlinie werden Schutzziele und allgemein gehaltene Anforde-
rungen formuliert, aber keine detaillierten Vorgaben gesetzt.

Hinweis: Unterhalb dieser Arbeitsstättenverordnung entwickelt sich


ein konkreteres Vorschriftenwerk, bspw. eine Lärm- und Vibrations-
arbeitsschutzverordnung. Damit wird die abstrakte Arbeitsstätten-
verordnung durch konkrete Grenzwerte wieder präzisiert.
Dieses Gesetz regelt Arbeits-, Pausen- und Erholungszeiten zum
2 Schutz der Gesundheit und zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. So
schützt es Sonntage und staatlich anerkannte Feiertage als Tage der
Arbeitszeitgesetz
Arbeitsruhe. Augenmerk wird auf die Nachtarbeit gelegt. Es basiert
ArbZG von 1994
auf der europäischen Richtlinie 93/104/EG und bietet einen weiten
(aktualisiert 2013)
Spielraum in der Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten. Das ArbZG ist
nicht nur wichtig hinsichtlich der Flexibilisierungsmöglichkeiten,
sondern auch für den Schutz der Gesundheit wesentlich.
Sie regelt u. a. die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln
Betriebssicherheits-
im Sinne des Arbeitsschutzes. Im Unterschied zum Produktsicher-
verordnung
heitsgesetz (siehe Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) geht es
BetrSichV von 2002
hier nicht um das Produkt und seine Eigenschaften, sondern um die
(aktualisiert 2011)
Gefährdung durch die Eigenschaften des Produktes beim Einsatz.
BGI sind praxisorientierte Zusammenstellungen von Inhalten aus
den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvor-
schriften, technischen Spezifikationen und v. a. auch harmonisierten
Normen. Zudem enthalten sie Erfahrungen der berufsgenossen-
Berufsgenossenschaft- schaftlichen Präventionsarbeit. Für das Thema „Psychische Belas-
liche Informationen tungen“ sind bspw. folgende BGIs von Interesse …
BGI
x BGI 650: Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen
x BGI 609: Stress am Arbeitsplatz
x BGI 5107: Richtiger Umgang mit Stress
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 95 A 2.4

Rechtsgrundlagen Kommentierung
Das BetrVG regelt die Beteiligungsrechte von Betriebs- und Perso-
nalräten. Je nach Rechtshintergrund fallen diese unterschiedlich
aus (z. B. Bundespersonalvertretungsgesetz). Der Betriebsrat be-
sitzt Mitbestimmungsrechte bei der Regelung des Gesundheits-
schutzes und der Unfallverhütung. Als Mitglied des Arbeits-
schutzausschusses ist er an der Koordination des Arbeitsgesund-
heitsschutzes beteiligt. Typische Themenfelder sind die Überwa-
chung der Einhaltung der Regelungen des Gesundheitsschutzes, die
Betriebsverfassungs-
Mitbestimmung bei Maßnahmen der Unfallverhütung und des Ge-
gesetz
sundheitsschutzes, bei der Gestaltung der Arbeitsplätze sowie die
BetrVG von 1972
eingeschränkte Mitbestimmung bei Arbeitsleistung und Erleichte-
(aktualisiert 2013)
rung des Arbeitsablaufs sowie der Einführung neuer Arbeitsmetho-
den. Da aber das Handeln des Arbeitgebers im Bereich BGM nur
Analog sind die
teilweise aus einer rechtlichen Verpflichtung resultiert, stellt sich
Personalvertretungs-
die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmervertretung und
gesetze im öffentli-
Arbeitgeber oft als Verhandlungssache dar. Bei spezifischen Fra-
cher Sektor zu be-
gestellungen sollte man daher einen Blick auf die Rechtsprechung
trachten.
des Bundesarbeitsgerichtes werfen.

Die wichtigsten Paragrafen:


x §§ 80, 89 Überwachungs- und Informationsrechte;
v. a. § 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
x § 87 (1) Nr. 7, §§ 90, 91 Mitbestimmungs- und Beratungsrech-
te; v. a. § 91 mit Bezug auf arbeitswissenschaftliche Erkennt-
nisse zur menschengerechten Arbeitsgestaltung
Die BildscharbV befasst sich mit den Belangen von Bildschirm-
arbeitsplätzen. Sie dient der Umsetzung der europäischen Richtli-
nie 90/270/EWG. Bemerkenswert ist der ganzheitliche Ansatz,
der neben den technischen Mindestanforderungen an Bildschirmge-
räten sowie Gestaltungsrichtlinien am Arbeitsplatz und Umgebung
Bildschirmarbeits- auch die Softwareergonomie und die Arbeitsorganisation berück-
verordnung sichtigt. Denn das erklärte Ziel ist die Reduzierung von psycho-
mentalen und kognitiven Belastungen und nicht nur ausschließ-
BildscharbV von 1996 lich des Sehvermögens oder körperlicher Probleme.
(aktualisiert 2008)
Der wichtigste Paragraf:
x § 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
x Anhang: & ergonomische Grundsätze bei der Verarbeitung
von Informationen durch Menschen
Bürgerliches Ge- Das BGB als zentrale Kodifikation zeigt auch die privatrechtliche
setzbuch Relevanz für den betrieblichen Gesundheitsschutz auf.
BGB (Aktualisierun-
gen siehe Bundesge- Der wichtigste Paragraf:
setzblatt) x § 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen
Deklaration der
Die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen (Resolution
Menschenrechte
217 A (III) der Generalversammlung) legt im Artikel 23 das Recht
UN-Menschenrechts-
auf Arbeit, auf freie Berufswahl und auf gerechte und befriedi-
Charta von 1948,
gende Arbeitsbedingungen fest.
Artikel 23
2 A 96 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Rechtsgrundlagen Kommentierung
Das DGUV Regelwerk enthält neben Regeln, Informationen und
Grundsätze auch die Unfallverhütungsvorschriften ( Portal DGUV).
DGUV Dort findet man auch weitere Medien.
Vorschriften
Wichtige Vorschriften:
Deutsche Gesetzliche x DGUV Vorschrift 1 (BGV A1): Grundsätze der Prävention
Unfallversicherung x DGUV Vorschrift 2: Seit Januar 2011 bietet die DGUV Vorschrift
2 (Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit) eine ein-
heitliche und konsensbasierte Vorgabe zur Konkretisierung des
ASiG. Dort findet man auch Hinweise zur Gefährdungsanalyse.
DIN-Normen haben in der Praxis oftmals eine Art „gesetzgeberische
Qualität“  sie sind aber keine Gesetze und sind nicht rechtsverbind-
lich. Vielmehr stellen sie eine Empfehlung dar. Sie konkretisieren
europäische Richtlinien und deutsche Gesetze in Bezug auf grundle-
gende Sicherheitsanforderungen. Die Einhaltung der DIN-Normen ist
kein „Haftungsfreibrief“, stellt aber aus juristischer Sicht einen
DIN-Normen validen Nachweis ordnungsgemäßen Verhaltens dar (Einhaltung der
erforderlichen Sorgfalt). Normen sind eindeutige Festlegungen und
Zwar nicht rechtsver- entlasten Staat und Bürger von rechtlichen Detailregelungen.
bindlich, aber doch
2 mehr als nur eine Wichtige DIN-Norm in Bezug auf psychische Belastungen:
Empfehlung! Die Ergonomie-Norm DIN EN ISO 10075 erläutert die Begriffe rund um
die psychische Arbeitsbelastung und definiert neben den Gestal-
tungsgrundsätzen auch die Anforderungen an Verfahren zur Messung
psychischer Belastungen, Beanspruchungen und Folgen. Auch weite-
re Ergonomie-Normen wie DIN EN ISO 9241, die sich mit der & Ergo-
nomie interaktiver Systeme (Mensch-Computer-Schnittstellen) be-
fasst, sind hier zu berücksichtigen.
Ein diffiziles Thema ist die Frage, ob Maßnahmen der BGF als zu
Einkommenssteuer- versteuernder geldwerter Vorteil zu bewerten sind. Nach § 3 Nr.
gesetz 34 sind spezielle Maßnahmen des Arbeitgebers zur Gesundheitsförde-
EStG rung, die den Anforderungen des SGB V §§ 20/20a genügen, in Höhe
von derzeit bis zu 500 € pro Kalenderjahr steuer- und betragsfrei.
Diese Verordnung auf Basis der europäischen Gefahrstoff-Richtlinie
befasst sich mit dem Schutz vor Gefahrstoffen, also mit Gefährdun-
Gefahrstoff-
gen durch physikalisch-chemische und toxische Eigenschaften von
verordnung
Stoffen sowie durch Eigenschaften im Zusammenhang mit bestimm-
GefstoffV von 2010
ten Tätigkeiten. Typische Eigenschaften sind hoch entzündliche,
(aktualisiert 2013)
giftige, ätzende oder onkogene (krebserregende) Substanzen. Bei-
spielhaft ist hier die Arbeit mit Asbest zu nennen.
Diesem Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherpro-
dukte kommt auch eine umfassende Bedeutung für den Arbeits-
schutz zu. Das GPSG ist zwischenzeitlich durch das Produktsicher-
Geräte- und Produkt-
heitsgesetz (ProSG) vom 1. 12. 2011 ersetzt worden. Eine Neuerung
sicherheitsgesetz
ist, dass zwischen Verbrauchsprodukten und technischen Arbeitsmit-
GPSG von 2004
teln nicht mehr unterschieden wird. Dieser Wechsel bewirkt aus
ProSG von 2011
Sicht des AGS keine großen Änderungen, da der neue Produktbegriff
technische Arbeitsmittel uneingeschränkt mit erfasst. In diesem
Kontext lohnt sich auch ein Blick auf die Maschinenverordnung.
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 97 A 2.4

Rechtsgrundlagen Kommentierung
Grundgesetz Die Legitimation für Gesundheitsschutz steht schon im Grundge-
GG von 1949 setz verankert; denn dort ist im Artikel 2 das Grundrecht auf
(aktualisiert 2014) Leben und körperlicher Unversehrtheit festgeschrieben.
Zum Arbeitsschutz gehört auch das Verbot, Kinder und Jugendliche
für unangemessene Arbeiten zu beschäftigen. Überforderungen
und Schädigungen wirken sich insbesondere auf diese heranwach-
sende Zielgruppe negativ aus. Das JarbSchG und die Kinderarbeits-
Jugendarbeits-
schutzverordnung (KindArbSchV) (BMAS, 2009) schaffen die rechtli-
schutzgesetz
chen Voraussetzungen, um Kinder und Jugendliche vor Überbean-
JarbSchG von 1976
spruchung und weiteren Gefahren am Arbeitsplatz zu schützen.
(aktualisiert 2013)
Themenfelder sind u. a. Arbeitszeit (40 Stunden, 5-Tage-Woche,
Beginn frühestens um 6 Uhr, Ende spätestens um 20 Uhr), Pausen-
gestaltung, Urlaubsanspruch, Schichtzeit, gesundheitliche Betreu-
ung, keine gefährdenden Arbeiten, verbotene Akkordarbeitszeit.
Die Leitlinie der  GDA erklärt, was eine & Gefährdungsbeurtei-
lung leisten muss. Sie gilt auch für die Erweiterung in Bezug auf
psychische Belastungen. Die Gefährdungsbeurteilung dient primär
der Prävention. Dabei schränkt sie sich nicht nur auf die Analyse
Leitlinie Gefähr-
ein, sondern beachtet auch Gestaltung und Wirksamkeitskontrolle.
dungsbeurteilung
Es geht dabei ausschließlich um die Arbeitsbedingungen, nicht um
und Dokumentation
die Beurteilung von Beschäftigten. Die Vorgehensweise sollte sich
stets an den aktuellen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen
ausrichten, wobei bisweilen unklar ist, was gesicherte arbeitswis-
senschaftliche Erkenntnisse sind.
Das Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter enthält mit dem
Mutterschutzgesetz § 2 Vorschriften zur Gestaltung des Arbeitsplatzes, die aus Sicht
MuSchG von 1952 der BGF von Bedeutung sind. Ergänzt wird das MuSchG durch die
(aktualisiert 2012) Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArV).
Dort ist der § 1 “Beurteilung der Arbeitsbedingungen” relevant.
Das Präventionsgesetz wurde Dezember 2014 vom Bundeskabinett
genehmigt und muss nun die Hürde des Bundesrates überwinden.
Unter der Annahme, dass es zur Beschlussfassung kommt, könnte
Präventionsgesetz
es Anfang 2016 in Kraft treten. Es stärkt allgemein die Bedeutung
PrävG
der Gesundheitsvorsorge und im Besonderen zielt das Gesetz auch
auf ein besseres Zusammenwirken zwischen BGF und Arbeits-
Status offen
schutz, um die betriebliche Präventionsarbeit zu stärken. Kritisiert
(Stand 03/15)
wird, dass damit ein bürokratischer Überbau mit nationalen Prä-
ventionsstrategien, Konferenzen und Foren sowie landes- und
bundesweiten Rahmenvereinbarungen entsteht.
Neben dem Arbeitsschutzgesetz stellt das SGB die wichtigste
rechtliche Grundlage für den Arbeitsgesundheitsschutz dar. V. a.
bietet es für die Finanzierung von BGM-Maßnahmen eine hervor-
ragende Grundlage. Es besteht aus zwölf Teilen. Für das BGM inte-
 Sozialgesetzbuch ressieren v. a. die Bücher V (Gesetzliche Krankenversicherung), VI
SGB
(Gesetzliche Rentenversicherung), VII (Gesetzliche Unfallversiche-
rung) und IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen).
Das SGB fordert die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen
und Berufsgenossenschaften auf dem Gebiet BGF/BGM ein.
2 A 98 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

Wichtige Paragrafen:
x SGB V, § 20 Auseinandersetzung mit der BGF, Primärprävention und
Selbsthilfe durch die gesetzlichen Krankenkassen
x SGB VII, § 1 Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen,
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten durch die gesetzliche Unfallver-
sicherung
x SGB VII, § 14 Zusammenarbeit zwischen Unfallversicherung und Kran-
kenkassen, Ursachenforschung
x SGB VI, § 31 Mitwirkung der Rentenversicherungsträger bei BGF &
Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen
x SGB IX, § 84 Rehabilitation/Teilhabe behinderter Menschen Æ be-
deutsam für das & Disability Management

Recherchieren Sie selbst und nutzen Sie aktiv die Überzeugungs-


waffe Gesetze im weiteren Sinne: www.gesetze-im-internet.de

 Zusammenfassung zu den Rechtsgrundlagen des BGM


x Keine Beliebigkeit: Mindestanforderungen müssen gestellt
werden, damit das BGM nicht wankelmütig nach Belieben ge-
2 staltet und umgesetzt wird (Handlungssicherheit).
x Deklarationen: Sie sind anerkannt und bilden die Grundlage
für die zu erarbeitenden Qualitätskriterien. Am wichtigsten ist
hier die  Luxemburger Deklaration.
x Auslegbarkeit: Wir dürfen bei den Deklarationen als Leitlinien
nicht stehen bleiben, denn die Interpretation erlaubt zu viele
Schlupflöcher. Eine Liberalisierung korrespondiert zwar mit
unserem Deregulierungsanspruch, aber bietet in der Praxis zu
viele Möglichkeiten, indirekt die Leitlinien auszuhebeln. Dem-
gegenüber besteht bei zu starker Regulierung die Gefahr des
Kollabierens des Arbeitsschutzrechtssystems. Das duale deut-
sche System hat sich seit langer Zeit bewährt.
x & Soziale Verantwortung: Fortschrittliche betriebliche Ge-
sundheitspolitik ist nicht nur auf die Erfüllung der Mindestan-
forderungen einzuschränken, sondern verlangt weiteres Enga-
gement und Fortschritt im kontinuierlichen Bemühen um den
Menschen in der Arbeitswelt. Letztlich ist BGM ein Auftrag aus
der sozialen Verantwortung, der allein durch Rechtsbestim-
mungen nicht hinreichend festgelegt werden kann.
x Europäisierung: Die europäischen Initiativen greifen das brei-
te Gesundheitsverständnis der  WHO-Definition auf und be-
mühen sich um eine europaweite Umsetzungsstrategie für alle
Arbeitnehmer. Dabei spielen aber nicht nur inhaltliche Fakto-
ren eine Rolle, sondern auch wirtschaftliche. Dies kann zur
Verwässerung im Arbeitsgesundheitsschutz führen. So kann
u. a. durch die Europäisierung das duale System Deutschlands
mit dem Zweifachschutz „Staatlicher Arbeitsschutz † Unfall-
versicherungsträger“ infrage gestellt werden.
Im Spannungsfeld zwischen Gesetz und betrieblicher Realität 99 A 2.4
x Gefährliche Flanken: Die Trends betonen, dass psychosoziale
Belastungen signifikant zunehmen. Die Gesetzgebung hat die-
sen Trend zwar mit dem neuen Arbeitsschutzgesetz erkannt,
aber in den Konkretisierungen noch unzureichend abgebildet.
x Leitlinien: Alle Regularien müssen sich an der WHO-
Definition, an der Ottawa Charta und an der Luxemburger De-
klaration messen lassen. Sie stellen die Qualitätskriterien für
eine weitere Konkretisierung dar (Spezifikationen).
x Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse: Sie legitimieren die
Leitlinien. So wie die technologischen Standards sind auch die
wissenschaftlichen Erkenntnisse Schutzstandards. Sie sollten
und dürfen nicht unterschritten oder missachtet werden. Ein
gewisses Problem bezieht sich auf die Zugänglichkeit und auf
die Aktualisierungsrate, denn viele neue Erkenntnisse finden
zu spät Berücksichtigung im Gesetzwerk und damit in der Pra-
xis. Hier sollte man stärker analog zur Medizin eine & evi-
denzbasierte Denkweise forcieren. Wenn genügend wissen-
schaftliche Nachweise existieren, müssen diese Erkenntnisse
zeitnah im Gesetzeswerk abgebildet werden. Ein ähnlicher
Trend zur schnelleren Umsetzung findet sich auch bei der
Normung, wo die DIN SPEC konsensfähige Spezifikationen ent-
halten, obwohl noch keine Norm vorliegt.
x EU-Richtlinien: Ausgang für die Europäisierung ist der Artikel
137 EWG Vertrag und die Gemeinschaftscharta der sozialen
Grundrechte der Arbeitnehmer. Das Schlüsselkonzept fordert
kohärente nationale Strategien im Arbeits- und Gesundheits-
schutz in den Mitgliedsstaaten. Die europäische Rahmenricht-
linie Arbeitsschutz 89/391/EWG setzt einen hohen Anspruch
mit gleichzeitiger Öffnung für nationale Wege zur Gestaltung.
x Normen: Durch Hinzuziehung der Fachleute aus unterschiedli-
chen Interessenbereichen, z. B. Sozialpartner oder Wissen-
schaft, werden über die Normungsinstitutionen in Arbeitsaus-
schüssen der anerkannte Stand der Technik ermittelt und in
Normen formuliert und allgemein verbreitet. Sie tragen den
Charakter von Empfehlungen, sind aber in der Rechtspraxis oft
von verbindlicher Natur. Damit handelt es sich um direktive
Maßstäbe. Wichtig ist bspw. die DIN EN ISO 10075, denn diese
befasst sich ausdrücklich auch mit den psychischen Arbeitsbe-
lastungen und erweitert damit die klassische Sicht.
x Nationale Gesetzgebung: Die europäische Rahmenrichtlinie
Arbeitsschutz mündet in das Arbeitsschutzgesetz. Das traditi-
onelle ordnungsorientierte Leitbild der Gefahrenabwendung
wird durch ein präventionsorientiertes Leitbild ergänzt.
x Konkretisierung: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften, In-
formationen, Regeln und Grundsätze konkretisieren die relativ
unspezifische und branchenübergreifende nationale Gesetzge-
bung. Durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen werden
2 A 100 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

weitere Konkretisierungen erzielt. So sind bspw. der Gesund-


heitstarifvertrag oder der Demografiefond Meilensteine für ei-
ne moderne betriebliche Gesundheitspolitik, die eine bislang
unbekannte neue Dynamik im Bereich BGM auslösen Æ BGM
als Streitthema der Sozialpartner?
x Anwaltschaft für Gesundheit: Letztlich können wir Beliebig-
keit im sensiblen Bereich BGM oder allgemein eine Beliebig-
keit des Arbeitsgesundheitsschutzes nicht gestatten. Wir be-
nötigen eine starke Stütze, um der Kurzatmigkeit wirtschaftli-
cher Interessen die Notwendigkeit einer nachhaltigen Gesund-
heitspolitik in Betrieben entgegenzusetzen. Aber diese An-
waltschaft darf nicht überbürokratisiert zu einem Eigenleben
führen und jegliches Engagement und jede Innovation im Be-
reich BGM erdrücken. Hier sind v. a. auch kleine und mittel-
ständische Betriebe und deren Möglichkeiten zu beachten.
Letztlich handelt es sich um eine Gratwanderung, die auch die
Diskussion in den weiteren Kapiteln prägt.
 Check-Liste 4: Rechtsgrundlagen

2 2.5 BGM im Dialog: „Wohin geht die Reise?“

Die ersten Kapitel haben Ihnen Antworten auf die Frage „Wo ste-
hen wir und wohin geht der Weg?“ gegeben. Auf diese Frage gibt
es natürlich unterschiedliche Antworten, wobei sich ein
Mainstream zunehmend herauskristallisiert. Wir möchten Sie ab-
schließend mit der Meinung eines im Bereich BGM und Arbeitsge-
sundheitsschutzes ausgewiesenen Experten sowohl aus Praxis- als
auch Wissenschaftssicht vertraut machen.

Univ. Prof. em. Dr. med. Claus Piekarski


Prof. Piekarski ist ein anerkannter Arbeits- und Sozialmediziner,
der nicht nur in der Wissenschaft an der Universität Köln (dort bis
zu seiner Emeritierung Leiter des Instituts und der Poliklinik für
Arbeits- und Sozialmedizin am Klinikum der Universität zu Köln)
hervorragend platziert ist, sondern auch lange Zeit als leitender
Betriebsarzt und Leiter des Instituts für Arbeitswissenschaften bei
der RAG Aktiengesellschaft gearbeitet hat. Damit verbindet er
idealerweise Wissenschaft und Praxis in seiner Person. Er war
vormals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und
Umweltmedizin e. V. ( DGAUM) und ist derzeit im Ehrenrat.
Aktuell ist er Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Sani-
tätsakademie der Bundeswehr.
BGM im Dialog: „Wohin geht die Reise?“ 101 A 2.5
Das Interview fand am 18. Juni 2009 statt. Als Autoren möchten
wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung von Prof.
Dr. Piekarski bedanken.

Die } Abbildung 23 fasst die


wichtigsten Themen- und Fra-
gestellungen des Interviews
zusammen. Es handelt sich nur
um eine Auswahl der Inhalte
des sehr umfangreichen Inter-
views. Sie sind in dieser Kurz-
form dem Interviewten zur
Kontrolle vorgestellt worden.
Viele Gedanken von Prof. Dr.
Piekarski finden sich auch in
den einzelnen Kapiteln wieder.
} Abbildung 23: Themen des Interviews mit Prof. Piekarski

™Gesundheitsförderlichkeit von Arbeit: Es gilt, die Gesund-


heitsförderlichkeit von Arbeit selbst wieder neu zu entdecken.
Immer noch dominiert in den Köpfen die Konnotation Knech-
tung, wenn es die Arbeit betrifft. Arbeit hat eine Selbsthei-
lungskraft und muss als Grundrecht in den Sozialstatuten ver-
ankert werden. Diese Meinung spiegelt sich auch bei vielen
Arbeitspsychologen wider, die eine menschengerechte Aufga-
ben- und Arbeitsgestaltung als Grundprinzip der Gesundheits-
förderung bestimmen.
™Menschenbild als Basis: Ohne Menschenbilder kommen wir
definitiv nicht aus. Sie bilden quasi die Textur und erklären
den Sinn der Arbeit. Menschenbilder sind die Bezugssysteme,
um den Wert der Arbeit und der Menschen, die in den Arbeits-
prozessen wertschöpfend sind, angemessen zu würdigen. Men-
schenbilder stellen damit die Ausgangsbasis dar. Die Diskussi-
on um BGM käme einem Torso gleich, wenn wir sie ohne Bezug
zum Menschenbild führten.
™Regenschirmmentalität: Die bisherige Gesetzeswelt rund um
den Arbeitsgesundheitsschutz ist vom Leitgedanken der Expo-
sition geprägt. Die neuen präventionsorientierten Ansatzpunk-
te setzen sich noch nicht gegen die Regenschirmmentalität
durch. Auch wenn noch keine durchgreifende Veränderung
sichtbar ist und sich der Arbeitsgesundheitsschutz noch immer
reaktiv der Reparaturergonomie widmet, erkennt man in den
Rahmenrichtlinien den Willen zur Prävention. Jedoch besteht
in dieser Richtlinienmentalität eine Gefahr, die durch die Eu-
ropäisierung verstärkt wird. Bestehende Richtlinien treten au-
2 A 102 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

ßer Kraft, der Staat wird zunehmend gehandicapt und das an


sich fundierte duale System durch Unschärfen im vermitteln-
den Europarecht eventuell verwässert.
™Evaluation: Blindflug ohne ein geeignetes Funkfeuer, das zur
sicheren Navigation erforderlich ist, ist dem passionierten
Flieger Prof. Piekarski ein Gräuel, daher ist das gesamte In-
terview ein Plädoyer für Evaluation und Kennzahlenorientie-
rung. Doch Kurzatmigkeit und korrelatives Denken herrschen
vor. Wir benötigen wissenschaftlich und methodisch saubere
epidemiologische Studien, die auch kausale Heuristiken erlau-
ben. Bei der Kürze der betriebswirtschaftlichen Planungszah-
len kann die Erfolgsbilanz Gesundheit nur negativ ausfallen,
denn Gesundheit braucht Zeit, um wirksam zu werden. Es gibt
viele Studien, die eindeutig den & „Return on Investment“
von Gesundheitsmaßnahmen belegen. Doch wir müssen Ge-
sundheit auch als langfristiges Engagement berücksichtigen
und sehen, welchen Gewinn dies für uns bedeutet. Zudem
müssen wir unsere Messsysteme ausweiten: Technische Syste-
me dominieren hier, aber der Mensch ist als biologisches Mess-
2 system unerlässlich (Beispiele: Biomonitoring und Gesund-
heitsverhalten). Wir können heute valide die subjektive Be-
findlichkeit erfassen und mit objektiven Kriterien verknüpfen.
™Interdisziplinäres Verständnis: Das breite Verständnis von
Gesundheit erfordert ein Zusammenwirken der unterschiedli-
chen Disziplinen der Arbeitswissenschaft, also die moderne
Phalanx für Gesundheit. Die Nabe ist der Mensch. Die Sektoren
der Radspeichen sind die Wissenschaften. Um einen Gleichlauf
zu erzielen, ist die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Ar-
beitswissenschaften erforderlich. Die } Abbildung 24 illus-
triert das Radmodell der Arbeitswissenschaften, das sich auf
weitere Gesundheitswissenschaften ausweiten lässt.

Herr Prof. Piekarski beendete das Interview mit einem Rätsel. Der
Schauspieler und Dichter Molière (1622-1673), Autor des berühm-
ten Theaterstücks „Der eingebildete Kranke“, brach in der Rolle
des eingebildeten Kranken auf der Bühne zusammen und starb
kurz danach. Eine Tragödie oder Zynismus, ein Spiel mit dem Tod
oder das Lachen über den und mit dem Tod?

Eine Frage an den Leser: Was ziehen Sie aus diesem Parade-
stück für Schlüsse hinsichtlich der Erneuerung BGM? Denken
Sie an die Kurzatmigkeit der Evaluation, an die Reparaturer-
gonomie oder an das Bild der Regenschirmmentalität! Neh-
men wir tatsächlich die europäische Richtlinie zur Prävention
ernst oder verharren wir im geduldigen Wort?
BGM im Dialog: „Wohin geht die Reise?“ 103 A 2.5

} Abbildung 24: Radmodell der Arbeitswissenschaften

Wir möchten dieses Kapitel zu den Eckpfeilern BGM mit zehn rele- 10 Basisaussagen
vanten Basisaussagen, die mit & Evidenz belegt sind, beenden …

 Empirische Evidenz des BGM in zehn Basisaussagen:


x Basisaussage 1: Immer mehr Unternehmen setzen BGF-
Maßnahmen um. Es lässt sich ein Angebotsboom konstatieren.
x Basisaussage 2: Unternehmen treten mit ihren Erfolgen im
Bereich Gesundheit an die Öffentlichkeit (Imagefaktor).
x Basisaussage 3: „Wertschöpfung durch gesunde Mitarbeiter“
hat sich vom Slogan-Charakter befreit und kristallisiert sich
zur ökonomischen Notwendigkeit heraus.
x Basisaussage 4: BGM ist oft aktionistisch geprägt, durch spo-
radische Angebote übersetzt sowie durch die Erfüllung von
Gesetzen determiniert. Damit wird das Wertschöpfungspoten-
zial Gesundheit nicht ausreichend ausgeschöpft.
x Basisaussage 5: Was fehlt, ist eine Gesundheitskultur, die als
Führungsaufgabe verstanden wird. Trotz vieler Bekenntnisse
gibt es kaum bewertbare Führungsziele zum Themenfeld Ge-
sundheit. Damit verliert BGM an Umsetzungswillen.
x Basisaussage 6: Die nachträgliche Bewältigung gesundheitli-
cher Probleme und ihrer negativen Konsequenzen stellt das
reaktive Moment dar. Es überwiegt in der Praxis.
x Basisaussage 7: Die prospektive Gestaltung gesundheitsförder-
licher Arbeit und die Befähigung der Mitarbeiter zum gesunden
Verhalten sowie präventive Maßnahmen zur Erhaltung der Be-
schäftigungsfähigkeit bilden das antizipative Moment.
2 A 104 BGM-Gerüst: Eckpfeiler der BGM

x Basisaussage 8: Nachhaltigkeit, systematische Vernetzung,


Qualitätssicherung und konsequente Verwirklichung des Prä-
ventionsgedankens beschränken sich auf vergleichsweise we-
nige und medienwirksam lancierte Best Practice Fälle.
x Basisaussage 9: & Salutogenese, das Zauberwort, hat sich
nicht vom Experten- zum Laienbegriff transformiert, denn der
Betroffene bleibt weiterhin als Statist im BGM außen vor.
x Basisaussage 10: Wir benötigen in Anbetracht virulenter Her-
ausforderungen wie Demografieverschiebung ein kennzahlen-
basiertes und systematisches BGM, um Nachhaltigkeit und Ef-
fektivitätsorientierung sowohl aus wirtschaftlicher als auch in-
haltlicher Perspektive zu erzielen.
 Check-Liste 5: Zehn Basisaussagen zum BGM

Am Ende des Kapitels 2 möchten wir Ihnen noch drei Bücher zur
vertiefenden Auseinandersetzung empfehlen:

 Tabelle 2-6: Buchempfehlungen „Eckpfeiler des BGM“

2 Quelle Thema Anmerkungen


Die Autoren dieses Buchs verfolgen einen interdisziplinären
Ansatz. So berücksichtigen sie gesundheitswissenschaftliche
und humanbiologische Erkenntnisse und betonen, dass das
Badura,
soziale System eines Unternehmens wesentlichen Einfluss auf
Walter & Gesundheits-
Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten nimmt und
Hehlmann politik
damit auf Motivation, Arbeitsleistung und Ergebnis. Das Buch
(2010)
spiegelt die Vision einer gesunden Organisation wider. Der
Sozialkapitalansatz und das Konzept der Salutogenese bilden
die theoretische Neuausrichtung moderner Gesundheitspolitik.
"This book takes the Ottawa Charter for Health Promotion
one step further."

Wer kein Englisch scheut, wird hier ein wertvolles Buch zur
Workplace
Hanson Umsetzung des wichtigsten Modells der BGF, der Salutogenese,
Health Pro-
(2007) im Unternehmen finden. Theoretisch reflektiert und dennoch
motion
ein praktischer Leitfaden erweckt das Buch sowohl bei den
Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern Interesse. Es ist schade,
dass dieses Buch aus Schweden bislang keine deutsche Über-
setzung gefunden hat. Es würde sich gewiss lohnen!
Die Autoren bieten dem Leser eine fundierte Einführung zu den
Grundkonzepten BGM. Das Gesundheitsverständnis ist saluto-
genetisch und ressourcenorientiert. Arbeits- und Aufgaben-
Ulich &
Gesundheits- gestaltung werden als & Ressourcen erkannt, um Nachhaltig-
Wülser
management keit im BGM zu erzielen. Neue Themenfelder wie Mitarbeiten-
(2015)
de mit Handicap, & Disability Management, Life Domain Ba-
lance runden das lesenswerte Werk ab. Ergebnisse von Studien
bspw. zum Präsentismus flankieren theoretische Inhalte.
3 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

KAPITEL 3 beschäftigt sich mit den arbeitsalltäglichen Risikofak-

K3
toren und den zur Verfügung stehenden Ressourcen aus der Person
und Organisation. Zuvor werden die zentralen Begriffe definiert und
abgegrenzt. Das Kapitel steht unter der Maxime, dass der nachhaltige
Erfolg im BGM nur durch eine aufeinander abgestimmte Risikoidenti-
fikation und Ressourcenförderung zu erzielen ist.
Unsere Leitfragen …
ŹKap. 3.1: Ordnung im Begriffschaos schaffen (Seite 107)
Was ist der Unterschied zwischen Belastungen und Beanspruchungen?
Welche Rolle spielen Ressourcen dabei?
Welche theoretischen Erklärungsmodelle gibt es?
Was sind die Aussagen für die betriebliche Praxis?
ŹKap. 3.2: Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen (Seite 117)
Welche vier Kategorien von Fehlbelastungen gibt es?
Welche Bedeutung haben diese für eine gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung?
ŹKap. 3.3: Präventionsressourcen sichten und ausbauen (Seite 129)
Welche Ressourcenklassen werden unterschieden und warum?
Wie lassen sich Ressourcen systematisch ausbauen?
ŹKap. 3.4: BGM im Dialog u. a. mit Dr. Jürgen Tempel (Seite 136)
Ein Fragebogen erobert die Welt.

Traditionell befasst sich BGM mit & Belastungen aus dem Arbeits- Vom korrektiven
system (vgl. Jancik, 2002). Viele Verantwortliche haben ein Defi- zum proaktiven
zitmodell vor Augen. Betrieblich bedingte Belastungen gilt es zu Denken
kompensieren. Hat man aufgrund der Stuhlergonomie Rückenprob-
leme, müssen neue Stühle angeschafft werden. Sind die Augen
nach acht Stunden Bildschirmarbeit ermüdet, muss über Maßnah-
men reflektiert werden, die den Augen eine Erholung gönnen bzw.
der Bildschirmarbeitsplatz muss gemäß Bildschirmarbeitsverord-
nung optimal gestaltet werden (Richenhagen et al., 2002). Ulich
(2011) spricht hier von korrektiven Maßnahmen, die aber alleine
nicht ausreichen, um ein erfolgsorientiertes modernes Gesund-
heitsmanagement zu implementieren. Bleibt es beim korrektiven
Vorgehen, läuft man bildlich gesprochen, den Ereignissen immer
hinterher. Möchte man & Prävention im eigentlichen Sinne be-
treiben, bedarf es einer proaktiven Vorgehensweise: Beteiligung
und Einbindung der Mitarbeiter, regelmäßige Gefährdungs-, Belas-

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
3 A 106 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

tungs- und Ressourcenanalysen sowie die Kommunikation einer


„Gesundheitsstrategie“ (Zimolong et al., 2006). Dies sind Beispie-
le für proaktive Strategien. Die Analyse entsprechender Indikato-
ren zu den Strategiefeldern erlauben eine Einschätzung der Um-
setzungsqualität (ª Kap. 5, S. 215). Die Perspektive ist also zu-
kunftsgerichtet und ergänzt damit die Defizitsuche. „Best Prac-
tices“ erweitern den Horizont um die Dinge, die schon gut laufen.

Die Maxime für erfolgreiche Gesundheitsförderung lautet:


Vorausschauend Risiken bestimmen und Ressourcen fördern!

Stellen Sie sich Ihren Arbeitsplatz vor! Welche Gestaltungsberei-


che fallen Ihnen spontan ein, die möglicherweise in das Blickfeld
BGM rücken könnten? Was funktioniert gut an Ihrem Arbeitsplatz
und wo gibt es Verbesserungspotenziale? Vergleichen Sie Ihre
Antworten mit den Kapiteln 3.2 (ª S. 117) und 3.3 (ª S. 129), in
denen es um Risikofaktoren und Ressourcen geht!

Weg von den Es kommt fast einer Sisyphosarbeit gleich, wenn alle Arbeitsbe-
Defiziten hin zu dingungen gesundheitsgerecht gestalten werden sollen (Oester-
den Ressourcen reich & Volpert, 1999). Dabei wurde die Arbeitsaufgabe mit ihren
Valenzen bzw. Qualitäten noch gar nicht reflektiert (Ulich, 2011,
3 S. 141 ff.). BGM ist mithin von Anfang an irgendwie negativ konno-
tiert, denn man denkt sogleich an arbeitsbedingte Erkrankungen
oder an Defizite in der Arbeitsgestaltung. Zudem beschränkt sich
oftmals das BGM einseitig auf die Arbeitswelt als Quelle der & Be-
lastungen und als Gestaltungsraum für Kompensationsstrategien.
Themen wie Ermüdung, Erschöpfung, Stress und & Burnout im
Arbeitsleben stehen dabei im Vordergrund (Richter & Hacker,
1998). Dieses additive Belastungs- und Beanspruchungsmodell
reicht jedoch nicht aus, um proaktiv und präventiv Gesundheit zu
fördern oder gar Gesundheit als eine Schlüsselkompetenz im Kon-
text der & Employability- (Beschäftigungsfähigkeit) und Work
Ability-Debatte (Arbeitsfähigkeit) sowie des & Demografiemana-
gements zu begreifen (Treier, 2015a). Nicht nur Risikofaktoren,
sondern auch Wohlbefinden und nicht nur das Arbeits-, sondern
auch das Familien- bzw. Freizeitsystem im Sinne von & Work-Life-
Balance gilt es gleichermaßen zu berücksichtigen. Aus der klassi-
schen Belastungs- und Beanspruchungsforschung der 1970er-Jahre
im Kontext der Humanisierung der Arbeitswelt hat sich eine res-
sourcenorientierte und proaktive Betrachtungs- und Vorgehens-
weise im BGM entwickelt. Manche sprechen hier sogar von einer
Metamorphose des betrieblichen Gesundheitsbegriffs. Die Frage
im Sinne von Antonovsky (1987) lautet nicht mehr „Was macht uns
krank?“, sondern „Was hält uns trotz der vielen Risiken gesund?“
Ordnung im Begriffschaos schaffen 107 A 3.1
Entscheidend ist hier der Paradigmenwechsel von einer pa-
tho- zur salutogenetischen Denkweise.

3.1 Ordnung im Begriffschaos schaffen

Bevor wir Antonovskys Frage beantworten können, müssen wir Unsere


zunächst den semantischen Knoten rund um den Belastungs- und Ausgangsfragen
Beanspruchungsbegriff entwirren. In Wissenschaft und Praxis wird
eine Vielzahl von unterschiedlichen Grundbegriffen rund um das
Thema „Belastung und Beanspruchung“ verwendet, die zum Teil
Sachverhalte fein differenzieren, zum Teil allerdings auch Syno-
nyme sind. Körperliche Belastung, psychische Fehlbeanspruchung,
Stress, Risikofaktoren aus der Arbeitsaufgabe und Ähnliches be-
dürfen einer aussagekräftigen Definition. Verkomplizierend kommt
hinzu, dass es viele konkurrierende Erklärungsmodelle gibt, die
mit unterschiedlichen Interpretationen der Begriffe aufwarten
(Oesterreich & Volpert, 1999). Wir sollten uns also am Anfang
folgende grundlegende Fragen stellen:
x Was bedeutet Belastung eigentlich?
x Ist Belastung etwas Negatives oder hat Belastung eventuell
auch positive Seiten?
x Stellt Belastung eine Anforderung oder eine Ressource dar?
x Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Belastung und
Beanspruchung?

Um Antworten zu finden, untersucht die Forschung Fehlbelastun-


gen aus dem privaten und beruflichen Alltag, befasst sie sich mit
persönlichen und externalen & Ressourcen und analysiert schließ-
lich die mittel-/langfristigen & Beanspruchungsfolgen. Dabei lässt
sie es nicht bewenden, sondern setzt sich zudem mit den Wech-
selwirkungen der drei Hauptfaktoren Belastungen, Ressourcen und
Beanspruchungsfolgen auseinander (Karasek & Theorell, 1990).

Herr A. ist eine aufstrebende Nachwuchsführungskraft und gleich-


zeitig junger Familienvater. Diese Doppelrolle kann zeitliche Res-
sourcenkonflikte verursachen. Zum Glück verfügt Herr A. über
eine gute psychische Konstitution, ist also belastbar (psychische
Widerstandsfähigkeit bzw. & Resilienz). Dennoch kann auf Dauer
dieser ständige Zwiespalt zwischen familialen und beruflichen
Verpflichtungen nicht durch seine persönlichen Ressourcen kom-
pensiert werden. Die Familie bietet erfreulicherweise ein umfang-
reiches soziales Netzwerk, worauf er zurückgreifen kann. Diese
Ressource ist aber zugleich auch eine Belastung, denn er fühlt sich
irgendwie verpflichtet, dem sozialen Engagement seiner Familie
eine Gegenleistung zu erbringen. Ferner ist sein Unternehmen
3 A 108 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

auch familienorientiert, sodass gewisse Unterstützungsangebote


vorliegen. Diese möchte er aber als Nachwuchsführungskraft nicht
zu offensiv bzw. ostentativ nutzen. Die externalen Ressourcen
sind wichtig, um v. a. langfristige Beanspruchungsfolgen in Form
psychischer und physischer Einschränkungen zu vermeiden.

Es stellt sich die Frage: Wo soll das BGM ansetzen, um lang-


fristige negative Beanspruchungsfolgen zu verhindern? Be-
kommen Sie immer alle privaten und beruflichen Anforderun-
gen unter einen Hut? Welche Regulationsbarrieren gibt es?

Belastungen An diesem Beispiel wird deutlich, wie schwierig die Abgrenzung


der Grundbegriffe ist. Versuchen wir es dennoch! Der Belastungs-
begriff ist schillernd und je nach Sichtweise anders besetzt. Der
Naturschützer versteht unter „Belastungen“ bspw., wenn Schad-
stoffe sich in der Umwelt niederschlagen, der Rechtsanwalt sieht
seinen Mandanten in Gefahr, wenn „belastende Beweise“ von der
Gegenseite vorgelegt werden, und der Sachbearbeiter im Kreditin-
stitut definiert jeden Zahlungseingang als „Belastung des Kontos“.
Physiker und Psychologen haben in der Praxis wenige Schnittstel-
len, wohl aber ein analoges Verständnis des Belastungsbegriffs:
Biegt man einen Ast, so ist der Biegedruck die Belastung, die auf
3 den Ast einwirkt. Setzt der Chef seinen Mitarbeiter unter Druck,
ist klar, wem die Rolle des Belastenden zukommt. Unter & Belas-
tungen werden alle Faktoren verstanden, die von außen auf den
Menschen Einfluss haben sowie psychisch und physisch auf ihn
einwirken. Sind negative Belastungen gemeint, spricht man von
Fehlbelastungen. In der Arbeitswelt sind dies vorrangig Fehlbelas-
tungen aus der Arbeitsaufgabe (z. B. quantitative und qualitative
Über- und Unterforderung), der Arbeitsumgebung (z. B. Lärm oder
Hitze), der Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitszeit- und Pausenrege-
lung, v. a. hier Schichtarbeit) und psychosoziale Fehlbelastungen
(z. B. Konflikte zwischen Chef und Mitarbeiter oder innerhalb
ganzer Abteilungen). Paridon et al. (2004) konnten in einer & Me-
taanalyse zeigen und und damit auch die Schuldfrage etwas rela-
tivieren, dass der Großteil der auf uns von außen einwirkenden
Fehlbelastungen nicht aus der Arbeit, sondern aus dem außerbe-
ruflichen Kontext stammt. So sind es v. a. Fehlbelastungen aus
dem Familienleben und der Freizeitgestaltung, die ca. 60 Prozent
der Gesamtbelastungen ausmachen. Relevant sind demnach bspw.
Fragen wie „In welcher Phase der Partnerschaft befinde ich mich
gerade (Anfang, Mitte, Ende oder Pause)?“, „Gibt es finanzielle
Belastungen (Haus, Kinder oder Auto)?“ oder „Sind nahe Angehöri-
ge schwer erkrankt?“ oder „Schafft meine Tochter den erwünsch-
ten Schulabschluss?“.
Ordnung im Begriffschaos schaffen 109 A 3.1
Der Volksmund weiß: „Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch immer Ressourcen
nicht das Gleiche.“. Und der Psychologe ergänzt: „Wenn zwei
dasselbe tun, resultieren für jeden der beiden unterschiedliche
Beanspruchungsfolgen.“ Wie sich Belastungen auf unser Beanspru-
chungserleben auswirken, hängt v. a. mit den zur Verfügung ste-
henden Ressourcen zusammen. & Ressourcen können Stress redu-
zieren und die von außen einwirkenden Fehlbelastungen teilweise
kompensieren. Udris et al. (1994) unterscheiden persönliche und
externale Ressourcen. Zu den persönlichen Ressourcen gehören
bspw. Qualifikationen, Kompetenzen und Bewältigungsstrategien
im Umgang mit Stress (ª Kap. 6.2, S. 373). & Soziale Unterstüt-
zung, gesundheitsgerechtes Führen und eine ausgeprägte & Ge-
sundheitskultur sind externale Ressourcen. Zohar (2002) konnte
zeigen, dass gerade eine unterstützende Führung maßgeblichen
Einfluss auf das Betriebsklima und die -kultur hat, die wiederum
den Garant für Nachhaltigkeit im BGM darstellen. Was Zohar spe-
ziell für den Bereich Arbeitssicherheit nachweisen konnte, wurde
im deutschsprachigen Raum auch für den Bereich der BGF bezüg-
lich der Wirkkette „Führung  Kultur  Gesundheit“ bestätigt
(Zimolong, 2001; Uhle, 2003). Auch im außerberuflichen Bereich
gibt es Ressourcen, die die Belastungen aus der Arbeit abpuffern
können, und umgekehrt. Der Mensch ist ein Wanderer zwischen
Arbeits- und Privatwelt: Defizite aus der einen kann er in der an-
deren Welt kompensieren, aber er trägt auch Belastungen aus der
einen in die andere Domäne. Es kommt einem Balancieren gleich.
Aus Sicht der Arbeitswelt beschäfigt man sich hier bspw. mit den
Auswirkungen moderner Arbeitsstrukturen auf die Lebensqualität.
Das Konzept zur Verbesserung heißt Life Domain Balance (Ulich &
Wiese, 2011). Funktioniert diese, dann erzielen wir eine bessere
Lebensqualität, und diese wiederum spiegelt sich in der Arbeits-
und Leistungsfähigkeit wider. Wer bspw. im Beruf nur wenig Aner-
kennung durch den Chef, Kollegen oder Kunden erfährt, kann sich
in der Freizeit in Vereinen engagieren oder sich über sportliche
Leistungen die fehlende Bestätigung holen. Auf der anderen Seite
kann derjenige, dessen Partnerschaft gescheitert ist, beruflich
noch einmal neu durchstarten. Wichtig ist, dass man diese Kom-
pensationsmöglichkeiten nutzt; ansonsten resultieren nach Bilan-
zierungsphasen Unzufriedenheit, Frustration und selbstwertge-
fährdende Denk- und Verhaltensmuster (Ehrenberg, 2004).

Life Domain Balance

Es geht hier um die Suche nach einem dynamischen Gleich-


gewicht. Nicht die Arbeitswelt allein kann ausreichende Res-
sourcen bieten, um allen Belastungen zu begegnen. Nicht die
Freizeit kann den Stress im Arbeitsalltag völlig kompensieren.
Neben Kompensation gibt es auch andere Formen der Über-
tragung wie Generalisation, also die schleichende Übertra-
3 A 110 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

gung von arbeitsgebundenen Verhalten und Einstellungen in


die Freizeit und umgekehrt (Art Prägung). Und es gibt viele
weitere Bereiche wie Gesundheit oder gemeinnützige Arbeit,
die einen Beitrag zur Lebensqualität leisten. Arbeit ist dabei
ein zentraler Bestandteil des Lebens. Bei der Life Domain Ba-
lance geht es analog zum Modewort & Work-Life-Balance um
Beziehungen zwischen Arbeit und Freizeit. Es reicht aber hier
nicht aus, familienfreundliche Arbeitsbedingungen anzubie-
ten oder mehr Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilisierung zu
ermöglichen, sondern Life Domain Balance fordert mehr. So
sollen gesundheits- und persönlichkeitsförderliche Impulse
gesetzt und der Anspruch erfüllt werden, dass „die berufli-
che Arbeit so gestaltet sein (sollte), dass sie es erlaubt und
dazu befähigt, soziale Verantwortung in der Gesellschaft zu
übernehmen“. (Ulich & Wiese, 2011, S. 17) Soziale Verant-
wortung kann im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem En-
gagement stehen, aber auch Kinder- und Altenbetreuung be-
deuten. Work ist also nicht nur Erwerbsarbeit, sondern neue
bedeutsame Formen von Arbeit wie Familienarbeit oder ge-
meinnützige Tätigkeiten sind hier zu beachten. Dies sind
auch keine Momentaufnahmen, sondern erfordern eine Er-
weiterung der Sicht auf die gesamte Lebensspanne. Ziel ist
dabei stets, die Lebensqualität als Erfolgsfaktor zu steigern.
3 ; Box 3-1: Life Domain Balance: Suche nach dem Gleichgewicht

Beanspruchung Der Belastungsbegriff ist neutral und nicht ausschließlich negativ


konnotiert. In Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Res-
sourcen können sie sowohl fördernde (Aktivierung, Aufwärmeffek-
te) als auch beeinträchtigende & Beanspruchungsfolgen nach sich
ziehen. Das bedeutet, dass aus der buchhalterischen Verrechnung
von & Belastungen und Ressourcen die Beanspruchungsfolgen
resultieren. Wenn die gestellten Anforderungen für die Beschäftig-
ten herausfordernd und zu bewältigen sind, werden die Beanspru-
chungsfolgen eher positiver Natur sein (z. B. Leistungsfähigkeit,
Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden und Gesundheit). Befinden
sich die Beschäftigten über mehrere Wochen oder Monate am
Limit, resultiert als mittelfristige Beanspruchungsfolge das „HB-
Männchen-Syndrom“ oder, wie Mohr et al. (2007) es nennen, eine
umfassende „Irritation“: Der Betroffene fühlt sich gereizt und
belastet und ist in der Interaktion mit anderen eher ruppig und
kurz angebunden. Hält dieser Zustand an, finden multiple Verän-
derungen im psychischen, physischen, kognitiven, emotionalen
und behavioralen Bereich statt (Boucsein, 1991), die sich in der
Massierung sogenannter „Stresserkrankungen“ wie bspw. Rücken-
beschwerden, Ermüdungssyndromen oder Magen-Darm-
Beschwerden in den Fehlzeiten niederschlagen können.
Ordnung im Begriffschaos schaffen 111 A 3.1
Allerdings gibt es keine kausal-linearen Beziehungen zwischen
Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungsfolgen: Es lässt sich
eben nicht vorhersagen, welche & Beanspruchungsfolge sich aus
gegebenen Belastungs- und Ressourcenmustern ergibt. Der empiri-
sche Wissensstand ist hier eher ernüchternd: Zwar wurden Risiko-
faktoren als Fehlbelastungen und relevante Pufferfaktoren als
Ressourcen identifiziert, die Vorhersage der eintretenden Bean-
spruchungsfolgen kommt jedoch nicht über die 30-Prozent-Hürde
(Semmer & Mohr, 2001). Mit anderen Worten: Antonovskys Frage
bleibt zu 70 Prozent unbeantwortet!

Kurz und bündig werden die relevanten Begriffe rund um Belas- Zur Entwirrung
des Begriffs-
tung, Beanspruchung und Ressourcen aus Sicht der Gefährdungs-
knotens
beurteilung psychischer Belastungen bei Treier (2015b, S. 8 ff.)
definiert und voneinander abgrenzt (ª Kap. 5.5, S. 301). In der 
Tabelle 3-1 finden Sie eine Übersicht zu den Grundbegriffen.

 Tabelle 3-1: Grundbegriffe

Grundbegriff Bedeutung
Ein Sammelsurium aller Einflüsse, die von Personen
zu bewältigen sind. Dieser Begriff ist wertneutral.
Anforderungen Anforderungen können sowohl über- als auch un-
terfordernd sein (Passung zu den Kompetenzen).
Sie können der Tätigkeit Sinn verleihen.
Beanspruchung ist die unmittelbare Auswirkung der
(psychischen) Belastung im Individuum in Abhän-
gigkeit von seinen aktuellen Voraussetzungen und
Beanspruchungen seinen individuellen Bewältigungsstrategien. Der
Begriff wird wertfrei verwandt. Eine negative Be-
anspruchung ist bspw. die Ermüdung, eine positive
Beanspruchung ist die Aktivierung/Anregung.
Während Beanspruchungen unmittelbare Auswir-
kungen der Belastungen darstellen, beziehen sich
Beanspruchungsfolgen auf mittel- und langfristige
Auswirkungen auf der psychischen (kognitiven und
Beanspruchungs-
emotionalen), physischen und Verhaltensebene. Es
folgen
werden positive und negative Beanspruchungsfol-
gen differenziert. Diese lassen sich in Bezug auf
Kosten und Nutzen mit dem Ziel der Beanspru-
chungsoptimalität bilanzieren.
Unter Belastung versteht man die Gesamtheit aller
erfassbaren und von Außen auf den Menschen ein-
Belastungen
wirkenden Einflüsse. Der Begriff wird wertfrei
verwandt. Er ist beschreib- bzw. messbar.
Damit ist die negative Konnotation des Belastungs-
Fehlbelastungen begriffs gemeint. Synonym werden auch die Begrif-
fe „Stressor“ und „Risikofaktoren“ verwendet.
3 A 112 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Grundbegriff Bedeutung
Unter dem Ressourcenbegriff werden persönliche,
soziale und organisationale Faktoren subsumiert.
Diese sind in der Lage, bei Nichtüberschreitung
Ressourcen
einer Intensitäts- und Dauergrenze die von außen
einwirkenden Fehlbelastungen abzupuffern. Damit
haben sie einen gesundheitsförderlichen Einfluss.
Normalerweise wird Stress als ein negativer, emo-
tional gefärbter Zustand erlebt (Bedrohung, Angst).
Disstress entsteht, wenn eine Person glaubt, die
Anforderungen nicht bewältigen zu können. Befind-
Stress lichkeitsstörungen, Angst, Herz-Kreislaufprobleme
und sinkende Leistung können die Folge sein.
Eustress stellt demgegenüber ein positives Erre-
gungspotenzial dar und geht bspw. mit erhöhter
Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit einher.
Dieser Begriff wird synonym verwendet, um Belas-
tungen anzuzeigen, die von der betroffenen Person
entsprechende (psychische) Anpassungsreaktionen
Stressoren
erfordern. Stressoren sind wie Belastungen eigent-
lich wertneutral. Meistens wird der Begriff aber für
negative Belastungen verwendet.

Modelle und Mit diesen Basisinformationen kann das axiomatische Gerüst der
3 Theorien theoretischen Modelle zu & Belastungen, Beanspruchungen und
Ressourcen in wenigen Kernaussagen skizziert werden. Die meis-
ten Modelle stammen aus dem arbeitspsychologischen Diskurs
(Ulich & Wülser, 2015; Bamberg et al., 2012, S. 120 ff.). Der Zu-
sammenhang zwischen den Modellen wird durch die } Abbildung
25 (S. 115) illustriert. Die Vertiefung einiger dieser theoretischen
Ansätze erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. Viele dieser Modelle
sind kompatibel und fokussieren besondere Aspekte im erläuter-
ten Begriffsfeld.
x Konzept der Anforderung und Belastung (Oesterreich & Vol-
pert, 1999): Anforderungen und Belastungen haben unter-
schiedliche Wirkungen. Belastungen gilt es zu verringern und
Anforderungen zu erhöhen. Der Fokus der Betrachtung ist auf
die Tätigkeit und nicht auf die Person ausgerichtet.
x Das Demand/Control-Modell (Karasek, 1979): Prinzipiell han-
delt es sich um ein ähnliches Modell wie das Konzept der An-
forderung und Belastung. Es interessiert sich v. a. für das Kon-
strukt des Entscheidungsspielraums in der Arbeit. Das De-
mand/Control-Modell erlaubt gleichzeitig hohe Anforderungen
und Belastungen bei den sogenannten "active jobs", wo der
Entscheidungsspielraum hoch ist und bleibt.
x Das arbeitswissenschaftliche Belastungs- bzw. Beanspru-
chungs-Modell (Schmidtke, 1993): Dieses Modell baut auf die
Ordnung im Begriffschaos schaffen 113 A 3.1
klassischen physischen Belastungen und Beanspruchungen auf.
Das Modell fordert die Reduzierung von zu hohen Belastungen.
Unklar bleibt, ob nicht eine Erhöhung der Belastungen bei so-
genannter Unterbelastung auch einen gesundheitsförderlichen
Effekt nach sich ziehen kann. Auch das erweiterte Belastungs-
und Beanspruchungsmodell nach Rohmert und Rutenfranz, das
die Handlungskompetenz und die psychophysiologische Resis-
tenz berücksichtigt, kann den Objektcharakter nicht aufhe-
ben. Der arbeitende Mensch wird als Objekt und nicht als Sub-
jekt und Träger des Arbeitsprozesses verstanden.
x Das arbeitspsychologische Modell (Ulich, 2011): Dieses Modell
ist eine konsequente Übersetzung des arbeitswissenschaftli-
chen Konzepts auf die inhaltlichen Gestaltungsparameter der
Arbeitsaufgabe. Das Konstrukt des Handlungsspielraums steht
im Vordergrund der Betrachtung. Der Anspruch der Gesund-
heits- und Persönlichkeitsförderlichkeit lässt sich durch Auf-
gabengestaltung verwirklichen. Ferner werden die psychosozi-
alen Wirkfaktoren der Arbeit berücksichtigt.
x Das Konzept der vollständigen Tätigkeit (Hacker, 2005): Im
Gegensatz zu den bisherigen Modellen verzichtet das Konzept
der vollständigen Tätigkeit auf einen gesonderten Begriff der
psychischen Belastung. Gesundheitsrisiken liegen dann vor,
wenn unvollständige Tätigkeiten ausgeführt werden. Es han-
delt sich also um Tätigkeiten mit zu geringen Anforderungen.
Vollständig ist eine Tätigkeit, wenn sie aus hierarchischer
Sicht Anforderungen auf verschiedenen Ebenen der Tätigkeits-
regulation und aus sequenzieller Sicht neben Ausführungs-
auch Vorbereitungs-, Organisations- und Kontrollfunktionen
beinhaltet. Dies lässt sich im Rahmen einer erweiterten Ge-
fährdungsanalyse mit standardisierten Verfahren überprüfen.
x Das Konzept des psychischen Stresses (Greif et al., 1991): Hier
differenziert man zwischen psychischen Belastungen als Stres-
soren und Anforderungen. Ziel ist die Verringerung der Stres-
soren. Die Anforderungen werden als Puffervariablen verstan-
den, denn sie können die gesundheitsschädliche Wirkung der
psychischen Belastungen abschwächen. Als typische Pufferva-
riablen im Sinne von Ressourcen kommen der Entscheidungs-
spielraum und die & soziale Unterstützung zur Geltung. Sie
verhindern langfristige negative Gesundheitsfolgen.
x Das psychologische Regulations- und Ressourcenmodell (Wie-
land, 1999): Hier verabschiedet man sich von der Blackbox
zwischen Belastungen und Beanspruchungen und interessiert
sich für die Handlungs- und Selbstregulation. Bewältigung ist
erst dann erfolgreich, wenn die Person imstande ist, ihre
Handlungen so zu steuern, "dass nach außen gerichtete, auf
die Aufgaben bezogene und nach innen gerichtete, auf die Ei-
3 A 114 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

genbefindlichkeit bezogene Aktivitäten, den jeweils aktuellen


Erfordernissen einer gegebenen Person-Aufgaben-
Konstellation angepasst sind" (Wieland-Eckelmann, 1992, S.
80). In diesem Modell differenziert man zwischen mentalen
(aus der Arbeitsaufgabe resultierenden), emotionalen (Bewäl-
tigungsstile) und motivationalen Anforderungen (Herausforde-
rungen) sowie strukturellen (Wissen, intellektuelle Fähigkei-
ten), energetischen (Unterstützung intentionalen Verhaltens)
und palliativen Ressourcen (Emotionsregulierung).

Führen Sie sich Ihre Arbeitstätigkeit vor Augen und überlegen


Sie, wann Sie das letzte Mal so richtig unter Stress geraten
sind. Wie sah diese Situation genau aus? Wer war beteiligt,
und wie erging es Ihnen dabei? Jetzt schauen Sie sich noch
einmal die eben genannten Modelle und Konzepte an: Wel-
ches Modell erklärt Ihre persönliche Stresssituation am bes-
ten? Was sind Ihre Fehlbelastungen, Ressourcen und Bean-
spruchungsfolgen? Und welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Die Grundbegriffe
In Anlehnung an Wieland-Eckelmann (1992, S. 27f.) versteht
man unter Belastung einen relationalen Begriff, „der seine
3 Bedeutung erst dadurch erhält, dass die (objektiven) & Be-
lastungen oder Anforderungen  Arbeitsaufgaben und Ar-
beitsmittel, organisatorische und Verfahrensvorschriften,
raumzeitliche und physikalische Umgebungsbedingungen  ins
Verhältnis zu den individuellen Leistungsvoraussetzungen 
physischen, leistungsbezogenen, motivationalen und emotio-
nalen  gesetzt werden.“ Gemäß Richter und Hacker (1998,
S. 34) handelt es sich also um eine Anforderungs-Ressourcen-
Relation. Damit wird der Ambivalenzcharakter der Belastung
und Beanspruchung deutlich (Treier, 2001). Beanspruchung
ist also das, was meistens als Erstes auffällt.
; Box 3-2: Zusammenfassung zu den Grundbegriffen

Doppelrolle der Die Beanspruchung hat ein Janusgesicht, sie hat in der Arbeitswelt
Beanspruchung sowohl positive als auch negative Konsequenzen. Die } Abbildung
25 zeigt, dass Beanspruchungen sowohl unter Nutzen- als auch
unter Kostengesichtspunkten betrachtet werden können. Damit
wird deutlich, dass die Maßnahmen des BGM auf beide Seiten aus-
zurichten sind. Der Nutzen muss gesteigert werden, gleichzeitig
sind aber auch die Kosten zu reduzieren.
Ordnung im Begriffschaos schaffen 115 A 3.1

8QPLWWHOEDU
8QPLWWHOEDU
$NWLYLHUXQJXQG$QUHJXQJ =:(,52//(1'(5
(UOHEHQYRQ)UXVWUDWLRQ
+HUVWHOOXQJHLQHV %($16358&+81*
%HODVWHWKHLWXQG*HUHL]WKHLW
$UEHLWVSURGXNWVRGHU
QHJDWLYH$XVGUXFNVZHLVHQ
(UEULQJHQHLQHU
LP9HUKDOWHQ
'LHQVWOHLVWXQJ
0LWWHOEDU
0LWWHOEDU
(QWVWHKHQYRQSK\VLVFKHQ
(UKDOWXQG(UZHUESV\FKR
SV\FKLVFKHQXQG
PHQWDOHU.RPSHWHQ]HQ
SV\FKRVRPDWLVFKHQ
VRZLH$XIUHFKWHUKDOWXQJ
%HVFKZHUGHQ
XQG6WHLJHUXQJGHU
$UEHLWVPRWLYDWLRQ 1XW]HQ .RVWHQ

187=(1$63(.7('(5 .267(1$63(.7('(5
%($16358&+81* %($16358&+81*

} Abbildung 25: Doppelrolle der Beanspruchung

Geht man von einem relationalen Konzept aus, scheint sich der Der Bezugspunkt
Unterschied zwischen Anforderungen und Belastungen zu relati- ist wichtig!
vieren bzw. zu verflüchtigen. Hier besteht jedoch die Gefahr, dass
es zur Verwechslung der Belastungen als positive Anforderungen
oder als negative Stressoren kommt und sich dadurch verfehlte
Maßnahmen im BGM einschleichen. Ist der Stuhl tatsächlich der
Schuldige, wenn es um Rückenschmerzen geht? Möglicherweise
fehlen der betreffenden Person das Wissen und vielleicht auch die
Motivation, richtig zu sitzen (Stichwort: aktives Sitzen). Oder an-
dere Einflussfaktoren außerhalb der Arbeitswelt wie das Bett zu
Hause oder die Probleme in der Partnerschaft wirken sich auf die
Befindlichkeit des Rückens aus. Da können Sie den besten ergo-
nomischen Stuhl konstruieren und auch das notwendige Wissen in
Bezug auf das dynamische Sitzen vermitteln, dennoch ändert sich
an den Rückenschmerzen vergleichsweise wenig. Was aufgrund
der unterschiedlichen Wirkrichtungen der Einflussfaktoren von
Nöten ist, ist ein Bezugssystem. Dieses Bezugssystem hilft bei der
Beantwortung der Frage, ob es sich bei den identifizierten Fakto-
ren um sogenannte unabhängige oder abhängige Variablen han-
delt. Ein HNO-Arzt, der den Einfluss von Hormonen auf die Anato-
mie des menschlichen Ohrs untersucht, könnte bspw. fragen:
„Tragen Männer häufiger als Frauen ein Hörgerät?“ Dann wäre das
Merkmal Hörgerät die abhängige und das Geschlecht die unabhän-
gige Variable. Durch die Brille eines Geschäfts für Hörgeräte be-
trachtet, das überlegt, im Verkaufsraum eher Frauenzeitschriften
oder Männermagazine auszulegen, kann die Frage anders ausse-
hen: „Sind Hörgerätenutzer häufiger Frauen oder Männer? Unter
dieser Voraussetzung ist das Geschlecht die abhängige und das
Merkmal Hörgerätenutzer die unabhängige Variable.
x Unabhängige Variablen: In den Stimuluskonzepten werden
Stressoren als Situationen interpretiert, die Stress erzeugen.
Dabei kann der Stress positiv wie negativ wirken (Eu- oder Dy-
Stress). Diese Konzepte erklären allerdings nicht, warum ver-
3 A 116 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

schiedene Personen unterschiedlich auf dieselben äußeren


Bedingungen reagieren. Die Life-Event-Forschung ist der pro-
minenteste Vertreter dieser Denkweise (Filipp, 1995).
x Abhängige Variablen: Vielleicht ergibt es aufgrund der inter-
individuellen Variabilität in Bezug auf die Reaktionen auf Be-
dingungen Sinn, BGF und BGM stärker auf abhängige Variablen
auszurichten. In den Reaktionskonzepten wird Stress im weite-
ren Sinne als abhängige Variable verstanden, die über das
Verhalten des Organismus bestimmt wird. Der prominenteste
Vertreter dieser Sichtweise ist Seyle (1983). Das bekannteste
Konstrukt ist das allgemeine Adaptationssyndrom. Problema-
tisch ist, dass die unterschiedlichen Meßebenen relativ gering
miteinander korrelieren. Damit stellt sich die Frage nach der
Wahl des angemessenen Kriteriums.
x Transaktionale Perspektive: Dieser Ansatz arbeitet die "Inkon-
gruenz zwischen den Anforderungen der Umwelt und den Ka-
pazitäten des Individuums" (Udris & Frese, 1999) als belasten-
des Moment heraus. Es geht also um die Passung zwischen In-
dividuum und Umwelt. Namhafte Vertreter dieser Sichtweise
kommen aus zwei amerikanischen Schulen: die Michigan-
Gruppe mit den Person-Environment-Fit-Modellen um French
et al. (1974) und die Berkeley-Gruppe als Begründer des
& transaktionalen Stressmodells um Lazarus (2001).
3
Die Begriffsdiskussion macht deutlich, dass Gesundheit eine
regulatorische Größe darstellt. Es geht um eine zu entwi-
ckelnde Handlungsfähigkeit. Generell sind Belastungen nicht
negativ, sondern sind in Bezug auf die Ressourcen im weite-
ren Sinne zu relativieren.

Regulatorischer Gemeinsam ist diesen Konzepten, dass & Beanspruchungsfolgen


Ansatz dann auftreten, wenn zielbezogenes Handeln durch Zusatzregula-
tion, Regulationsunsicherheit oder Zielunsicherheit erschwert
wird. Bei der Bestimmung der Risikofaktoren darf der regulatori-
sche Ansatz nicht außer Acht gelassen werden. Er stellt den An-
satzpunkt moderner Gesundheitsförderung dar, der sich nicht auf
die Messung und Gestaltung objektiver Belastungsmomente wie
Lärm beschränkt, sondern Gesundheitsförderung als eine ressour-
cenabhängige, psychisch-regulatorische Aktivität begreift.
Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 117 A 3.2

3.2 Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen

Die } Abbildung 26 illustriert unser Grundmodell. In diesem Kapi- Das Grundmodell


tel befassen wir uns mit den Risikofaktoren aus der Arbeitswelt.
Wir begegnen diesen kritischen Belastungen durch entsprechende
persönliche und externale & Ressourcen (ª Kap 3.3, S. 129). Die
Wechselwirkung zwischen & Belastungen und Ressourcen drückt
sich in den & Beanspruchungsfolgen aus, womit wir uns im Kap. 4
(ª S. 147) befassen werden.
,QGHU3HUVRQ
.DS
‡ 3HUV|QOLFKNHLWVHLJHQVFKDIWHQ
‡ :HUWYRUVWHOOXQJHQ
‡ .RPSHWHQ]HQ

3HUV|QOLFKH
5HVVRXUFHQ

5LVLNRIDNWRUHQ %HDQ )ROJHQ


%HODVWXQJHQ
.DS VSUXFKXQJHQ .DS
‡ $UEHLWVDXIJDEH ‡ 3V\FKH
‡ $UEHLWVRUJDQLVDWLRQ ‡ .|USHU
‡ $UEHLWVXPJHEXQJ ‡ :LVVHQ
‡ 3V\FKRVR]LDOH%HODVWXQJHQ ‡ 0RWLYDWLRQ
([WHUQDOH
‡ 9HUKDOWHQ
5HVVRXUFHQ

‡ *HVXQGKHLWVNXOWXU
‡ *HVXQGH)KUXQJ
‡ 6R]LDOH8QWHUVWW]XQJ
‡ %HWULHEOLFKH*HVXQGKHLWVI|UGHUXQJ

.DS
,QGHU6LWXDWLRQ

} Abbildung 26: Grundmodell  von den Belastungen zu den Folgen

Unter Termindruck stehen, schnelle Entscheidungen treffen müs- Attribution und


sen, stark privat und beruflich ausgelastet sein, Arbeit und Fami- Kontrolle
lie unter einen Hut bekommen, soziale Aktivitäten synchronisieren
trotz Schichtarbeit, Angst vor Arbeitsplatzverlust, herausfordern-
de Vorgesetzte, Kollegen und Kunden oder ständige Unterbre-
chungen der Arbeitsaufgabe  diese Liste ließe sich beliebig fort-
setzen. Es sind diese typischen Unannehmlichkeiten und Ärgernis-
se, die uns den Arbeitsalltag immer wieder erschweren. Ob uns
kleine Ärgernisse, so genannte „daily hassles“ (Zapf & Semmer,
2004), oder größere, systemimmanente Probleme auch wirklich
auf die Palme bringen, hängt v. a. davon ab, wen wir für ein un-
angenehmes Ereignis in der Arbeitswelt verantwortlich machen,
uns selbst oder andere, und ob dieses Ereignis kontrollierbar ge-
3 A 118 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

wesen ist oder nicht. Langfristig sind die Dimensionen „internale


bzw. externale Attribuierung“ sowie „Kontrollierbarkeit bzw.
Nichtkontrollierbarkeit“ für unser emotionales Befinden und unse-
re Zufriedenheit hauptverantwortlich (Lind & Bos, 2002). Attribu-
tion dreht sich um die lebensrelevante Warum-Frage (vgl. Heck-
hausen & Heckhausen, 2006).

Gesunde Attribution
Im Kern geht es um die Zuschreibung von Ursache und Wir-
kung. Diese Zuschreibung hat Folgen für das Erleben und
Verhalten. Warum habe ich in der Präsentation beim Vor-
stand schlecht abgeschnitten? Warum bin ich nicht als Talent
erkannt worden? Wir suchen nach Ursachen und damit Be-
gründungen für Handlungen oder Ergebnisse. Wir streben
nach Kontrolle und damit nach Sicherheit (Kontrollkognition).
So kann der Misserfolg bei einer Prüfung auf Kompetenz
(stabiles Merkmal in der Person), auf Anstrengung (variables
Merkmal in der Person) oder einfach situativ erklärt werden
(bspw. das Thema passte, die richtigen Fragen wurden ge-
stellt). Um Vertrauen und Selbstwirksamkeit zu entwickeln,
ist es wichtig, dass der Attributionsstil gesund ist. Ein pessi-
mistischer Attributionsstil für Misserfolge liegt dann vor,
wenn man die Ursache hierfür internal (in der Person), global
3 (in verschiedenen Situationen auftretend) und stabil (damit
unumkehrbar) wahrnimmt. Optimistisch wäre für Misserfolge
ein Attributionsstil, der die Ursachen als external, spezifisch
und eher instabil bewertet. Analog kann man dann den Attri-
butionsstil für Erfolge definieren. Selbstkritische Fähigkeits-
attributionen führen zu Resignation und ggf. sogar zu Depres-
sion. V. a. ist ein personenbezogenes Hinterfragen aus psy-
chischer Sicht „gesundheitsschädigend“ (Selbstwertverlust).
; Box 3-3: Gesunder Attributionsstil

Ein Beispiel aus dem Stressmanager (Treier & Holobar et al.,


2006/2007): Für eine besonders wichtige und dringende Arbeit,
die im Normalfall in 30 Minuten zu erledigen ist, hat Frau B. noch
eine Stunde Zeit. Ihr Chef wartet dringend auf die Ergebnisse, da
er sie dem Vorstand präsentieren muss. Um konzentriert arbeiten
zu können, hat Frau B. ihre Kollegen gebeten, nicht zu stören.
Frau B. beginnt mit der Arbeit, als das Telefon klingelt. Der Anru-
fer gibt nicht auf, sie hebt ab und erledigt das Gespräch so schnell
es geht. Sie versucht, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren. Lau-
te Stimmen von nebenan stören sie dabei. Wieder klingelt das
Telefon. Frau B. erledigt auch diesen Anruf schnell und stellt da-
nach den Apparat auf eine Kollegin um. Erneut versucht sie, sich
auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Tür geht auf und wird wieder
geschlossen, da hat sich wohl jemand mit der Zimmernummer
Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 119 A 3.2
vertan. Die Stimmen von nebenan werden wieder lauter. Jetzt
klingelt das Handy, es ist vielleicht wichtig. Frau B. geht ran, es
ist ihr Mann, nichts Dringliches. Sie schaltet das Handy aus und
widmet sich erneut der Arbeit. Nebenan schlägt eine Tür laut ins
Schloss. Jemand ruft einen Namen, im Flur hört man Schritte,
wieder ruft jemand, diesmal klingt der Ruf ungeduldiger. Frau B.
arbeitet so konzentriert wie möglich weiter. Draußen dröhnt jetzt
ein Rasenmäher und wieder geht die Tür auf. Ein Kunde braucht
dringend Rat. Sie gibt ihm Antwort und bittet ihn, den Rest mit
einem Kollegen zu besprechen. Frau B. entdeckt in ihrer Ausarbei-
tung Fehler, die Stunde ist fast vorbei. Der Fehler zieht sich
durch, sodass alle Folien noch einmal kontrolliert werden müssen.

Kennen Sie solche Situationen, in denen die Anforderungen


aus der Arbeitsaufgabe Sie stressen? Welche Situationen sind
das? Gibt es „typische Situationen“, in denen das immer wie-
der geschieht? Wie sähe hier präventives Handeln aus? Was
könnten Sie konkret machen, um derartige Fehlbeanspru-
chungen zukünftig zu vermeiden? Wie würde eventuell Frau
B. ihren Misserfolg attribuieren?

Neben den Fehlbeanspruchungen aus der Arbeitsaufgabe gibt es


noch Fehlbeanspruchungen aus der Arbeitsorganisation und der
Arbeitsumgebung sowie psychosoziale Konflikte und Störungen.

Fehlbeanspruchungen aus der Arbeitsaufgabe sind wie im Praxis- Risikofaktoren


beispiel gezeigt ständige Unterbrechungen: Das Telefon klingelt, Arbeitsaufgabe
ein Kollege oder Kunde gibt dem Nächsten die Klinke ihrer Bürotür
in die Hand etc. Aber auch quantitative und qualitative Über- und
Unterforderung können Stress erzeugen. Quantitative Überforde-
rung bedeutet, dass die Arbeitsmenge einfach zu groß ist, der
Schreibtisch sich vor Arbeit durchbiegt. Vergleichsweise weniger
häufig gibt es auch quantitative Unterforderungen, bspw. bei
Überwachungstätigkeiten in voll automatisierten Produktionen;
zumindest wenn die Produktionsprozesse rund laufen. Qualitative
Über- oder Unterforderung meint eine hohe oder geringe Komple-
xität der Arbeitsaufgabe. Wer im Finanzamt arbeitet oder als
Steuerberater tätig ist, muss ständig am Ball bleiben, was die
deutsche Steuergesetzgebung betrifft. Diese ist sehr dynamisch
und relativ komplex oder, wie Kastner es nennen würde, „dynax“
(Kastner et al., 2001b). An dieser Stelle ist auch die Vollständig-
keit der Aufgabe im Sinne der & Handlungsregulationstheorie von
Bedeutung (Hacker, 2005). Was sind unvollständige Aufgaben?
Wenn man seine Arbeit nicht planen kann, sondern stets nur Aus-
führender ist, und wenn man das Ergebnis seiner Arbeit nicht kon-
trollieren kann, ist die Aufgabe als unvollständig zu klassifizieren.
Zudem sollte die Aufgabe auch intellektuelle Herausforderungen
3 A 120 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

mit sich bringen. Neben der hohen Arbeitsdichte wird zunehmend


auch das subjektive Empfinden zum Problem, mehr Verantwortung
als früher schultern zu müssen. Und dies trifft nicht nur auf die
oberen Führungsetagen zu, auch und gerade auf den unteren Hie-
rarchieebenen werden diese Belastungsmomente am häufigsten
genannt. Weitere Fehlbeanspruchungen aus der Dauer und dem
Verlauf der Arbeitsaufgabe sind Daueraufmerksamkeit, Informati-
onsverarbeitung und Regulationsbehinderungen. Daueraufmerk-
samkeit ist bspw. in Mess- und Leitwarten gefordert mit den dar-
aus resultierenden Stressfolgen wie & psychische Ermüdung. Und
Stress durch Informationsverarbeitung kennen wir sowohl in der
Arbeitswelt als auch in anderen Lebenswelten. Dank der moder-
nen Kommunikationstechnik sind wir allzeit und überall erreich-
bar. Da wird nicht nur telefoniert, da kursieren global SMS und E-
Mail, und die neuesten Mobiltelefone sind mehr Computer als Te-
lefon, sodass man auch immer die eigenen Songs, die Fotos der
Lieben und die neuesten Filme in der Jackentasche hat. Schöne
neue, virtuelle Welt! Wenn dann die Medienkompetenz fehlt und
(unternehmens-)kulturelle Paradigmen die intensive Nutzung die-
ser Kommunikationsmedien verlangen, entsteht personenseitig
schnell ein „Erreichbarkeitswahn“. Damit können die neuen Kom-
munikationsmedien auch schnell zu Regulationsbehinderungen
werden. Was wird behindert? Unterbrechungen oder auch Er-
3 schwerungen aus informatorischer oder motorischer Sicht hindern
an der Umsetzung der Aufgabe. Ein Klassiker ist Zeitdruck. Hier
besteht die Gefahr der Reduktion der Regulationsfähigkeit.

Eine gut gestaltete Aufgabe sollte inhaltlich vollständig und


beanspruchungsoptimal sein. Zudem sollte der Arbeitsprozess
nicht durch unnötige Regulationsbehinderungen gestört wer-
den. Diese Idealbedingungen liegen jedoch selten vor. Eine
Frage, die man sich oft in diesem Zusammenhang gestellt
hat, lautet: Gibt es Menschen, die durch die Risikofaktoren
der Arbeitsaufgabe besonders gefährdet sind?

Typ-A- Besonders gefährdet scheint der so genannte „Managertypus“


Persönlichkeit bzw. die „Typ-A-Persönlichkeit“ zu sein (; Box 3-4, S. 121). Wenn
man sich nicht vor den Störungen durch die äußeren Arbeitsbedin-
gungen (Arbeitsunterbrechungen, informatorische und motorische
Erschwerungen) abschirmen kann, bedarf es eines zusätzlichen,
als unnötig empfundenen Handlungsaufwands, um das Ziel errei-
chen zu können. Derartige Regulationsbehinderungen führen bei
Büroangestellten zu psychosomatischen Beschwerden (Leitner et
al., 1993) und bei Busfahrern zu erhöhten Risiken für Unfälle
(Greiner et al., 1998).
Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 121 A 3.2
Diskussionsstand „Typ-A-Persönlichkeit“
Friedman & Rosenman (1975) gruppierten 3000 gesunde Män-
ner zwischen 35 und 59 Jahren aufgrund ihrer Sprechweise
und Selbstaussagen in einer Befragungssituation in zwei Ka-
tegorien (Extremgruppendesign):
1. Gruppe „Typ-A“: besonders ehrgeizige, ungeduldige,
aggressive Menschen
2. Gruppe „Typ-B“: besonders gelassene, ruhige,
entspannte Menschen
Neun Jahre später hatten 257 Männer einen Herzinfarkt erlit-
ten, knapp 70 Prozent gehörten zu „Typ-A“, jedoch kein Ein-
ziger aus der Gruppe „Typ-B“ war betroffen. Dies löste ent-
sprechendes öffentliches und Forschungsinteresse aus. 20
Jahre später ernüchtert Myrtek (1995) mit einer & Metaana-
lyse: Es lässt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen
„Typ-A-Persönlichkeiten“ und koronaren Erkrankungen fest-
stellen, wenn andere Faktoren kontrolliert werden. Negative
Emotionen und Einstellungen wie Wut und Feindseligkeit klä-
ren den größten Varianzbeitrag auf koronare Erkrankungen
auf. Die hierdurch bedingte „leichte Erregbarkeit“ wirkt wie
ein Katalysator im Stress und erhöht das Risiko für Arterio-
sklerose. Die Typ-A-Persönlichkeit macht sich wie das HB-
Männchen aus der Werbung der 1980er-Jahre den Stress
selbst: Aus einer Mücke wird ein Stress-Elefant gemacht, der
durch Wut und Feindseligkeit noch größer wird. Das Problem
der Forschung rund um die Typ-A-Persönlichkeit ist, dass die
Zusammenhänge zwischen psychosozialen Faktoren und
Herzerkrankungen sehr komplex sind. Die Ergebnisse in den
Einzelstudien sind daher oft nicht konsistent.
; Box 3-4: Typ-A-Persönlichkeit

Zu den Fehlbeanspruchungen aus der Arbeitsorganisation gehören Risikofaktoren


v. a. die Arbeitszeit- und Pausenregelungen. Als die Ärztezeitung Arbeits-
am 3. 12. 2008 einen Artikel mit der Überschrift „Erhöhtes Krebs- organisation
Risiko bei Pflegepersonal in Schichtarbeit“ veröffentlichte, läute-
ten überall die Alarmglocken. Das Institut für Arbeitsmedizin der
Universität Köln hatte 30 internationale Studien zu Schichtarbeit
und Krebs in einer & Metaanalyse ausgewertet. Das Ergebnis:
Schichtarbeiter wie Pflege- und Flugpersonal haben ein erhöhtes
Risiko, an Krebs zu erkranken. Beim Flugpersonal ist das Risiko für
Brustkrebs um 70 Prozent erhöht, für Prostatakrebs stieg das Risi-
ko um 40 Prozent an. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für Pflege-
personal in Schichtarbeit. Die Lichtverhältnisse und das Schlaf-
hormon Melatonin sowie wahrscheinlich die unregelmäßige Nah-
rungsaufnahme stellen einen Teil der verursachenden Faktoren
3 A 122 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

dar. Der Institutsleiter Thomas Erren weist allerdings auf die Ein-
schränkungen in der Aussagekraft der Studien hin, die im Quer-
schnitt durchgeführt wurden. Nicht selten liegt aber die Ursache
für eine arbeitsorganisatorisch bedingte Fehlbeanspruchung auch
bei der Führung. Denn auch der Chef kann Belastungsquelle sein!
Die Führungskraft wird üblicherweise als externe Ressource be-
zeichnet, wirkt aber in einzelnen Fällen bzw. in manchen Situati-
onen als negativer Einfluss auf die Arbeitsorganisation und die
untergeordneten Mitarbeiter. Ein autoritärer, mehr sach- als mit-
arbeiterorientierter Führungsstil zeigt eventuell kurzfristig Erfol-
ge, ist aber keinesfalls als gesundheitsförderlich zu bezeichnen
(ª Kap. 4.8, S. 198). Ebenso bedeutsam sind die sozialen Bezie-
hungen sowie das Informations- und Kommunikationsmanagement.
Gibt es Gelegenheit zur sozialen Interaktion? Und wie fließen die
Informationen; von oben nach unten, von unten nach oben, quer,
diagonal oder möglicherweise gar nicht? Informationsdefizite
schaffen Unsicherheit und Rollenunklarheit und damit Stress.

Risikofaktoren In der physikalischen Umwelt sind Fehlbeanspruchungen der Ar-


Arbeitsumgebung beitsumgebung beheimatet (Schlick et al., 2010; Schmidtke,
1993). Hier verbergen sich die klassischen Kriterien der & Ergo-
nomie: Lärm, Klima, Beleuchtung, aber auch der Umgang mit Ge-
fahrstoffen sowie Unfall- und Gesundheitsgefahren aufgrund phy-
3 siologischer Belastungen. Auch lassen sich hier die Klassiker wie
Heben und Tragen von Lasten oder Zwangshaltungen subsumieren,
die langfristig gravierende Auswirkungen auf das Muskel-Skelett-
System haben können. Seit über hundert Jahren ist die negative
Wirkung des Lärms auf die Leistungsfähigkeit, Befindlichkeit sowie
Beeinträchtigung des Hörsystems der Beschäftigten bekannt. Ab
85 dB (A) ist Gehörschutz zu tragen, allerdings lässt bei mentalen
Tätigkeiten schon ab 55 dB (A) die Konzentrationsfähigkeit nach
bzw. nimmt die Fehlerrate zu; und 55 dB (A) und mehr sind
schnell erreicht, bspw. durch ein normales Gespräch zwischen
zwei Personen. Wenn Sie ein Smartphone haben, können Sie sich
kostenlose Apps zur Lärmmessung downloaden. Sie werden über-
rascht sein, wie schnell diese 55 dB (A) im Alltag erreicht werden.
 Tabelle 3-2 gibt einen Überblick über unterschiedliche Schall-
pegel mit typischen Quellen (vgl. Lange & Windel, 2002).

 Tabelle 3-2: Schallpegel mit exemplarischen Quellen

Schallpegel in dB (A) Exemplarische Quelle Bewertung

0 Akustische Kammer

30 Flüstern Ungefährlich

40 Leise Musik
Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 123 A 3.2

Schallpegel in dB (A) Exemplarische Quelle Bewertung

60 Gespräch
Konzentrations-
70 Vorbeifahrendes Auto
mindernd
80 Starker Straßenverkehr

85 Fräsmaschine

90 Großer LKW

95 Holzfräsmaschine
Auf Dauer
100 Klub, 1 m vom Lautsprecher
gefährlich
105 Schlagschrauber

110 Kettensäge

115 Bleche hämmern

120 Trillerpfeife aus 1 m Entfernung Schmerzgrenze

130 Niethammer

140 Düsenflugzeug
Unmittelbar
150 Schmiedehammer
gefährlich
160 Airbag-Entfaltung

180 Schuss Spielzeugpistole am Ohr

Neben dem Lärm ist auch das Klima von Bedeutung. Die Raum-
temperatur sollte etwa bei 21 °C liegen, die relative Luftfeuchte
bei ca. 50 Prozent und die Luftgeschwindigkeit sollte langsamer
als 0,1 m/s sein, damit kein Luftzug entsteht. Das gilt für Arbeits-
plätze im Gebäude und ist am ehesten im Büro zu realisieren. Für
Arbeitsplätze mit extremen Umgebungsbedingungen gelten ent-
sprechende Vorschriften, was die Nutzung persönlicher Schutzaus-
rüstung oder Einsatzzeitreglementierungen anbelangt. Beim Arbei-
ten am Bildschirm sollte die Arbeitsfläche mit mind. 500 Lux
blendfrei beleuchtet werden; der Chirurg oder Feinmechaniker
benötigt einige Tausend Lux mehr (vgl. Lange & Windel, 2002).
Der Umgang mit Gefahrstoffen sowie allgemeine Unfall- und Ge-
sundheitsgefahren sind Themen, die mit der Fachkraft für Arbeits-
sicherheit und der verantwortlichen Führungskraft unter Einbezie-
hung der Mitarbeiter vor Ort zu regeln sind! Regelmäßige Bege-
hungen mit & Gefährdungsanalysen sind unumgänglich und hilf-
reich, Gefahren und Gefährdungen systematisch in den Griff zu
bekommen!
3 A 124 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Neue Risiken der Ferner sollte man sich bewusst sein, dass mit der Digitalisierung
digitalen Welt der Arbeitswelt neue Risiken hinzukommen. V. a. ist hier der Blick
auf die Schnittstelle zwischen Mensch und Computer zu richten
(Interface). Bei der kognitiven Ergonomie geht es um die Interak-
tion von Mensch und Technik. Wie müssen technische Systeme
(und hier v. a. der Computer und seine Ausgabegeräte wie Bild-
schirm) gestaltet sein, dass der Nutzer möglichst fehlerfrei,
stressfrei und schnell die Informationen erfassen und nutzen kann.
Dies gilt nicht nur für den klassischen Bildschirmarbeitsplatz (Ri-
chenhagen, 2002), sondern auch für Cockpits im Auto. Aus psycho-
logischer Sicht geht es um die Reduktion der psychomentalen Be-
anspruchung. Speziell befasst sich die Softwareergonomie mit der
optimalen Gestaltung der Programme. Dabei geht es nicht „nur“
um die Erfüllung der Dialogprinzipien der DIN EN ISO 9241, son-
dern am Ende stehen die hohen Ansprüche eines am Nutzer und
am Prozess ausgerichteten Usability Engineerings.

Die Maximen für Nach DIN EN ISO 9241-110 sind folgende Dialoggrundsätze bei der
interaktive Entwicklung von Software im weiteren Sinne zu beachten. Manche
Systeme sprechen hier auch vom Dialogknigge bzw. von Benimmregeln für
interaktive Systeme (Britta Hofmann in einem Artikel der Website
Fit für Usability, www.fit-fuer-usability.de).

3 x Aufgabenangemessenheit: Wenn Sie ein Buch schreiben, dann


benötigen Sie eine Textverarbeitung, die Sie bei Ihrem Ziel
„Buch“ vollständig, korrekt und mit vertretbarem Aufwand
unterstützt. Dies bezieht sich u. a. auf die Funktionsvielfalt.
x Selbstbeschreibungsfähigkeit: Möchten Sie Marginalien im
Buch setzen, so wäre es wichtig zu wissen, wie Sie es mit der
Textverarbeitung schnell realisieren können. Wenn die Text-
verarbeitung Sie zum Ziel führt, ohne dass Sie lange in Foren
etc. suchen müssen und ohne dass die Funktionen versteckt
sind, dann erklärt sich die Software quasi von selbst.
x Erwartungskonformität: Sie wollen die Textverarbeitung
schließen. Sie suchen das im Windows gebräuchliche X am
rechten oberen Rand. Wenn das X dort steht, dann ist das
Programm erwartungskonform, denn es richtet sich an die be-
kannten Konventionen und ist konsistent umgesetzt.
x Fehlertoleranz: Sie wollen Ihr Buch speichern, drücken aber
fälschlicherweise auf „Schließen ohne Speichern“. Hier wäre
es sinnvoll, wenn das Programm Sie warnt, denn der Verlust
wäre möglicherweise sehr hoch. Wenn man einen Fehler
macht, dann sollte das Programm ferner Sie auch unterstüt-
zen, den Fehler ohne großen Aufwand zu beheben.
x Steuerbarkeit: Die bekannteste Funktion für das Steuern durch
den Benutzer ist die „Undo-Funktion“ in einer Textverarbei-
tung.
Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 125 A 3.2
x Individualisierbarkeit: Können Sie in der Textverarbeitung
nach Gusto entscheiden, wie die Seite dargestellt wird und ob
zusätzliche Informationen und Tools seitlich oder oberhalb
abgebildet sind, sprechen wir von Individualisierbarkeit. Zu
beachten ist jedoch, dass unerfahrene User bisweilen Einstel-
lungen vornehmen wie Hintergrundfarbe und Größe der Dar-
stellung, die aus Ergonomiesicht kritisch einzustufen sind.
Hier sollte das System ggf. vor Fehleinstellungen warnen.
x Lernförderlichkeit: Ich möchte das Buch schreiben, habe aber
bislang nur Erfahrungen mit kürzeren Texten in Bezug auf die
gewählte Textverarbeitung gemacht. Wenn das Programm
Ihnen ein „Guided Tour“ anbietet und Sie schrittweise in die
Konfiguration zur Erstellung eines Buches einführt, dann un-
terstützt Sie das Programm beim Lernen. Auch am Prozess des
Schreibens orientierte Zusatzinformationen können hier lern-
förderlich sein.

Die Software, die wir Daheim auf unserem Tablet oder im Bü-
ro auf unserem Rechner installiert haben, wird vermutlich in
hohem Maße die Kriterien der Softwareergonomie erfüllen.
Spannend ist heute allerdings die Frage: Passen die hard-
und softwareergonomischen Kriterien auch auf unser Nut-
zerverhalten in der modernen Welt? Das klassische Mobilte-
lefon wurde in den vergangenen Jahren fast vollständig durch
Smartphones ersetzt und die wiederum wachsen aktuell zu
Tablets an  sitzen wir dann zukünftig acht Stunden mit un-
serem Tablet im Sonnenschein auf der grünen Wiese und er-
arbeiten unsere Präsentation für das nächste Meeting? Und
ignorieren dabei die Bildschirmarbeitsplatzverordnung? Was
bedeutet es für uns, wenn die Grenzen zwischen Realität
und Virtualität bewusst aufgelöst werden, bspw. durch das
Tragen von am Kopf getragenen Miniaturcomputern mit
Head-up-Displays, den sogenannten Datenbrillen? Hier schlie-
ßen sich viele Fragen an, was vernetzte Haushaltsgeräte oder
auch moderne Supportsysteme beim Autofahren anbelangt.
Ein Transfer der Inhalte aus den inzwischen in die Jahre ge-
kommenen hard- und softwareergonomischen Kriterien in die
moderne Welt ist Baustelle und Herausforderung zugleich.

Tipp: Das Handbuch Software-Ergonomie (Usability Engineering)


der Unfallkasse Post und Telekom (Rudlof, 2006) bietet eine über-
sichtliche Darstellung der wichtigsten Informationen zur Software-
Ergonomie und weiterführender Ansätze des Usability Enginee-
rings. Das Handbuch ist mit vielen Beispielen auch für Laien ver-
ständlich geschrieben.
3 A 126 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Risikofaktoren Fehlbeanspruchungen aus psychosozialen Konflikten und Störun-


Konflikte und gen liegen auf der Hand. Überall dort, wo Mitarbeiter sich unge-
Störungen recht und unfair behandelt fühlen, viele Ressourcen und Herzblut
in die Arbeit stecken, aber keine ausreichende materielle oder
immaterielle Anerkennung erfahren (Siegrist, 1996), wo der Chef
wenig soziales Fingerspitzengefühl besitzt und durch sein Verhal-
ten belastet, wo nach Einzelkämpfermanier jeder Mitarbeiter
seinen Stiefel durchzieht, gedeihen soziale Konflikte auf einem
guten Nährboden. Und wenn noch andere Fehlbeanspruchungen
und Probleme hinzukommen, können diese Konflikte in zugespitz-
te „systematische“ Interaktionen, also in Mobbing münden. Mob-
bing zeichnet sich grundsätzlich durch eine andere Qualität als ein
„normaler“ Konflikt aus: Das Mobbingopfer wird von Kollegen oder
Vorgesetzten angefeindet oder diskriminiert, das Opfer ist hierar-
chisch bzw. situativ unterlegen und die feindseligen Übergriffe
werden über einen längeren Zeitraum hinweg (mindestens ein
Jahr) und systematisch vorgenommen, d. h. mit Regelmäßigkeit,
steigender Heftigkeit und dem Ziel, das Mobbingopfer aus der
Abteilung oder dem Unternehmen zu drängen. Besondere Auf-
merksamkeit findet seit einiger Zeit auch das Thema „Emotionen
in der Arbeitswelt“, besonders die emotionale Dissonanz im Um-
gang mit Kunden. Auch wenn man noch so gerne dem Kunden, der
zum x-ten Mal mit der gleichen Anfrage kommt, die Meinung sagen
3 möchte, muss man seinen Ärger runterschlucken und gute Miene
zum bösen Spiel machen. Wie Holz (2006) in einer Längsschnittun-
tersuchung zeigen konnte, erweist sich emotionale Dissonanz als
Stressor für die & Burnout-Komponenten emotionale Erschöpfung
und Depersonalisation, einem Gefühl der Abgelöstheit vom eige-
nen Selbst.

Hinweis: Zu den Risikofaktoren der modernen Arbeitswelt zählen


in Anbetracht der Zunahme psychischer Störungen v. a. auch die
Faktoren der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Im
Kap. 5.5 (ª S. 301) wird das Instrument Gefährdungsbeurteilung
psychischer Belastungen vorgestellt (Treier, 2015b). Viele der hier
vorgestellten Risiken wie eingeschränkter Arbeitsinhalt (Monoto-
nie), Arbeitsstörungen oder schlechte Arbeitsbedingungen haben
psychische Auswirkungen (vgl. auch DIN EN ISO 10075  Richtlinien
der Arbeitsgestaltung hinsichtlich psychischer Arbeitsbelastung).

Risikofaktoren Die eben erläuterten Fehlbelastungen im Mikrokosmos der Arbeit


Andere sind zu ergänzen durch & Belastungen aus anderen Lebenswelten
Lebenswelten (Ulich & Wiese, 2011). In welcher Lebensphase man sich gerade
befindet, am Anfang, in der Mitte oder am Ende einer Beziehung,
ob es besondere „Baustellen“ gibt wie Schulden, pflegeintensive
oder -bedürftige Kinder oder (Groß-)Eltern oder welche gesell-
schaftlichen Rahmenbedingungen uns hindern oder fördern, bspw.
Risikofaktoren im Betriebsalltag bestimmen 127 A 3.2
gesellschaftliche Anforderungen, kulturelle Normen, die gesamt-
wirtschaftliche Lage  all diese Fehlbelastungen im außerberufli-
chen Kontext wirken auf die Lebensqualität. Sie haben große Re-
levanz für das Wohlbefinden oder auch die Entstehung sogenann-
ter „Stresserkrankungen“. Allerdings ist der Fokus dieses Buches
auf BGM in der Arbeitswelt gerichtet. Moderne BGM-Modelle be-
mühen sich aber zunehmend um diese Schnittstellen (bspw. Ange-
bot von Krippenplätzen oder Support bei persönlichen Notsituatio-
nen). Der Blick über den betrieblichen Tellerrand im Hinblick auf
eine bessere & „Work-Life-Balance“ ist wichtig und richtig. Zur
Vertiefung sei folgendes Buch empfohlen:

Durch die Brille des Unternehmens:


Esslinger, A. S. & Schobert, D. B. (Hg.) (2007). Erfolgreiche Um-
setzung von Work-Life-Balance in Organisationen. Strategien, Kon-
zepte, Maßnahmen. Wiesbaden: Deutscher Universitäts Verlag.
Durch die eigene Brille:
Seiwert, L. J. (2001). Life-Leadership  Sinnvolles Selbstmanage-
ment für ein Leben in Balance. Frankfurt: Campus.

Mit welchen Risikofaktoren haben Sie in der Arbeitswelt zu


tun? Die folgende Frageliste ( Tabelle 3-3) soll Ihnen bei
der Beantwortung dieser Frage Hilfestellung geben. Nehmen
Sie sich einfach mal zehn Minuten Zeit und beantworten Sie
die Fragen durch Ankreuzen! In Ihrem Antwortprofil werden
Sie sehen, wo Sie im „roten“ (häufig bzw. immer), im „gel-
ben“ (manchmal) bzw. im „grünen Bereich“ (nie bzw. selten)
sind. Wenn Sie die Fragen aus Ihrer Perspektive beantwortet
haben, wie sieht es dann für Ihre Kollegen oder Mitarbeiter
aus; besser, schlechter oder gleich? Sie erhalten hier erste
Informationen zur Bestimmung und Optimierung der Risiko-
faktoren im Arbeitsalltag.

Wichtiger Hinweis: Bei dieser Frageliste handelt es sich um


exemplarische Leitfragen zur Ermittlung von Fehlbelastungen.
Auch wenn ein Belastungsfaktor dominiert, bedeutet dies noch
nicht, dass es zur realen Fehlbelastung kommt, denn maßgeblich
sind die korrespondierenden Ressourcen.
3 A 128 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

 Tabelle 3-3: Frageliste von möglichen Fehlbelastungen

Nie Häufig
Manch
Fehlbelastung … Frage … bzw.
mal
bzw.
selten immer

aus der Arbeits- Werden Sie bei Ihrer Arbeit immer wieder unterbro-
aufgabe chen (Telefon, Kollegen etc.)?
Haben Sie bei der Arbeit so viel zu tun, dass sie Ihnen
über den Kopf wächst?

Oder haben Sie eher zu wenig zu tun?

Kommt Ihnen Ihre Arbeit zu schwierig bzw. zu kom-


pliziert vor?

Oder fühlen Sie sich eher unterfordert?

Können Sie bei der Arbeit Ihr Wissen voll einsetzen


und neue Dinge hinzulernen?

Haben Sie viel Verantwortung zu schultern?

Müssen Sie bei Ihrer Arbeit dauerhaft aufmerksam


sein?
Macht Ihnen die Informationsflut zu schaffen
(E-mail, Telefon etc.)?
3 Haben Sie das Gefühl, nur über Umwege Ihre eigent-
liche Arbeit erledigen zu können?

aus der Arbeits- Empfinden Sie Ihre Arbeitszeit als hinderlich bezogen
organisation auf Ihr Privatleben?
Können Sie bei der Arbeit regelmäßig Pausen
machen?

Kommen Sie mit Ihrem Chef klar?

Haben Sie die Möglichkeit, sich bei der Arbeit mit


Kollegen auszutauschen?
Erhalten Sie die Informationen zur Erledigung Ihrer
Arbeit rechtzeitig und vollständig?
Sind Sie ausreichend über die Vision, Mission und
Strategie Ihres Unternehmens informiert?

aus der Arbeits- Müssen Sie bei der Arbeit persönliche Schutzausrüs-
umgebung tung (PSA) tragen?
Ist es bei Ihrer Arbeit so laut, dass Sie Schwierigkei-
ten haben, sich zu konzentrieren?
Wird bei Ihrer Arbeit mit Gefahrstoffen hantiert und
wie ist die Qualität der Unterweisungen?
Werden in Ihrem Arbeitsbereich regelmäßig Gefähr-
dungsbeurteilungen durchgeführt?
Präventionsressourcen sichten und ausbauen 129 A 3.3

Nie Häufig
Manch
Fehlbelastung … Frage … bzw.
mal
bzw.
selten immer

aus psychosozialen Kennen Sie das Gefühl, viel in die Arbeit reinzuste-
Konflikten bzw. cken, aber nur wenig zurückzubekommen?
Störungen Herrscht in Ihrem Arbeitsbereich eher eine „Einzel-
kämpfer-“ als eine Gruppenmentalität?
Werden Konflikte geklärt oder so lange unter den
Teppich gekehrt, bis man drüber stolpert?
Werden beim Austragen von Konflikten auch schon
mal Grenzen überschritten?
Können Sie Ihrem Ärger bei der Arbeit Luft machen
oder müssen Sie ihn runterschlucken?

Was geschieht nun mit den Antworten, die im „gelben“ oder „ro-
ten Bereich“ liegen? Hierauf gibt die „Toolbox BGM“ in Kap. 4.2
(ª S. 154) Antworten. Den Fehlbelastungen in der Arbeitswelt
stehen, wie bereits erwähnt, & Ressourcen gegenüber; dies ist
der Schwerpunkt des nächsten Abschnitts.

3.3 Präventionsressourcen sichten und ausbauen

Seit ca. drei Monaten muss Herr C. abends ständig mehrere Über-
stunden in Kauf nehmen; es gibt in der Firma seit einer längeren
Flaute nun wieder sehr viel zu tun. Auch musste Herr C. schon
einige Male am Wochenende arbeiten. Private Verabredungen sind
deshalb schon öfter kurzfristig von ihm absagt worden. In der Fa-
milie führt das zu erhöhten Spannungen: Die Gattin ist sauer.
Auch die Kinder fühlen sich vernachlässigt. Und auch heute schei-
nen sich die Überstunden nicht vermeiden zu lassen. Kurz vor
Feierabend kommt der Chef zu Herrn C. ins Büro und startet seine
Bitte mit „Bitte machen Sie doch mal eben …“. Ein dringender
Kundenauftrag, der nicht bis morgen liegen bleiben kann. Obwohl
Herr C. einer seit Langem vereinbarten Verabredung für heute
Abend zugesagt hatte, muss er sich wieder entschuldigen. Als er
zu Hause anruft, trifft er bei seiner Frau auf besonderes Unver-
ständnis, das Telefonat endet sehr emotional. Für Herrn C. ist
klar: „So kann es nicht weitergehen!“ Am kommenden Morgen
bittet er um einen Termin bei seinem Chef, der sofort für ihn Zeit
hat. Herr C. kann seine Situation und Unzufriedenheit so schil-
dern, dass sein Chef konstruktiv in die Problemlösung einsteigt.
Beide vereinbaren, dass zwei Mitarbeiter aus einer Nachbarabtei-
lung Herrn C. künftig einen bestimmten Arbeitsbereich abnehmen.
Um die Vereinbarung evaluieren zu können, verabreden beide ein
weiteres Treffen nach sechs Wochen. Heute macht Herr C. schon
um 17.00 Uhr Feierabend, kauft auf der Fahrt nach Hause einen
3 A 130 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Strauß Rosen und bestellt per Handy zwei Kinokarten; es wird ein
wunderschöner Abend für seine Frau und ihn.

Ressourcen und Da könnte Herr C. noch einmal rechtzeitig an der Notbremse ge-
Wirkungen zogen haben. Ein Schritt, der schon eine gute Portion Mut und
Selbstvertrauen voraussetzt, wenn man zu seinem Chef geht und
sagt: „So kann es nicht weitergehen!“ Herr C. reflektiert seine
Situation und versteht sie, er weiß, dass es relevant ist, die Situa-
tion zu verändern, und er traut es sich auch zu, diese Veränderung
zu steuern. Das ist das, was Antonovsky als & Kohärenzsinn be-
zeichnet (Antonovsky & Franke, 1997), eine der wichtigsten per-
sönlichen Ressourcen. Auf der anderen Seite findet Herr C. ein
offenes Ohr bei seinem Chef, der gemeinsam mit ihm nach einer
Problemlösung sucht. Das wiederum ist & soziale Unterstützung
und gelebte gesundheitsförderliche Führung, zwei zentrale Kom-
ponenten der externalen Ressourcen.

Es werden generell diese zwei Klassen von Ressourcen un-


terschieden: die persönlichen bzw. internalen Ressourcen
und die externalen Ressourcen.

Nach Zapf & Semmer (2004) gibt es drei Wirkrichtungen:


3 x Pufferwirkungen: Wenn ein ausreichendes Maß an Ressourcen
vorhanden ist, können diese bei der Bewältigung bestehender
Fehlbelastungen unterstützen und somit negative & Bean-
spruchungsfolgen abpuffern. Wenn allerdings nur wenige Res-
sourcen zur Verfügung stehen, können sich umgekehrt fehlbe-
anspruchende Wirkungen von & Belastungen erhöhen (z. B.
das Qualifizierungsniveau als persönliche Ressource).
x Direkte Wirkungen: Wenn Ressourcen unabhängig von vorhan-
denen Belastungen zu positiven Beanspruchungsfolgen führen,
handelt es sich um einen direkten Effekt (bspw. Selbstwirk-
samkeitsüberzeugung als persönliche Ressource).
x Indirekte Wirkungen: Ressourcen können auch indirekt auf
Beanspruchungsfolgen wirken, indem sie dem Abbau von Be-
lastungen dienlich sind und damit mittelbar zu positiven Bean-
spruchungsfolgen führen (z. B. ein gutes Informations- und
Kommunikationsmanagement als externale Ressource).

Folgend werden die beiden Klassen „persönliche“ und „externale


Ressourcen“ ausführlicher vorgestellt.
Präventionsressourcen sichten und ausbauen 131 A 3.3
Unter persönlichen Ressourcen werden alle Unterstützungsfakto- Persönliche
ren verstanden, die von innen, aus der Person heraus ihre Wirkung Ressourcen
entfalten können. Nach Udris et al. (1994) versteht man hierunter
relativ konstante Verhaltens- und Handlungsmuster sowie kogniti-
ve Überzeugungssysteme. Oder in anderen Worten: Persönlich-
keitseigenschaften, Wertvorstellungen und Kompetenzen (Fach-,
Methoden-, Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen). Der & Ko-
härenzsinn (Antonovsky, 1979; Antonovsky & Franke, 1997) meint
eine Persönlichkeitsdisposition, die das Ausmaß bestimmt, ob
jemand ein durchdringendes, überdauerndes, aber dynamisches
Gefühl des Vertrauens hat. Die folgenden drei Komponenten bil-
den den Kohärenzsinn:
x Verstehbarkeit: die Zusammenhänge in der Umwelt begreifen.
x Handhabbarkeit: Vertrauen in sich selbst haben, aus eigener
Kraft oder mit der Unterstützung anderer Herausforderungen
bewältigen zu können.
x Sinnhaftigkeit: Es gibt Dinge, für die es sich einzusetzen lohnt.

Was bewegte Antonovsky?


Aaron Antonovsky (1923-1994) beschäftigte sich im Rahmen
seiner Forschungstätigkeit am Applied Social Research Insti-
tute in Israel mit einer Studie, die Motor für seine weiteren
Arbeiten war. In dieser Studie ging es um Frauen, die in
Zentraleuropa zwischen 1914 und 1923 geboren wurden und
von denen einige Überlebende aus Konzentrationslagern wa-
ren. Antonovsky fiel auf, dass sich 29 Prozent der ehemals in-
ternierten Frauen trotz dieser extremen, existenziellen Be-
lastungen in einem guten psychischen Zustand sahen. Was
erhält den Menschen gesund? Mit dieser Leitfrage der & Sa-
lutogenese läutete Antonovsky eine Zeitenwende ein und fo-
kussierte nachhaltig auf die Ressourcen. In seinen weiteren
Arbeiten entwickelte er dann 20 Jahre später konzeptionell
und theoretisch begründet den „Kohärenzsinn“.
; Box 3-5: Hintergrund zum Konzept der Salutogenese

Generell kommt in Antonovskys & Kohärenzsinn ein lebensbeja- Das gesunde


hendes Gefühl zum Ausdruck, analog dem dispositionalen Opti- Urvertrauen
mismus (Scheier et al., 1992). Auch dieser Optimismus ist zeitlich
relativ stabil und wirkt wie ein Kamerafilter: Kognitionen und
Handlungen sind insgesamt „rosa eingefärbt“. Das gesunde Urver-
trauen in sich selbst führt dann auch das eine oder andere Mal im
Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zum erwarteten
Erfolg. Die Widerstandsfähigkeit gegen Fehlbelastungen oder auch
& „hardiness“ (Kobasa, 1979) meint eine Persönlichkeitsdisposi-
tion, die Menschen trotz großer, zum Teil extremer Belastungen
zu schützen vermag. Dazu gehören …
3 A 132 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

x ein ausgeprägtes Engagement, sich mit den Lebensaufgaben


zu identifizieren,
x die Kontrolle über die Situation,
x die Überzeugung, Einfluss auf den Lauf der Ereignisse nehmen
zu können sowie
x die Herausforderung, Veränderungen als positive Chance
wahrzunehmen.

Selbstwirk- Letzterer Aspekt betont die Dynamik: Man orientiert sich eher an
samkeit Veränderungen als an Stabilität. Menschen mit internaler & Kon-
trollüberzeugung trauen sich selbst zu, Herausforderungen durch
eigenes Handeln meistern können; dies gilt auch für die Gesun-
derhaltung (Rotter, 1966). Im Gegensatz dazu glauben sich exter-
nal attribuierende Zeitgenossen eher vom Schicksal oder anderen
äußeren Einflüssen gelenkt und bestimmt (; Box 3-3, S. 118).
Diese eher fatalistische Grundhaltung steht einer aktiven Steue-
rung gesund erhaltender Prozesse im Wege. Ein in der Literatur
am breitesten beschriebenes Konzept ist die & Selbstwirksam-
keitsüberzeugung (Bandura, 1977). Hier kommt die Erwartung zum
Ausdruck, dass ein bestimmtes Verhalten zu einem vorhersagbaren
Ergebnis führen wird. Im Mittelpunkt dieser Disposition stehen die
eigenen Kompetenzen: Diese geben einem die Sicherheit, Heraus-
3 forderungen anzunehmen, und werden durch Erfolge gemehrt,
sodass im Idealfalle eine positive Beschleunigung stattfinden kann.
Die Wirksamkeit bezogen auf die Gesunderhaltung ist empirisch
relativ gut belegt (Schaubroeck et al., 2000; Schwarzer, 2004).

Allen hier beschriebenen Konzepten ist die positive Erwar-


tungshaltung gemeinsam. Wie so oft im Leben kommt es
auch hier auf das richtige Mass an: Ein Zuwenig wird nicht die
erwünschte Wirkung zeigen, ein Zuviel kann sogar in die ge-
genteilige Richtung umschlagen.

So spricht Schröder (1997) von der „Maladaptivität erwartungsbe-


zogener Ressourcenkonstrukte“ (S. 328 ff.) immer dann, wenn
unrealistisch überhöhte positive Erwartungshaltungen vorliegen.
Bspw. können realitätsferne Kontrollerwartungen auch eine be-
sondere Verwundbarkeit erzeugen, wenn die tatsächlichen Erfah-
rungen diesen Erwartungen nicht entsprechen. Geschieht so etwas
öfter, kann daraus gelernte Hilflosigkeit resultieren. Und ideali-
sierter, überhöhter und weltfremder Optimismus kann sogar moti-
vationsreduzierend wirken.
Präventionsressourcen sichten und ausbauen 133 A 3.3
Wenn die persönlichen Ressourcen von innen wirken, sind die ex- Externale
ternalen & Ressourcen in der organisationalen Umwelt zu veror- Ressourcen
ten. Die wichtigsten externalen Ressourcen sind & Gesundheits-
kultur, Führung und & soziale Unterstützung. Und selbstverständ-
lich gehört zu den externalen Ressourcen auch die BGM im eigent-
lichen Sinne (ª Kap. 4, S. 147).

V. a. die & Gesundheitskultur bringt Nachhaltigkeit ins BGM (Elke, Gesundheits-


2000). Dazu gehört, dass die Beschäftigten mitbekommen, dass kultur
das Thema „Gesundheit“ als humanes Leistungskriterium einen
genauso hohen Stellenwert besitzt wie die ökonomischen Leis-
tungskriterien. Darüber hinaus sollten die Beschäftigten auch die
Sinnhaftigkeit des BGM erkennen. Unternehmen mit einer ausge-
prägten Gesundheitskultur haben durchschnittlich auch geringere
Kosten, die durch krankheitsbedingte Ausfallzeiten erzeugt wer-
den. Diese hohe Korrelation konnten Zimolong & Stapp (2001) für
Großunternehmen sowie Uhle (2006) für Klein- und Mittelunter-
nehmen zeigen; in Unternehmen mit einer gut entwickelten Ge-
sundheitskultur lassen sich die Einschränkungen des gesundheitli-
chen Allgemeinbefindens signifikant verlangsamen und im mittle-
ren Lebensalter zwischen 21 und 40 Jahren sogar ins Positive um-
kehren.

Für die Entwicklung der Gesundheitskultur sind in erster Linie die Führung
Führungskräfte als Kulturpromotoren mit einem gesundheitsför-
derlichen Führungsstil ursächlich verantwortlich. Führung ist dann
gesundheitsförderlich, wenn die Mitarbeiter motiviert werden,
wenn mit ihnen Ziele vereinbart werden und diese auch Kontrolle
erfahren. Wenn die Arbeitsergebnisse der Zielvereinbarung ent-
sprechen, sollte die Führungskraft Wertschätzung durch Lob und
Anerkennung zum Ausdruck bringen; andernfalls sind auch negati-
ve Konsequenzen zu ziehen. Und die erlebte Fairness in der Leis-
tungsbeurteilung ist relevant. Alle dies wirkt sich mittelbar auf
die Gesundheitskultur aus und ist somit Garant für Nachhaltigkeit.
Eher schnelle Erfolge erzielt man als Führungskraft v. a. durch
Beteiligung und Einbindung, Förderung von Eigeninitiative, Über-
nahme von Verantwortung und zielgruppengerechte und zeitnahe
Kommunikation. Aufgrund der besonderen Hebelwirkung wird das
Thema „Führung und Kultur“ noch einmal ausführlicher in Kap.
4.1 (ª S. 148) beleuchtet.

Die intensivste Forschungsaktivität und größte Literaturbreite Soziale


liegt zur sozialen Unterstützung vor. & Soziale Unterstützung Unterstützung
kann durch Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzte erfolgen, aber
auch im außerberuflichen Kontext durch Familie, Freunde und
Bekannte. Immer dann, wenn es bspw. bei der Arbeit stressig wird
3 A 134 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

und man sich auf die Kollegen verlassen kann, weil sie einem den
Rücken freihalten werden, spricht man von sozialer Unterstüt-
zung. Und es reicht aus, die Unterstützungsmöglichkeiten zu anti-
zipieren; die Karte muss nicht ausgespielt werden. Nach House
(1981) gibt es vier unterschiedliche Formen:
x emotionale Unterstützung durch Mitgefühl,
x beurteilende Unterstützung durch Rückmeldung und Bestäti-
gung,
x informative Unterstützung durch Ratschläge und konkrete
Hilfestellung und
x instrumentelle Unterstützung durch Kollegen, Mitarbeiter und
Vorgesetzte bei der Erledigung der Arbeit.

Ulich & Wülser (2015, S. 41 ff.) fassen die empirische Befundlage


zusammen und konstatieren die große Bedeutsamkeit der sozialen
Unterstützung als externale Ressource für den Schutz und die
Förderung des individuellen Wohlbefindens und der Gesundheit.
Im organisationalen Verhalten wird hier das Organizational Citi-
zenship Behavior als positives Konstrukt hervorgehoben (Treier,
2009a, S. 124). Andere Autoren sprechen hier vom Sozialkapital
(Badura et al., 2008).
3 Freiwilliges Helfen in der Arbeit
Unsere Arbeitsrollen sind meistens leistungsbezogen defi-
niert. Da bleibt nicht viel Zeit, anderen bei der Erfüllung ih-
rer Aufgaben zu unterstützen. Unsere Gratifikationsmodelle
sind größtenteils „egozentrisch“. Aber genau dieses funktio-
nale Extra-Rollenverhalten ist eine zentrale externale Res-
source, die es zu fördern gilt. Es geht um freiwilliges proso-
ziales und nicht vom Unternehmen belohntes Verhalten. Als
Attribute dieses Verhaltens lassen sich Altruismus, Gewissen-
haftigkeit bzw. Pflichtbewusstsein, bürgerliche Tugenden
sowie Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Entgegenkommen
und Fairness identifizieren (Organ et al., 2006). Aus perso-
nalpsychologischer Sicht handelt es sich um eine bedeutsame
Variable für die Leistungsfähigkeit einer gesunden Organisa-
tion (Treier, 2011, S. 32). Wenn die Unterstützung durch an-
dere allerdings nicht gewünscht ist oder diese nicht den Er-
wartungen entspricht, können aus dem, was gut gemeint ist,
auch negative Effekte entstehen (Baumann et al., 1998).
; Box 3-6: Organizational Citizenship Behavior (OCB)
Präventionsressourcen sichten und ausbauen 135 A 3.3
Welche Ressourcen stehen Ihnen zur Verfügung? In der fol-
genden Frageliste ( Tabelle 3-4) können Sie sich darüber
einen Überblick verschaffen. Die Handhabung dieser Check-
liste ist analog der Checkliste aus Kap. 3.2 (ª S. 117). Den-
ken Sie hier auch anschließend wieder an den Perspektiven-
wechsel: Zuerst durch Ihre Augen, dann durch die Augen Ih-
rer Kollegen oder Mitarbeiter.

 Tabelle 3-4: Frageliste Ressourcen

Nie Häufig
Manch-
Ressourcen … Frage … bzw.
mal
bzw.
selten immer

Persönliche
Können Sie sich mit Ihrer Arbeit identifizieren?
Ressourcen
Betrachten Sie Probleme als Herausforderung und
nehmen Sie die Dinge selbst in die Hand?

Erkennen Sie in Ihrer Arbeitsaufgabe eine Sinn-


haftigkeit?

Externale Besitzt das Thema „Gesundheit“ in Ihrem Unter-


Ressourcen nehmen einen großen Stellenwert?

Ergeben die initiierten BGF-Maßnahmen Sinn?

Werden auf Seiten der Führung Ziele gesetzt, diese


kontrolliert und rückgemeldet?

Werden die Mitarbeiter von Seiten der Führung


einbezogen?
Werden führungsseitig Konsequenzen bei schlechter
Leistung gezogen und wird Anerkennung bei guter
Leistung ausgesprochen?
Wird die Eigeninitiative der Mitarbeiter von Seiten
der Führung gefördert?

Zeigt die Führungskraft Verantwortung für das


Thema „Gesundheit“?

Werden von der Führung ausreichend und zeitnah


Informationen weitergegeben?
Wenn es bei der Arbeit stressig wird, können Sie
sich dann auf Kollegen, Mitarbeiter oder Vorgesetz-
te verlassen?

Die „Toolbox BGM“ in Kap. 4.2 (ª S. 154) wird Ihnen weiterhel-


fen, was die Ableitung von Maßnahmen anbelangt. Ebenso finden
Sie dort eine Darstellung der & Beanspruchungsfolgen.
3 A 136 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

3.4 BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die


Welt.“

Die in den Kapiteln 3.2 (ª S. 117) und 3.3 (ª S. 129) vorgestellten


Checklisten lassen sich auch in der Breite in Form einer Mitarbei-
terbefragung einsetzen. Der Markt ist inzwischen reich und bunt,
was entsprechende Befragungsinstrumente anbelangt. Um hier
nicht die Übersicht zu verlieren, sei folgender Link empfohlen:

 BAuA Toolbox: http://www.baua.de/toolbox


Hier hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(BAuA) knapp 100 Befragungsinstrumente zusammengetragen und
nach Nutzergruppe, Branche und Methode der Datengewinnung
kategorisiert. Diese Instrumente sind eine gute Ausgangsbasis 
auch für die Eigenentwicklung von Erhebungsinstrumenten.

Univ. Prof. em. Dr. Bernhard Zimolong


Doch ist solch ein Aufwand zur Datengenerierung überhaupt sinn-
voll? Reicht es nicht aus, mit den Fehlzeiten zu operieren und ggf.
mal mit dem Betriebsarzt ein längeres Gespräch zu führen? Diese
und andere Fragen haben wir Herrn Prof. Dr. Bernhard Zimolong
3 von der Ruhr-Universität Bochum gestellt. Herr Zimolong hatte
dort bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Arbeits- und
Organisationspsychologie inne und forscht seit weit über 20 Jah-
ren auf dem Feld der BGF.

Das Interview fand am 26. Oktober 2009 statt. Als Autoren möch-
ten wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung von
Prof. Dr. Zimolong bedanken.

In der Fachliteratur und in publizierten Best Practices wird BGM


häufig als Querschnittsaufgabe unterschiedlicher Professionen
definiert und dargestellt. Die dominierende Profession ist zumeist
die Arbeitsmedizin. Welche Rolle und Funktion kommt der Psycho-
logie im betrieblichen Gesundheitsmanagement zu?

Prof. Dr. Zimolong: Das BGM ist eine Managementaufgabe, in der


unterschiedliche Professionen zusammenwirken müssen. Die Auf-
gabe des Managements wird von unterschiedlichen Professionen
wahrgenommen. Allerdings sollte als Grundvoraussetzung der Ma-
nager oder die Managerin einen fachlichen Hintergrund in der
Gesundheitsförderung haben. Ein Studium der Medizin oder der
klinischen Psychologie kann hilfreich sein, ist aber keineswegs
ausreichend. Der Gesundheitsmanager sollte planen, organisieren
und evaluieren können und von der betrieblichen Kostenrechnung
BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die Welt.“ 137 A 3.4
etwas verstehen. Wichtig ist der fachlich geforderte Einsatz von
Personal mit unterschiedlichem professionellen Hintergrund, wie
z. B. die Arbeitspsychologie, die & Ergonomie, die klinische Psy-
chologie, die Arbeitsmedizin, die Physiotherapie, die Fachkraft für
Arbeitssicherheit und andere Berufe. Insofern ist das Feld des BGM
tatsächlich eine Querschnittsaufgabe unterschiedlicher Professio-
nen. Wirtschaftspsychologen haben den Vorteil gegenüber ande-
ren Professionen, sich in den Grundlagen der Verhaltenssteuerung,
Planung und Organisation sowie in der Gesundheitsförderung aus-
zukennen. Aus diesem Grund werden sie nicht nur für ergonomi-
sche und arbeitsorganisatorische Aufgaben, für die gesundheits-
förderliche Führung und für das Training, z. B. im Bereich
& Stressmanagement, eingesetzt, sondern sind auch vermehrt als
Gesundheitsmanager anzutreffen.

Sie haben zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und For-


schungsprojekte in großen, mittleren und Kleinunternehmen sowie
in der Öffentlichen Verwaltung mit dem Schwerpunkt „Gesund-
heit“ durchgeführt  immer dem Dreischritt „Analyse  Interventi-
on  Evaluation“ folgend. Lohnt sich dieser Aufwand, Ziele und
Indikatoren zu definieren und zu messen? Kommt hier sowieso
nicht immer heraus, dass man den Rücken stärken, den Stress
abbauen und die Kommunikation verbessern muss? Dann könnte
man doch direkt in die Maßnahmenumsetzung, sprich in die BGF,
einsteigen, oder nicht?

Prof. Dr. Zimolong: Wir wissen aus den wissenschaftlichen Unter-


suchungen, dass die Handlungsfelder des BGM die Gestaltung der
Arbeit, die gesundheitsförderliche Führung, die Information und
Kommunikation sowie die Förderung persönlicher Gesundheitsak-
tivitäten jedes Einzelnen sind. Dazu gehören u. a. Vorsorgeunter-
suchungen und gesundheitliche Schwerpunktprogramme wie z. B.
die & Prävention der Rückengesundheit oder die richtige Ernäh-
rung. Der Ausgangspunkt ist immer die Analysephase in den ein-
zelnen Handlungsfeldern mit den Fragen: Wie steht es mit den
& Belastungen? Wie führen die Führungskräfte? Wie stark oder
schwach ist die & Gesundheitskultur ausgeprägt? Was tun die
Beschäftigten für Ihre Gesundheit? In Abhängigkeit von den Ergeb-
nissen ergeben sich entsprechend den betrieblichen Rahmenbe-
dingungen unterschiedliche Interventionsansätze. Sie reichen von
Einzelmaßnahmen wie der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung
oder dem Angebot von Bewegungsaktivitäten bis zum vollständi-
gen Managementansatz. Darin werden in den verschiedenen Hand-
lungsfeldern gleichzeitige, auf einander abgestimmte Interventio-
nen durchgeführt, evaluiert und verbessert. Ob nun für Einzel-
maßnahmen oder für einen Managementansatz, in jedem Fall
braucht man Indikatoren, um den Erfolg oder Misserfolg zu messen
und für die nächsten Interventionen zu planen.
3 A 138 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Viele Unternehmen, die sich dem Thema „Gesundheit“ annehmen,


messen die Erfolge einzig an der Krankheits- bzw. Gesundheits-
quote  reicht das aus Ihrer Sicht?

Prof. Dr. Zimolong: Natürlich ist die Gesundheitsquote ein wichti-


ger Erfolgsindikator. Schließlich hat das BGM auch zum Ziel, die
Wirtschaftlichkeit des Unternehmens durch die Reduzierung des
Krankenstands zu stärken. Das bedeutet aber im Umkehrschluss,
dass ein fachlich solides BGM die Gesundheitsressourcen jedes
Einzelnen fördern und die & Belastungen abbauen muss. Jedoch
hängt die Gesundheitsquote von einer großen Zahl kaum oder
nicht beeinflussbarer Faktoren ab. Dazu zählen u. a. die Alters-
und Geschlechtsverteilung in der Belegschaft, Art und Umfang der
Arbeit, die sozialen Rahmenbedingungen, Bildung und Einkommen.
Um Belastungsschwerpunkte zu erkennen sowie Potenziale für
Ressourcenförderung identifizieren zu können, braucht das BGM
weitere Indikatoren. Sie müssen die Handlungsfelder abdecken,
wie sie in der Antwort zu Frage 2 bereits aufgezählt wurden. Wie
auch in anderen Managementfeldern gehört zum BGM ein Portfolio
von Gesundheitsindikatoren. Ihre Ausprägungen lassen sich am
besten mit einer & Balanced Scorecard darstellen (& Health Ba-
lanced Scorecard } Abbildung 45, S. 242).
3
Hinweis der Autoren: Im Kap. 5 (ª S. 215) zeigen wir Ihnen
auf, um welche erfolgskritischen Indikatoren es sich handelt.

Ein Fragebogen, der in den vergangenen Jahren eine enorme Ver-


breitung in den Industrienationen erfahren hat und inzwischen in
21 Sprachen übersetzt wurde, ist der Work Ability Index (WAI)
oder zu Deutsch „Arbeitsbewältigungsindex“ (ABI) u. a. von den
bekannten Gesundheitsforscher Juhani Ilmarinen. Mit nur sieben
Items und universeller Einsetzbarkeit genügt er den Kriterien der
ökonomischen Validität, was wahrscheinlich einen der Hauptgrün-
de für die schnelle Verbreitung darstellt  aber der WAI hat auch
seine Grenzen.

Wir freuen uns sehr, dass wir mit Dr. Jürgen Tempel den „deut-
schen WAI-Botschafter“ für ein Interview gewinnen konnten. Herr
Dr. Tempel war Betriebsarzt bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-
Holstein AG und betreute knapp 1.600 Beschäftigte in Hamburg
und Schleswig-Holstein. Hier setzte er nicht nur erfolgreich den
WAI ein, sondern baute auch zusammen mit den Beschäftigten und
dem Management das „Haus der Arbeitsfähigkeit“.
BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die Welt.“ 139 A 3.4
Das Interview mit Herrn Dr. Jürgen Tempel fand am 22. Dezember
2014 statt. Als Autoren möchten wir uns an dieser Stelle herzlich
für die Unterstützung von Dr. Tempel bedanken.

Was zeichnet den WAI aus? Oder anders gefragt: Why WAI?
Dr. Tempel: Wenn ein Unternehmen sich ernsthaft mit den Aus-
wirkungen der betrieblichen Arbeitsanforderungen auf die Be-
schäftigten befasst, dann muss es sich auch mit der Beanspru-
chung der Betroffenen, den subjektiven Auswirkungen der Belas-
tungen auf diese befassen. Das Individuum rückt in den Mittel-
punkt und die Frage der betrieblichen Ressourcen, die das Unter-
nehmen zur Bewältigung der Arbeit zur Verfügung stellt.
Der WAI/ABI liefert uns eine Maßzahl für den Stand der Balance
zwischen der Belastung (Arbeitsanforderung) und der individuellen
oder kollektiven Beanspruchung, dem aktuellen Potenzial. Viele
Betriebe sind von Maßzahlen fasziniert, aber lassen Sie uns gleich
festhalten: Die Maßzahl alleine kann einen Menschen bei der Ar-
beit nicht ausreichend beschreiben. Die Zahl alleine ist nichts
wert! Das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ ist das arbeitswissenschaft-
liche Erklärungsmodell, mit dessen Hilfe der Stand der Balance
genauer beschrieben werden kann. Dieses beruht auf dem Belas-
tungs-Ressourcen-Beanspruchungs-Modell und auf der Durchfüh-
rung einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung, wie sie etwa in
den „Leitlinien Gefährdungsbeurteilung“ (GDA, 2011) festgelegt
ist. Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein, bei denen ich zuletzt
als Betriebsarzt tätig war, haben dieses Vorgehen in die Präambel
des „Demografie-Tarifvertrages“ aufgenommen. Damit stehen die
Rahmenbedingungen fest und der Hausbau kann mit einer Analyse
der konkreten Ausgangslage beginnen. Das Unternehmen (Ge-
schäftsführung und betriebliche Interessenvertretung) trägt dabei
die Verantwortung für folgende Punkte:
x Es gibt keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter mit einem
„schlechten WAI/ABI“! Es gibt Beschäftigte mit einer „sehr
stabilen“, „stabilen“, „instabilen“ oder „sehr instabilen“ Ba-
lance. Wie es dazu kommt, ist völlig ergebnisoffen.
x Deshalb muss der WAI/ABI mit Belastungs-Ressourcen-Fragen,
die arbeitswissenschaftlich gesichert sind kombiniert werden.
Dies gehört sozusagen in die Architektur und die Bauleitung.
x Die Organe der Interessenvertretung werden gebeten, nur
unter solchen Bedingungen der Benutzung des WAI/ABI  im
Rahmen des Hausbaus  zuzustimmen.
x Die zuständigen Berufsgenossenschaften können helfen bei der
Auswahl der Instrumente, mit denen der WAI/ABI kombiniert
wird.
3 A 140 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Buchtipp: Das Wichtigste zum betrieblichen Arbeitsfähigkeitsma-


nagement aus unserer eigenen Autorenschaft … Vom Hausbau über
das Navigationssystem bis zu den Erfolgsfaktoren. Dort werden
Ihnen die Instrumente zur Erfassung und die Handlungswege zur
Steigerung der Arbeitsfähigkeit aufgezeigt  ein Essential zum
betrieblichen Arbeitsfähigkeitsmanagement (Treier, 2015a).

Kurze Um das Verständnis der weiteren Ausführungen von Dr. Tempel zu


Unterbrechung erleichtern, stellt die } Abbildung 27 das berühmte Haus der Ar-
beitsfähigkeit dar (Tempel & Ilmarinen, 2013, S. 40 ff.). Dort wer-
den die die Arbeitsfähigkeit beeinflussenden Faktoren nebst wei-
terer Umgebung abgebildet.

Haus der Arbeitsfähigkeit


BGM ist für jedes Unternehmen eine Herausforderung, die
gut geplant sein muss. Juhani Ilmarinen hat für das große
Vorhaben ‚BGM‘ das anschauliche Bild des Hausbauens ver-
wendet  er stellt eines der Kernziele der Gesundheitsförde-
rung in der Arbeitswelt in den Mittelpunkt, nämlich den Er-
halt und die Förderung der Arbeitsfähigkeit, und fordert die
Unternehmen auf, das Haus der Arbeitsfähigkeit zu errichten.
Das Haus der Arbeitsfähigkeit besteht aus den miteinander
3 verknüpften Etagen ‚Gesundheit‘, ‚Kompetenz‘, ‚Werte‘ und
‚Arbeit‘ (Tempel & Ilmarinen, 2013, S. 40 ff.). Grundlage der
Idee ist die Interaktion der Prozesse, um eine Passung bzw.
Balance zwischen den Beschäftigten und der Arbeit zu errei-
chen. Hiernach liegt dann eine gute Arbeitsfähigkeit vor,
wenn die Beschäftigten mit den ihnen zur Verfügung stehen-
den Ressourcen die geforderte Arbeit gut leisten können.
Damit lehnt sich das Haus der Arbeitsfähigkeit an die Postula-
te der ressourcenorientierten Belastungs-Beanspruchungs-
Modelle an (} Abbildung 4, S. 26) (Treier, 2015a, S. 14). Ge-
nau wie beim realen Hausbau benötigt man ein belastbares
Fundament  die physische und psychische „Gesundheit“. In
der nächsten Etage steht „Kompetenz“ an der Etagentür.
Fachliche und methodische, persönliche und soziale Kompe-
tenzen ermöglichen es dem Beschäftigten, sich den mannig-
faltigen beruflichen Herausforderungen proaktiv zu stellen 
lebenslanges Lernen ist hierbei eine Schlüsselkompetenz.
„Werte“ steht auf dem nächsten Etagenschild. Werte und
Einstellungen steuern unser gesamtes Verhalten und beein-
flussen, was uns motiviert. Die Etage ist der Begegnungsraum
von Vorstellungen, Deutungen und Erwartungen. Das oberste
Stockwerk „Arbeit“ ist das größte, denn dort werden Ver-
hältnisfaktoren wie Führung, Organisation oder Arbeitsinhalt
behandelt (ª Kap. 4.1, S. 148). Hier finden sich all die Fak-
BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die Welt.“ 141 A 3.4
toren und Belastungsquellen, aber auch Ressourcen, die in
der eigenen Arbeit zu verorten sind: Soziale Faktoren wie
Führung und kollegiales Miteinander, arbeitsorganisationale
Faktoren wie Arbeitszeit- und Pausenzeitregelungen, Ar-
beitsumgebungsfaktoren wie Lärm sowie Arbeitsaufgabenfak-
toren wie Arbeitsdichte oder Verantwortungsdruck. Im Mikro-
kosmos der Arbeitsfähigkeit gibt es zahlreiche Interaktionen
zwischen den einzelnen Etagen  und von außen gibt es Ein-
flussfaktoren aus dem Makrokosmos, die die eigene Arbeits-
fähigkeit positiv fördern oder negativ beeinträchtigen kön-
nen. Dies sind Freunde und Familie, aber auch das persönli-
che Umfeld und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Ilma-
rinen und Kollegen konnten in zahlreichen Längsschnittstu-
dien die Postulate des Hauses der Arbeitsfähigkeit wissen-
schaftlich untermauern (Tuomi & Ilmarinen, 1999).
; Box 3-7: Haus der Arbeitsfähigkeit

„Das Haus der Arbeitsfähigkeit, das wir errichten wollen,


vermittelt eine realistische Vorstellung davon, wie das Zu-
sammenwirken von Menschen am Arbeitsplatz besser gestal-
tet werden kann.“ (Tempel & Ilmarinen, 2013, S. 59)

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} Abbildung 27: Haus der Arbeitsfähigkeit


3 A 142 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

Was sind Ihre Tipps aus über 20 Jahren Erfahrungen mit dem WAI
für den Anwender? Auf was sollte der Häuslebauer des Hauses der
Arbeitsfähigkeit achten?
Dr. Tempel: Bitte nehmen Sie sich Zeit für das Vorgehen. Erklären
Sie den Beschäftigten in jeder nur sinnvollen Form (manchmal
können dabei sehr lustige und durchaus kostengünstige Ideen ent-
wickelt werden) die Zielsetzung des Prozesses! Der Hausbau dient
den Beschäftigten bei der Bewältigung ihrer Arbeit, Unternehmen
wie Beschäftigte können in gleicher Weise dabei profitieren. Wenn
das nicht im Unternehmen klargestellt wird, machen die Mitarbei-
terInnen nicht mit bei den Befragungen, bringen ihre spezifische
Erfahrung nicht ein und beteiligen sich nicht bei der Erprobung
der Maßnahmen. Verständigen Sie sich darüber in den Ausschüs-
sen, überprüfen Sie bitte  immer wieder im Rahmen des Prozes-
ses  wie weit die höchste Führungsebene an dem Vorhaben teil-
nimmt oder nachhaltig einbezogen wird. Verständigen Sie sich
über das gemeinsame Handeln und die arbeitswissenschaftlichen
Grundlagen: Belastungen, Ressourcen, Beanspruchungen  Was
bedeutet das eigentlich? Wir haben meist feste Bilder im Kopf,
unsere gemeinsame betriebliche Vergangenheit kann voll von
schlechten Erfahrungen sein. Wollen wir im Kopf  womöglich
auch im Herzen  Platz schaffen für neue Bilder, dann brauchen
wir den 3. Stock des Hauses: Dort finden die Dialoge statt, die das
3 Fundament für gemeinsames Handeln bilden. Auch in „schweren
Zeiten“ und „schwierigen Situationen“ können wir dabei an einer
gewissen Systematik festhalten. Es gibt z. B. einen Befund durch
Gefährdungsbeurteilung oder Befragung der Beschäftigten:
x Wie ist dieser Befund zu beschreiben, wie ist das Ergebnis
entstanden?
x Was bedeutet dieser Befund aus arbeitswissenschaftlicher
Sicht (was sagen die Fachvertreter)?
x Wie sieht die Bewertung durch die Geschäftsführung oder die
Führungskraft aus, wie bewerten dies die Interessenvertretun-
gen?
x Unterschiedliche Sichtweisen sind legitim, wenn sie nicht aus-
gesprochen werden, dann schwelen sie als Konflikt im Unter-
grund weiter.
x Können und wollen wir trotzdem zu einem gemeinsamen Han-
deln kommen?
x Beim Hausbau gibt es keine Sieger oder Besiegte, wenn ein-
zelne Beteiligte nach „Vorherrschaft“ streben, dann wackelt
das Gebäude. Meist beginnt es mit Störungen im 3. Stock, die
Teilnahme an den Sitzungen geht zurück, die Arbeitszeit wird
für „andere Aufgaben“ benötigt und der Prozess kommt ins
Stocken.
BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die Welt.“ 143 A 3.4
Schließlich verlieren die Beteiligten das gemeinsame Ziel  die
Bewältigung des demografischen Wandels  aus den Augen: Was
kann und will das Unternehmen tun, was können und wollen Sie,
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, tun, damit Sie so lange wie
möglich, so gesund wie möglich  und möglichst auch mit Freude
 im Unternehmen arbeiten? (ª Kap. 6.1, S. 361)

20 Jahre WAI  wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Wie
wird sich die Arbeitsfähigkeit in Deutschland in den kommenden
20 Jahren verändern? Wie sieht Ihre Vision aus?
Dr. Tempel: Den demografischen Wandel, wie wir ihn jetzt erle-
ben, hat es in dieser Form bisher noch nie gegeben. Wir müssen
nach Möglichkeiten und neuen Wegen suchen, diese Entwicklung
zu bewältigen. Die Arbeitsanforderungen und Belastungen verän-
dern sich fortlaufend und müssen nur zu oft nicht nur dem Metho-
denwechsel und technologischen Fortschritt angepasst werden,
sondern auch den ökonomischen Rahmenbedingungen, wenn das
Unternehmen überleben will. Wie aber verändern sich die Be-
schäftigten im Laufe ihres Arbeitslebens?
x Wie wird sich die Balance zwischen dem Unternehmenswunsch
nach „hoher Produktivität“ und „guter Qualität“ der Arbeit
entwickeln, wenn das „Wohlbefinden“ und die „Lebensquali-
tät“ der Beschäftigten übersehen oder möglicherweise be-
wusst missachtet werden?
x Welche Rahmenbedingungen brauchen wir, damit diese Balan-
ce erfolgreich untersucht, gegebenenfalls wieder hergestellt
und stabilisiert werden kann. Wo sind die Grenzen der wirt-
schaftlichen Kalkulation, welche Planungsrahmen werden ein-
gerichtet, reichen dafür Jahresbilanzen?
x Die Heraufsetzung des Rentenalters alleine sagt über die Ent-
wicklung der Balance in einem Unternehmen gar nichts aus.
x Die Arbeitsgestaltung und der Umgang mit Menschen in insta-
biler oder sehr instabiler Balance wird die Zukunft eines Un-
ternehmens richtungweisend mit entscheiden.
x Die Unternehmen, die mit dem Hausbau beginnen, werden
dabei Konkurrenzvorteile haben.
Wir wünschen uns Gesundheit und nur zu oft wird geschrieben
oder behauptet: „… ohne Gesundheit ist alles Nichts!“ Und was
machen wir bei der Arbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern, die durch Krankheit aus der Balance geraten? Der WAI-/ABI-
Fragebogen ist ein Instrument mit zwei Gesichtern: Neben der
Maßzahl bilden die sieben Fragen eine erprobte Grundlage für
mitarbeiterzentrierte Dialoge im Rahmen der betriebsärztlichen
Betreuung und der gemeinsamen Suche nach Möglichkeiten, die
persönliche Seite der Balance, die individuellen Ressourcen wie-
3 A 144 Maxime: Risiken bestimmen + Ressourcen fördern

derzustellen und zu stärken. Führungskräfte, Mitarbeiter und Be-


triebsärzte können in diesen Prozess gemeinsam einbringen.
Wie ist es bestellt um das Betriebliche Eingliederungsmanagement
(BEM) nach § 84 SGB IX? Krankheit bedeutet nicht automatisch den
Verlust der Arbeitsfähigkeit. Wir können Arbeitsabläufe so gestal-
ten, dass Menschen im Arbeitsleben verbleiben! Wir werden die
zukünftige Betriebskultur  und wieder sind wir im 3. Stock  da-
ran messen können, wie mit den „instabilen“ und „sehr instabi-
len“ Beschäftigten umgegangen wird. Der Fragebogen und der
Hausbau können hier ebenfalls mithelfen. Vielleicht ist der 3.
Stock der entscheidende Ort zukünftiger Entwicklungen und wie
weit es gelingt, Dialoge mit gemeinsamen Entscheidungen zu ver-
binden. Die wissenschaftlichen Fundamente sind dafür auf jeden
Fall geschaffen.

Für Sie gelesen  von uns empfohlen:


Kaluza, G. (2014). Gelassen und sicher im Stress. Springer.
Gert Kaluza zeichnet in verständlichen Worten ein umfangreiches
Bild zum Thema „Stress“. Über die Notwendigkeit des Stresses,
die Entstehung von Fehlbelastungen, die Wirkung von Ressourcen
und v. a., was man daraus für sich selbst machen kann. Mit aus-
führlichen Beschreibungen und zahlreichen Übungen wird der Weg
3 durch ein Leben mit dem Stress bereitet. Kaluzas Zauberformel im
Bereich der regenerativen Stresskompetenz lautet …

Gelassen und sicher im Stress =


erholen † bewegen † genießen † entspannen

Tempel, J. & Ilmarinen, J. (2013). Arbeitsleben 2025. VSA.


Gemeinsam mit Prof. Dr. Juhani Ilmarinen hat unser Inter-
viewpartner Dr. Tempel in seinem Buch „Arbeitsleben 2025“ die
langjährigen Erfahrungen dokumentiert und einen Blick in die
Zukunft der Beschäftigungsfähigkeit gewagt.

 Zusammenfassung zu den Risiken


x Belastungen: Das Gesamtmaß der & Belastungen setzt sich
zusammen aus beruflichen (ca. 40-prozentige Gewichtung)
und außerberuflichen Belastungen (ca. 60-prozentige Gewich-
tung). Das BGM hat primär die beruflichen Belastungsmomen-
te im Blick. Im Idealfall können individuenzentrierte Optimie-
rungen der Belastungssituationen vorgenommen werden. Be-
lastungsmomente finden sich u. a. in den Arbeitsbedingungen,
in der Arbeitsaufgabe, in der Qualität sozialer Beziehungen
und in der Führung.
BGM im Dialog: „Ein Fragebogen erobert die Welt.“ 145 A 3.4
x Analyse: In der betrieblichen Praxis werden nach Kosten-
Nutzen-Aspekten Entscheidungen getroffen, so auch im BGM:
Mithilfe geeigneter Analyseverfahren sollten die kritischen Be-
lastungsmomente identifiziert und geeignete Maßnahmen für
bestimmte Zielgruppen (Altersgruppen, Geschlecht u. a.) ab-
geleitet werden. Die Herausforderung besteht in der Festle-
gung der Korngröße.
x Ressourcen: Mit den & Ressourcen verhält es sich ähnlich wie
mit den Belastungen. Nach Analyse der zur Verfügung stehen-
den internalen bzw. persönlichen und externalen bzw. von
außen kommenden Ressourcen lassen sich auch hier Maßnah-
men ableiten: Trainings, Seminare und Fortbildungen zur För-
derung internaler Ressourcen und & Empowerment der Füh-
rungskräfte im Umgang mit gesundheitsrelevanten Themen
sowie teambildende Maßnahmen für die Stärkung der sozialen
Unterstützung zur Förderung externaler Ressourcen.
x Beanspruchungsfolgen: Neben den objektiven Maßen (z. B.
Fehlzeitenquote oder Gesundheitsbericht der Krankenkasse)
ist es wichtig, auch subjektive Maße aus Beschäftigtenbefra-
gungen zu generieren. Die objektiven Maße liefern auch einen
Blick in die Vergangenheit und sind oftmals tertiärpräventiver
Natur. & Prävention im eigentlichen Sinne ist nur möglich
durch die Berücksichtigung primär-, sekundär- und tertiärprä-
ventiver Indikatoren aus objektiven und subjektiven Daten
(Datenlandschaft). Neben Belastungen und Ressourcen stellen
Beanspruchungsfolgen die dritte Evaluationskategorie bei der
Erfolgsbeurteilung im Gesundheitsmanagement dar.
x Indikatoren: Wir unterscheiden bei den Beanspruchungsfol-
gen zwischen Früh- und Spätindikatoren. Zunahme der Fehl-
zeiten, Steigerung der & Fluktuation, Abnahme der Arbeits-
qualität und Produktivität sowie die Zunahme an innerer Kün-
digung zeigen, dass im Bereich Gesundheit etwas schief läuft.
Mithilfe der Frühindikatoren können wir präventiv die Risiken
bestimmen. Typische Frühindikatoren sind psychosoziales
Wohlbefinden, Gesundheitszustand, soziale Störungen, Ver-
trauen in Führung oder das Gesundheitsverhalten.
x Arbeitsfähigkeit als Indikator: Der Work Ability Index (Ar-
beitsbewältigungsindex) ist eine anerkannte Maßzahl, um die
Balance zwischen der Belastung (Arbeitsanforderung) und der
individuellen oder kollektiven Beanspruchung abzubilden. Zur
Interpretation und zur Ableitung von Maßnahmen benötigt
man ein Erklärungsmodell  in diesem Fall das arbeitswissen-
schaftlich abgesicherte „Haus der Arbeitsfähigkeit“.
 Check-Liste 6: Risiken bestimmen und Ressourcen fördern
4 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

KAPITEL 4: Nachdem in den vorherigen Kapiteln die theoreti-


schen Grundlagen mit ersten praktischen Hinweisen geliefert wur-
den, geht es jetzt um konkrete Umsetzungsmöglichkeiten von Prä-
ventionsmaßnahmen. Beispielhaft wollen wir Ihnen mögliche Wege
aufzeigen, um den Präventionsauftrag zu erfüllen.
K4
Unsere Leitfragen …
ŹKap. 4.1: Verhaltens- und Verhältnisprävention (Seite 148)
Warum unterscheidet man zwischen Verhaltens- und Verhältnisprävention?
ŹKap. 4.2: Alle Werkzeuge sind sortiert  Die Toolbox BGM (Seite 154)
Wie sieht die Toolbox mit verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen aus?
Wie sieht die Anwendung in der Praxis aus?
ŹKap. 4.3: Werkzeuge für die Psyche (Seite 157)
Stress, psychische Erkrankungen und Konflikte sind in aller Munde 
was bedeutet das genau für das betriebliche Gesundheitsmanagement?
ŹKap. 4.4: Werkzeuge für den Körper (Seite 169)
Ein gesunder Geist soll in einem gesunden Körper leben 
welchen Stellenwert haben hier Bewegung und Ernährung?
ŹKap. 4.5: Werkzeuge für das Wissen (Seite 181)
Informations- und Kommunikationsmanagement sind in jedem Projekt von großer
Bedeutung  welche Anforderungen stellt das Themenfeld ‚Gesundheit’?
ŹKap. 4.6: Werkzeuge für die Motivation (Seite 184)
Wie kann man die Mitarbeiter fürs BGM begeistern?
ŹKap. 4.7: Werkzeuge für das Verhalten (Seite 188)
Und warum ist es eigentlich so schwierig, sich gesundheitsgerecht zu verhalten?
ŹKap. 4.8: BGM im Dialog u. a. mit Prof. Dr. Jochen Gurt (Seite 198)
Welche Bedeutung hat Gesundheitskultur?
Wie erzielen wir Nachhaltigkeit im BGM?
Welche Rolle spielen dabei Führung und Kommunikation?

Chef: „Wir sollten mal was für die Gesundheit unserer Leute tun.
Unsere Kosten durch krankheitsbedingte Abwesenheit sind defini-
tiv zu hoch!“
Personaler: „Der Klaus R. aus der Instandhaltung hatte mich auch
schon angesprochen. Er ist früher regelmäßig gelaufen und wollte
bei uns eine Betriebssportgruppe anbieten.“

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
4 A 148 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Chef: „Prima! Dann machen wir es aber richtig und Nägel mit
Köpfen. Geben Sie Herrn R. noch zwei ausgebildete Lauftrainer an
die Hand und dann geht es los. Wir machen das auf dem kleinen
Dienstweg: 15 000,- € für das Projekt mit Prämien fürs Mitmachen
und in einem Jahr sprechen wir uns wieder  dann will ich aber
ein Prozent weniger in der Fehlzeitenquote haben!“

So oder so ähnlich läuft es in Betrieben. Man erkennt, dass ein


Problem da ist  hier die Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzei-
ten  und greift auf vereinfachte Heuristiken und assoziative Maß-
nahmen zurück. Die Folgen sind geringe Resonanz in der Mitarbei-
terschaft durch fehlendes Projektmarketing und eine Maßnahmen-
auswahl, die aufgrund fehlender Ursachenanalyse an den Ursachen
vorbeigeht, sodass unterm Strich die Investitionskosten versenkt
werden und das Problem bleibt. Wenn das Problem „zu hohe Kos-
ten“ heißt und das Ziel darin besteht, diese Kosten zu senken,
dann ist die Aufgabenstellung keineswegs trivial. Vielmehr ist ein
systematisches Vorgehen über den Dreischritt „Analyse – Interven-
tion – Evaluation“ erforderlich. Um Analyse und Evaluation geht es
im Kap. 5 (ª S. 215). Jetzt wollen wir uns mit der Systematik der
Interventionen beschäftigen.

4.1 Verhaltens- und Verhältnisprävention


Schlüssel zum Tuomi und Ilmarinen (1999) zeigten mithilfe mehrerer Längs-
Erfolg
4 schnittstudien aus den 1980er- und 90er-Jahren einen „natürli-
chen Entwicklungsverlauf“: Mit zunehmendem Lebensalter nimmt
die Anzahl der somatischen und psychischen Erkrankungen zu,
deutlich beschleunigt v. a. die chronifizierten Beschwerden wie
Muskel- und Skelettbeschwerden, Depressionen und Angststörun-
gen, also die Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts (ª Kap. 1,
S. 15). Hiermit einher geht eine sinkende Leistungsfähigkeit. Die-
ses Naturgesetz kann allerdings gebrochen bzw. zum Teil aufge-
halten werden. Tuomi und Ilmarinen (1999) identifizieren verhal-
tens- und verhältnispräventive Interventionen als Schlüssel zum
Erfolg  erfolgreich v. a. im Kombipaket. Allein gesunde Ernäh-
rung, ausreichend Bewegung sowie Ruhe und Gelassenheit im
Stress reichen aus, um die natürliche Minderung der Arbeitsfähig-
keit mit dem Alter um ungefähr drei bis vier Jahre zu verzögern.
Drei bis vier Jahre mehr Leistungsfähigkeit und gleichzeitig mehr
Wohlbefinden sind schon Grund genug, um verhaltenspräventiv zu
beginnen. Der große Wurf wird allerdings erst dann möglich, wenn
neben verhaltens- auch verhältnispräventive Interventionen umge-
setzt werden. Neben der individuellen Gesundheitsförderung (ver-
haltenspräventiv) bedarf es auch der ergonomischen Arbeitsge-
staltung und einer gesundheitsförderlichen Führung (verhältnis-
Verhaltens- und Verhältnisprävention 149 A 4.1
präventiv). Die } Abbildung 28 nach Richenhagen (2007a) in An-
lehnung an der Längsschnittstudie von Tuomi und Ilmarinen (1999)
zeigt den Verlauf der Arbeitsfähigkeit über das Alter (a) ohne In-
terventionen, (b) mit Verhaltensprävention und (c) mit Verhal-
tens- und Verhältnisprävention. Altersgerechte Personalarbeit
muss nach Richenhagen (2007a) zudem die & Employability för-
dern und erhalten.

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} Abbildung 28: Verlauf der Arbeitsfähigkeit („Ilmarinen-Richenhagen-


Kurve“) nach Richenhagen (2007a)

Wie so oft im Leben macht es der richtige Mix aus unterschiedli- Komplexität
chen Interventionen. Wenn ein Patient mit Bluthochdruck zum Gesundheit  der
Arzt kommt und blutdrucksenkende Medikamente erhält, wird sich richtige Mix an
das positiv auf die Beschwerden auswirken  Nachhaltigkeit ist Maßnahmen
allerdings nicht garantiert. Ein verantwortungsvoller Arzt wird
deshalb nicht „quick and dirty“ nur ein Medikament verschreiben,
um einen Quick Win im Sinne der Blutdrucksenkung zu erzielen,
sondern die Lebensweise des Patienten eruieren (Anamnese) und
somit den Ursachen auf den Grund gehen: Stress im Beruf, Ärger
im Privaten, suboptimale Ernährung oder zu wenig Bewegung? All
dies können Ursachenfaktoren sein, die den Blutdruck nach oben
peitschen  die alleinige Gabe von Medikamenten würde hier zu
kurz greifen. Häufig wird aber die einfache Lösung gewählt; es
wird das angepackt, was auf der Hand liegt. Dörner (2003) führt
uns vor Augen, dass wir immer wieder beim strategischen Denken
an komplexen Aufgaben scheitern, weil wir die Komplexität zu
simplifizieren versuchen und auf Altbewährtes zurückgreifen,
statt zu prüfen, ob nicht neue Wege erforderlich sind. So pro-
grammieren wir quasi selbst systematische Fehler in unseren Den-
ken und Handeln. Und da jeder etwas zum Thema Gesundheit
sagen kann und sich selbst einen gewissen Expertenstatus zuweist
4 A 150 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

(Selbsttherapie), werden häufig nur Bruchstücke aus der Komple-


xität „Gesundheit“ beleuchtet und Standardinterventionen einge-
setzt mit dem beschriebenen kurzfristigen Erfolg.

Pflicht- und In Anlehnung an Brandenburg et al. (2000) lassen sich deshalb


Kürprogramme auch Pflicht- und Kürmodule unterscheiden. Unter Kürmodule
werden die Interventionen gefasst, die wir spontan assoziieren,
wenn wir an Gesundheit denken:
x Aufklärung und Beratung zu Ernährung, Sucht, psychosozialen
& Belastungen und speziellen Risiken wie Muskel- und Skelett-
oder psychischen Beschwerden.
x Gesundheitsförderungsprogramme zur körperlichen (Bewe-
gung) und psychischen Fitness (kognitive Techniken) sowie die
Steigerung der Erholungsfähigkeit.
Der Einsatz der Kürmodule in Präventionsprogrammen ist wichtig
und richtig, denn so werden die Erwartungen der Teilnehmer er-
füllt  allerdings dürfen sich die Interventionen nicht ausschließ-
lich darauf beschränken. Kürmodule sollten die Pflichtmodule
flankieren. Pflichtmodule sind in den meisten Fällen struktur- und
prozessorientiert und damit größtenteils nicht unmittelbar mit der
individuellen Gesundheit assoziiert. Deshalb finden sie bei den
Abnehmern auch nicht einen sofortigen Zuspruch, da sie sich nicht
direkt auf die eigene Leidensgeschichte beziehen:
x Zur Gestaltung der Arbeitswelt gehören die ergonomische
Arbeitsplatzgestaltung, die Optimierung der Arbeitsorganisati-
4 on mit Arbeitszeit- und -pausengestaltung sowie die Mitwir-
kung der Betroffenen bei Beschaffungsentscheidungen.
x Das Informations- und Kommunikationsmanagement umfasst
Arbeitskreise, Mitarbeiter- und Rückkehrgespräche, Bera-
tungsgespräche zu speziellen Gesundheitsthemen und Ge-
sundheitsevents.
x In der psychosozialen und arbeitsmedizinischen Betreuung
geht es um die Aufklärung, Beratung und Früherkennung spe-
zieller Gesundheitsrisiken sowie individuelle Angebote für be-
sondere Zielgruppen (z. B. schweres körperliches Arbeiten,
Arbeiten mit Gefahrstoffen).
x Zur Mitarbeiterbeteiligung gehört eine regelmäßige Befragung
über & Belastungen, & Ressourcen, & Beanspruchungsfolgen
sowie Wünsche und Vorstellungen zum Bereich Gesundheit.
Des Weiteren fördern & Gesundheitszirkel, Gruppenarbeit und
ein betriebliches Verbesserungsvorschlagswesen die Partizipa-
tion und somit die Akzeptanz von Maßnahmen.
x Das & betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84, Abs.
2, SGB IX (2004) greift nach 42 Tagen krankheitsbedingtem
Fehlen innerhalb von 12 Monaten. Der Arbeitgeber hat den be-
Verhaltens- und Verhältnisprävention 151 A 4.1
troffenen Mitarbeitern Unterstützung anzubieten, um „die Ar-
beitsunfähigkeit möglichst zu überwinden“ und zu klären,
„mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähig-
keit vorgebeugt werden kann.“ (Ebd.) Konkret können mit Zu-
stimmung der Betroffenen individuelle Wiedereingliederungs-
pläne gestaltet oder Umgestaltungserfordernisse des Arbeits-
platzes oder der -mittel geprüft und umgesetzt werden.

Pflicht- und Kürprogramme


Die Kürmodule unterstützen verhaltenspräventiv unmittelbar
den Menschen, die Pflichtmodule sind vergleichsweise stärker
verhältnispräventiv mittelbar über Arbeitsprozesse und
Strukturen ausgerichtet, sodass Nachhaltigkeit in die Inter-
vention kommt. Das Schlüsselwort ist hier die Nachhaltigkeit,
die sich sowohl objektiv in den Gesundheitskennzahlen als
auch subjektiv in der Gesundheitskultur niederschlägt
(ª Kap. 4.8, S. 198). Die Äußerung ihrer Wirksamkeit benö-
tigt jedoch länger Zeit als unmittelbare personenbezogene
Programme. Das Warten rechnet sich aber.
; Box 4-1: Kür- und Pflichtmodule in Präventionsprogrammen

Gesundheitskultur sollte unsere Zielvariable sein, damit die


betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen nachhaltig im System
Unternehmen verankert werden.

Kulturverantwortliche sind in erster Linie die Führungskräfte eines Ansatzpunkt


Unternehmens, die den Aufbau und Erhalt eines BGM im Prozess Führung
maßgeblich fördern, beschleunigen und stabilisieren können  sie
sind Kulturentwickler, -promotoren und -bewahrer. Die & Ge-
sundheitskultur manifestiert sich in Basisannahmen und -werten,
die sich im Umgang mit der Gesundheit in der Arbeitswelt entwi-
ckelt haben, vom Großteil der Belegschaft akzeptiert und als
Selbstverständlichkeit angesehen werden (vgl. Schein, 1990; Elke,
2001). Hier findet die Sinnhaftigkeit von BGM ihren Niederschlag,
ebenso wie die Relevanz der Gesundheit als humanes Kriterium im
Vergleich zu ökonomischen Kriterien (Wirtschaftlichkeit, Produkti-
vität, Innovation). & Gesunde Führung wirkt sich auf das Gesund-
heitsverhalten der Mitarbeiter und die Gesundheitskultur aus.
Führungskräfte haben in der modernen Arbeitswelt zunehmend Warum gerade
komplexere Aufgaben zu meistern. Führungskräfte bilden keine Führungskräfte?
starre Hierarchieinstanz ab, sondern sind Teil eines lebendigen
Organismus (Schröder, 2013). Neben fachlichen und methodischen
Kompetenzen sind daher v. a. auch soziale Fähigkeiten und Fer-
tigkeiten wie Kommunikation, Konfliktmanagement, Motivation
und Empowerment gefragt. Darüber hinaus kommt dem Umgang
mit psychisch auffälligen Mitarbeitern eine immer größere Bedeu-
4 A 152 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

tung im betrieblichen Alltag zu (ª Kap. 1.2, S. 25). Ist die Füh-


rungskraft all dem nicht gewachsen, entstehen an vielen Stellen
Reibungsverluste durch Stress, Erkrankungen und fehlende Ein-
satzbereitschaft auf beiden Seiten: für den Mitarbeiter und die
Führungskraft selbst. Gute und erfolgreiche Führungsarbeit zeich-
net sich durch die ausgewogene Berücksichtigung ökonomischer
und humaner Leistungskriterien aus, denn gute Leistung kann nur
von gesunden Mitarbeitern erwartet und erbracht werden. Und
hier sind wir am entscheidenden Punkt angelangt: In tradierten
Unternehmen finden wir auf den Führungsetagen häufig altgedien-
te Fachexperten, denen arbeitsinhaltlich kaum einer das Wasser
reichen kann, deren Ausbildung jedoch nicht beinhaltete, wie man
Mitarbeitern authentisch begegnet, sie einbindet, sie in ihren
Gesundheitskompetenzen fördert und in die Lage zu einer aktiven
Teilhabe versetzen kann. Aus unserem täglichen Beratungsge-
schäft kennen wir die beschriebenen Defizite recht gut und wis-
sen, dass häufig das richtige soziale Fingerspitzengefühl fehlt.
Gutes und gesundes Führen bedeutet, zu wissen, welche Person
man in welcher Situation führt! Führungskräfte müssen ihr Gespür
schulen, um im Dialog Bedürfnisse und Erwartungen, genauso wie
Kompetenzen und Grenzen des Mitarbeiters zu berücksichtigen,
damit anschließend der Griff in den Werkzeugkasten der Füh-
rungsinstrumente ein Erfolg wird und es gelingt zu partizipieren,
zu motivieren und zu befähigen.

Eine Übersicht zur „gesunden Führung“ mit zahlreichen konkreten


4 Hinweisen und Tipps für die Praxis finden Sie bei Matyssek (2011 &
2013). Im Kap. 4.8 (ª S. 198) haben wir Anne Katrin Matyssek
interviewt, um Ihnen im O-Ton die Botschaften zu vermitteln.

Gesunde Führung & Gesunde Führung generiert mittel- und langfristige Erfolge. Die
Auswahl der folgenden Führungsinstrumente entstammt der „Bo-
chumer Schule“ des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsy-
chologie und stützt sich wissenschaftlich auf zahlreiche For-
schungsprojekte (u. a. GAMAGS, IKARUS und Gesunde Finanzver-
waltung NRW; Zimolong, 2001; Zimolong & Kohte, 2006; Zimolong,
Elke & Bierhoff, 2008). Zu den Führungsinstrumenten für mittel-
fristige Erfolge gehören:
x Beteiligung und Einbindung: Die Führungskraft identifiziert
Multiplikatoren unter den Mitarbeitern und überträgt gezielt
gesundheitsrelevante Aufgaben (z. B. Beschaffen von Informa-
tionen zur gesunden Ernährung). In der Startphase eines BGM
sollte es nicht das Ziel sein, eine 100-prozentige Beteiligungs-
quote zu erzielen. Vielmehr geht es darum, attraktive Ange-
bote zu installieren und Best Practices zu streuen. So erreicht
man über Ansteckungseffekte mit der Zeit immer mehr Mitar-
Verhaltens- und Verhältnisprävention 153 A 4.1
beiter. Darüber hinaus sollten Führungskräfte die Mitarbeiter
frühzeitig und dauerhaft in gesundheitsbezogene Entscheidun-
gen einbeziehen  das schafft Vertrauen und Akzeptanz!
x Förderung von Eigeninitiative: Führungskräfte sollten die Mit-
arbeiter unterstützen und anhalten, Vorschläge zur BGF und
zum BGM zu liefern. Am besten integriert man das Thema
„Gesundheit“ ins betriebliche Vorschlagswesen.
x Übernahme von Verantwortung: Nur wer Gesundheit vorlebt,
ist authentisch und kann mitreißen! Das heißt nicht, dass die
Führungskräfte zu Asketen transformiert werden, vielmehr
geht um einen gesundheitsförderlichen Führungsstil und die
Gestaltung einer gesunden Arbeitswelt. Führungskräfte sollten
hier beteiligen, aber auch zeigen, dass die Verantwortung bei
ihnen bleibt! Sie sind für BGM/BGF mit verantwortlich.
x Weitergabe von Informationen: Die Führungskraft sollte das
Thema Gesundheit in alle formellen Gesprächssituationen
(z. B. Dienstbesprechungen, Abteilungsversammlungen) pro-
minent platzieren und auch informell flankieren (z. B. durch
Nachfragen beim Pausenkaffee)  aber Vorsicht: Es kommt wie
so oft auf das richtige Maß an; weder zu viel noch zu wenig!

Langfristige und nachhaltige Erfolge werden v. a. über folgende


„Führungsinstrumente“ erzeugt:
x Systematische Führung: Mit den Mitarbeitern werden gemein-
same Ziele vereinbart, die in der BGF erreicht werden sollen.
An dieser Stelle gilt die Weisheit der Motivationspsychologen:
Das Ziel muss mit Anstrengung erreicht werden, aber es muss
erreicht werden können. Auch gilt es zu vereinbaren, wann
und wie die Zielerreichung kontrolliert wird (z. B. Definition
von Meilensteinen) und wer wem Rückmeldung gibt. So ent-
stehen Transparenz und Sicherheit.
x Ziehen von Konsequenzen: Wenn die vereinbarten Ziele nicht
erreicht wurden, müssen daraus Konsequenzen gezogen wer-
den. In den meisten Fällen reicht eine gemeinsame Reflexion
zwischen Mitarbeiter und Führungskraft über die Ursachen der
Nicht-Zielerreichung aus. Wichtig ist hier, dass beide daraus
lernen und zukünftig Ziele detaillierter oder abstrakter, kurz-
oder langzyklischer festlegen. Auch können personenbezogene
wie Selbstüberschätzung oder systembezogene Ursachen wie
Ressourcenmangel verantwortlich sein. Es muss evtl. auch die
Aufgabenübertragung überdacht werden.
x Anerkennung: Genauso wichtig wie das Konsequenzenziehen
bei schlechter Leistung ist das Aussprechen und Zeigen von
Anerkennung bei guter Leistung. Viele Führungskräfte denken
(immer noch), für eine korrekte Zielerreichung werden die
4 A 154 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Mitarbeiter doch bezahlt. Doch die Wirkung von ausbleibender


Anerkennung und Wertschätzung ist fatal: So entsteht Demoti-
vation seitens der Mitarbeiter. Dabei ist unter Kosten-Nutzen-
Aspekten die Anerkennung kaum zu schlagen: Es kostet, wenn
überhaupt, nur etwas Zeit, auf der anderen Seite wird ein
menschliches Grundbedürfnis befriedigt und das gezeigte Ver-
halten im lernpsychologischen Sinne positiv verstärkt.
x Fairness: Das gesprochene Wort, die Leistungsbeurteilung oder
die Zuweisung von Anreizen (Incentives) und Karriereaufstie-
gen werden alle von der Fairness der Führungskraft moderiert.
Wer sich unfair behandelt fühlt, wird früher oder später krank
(Siegrist, 1996). Vielfach resultiert das Empfinden von Unfair-
ness in nicht ausgetauschten Erwartungen und daraus resultie-
renden Erwartungsbrüchen  solche Probleme hat man ver-
gleichsweise schnell vom Tisch.

Hinweis: In der Personalpsychologie gibt es Hinweise, dass die


transformationale Führung eher einen gesundheitsförderlichen
Effekt aufweist als klassische Austauschstile (transaktionale Füh-
rung). Transformationale Führung basiert auf Emotionalität. Füh-
rungskräfte haben Visionen, inspirieren, stimulieren intellektuell
und sind charismatisch (vgl. Treier, 2009a, S. 300).

Die erläuterten Führungsstile haben immer gesundheitliche,


aber auch allgemeine arbeitsbezogene Inhalte. Das Rad muss
also grundsätzlich nicht neu erfunden werden  in den meis-
4 ten Fällen jedenfalls nicht! Funktionieren kann das alles
nur, wenn die Führungskraft ihre & gesunde Führung in
einer gesunden Arbeitswelt entfalten kann. Es bedarf also
eines Managements, das humane und ökonomische Kriterien
als gleichrangige oder zumindest in einem ausgewogenen
Verhältnis zueinander definierte Ziele versteht. Das Ma-
nagement muss von den Vorgesetzten der unteren und mitt-
leren Ebenen die Implementierung von Gesundheit in den Ar-
beitsalltag fordern und durch Ressourcenbereitstellung för-
dern. So entstehen organisationale Gesundheitsstrukturen,
die von der Gesundheitskultur getragen werden.

4.2 Alle Werkzeuge sind sortiert: Die Toolbox BGM

Die im Kapitel 4.1 vorgestellte Systematik von verhaltens- und


verhältnispräventiven Maßnahmen soll folgend ausgeweitet und in
Form einer beispielhaften „Toolbox BGM“ konkretisiert werden
( Tabelle 4-1, S. 155). Die Inhalte dieser Toolbox fokussieren in
erster Linie primär- und sekundärpräventive Maßnahmen und Pro-
Alle Werkzeuge sind sortiert: Die Toolbox BGM 155 A 4.2
gramme. Beispielhafte Werkzeuge werden bereitgestellt für Psy-
che, Körper, Wissen, Motivation und Verhalten (vgl. Uhle, 2010).

In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Werkzeuge vorge-


stellt. Beispiele für Maßnahmen befinden sich auf der Website des
Buches beim Springer Verlag. Wenn Sie Fragen zu den Werkzeugen
haben oder mehr Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte
an Thorsten Uhle.

 Tabelle 4-1: Toolbox BGM

Beispiele für
Verhaltensprävention Verhältnisprävention
Maßnahmen
Werkzeuge für die Psyche Kap. 4.3, S. 157
x Optimierter Um- x Aufstellen ver-
gang mit Konflik- bindlicher Verhal-
ten tensregeln
x Optimierter Um- x Räume der Bewe-
gang mit emotio- gung und Ruhe
nalen Dissonanzen schaffen
x Optimierter Um- x Arbeitszeiten-
gang mit Belas- modelle
tungen aus der x Arbeitspausen- Workshop
Arbeitsorganisati- modelle Wie wir miteinander
on x Work-Life- arbeiten wollen!
x Eigene Stressoren Balance-Konzepte
reflektieren x Gesprächs-
x Systematische angebote Seminar
Präventions- und Entspannte
Entspannungs- Mittagspause!
techniken lernen
und einsetzen
Werkzeuge für den Körper Kap. 4.4, S. 169
x Information und x Ernährungsange-
Sensibilisierung bote vor Ort op- Im Buch dargestellt!
hinsichtlich Er- timieren
nährung x Bewegungsange-
x Information und bote vor Ort op-
Sensibilisierung timieren
hinsichtlich Be- x Spezifische Ange-
wegung bote vor Ort zu
x Information und Zivilisationsrisiken
Seminar
Sensibilisierung optimieren
hinsichtlich Zivili- Genuss statt Frust!
sisationsrisiken
4 A 156 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Beispiele für
Verhaltensprävention Verhältnisprävention
Maßnahmen
Werkzeuge für das Wissen Kap. 4.5, S. 181
x Erweiterung der x
Informations- und
persönlichen Ge- Kommunikations-
sundheits- management
kompetenzen x Möglichkeiten des
x Austauschbereit- Erfahrungsaus-
schaft aktivieren tausch erweitern
x Austausch zwi-
schen Wissen- Seminar
schaft und Praxis Was ist Stress?
organisatorisch
ermöglichen
Werkzeuge für die Motivation Kap. 4.6, S. 184
x Mitarbeiter ge- x
Gesundheits-
zielt hinsichtlich aspekte und Mit-
ihrer persönlichen arbeiterorientie-
Ressourcen ent- rung in Organisa-
wickeln tionsstrukturen
x Feedback zum berücksichtigen
x Gesundheits-
Fortschritt im Be-
reich Gesundheit aspekte und Mit-
durch Experten arbeiterorientie-
geben rung in Führungs- Workshop
x Coaching durch prinzipien berück-
Gesund Führen!
Experten sichtigen
x Gesundheitsför-
4 derliche Anreize
schaffen
Werkzeuge für das Verhalten Kap. 4.7, S. 188
x (Tertiär-) präven-
x Zur Selbstverant- tive Beratungsan- Im Buch dargestellt!
wortung z. B. im gebote und Pro-
Hinblick auf gramme
„Stresserkrankun- x Austauschforen
gen“ sensibilisie- anbieten (siehe
ren Kommunikation)
x Erkennen persön- x Niederschwellige
licher Risiken und Angebote realisie-
Umgang mit selbi- Beratung
ren
gen x Selbstchecks und Psychosoziale
x Gesundheitsver- andere Instrumen- Beratung
halten kritisch re- te zur Sensibilisie-
flektieren rung implemen-
x Achtsamkeit stei- tieren
gern helfen
Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 157 A 4.3

4.3 Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte …

& Psychische Störungen sind in Deutschland weit verbreitet und Verbreitung von
belasten den Betroffenen, das Unternehmen und die Volkswirt- psychischen
schaft. Die Produktionsausfallkosten aufgrund psychischer Störun- Störungen
gen beziffert die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme-
dizin (BAuA) für 2013 auf knapp 8 Mrd. Euro pro Jahr (SUGA, 2014,
S. 161). Der Ausfall an Bruttowertschöpfung beträgt 14 Mrd. Euro.
Die Zahl der Frühverrentungen, veranlasst durch psychische Stö-
rungen, ist von 2002 bis 2012 von 50.000 auf 75.000 Fälle gestie-
gen  im gleichen Zeitraum sind muskuloskelettale Beschwerden
von 40.000 auf 25.000 Fälle gesunken und andere Erkrankungen
wie Herz-Kreislauf, Nervensystem und Atmung stagnieren (vgl.
BPtK, 2013). Nach einer repräsentativen epidemiologischen Studie
von Wittchen & Jacobi (2012), die einen Schnitt der Allgemeinbe-
völkerung zwischen 18 und 65 Jahren abbildet, beträgt die Wahr-
scheinlichkeit für jeden von uns, innerhalb eines Jahres irgendei-
ne psychische Störung zu bekommen (12-Monats-Prävalenz), 33
Prozent. Am häufigsten treten Angststörungen (16 %) gefolgt von
Alkoholstörungen (13 %) und (unipolaren) Depressionen (8 %) auf.
Diese deutliche Überrepräsentanz psychischer Störungen gegen-
über somatischen Beschwerdebildern verlangt auch andere Unter-
stützungs- und Hilfsangebote in der Arbeitswelt für die Beschäftig-
ten – sowohl was die Prävention als auch die Rehabilitation und
Reintegration anbelangt. Die klassische Sozialberatung hat sich
überholt  heute brauchen wir psychosoziale Beratung mit Exper-
ten, vor allem Psychologische Psychotherapeuten. Das psychothe-
rapeutische Fachwissen kommt im Unternehmen in der Primär-,
Sekundär- und Tertiärprävention zum Einsatz. Neben Informati-
onsveranstaltungen (Primärprävention) und Workshops zu fachbe-
zogenen Themen (Primär- und Sekundärprävention) liegt der Auf-
gabenschwerpunkt in der Beratung einzelner Mitarbeiter (Sekun-
där- und Tertiärprävention). Psychotherapeuten führen Krisenin-
terventionen durch, überprüfen den Behandlungsbedarf und ver-
mitteln in Behandlungen. Der Psychotherapeut nimmt eine Lotsen-
funktion im Versorgungssystem ein und schließt die Versorgungslü-
cke in unserem Gesundheitssystem. Durch eine Abdeckung aller
Präventionsebenen gelingt es, den Mitarbeitern eines Unterneh-
mens ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zu machen (vgl.
Petrelli, Heu & Uhle, 2014).

Mehr Daten? Im Kapitel 1.1 (ª S. 16) werden die aktuellen


Zahlen der repräsentativen DEGS-Studie vorgestellt.
4 A 158 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Hinweis: Im Folgenden wird häufig auf die internationale Klassifi-


kation psychischer Störungen verwiesen (ICD). Die Quelle dazu
finden Sie unter Dilling et al. (2004) im Quellenverzeichnis.

Abhängigkeitsstörungen:
Ein bekanntes, aber oft verschwiegenes Problem!

Abhängigkeits- Die Alkoholabhängigkeit (ICD 10, F10.2) ist mit einer Prävalenzra-
störungen te von 4 Prozent am weitesten verbreitet. Eine Abhängigkeitsstö-
rung von illegalen psychotropen Substanzen (z. B. Cannabinoiden,
Kokain, Heroin) und Medikamenten, die unter das Betäubungsmit-
telgesetz (BtMG) fallen (z. B. Benzodiazepine), kommt wesentlich
seltener vor. Männer sind von diesen Störungen deutlich häufiger
betroffen als Frauen (bei der Alkoholabhängigkeit weisen Männer
eine Prävalenzrate von 6,8 Prozent, Frauen von 1,3 Prozent auf).
Die Alkoholabhängigkeit zählt bei Männern zu den häufigsten psy-
chischen Erkrankungen und ist für Frühverrentungen aufgrund
psychischer Störungen nach psychotischen Erkrankungen die häu-
figste Ursache (Heipertz & Triebig, 2000). Dabei ist zu beachten,
dass Abhängigkeitsstörungen oft mit psychischen Störungen wie
Angststörungen, affektive Störungen oder Schizophrenie vergesell-
schaftet sind (& Komorbidität). Neben den klassischen Abhängig-
keitsstörungen (stoffgebundenen Süchten) kommt den nicht stoff-
gebundenen Süchten (z. B. pathologischem Glücksspiel und exzes-
sivem PC-Gebrauch) eine immer größere Bedeutung zu, was sich
u. a. darin zeigt, dass es mittlerweile in vielen Rehabilitationskli-
4 niken für Abhängigkeitsstörungen spezielle Behandlungsangebote
für diese Patientengruppen gibt (Füchtenschnieder & Petry, 2004).

Der momentane Zustandsbericht in Bezug auf die stoffgebundenen


und nicht stoffgebundenen Süchte bzw. Abhängigkeitsstörungen in
Deutschland zeigt der aktuelle Drogen- und Suchtbericht 2014,
den Sie auf der Website  „Der Drogenbeauftragte der Bundesre-
gierung“ downloaden können. Dort wird v. a. auch auf die Prob-
www.drogen lematik neuartiger Drogen und deren Auswirkungen hingewiesen,
beauftragte.de denn es gibt Hinweise, „dass der Konsum von synthetischen Dro-
gen wie Ecstasy, Speed oder Crystal regional zum Teil erheblich
ansteigt“ (ebd, S. 2). Eine moderne Drogen- und Suchtpolitik hat
auch die Arbeitswelt zu berücksichtigen.

Situation im Die Belegschaft großer Betriebe stellt in der Regel einen guten
Betrieb Querschnitt der Allgemeinbevölkerung dar, sodass davon auszuge-
hen ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der Mitarbeiter unter
psychischen Störungen und damit auch unter Abhängigkeitsstörun-
gen leidet. Gut angelegte Studien mit verlässlichen Prävalenzra-
ten gibt es dazu bislang kaum, ebenso fehlen gesicherte Daten
Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 159 A 4.3
zum Konsumverhalten während der Arbeitszeit (Heipertz & Trie-
big, 2000). Nicht selten jedoch werden Mitarbeiter am Arbeits-
platz mit einer Alkoholfahne auffällig, was dann wiederum ar-
beitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Nach Exper-
tenschätzungen betreibt jeder fünfte bis zehnte Mitarbeiter in
einem Unternehmen einen riskanten Suchtmittelkonsum (GEK,
2010, S. 1). In vielen Betrieben gibt es Suchtberater, an die mit
Alkohol- oder Drogenkonsum auffällige Mitarbeiter verwiesen wer-
den, die diese dann in entsprechende Behandlungsangebote ver-
mitteln. Dabei ist es wichtig, dass der Zugang niederschwellig
realisiert wird, denn Ängste können dominieren.

Alkohol am Arbeitsplatz  viele Führungskräfte sind mit diesem


diffizilen Thema überfordert. Eine Praxishilfe für Führungskräfte
der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) und der
Barmer GEK soll hier Abhilfe schaffen (GEK, 2010).

Neben der Tertiärprävention spielt im Bereich der Abhängigkeits- Prävention


störungen und der nicht stoffgebundenen Süchte die Primärprä-
vention eine wichtige Rolle. Hier geht es in erster Linie darum,
Informationsveranstaltungen zum Thema „Sucht am Arbeitsplatz“
für Mitarbeiter, Führungskräfte, Personaler und Betriebsräte
durchzuführen und entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten (an
dieser Stelle wird auf den breiteren und unschärferen Begriff
„Sucht“ zurückgegriffen, um zum einen die nicht stoffgebundenen
Süchte mit einzuschließen, zum anderen ist dieser Begriff in den
Betrieben wie auch in der Allgemeinbevölkerung weiter verbrei-
tet, als der von der Weltgesundheitsorganisation verwendete Be-
griff der Abhängigkeitsstörungen für die stoffgebundenen Süchte).
In Deutschland besteht für die Behandlung von Abhängigkeitsstö- Behandlung
rungen ein im internationalen Vergleich gutes Versorgungssystem,
dessen gesetzliche Grundlage sich in den Sozialgesetzbüchern
(SGB) V und VI findet. Im SGB V ist die Akutversorgung geregelt.
Darunter fallen z. B. die Entgiftungsbehandlungen, die in Akut-
krankenhäusern und psychiatrischen Fachkliniken zu Lasten der
Krankenversicherungen durchgeführt werden. Leistungsträger der
Entwöhnungsbehandlungen, die in stationären oder ambulanten
Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt werden, sind in der
Regel die Rentenversicherungsträger. In Ausnahmefällen können
Entwöhnungsbehandlungen auch von Krankenkassen oder Sozial-
ämtern finanziert werden. Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen ist,
die durch die Abhängigkeitsstörung entstandenen oder die Störung
mit bedingenden und aufrechterhaltenden Beeinträchtigungen der
sozialen Rolle, v. a. auch bezogen auf die Arbeits- und Erwerbsfä-
higkeit, zu reduzieren oder gar zu überwinden (vgl. Funke, 2002).
Ein Versorgungssystem kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn es
4 A 160 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

von den Betroffenen auch in Anspruch genommen wird. An dieser


Stelle gibt es auch hierzulande noch Verbesserungspotenzial. Etwa
70 Prozent der Menschen mit Alkoholproblemen wenden sich le-
diglich an den Hausarzt (John et al., 1996), was wahrscheinlich
damit zusammenhängt, dass der Alkoholkonsum von den Betroffe-
nen nicht als Problem erkannt wird (Funke, 2002). Zudem beste-
hen bei Abhängigkeitsstörungen häufig Verheimlichungstendenzen,
die zu einer Chronifizierung und entsprechenden Folgeschäden
und -kosten (privat, betrieblich und volkswirtschaftlich) führen
können. In der Regel vergehen einige Jahre, bis ein alkoholabhän-
giger Patient eine fachlich qualifizierte Behandlung in Anspruch
nimmt, wenn überhaupt. Der betrieblichen Suchtprävention
kommt daher an dieser Stelle eine Schlüsselrolle zu, indem sie
zum einen Menschen über die zur Verfügung stehenden Behand-
lungsmöglichkeiten aufklärt und die Betroffenen zum anderen auf
ihrem Weg in diese Behandlungen begleitet (DHS, 2011).

Rehabilitations- Eine Rehabilitationsbehandlung muss formell über einen entspre-


behandlung chenden Antrag beim zuständigen Rentenversicherungsträger auf
den Weg gebracht werden. Dies erfolgt in der Regel ambulant in
Suchtberatungsstellen und erfordert einige Wochen Vorbereitungs-
und Bearbeitungszeit. Zusätzlich ist in vielen Fällen eine stationä-
re Entgiftungsbehandlung indiziert, die zeitlich mit der Rehabilita-
tionsbehandlung abgestimmt werden sollte, da in der Zeit unmit-
telbar nach der Entgiftung eine hohe Rückfallgefahr besteht. Es
konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass im ersten Monat
4 nach einer erfolgten Entgiftung etwa 50 Prozent der Personen
wieder Alkohol in schädlichem Maße konsumierten, nach einem
Jahr lag die Quote gar bei 84 Prozent (Körkel & Schindler, 2003).
Einem gut geplanten und koordinierten Behandlungsplan kommt
daher eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, um das Risiko
eines Rückfalls und eines vorzeitigen Ausstiegs aus dem Behand-
lungsplan zu minimieren.

Ein schwieriges Thema  aber kein Grund für Berührungsängste!


Einen Stufenplan als Interventionskonzept bei Auffälligkeiten am
Arbeitsplatz (Fürsorge- und Klärungsgespräch, Interventionskette),
Informationen zur strukturellen Einbindung der betrieblichen
Suchtprävention, zur Vorbeugung von Suchtgefährdungen im Be-
trieb sowie weitere Interventions- und Beratungsansätze finden
Sie in der fundierten Publikation der Deutschen Hauptstelle für
Suchtfragen: Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtpräven-
tion und Suchthilfe (DHS, 2011).

Besonders zu empfehlen ist in dieser Publikation der DHS die


Anlage „Beispiel einer Betriebsvereinbarung“. Dort wird
Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 161 A 4.3
auch deutlich, dass „Suchtprävention und Suchthilfe als Teil
des Gesundheitsmanagements zur Umsetzung des Arbeits-
schutzgesetzes sowie als Beitrag zur Gesundheitsförderung
verstanden (werden)“ (ebd., S. 112).

Es folgt ein betriebliches Fallbeispiel:


Nachhaltigkeit in der betrieblichen Suchtprävention

In der psychosozialen Beratungsstelle eines Dienstleisters in


der chemischen Industrie werden die in den betrieblichen
Rahmenbedingungen verankerten Herausforderungen konzep-
tionell aufgegriffen.

In primärpräventiven Informationsveranstaltungen sensibilisieren Primärprävention


wir sowohl Funktionsträger (wie Vorgesetzte, Mitarbeiter der Per-
sonalabteilungen und Betriebsräte) als auch die Mitarbeiter unse-
rer Kunden selbst zum Thema Abhängigkeitsstörungen, deren Ent-
stehungsbedingungen, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten. Ziel
dieser Veranstaltungen ist es, neben der reinen Informationsver-
mittlung mögliche Ängste und Vorbehalte gegenüber den Störun-
gen allgemein und den Behandlungsangeboten zu reduzieren und
erste emotionale Hürden der Inanspruchnahme durch das Kennen-
lernen der Berater abzubauen (Hemmschwellen abbauen).

Im tertiärpräventiven Bereich bieten wir ein niedrigschwelliges Tertiär-


Beratungsangebot an, das die Mitarbeiter und Funktionsträger prävention
unserer Kunden in Anspruch nehmen können. Der Erstkontakt er-
folgt in Einzelgesprächen, in denen die Indikation für unsere wei-
terführenden Angebote gestellt wird. Dabei wird bereits zu Beginn
der Beratung überprüft, ob eine behandlungsbedürftige Abhängig-
keitsstörung (ICD 10, F1X.2), ein schädlicher Gebrauch (Miss-
brauch) von psychotropen Substanzen (ICD 10, F1X.1) oder ein
riskanter Konsum besteht. Das weitere Vorgehen richtet sich nach
der Diagnose und den sozialen Rahmenbedingungen des Klienten.

Der Zugang zu unserem Beratungsangebot ist unterschiedlich. Zu Zugang zum


einem großen Teil wenden sich die Betroffenen unmittelbar an Beratungs-
uns. Es kommt aber auch vor, dass der Erstkontakt durch die Per- angebot
sonalabteilung oder den Betriebsrat hergestellt wird. Wir können
erfreulicherweise feststellen, dass es sich dabei nicht nur um be-
reits chronifizierte Fälle handelt, sondern auch um Mitarbeiter,
die sich durch die Informationsveranstaltungen angeregt fühlten,
ihren Alkoholkonsum zu hinterfragen. Den Klienten, die sich im
Rahmen eines riskanten Konsums oder des schädlichen Gebrauchs
bewegen, bieten wir eine wöchentlich stattfindende Gruppenver-
4 A 162 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

anstaltung an, die maximal ein halbes Jahr besucht werden kann.
Der Schwerpunkt dieser Gruppe ist die Vermittlung von vertieftem
Wissen über Abhängigkeitsstörungen und nicht stoffgebundene
Süchte, deren Entstehungsbedingungen, aufrechterhaltende Be-
dingungen, Begleiterkrankungen und Krankheitsverläufe. In diese
Gruppe werden zudem diagnostiziert abhängige Klienten inte-
griert, denen es schwerfällt, sich als „abhängig“ zu sehen und die
noch keine ausreichende Behandlungsmotivation entwickelt ha-
ben. Ein Klient, der neu in die Gruppe aufgenommen wird, erhält
bis zu sechs Wochen Zeit, sich mit seinem Krankheitsbild ausei-
nanderzusetzen und für sich ein Krankheitsverständnis zu entwi-
ckeln. Nach Abschluss dieser sechs Wochen wird von unserer Seite
eine Behandlungsempfehlung ausgesprochen und mit den Wün-
schen und Vorstellungen des Klienten abgeglichen. Decken sich
die Vorstellungen des Klienten nicht mit unserer Indikationsstel-
lung, wird eine Motivationsphase eingeleitet, um den Klienten zu
einer für ihn notwendigen Behandlung zu bewegen. Dabei werden
die Aspekte der Person (Wünsche und Befürchtungen) und der
Situation (Arbeitsplatzsituation, familiäre Situation etc.) zueinan-
der in Beziehung gesetzt und der Klient in seinem Zielbildungspro-
zess professionell unterstützt.

Zieht man das Handlungsphasen- oder & Rubikonmodell von


Heckhausen (Heckhausen, 1987) zur Erläuterung des Vorge-
hens heran, befinden wir uns mit dem Klienten vor dem Ru-
bikon im Bereich des Abwägens und der Zielbildung (vgl.
4 Grawe, 1998). Zur Anwendung kommen hier in erster Linie
psychoedukative Methoden und motivierende Gesprächs-
führung (Miller & Rollnik, 2005).

Behandlungsziel Klienten, die ein klares Behandlungsziel haben, werden von uns in
die für sie passenden ambulanten oder stationären Behandlungs-
angebote vermittelt. Hier geht es darum, die Klienten bei der
Planung und Umsetzung ihrer Ziele zu unterstützen. Jetzt haben
die Klienten den & Rubikon überschritten, sodass wir sie in ihrer
Problembewältigung unterstützen können. Generell werden die
Klienten, soweit dies in ihrer aktuellen Lage möglich ist, bei allen
Schritten in die Verantwortung genommen (z. B. bei der Organisa-
tion eines Entgiftungsplatzes  die Klienten rufen selbst in den
Kliniken an), um sie in ihrer & Selbstwirksamkeit zu fördern.

Rehabilitations- Im Bereich der Abhängigkeitsstörungen (ICD 10, F1X.2) vermitteln


behandlungen wir in der Regel in stationäre Rehabilitationsbehandlungen. Be-
steht eine stabile soziale Situation (stützendes familiäres Umfeld,
keine Probleme und Auffälligkeiten am Arbeitsplatz) und ist eine
ausreichende Abstinenzstabilität nach einer Entgiftungsbehand-
Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 163 A 4.3
lung zu erwarten, können ambulante Behandlungsangebote in
Betracht gezogen werden. Um das Risiko eines Rückfalls zwischen
einer Entgiftungs- und einer anschließenden Entwöhnungsbehand-
lung zu minimieren und damit verbundene Komplikationen (ge-
sundheitlich wie sozial) zu verhindern, kooperieren wir eng mit
Rehabilitationskliniken, die über stationäre Rehabilitationsabklä-
rungsabteilungen verfügen. In diesen Abteilungen wird die Indika-
tion für eine stationäre Rehabilitation gestellt und ein entspre-
chender Antrag beim Rentenversicherungsträger eingereicht. Im
Anschluss an die stationäre Rehabilitationsabklärung wird eine
nahtlose Übernahme in eine Rehabilitationsbehandlung ange-
strebt. Die einzelnen Behandlungsbausteine werden von uns so
koordiniert, dass, falls die Gefahr eines erneuten Alkoholkonsums
zwischen den Bausteinen zu hoch wäre, der Übergang zwischen
Entgiftungsbehandlung und stationärer Rehabilitationsabklärung
nahtlos erfolgt.

Durch die langjährige Kooperation sowohl mit den Entgif-


tungs- als auch den Rehabilitationseinrichtungen können
zeitnah Aufnahmetermine vereinbart werden, was einen
Vorteil im Gegensatz zum regulären Zugang in das Behand-
lungssystem darstellt, der um ein Vielfaches längere Warte-
zeiten erfordert und Rückfallwahrscheinlichkeiten erhöht.

Während der Behandlungen wird von unserer Seite der Kontakt Kontakt auf-
zum Klienten aufrechterhalten. Dazu gehören regelmäßige rechterhalten
Sprechstunden in den Rehabilitationskliniken, die von den Klien-
ten, aber auch den behandelnden Therapeuten vor Ort zum In-
formationsaustausch genutzt werden können, sofern eine schriftli-
che Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt. Zudem koordi-
nieren wir, falls dies erforderlich ist, Gesprächstermine mit Vor-
gesetzten, Vertretern der Personalabteilung und des Betriebsrates
in den Rehabilitationskliniken. In diesen Gesprächen können bspw.
Fragen der Wiedereingliederung nach der Behandlung oder andere
arbeitsrelevante Themen geklärt werden.

Im Anschluss an die Rehabilitationsbehandlungen haben die Klien- Ambulante


ten die Möglichkeit, an einer über ein halbes Jahr laufenden am- Nachbehandlung
bulanten Nachsorgegruppe teilzunehmen, die von uns einmal wö-
chentlich angeboten wird. Inhalte dieser Gruppe sind bspw. die
Stabilisierung der Klienten in der Abstinenzentscheidung, die Auf-
rechterhaltung der erreichten Veränderungen, Rückfallprophylaxe
und die Unterstützung in der Bewältigung aktueller Probleme im
betrieblichen oder privaten Bereich. Zudem erhalten die Angehö-
rigen der Klienten die Möglichkeit, sich parallel in einer eigenen
Gruppe von uns unterstützen zu lassen.
4 A 164 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Selbsthilfe- Ein Hauptschwerpunkt der Nachsorgegruppe ist die Vermittlung in


gruppen eine Selbsthilfegruppe. Die Klienten erhalten daher im letzten
Behandlungsabschnitt die Auflage, Kontakt zu Selbsthilfegruppen
aufzubauen. Hierbei hat sich gezeigt, dass sich die Klienten, die
gemeinsam in den Rehabilitationskliniken behandelt wurden und
auch die Nachsorgegruppe gemeinsam besucht haben, gerne in
eigenen Gruppen zusammenschließen. Diese Gruppen werden von
uns weiter fachlich unterstützt, indem wir den Organisatoren der
Gruppen unser Know-how und unsere Erfahrungen weitergeben
und sie in aktuellen Fragestellungen entsprechend beraten.

Angststörungen:
Im Betrieb durch den Druck steigend!

Depressionen und Neben den Suchterkrankungen werden zunehmend auch Depressi-


Angststörungen onen und Angststörungen in der Arbeitswelt zu Herausforderung.
Während es beim Problemfall „Alkohol“ seit den 1970er-Jahren
zum Teil gute tertiärpräventive Versorgungskonzepte in den Be-
trieben gibt, betreten wir in Sachen Depression und Angststörung
weitestgehend Neuland. Was tun, wenn der Mitarbeiter plötzlich
anders tickt? Wenn der Kollege sich mehr und mehr zurückzieht,
im Gespräch nicht mehr erreichbar ist? Nach Angaben der Weltge-
sundheitsorganisation liegt die Lebenszeitprävalenz für Depressio-
nen bei 17 Prozent, bei spezifischen und generalisierten Angststö-
rungen gemittelt bei 15 Prozent, wobei Frauen jeweils doppelt so
häufig betroffen sind wie Männer (Kessler et al., 2005). Allerdings
4 wurde der Abstand zwischen den Geschlechtern in den letzten
Jahren immer geringer. Viele Erkrankungen aus den Hauptdiagno-
segruppen sind in jüngerer Vergangenheit leicht zurückgegangen
oder verharren auf einem Niveau, Depressionen und Angststörun-
gen nehmen allerdings kontinuierlich in der Diagnosestellung zu.
Gesundheitsberichte der großen Krankenkassen zeigen, dass damit
einhergehend auch die Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage
sprunghaft ansteigt (TK, 2014). Ferner ist zu beachten, dass de-
pressive Störungen hohe Rezidivraten aufweisen und zur Chronifi-
zierung neigen. Da sich dieser Trend fortzusetzen scheint, werden
wir zukünftig mit dadurch steigenden betriebs- und volkswirt-
schaftlichen Kosten zu rechnen haben.

Welche Ursachen in der Arbeitswelt fördern Depressionen?


Der Forschungsbericht im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeits-
schutz und Arbeitsmedizin „Untersuchung arbeitsbedingter Ursa-
chen für das Auftreten von depressiven Störungen“ (Rau et al.,
2010) verdeutlicht, dass die Klärung des Zusammenhangs zwischen
Arbeit und Depression eine wichtige Aufgabe ist, um bedingungs-
Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 165 A 4.3
bezogene Ursachen in der Arbeitswelt zu identifizieren, die mög-
licherweise die Entwicklung depressiver Störungen fördern.

„Die Darstellung des aktuellen Forschungsstands … lässt die


Annahme zu, dass ein Zusammenhang zwischen Merkmalen
der Arbeit und dem Auftreten von depressiven Störungen be-
steht. Die bisherigen Studien bestätigen sowohl im Quer- als
auch im Längsschnitt die Bedeutung psychosozialer Tätig-
keitsmerkmale für das Auftreten von Depression …“ (BAuA,
2010). In diesem Kontext ist die Bedeutung der Gefähr-
dungsbeurteilung psychischer Belastungen hervorzuheben
(ª Kap. 5.5, S. 301).

Web-Tipp: Der Depressionsatlas der Techniker Krankenkasse


http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/696244/Datei/
139128/Depressionsatlas_2015.pdf
„Fehlzeiten aufgrund von Depressionen lagen 2013 um 69 Prozent
höher als 2000. Zwischen Tiefst- und Höchststand 2006 und 2012
war bei Erwerbspersonen ein Anstieg der Fehlzeiten aufgrund von
Depressionen um 75 Prozent festzustellen.“ (ebd, S. 8)

Es folgt ein betriebliches Fallbeispiel:

Was wir brauchen, sind der betrieblichen Suchtprävention analoge


Versorgungswege. In der Primär- und Sekundärprävention bedarf
es der Zielgruppensensibilisierung und -qualifizierung für Füh-
rungskräfte, Betriebsräte und Mitarbeiter: Verhaltensänderungen
verstehen und im Rahmen eines Laien interpretieren, Möglichkei-
ten der Ansprache, Rollendefinition und Weiterleitung an Exper-
ten sind zentrale Bestandteile solcher Präventionsveranstaltun-
gen. Dabei sollten neben Impulsvorträgen v. a. für Führungskräfte
entsprechende Gesprächs- und Verhaltenstrainings integriert wer-
den. So erhalten die Seminarteilnehmer Sicherheit im Umgang mit
verhaltensveränderten Mitarbeitern und Kollegen, sodass im Fall
des Auftretens häufig schnellere Zugangswege in niedrigschwellige
Angebote geebnet werden können. Eine weitere Forderung und
Notwendigkeit lautet: Wir brauchen vor Ort deutlich mehr klini-
sche Psychologen! So sind nach Diagnosestellung gerichtete Wei-
terleitungen in ambulante oder stationäre Therapieangebote mög-
lich. Darüber hinaus können Wartezeiten durch psychologisch-
betriebliche Angebote überbrückt und Kurz- bzw. Kriseninterven-
tionen durchgeführt werden. Das reguläre betriebsärztliche Ange-
bot ist hier weder fachlich noch methodisch ausreichend.
4 A 166 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Depressionen Für Menschen, die nicht schwermütig sind und keine Erfahrungen
verstehen lernen mit depressiven Erkrankungsbildern haben, ist es sehr schwer
nachzuvollziehen, dass es sich bei diesen Störungen um schwer-
wiegende Erkrankungen mit einem langen Leidensweg handelt.
Wer gesund ist, begreift nicht Niedergeschlagenheit und Lebens-
angst. Man sieht ja keine körperlichen Gebrechen, damit ist die
Akzeptanz in der Arbeitswelt oft nicht vorhanden. Vorgesetzte
finden hier oftmals auch nicht die richtigen Worte und meiden das
Gespräch. Angststörungen werden tabuisiert. Deshalb ist es ent-
scheidend, das Verständnis der Kollegen und Kolleginnen dadurch
zu steigern, dass man ihnen dieses Krankheitsbild näher bringt.
Um jungen Menschen zu verdeutlichen, was Altersbeschwerden
sind, hat man einen Altersanzug entwickelt, der die Beweglichkeit
einschränkt. Bei Ängsten und Depressionen ist es ebenfalls wich-
tig, sinnhaftes Erleben und nicht nur explizites Wissen zu vermit-
teln. Dies könnte bspw. eine Art „Dunkelkammer“ erzeugt oder
durch Erfahrungsberichte von Betroffenen unterlegt werden. Un-
abhängig von der Herangehensweise ist auf jeden Fall die Acht-
samkeit des sozialen Umfeldes in der Arbeitswelt für Angststörun-
gen zu steigern.

„Angststörungen  Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe“


(Morschitzky, 2009)  In diesem fundierten Fachbuch findet man
das gesamte Mosaik der Angst aus wissenschaftlicher und praxis-
bezogener Sicht dargestellt. Dieses Buch eignet sich sowohl für
Fachleute als auch für fachkundige Betroffene. Die über 700 dicht
4 bedruckten Seiten könnten aber auch Angst auslösen, aber das
Thema ist komplex und sollte nicht zu sehr mit Ratgeberliteratur
simplifiziert werden.

Konflikte:
Gift für das psychosoziale Wohlbefinden!

Konflikte Psychische Erkrankungen sind Regulationsstörungen auf individuel-


ler Ebene (Schwarzer, 1997). Handelt es sich um Regulationsstö-
rungen in der Gruppe, sprechen wir von Konflikten. Konflikte in
der Arbeitswelt nehmen zu (Regnet, 2000). Gerade in Zeiten der
Krise und Unsicherheit rücken die, die sich kennen, verstehen und
sich subjektiv ähnlich sind, näher zusammen und schließen andere
aus (vgl. Tajfel & Turner, 1986), sowohl im Büro als auch in der
Produktion. Gerade im Mehrschichtsystem kommt es dann häufi-
ger zu Konflikten zwischen den Schichten. Die hiermit einherge-
henden Kosten sind nur schwer zu beziffern, allerdings werden
durch den Konflikt Arbeitszeit und Engagement gebunden sowie
Arbeitsabläufe und -beziehungen dauerhaft beeinträchtigt. Bei zu
Werkzeuge für die Psyche: Stress, Konflikte … 167 A 4.3
langer Konfliktdauer wird der Boden für weitergehende systemati-
sche Konflikthandlungen, d. h. für Mobbing bereitet.

Ähnlich den psychischen Erkrankungen auf der individuellen Ebene Lösungs-


bedarf es auch im Konfliktfall auf der Gruppenebene einer guten strategien
Diagnose und geeigneter Lösungsmöglichkeiten. In der Arbeitswelt
werden immer noch zu oft eskalierende Lösungsstrategien ver-
wandt: Kommt der Abteilungsleiter nicht mit den Kontrahenten
zurande, wird oftmals die Personalabteilung zurate gezogen, de-
ren Standardinstrument in vielen Fällen die Versetzung statt der
Auseinandersetzung ist. Das geschieht nicht unbedingt aus böser
Absicht, vielmehr aus Unsicherheiten heraus. Denn Konflikten
liegen komplexe Systemstrukturen zugrunde, die wiederum ein
systematisches und ganzheitliches Vorgehen erfordern. Gut ist es,
wenn betriebliche Konfliktanlaufstellen wie Sozialberatungen
installiert sind. Noch besser ist es, wenn mithilfe der betriebli-
chen Sozialberatung Konfliktmanagementnetzwerke aufgebaut
und gepflegt werden können. Mit anderen Worten muss die Füh-
rung eine klare Entscheidung und einen Auftrag zur Konfliktbear-
beitung geben, die Umsetzung wird dann von Konfliktmediatoren
bewerkstelligt.

„Konfliktmanagement – das Handbuch für Führungskräfte, Berate-


rinnen und Berater“ von Glasl (2009) bietet eine gute Ausgangsba-
sis, sich mit diesem wichtigen Thema aus theoretischer Sicht zu
befassen. Es hat sich zum fundierten Standardwerk der Konflikt-
forschung etabliert. V. a. empfehlen wir Ihnen Teil 2  Die Dyna-
mik der Eskalation  und Teil 3  Strategie der Konfliktbehand-
lung. Auf der praktischen Ebene empfehlen wir Ihnen die Toolbox
zur Konfliktlösung von Schulz (2010).

Wird beim Fußballspiel der Thomas vom Frank ignoriert und nicht Konfliktregelung
angespielt, obwohl die beiden Mannschaftskameraden und auf-
grund ihrer Spielerpositionen zur Interaktion verpflichtet sind,
können beide nach dem Spiel ein Bier miteinander trinken und die
Sache ist gegessen. Falls aber beim nächsten Spiel Ähnliches zwi-
schen den beiden passiert, kann die Angelegenheit auch in der
Kabine mit den Mannschaftskollegen geregelt werden oder der
Trainer spricht ein Machtwort. Sollte auch das nicht ausreichen,
gibt es immer noch den Vereinsvorstand. Diese Ebenen der Kon-
fliktregelung finden sich auch in der Arbeitswelt: Die Konfliktklä-
rung kann zwischen den beteiligten Mitarbeitern, in der Arbeits-
gruppe oder durch die Führungskraft stattfinden. Voraussetzungen
für die Verweisung an die nächsthöhere Ebene sind fehlende Kon-
fliktlösekompetenzen und der Wille zur Konfliktlösung. Lassen sich
die Konflikte nicht innerhalb der Abteilung oder Organisationsein-
4 A 168 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

heit klären, werden Konfliktanlaufstellen zurate gezogen; wichtig


ist, dass diese bekannt sind. Typische Anlaufstellen sind für Füh-
rungskräfte die Personalabteilung, für die Mitarbeiter der Be-
triebsrat. Es kommt so schnell zur Parteienbildung und dem Ver-
such der präjuristischen Klärung, dem nur allzu oft eine Eskalation
mit viel „Trara“ folgt. Am Ende steht dann eine Machtentschei-
dung durch die obere Unternehmensleitung oder eine juristische
Klärung. Das ist ressourcen- und kostenintensiv! Im gut aufgestell-
ten Konfliktmanagement sind Kontrahenten wie Führungsverant-
wortlichen die Konfliktanlaufstellen bekannt, die idealerweise
neutral institutionalisiert sind, bspw. in der Sozialberatung. Von
hier aus können dann nach Auftragsklärung (Frage zur Sache, zum
Ziel, zum Verfahren und zu Wünschen und Befürchtungen) erste
Analysegespräche mit allen Beteiligten geführt werden. In Einzel-
gesprächen erhebt der Interviewer Informationen zum Arbeitsge-
biet und der Verortung des Konflikts aus Sicht des Befragten. Wei-
ter wird nach den Ursachen, den Beteiligten und den bisherigen
Lösungsversuchen geforscht. Abschließend sollte die Relevanz mit
der Frage „Was würde passieren, wenn der Konflikt nicht gelöst
würde?“ ausgelotet werden.

Mediationsplan Nachdem mit allen Beteiligten Gespräche stattgefunden haben


und die Ergebnisse bspw. in Form eines Soziogramms visualisiert
wurden, geht es darum, den Mediationsplan zu entwickeln:
x Was ist sofort zu tun? Bedarf es schneller Interventionen?
x Welche Rahmenbedingungen sind zu beachten (Verortung in
4 der Organisation, Konfliktkosten und -umfang)?
x Welche Konfliktlösungsstrukturen und -kulturen gibt es im
Unternehmen (typische Konfliktbearbeitungsstrukturen, Füh-
rungsstile und -kultur)?
x Wie ist der Konflikt zu definieren und zu spezifizieren (Inhalt,
Themen, Transparenz, Sach- versus Beziehungsebene)?
x Wie verfestigt ist der Konflikt (Eskalationstiefe, -dauer und
-wendepunkte)?
x Welche Instrumente der Konfliktbearbeitung dürfen und sollen
zum Einsatz kommen (Kosten-Nutzen-Erwägungen)?
x Wie soll es konkret weitergehen (Fahrplan „Konfliktbearbei-
tung“, Zeitrahmen und Termine)?

Eine ausführliche Mediationsplanung versetzt einen in die


Lage zu entscheiden, wie die Konfliktbearbeitung systema-
tisch erfolgen soll (} Abbildung 29). Es empfiehlt sich auf
jeden Fall, ein Netzwerk mit externen Mediatoren aufzubau-
en (vgl. Faller, 2006).
Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 169 A 4.4

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} Abbildung 29: Systematische Konfliktbearbeitung

4.4 Werkzeuge für den Körper: Bewegung und


Ernährung

Was reingeht, kommt auch wieder raus  allerdings nicht vollum- Das Ausgangs-
fänglich, denn ein Teil bleibt auf den Hüften. Ausgestattet mit problem
dem Genpool des Mammutjägers, der seinerzeit dann Nahrung
aufnahm, wenn er sie zuvor mehrere Kilometer verfolgt hatte,
bewegen wir uns heute in einem deutlich engeren Radius, was
räumlich betrachtet die Bewegung und zeitlich betrachtet unsere
Nahrungsaufnahme anbelangt. Wenn ein Missverhältnis zwischen
Kalorienaufnahme und -verbrauch vorliegt, kommt es auf Dauer zu
Problemen: Übergewicht mit entsprechenden gesundheitlichen
Beschwerden (z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Muskel- und Skelet-
terkrankungen) und Einschränkungen im Wohl- oder auch Selbst-
wertempfinden sowie psychische Erkrankungen (z. B. häufiger
Depressions- und Angsterkrankungen).

 „Nationale Verzehrstudie“ ist eine bundesweite und repräsen-


tative Erhebung zur Ernährungssituation von Jugendlichen und
Erwachsenen vom Max Rubner-Institut. Auf der Website finden Sie
alle relevanten Informationen und Interpretationen.

Die Zahl der Übergewichtigen nimmt weltweit und v. a. in den


Industrienationen stetig zu. Man kann schon von einer globalen
Epidemie der Adipositas bzw. Fettleibigkeit sprechen (Caballero,
2007). Die Auftretenswahrscheinlichkeit für krankhaftes Überge-
wicht liegt in Deutschland bei knapp 30 Prozent (Adipositas Grad II
und III; WHO, 2000;  Tabelle 4-2). Die Aussagekraft des BMI-
Index (& Body-Mass-Index) ist jedoch eingeschränkt, wie Studien
zeigen. Der WtHR (Waist-to-Hight Ration) als Index aus Körpergrö-
ße zu Taillenweite bietet hier teilweise mehr Aussagekraft in Be-
zug auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von Erkrankungen wie
4 A 170 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Herzinfarkt oder Schlaganfall, wie eine repräsentative Studie der


LMU München belegt (Schneider et al., 2010).

 Tabelle 4-2: Klassifizierung des Körpergewichts

Klasse Body-Mass-Index (BMI=kg/m2)


Normalgewicht 18,5 bis 24,9
Präadipositas (Übergewicht) 25,0 bis 29,9
Adipositas Grad I 30,0 bis 34,9
Adipositas Grad II 35,0 bis 39,9
Adipositas Grad III > 39,9

Ursachen des Gesellschaftliche Normen, die sich im zeitgeistkonformen Schön-


Übergewichts heitsideal widerspiegeln, die Verfügbarkeit fett- und kohlenhyd-
ratreicher Nahrungsmittel rund um die Uhr und die Verlagerung
von gemeinsamen sportlichen Aktivitäten ins individualistische
Dasein einer „Sofakartoffel“ sind verursachungsrelevant, wenn
auch nicht vollständig in der Aufzählung. Stress kommt als Ursa-
che für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Übergewicht
eine zentrale Rolle zu: Stress ist ein Katalysator, der den Gesamt-
prozess hinsichtlich Gewichtszunahme, Selbstwertzweifel und
gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschleunigt. Schaut man in
die Bevölkerungs- und Krankheitsstatistiken, angefangen vor 100
Jahren, so werden wir immer älter  allerdings nicht immer ge-
sund älter!
4
Folgen des Das zunehmende Übergewicht führt nicht nur zu individuellen und
Übergewichts volkswirtschaftlichen Problemen, auch Unternehmen werden vor
große Herausforderungen gestellt. Die betriebswirtschaftlichen
Kosten aufgrund der & Komorbiditäten in Form krankheitsbeding-
ter Fehltage oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit vor Ort stei-
gen. So ist ein Feuerwehrmann, der mit 30 kg Sicherheitsausrüs-
tung in den Einsatz muss, besonders eingeschränkt, wenn er schon
dieses Gewicht noch zusätzlich auf den Hüften hat. Auch die Ein-
satzmöglichkeiten eines zu schweren Staplerfahrers oder eines
Büromitarbeiters, dessen Bürostuhl nur bis 150 kg zugelassen ist,
sind begrenzt.

Beispiel: Adipositas, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsausfall


Im Rahmen einer Verlaufsuntersuchung bei über 19.000 Finnen
über 15 Jahre ist folgendes Ergebnis in Bezug auf Übergewicht
festgestellt worden (Visscher et al., 2004):
Übergewicht bei 20 bis 64 jährigen führt im Durchschnitt zu
0 0,63 mehr Jahren an Arbeitsunfähigkeit,
Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 171 A 4.4
0 0,36 mehr Jahren an koronarer Herzerkrankung und
0 1,68 mehr Jahren an Dauermedikation.
verglichen mit gleichaltrigen Normalgewichtigen. Die Jüngeren
sind besonders betroffen. Auch andere Studien wie Frone (2007)
bei amerikanischen Arbeitern bestätigen den Zusammenhang zwi-
schen Adipositas und Arbeitsausfall.

„The data revealed that 19.3% of employed U.S. adults (23.6


million workers) were obese. Being obese was positively re-
lated to increased absenteeism, as well as associated with
both poor physical and poor mental health. … Finally, the re-
lation of obesity to absenteeism was fully mediated by poor
physical health.” (Frone, 2007, S. 65)

Frei übersetzt: Die Daten zeigten, dass 19,3% der erwerbstä-


tigen Erwachsenen in den USA (23,6 Mio. Beschäftigte) fett-
leibig waren. Fettleibigkeit ist mit erhöhten Fehlzeiten ver-
knüpft sowie mit schlechter körperlicher und psychischer Ge-
sundheit verbunden. ... Der entscheidende Moderator für
diese positive Beziehung zwischen Adipositas und Fehlzeiten
ist die schlechte körperliche Gesundheit.

Wenn wir gerade bei den Folgen sind, so sind die aktuellen Ergeb- Die Lebensstil-
nisse der EPIC-Studie, einer gesamteuropäischen Studie zum Zu- studie (EPIC)
sammenhang von Ernährung, Lebensstilfaktoren und Krebs (Euro-
pean Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), er-
schreckend (Kuanrong et al., 2014) (} Abbildung 30). Seit 20 Jah-
ren werden die Lebensstilfaktoren von über einer halben Millionen
Europäer sorgfältig dokumentiert. Die aktuellen Studienergebnisse
stammen vom EPIC-Zentrum im DKFZ (Deutsches Krebsforschungs-
zentrum, Epidemiologie unter der Ägide von Prof. Rudolf Kaaks).
Dort werden etwa 25.000 Studienteilnehmer betreut. Bei unge-
sundem ungünstigem Lebensstil (mehrere Risikofaktoren) verlieren
Männer 17 und Frauen fast 14 Lebensjahre. Aktuelle Schätzungen
zum erwarteten Lebensalter betragen bei Männern 78 und bei
Frauen 82 Jahre. Wer sich aber optimal im Hinblick auf den Le-
bensstil gesund verhält, erzielt nach den Ergebnissen 88 Jahre.
Dabei ist die Geschlechtsunterscheidung kaum noch relevant
(Männer 87,5 und Frauen 88,7 Lebensjahre). Einige Überraschun-
gen sind auch vorhanden: So resultiert sich bei einem Mangel an
körperlicher Aktivität kein signifikanter Verlust an Lebensjahren,
wobei zu beachten ist, dass sich Bewegungsarmut häufig in den
Pfunden niederschlägt. Auch ist Übergewicht (BMI größer 25 und
kleiner 30) relativ problemlos, denn im Schnitt verliert man zwi-
schen 0,6 und 1,1 Lebensjahren. Eine weitere Überraschung be-
trifft die gemüse- und obstreiche Ernährung, denn die Effekte sind
4 A 172 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

vergleichsweise moderat (Männer 1,3 und Frauen 0,8 Jahre Verlust


bei geringem „Frischkonsum“). Erstaunlich ist, dass geringeres
Gewicht und Untergewicht (BMI kleiner 22,5) ein Risikofaktor dar-
stellt. Bei Männern ergibt sich ein Verlust an Lebensjahren von
durchschnittlich 3,5 und bei Frauen von 2,1 Lebensjahren.

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Kuanrong, Hüsing & Kaaks. (2014):


Lifestyle risk factors and residual life expectancy at age 40: a German cohort study

} Abbildung 30: Einfluss der Lebensstilfaktoren auf Lebenserwartung

Was tun? Was tun als Vorgesetzter, als Personaler, als Kollege? Jeder sieht
4 das Problem, doch häufig weiß man es nicht richtig anzugehen,
die richtige Ansprache zu finden. Denn krankhaftes Übergewicht
gehört mit zu den Suchterkrankungen, diese gehören zu den psy-
chischen Erkrankungen und darüber wird nicht so gerne gespro-
chen  zumindest nicht mit den Betroffenen. Diese Unsicherheit
hat viel mit fehlendem Wissen oder auch falschen Informationen
zu tun. „Der Dicke soll sich halt zusammenreißen und weniger
futtern!“ Das kann er aber nicht so einfach, bisweilen spielen hier
auch Stoffwechselstörungen eine relevante Rolle. Wenn es sich um
krankhaftes Übergewicht handelt, dann ist das Nicht-Wollen-
Können der kognitive Bestandteil des Suchtverhaltens. Das bedeu-
tet, die im Sinne der Nachhaltigkeit erfolgreichen Interventionen
müssen unbedingt die Motivationskomponente mit berücksichti-
gen. Dies gilt nicht nur für Adipositas und Sucht, das bezieht auch
andere psychische Erkrankungen und alle Herausforderungen mit
ein, bei denen es um Verhaltensänderungen geht. Sich selbst zu
motivieren, muss erst wieder gelernt werden.
Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 173 A 4.4
Die Verortung der Problemlösung im BGM ist dann sinnvoll, wenn Verortung
Ärzte und Psychologen zur Verfügung stehen, die die Art des im BGM
Übergewichts diagnostizieren und entsprechende therapeutische
Zuweisungen durchführen können. Beim Adipositasgrad II und III
ist ambulante oder stationäre fachtherapeutische Unterstützung
außerhalb der Arbeitswelt indiziert. Die Aufgabe des Arbeitgebers
besteht v. a. in der Gestaltung der Wiedereingliederung. Handelt
es sich um Zielgruppen mit Präadipositas oder Adipositasgrad I,
können innerbetriebliche therapeutische Gruppen installiert wer-
den. Hier geht es dann um Gewichtsabnahme und nicht um Adipo-
sitastherapie. Das Ziel der Verhaltensmodifikation besteht darin,
mit den geringsten Verhaltensänderungen den ernährungsphysio-
logisch höchsten Effekt zu erzielen  den inneren Schweinehund
muss aber letztlich jeder selbst überwinden.

Die meisten betrieblichen Präventionsprogramme zielen auf Ge- Präventions-


wichtsreduktion bei bereits adipösen Mitarbeitern ab. Dann wer- programme
den alle auffällig Übergewichtigen angesprochen, am besten noch
in der Gruppe gewogen und kompromittiert mit dem Anspruch, in
sechs Monaten 20 kg abzunehmen  wer das schafft, erhält als
Anreiz einen Trainingsanzug! Das klingt überzeichnet, gibt es aber
tatsächlich. Solche Programme arbeiten mit Stress, der eigentlich
vermieden werden sollte. Häufig ist bei derartig konzipieren Pro-
grammen der berühmte Jojo-Effekt zu beobachten  d. h. die
Teilnehmer nehmen nach Beendigung des Programms wieder zu
und legen meist noch etwas drauf. Hier fehlt die Nachhaltigkeit:
Es wird Frustration generiert, die wiederum Anlass „zum Futtern“
bietet. Die Kontrolle der aufzunehmenden Nahrung steht klar im
Fokus vieler Programme (Tagebuche der Ernährung), was aufgrund
des externalen Zwangs als Verlust an Lebensqualität erlebt und
wodurch eine „Schuld“ des Adipösen an seinem Gewicht unter-
stellt wird  das sind keine optimalen Voraussetzungen für ein
individuelles Change Management.

Das Ziel eines betrieblichen Präventionsprogramms zur Ge-


wichtsreduktion liegt in der Stabilisierung oder realistischen
Reduktion des Gewichts bei gleichzeitig gesteigerter Lebens-
qualität durch Reduktion des erlebten Stressniveaus und dem
Aufbau positiv erlebter sportlicher Freizeitbetätigungen.

Das folgende Praxisbeispiel zeigt, wie ein solches Präventionspro-


gramm im betrieblichen Kontext aussehen kann:
4 A 174 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Praxisbeispiel „Genuss statt Frust“


Gewichtsstabilisierung und Reduktion 
Präventionsprogramm „Genuss statt Frust“

Beim Erstkontakt werden unsere Klienten ausführlich von Ärzten


und Psychologen anamnestisch und diagnostisch untersucht. Die
hier ermittelten psychosozialen & (Belastungen, Ressourcen und
Beanspruchungsfolgen) und medizinischen Kennwerte (BMI, Fit-
nessgrad, Blutbild) liefern Hinweise für die weitere Beratung und
stehen auch als Indikatoren für die Erfolgskontrolle zur Verfügung.

In den folgenden drei therapeutischen Sitzungen wird die Motiva-


tion zur Veränderung thematisiert und geprüft sowie die Indikati-
on gestellt. Bei Adipositas Grad II und III werden entsprechende
ambulante oder stationäre Angebote unterbreitet. Alle anderen
erhalten mit ausreichender Motivation Zugang zum Präventions-
programm „Genuss statt Frust“ (} Abbildung 31).

Das Programm besteht aus drei Schritten:


x Verhaltensbeobachtung (Selbstbeobachtung) und Festsetzen
von individuellen Zielen
x Verhaltensänderung und ggf. Gewichtsreduktion, Reduktion
des Stresserlebens und Förderung der Genussfähigkeit
x Stabilisierung des neuen Verhaltens und Aufrechterhaltung der
4 Motivation

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(es muss nicht immer das Normalgewicht sein)

} Abbildung 31: Genuss statt Frust  mit drei Schritten zum Erfolg!
Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 175 A 4.4
In Schritt 1 wird ein Problembewusstsein entwickelt und eine Ver- Schritt 1
änderungsmotivation aufgebaut, die sich auf das Essverhalten
bezieht. Wichtig ist in dieser Startphase das Setzen realistischer,
individueller Ziele in Absprache mit einem Sporttherapeuten und
Ernährungsberater. Am Ende der ersten Phase werden die nächs-
ten konkreten Schritte zur Umsetzung geplant. Methodisch werden
Psychoedukation (Informationen über Adipositas und Folgeerkran-
kungen, Vermittlung eines Störungsmodells, Einführung in gesunde
Ernährung und Sportangebote) und Verhaltensanalyse (Einsatz von
Essprotokollen und Reflexion in der Gruppe) eingesetzt.
Im Schritt 2 geht es um die Umsetzung der in Phase 1 festgelegten Schritt 2
Ziele und um das Monitoring. Die auf das Essverhalten bezogene
Veränderungsmotivation wird stabilisiert  gleichzeitig erfolgt
eine Reduzierung des allgemeinen Stressniveaus sowie die Förde-
rung der Genussfähigkeit. Auch in dieser Phase kommen weiterhin
Psychoedukation und Verhaltensanalyse zum Einsatz, ergänzt um
EDV-gestütztes Monitoring im Bereich Sport und Ernährung.
Abschließend geht es in Phase 3 um die Aufrechterhaltung der Schritt 3
erreichten Veränderung. Es findet eine Reflexion in der Gruppe
über Erfolge und Misserfolge statt. Alternative Strategien der Zie-
lerreichung werden vermittelt und das EDV-gestützte Monitoring
wird fortgesetzt.

Sowohl die Klienten aus dem betrieblichen Programm „Genuss


statt Frust“ als auch aus der ambulanten oder stationären Thera-
pie werden darauf vorbereitet und qualifiziert, sich einer Selbst-
hilfegruppe anzuschließen oder selbst eine zu gründen.

Im Idealfall werden solche systematischen Programme (Analyse  Flankierende


Intervention  Evaluation) flankiert von weiteren Maßnahmen, die Maßnahmen
Akzeptanz steigernd auf die Belegschaft wirken. Auch ist es wich-
tig, das Nahrungsangebot vor Ort zu prüfen. Was wird in den Kan-
tinen angeboten und, fast noch wichtiger, was wird wie bepreist?
Wenn die Currywurst mit Fritten und Cola 2,30 € und alternativ
der Salatteller mit einem Saft 8,70 € kostet, werden relevante
unternehmerische Steuerungsfunktionen nicht genutzt.

Welche Ernährungsform ist die richtige?

Diese Frage stellt sich regelmäßig und entflammt eine oft-


mals nicht wissenschaftlich haltbare Diskussion um das The-
ma „Gesund abnehmen“. Es liegen kaum längsschnittliche In-
terventionsstudien vor. Was auf jeden Fall gilt: Diäten sind
meistens nicht zu empfehlen, da sie oftmals dem Jo-Jo-
Effekt anheimfallen. Die Frustration nimmt dann zu, und die
Wahrscheinlichkeit für eine Gewichtsabnahme aus psycholo-
4 A 176 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

gischer Sicht nimmt ab. Je einseitiger eine Diät ist, desto


schlechter ist sie aus ernährungsphysiologischer Sicht. Der
einzige Weg ist eine Ernährungsumstellung mit einer ausge-
wogenen und kalorienreduzierten Mischkost in Verbindung
mit mehr Bewegung. Dies reicht meistens aber auch nicht zur
Erzielung einer nachhaltigen Ernährungsumstellung aus, weil
die Umgebungsfaktoren und der Arbeits- und Lebensstil nicht
einfach aus dem Konzept ausgeklammert werden können und
den Menschen immer wieder einholen. Ein wesentlicher Fak-
tor für den Erfolg ist deshalb die zu entwickelnde Körperin-
telligenz, die wir leider oftmals vernachlässigen. Je bewuss-
ter wir uns mit unserer Ernährung auseinandersetzen und je
bewusster wir uns mit den Signalen unseres Körpers befas-
sen, desto nachhaltiger wird der Effekt werden, unabhängig
von der besonderen Lebenssituation.
; Box 4-2: Ernährungsmethoden

Ernährungs- In Deutschland sind die Regeln der Deutschen Gesellschaft für


modelle Ernährung seit geraumer Zeit der unangefochtene Maßstab (DGE,
2000), denn diese Regeln sind ausgewogen und distanzieren sich
von zum Teil problematischen Lehren wie bspw. der „Urkost“
(Konz, 2002). Die hier propagierte Beschränkung der Nahrungsauf-
nahme auf Wurzeln, Blätter und Flechten kann zu gefährlichen
Mangelerscheinungen wie Anämie führen  so eine Studie der Uni-
versität Gießen (Garcia et al., 2007). Fundiert sind vielmehr die
Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
4
Die Klassiker x Vielseitig essen: Genießen Sie die Lebensmittelvielfalt. Es gibt
Regeln der DGE keine „gesunden“, „ungesunden“ oder gar „verbotenen“ Le-
bensmittel. Auf die Menge, Auswahl und Kombination der Nah-
rungsmittel kommt es an.
x Getreideprodukte  mehrmals am Tag und reichlich Kartof-
feln: Brot, Nudeln, Reis, Getreideflocken, am besten aus Voll-
korn, sowie Kartoffeln enthalten kaum Fett, aber reichlich Vi-
tamine, Mineralstoffe, Spurenelemente sowie Ballaststoffe
und sekundäre Pflanzenstoffe.
x Gemüse und Obst  nimm 5 am Tag: Genießen Sie fünf Portio-
nen Gemüse und Obst am Tag, möglichst frisch, nur kurz ge-
gart, oder auch als Saft  idealerweise zu jeder Hauptmahl-
zeit: Damit werden Sie reichlich mit Vitaminen, Mineralstoffen
sowie Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen (z. B. Ca-
rotinoide, Flavonoide) versorgt. Das Beste, was Sie für Ihre
Gesundheit tun können.
x Täglich Milch und Milchprodukte, einmal in der Woche Fisch,
Fleisch, Wurstwaren sowie Eier in Maßen: Diese Lebensmittel
enthalten wertvolle Nährstoffe, wie z. B. Kalzium in Milch,
Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 177 A 4.4
Jod, Selen und Omega-3-Fettsäuren in Seefisch, Fleisch ist
wegen des hohen Beitrags an verfügbarem Eisen und an Vita-
minen B1, B6 und B12 vorteilhaft. Mengen von 300–600 g
Fleisch und Wurst pro Woche reichen hierfür aus  Alternati-
ven für vegetarische und vegane Ernährung gibt es. Aktuell
wird über Homocystein als kardiovaskulärer Risikofaktor in
den Medien debattiert. Für die normale Zellteilung, Blutbil-
dung und den Homocysteinstoffwechsel sind Folsäure, Vitamin
B6 und B12 erforderlich. Die Bedeutung von Homocystein als
Risikofaktor entspricht nach neuesten Erkenntnissen in etwa
den des Rauchens. Bevorzugen Sie fettarme Produkte, v. a.
bei Fleischerzeugnissen und Milchprodukten!
x Wenig Fett und fettreiche Lebensmittel: Fettreiche Speisen
schmecken zumeist besonders gut. Zuviel Nahrungsfett fördert
langfristig die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
und Krebs. Halten Sie darum das Nahrungsfett in Grenzen. 70–
90 g Fett am Tag, möglichst pflanzlicher Herkunft, liefern aus-
reichend lebensnotwendige (essenzielle) Fettsäuren und fett-
lösliche Vitamine und runden den Geschmack der Speisen ab.
Achten Sie auf das unsichtbare Fett in manchen Fleischer-
zeugnissen und Süßwaren, in Milchprodukten und in Gebäck!
x Zucker und Salz in Maßen: Genießen Sie Zucker und mit Zu-
ckerzusatz hergestellte Lebensmittel bzw. Getränke nur gele-
gentlich. Würzen Sie kreativ mit Kräutern und Gewürzen und
wenig Salz! Verwenden Sie auf jeden Fall jodiertes Speisesalz!
x Reichlich Flüssigkeit: Wasser ist absolut lebensnotwendig.
Trinken Sie rund 1,5 Liter Flüssigkeit jeden Tag! An heißen
Tagen oder wenn man viel schwitzt, können es auch bis zu 3
Litern sein. Alkoholische Getränke sollen nur gelegentlich und
dann in kleinen und kontrollierten Mengen konsumiert werden
(bei Männern z. B. 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein oder 0,06 l
Branntwein pro Tag, bei Frauen die Hälfte davon. Dies ent-
spricht etwa 20 g bzw. 25 ml reinem Alkohol).
x Schmackhaft und schonend zubereiten: Garen Sie die jeweili-
gen Speisen bei möglichst niedrigen Temperaturen, soweit es
geht kurz, mit wenig Wasser und wenig Fett  das erhält den
natürlichen Geschmack, schont die Nährstoffe und verhindert
die Bildung schädlicher Verbindungen.
x Nehmen Sie sich Zeit, genießen Sie Ihr Essen: Bewusstes Essen
hilft, richtig zu essen. Auch das Auge isst mit. Lassen Sie sich
Zeit beim Essen. Das macht Spaß, regt an, vielseitig zuzugrei-
fen, und fördert das Sättigungsempfinden. Gründliches Kauen
kann schlank machen.
x Achten Sie auf Ihr Wunschgewicht und bleiben Sie in Bewe-
gung: Mit dem richtigen Gewicht fühlen Sie sich wohl und mit
4 A 178 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

reichlicher Bewegung bleiben Sie in Schwung. Tun Sie etwas


für Fitness, Wohlbefinden und Ihre Figur!

Alternativen: In Bezug auf die Forderung nach einer dauerhaften, ausgewogenen


LOGI-Methode und kalorienreduzierten Ernährungsumstellung gibt es aber auch
Alternativen zu den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernäh-
rung. Beispielhaft möchten wir Sie auf die LOGI-Methode verwei-
sen (Worm, 2003).

Eine Alternative zur DGE-Pyramide: LOGI


LOGI steht für „Low Glycemic Index“. Aus metabolischen
Gründen (glykämischer Index und Insulinspiegel) ändert man
die Stoßrichtung von der Fett- zur Kohlenhydratreduktion bei
gleichzeitiger Optimierung der Kohlenhydratqualität im Sinne
eines niedrigen glykämischen Index. Entscheidend ist, dass
der Blutzuckerspiegel nicht zu rasant im Blut steigt und
Heißhungerattacken nach sich zieht. In gewisser Weise orien-
tiert man sich an den Steinzeitmenschen, die eiweißreiche
Nahrung wie Fisch, Fleisch, Eier und Milchprodukte bevorzugt
haben. Das Erfolgsprinzip der LOGI-Methode lautet: „Viel Ei-
weiß und wenig Kohlenhydrate“, also viel Gemüse und mage-
res Fleisch, aber möglichst wenig Brot, Reis und Süßigkeiten.
Diese Methode stellt sich auch der empirischen Überprüfung
(Heilmeyer, 2008). Ist diese Methode mit den Regeln der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung kompatibel? In den
entscheidenden Aspekten der Ausgewogenheit und des Kalo-
4 rienbewusstseins treffen sich beide Ernährungsempfehlungen
 ausreichende Vitalstoffversorgung und keine Mangeler-
scheinungen sind die Vorteile. Der kritische Punkt betrifft die
zu konsumierende Kohlenhydratmenge. Die LOGI-Methode
widerspricht der Standardformel "55-60 % Kohlehydrate, 30 %
Fett und 10-15 % Eiweiß". Dafür nimmt der Eiweißgehalt zu.
Durch den höheren Eiweißgehalt der Nahrung sollten aber
Personen bspw. mit Nierenschädigungen oder Gicht diese Er-
nährungsform nicht oder nur in abgewandelter Form wählen.
; Box 4-3: LOGI-Methode

Immer noch halten viele deutsche Ernährungsexperten koh-


lenhydratreduzierte, eiweißbetonte Kostformen wie die
LOGI-Ernährung für nicht empfehlenswert, obwohl es diver-
se Studien gibt, die die Vorteile einer kohlenhydratreduzier-
ten Diät aufzeigen (Stern et al., 2004). Die Bedeutung der
LOGI-Methode wird wachsen, je hoher die Prävalenzrate des
metabolischen Syndroms in unserer Gesellschaft sein wird
(Alberti et al., 2006). Eine aktuelle Studie  die SMART-
Werkzeuge für den Körper: Bewegung und Ernährung 179 A 4.4
Studie (Schlank Mit Angewandter Telemedizin)  befasst sich
mit dem Vergleich zwischen einer moderat kohlenhydratre-
duzierten, telemedizinisch unterstützten Abnehmprogramm
zu einer fettreduzierten Variante hinsichtlich der Erfolgspa-
rameter Gewichtsabnahme und die positive Beeinflussung der
Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dazu wurden
200 gesunde Übergewichtige (BMI über 27) rekrutiert und in
zwei Gruppen geteilt: Eine Hälfte wurde nach den Kriterien
der LOGI-Ernährung beraten, die anderen nach den Richtli-
nien der DGE in Bezug die Fettreduktion.

Ergebnis aus dem wissenschaftlichen Bericht:


„Despite favourable effects of both diets on weight loss, the
carbohydrate-reduced diet was more beneficial with respect
to cardiovascular risk factors compared to the fat-reduced
diet. Nevertheless, compliance with a weight loss program
appears to be even a more important factor for success in
prevention and treatment of obesity than the composition of
the diet.” (Frisch et al., 2009, Abstract)

Freie Übersetzung:
Beide Diäten erzielen einen Gewichtsverlust. Dennoch ist die
kohlenhydratreduzierte im Vergleich zur fettreduzierten Er-
nährung vorteilhafter in Bezug auf die kardiovaskulären Risi-
kofaktoren. Insgesamt zeigt sich, dass das konsequente Be-
folgen einer Diät (Compliance) wichtiger für den Erfolg im
Hinblick auf Vorbeugung und Behandlung von Fettleibigkeit
ist als die Zusammensetzung der Nahrung.

Der letzte Punkt, wie eingangs erwähnt, gehört immer dazu: Er- Ernährung und
nährung und Bewegung sind zwei Seiten einer Medaille. Wichtig Bewegung
ist, sich regelmäßig sportlich zu betätigen. Was man mag, ob ein- gehören
zeln oder in der Gruppe, im Wasser oder auf dem Land, hängt vom zusammen!
persönlichen Gusto ab. Der Wert für die & Prävention ist unum-
stritten. Je nach Studie reduziert eine regelmäßige und ausdau-
ernde sportliche Betätigung das koronare Risiko bei gesunden
Menschen um das 1,3- bis 2-Fache (Dickhuth & Schlicht, 1999).
Jedoch offenbaren die aktuellen Ergebnisse der EPIC-Studie auch,
dass Aktivität alleine keine Lebensjahre schenkt (Kuanrong et al.,
2014) (ª Kap. 4.4, S. 169). Allerdings spielen auch immer geneti-
sche Prädispositionen eine Rolle, inwieweit man vom Präventions-
potenzial sportlicher Aktivitäten partizipieren kann (Singer, 1994).
Besonders bei der Implementierung von Sportangeboten im Unter-
nehmen sollte immer im Vorfeld geklärt werden, ob die Teilneh-
mer den sportlichen & Belastungen gewachsen sind. Ein sportme-
dizinisches Check-up sollte Grundvoraussetzung sein, bevor es
losgeht. Professionelle Anleitung und Begleitung ist eine weitere
4 A 180 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Prämisse. Geklärt werden muss im Vorfeld, ob das Angebot in der


Arbeitszeit, in der Freizeit oder in einem Mischmodell realisiert
werden soll. Gut ist auch, wenn der Chef in seiner Vorbildrolle
mitmacht. So hat Betriebssport, im Kleinen (z. B. „Bewegte Mit-
tagspause“, gemeinsame Kurzspaziergänge nach dem Mittagessen)
wie im Großen (z. B. eigene Fußballmannschaft oder ein Betrieb
läuft bei einem öffentlichen Wettkampf mit) immer positive Ef-
fekte auf die Gesundheit sowie auch auf das soziale Miteinander
und somit auf das Betriebsklima!

Beweg Dich, In diesem Projekt der Techniker Krankenkasse werden nicht nur
Deutschland! Studien zum Bewegungsverhalten der Menschen in Deutschland
durchgeführt, sondern v. a. auch Bewegung im Beruf bzw. in der
Arbeitswelt diskutiert (TK, 2013a). Und dort ist das Ergebnis der
Studien sehr nachdrücklich: Deutschland sitzt! Mehr als 44 % sitzt
überwiegend bei der Arbeit und nur 28 % der Berufstätigkeiten
zeigt intensiven Körpereinsatz bei der Tätigkeit. Das Problem ist
dabei, dass das „große Sitzen“ in der Freizeit fortgeführt wird.
Was empfehlen die Experten? Ganz wichtig bleibt und ist ein
ergonomischer Arbeitsplatz, der aber Raum zur Bewegung bietet 
bspw. Stehpult, Balancekissen oder Gymnastikball. Aber auch
andere Faktoren erhöhen Bewegung. So sind gute und vor Regen
geschützte Abstellmöglichkeiten für das Fahrrad oftmals ein An-
reiz, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu pendeln. Ein spezieller Raum
für Bewegungspausen kann ebenfalls motivieren, sich vom „großen
Sitzen“ zeitweilig abzuwenden. Stehpulte sind für Kurztreffen und
4 auch zum Kaffeetrinken sehr vorteilhaft. Auch organisierte be-
wegte Arbeitspausen (aktive Mittagspause) sind interessant, wer-
den aber nach der Studie selten (nur 4 %) angeboten. Auch kleine-
re Änderungen schaffen Bewegung, so bspw. kann das Telefon
(aber nur, wenn der Mitarbeiter es möchte) bewusst außerhalb
der Reichweite des Sitzarbeitsplatzes platziert werden (schnurlose
Telefone sind hier zu empfehlen). Duschen, Umkleideräume und
Spinde erleichtern die Entscheidung, sich vom Auto zu lösen.
Manchmal hilft auch schon ein Pedometer, v. a. dann, wenn sich
eine Abteilung gemeinsam das Ziel vornimmt, mehr zu gehen, also
bspw. den Fahrstuhl zu meiden. Die Studie bleibt noch kritisch in
Bezug auf „Bewegung im Job“, denn der Wunsch nach Bewegung
wird nur selten in der Arbeitswelt Wirklichkeit (ebd., S. 32).

Hier finden Sie viele Anregungen zur Bewegungsstudie „Beweg


Dich, Deutschland!“ Wenn Sie auf dem Reiter „Bewegtbild“ ge-
hen, finden Sie auch einige interessante Kurzfilme zum „Bewegten
Arbeitsalltag“.
http://www.tk.de/tk/themen/kampagne-bewegung/568808
Werkzeuge für das Wissen: Gesundheitskommunikation 181 A 4.5

4.5 Werkzeuge für das Wissen:


Gesundheitskommunikation

Gesundheitsförderung und & Gesundheitskommunikation sind Interdisziplinäre


zwei Seiten einer Medaille und gleichzeitig eine interdisziplinäre Querschnitts-
Querschnittsaufgabe mit starker Anwendungsorientierung. Psycho- aufgabe
logen, Mediziner, Ernährungswissenschaftler, Marketingexperten
und Kommunikationswissenschaftler sowie Praktiker mit unter-
schiedlichen Vorkenntnissen tummeln sich gemeinsam in diesem
heterogenen Praxis- und Forschungsfeld (Bernhardt, 2004).

Die & Gesundheitskommunikation ist ein eigenständiges Teilge- Gesundheits-


biet der Gesundheitswissenschaften, die in den letzten 30 Jahren kommunikation
v. a. in den USA eine starke Beachtung gefunden hat (Hurrelmann
& Leppin, 2001). Inhaltlich wird ein breites Forschungsfeld abge-
deckt, in dessen Rahmen die unterschiedlichsten Formen der
Kommunikation über Gesundheit und Krankheit mithilfe verschie-
dener Vermittlungskanäle in einer Fülle unterschiedlicher sozialer
Kontexte untersucht werden (Kreps et al., 1998).

Nach Krause et al. (1989, S.13) geht es darum: „Unter Ge-


sundheitskommunikation sollen hier alle kommunikativen Ak-
tivitäten verstanden werden, die im Rahmen von Projekten
zur Gesundheitsförderung durchgeführt werden.“

Der Hauptzweck der Gesundheitskommunikation besteht darin, Ziele der Ge-


aufzuklären, zu informieren und darüber hinaus zu überzeugen sundheitskom-
sowie gesundheitsfördernde Verhaltensweisen anzuregen. Dabei munikation
kann Gesundheitskommunikation als Adressaten Gruppen, Organi-
sationen oder auch einzelne Individuen haben und unidirektional
(ohne Antwortmöglichkeit) oder interaktiv (mit Antwortmöglich-
keit) gestaltet sein (Hurrelmann & Leppin, 2001). Vom Begriff der
Gesundheitskommunikation ist das Gesundheitsmarketing abzu-
grenzen. Gesundheitsmarketing befasst sich mit dem Versuch,
gesundheitsassoziierte Leistungen bzw. Produkte zu vertreiben,
indem bspw. gesundheitsbewusste Kunden gezielt angesprochen
werden (vgl. Hoffmann et al., 2012).

Im BGM gibt es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten  z. B. bei Anwendung


der Erstellung von Strategien und der Implementierung von Maß-
nahmen zur Steigerung des Gesundheitsbewusstseins, bei der Ge-
staltung von Seminaren zu ausgewählten Schwerpunktthemen, bei
gruppenorientierten Präventionsprogrammen, Kursen, Workshops
oder der wirkungsvollen Umsetzung von Printanzeigen oder Intra-
bzw. Internetangeboten (Hurrelmann & Leppin, 2001).
4 A 182 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Wirkungen Es lassen sich eindeutige Einflüsse von Gesundheitskampagnen auf


Veränderungen im Gesundheitsverhalten nachweisen (Hornik,
2002). Auch Bernhardt (2004) kommt zu dem Schluss, dass syste-
matische Programme der Gesundheitskommunikation Veränderun-
gen bei Einzelnen und Gruppen in gesteigertem Bewusstsein, Wis-
senssteigerung, Veränderung der Einstellung und im Verhalten
verursachen können.

Professiona- Eine zunehmende Professionalisierung dieses Gebietes zeigt sich


lisierung in der Gründung eigenständiger Institute wie dem „Center for
Health Communication“ an der Harvard School of Public Health
und der Herausgabe spezieller Fachzeitschriften wie Health Com-
munication, die seit 1989 erscheint, oder dem Journal of Health
Communication, das seit 1996 erscheint (Jazbinsek, 2000).

Die Kluft zwischen wissenschaftlich orientierten Ansätzen und


praktizierbaren Strategien zur Problemlösung ist oftmals groß
(Witte, 1995). Der anwendungsorientierte Gesundheitspraktiker
ist an einfachen, praktikablen und ökonomisch sinnvollen Struktu-
ren oder Anleitungen zur Erstellung einer Gesundheitskommunika-
tion interessiert, ohne sich zu deren Nutzung in die wissenschaft-
lichen Hintergründe einarbeiten zu müssen (Chandran et al.,
2004), während die Wissenschaft oft Forschung zu Grundlagen
betreibt, die nicht zwingend konkrete Umsetzungs- und Anwen-
dungsbereiche findet (Maibach & Parrott, 1995). Hier bedarf es
eines engen Austauschs zwischen Wissenschaft und Praxis, um den
4 Transfer in beide Richtungen zu gewährleisten.

Folgende Schritte sind für die Entwicklung eines Kommunikations-


konzepts zum BGM relevant. Diese Definitionsschritte sollten dann
in einer Kommunikationskaskade münden:
x Definition der Dialoggruppen: Mitarbeiter, Kunden, Sharehol-
der, ggf. Medien, Branche und Politik.
x Definition der BGM-Zielgruppen: alle Mitarbeiter, Führungs-
kräfte, Betriebsräte und Vertrauensleute. Darüber hinaus ist
es wichtig, das Thema BGM auch extern zu positionieren, um
die Attraktivität des Unternehmens zu verdeutlichen (Emplo-
yer Branding).
x Definition der Kommunikationsziele: Das Unternehmen will
den Wandel zur gesunden Organisation vollziehen. Deshalb
müssen alle Mitarbeiter über die Notwendigkeit, Ziele und In-
halte des BGM, über Meilensteine und Dauerbrenner infor-
miert werden.
x Definition der Kommunikationsinhalte: Die Mitarbeiter müssen
für das Thema „Gesundheit“ sensibilisiert werden („Gesund-
Werkzeuge für das Wissen: Gesundheitskommunikation 183 A 4.5
heit geht jeden an.“ „Wie geht es mir heute, wie geht es mir
morgen?“). Darüber hinaus gilt es, die Veränderungsbereit-
schaft der Mitarbeiter zu erhöhen („Ich muss bis mindestens
67 arbeiten  was muss ich tun, damit ich das auch gesund-
heitlich schaffe?“) und deutlich zu machen, wo für den Mitar-
beiter und das Unternehmen die Vorteile liegen („Mitarbeiter
erhalten Wohlbefinden, Unternehmen leistungsfähige Mitar-
beiter  eine Win-win-Situation für alle Beteiligten!“). Schlüs-
selpersonen sind alle Führungskräfte, diesen kommt eine be-
sondere Verantwortung zu. Die Führungskräfte gilt es zu sen-
sibilisieren und sie in die Lage zu versetzten, ihre Führungs-
verantwortung im Sinne eines „gesunden Führens“ wahrneh-
men zu können (z. B. Arbeitsplatzgestaltung, Kommunikation
im Team, „Personalentwicklung am Mann“).
x Definition der Kommunikationskanäle: Mitarbeiterinformatio-
nen über Betriebszeitung, Intranetmeldungen, spezielle Ziel-
gruppeninformationsveranstaltungen, Anschreiben der Ge-
schäftsführung, Vorträge auf Betriebsversammlungen und spe-
zielle Umdrucke. Für Führungskräfte sollten Informationen
speziell aufbereitet und mit Umsetzungshinweisen für den
Führungsalltag angereichert werden. Es muss jedem klar wer-
den, dass es sich bei der Einführung von BGM um Change Ma-
nagement handelt, wofür Ressourcen bereitgestellt werden
müssen. Neben Informationen über Gesundheit müssen des-
halb auch Trainings mit Praxisbezug entwickelt werden.
x Definition der Kommunikationsphasen: Die Kernpunkte sind
Sensibilisierung, Vertrauensbildung, Bereitschaftserzeugung
und die Motivation zum Mitmachen!
x Definition der Kommunikationsmaßnahmen: bspw. Gestaltung
eines Gesundheitsportals im Intranet, Success-Stories und Best
Practices („Tue Gutes und sprich darüber!“), Incentives für
herausragende Aktionen und Abteilungen. Zunehmend spielen
hier auch soziale Netzwerke eine Rolle.

Im O-Ton. Das Thema nimmt an Bedeutung zu. Daher haben wir


einen Experten für Gesundheitsmarketing und Gesundheitskom-
munikation, Prof. Dr. Jochen Gurt, gebeten, uns die wichtigsten
Botschaften direkt zu vermitteln.
Sie finden das Interview im Kap. 4.8 (ª S. 198).
4 A 184 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Wichtig ist an dieser wie an vielen anderen Stellen auch, dass


das Thema „Gesundheitskommunikation und Gesundheitsin-
formation“ sorgfältig geplant, durchgeführt und evaluiert
wird. Information und Kommunikation sollten das betriebli-
che Gesundheitsmanagement frühzeitig anbahnen und dauer-
haft begleiten  dies ist ein wichtiger Erfolgsgarant!

4.6 Werkzeuge für die Motivation: Empowerment


Empowerment Unter & Empowerment verstehen wir die Unterstützung des Mit-
arbeiters durch Strategien und Maßnahmen, die ihn in die Lage
versetzen, seine Selbstverantwortung und seine Gesunderhaltung
verhaltenswirksam umzusetzen (vgl. u. a. Blanchard et al., 1998).

Für uns ist die Eigenverantwortung ein erfolgskritischer Fak-


tor für nachhaltige Gesundheitsförderung. Deshalb widmen
wir diesem Thema ein ganzes Kapitel (ª 7.2, S. 412).

Führungs- Da es sich bei der Gesunderhaltung um ein basales menschliches


verantwortung Bedürfnis handelt, bedeutet das unter dem Strich, dass man (Füh-
rungskräfte) den Mitarbeiter hinterm Ofen hervorholen (Partizipa-
tion) und wachrütteln muss (Motivation)  das klingt einfach, ist
es aber nicht! V. a. dann wird es schwierig, wenn die Führungs-
kraft selbst nicht als Vorbild fungiert (& Gesundes Führen). Das
heißt, die Verortung des Empowerment liegt zuerst einmal in der
4 Führungsverantwortung (ª Kap. 4.1, S. 148), nachgeordnet oder
flankierend können externe Trainingsprogramme zum Empower-
ment durchgeführt werden (Treier, 2009a). Die Führungskräfte …
x müssen den Mitarbeitern ein Vorbild sein,
x sollten Mitarbeiter befähigen,
x sollten Ressourcen zur Verfügung stellen und
x Eigenverantwortung ermöglichen.

1-plus-4-Modell Doch wie kann die Führungskraft, falls sie über die Kompetenz
und die Motivation verfügt, die Eigenverantwortung bei den Mitar-
beitern aktivieren und das Interesse für betriebliche Gesund-
heitsmaßnahmen wecken? Grawe (1998; 1999) hat sich in seinen
Forschungsarbeiten intensiv mit der Frage auseinandergesetzt:
Was sind die Erfolgsfaktoren eines guten psychotherapeutischen
Settings? Zur Beantwortung dieser Frage hat er internationale
Therapiestudien in einer & Metaanalyse vergleichend betrachtet
und als Ergebnis ein „1-plus-4-Modell“ oder auch „Modell der the-
rapeutischen Wirkfaktoren“ erhalten. Dieses Modell ist generali-
sierbar auf soziale Beziehungen mit dem Ziel, dass der eine Ge-
Werkzeuge für die Motivation: Empowerment 185 A 4.6
sprächspartner den anderen zu etwas motivieren möchte. In der
Beziehung „Klient  Therapeut“ geht es um Einsicht, Reflexion
und Verhaltensänderung; beim BGM geht es darum, dass die Füh-
rungskraft den Mitarbeiter für gesundheitsförderliche Maßnahmen
begeistert, verdeckte oder offene Widerstände reflektiert und
ressourcenorientiert unterstützt. Dies gilt für gesundheitsspezifi-
sche Themen genauso wie für die Gestaltung des alltäglichen Füh-
rungsgeschäfts. In Grawes (ebd.) Modell gibt es neben einem un-
spezifischen Generalfaktor vier spezifische Faktoren:
x Zentraler, unspezifischer Faktor: Es handelt sich um die Be-
ziehungsqualität. Ohne eine qualitativ gute, vertrauensvolle
Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sind keine
großen Sprünge möglich! Für solch eine Aussage hätte es si-
cher keiner großen Empirie bedurft, in der Praxis gibt es al-
lerdings genügend Negativbeispiele (vgl. Matyssek, 2011). All-
zu oft werden Führungskräfte in Seminaren geschult, in
„schwierigen Situationen“ von der Beziehungs- auf die
Sachebene zu wechseln (vgl. Neuberger, 1987) und häufig
bleiben sie dann auf dieser. Es ist leichter, von der Sachebene
aus aufgabenorientiert zu steuern, jedoch ist es nachhaltiger,
personenorientiert von der Beziehungsebene zu überzeugen.
Und richtig erfolgreich ist die Führungskraft, wenn sie perso-
nen- und situationsspezifisch zwischen den Ebenen elegant hin
und her wechseln kann!
x Erster spezifischer Faktor: Es handelt sich um die Klärung.
Was möchte die Führungskraft, was der Mitarbeiter? Die häu-
figste Ursache für die Entstehung und Aufrechterhaltung von
Konflikten sind nicht ausgesprochene Erwartungen  dies gilt
nicht nur für Beziehungen in der Arbeitswelt. Welche Motiva-
tionen gibt es, welche Emotionen spielen eine Rolle?
x Zweiter spezifischer Faktor: Die Bewältigung konkreter Prob-
leme oder Herausforderungen ist der zweite spezifische Fak-
tor. Warum ist es nicht zur vereinbarten Zielerreichung ge-
kommen? Und v. a.: Was müssen wir tun, damit es zukünftig
besser klappt? Stress und Probleme entstehen nicht selten
dadurch, dass die eigenen Ressourcen falsch eingeschätzt
werden. Morgens denkt man sich, den Papierstapel auf mei-
nem Schreibtisch habe ich bis mittags abgearbeitet, spät am
Ende des Arbeitstages ist der Stapel doppelt so hoch. Hier
hilft der gezielte Blick auf Zeitfresser und Störquellen, bspw.
mithilfe eines systematischen Zeitmanagements oder auch
durch das Erlernen von Problemlösetechniken (Seiwert, 2001;
2014; ª Kap. 6.2, S. 373). Die ersten beiden spezifischen Fak-
toren sind hoch miteinander korreliert: Jede motivationale
und emotionale Klärung bringt mit großer Wahrscheinlichkeit
auch eine Veränderung des nachfolgenden Verhaltens mit
sich. Umgekehrt ist zu erwarten, dass der Wechsel von einem
4 A 186 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

dysfunktionalen zu einem funktionalen Verhalten das emotio-


nale Chaos zu ordnen in der Lage ist und somit eine Klärung
nach sich zieht.
x Dritter spezifischer Faktor: Der dritte spezifische Wirkfaktor
ist die prozessuale Aktivierung. Diese Form der Aktivierung ist
wirklich nur dann möglich, wenn unser Generalfaktor „Bezie-
hungsqualität“ stimmt. Ein „darüber Reden“ führt nicht wirk-
lich zum Ergebnis. Die Forderung Grawes, dysfunktionale Ver-
haltensweisen und bremsende Emotionen im therapeutischen
Prozess zu wecken und damit in der Reflexion zu arbeiten, ist
im Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu er-
setzen durch eine ggf. kurzzyklische Kontrolle zwischen Ziel-
vereinbarung und Erreichung. Die prozessuale Aktivierung ist
ein Katalysator zwischen den beiden erstgenannten spezifi-
schen Wirkfaktoren.
x Vierter spezifischer Faktor: Ein konkretes Problem ist häufig
der Anlass für ein Mitarbeitergespräch. Wird der Problemkon-
text jedoch im Gespräch nicht verlassen, ist dies in den Ohren
des Mitarbeiters ein Schrei nach Widerstand. Der vierte spezi-
fische Faktor ist die Ressourcenorientierung. Gespräche wer-
den dann erfolgreich verlaufen, wenn nicht nur Probleme und
Defizite betrachtet werden, sondern auch die Stärken und
Kompetenzen des Mitarbeiters. Unter bestimmten Umständen
kann es auch sinnvoll sein, herausfordernde Persönlichkeitsei-
genschaften zu instrumentalisieren: Der Pessimist, der eine
destruktive Stimmung verbreitet, hat auch ein Talent. Durch
4 eine Art, die Welt zu sehen, entdeckt er viel schneller als an-
dere Fehler. Das war die problemorientierte Sichtweise. Dre-
hen wir den Spieß um und schauen aus der ressourcenorien-
tierten Perspektive auf die Sache, dann entdecken wir plötz-
lich das Talent, Schwachstellen in der Arbeit zu finden. Set-
zen Sie ihn als Controller ein!

Partizipation und Generell sollte beim & Empowerment im Kontext des BGM beach-
Vertrauen tet werden, dass Gesundheit als etwas sehr Privates verstanden
wird, deshalb sollte man das Thema nicht mit der Brechstange,
sondern behutsam einführen. Nur wenn die Mitarbeiter ausrei-
chend über BGM informiert sind (ª Kap. 4.5, S. 181), kann man
sie auch mit auf die Reise nehmen. Die Mitarbeiter sollten so früh
wie möglich mit einbezogen werden. Es ergibt keinen Sinn, wenn
sich die betriebliche Führungsetage im stillen Kämmerlein mit
Gesundheitsexperten zusammensetzt und Fehlzeitenstatistiken
sowie Gesundheitsberichte studiert, um daraus dann Maßnahmen
abzuleiten und diese der Mitarbeiterschaft überzustülpen. Dieses
Vorgehen erzeugt Misstrauen, gerade wenn es um Gesundheit geht
und wird auf wenig Resonanz stoßen. Besser ist es, die Mitarbeiter
Werkzeuge für die Motivation: Empowerment 187 A 4.6
mittels Befragung anzusprechen: „Was brennt Euch auf den Nä-
geln?“ Mithilfe einer Mitarbeiterbefragung „Gesundheit“ lassen
sich & Belastungen, & Ressourcen und & Beanspruchungsfolgen
(ª Kap. 3.4, S. 136) sowie Ideen und Wünsche zur BGF erheben.
Im günstigsten Fall informieren Betriebsleitung und Betriebsrat die
Mitarbeiter in Kleingruppen über gesundheitsfördernde Maßnah-
men und verteilen anschließend einen Fragebogen, den jeder mit
nach Hause und nach Bearbeitung anonym an eine möglichst ex-
terne und neutrale Institution zur Auswertung versenden kann.
Hier ist es wichtig zu betonen, dass die Anonymität zu jeder Zeit
garantiert wird und dass nur Gruppenergebnisse (bspw. nur Aus-
wertungseinheiten größer als 15 Teilnehmer) allen Mitarbeitern
und der Führungsetage rückgespiegelt werden. Nach Auswertung
der Daten sollten in einer paritätisch besetzen Gruppe mit Füh-
rung, Betriebsrat, Personalabteilung und Gesundheitsexperten
Maßnahmenvorschläge erarbeitet werden, die dann allen Mitarbei-
tern, möglichst in Kleingruppen, vorgestellt werden. Um die Parti-
zipation zu erhöhen, empfiehlt es sich, die Mitarbeiter die einzel-
nen Maßnahmenvorschläge priorisieren zu lassen  bspw. mittels
Punktabfrage. Mit Hilfe der Priorisierung lässt sich ein von allen
beteiligten Mitgliedern mitgetragener Fahrplan für die Maßnah-
menumsetzung und dessen Umfang herleiten, der dadurch eine
hohe Akzeptanz im Betrieb erzielt. Als Ergebnis kommt damit ein
„demokratisch“ abgestimmter Fahrplan zustande.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Identifikation von Multiplika- Multiplikatoren
toren. In einem ersten Schritt ist es nicht notwendig, wahrschein-
lich sogar illusorisch, die gesamte Belegschaft zu begeistern und
zu bewegen. Es geht aber darum, die Multiplikatoren in Aktivitä-
ten mit einzubinden und über diese „die gute Botschaft“ kommu-
nikativ zu streuen. Eine dankbare Zielgruppe sind in diesem Zu-
sammenhang Vertrauensleute, die aufgrund Ihrer Funktion und
mehrheitlich auch ihrer Persönlichkeit schnell für BGM zu begeis-
tern sein sollten. Dann gilt es aber auch, die Mitarbeiter anzu-
sprechen, die eine große Affinität zum Thema Gesundheit besit-
zen, weil sie aktuell oder in der Vergangenheit bestimmte BGF-
Felder besetzt haben: Das ist der Kollege, der einen Trainerschein
hat, oder die Kollegin, die seit vielen Jahren Yoga macht und die
bekannt dafür ist, dass sie nichts aus der Ruhe bringt. Und die
„üblichen Verdächtigen“ erreicht man über Maßnahmenangebote
sowieso. So werden Schritt für Schritt immer mehr Mitarbeiter
integriert. Eine Starterquote von 15 bis 20 Prozent ist durchaus
realistisch  allerdings sollte man nach zwei Jahren die magische
50-Prozent-Quote überschritten haben. Danach sinkt deutlich der
Aufwand für die Aktivierung der Mitarbeiter. Allerdings sollten
sich die Angebote weiter durch Vielfalt, Kreativität in der Auswahl
und Zusammenstellung sowie Angebote für bestimmte Zielgruppen
4 A 188 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

wie Schichtmitarbeiter, Mitarbeiter mit starker körperlicher oder


mentaler Belastung, Alleinerziehende, Teilzeitkräfte, ältere und
jüngere Mitarbeiter, Frauen und Männer etc. auszeichnen.

Abschließend noch eine Empfehlungsliste & „Empowerment“, die


für Führungskräfte konzipiert ist:
x Klären Sie die Zielsetzung und vereinbaren Sie den Weg zur
Zielerreichung!
x Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen, die
sie betreffen!
x Delegieren Sie Autorität für wichtige Aufgaben!
x Beachten Sie individuelle Unterschiede bezüglich Motivation,
Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Potenzialen!
x Ermöglichen Sie den Zugang zu wichtigen Informationen!
x Stellen Sie die Ressourcen bereit, die Ihre Mitarbeiter zur
Umsetzung neuer Verantwortlichkeiten benötigen (Zeit, Hand-
lungsspielräume, Entscheidungsspielräume, Materialien etc.)!
x Optimieren Sie Ihr persönliches „Führungsmanagement“, so-
dass Empowerment möglich ist und gefördert wird (wie viel
Bürokratie und restriktive Kontrolle sind nötig?)!
x Betonen Sie Vertrauen und Zuversicht in die Handlungskompe-
tenz Ihrer Mitarbeiter!
x Bieten Sie Ihre Unterstützung aktiv an!
4 x Ermutigen und unterstützen Sie Eigeninitiative und selbststän-
dige Problemlösung  zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

Wie gehen Sie eigentlich mit Risiken um? Manche favorisieren das
Motto „No risk, no fun“. Das Risikoverhalten ist eine wichtige prä-
ventive Komponente im BGF. Wir widmen daher im folgenden
Kapitel diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit, denn vielfach
ist man sich des eigenen Risikoverhaltens aufgrund eines schüt-
zenden illusionären Optimismus gar nicht bewusst.

4.7 Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit


Risiken
Das Angebot Auf dem Markt gibt es viele Maßnahmen der BGF, um den Umgang
mit Risiken aus verhaltensbezogener Sicht zu „optimieren“:
x Ernährungskurse und Gewichtskontrolle
x Maßnahmen zur Reduktion des Alkoholkonsums
Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit Risiken 189 A 4.7
x Raucherentwöhnung
x Rückenschonendes Arbeiten und Sitzen
x Steigerung der Compliance in Bezug auf Arbeitssicherheit
x & Stressmanagement und & Burnout-Prophylaxe
x Interventionen im Bereich der körperlichen Aktivität etc.
Vielfach liegen in der Praxis nicht nur singuläre Programme vor,
sondern Multi-Komponenten-Programme, die BGF Maßnahmen und
Handlungsfelder kombinieren (Schwarzer, 2004). Die empirischen
Ergebnisse solcher Programme sind zwiespältig. Programme dieser
Art sind nicht wirkungslos  das ist die gute Botschaft , aber die
Effekte gehen teilweise im Rauschen der beeinflussenden Fakto-
ren unter und variieren extrem  das ist der Wermutstropfen
(Heaney & Goetzel, 1997). Die Empfehlung liegt deshalb oft auf
die Individualisierung, um die Wirksamkeit zu steigern. Es müssen
Möglichkeiten geschaffen werden, individuelle Anliegen der Be-
troffenen zu berücksichtigen und sie damit in ihrer persönlichen
Bedarfslage angemessen anzusprechen.

Im Rahmen dieses Buches können wir nicht alle denkbaren


Faktoren auf der personenbezogenen Ebene adressieren. Eine
umfassende Übersicht  leider aber relativ wenig auf den be-
trieblichen Kontext bezogen  bietet das Buch „Psychologi-
sche Gesundheitsförderung: Diagnostik und Prävention“ von
Jerusalem und Weber (2003). Aktueller und noch umfassen-
der ist das Lehrbuch „Prävention und Gesundheitsförderung“
von Hurrelmann et al. (2014).

Gesundheit ist kein Risiko, Krankheit allerdings schon! Für den, Illusion der
der sich gesund fühlt, ist Krankheit eher etwas Abstraktes, etwas, eigenen Unver-
das  wenn überhaupt  nur anderen passiert. Diese „Illusion der letzbarkeit
eigenen Unverletzbarkeit“ (Janis, 1982) bzw. dieser „Optimisti-
sche Fehlschluss“ (Weinstein, 1980) ergibt evolutionspsychologisch
Sinn: sich selbst etwas zutrauen und Fehler bei anderen verorten
 umgekehrt wird eine „Depression“ daraus. Das individuelle Risi-
koverhalten und die Gefahrenexposition hängen ferner davon ab,
welche Folgen wir antizipieren. Häufig wird das objektive Risiko,
bspw. aufgrund des persönlichen Gesundheitsverhaltens an einer
koronaren Herzerkrankung wie Herzinfarkt zu erkranken, in der
eigenen Bewertung heruntergespielt: Es resultiert das subjektive
bzw. wahrgenommene Risiko. Warum? Weil das Ergebnis der Er-
krankung oft weit in einer ungewissen und fernen Zukunft liegt
und diese sich leicht verdrängen lässt. Ähnliches stellen wir auch
beim Thema Altersversorgung fest. Unser Risikoverhalten basiert
u. a. auf den Arbeits- und Lebensstil, den erlebten Stress, den uns
zugeordneten Rollen oder dem eigenen präventiven Umgang mit
4 A 190 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Gesundheit. Für viele ist dabei die Arbeit wichtiger als ihre Ge-
sundheit, obwohl diese Beziehungsaussage falsch ist, denn Arbeit
kann erst durch Gesundheit effizient und effektiv nachhaltig voll-
zogen werden.

Risikoverhalten Neben dem Gesundheitsverhalten gibt es auch ein eigenständiges


Risikoverhalten. Nach Faltermaier (2005) ist Risikoverhalten ein
verhaltensbedingter Faktor, der empirisch nachgewiesen die An-
zahl der Neuerkrankungen einer Krankheit (Inzidenz) in der Popu-
lation erhöht. Das Risikoverhalten lässt sich nach Perrez & Gebert
(1994) in sechs Risikocharakteristika aufteilen:
x Ort des zu erwartenden Schadens: Gefährdet das Verhalten
die Gesundheit?
x Wahrscheinlichkeit des Schadens: Wie wahrscheinlich ist das
Auftreten eines Schadens?
x Zeitpunkt des zu erwartenden Schadens: Wann wird der Scha-
den auftreten?
x Topografie des Verhaltens: Handelt es sich um Bewegungsver-
halten oder eine mentale Tätigkeit?
x Quantitative Aspekte des Verhaltens: Wie häufig und in wel-
cher Intensität wird ein Verhalten ausgeführt?
x Zu erwartende Wirkung: Welches Organsystem wird wie be-
troffen sein?

4 Risikoverhalten Die Wahrnehmung des Risikos wird zudem von dem Gesundheits-
der Bezugs- verhalten der Peergruppe bestimmt. Die Kenntnis über Risiken
gruppe kann positiven Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben, wenn
das Risikoverhalten der Peergroup (z. B. Alter, Geschlecht, sozio-
ökonomischer Status) zum eigenen Verhalten in Relation gesetzt
wird. Das Gesundheitsverhalten wird durch die Darbietung von
Informationen über das Risikoverhalten der Bezugsgruppe geför-
dert (Weinstein, 1983; Weinstein & Lachendro, 1982), denn durch
diesen Vergleichsprozess ‚eigenes vs. Peer-Gesundheitsverhalten’
wird das eigene Risiko realistischer wahrgenommen. Wird dieser
Peerbezug bei der Informationsweitergabe vernachlässigt, bleiben
die gewünschten Resultate in Form eines gesteigerten Gesund-
heitsverhaltens häufig aus. Aus der Befundrückmeldung im klassi-
schen Vieraugengespräch zwischen Arzt und Patient folgt patien-
tenseitig eine kurze Risikosensibilisierung, die beim Verlassen der
Praxis schon wieder verpufft und schlimmstenfalls dazu führt,
dass der Patient zukünftig Arztbesuche vermeidet (Reduktion der
kognitiven Dissonanz). Die Verarbeitung individualisierter Risi-
korückmeldungen ist anscheinend durch systematische Verzerrun-
gen gekennzeichnet. Ditto et al. (1988) konnten in empirischen
Untersuchungen zeigen, dass Risikopatienten (erhöhte Choleste-
Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit Risiken 191 A 4.7
rin- oder Blutdrucktestwerte, fiktive Enzymdefizienz) ihre Risi-
kostatus als weniger schwerwiegend für die Gesundheit beurteil-
ten, die allgemeine Prävalenz höher und die Testzuverlässigkeit
geringer einschätzten als Personen, die kein Risiko zurückgemel-
det bekamen.

Schwarzer & Renner (1997) ziehen deshalb das Fazit:


Defensive Reinterpretationsstrategien im Sinne einer mehr
oder weniger unbewussten Informationsverzerrung führen
dazu, dass die Betroffenen die Risikorückmeldungen bagatel-
lisieren. Damit kommt es häufig nicht zu einer erhöhten Vul-
nerabilitätseinschätzung.

Typische verhaltensbezogene Risikofaktoren der Lebensweise sind: Typische


Risikofaktoren
x Der Klassiker: Tabakkonsum (Zigarettenrauchen)
x Das Ernährungsdilemma: Fehlernährung (hyperkalorische
Ernährung, hoher Fettkonsum)
x Die Zivilisationsträgheit: Bewegungsmangel und körperliche
Interaktivität
x Der Erfüllungsdrang: Chronische Stressbelastung und Stress-
überlastung
x Das Managersyndrom: Typ-A-Verhaltensmuster (; Box 3-4,
S. 121) mit erhöhter Kontrollneigung, Daueranspannung, über-
steigertes Leistungsstreben, Gehetztheit und Irritierbarkeit
x Defizitäre Erholungsfähigkeit: Keine Erholungszeiten mehr,
denn Freizeit entwickelt sich zunehmend zum Stressfaktor

Ob ein Risikoverhalten auch negative Auswirkungen auf die Ge- Vulnerabilität


sundheit hat, hängt maßgeblich von der intraindividuellen Vulne-
rabilität ab  diese kann genetischer, organischer, expositioneller
oder psychosozialer Art sein. Der Asthmatiker (organische und
psychosoziale Vulnerabilität) sollte nicht unbedingt täglich eine
Cohiba rauchen (Risikoverhalten), ebenso wie der Arbeiter, der
früher regelmäßig Lösungsmitteln oder Asbest ausgesetzt war
(expositionelle Vulnerabilität). Wenn ein bestimmtes Risikoverhal-
ten zur Routine wird, z. B. alkoholisiert Auto fahren, wird die
damit verbundene Gefahr geringer eingeschätzt, als wenn diese
Situation nie auftritt. Das Gefahrenpotenzial kumulativer Risiken
kann also dramatisch unterschätzt werden (Denscombe, 1993).
Häufig praktiziertes Risikoverhalten, das Matarazzo (1984) als
„Verhaltenspathogene“ bezeichnet, ist mit bestimmten Erkran-
kungen oder Schäden assoziiert. Die folgende  Tabelle 4-3 gibt
eine Übersicht (in Anlehnung an Klein, 2007):
4 A 192 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

 Tabelle 4-3: Verhaltenspathogene und assoziierte Schäden

Verhaltenspathogene Assoziierte Schäden


Tumore, chronische Bronchitis, Infekti-
Rauchen onskrankheiten, kardiovaskuläre Er-
krankungen, Apoplex, Arteriosklerose
Diabetes Typ-II, Hypertonie, Hyperlipi-
Übergewicht, falsche Ernährung dämien, kardiovaskuläre Erkrankungen,
Tumore
Alkoholkonsum Tumore, Autounfall, Leberzirrhose
Kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumore,
Stress, dysfunktionale Belas- Zuflucht zu direkt gesundheitsschädi-
tungsverarbeitung genden Substanzen wie Alkohol und
Zigaretten
Sexuelles Risikoverhalten HIV-Infektion, Geschlechtskrankheiten
Sonnenbaden Tumore der Haut
Zu schnell fahren, keine Si-
Autounfall
cherheitsgurte benutzen
Bewegungsmangel Kardiovaskuläre Erkrankungen
Mangelndes Vorsorgeverhalten
(z. B. Impfungen, Infektionskrankheiten, Tumore
Krebsvorsorge)
Karzinogene (in der Umwelt
4 oder am Arbeitsplatz)
Tumore

Struktuelle Diese personalen Risikofaktoren auf der Verhaltensebene treffen


Risikofaktoren auf ungünstige strukturelle bzw. situative Risikofaktoren im Be-
trieb wie Schicht- oder Nachtarbeit oder Mehrfachtätigkeiten.
Wenn die verschiedenen Risikokonstellationen mit den entspre-
chenden persönlichen Faktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel
usw. zusammentreffen, ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken
um ein Vielfaches höher (exponentielles Risikowachstum).

Krankheit ist ein Spätindikator. Risikomanagement im Unter-


nehmen benötigt frühere Hinweise. Daher ist es wichtig,
frühzeitig Gefahren zu erkennen. Im ª Kap. 5.2 (S. 234) be-
fassen wir uns mit der Erfassung von Risiken und betrachten
dabei das Gesundheitsverhalten als möglichen Frühindikator.
Weitere Indikatoren sind Einstellungen und Werte sowie die
aktuelle und zukünftige Arbeitsfähigkeit.
Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit Risiken 193 A 4.7
Aus der Sicherheitspsychologie, die sich v. a. mit der Frage be- Wer ist
fasst, wie Unfälle entstehen und wie diese vermieden werden verantwortlich?
können, wissen wir aber das diese individuellen Einflussfaktoren in
ihrer Ausprägung durch diverse organisationale Faktoren gefördert
bzw. gehemmt werden können und dass die „Theorie der Unfall-
persönlichkeit“  der Unfäller ist die Bezeichnung für Menschen
mit besonderer Disposition für Verhaltensweisen, die relativ leicht
zu Unfällen führen  in dieser Ausschließlichkeit nicht verursa-
chungsgerecht ist (vgl. Nerdinger et al., 2008, S. 485-511). Eine
zentrale Aufgabenstellung des BGM ist es daher, die Arbeitswelt
menschengerecht zu gestalten helfen (Ulich, 2005). Andersfalls
werden wir auch das schwelende Problem des & Präsentismus 
also krank zur Arbeit zu gehen, was auch als Risikoverhalten be-
wertet werden muss  nicht in den Griff bekommen.

Schritte zu einem gesundheitsgerechteren Risikoverhalten … Unsere Schritte


(vgl. Norman, 2000; Schwarzer, 2004):
x Wissen über gesundheitsgefährdende Risiken
x Förderung der & Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung
x Umweltanpassung: Ressourcen, soziale Unterstützung etc.

Das Problem besteht darin, dass das Wissen über gesundheitsge- 1. Schritt: Wis-
sen über Risiken
fährdende Risiken dank der Medien zum gesellschaftlichen Allge-
meingut gehört, aber man sich selbst für nicht gefährdet betrach-
tet oder betrachten möchte. Nach Slovic et al. (1980) können
viele Zeitgenossen deshalb die subjektive Gefährlichkeit des eige-
nen Verhaltens nicht realistisch einschätzen (verzerrte Risiko-
wahrnehmung, optimistischer Fehlschluss). Denn dazugehören
neben der Kenntnis die Kontrollierbarkeit und die angenommene
Schadenshöhe  an der adäquaten Einschätzung der letzten bei-
den Punkte hapert es. Hoyos (1987) unterscheidet bei der Gefah-
reneinschätzung möglicher Risikozustände drei Dimensionen:
x Sensorisch direkt erkennbare Risiken: Diese treffen bei der
Gesundheit meistens erst sehr spät ein, was zu einer Fehlein-
schätzung führt (Beispiel: Herzerkrankungen).
x Durch diagnostische Eingriffe erkennbar: Wie schwierig es ist,
Menschen zu einer vorbeugenden Untersuchung zu bewegen,
wissen wir aus den Studien zur Darmkrebsprophylaxe. Unter-
nehmen können hier durch Informationsveranstaltungen die
Wahrscheinlichkeit für die Wahrnehmung einer diagnostischen
Untersuchung steigern (Darmtag als Gesundheitstag).
x Aus der Kenntnis allgemeiner Gesetzmäßigkeiten oder Erfah-
rungen erschließbar: In der Gesundheit gibt es Erfahrungen
und Regelsysteme, leider aber aufgrund der Komplexität (Syn-
4 A 194 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

drome) stets auch Ausnahmen. Diese Argumentation finden


wir bspw. beim Tabakkonsum noch häufig vor: Mein Vater ist
als Raucher 90 Jahre alt geworden, dagegen ist mein Onkel als
entschiedener Nichtraucher mit 68 schon verstorben.

Gesundheitsrisiken sind leider oft nicht anschaulich, zeitlich


verschoben und in ihrer Kausalitätskette nicht eindeutig. Die
Vorwarnzeit ist zwar lang, aber wird häufig bagatellisiert.
Das Wissen über diese Risiken ist sicherlich der erste Schritt,
muss sich aber im Verhalten widerspiegeln. Ansonsten bleibt
es träges Wissen. Bewährte Ansätze zur Optimierung des Um-
gangs mit Risiken in Bezug auf die eigene Gesundheit auf
Verhaltensebene sind die soziale Verpflichtung, das persön-
liche Feedback auf Basis von Gesundheitszielen und v. a. die
Steigerung der Selbstwirksamkeit. Eine Gesundheitsampel,
die über Risiko- und Schutzfaktoren sinnbildlich aufklärt,
kann hier ein hilfreiches Instrument darstellen.

2. Schritt: Ob Risiken akzeptiert werden oder nicht, hängt zunächst davon


Selbst- ab, ob sie selbst- oder fremdbestimmt sind. Wer mit 180 km/h
wirksamkeit über die Autobahn prescht, nimmt selbstbestimmt das Risiko eines
Unfalls in Kauf. Für den Beifahrer ist dieselbe Situation allerdings
sehr fremdbestimmt  je nach dem Grad der Vertrautheit wird der
Beifahrer seine Risikowahrnehmung und -einschätzung auch arti-
kulieren. Bis dato haben sich ca. 1200 Bergsteiger auf den Weg
zum Mount Everest gemacht und 400 sind dabei tödlich verun-
4 glückt  das ist eine Ausfallquote von 30 Prozent! Im Gegensatz
dazu ist das Risiko für den größten annehmbaren Unfall (GAU)
eines westlichen Atomkraftwerks á la Tschernobyl geringer als
10-9. Selbstbestimmung setzt auch das Vertrauen in sich selbst
voraus, etwas zu verändern. In der sozial-kognitiven Theorie von
Bandura (1997) wird das Konstrukt der & Selbstwirksamkeit einge-
führt, das wir im ª Kap. 3.3 (S. 129) vorgestellt haben. Schwarzer
(2002; 2004) zeigt, dass Selbstwirksamkeit in Bezug auf das Ge-
sundheitsverhalten einen wesentlichen Einfluss hat. Menschen mit
hoher Kompetenzerwartung sind bspw. bei Maßnahmen der Rau-
cherentwöhnung eher geneigt, Risikoverhaltensweisen abzubauen
und gesundheitsgerechte Verhaltensweisen über einen längeren
Zeitraum aufrechtzuerhalten (Nachhaltigkeit). In Anbetracht der
Rückfallraten bei verhaltenstherapeutischen Raucherentwöh-
nungsprogrammen von bis zu 75 Prozent ist die Suche nach den
maßgeblichen personalen Faktoren ein dringendes Anliegen der
Forschung und Praxis. Das moderne Verständnis von BGM/BGF legt
Wert auf Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung und Partizipation
als Handlungsvektoren (ª Kap. 7.3, S. 418; Bandura, 2000). Damit
aber die Selbstwirksamkeit in Gesundheitsziele und angemessenes
Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit Risiken 195 A 4.7
Verhalten übersetzt werden kann, müssen noch weitere Faktoren
beachtet werden. In der Motivationspsychologie interessiert man
sich v. a. für die Ergebniserwartungen des eigenen Handelns
(Heckhausen & Heckhausen, 2006). Wenn ich aufhöre zu rauchen,
dann werde ich nicht an einer Lungenerkrankung leiden oder ich
höre auf zu husten. Zusätzlich müssen die soziostrukturellen Fak-
toren, die behindern und fördern können, Beachtung erhalten.
Wichtig sind hier v. a. die sozialen Faktoren. Menschen aus Be-
zugsgruppen (gruppendynamische Effekte) können die soziale
Verpflichtung und das & Commitment, sein Handeln zu ändern,
maßgeblich beeinflussen. Dazu gehört neben den Arbeitskollegen,
Freunden v. a. auch die Familie.

Studien zeigen (O´Leary, 1992; Schwarzer, 2004): Selbst-


wirksamkeit hat sehr viele positive Einflüsse. Die Fähigkeit
zur Stressbewältigung nimmt zu, das Ertragen von Schmerzen
und der Umgang mit chronischen Leiden sind verbessert, die
Entwöhnung von Abhängigkeiten fällt leichter etc. Das Aus-
maß der Kompetenzerwartung hat einen eindeutig positiven
Einfluss auf die gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen.
Möglicherweise ist dieses Konstrukt tatsächlich die gesuchte
Wunderwaffe, um das Risikoverhalten gesundheitsgerecht
positiv zu beeinflussen. Weitere Studien belegen auch die
Folgen, wenn die Selbstwirksamkeitserwartungen steigen
(Jex et al., 1999; Grau et al., 2001; Schaubroeck et al.,
2000): Der Einfluss auf die Befindlichkeit am Arbeitsplatz ist
v. a. bei hoher Arbeitsbelastung nachweisbar. Auch gibt es
viele empirische Hinweise auf die Reduktion von Fehlzeiten
und & Präsentismus. Fazit: Ein realer Hoffnungsträger.

Risikoverhalten in der Arbeitswelt resultiert aber nicht nur aus Zum Schritt 3:
dem eigenen Risikobewusstsein oder Risikoeinstellung, sondern oft Umweltdruck
durch den Druck von außen. Psychische und physische Überlastun- Leistungsdruck
gen, Stress und Konflikte kennzeichnen zunehmend den Berufsall-
tag (Stressreport: Lohmann-Haislah et al., 2012). Um es zeitlich zu
schaffen, wird man mehr oder weniger gedrungen, Risiken in Kauf
zu nehmen: Das Risiko der Gesundheitsschädigung! Beispielhaft
sind zu nennen:
x Steigerung der Leistungsfähigkeit: Einnahme von Psychostimu-
lantien und anderen leistungssteigernden Präparaten, um die
& psychische Ermüdung durch quantitative oder qualitative
Überforderung hinaus zu schieben.
x Steigerung des Wohlbefindens: Einnahme von Antidepressiva
und anderen dämpfenden Präparaten, um die aufgrund von
Zeit- und Leistungsdruck oder sozialen Konflikten entstehen-
den Stress- und Angstzustände zu meistern.
4 A 196 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Konflikt zwischen So kann es zu einem Konflikt zwischen Leistungs- und Gesund-


Leistung und heitstendenzen kommen. Führungskräfte müssen sich dieser Ge-
Gesundheit? fahr bewusst sein, denn was nützen die besten BGF-Maßnahmen,
wenn der Leistungs- und Zeitdruck parallel wächst. Es gehört zu
ihrer Fürsorgepflicht, schädigende und beeinträchtigende Risiko-
faktoren zu minimieren. Leistung und Gesundheit müssen aber
keine Gegensätze sein. Leistung darf jedenfalls auf Dauer nicht
Gesundheit verbrennen, sondern Gesundheit fördert die Arbeits-
fähigkeit (Work Ability) nachhaltig (Hasselhorn & Freude, 2007).

Arbeitssucht als Beispiel für Risikoverhalten


Wenn die Arbeit das Denken, Handeln und Empfinden domi-
niert, gerät die Gesundheit auf das Abstellgleis. Man nimmt
Symptome der Krankheit nicht mehr wahr. Man verliert die
Kontrolle über den Arbeitsumfang und die Arbeitsdauer. Man
isoliert sich zunehmend sozial. Man erfährt wie bei einer
Sucht Entzugserscheinungen bei Nicht-Arbeit. Man muss im-
mer mehr arbeiten, um die Sucht zu befriedigen. Das Auftre-
ten psychosozialer und psychoreaktiver Störungen nimmt zu.
Poppelreuter (1997) hat sich mit dieser neuen Form des Risi-
koverhaltens intensiv befasst, denn der Job kann zur Droge
werden. Dann ist auch eine verhaltensbezogene Therapie
sinnvoll (Robinson, 2000).
; Box 4-4: Arbeitssucht oder Workaholism

Fließende Oft sind aber die Grenzen zwischen „viel arbeiten“ und „arbeits-
4 Zustände süchtig“ fließend. Arbeitssüchtig liegt dann vor, wenn die Fixie-
rung auf die Arbeit mit Kontrollverlust und Entzugserscheinungen
verknüpft ist.

Das Fazit für die betriebliche Präventionsarbeit muss lauten:


Zielgruppenspezifisches Wissen (z. B. Alter, Geschlecht, Tä-
tigkeitsschwerpunkte) über bestimmte Risiken ist experten-
seitig aufzubereiten (durch Arbeitspsychologen und
-mediziner) und an den Mann und die Frau vor Ort zu brin-
gen. Es empfiehlt sich, die Risikosensibilisierung in unter-
schiedliche Maßnahmen zu integrieren und in einem Gesamt-
konzept zu verbinden.

Unsere Unsere Empfehlungsliste auf der verhaltensbezogenen Präven-


Empfehlungen tionsebene:
x Informieren Sie über das Risikoverhalten in der jeweiligen
Bezugsgruppe und konfrontieren Sie so die Betroffenen mit
dem eigenen Risikostatus! Dies reicht aber nicht aus! Studien
fanden heraus, dass nur etwa 30 bis 50 % der Herzinfarktpati-
Werkzeuge für das Verhalten: Umgang mit Risiken 197 A 4.7
enten mit dem Rauchen aufhörten oder es reduzierten. Die
persönliche Betroffenheit durch eine Krankheit lässt zwar den
optimistischen Fehlschluss verringern, aber nicht vermeiden.
x Arbeiten Sie mit Zielen! Die zielgerichtete Verbindung von
Arbeit, Gesundheit und Gesundheits- und Risikoverhalten ist
Erfolg versprechend, denn sie ermöglicht auch eine Verfolgung
des Erfüllungsgrades in Verbindung mit den Anforderungen der
Arbeit. Dies setzt aber eine Art Monitoring voraus.
x Wechseln Sie vom pathogenetischen Pfad der Verhaltensprä-
vention zum salutogenetischen Weg! Verhaltensprävention in
Bezug auf das Risikoverhalten darf nicht nur den pathogeneti-
schen Pfad zur Verringerung oder Vermeidung riskanten, nega-
tiven Gesundheitsverhaltens gehen (z. B. Rauchen, Alkohol-
oder Medikamentenmissbrauch). Wichtiger ist der salutogene-
tische Pfad, also die Förderung gesundheitsgerechten, positi-
ven Verhaltens und die Stärkung personaler & Ressourcen
(Bewegung, Entspannung, Vorsorge).
x Verbessern oder Unterstützen Sie die Erholungsfähigkeit! Er-
holung ist nicht einfach die Überwindung von Müdigkeit, die
Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit
bei steigender Arbeitsdichte. Viele Menschen können sich
nicht mehr entspannen, finden keine Zufluchtsorte der Erho-
lung mehr. Das Erholungsverhalten sollte thematisiert werden.
x Individualisieren Sie Ihre Herangehensweise! Die individuelle
Ansprache ist wichtig, um das & Commitment zu erhöhen und
um individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen. Daher
empfiehlt es sich, einen Gesundheitscoach oder Koordinator
der Gesundheit im Betrieb zu installieren.

Schwarzer (2004): Dieses Buch stellt sich die Kernfrage un- Unsere Buch-
seres Präventionsauftrages. Welche psychologischen Prozesse empfehlungen
sind für eine gesunde Lebensweise oder für riskante Ge-
wohnheiten verantwortlich? Diese Fragestellung wird auf
verschiedene Risikobereiche vom Rauchen über Ernährung bis
zur körperlichen Aktivität übertragen und am Ende erfolgt
eine Übersicht zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung u. a.
am Arbeitsplatz.
Norman et al. (2000): Alle relevanten theoretischen Kon-
strukte von der sozialen Lerntheorie über motivationale Mo-
delle bis zur Selbstregulation werden hier von ausgewählten
Experten aufgegriffen und auf ihre Bedeutung für die Erklä-
rung und Modellierung des Gesundheitsverhaltens aus theore-
tischer und empirischer Sicht überprüft.
4 A 198 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

4.8 BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und


Kultur“

Die in diesem Kapitel erläuterten Werkzeuge wirken allesamt in


Richtung Individuum, Gruppe und Organisation. Der Präventions-
auftrag ist letztlich nur dann erfolgreich umsetzbar, wenn sich die
flankierenden Ansatzpunkte Kommunikation, Führung und Kultur
im Einklang mit den konkreten gesundheitsfördernden Maßnahmen
befinden. Wir haben uns daher als Autoren entschlossen, diese
drei Ansatzpunkte jeweils im O-Ton von zwei Fachexpertinnen und
einem Fachexperten erklären zu lassen.

*HVXQGKHLWVNXOWXU
3URIHP'U*DEULHOH(ONH
([SHUWLQIU*HVXQGKHLWVPDQDJHPHQWXQG*HVXQGKHLWVNXOWXU

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3UlYHQWLRQV
DXIWUDJ

4 } Abbildung 32: Kommunikation, Führung und Kultur

Prof. Dr. Jochen Gurt


Ein Experte für Gesundheitsmarketing und Gesundheitskommuni-
kation ist Herr Prof. Dr. Jochen Gurt, der sein Knowhow in zahl-
reichen Publikationen dokumentiert hat. Prof. Dr. Gurt lehrt an
der Business ans Technology School (BiTS) und der Fernuniversität
Hagen. Er ist Leiter des Instituts für innovative Organisations-
Personalentwicklung in Bochum (IOP).
Das Interview fand am 23. Dezember 2014 statt. Als Autoren
möchten wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung
von Prof. Dr. Gurt bedanken.
„Tue Gutes und sprich darüber!“  dieser alte und (zu) häufig
zitierte Marketinggrundsatz gilt für den Verkauf von Ideen und
Produkten nach außen wie nach innen. Müssen wir lernen, „Ge-
sundheit“ auch zu verkaufen?
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 199 A 4.8
Prof. Dr. Gurt: Was das Verkaufen von Gesundheit angeht, so
hätte ich direkt eine Gegenfrage: Wie viel sollte Gesundheit denn
kosten? Aber vielleicht fragen Sie doch besser einmal Ihren Arzt
oder Apotheker, was die dazu meinen. Nein, Spaß beiseite! Ich
greife aber gerne den alten Marketinggrundsatz auf. Wie bei (na-
hezu) jeder Lebensweisheit, steckt auch in diesem Grundsatz ein
Körnchen Wahrheit. In diesem Falle würde ich sogar von einem
ganzen Korn sprechen. Was in einer Organisation welchen Stel-
lenwert hat, wird maßgeblich von der tagtäglichen Kommunikati-
on bestimmt. Wenn Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung in der
Kommunikation im Unternehmen nicht vorkommen, dann haben
sie auch keine Bedeutung. Insofern ist es eine notwendige Bedin-
gung für ein erfolgreiches BGM, dass Gesundheit zum Thema in
der innerbetrieblichen Kommunikation gemacht wird. Durch den
Einsatz von innerbetrieblichen Kommunikationsmedien kann ich
hervorragend Wissen vermitteln, die Leute bezüglich aktueller
Vorgänge up to date halten und die Wichtigkeit von BGM demonst-
rieren. Diese Dinge sind wichtig, aber nicht ausreichend, um BGM
im Unternehmen zum Erfolg zu machen. Dabei wird aber oftmals
eine solche Informationsvermittlung mit Kommunikation verwech-
selt. Die empirischen Erkenntnisse zeigen, dass von einer solchen
reinen Informationsvermittlung alleine noch keine großartigen
Wirkungen zu erwarten sind. Bei der Gesundheitskommunikation
muss es deshalb letztlich auch darum gehen, Menschen durch
Kommunikation im positiven Sinne zu beeinflussen und zu über-
zeugen, sich mehr um ihre Gesundheit zu kümmern oder über-
haupt erst einmal anzufangen, sich aktiv mit dem Thema ausei-
nanderzusetzen. Das funktioniert medial nur bedingt, es muss
‚echte Kommunikation‘ zwischen Menschen stattfinden. Wie kann
man das umsetzen? Die Psychologie liefert zahlreiche Modelle, aus
denen sich Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Gesundheitskom-
munikation ableiten lassen. So lassen sich z. B. Anleihen bei der
Theorie des geplanten Verhaltens oder der sozialkognitiven Theo-
rie nehmen. Diese machen deutlich, dass (gesundheitsbezogene)
Verhaltensänderungen v. a. vom sozialen Umfeld beeinflusst wer-
den, indem dort bestimmte Verhaltensnormen wahrgenommen
und als verbindlich erachtet werden. Das kann dadurch erreicht
werden, dass mir z. B. Kollegen berichten, dass sie an einem
Schrittzählerwettbewerb teilnehmen, mein Vorgesetzter im Mee-
ting öfter auch mal erzählt, wie gut ihm das wöchentliche Trai-
ning der Betriebsfußballmannschaft tut und ich regelmäßig in der
Betriebszeitung über sportliche Aktivitäten von anderen im Unter-
nehmen lese. Es spielt eine große Rolle, von wem die Botschaft
kommt und wie ich zu dieser Person oder der Organisation stehe.
Nehme ich beispielsweise meine Führungskraft auch in anderen
Bereichen im Alltag oder im Betrieb als Vorbild wahr und habe ein
gutes Verhältnis zu meinen Kollegen, d. h. sind wir ein „echtes“
Team, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich an ihnen
4 A 200 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

orientiere. Das lässt sich auch für das gesamte Unternehmen ver-
allgemeinern. Ist die Beziehung zwischen Unternehmen und Mitar-
beitern intakt, d. h. stimmt es in puncto Arbeitszufriedenheit und
Mitarbeiterbindung, dann dringen auch die Botschaften der Ge-
sundheitskommunikation zu den Mitarbeitern durch und entfalten
ihre Wirkung. Ein weiterer Punkt ist, dass erlebte Erfolgsgeschich-
ten potenziell auch die Selbstwirksamkeitserwartung stärken
(„Wenn der das geschafft hat, kann ich das auch“) und verstärken
auch die erwarteten positiven Konsequenzen des Verhaltens
(„Wenn ich auch körperlich aktiver werde, dann werde ich genau-
so fit wie XY“). Das sind zwei wichtige psychologische Elemente,
wenn es darum geht, Verhaltensänderungen auszulösen. Generell
sollte es deshalb das Ziel sein, Gesundheit zum Thema nicht nur
der formellen, sondern auch der informellen persönlichen Kom-
munikation im Unternehmen zu machen und dafür zu sorgen, dass
es möglichst eine breite Basis an Fürsprechern gibt, welche die
Bedeutung von Gesundheit im Unternehmen auch authentisch
transportieren können. Im Marketing spricht man in dem Zusam-
menhang auch von viralen Elementen. Eine mediale Begleitung in
Form von Artikeln und Berichten in Unternehmensmedien, Flyern
und Plakaten kann das unterstützen, indem sie konkrete Möglich-
keiten zum Handeln aufzeigt.

Was verstehen Sie konkret unter „Gesundheitskommunikation“?

Prof. Dr. Gurt: „Gesundheitskommunikation“ ist ein weit gefass-


4 ter Begriff, der seinen Ursprung im amerikanischen Sprachraum
hat. Darunter wird v. a. die Entwicklung von öffentlichen Gesund-
heitskampagnen in Massenmedien verstanden, so genanntes
Health Campaigning. Das BGM kann diese Erkenntnisse für die
Gestaltung von innerbetrieblichen Informationskampagnen an-
wenden. Z.B. lassen sich Rahmenmodelle zur Planung von Kam-
pagnen, wie das PRECEDE-PROCEED Framework des National
Cancer Institutes nutzen, die ein systematisches Vorgehen vorge-
ben. Damit wird sichergestellt, dass ich mir bei jeder Kampagne z.
B. vorab Gedanken über den Kontext mache: Auf welches Vorwis-
sen, welche Einstellungen, Überzeugungen und Werte, auf welche
Unternehmenskultur trifft meine Kampagne im Unternehmen?
Welche anderen Projekte laufen sonst noch? Wie passt die Bot-
schaft des BGM ins Gesamtbild? Welche konkreten Faktoren bei
uns im Unternehmen unterstützen gesundheitsförderliches Verhal-
ten? Wo gibt es Hindernisse? Welche Belohnungsmechanismen
können wir nutzen? Weiterhin ist es wichtig, für jede Kampagne
spezifische Ziele zu formulieren. Will ich die Mitarbeiter nur in-
formieren und sensibilisieren oder will ich sie involvieren und zu
Verbündeten machen? Wenn ich das nicht klar habe, fehlte es
oftmals bei der Ausgestaltung der Kampagne an Orientierung. Von
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 201 A 4.8
der grundsätzlichen Zielsetzung hängt nämlich die Entscheidung
bezüglich aller weiteren Gestaltungsmaßnahmen ab. Wer sind
meine primären Zielgruppen? Wie formuliere ich die Botschaft?
Welche Kanäle und Medien setze ich ein, welche Personen binde
ich aktiv in die Kommunikation mit ein? Aus meiner Erfahrung
behandeln viele Unternehmen gerade den letzten Punkt der Ein-
bindung im Rahmen der Kommunikation immer noch stiefmütter-
lich. Da werden oftmals Flyer von den Kranken- oder Unfallkassen
verteilt, zwei oder drei schöne Plakate aufgehängt und natürlich
ein Infobereich im Intranet (vom Praktikanten oder Azubi) ge-
schaffen. Im Bestfall gibt es dann zu Beginn der Kampagne noch
ein trockenes Statement der Unternehmensführung und regelmä-
ßige Infomails. Persönliche Kommunikation findet viel zu selten
statt und falls doch, widersprechen sich manchmal sogar die Bot-
schaften. Ich habe es persönlich einmal miterlebt, wie der Ge-
schäftsleiter eines Unternehmens auf der zentralen Mitarbeiter-
versammlung vor mehr als 2000 Mitarbeitern 10 min. lang über
Ursachen von und die Notwendigkeit zur schnellen Senkung der
Fehlzeiten durch das BGM gesprochen hat, während die BGM Ver-
antwortlichen im Plenum sich auf die Zunge beißen mussten, da
sie im vergangenen halben Jahr wiederholt den Führungskräften
gepredigt hatten, nicht jede Woche auf die Fehlzeitenstatistik zu
schauen, sondern Geduld zu haben und den langfristigen Nutzen
ins Auge zu fassen. Durch eine entsprechende Systematik in der
Planung der Kampagne, die dann zu einer abgestimmten Kommu-
nikation führt, lassen sich solche Probleme vermeiden und eine
bessere Wirkung erzielen.
Gesundheitskommunikation spielt aber auch im persönlichen Kon-
takt zwischen den Menschen eine Rolle. Wie treten Verantwortli-
che für BGM im Unternehmen auf? Welche Beratungsleistungen
kann das BGM anbieten? Wie wird über gesundheitliche Herausfor-
derungen im Alltag kommuniziert? Die Felder des Health Coun-
seling oder Health Consulting können hier herangezogen werden,
wenn es um das „Was und Wie“ der persönlichen Kommunikation
über Gesundheit im Unternehmen geht. Die Kommunikation über
zunehmende psychische Erkrankungen wird von vielen Akteuren
oftmals als Überforderung erlebt. So zeigen aktuelle Erhebungen,
dass die gesetzlich geforderte Analyse psychischer Belastungen im
Rahmen der Gefährdungsbeurteilung noch kaum umgesetzt wird
(ª Kap. 5.5, S. 301). Als Ursache wird eine gewisse Scheu und das
Gefühl mangelnder Qualifikation im Umgang mit und der Kommu-
nikation von psychischen Belastungen durch die Sicherheitsbeauf-
tragen und Fachkräfte für Arbeitssicherheit genannt. Hier müssen
den Verantwortlichen professionelle Methoden und Instrumente
der Gesundheitskommunikation an die Hand gegeben werden,
welche sie in die Lage versetzen, die Beratung von Einzelnen oder
Gruppen zu übernehmen und Problemlösungs- oder Veränderungs-
4 A 202 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

prozesse anzustoßen und umzusetzen. Ein zweiter Bereich ist die


psychosoziale Beratung. Mehr und mehr Unternehmen setzen hier
auf externe Dienstleister, welche diese für sie übernehmen und
„Feuerwehr spielen“. Der Ansatz ist grundsätzlich gut, v. a. wenn
es darum geht, Probleme Einzelner bearbeitbar zu machen. Grö-
ßeres Potential für das BGM steckt allerdings in der gezielten Ein-
bindung der Führungskräfte in derartige Prozesse, die hierfür qua-
lifiziert werden müssen. Konkret bedeutet dies, dass sich die Rolle
der Führungskraft dahingehend ändern muss, dass sie BGM nicht
als Supportleistung sieht, welche sie bei Bedarf abrufen kann,
sondern sich selbst als aktiven Mitgestalter im BGM begreift. Das
bedeutet natürlich auch, sich mit dem bzw. den Mitarbeitern zu
Fragen der Gesundheit auszutauschen. Auch hier findet das Thema
Gesundheit oftmals aus Gründen mangelnder Qualifizierung und
daraus resultierender Unsicherheit in der neuen Rolle, nicht statt.
Gesundheitskommunikation bedeutet in dem Kontext, dass ich z.
B. Willkommensgespräche mit genesenen Rückkehrern führe, dass
ich aktiv auf Mitarbeiter zugehe, bei denen ich als Vorgesetzter
Überlastungssymptome wahrnehmen, dass ich in meinem Team
„Gesundheit am Arbeitsplatz“ zum Thema mache, aber auch
weiß, wo Grenzen gezogen werden müssen, meine Verantwortung
aufhört und ich ggf. professionelle Unterstützung hinzuziehe.
Kurz: Dass ich mich in meiner Rolle als Führungskraft auch als
kompetent erlebe, was das Thema Mitarbeitergesundheit angeht.

Suche nach dem Die genannten Aspekte der Gesundheitskommunikation sollten in


4 Gesamtkonzept jedem Falle nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Viel-
mehr hängt der Erfolg in nicht unerheblichem Maße von einem
stimmigen Gesamtkonzept ab, bei dem alle Teile einen Beitrag
leisten müssen. Wenn ich als Mitarbeiter jeden Tag erlebe, dass
Gesundheit im Arbeitsalltag in der Zusammenarbeit mit meinem
Vorgesetzten und meinen Kollegen keine Rolle spielt, werde ich
mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die ausgefeilteste Gesund-
heitskampagne als bloßes Lippenbekenntnis des Unternehmens
wahrnehmen und ihr vielleicht sogar mit Zynismus begegnen. An-
dererseits fehlt natürlich auch der Führungskraft der Wind in den
Segeln, wenn sie sich für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter ein-
setzt, aber ihr Engagement kommunikativ nicht unterstützt und
gewürdigt wird. Es ist hier sinnvoll, in Systemen zu denken, bei
denen es keine eindeutigen Ursache-Wirkungszusammenhänge
gibt, sondern eine Vielzahl von Wechselwirkungen existiert, die
das Systemverhalten beeinflussen. Ziel muss es sein, um einmal
mit Peter Senge (1990) zu sprechen, dass sich gemeinsame menta-
le Modelle hinsichtlich der Bedeutung und des Umgangs mit Ge-
sundheit im Unternehmen ausbilden. Das kann nur gelingen, wenn
alle Komponenten des Systems (d. h. der Organisation insgesamt
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 203 A 4.8
und nicht nur des BGM) ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Das ist
die große Herausforderung der Gesundheitskommunikation.

Gesundheitskommunikation greift die Gebiete Health Counseling,


Health Consulting und Health Campaigning ab und geht in einem
systemischen Gesundheitsmarketing auf  was sind aus Ihrer Sicht
die wichtigsten Erfolgsgaranten und was sind Scheiterkriterien?

Prof. Dr. Gurt: Was allgemeine Erfolgs- und Scheiterkriterien


anbelangt, so gibt es in vielen Bereichen der Kommunikationswis-
senschaften oder des Change Management lange Listen, die von
acht bis über 40 Faktoren reichen, z. B. dass man die Unterneh-
menskultur berücksichtigen sollte, die Botschaft auf die Zielgrup-
pe abstimmen muss und so weiter. Ich bin da eher vorsichtig, zu-
mal die empirische Basis nicht gerade belastbar ist. Das liegt al-
lerdings nicht unbedingt am mangelnden Ehrgeiz der Forscher,
sondern v. a. an der Komplexität und Diversität des Forschungs-
feldes. Mit der gebotenen Vorsicht könnte man aber vielleicht
folgende Gestaltungsprinzipien nennen, die sicherlich die Erfolgs-
wahrscheinlichkeit erhöhen:
x Zunächst halte ich eine inhaltliche, zeitliche und formale In-
tegration für fundamental wichtig. Mit inhaltlicher Integration
meine ich, dass alle beteiligten Personen eine einheitliche
und authentische Botschaft vermitteln, was durch das BGM
und wie dieses erreicht werden soll. Darüber hinaus meint das
aber auch, dass ich die Gesundheitskommunikation auch im
Gesamtkontext betrachte. D. h. worüber wird sonst noch Gestaltungs-
kommuniziert? Wie passt das zu den Botschaften des BGM? prinzipien Ge-
Zeitliche Integration bedeutet, dass ich die Kommunikation sundheitskom-
nicht abreißen lasse, sondern dafür Sorge trage, dass das munikation
Thema im Unternehmen dauerhaft auf der Agenda bleibt. Das
bekomme ich sicher besser hin, wenn ich mehrere unter-
schiedliche Medien nutze und auch gezielte Redundanzen ein-
baue. Schließlich erreiche ich durch eine formale Integration
eine höhere Sichtbarkeit und fördere damit die Bekanntheit.
Schauen Sie sich erfolgreiche Marken an! Ein unverwechselba-
res Logo oder ein Design nimmt den Empfänger durch eine ab-
gestimmte visuelle Gestaltung an die Hand und erleichtert die
Wahrnehmung und Sinngebung.
x Weiterhin halte ich es für unabdingbar, dass „echte zweiseiti-
ge Kommunikation“ stattfindet und nicht nur einseitige Infor-
mation. Die Mitarbeiter sollten nicht nur mit Informationen
über BGM Aktivitäten überflutet werden, sondern Möglichkei-
ten haben „mitzureden“. Wenn BGM-Beteiligte ihre selbst er-
lebten Erfolgsgeschichten kommunizieren oder auch mal kriti-
sche Töne angeschlagen werden, wird BGM authentisch. Da-
4 A 204 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

von geht eine ganz andere Wirkung aus, als wenn die Mitar-
beiter das Gefühl haben, dass das Gesundheitsmarketing eine
„Hochglanz-Propagandaveranstaltung“ des Managements ist.
Das kann ich durch die Ausgestaltung der persönlichen Kom-
munikation, aber ebenso durch den Einsatz geeigneter Medien
fördern. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang v. a.
die Möglichkeiten, welche die Neuen Medien des Web 2.0 bie-
ten. Diese bieten die Chance zu einem echten Dialog über Ab-
teilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg.
x Was die Art und Weise der Kommunikation angeht, ist mir
eine letzte Sache noch besonders wichtig: Emotionen! Das ist
ein Thema, was in der internen Unternehmenskommunikation
noch zu sehr vernachlässigt wird. Meist dominiert hier die An-
sprache auf der rationalen Ebene durch Anhäufung von Argu-
menten. Eine dauerhafte Veränderung des Gesundheitsverhal-
tens gelingt dadurch aber oftmals nicht. Eine bessere Chance
habe ich, wenn die Mitarbeiter sich emotional angesprochen
fühlen, wenn sie das BGM z. B. mit Spaß verbinden. Denken
Sie nur an die Werbung  die arbeitet nur mit Emotionen!
Jetzt will ich das nicht überbetonen und sagen, dass man es
der Werbung gleich tun sollte, eine rein emotionale Ansprache
wäre auch verfehlt. Es geht um eine gesunde Mischung:
Glaubwürdige und verlässliche Informationen und Fakten sind
die Basis der Gesundheitskommunikation, Metaphern und Ge-
schichten die emotionale Verpackung, um diese zu transpor-
tieren. Es zeigt sich immer wieder, dass Storytelling viel bes-
ser funktioniert als jede Statistik. Ich finde, ein Zitat von
4 John Kotter, dem Change Management Papst, bringt das sehr
gut auf den Punkt: „If you want people to change, you have
to win over their hearts and minds.“ (Kotter, 2011)

Kommunikation hat im BGM viel mit Führung zu tun. Daher macht


es Sinn, dem neumodischen Begriff „Gesunde Führung“ aus Sicht
einer praxiserfahrenen Kollegin auf den Zahn zu fühlen. Dr. Anne
Katrin Matyssek beschäftigt sich mit der Erfolgstrias „Führung –
Gesundheit – Kultur“. Als Sachbuchautorin, Rednerin und Trainerin
zum Gesunden Führen und BGM ist sie seit Jahren erfolgreich in
der Arbeitswelt unterwegs und erzeugt immer wieder Aha-
Erlebnisse, rüttelt auf und begeistert für das Thema „Gesundheit
in der Arbeitswelt“. Mit ihrem Unternehmen „do care!“ hat sie
ihre Philosophie zur Marke gemacht (http://do-care.de).
Das Interview fand am 14. November 2014 statt. Als Autoren
möchten wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung
von Frau Dr. Matyssek bedanken.
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 205 A 4.8
Sie schreiben schon seit einigen Jahren erfolgreiche Bücher zum
Thema „Gesundheit in der Arbeitswelt“, haben konkrete Hand-
lungshilfen entwickelt und auch Ihre Seminare sind ausgebucht.
Eine Zielgruppe, die Sie dabei immer wieder fokussieren, sind die
Führungskräfte  warum?

Dr. Matyssek: Führungskräfte haben eine Doppelfunktion inne: Sie


sind selbst zahlreichen Belastungen ausgesetzt und gleichzeitig
gestalten sie die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeitenden  ja,
sie stellen sogar selbst eine Arbeitsbedingung dar. Vorgesetzte
prägen das Klima in ihrer Abteilung. Und die Mitarbeiter orientie-
ren sich an ihnen, auch in Sachen Gesundheit. Das fängt beim
Pause-Machen an und hört beim Umgang mit Erreichbarkeit au-
ßerhalb der Arbeit noch lange nicht auf. Damit gestalten Füh-
rungskräfte auch die Kultur in ihrem Verantwortungsbereich und
letztlich im gesamten Unternehmen.

Führungskräfte entfalten Ihre Wirkung also nicht nur in Richtung


Mitarbeitergesundheit, sondern auch in Richtung Gesundheitskul-
tur. Wie sieht für Sie eine gut entwickelte Gesundheitskultur aus?

Dr. Matyssek: Vereinfacht gesagt: Man kennt sich, man mag sich,
man arbeitet gern. In einer „gesunden“ Kultur reflektieren Füh-
rungskräfte freiwillig ihr Führungsverhalten. Sie führen Willkom-
mensgespräche, ohne dass es dazu der Anordnung einer Betriebs-
vereinbarung bedarf. Sie interessieren sich für ihre Beschäftigten
und gewähren allen einen Vertrauensvorschuss. Sie lassen ihre
Mitarbeiter spüren, dass sie etwas wert sind und auch als Mensch
zählen. Auf Mitarbeiterseite zeigt sich diese Kultur darin, dass
Beschäftigte, die so behandelt werden, gern zur Arbeit kommen
und sich voll einbringen. Alle im Betrieb begegnen einander mit
Wertschätzung, sodass Gratifikationskrisen ein Fremdwort sind,
auch weil Aufstiegschancen, Partizipation, ein gutes Gehalt und
gerechte Behandlung selbstverständlich sind. Alle gehen achtsam
mit ihrer eigenen Gesundheit und mit der von Kolleginnen und
Kollegen um. Nein-Sagen ist erlaubt und erwünscht, sobald je-
mand an seiner Leistungsgrenze angekommen ist. Das klingt viel-
leicht utopisch, aber Träumen muss erlaubt sein …

Ihr Unternehmensname ‚do care‘ könnte auch auf dem Aufgaben-


buch eines Chefs stehen. Was sind aus Ihrer Sicht die Aufgaben
einer Führungskraft, die das BGM nachhaltig vorantreiben möchte?

Dr. Matyssek: Genau das, was der englische Ausdruck besagt: sich
zu interessieren bzw. sich zu kümmern  um das eigene Wohlbe-
4 A 206 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

finden und um das der Mitarbeitenden. Also in erster Linie als


Vorbild zu wirken. Es geht weniger darum, dass die Führungskraft
sich quasi missionarisch betätigt. Das Vorleben wirkt überzeugen-
der als jeder Appell.
x Gesundheitsgerechtes Führungsverhalten zeigt sich darin, dass
man sich nicht nur für die Leistung, sondern auch für den
Menschen im Mitarbeiter oder in der Mitarbeiterin interessiert
 und so z. B. Überlastungssignale frühzeitig erkennt und an-
spricht. Wertschätzung für die Person zeigt sich auch im Über-
tragen von Verantwortung, im Einbeziehen und natürlich in
Vorbild und mehr sozialer Unterstützung.
= x Neben der Verhaltensebene hat die Führungskraft aber auch
gesunde Führung Aufgaben zu erfüllen, die auf der Verhältnisebene angesiedelt
sind, sprich: Sie sollte für gesundheitsgerechte Arbeitsbedin-
gungen sorgen und diesbezüglich auch ein offenes Ohr haben
für Verbesserungswünsche der Mitarbeiter.
x Gesundheit zum Thema machen, bis solche Gespräche zur
Selbstverständlichkeit geworden sind  auch darin sehe ich ei-
ne Führungsaufgabe. Das Ziel muss sein, die Arbeitsfähigkeit
und die Arbeitsbereitschaft der Beschäftigten zu erhalten und
zu fördern.
x Diesbezüglich wird eine Schlüsselaufgabe für Führungskräfte
zukünftig darin bestehen, sich schützend vor ihr Team zu stel-
len. Also auch ein deutliches Feedback nach oben zu geben,
wenn die Leistungsgrenze des Teams erreicht ist und die Ge-
sundheit ihrer Mitarbeitenden gefährdet scheint.
4
Wenn eine Führungskraft das BGM wirklich nachhaltig voran-
treiben möchte, fasst sie sich ein Herz zum Grenzen-Setzen
 auch wenn es Mut (und vielleicht noch mehr) kostet.

Von der Kommunikation über Führung bis zur Kultur  es sind


Erfolgsfaktoren eines modernen BGM. Kommunikation und Führung
haben wir dank der Experten erläutert, nunmehr bleibt ein Begriff
noch offen. Was bedeutet Gesundheitskultur im BGM?

Prof. em. Dr. Gabriele Elke


Frau Prof. Dr. Gabriele Elke von der Ruhr-Universität Bochum be-
schäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit der Gesundheitskul-
tur in Unternehmen, ihren Ausprägungsgraden, ihren Treibern und
ihrer Wirkung. Das Interview fand am 9. März 2010 statt (Anpas-
sungen 2014). Als Autoren möchten wir uns an dieser Stelle herz-
lich für die Unterstützung von Frau Prof. Dr. Elke bedanken.
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 207 A 4.8
Als Sie in Ihrer Habilitationsschrift aus dem Jahr 2000 von „Ge-
sundheitskultur“ sprachen, war dieser Begriff noch nicht weit
verbreitet. Heute erhalten Sie bei Google weit mehr als 50.000
Treffer. Was verstehen Sie unter Gesundheitskultur und welche
Bedeutung kommt ihr im Rahmen der & Prävention zu?

Prof. Dr. Elke: In Organisationen haben sich meist über Jahre


bestimmte Selbstverständlichkeiten entwickelt, u. a. wie man
miteinander zusammenarbeitet, wie man Probleme angeht oder
auch wie Menschen zu führen sind. Es gibt in jeder Organisation
unausgesprochene Regeln und Normen.

Die Grundgesamtheit dieser gemeinsamen Wert- und Norm-


vorstellungen in einer Organisation sowie die geteilten Ver-
haltens-, Denk-und Problemlösungsmuster stellen die Kultur
eines Unternehmens dar.

Durch die Kultur wird das Handeln in einem Unternehmen indirekt


ausgerichtet und koordiniert. Sie bildet einen impliziten Hand-
lungscode, der von der Mehrheit der Organisationsmitglieder als
verpflichtend erlebt und gelebt wird. Im Zentrum stehen grundle-
gende Werte und Annahmen, die sich auf Grundthemen menschli-
cher und betrieblicher Existenzbewältigung beziehen und an de-
nen sich das Handeln von und in Organisationen orientiert.

Und was ist jetzt „Gesundheitskultur“?

Prof. Dr. Elke: Für eine nachhaltige Gesundheitsförderung und


Prävention ist die Frage zentral, welchen Stellenwert der Gesund-
heit im Handlungskodex einer Organisation zukommt. Wird z. B.
Gesundheit eher als „Privatsache“ und im Vergleich zu anderen
Zielen als unwichtig angesehen oder wird von einem engen Zu-
sammenhang zwischen der Gesundheit der Beschäftigten und ih-
rer Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit ausgegangen? In beiden
Fällen hat sich eine Gesundheitskultur entwickelt. Eine auf Nach-
haltigkeit und auf Eigenverantwortung ausgerichtete Gesundheits-
kultur kann eher hinderlich oder förderlich sein, d. h., es liegt
eine negative oder positive & Gesundheitskultur vor. Dement-
sprechend lassen sich in Unternehmen große Unterschiede im Hin-
blick auf eine umfassende Verpflichtung zum Schutz und zur För-
derung von Gesundheit feststellen. Nicht in jedem Unternehmen
ist es „normal“, dass Gesundheit einen Wert darstellt, Gesundheit
bei der Arbeitsgestaltung mit bedacht wird, sich die Führungskräf-
te für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter verantwortlich fühlen und
dass Gesundheit eben nicht als Privatangelegenheit angesehen
wird. In vielen Unternehmen ist eher gesundheitsschädigendes
4 A 208 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

Verhalten die Handlungsnorm. Es wird als „normal“ erlebt, dass


Pausen nicht eingehalten werden und sicherheitswidriges Verhal-
ten nicht geahndet, sondern eher belohnt wird. Gesundheit und
Gewinnmaximierung werden als nicht miteinander vereinbar ange-
sehen.

In Unternehmen mit einer gesundheitsförderlichen Kultur


wird Gesundheit dagegen gleichrangig mit anderen Leistungs-
zielen umgesetzt.

Der Mensch wird als zentrale Ressource für den Erfolg eines Un-
ternehmens angesehen. Leitlinien und Führung unterstreichen,
dass die Sicherung und Förderung der Gesundheit der Beschäftig-
ten und Kunden grundlegend für ein hohes individuelles und be-
triebliches Leistungsniveau und damit den Unternehmenserfolg
sind. Die zugrunde liegende Philosophie entspricht den neuen
rechtlichen Leitlinien. Während der klassische Arbeitsschutz im
einzelnen Menschen eher jemanden sah, den es zu schützen galt,
geht die europäische Gesetzgebung, wie im Arbeitsschutzgesetz
national umgesetzt, vom Arbeitnehmer als einem Partner aus, der
nicht nur in die Entscheidungen und Maßnahmen einzubeziehen
ist, sondern der auch in seinem Rahmen Verantwortung trägt.
Zugleich korrespondiert der präventive Ansatz des Arbeitsschutz-
gesetzes mit einem erweiterten Gesundheitsverständnis, das so-
wohl das physische als auch das psychosoziale Wohlbefinden ein-
schließt und schwerpunktmäßig auf Maßnahmen der Primärpräven-
4 tion setzt. Schutz und Vorbeugung stellen auch im Kontext einer
gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur wichtige Werte dar,
aber vorrangig ist die Förderung von individuellen und betriebli-
chen Ressourcen. Insofern liegt modernen Konzepten der Perso-
nalführung und einer gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung
dieselbe Philosophie zugrunde: Selbstbestimmtes und eigenver-
antwortliches Handeln bilden gleichermaßen die Grundlage für das
psychische und physische Wohlbefinden als auch für die erfolgrei-
che Zusammenarbeit und Aufgabenbewältigung v. a. in dezentra-
len Arbeitsstrukturen.

Gibt es hierzu einen wissenschaftlichen Erkenntnisstand?

Prof. Dr. Elke: Der Zusammenhang zwischen einer gesundheits-


förderlichen Unternehmenskultur und der Umsetzung einer ge-
sundheitsförderlichen Arbeits-/Organisationsgestaltung sowie ei-
nem hohen betrieblichen Gesundheits- und Leistungsniveau ist
empirisch belegt.
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 209 A 4.8
Eine gesundheitsförderliche Unternehmenskultur unter-
stützt zum einen die Einführung und Umsetzung gesundheits-
sichernder und -fördernder Maßnahmen. Sie sorgt dafür, dass
Strukturen und Regelungen auch im Alltag gelebt werden.
Zum anderen stellt sie, ebenso wie die & soziale Unterstüt-
zung und der Handlungsspielraum, am Arbeitsplatz eine
wichtige betriebliche Ressource dar.

Bspw. zeigte sich in einer Untersuchung im Produktionssektor,


dass eine gesundheitsförderliche Kultur die Auswirkungen von
Arbeitsbelastungen abpuffert und die Beanspruchungsfolgen redu-
ziert. Bei vergleichbaren Arbeitsbelastungen litten v. a. ältere
Beschäftigte in Unternehmen mit einer gesundheitsförderlichen
Unternehmenskultur signifikant weniger unter körperlichen Be-
schwerden als ihre Kollegen, die in Betrieben arbeiteten, in denen
Gesundheit keine oder eine untergeordnete Rolle spielt (Zimo-
long, 2001, S. 141 ff.).
Eine gesundheitsförderliche Unternehmenskultur kann nicht wie
eine Vorgehensmethodik eingeführt und durchweg rational gema-
nagt werden. Die Vermittlung und Entwicklung von Wertorientie-
rungen und Selbstverständlichkeiten können zwar forciert werden,
aber sie finden hauptsächlich in Form von sozialen Austauschpro-
zessen und zumeist nicht systematisch geplant im täglichen Um-
gang miteinander statt. Neben der Beteiligung und Einbindung der
Mitarbeiter ist das Wirken einflussreicher Kulturträger entschei-
dend. Die wichtigsten Promotoren einer gesundheitsförderlichen
Unternehmenskultur sind das Management und die Führungskräf-
te. Ihre Einstellungen, ihr & Commitment in Form von Identifika-
tion und Zielverbundenheit und ihr Verhalten haben für die Be-
schäftigten Vorbildcharakter. Sie zeigen, was in einem Unterneh-
men von Wert ist, inwieweit die Gesundheit des Einzelnen zählt.
Gefordert ist von der Führung ein konsequentes und glaubwürdi-
ges Vorgehen, das nicht nur Gesundheit als Hochglanzziel vorgibt
(Roadshow), sondern auch eine Arbeitsorganisation schafft, die
gesundheitsgerechtes Verhalten zulässt oder sogar fördert.

Führungskräften kommt also in der betrieblichen Gesundheitsar-


beit eine zentrale Rolle zu. Was meinen Sie genau damit?

Prof. Dr. Elke: Führungskräfte haben einen entscheidenden Ein-


fluss auf die Gesundheit ihrer Beschäftigten. Zum einen steuern
sie das Verhalten ihrer Mitarbeiter im persönlichen Kontakt (durch
Anweisungen, Gespräche etc.). Zum anderen schaffen sie Struktu-
ren und gestalten Bedingungen, wie u. a. die Arbeitsorganisation,
Arbeitsplatzgestaltung, Personalsysteme, die eher indirekt das
gesundheitsgerechte Verhalten der Beschäftigten entweder for-
4 A 210 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

dern und fördern oder auch beeinträchtigen und behindern kön-


nen. Formen und Ansätze einer gesundheitsförderlichen Führung
sind somit sehr vielfältig.

Die Art und Weise, wie sich Führungskräfte verhalten, kann


einen direkten positiven oder negativen Einfluss auf das
Wohlbefinden der Beschäftigten und ihre Gesundheit haben.

Kernaufgabe aller Führungskräfte ist die Steuerung und Koordina-


tion des Verhaltens ihrer Mitarbeiter im Sinne der jeweiligen Un-
ternehmensziele. Die Sicherung und der Erhalt der Gesundheit der
Beschäftigten zählen dazu. Zu ihrer Erreichung können und sollten
dieselben Strategien und Techniken wie zur Sicherung und Förde-
rung jedes anderen Leistungsverhaltens genutzt werden. So ist
gesundheitsgerechtes Verhalten oft nicht nur eine Frage der Moti-
vation, sondern auch der Qualifikation. Qualifizierung und Perso-
nalentwicklung gehören zum Kern einer gesundheitsförderlichen
Führung. Sie unterstützt die Entwicklung der & Gesundheitskom-
petenz auf allen Ebenen durch entsprechende Anweisungen, An-
leitungen, Aus- und Fortbildungen. Die Anwendung des gesund-
heitsbezogenen Wissens und die Umsetzung der Kompetenzen im
Alltag müssen ebenfalls wie jedes Leistungsverhalten gezielt
durch die Führung unterstützt werden. Leistungsverhalten wird
durch das Setzen oder Vereinbaren von spezifischen, herausfor-
dernden Zielen bedeutsam gesteigert. Das gilt auch, wie vielfach
nachgewiesen werden konnte, für die Förderung von sicherheits-
4 und gesundheitsgerechtem Verhalten. Ebenso wird nicht nur Ver-
halten generell, sondern auch gesundheitsgerechtes Verhalten
durch das Setzen von Anreizen im Sinne des operanten Lernens
beeinflusst. Gesundheitsförderliche Führung nutzt bzw. sollte alle
generell erfolgreichen Führungstechniken auch gezielt zur Verbes-
serung des Gesundheitsverhaltens in einem Unternehmen nutzen.
Gleichzeitig ist es notwendig, das gesundheitsförderliche Füh-
rungsverhalten selber u. a. auf den unteren oder mittleren Ebe-
nen entsprechend zu fordern und zu unterstützen. Unternehmen
mit einem hohen Sicherheits- und Gesundheitsniveau fordern und
fördern ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten, wie die
GAMAGS-Studie (Ganzheitliches Management des betrieblichen
Arbeits- und Gesundheitsschutzes) gezeigt hat, v. a. durch den
systematischen Einsatz von Personalsystemen. So gehen in diesen
Unternehmen u. a. der Stand und die Leistungen einer Abteilung
im Arbeits- und Gesundheitsschutz in die regelmäßige Beurteilung
der Führungskräfte und den Erhalt von variablen Bonuszahlungen
ein. Der Einsatz von gesundheitsbezogenen Beurteilungs- und An-
reizsystemen zählt damit zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren
(Zimolong & Elke, 2001).
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 211 A 4.8
Führungskräften kommt aufgrund ihrer übergeordneten Stellung
und Aufgaben eine wichtige Rolle zu, nicht nur offiziell für die
Umsetzung der Ziele, sondern auch für die in einem Unternehmen
gelebten Werte und Normen. Sie vertreten, repräsentieren und
sorgen ebenso für die Umsetzung der Ziele wie für die Förderung
einer spezifischen Unternehmenskultur. Ihr Auftreten und Verhal-
ten vermittelt den Mitarbeitern, was im Unternehmen wichtig ist
und welche Regeln der inhaltlichen Zusammenarbeit und des sozi-
alen Umgangs „verpflichtend“ sind. Führungskräfte sind Vorbilder.

Neben Forschungsprojekten haben Sie auch viele Beratungsprojek-


te zum betrieblichen Gesundheitsmanagement durchgeführt. Wo-
rauf sollte ein Unternehmen achten, wenn es erfolgreich BGM
einführen möchte  was sind Treiber, welche Barrieren gibt es?

Prof. Dr. Elke: Die Notwendigkeit von betrieblichem Gesund-


heitsmanagement wird heute nicht mehr infrage gestellt. Ebenso
kennen wir die Handlungsfelder, Kernprozesse und Anforderungen
an eine langfristig und nachhaltig greifende BGF.

Merkmale eines erfolgreichen BGM sind ein ganzheitliches


Vorgehen, d. h. eine Ausrichtung auf Abbau von Risiken und
Stärkung von & Ressourcen, Kombination von verhaltens- und
verhältnisbezogenen Maßnahmen, Integration der Gesund-
heitsförderung in den betrieblichen und privaten Alltag sowie
in das Management. Zentral ist ein systematisches Control-
ling aller Maßnahmen, d. h. ihre qualitäts- und bedarfsorien-
tierte Auswahl, Dokumentation und Erfolgskontrolle.

Liebe Frau Prof. Elke, in Ihrem „ersten Leben“ haben Sie als Leh-
rerin den Kindern das ABC beigebracht  heute sind die Kinder
größer geworden und Sie vermitteln als Hochschullehrerin den
Unternehmen die A-B-C-Strategie des Gesundheitsmanagements.
Was haben wir uns darunter vorzustellen?

Prof. Dr. Elke: Die Einführung eines systematischen BGM erfordert


auf der Ebene der Beschäftigten und v. a. auf der Ebene der Füh-
rung und der Organisation Veränderungen. Sie ist ein Change Ma-
nagement Prozess. Solche organisationalen Veränderungsprojekte
zeichnen sich in der Praxis generell durch ein relativ hohes Misser-
folgsrisiko von 40 bis 70 Prozent aus. Der Erfolg von Veränderun-
gen ist im hohen Ausmaß abhängig von der Gestaltung ihres Ein-
führungsprozesses. Auch die Einführung eines BGM muss gut vor-
bereitet und unterstützt werden. Sie muss so erfolgen, dass Be-
schäftigte und Führungskräfte mitziehen und überzeugt werden.
Nur so kann erreicht werden, dass die Maßnahmen auch im Alltag
4 A 212 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

umgesetzt werden, das Mitdenken von Gesundheit langfristig zur


Selbstverständlichkeit wird und sich eine positive & Gesundheits-
kultur etabliert. Ein systematisches Vorgehen ist über die der A-B-
C-Strategie möglich (vgl. Elke & Schwennen, 2008).

A wie Austausch A wie Austausch: Information und Kommunikation über Ziele,


Vorgehen, Maßnahmen, Meinungen, Hintergründe etc. sind die
wichtigsten Bedingungen für den Erfolg jeder Veränderung. Sie
fördern nicht nur die Akzeptanz für die Neuerungen, sondern er-
höhen zugleich auch die Motivation und das Engagement aller,
teilzunehmen. Die Beschäftigten müssen nicht nur kontinuierlich
informiert, sondern v. a. auch überzeugt werden. Oft mangelt es
bspw. an einer Vision und der Kommunikation, wo es denn über-
haupt hingehen soll, warum es wichtig ist, in die Gesundheit zu
investieren. Was ist der Nutzen für den Einzelnen und das Unter-
nehmen? Es muss offensichtlich werden, dass BGM notwendig ist
für den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Einzelnen und des Unter-
nehmens und alle davon profitieren. Ein erfolgreiches BGM kommt
ohne ein vorbereitendes und begleitendes Marketing nicht aus.
B wie Beteiligung B wie Beteiligung der Beschäftigten: Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter sind nicht nur bei der Einführung des BGM zu beteiligen,
sondern v. a. sind ihre Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu
unterstützen und zu fördern. Sie wissen als Experten vor Ort am
besten, welche gesundheitsbezogenen Herausforderungen mit
ihrer Arbeit verbunden sind und wie sie bewältigt werden können.
Beteiligung und Einbindung sensibilisieren sie für Fragen der Ge-
4 sundheit, erhöhen die Akzeptanz und fördern das Engagement und
die Übernahme von Verantwortung für die eigene Gesundheit und
die Gesundheit im Arbeitsbereich.
C wie C wie Commitment der Führungsebene: & Commitment meint,
Commitment dass die Führung sich mit den Zielen identifiziert und hinter ihnen
steht. Ohne das Commitment der Leitung und der gesamten Füh-
rung, ohne ihre sichtbar gelebte Verpflichtung gegenüber den
Zielen und ihre Unterstützung der Maßnahmen hat auch das beste
BGM keine Chance. Es ist nicht immer einfach, die Führungskräfte
zu gewinnen. Sie müssen von Anfang an eingebunden und unter-
stützt werden, damit sie ihre Rolle als zentrale Promotoren der
Gesundheitsförderung erfüllen können.
BGM im Dialog: „Kommunikation, Führung und Kultur“ 213 A 4.8
Der Einsatz der A-B-C-Strategie bei der Einführung und Um-
setzung des BGM forciert die Entwicklung einer positiven
& Gesundheitskultur. Sie ist wiederum notwendig, damit die
Maßnahmen des BGM langfristig als verpflichtend erlebt und
im Arbeitsalltag gelebt werden. Die Einführung von gesund-
heitsförderlichen Strukturen und die Entwicklung einer Ge-
sundheitskultur greifen ineinander, stützen sich wechselseitig
und machen so den nachhaltigen Erfolg aus.

Für Sie gelesen  von uns empfohlen:


Lütz, M. (2009). IRRE! Wir behandeln die Falschen. Unser Problem
sind die Normalen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
Zum Vertiefen in das Thema „Psyche“ mal aus einer ganz anderen
Perspektive: Der Psychiater und Kabarettist Manfred Lütz wagt
eine kritische und heitere Einführung in die Seelenkunde. Depres-
sionen, Angststörungen & Co. werden unterhaltsam, aber immer
fundiert erläutert.

 Zusammenfassung zum Präventionsauftrag


x Prävention: BGM ist Präventionsarbeit! Nach der Analyse der
Gesundheitssituation im Unternehmen kommt es darauf an,
die Präventionsmaßnahmen zu planen. Dabei sollte ein län-
gerfristiger Zeitraum von zwei bis drei Jahren ins Auge gefasst
werden. Wichtig ist, dass neben den beliebten und spontan
assoziierten Kürmodulen (Verhaltensprävention) auch
Pflichtmodule (Verhältnisprävention) eingeplant werden. Und
dies nicht nur als „Feigenblattpolitik“.
x & Gesunde Führung: Die Führungskräfte müssen zum gesun-
den Führen befähigt und danach in die Pflicht genommen
werden: Sensibilisierung und & Empowerment sind die
Schlüsselbegriffe. Eine gute Personalentwicklung gestaltet
gemeinsam mit den Führungskräften das breit gefächerte
Themenfeld und bietet neben Trainings und Workshops auch
Instrumente des Leistungsfeedbacks zur Beurteilung der Füh-
rungsqualität. Gesundes Führen muss aber stets authentisches
Führen sein, denn nur Vorbildverhalten schafft Vertrauen.
x Psychische Störungen: & Psychische Störung erfahren an
Bedeutung, zum einen durch eine Sensibilisierung der Erstel-
ler von Diagnosen, aber v. a. auch aufgrund sich ändernder
Belastungsmuster. Es ist wichtig, dass Unternehmen entspre-
chende Antworten im Umgang mit Betroffenen parat haben.
Neben einer Enttabuisierung geht es auch um betrieblich be-
gleitete, niederschwellige Versorgungswege. Zu den häufigs-
ten psychischen Störungen gehören neben Ängsten und De-
4 A 214 Präventionsauftrag: Auf die Richtung kommt es an!

pressionen v. a. auch Substanzabhängigkeiten. Hier müssen


betriebliche „Tabuschwellen“ überwunden werden.
x Konflikte: Konflikte treten überall da auf, wo Menschen mit-
einander interagieren, so auch im Beruf. Ein gutes BGM hält
interne oder externe Experten bereit, die mittels Konfliktma-
nagement (z. B. Konfliktanalyse, Coaching, Mediation) dyadi-
sche oder Gruppenkonflikte mit den Beteiligten bearbeiten
und so die Wahrscheinlichkeit für ein zukünftiges Konfliktge-
schehen verringern helfen.
x Bewegung und Ernährung: Die durch nicht ausreichende Be-
wegung und defizitäre Ernährung hervorgerufenen Zivilisati-
onskrankheiten sind mannigfaltig. Pausen mit Bewegungs-
angeboten, Kantinen mit attraktivem, gesundem Ernährungs-
angebot sind nur zwei von zahlreichen Beispielen, wie dieses
Themenfeld umgesetzt und mit Leben gefüllt werden kann.
Veränderungen des Gesundheitsverhaltens erzielt man dann,
wenn sich der Betroffene selbstwirksam sieht und für sich po-
sitive Folgenerwartungen realisiert.
x Gesundheitskommunikation: Das Thema „Gesundheit“ muss
im Unternehmen mit Marketingmaßnahmen bekannt gemacht
werden. Die Definition der Dialog- und Zielgruppen, Kommu-
nikationsziele, -inhalte, -kanäle, -phasen und -maßnahmen
sind bei der Kommunikationsplanung zu berücksichtigen. Da-
bei sind Authentizität und persönliche Kommunikation ent-
scheidende Erfolgsfaktoren. Wie in der Werbung sind Emotio-
nen zentrale Träger von Botschaften. Gesundheit muss Gehör
im betrieblichen Umfeld erlangen.
4 x Empowerment: Empowerment im BGM meint die Unterstüt-
zung des Mitarbeiters durch Strategien und Maßnahmen, die
ihn in die Lage versetzen, seine Selbstverantwortung und sein
Gesunderhaltung verhaltenswirksam umzusetzen. Eine zentra-
le Position kommt auch hier wieder den Führungskräften zu:
Zielklärung, Partizipation, Delegation, Beachtung intraindivi-
duell unterschiedlicher Kompetenzen und Bedürfnisse, Res-
sourcenbereitstellung, Entwicklung einer Vertrauenskultur,
& soziale Unterstützung und Motivation durch Wertschätzung.
 Check-Liste 7: Präventionsauftrag
5 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

KAPITEL 5 befasst sich mit der Steuerung und Qualitätssicherung


von Maßnahmen im Kontext BGM. Wir stellen Ihnen Modelle, Kenn-
werte und Instrumente vor, mit deren Hilfe die Wirksamkeit von ge-
sundheitsförderlichen Maßnahmen gesteigert und die Nachhaltigkeit
gewährleistet werden können. Die Evaluation ist das BGM-Rückgrat.
K5
Unsere Leitfragen …
ŹKap. 5.1: Erfolgskriterien und Prüfpunkte
Seite 216: Welche Erfolgsfaktoren müssen wir beachten?
Seite 218: Kann das Qualitätsmanagement als Leitkonzept fungieren?
ŹKap. 5.2: Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement
Seite 234: Welche Anforderungen muss ein Gesundheitsmonitoring erfüllen?
Seite 237: Was bedeutet Risikomanagement in diesem Kontext?
Seite 241: Was ist eine Health Balanced Scorecard?
ŹKap. 5.3: Baustein 1: Kennzahlen
Seite 248: Was muss eine Kennzahl im Bereich BGM leisten?
Seite 255: Warum ist das Treiber-/Indikatorenmodell eine Ausgangsbasis?
Seite 261: Wie lässt sich die Aussagekraft der Fehlzeitenquote erhöhen?
ŹKap. 5.4: Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung
Seite 282: Macht es Sinn die Wirtschaftlichkeit von BGM zu messen?
Seite 290: Welche Werkzeuge lassen sich zur Bewertung einsetzen?
ŹKap. 5.5: Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren
Seite 301: Warum ist das Thema so brisant?
Seite 302: Wie gehen wir vor?
Seite 308: Welche Methoden zur Identifikation gibt es?
ŹKap. 5.6: Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores
Seite 314: Was ist die inhaltliche Grundlage der Gesundheitsscores?
Seite 318: Wie erfassen wir die Gesundheitsscores?
Seite 329: Wie sieht ein integratives Konzept der Gesundheitsscores konkret aus?
ŹKap. 5.7: BGM im Dialog mit Roland Portuné und Prof. Dr. Rainer Wieland
Seite 345: Was muss man beim Wirksamkeitsnachweis beachten?
Seite 349: Was sind Stolperseine bei der Beurteilung psychischer Belastungen?

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
5 A 216 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Wir werden mit Informationen im Bereich BGM überschüttet 


Zahlengebirge türmen sich auf. Neue Studien und Ergebnissen
prallen auf uns ein (ª Kap. 1, S. 15). Man möchte meinen, dass
wir die Büchse der Pandora geöffnet haben. Deshalb brauchen wir
das Gesundheitscontrolling. Es sortiert, priorisiert, bereitet auf
und schafft Erkenntnisse. Gesundheitscontrolling ermöglicht, un-
ser Handeln im BGM zu rationalisieren und zu legitimieren.

5.1 Erfolgskriterien und Prüfpunkte

Hinweis zu den Erfolgskriterien: Informationen zu den Erfolgskri-


terien und Prüfpunkten findet man auch in der DIN SPEC 91020
(; Box 2-1, S. 39), die betont, dass die Zukunft der „Gesunden
Arbeitswelt“ davon abhängen wird, dass die Einzelmaßnahmen in
einem strategischen Managementansatz analog zu ISO 9001 mün-
den (vgl. Kaminski, 2013).

Welche Erfolgsfaktoren müssen wir beachten?

Von der Admi- Analog zum Paradigmenwechsel in der Personalentwicklung müs-


nistration zur sen wir uns von einer administrativen Herangehensweise im BGM
Wertschöpfung verabschieden und nach der Wertschöpfung fragen (Becker, 2009).
BGM impliziert nicht mehr eine unsystematische und unkoordinier-
te Abbildung von personenbezogenen Einzelaktionen im Bereich
Ernährung, Gesundheitsbildung oder Bewegung. Die } Abbildung
33 (ª S. 218) illustriert wichtige Erfolgsfaktoren im BGM.
x Die & Wertkette beansprucht, dass verschiedene Aktivitäten
im BGM auf Gesamtziele auszurichten sind und einen messba-
5 ren Wertbeitrag zum gesunden Unternehmen leisten sollen.
Damit wird die Bedeutung des Transfermanagements deutlich,
denn letztlich geht es um die Umsetzung „gesunder“ Ideen.
x Zudem benötigen wir Leitlinien der betrieblichen Gesund-
heitspolitik. Sie fungieren als Zielfelder, die durch die Akteure
und Promotoren abzubilden sind (Badura et al., 2013).
x Führung nimmt hier eine wesentliche Rolle ein, indem sie
u. a. Leitlinien im Alltag „vorlebt“ und Maßnahmen zur Unter-
stützung der Leitlinien ableitet (Stadler & Spieß, 2003).
x Diese Maßnahmen benötigen ferner korrespondierende Organi-
sationsstrukturen, in denen sie gezielt und systematisch ab-
laufen, quasi der tragende Unterbau des BGM.
x Diese Strukturvariablen müssen durch die Prozesse der Kom-
munikation, Entscheidung und Abstimmung gelebt werden
(konzertierte Aktion BGM). Bedauerlicherweise stellt man in
der Praxis bisweilen eine mangelnde Kommunikation und auch
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 217 A 5.1
das Vorherrschen von Ressortegoismen fest. So befassen sich
Personalentwickler, Betriebsräte, Akteure aus Arbeitsschutz
etc. mit diesen Themen und reklamieren je nach Thema und
Zielgruppe Anspruch auf die Übersetzung von BGM. Dadurch
leidet die Abstimmung, und Stolperfallen entstehen.
x Schließlich gilt es, den Betroffenen in den Vordergrund zu
rücken. Durch Partizipation und & Empowerment erreichen
wir auf jeden Fall eine hohe Verarbeitungstiefe. Diese perso-
nenbezogene Intensivierung der Auseinandersetzung mit Ge-
sundheitsthemen bedarf aber eines Umfeldes, dass konsistent
das konstruktive Gesundheitsverhalten abruft und verstärkt.
Wir benötigen mithin einen betrieblichen Verstärker für BGM.
Koordination, Steuerung oder Management von BGM-Maßnahmen
erfordern ein Gesundheitsmonitoring (ª Kap. 5.2, S. 234), denn
ohne Evaluation werden wir trotz hehrer Absichten einen Blindflug
durchführen und eventuell sogar eine Bruchlandung verursachen.

Dieses Kapitel ist ein entschiedenes Plädoyer für eine sys-


tematische und evaluierte Vorgehensweise im BGM. Unsere
Erfolgsfaktoren auf der individuellen und organisatorischen
Ebene können ihr synergetisches Potenzial nur entfalten,
wenn betriebliche Wirksamkeitsforschung objektiv und
transparent für alle Stakeholder betrieben wird.

Wertschöpfung durch BGM


Wertschöpfung im Bereich BGM kann nur erzielt werden,
wenn die Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind und dabei
auf eine konsistente & Gesundheitskultur und gesunde Ar-
beitswelt stoßen. Zudem sind die Maßnahmen aus betriebspo-
litischer Sicht entsprechend zu flankieren und mit ausrei-
chenden Ressourcen auszustatten.
; Box 5-1: Wertschöpfungsorientierung

Was benötigen wir? Welche Erfolgsfaktoren sind aus Ihrer


Sicht für Ihre Betriebslandschaft vonnöten, um BGM nachhal-
tig und wirksam zu implementieren? Um eine Antwort auf
diese Frage zu erhalten, ist es sinnvoll, die Akteure im Be-
reich BGM und BGF im Betrieb mit dieser Frage zu konfron-
tieren. Sie werden feststellen, dass die Sicht- und Herange-
hensweisen vermutlich divergieren. Aber das Bekenntnis
zum gesunden Unternehmen sollte bei allen Akteuren in
etwa gleich klingen. Ansonsten bestehen möglicherweise
auch noch Stolpersteine hinsichtlich der Gesundheitskultur
und der Gesundheitskommunikation.
5 A 218 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

} Abbildung 33: Erfolgsfaktoren des BGM

Fassen wir zusammen! Wir benötigen …


x ein strategisches Management, um den Anforderungen eines
zielorientierten BGM zu entsprechen,
x einen datengestützten Lernzyklus, um einen kontinuierlichen
Verbesserungsprozess zu gewährleisten,
x ein System aus Erfolgsfaktoren und Prüfpunkten, um ange-
messen die Effizienz und Effektivität von Interventionen in
den diversen Handlungsfeldern im BGM zu evaluieren,
5 x eine Verpflichtung zur Kommunikation über die erfolgten
Leistungen innerhalb der einzelnen Handlungsfelder, um eine
gemeinsame Koordination BGM wahrzunehmen,
x eine strukturelle Organisation des BGM, um eine tragende
und nachhaltige Basis zur Umsetzung zu errichten,
x und eine Dokumentation von Projekten und Maßnahmen im
Bereich BGM, um das Wissen an andere Beteiligte im Sinne von
Wissensmanagement weiterzuleiten.

Kann das Qualitätsmanagement als Leitkonzept fungieren?

Qualitäts- Wer kann uns hier helfen? Diese anspruchsvollen Erfolgsfaktoren


management als ziehen geradezu magnetisch ein Konzept an, das Sie alle unter
Modell für BGM dem Begriff Qualitätsmanagement kennen. Es geht um die Frage
„Wie kann man die Spreu vom Weizen trennen?“ (Pfaff & Slesina,
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 219 A 5.1
2001). Die Notwendigkeit der Qualitätssicherung ist anerkannt,
jedoch erfolgt die Qualitätssicherung zumeist objektbezogen,
d. h., dass konkrete Maßnahmen im Hinblick auf festgelegte Quali-
tätskriterien kontrolliert werden. Wenn Sie mit Krankenkassen
zusammenarbeiten, verlangen diese ebenfalls Strategien zur Qua-
litätssicherung. Wir vermissen jedoch hier die System- und Ma-
nagementperspektive (Zimolong, 2001). Modelle des & Total Qua-
lity Managements bieten an dieser Stelle zahlreiche Anknüpfungs-
punkte, um BGM abzubilden (Brüggemann & Bremer, 2012, S. 178
ff.). Dabei wird Qualität als mehrdimensionales Konstrukt defi-
niert (Zink, 2004). Es geht um folgende Qualitätsattribute:
x Qualitätsadressaten: Bedeutungszunahme der Kunden- und
Stakeholderperspektive im BGM und Einbindung der Betroffe-
nen bzw. interessierten Parteien im Sinne der Partizipation
x Qualitätsrichtung: Ergänzung der vergangenheitsorientierten
Ergebnisperspektive wie Gesundheitsquote um eine zukunfts-
orientierte Potenzialperspektive wie künftige Arbeitsfähigkeit
x Qualitätsüberprüfung: datengestützte kontinuierliche Erfas-
sung der Prüfmerkmale in Bezug auf die Qualitätskriterien als
Gesundheitsmonitoring
x Qualitätsvektoren: Qualität der Produkte bzw. Dienstleistun-
gen, Arbeitsbedingungen, Strukturen und Umfeldbeziehungen
x Qualitätsziele: Zielformulierungen, die nicht nur Merkmale
aus reaktiven, technologiezentrierten Ansätzen enthalten,
sondern die präventiven Aufgaben im BGM mit Fokus auf die
Prozesse überprüfbar unterstützen

Klingt etwas akademisch, aber vom Prinzip lässt sich das Quali-
tätspuzzle leicht auflösen. Es geht eigentlich stets um den klassi-
schen Dreischritt der Qualitätsprüfung ( Tabelle 5-1).

 Tabelle 5-1: Qualitätsprüfung

Klassisches Beispiel Beispiel aus der BGF


Qualitäts- Ein Bolzen soll in ein run-
des Loch passen. Gesunde Mitarbeiter
kriterium
Qualitäts- Runder und optimal pas-
merkmal sender Durchmesser Kein Krebs als Beispiel
Durchmesser-Messung an Entsprechende Vorsorgeun-
Prüfmerkmal 2-3 Stellen, Prüfung mit- tersuchung zur Früherken-
hilfe eines Prüfobjektes nung
5 A 220 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Erster Baustein: Wir unterscheiden in der Praxis zwischen Führungs-, Struktur-,


Qualitätsdimen- Prozess- und Ergebnisqualität. Die } Abbildung 34 (ª S. 220) il-
sionen im BGM lustriert mögliche Inhaltsfelder dieser vier Qualitätsdimensionen.
In gewisser Weise sind es Indikatoren für die Qualität, die teilwei-
se direkt messbar, aber größtenteils indirekt durch Feedbacksys-
teme oder Gesundheitsbefragungen etc. zu eruieren sind.

Zweiter Bau- Mithilfe des Qualitätsmanagements lässt sich auch der Bogen zwi-
stein: Lernzyklus schen wirtschaftlichen und humanen Zielsetzungen aufspannen,
indem nicht nur Kosten- und Erlösdimensionen, sondern auch die
Befähiger (Mittel und Wege) Berücksichtigung finden. Durch den
Bezug der Erfolgskriterien, die monetär und nicht-monetär defi-
niert sind, auf die Befähigerkriterien erfolgt eine systematische
Verknüpfung von Leistungserfassung und Verbesserungsmöglichkei-
ten in Anlehnung an den geforderten Lernzyklus, der durch die
} Abbildung 35 (ª S. 221) illustriert wird.

} Abbildung 34: Qualitätsdimensionen und Indikatoren im BGM

Dritter Baustein: Gesunde Mitarbeiter und eine gesunde Arbeitsumwelt sind das Ziel
Selbstbewertung im BGM. Ob Maßnahmen jedoch wirksam sind, lässt sich nicht ein-
fach ablesen. Eine Bewertung des BGM ist daher erforderlich, um
die Qualität des Systems zu steigern. In vielen Qualitätsmanage-
ment-Modellen nimmt die Selbstbewertung (Self-Assessment) eine
wesentliche Funktion im Sinne eines strategischen Systemcontrol-
lings auf Managementebene ein. Eine entsprechende modellba-
sierte Selbstbewertung liefert zielführende Aussagen einerseits
über den Reifegrad, andererseits über Stärken und Verbesserungs-
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 221 A 5.1
potenziale der Organisation. Dabei wird eine potenzial- und eine
ergebnisorientierte Bewertungsperspektive eingenommen. Daraus
lassen sich dann wichtige Verbesserungsprojekte und Aktionsbe-
reiche ableiten. Zudem schafft man Möglichkeiten zum Benchmar-
king mit „Best Practice“. Die besten Vergleiche liefern dabei die
auf dieser Methode basierenden Qualitätspreise wie der European
Quality Award (EQA) und sein deutsches Pendant, der Ludwig-
Erhard Preis. Internationale Konkurrenten sind der Deming-Prize
oder der Malcolm Baldrige Award. Es existieren für Praktiker eine
Vielzahl EDV-basierter Instrumente zur systematischen  Selbst-
bewertung wie Q-Excellence® oder SAB®. Bei der Selbstbewer-
tung spielt die RADAR-Bewertungsmethodik eine zentrale Rolle
(} Abbildung 36, S. 222). Diese RADAR-Logik baut auf dem klassi-
schen PDCA-Kreislauf (Plan, Do, Check, Act) des Qualitätsmana-
gements auf. Das aus dem RADAR abgeleitete Reifegradmodell
berücksichtigt hier folgende Faktoren:
1. Positive Trends
2. Ziele
3. Vergleich
4. Ursachen
5. Umfang

An dieser Stelle birgt die Selbstbewertung aber auch das Risiko


„blinder Flecken“ im Unternehmen, weshalb eine externe Unter-
stützung die Objektivität steigern hilft.

 6WUXNWXUHQLPEHWULHEOLFKHQ*HVXQGKHLWVPDQDJHPHQW

,QWHJUDWLRQGHV*HVXQGKHLWV ([WHUQHXQGLQWHUQH
PDQDJHPHQWVLP8QWHUQHKPHQ 9HUQHW]XQJXQG.RRSHUDWLRQHQ

 'LDJQRVH  0D‰QDKPHQSODQXQJ
%HZHUWXQJGHU =LHO XQG
*HVXQGKHLWV 0D‰QDKPHQ
(UJHEQLVVHYRQ 3ULRULWlWHQ
EHULFKWH0LWDU 9RUEHUHLWXQJ
ELVKHULJHQ0D‰ VHW]XQJPLW+LOIH
EHLWHUEHIUDJXQJHQ (LQELQGXQJGHU
QDKPHQDQKDQG YRQ4XDOLWlWV
*HVXQGKHLWVPDWUL[ $NWHXUH
GHILQLHUWHU.ULWHULHQ PDQDJHPHQW

9RUJHKHQLP=\NOXV

 (UIROJVEHZHUWXQJ  0D‰QDKPHQGXUFKIKUXQJ

6WHXHUXQJXQG9HUNQSIXQJ
)KUXQJV6WUXNWXU3UR]HVV XQG
YRQODXIHQGHQ0D‰QDKPHQ
(UJHEQLVHYDOXDWLRQLP+LQEOLFNDXI%*0
%HUFNVLFKWLJXQJGHU,QWHUGHSHQGHQ]HQ

} Abbildung 35: Lernzyklus im Kontext BGM


5 A 222 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Praxistipp: Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen


hat einen  Fragebogen zur Selbsteinschätzung entwickelt,
der sich konsequent an den Prinzipien des Qualitätsmanage-
ments orientiert (BKK, 2003). Wenn Sie diesen Fragebogen
für sich ausfüllen, werden Sie ohne immense theoretische
Vor- und Nacharbeit das Prinzip des Qualitätsmanagements
im Bereich BGM/BGF praktisch nachvollziehen können.

Workplace Der Selbsteinschätzungsfragebogen der European Network for


Health Promoti- Workplace Health Promotion ( ENWHP) Deutsch und Englisch
on Quality Check bietet eine Bewertungsbasis zur Selbsteinschätzung und berück-
sichtigt dabei wichtige Handlungsfelder von der betrieblichen
Gesundheitsförderung und Gesundheitspolitik über Personalma-
nagement bis zur Sozialen Verantwortung.
 http://www.enwhp.org/workplace-health-
promotion/questionaire-for-self-assessment.html (Stand 01/15)
Auch als Online-Fragebogen realisiert:
http://www.enwhp.org/fragebogen/fragebogen.php

} Abbildung 36: RADAR Bewertungsmethodik

Von der Wir brauchen nicht lange zu suchen, um anerkannte Referenzsys-


ISO nach EFQM teme im Bereich Qualitätsmanagement zu finden. Die  DIN EN
Ein Reifeprozess ISO 9000 ff. bietet einen Rahmen zur Qualitätssicherung. Wichtig
ist an dieser Stelle, dass diese Norm nicht erklärt, was Qualität im
BGM inhaltlich bedeutet (Qualitätskriterien). Ein zentraler Aspekt
ist die Kundenzufriedenheit, die es zu verbessern gilt. Dies wird
erreicht, indem man den Kundenbedürfnissen und Standardanfor-
derungen entspricht und seine Leistungen in dieser Hinsicht opti-
miert (} Abbildung 37, S. 224) (vgl. Masing et al., 2007).
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 223 A 5.1
Die folgende Auflistung stellt Attribute der ISO-Philosophie dar: Skizze zum
ISO-Modell
x Bedeutung: Im gewerblichen Bereich hat sich das Qualitäts-
managementsystem der Normserie DIN EN ISO 9000 bis 9004
durchgesetzt. Die DIN EN ISO 9001 mit ihrem prozessorientier-
ten Qualitätsmanagementmodell wird zum Aufbau von Mana-
gementsystemen branchenübergreifend eingesetzt.
x Einsetzbarkeit: Diese Norm bezieht sich auf den Leistungser-
stellungsprozess, aber nicht auf das einzelne Produkt. Damit
ist diese Norm übergreifend einsetzbar.
x Fokus: Wesentliches Instrument ist das Qualitätshandbuch,
das von den zu zertifizierenden Unternehmen entlang vorge-
gebener Elemente und Prozesse selbst angelegt wird. Die An-
gemessenheit und Einhaltung werden in mehrstufigen Audits
von unabhängig akkreditierten Zertifizierungsstellen regelmä-
ßig nach festen Zeitabständen beurteilt.
x Zertifikat: Das Zertifikat ist keine einmalige Aktion, sondern
verlangt eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Verfah-
rensweisen des Qualitätsmanagements nach ISO.
x Qualitätssystem: Es umfasst alle Prozesse, die zum Erbringen
einer wirksamen Dienstleistung vom Marketing bis zur Liefe-
rung erforderlich sind, und schließt die Analyse der für den
Kunden erbrachten Dienstleistung mit ein.
x Leitkriterium: Die Leitkriterien sind die QM-Grundsätze als
Bausteine eines QM-Systems. Diese Kriterien werden im Quali-
tätsmanagementhandbuch definiert. Das Handbuch enthält
auch die Leitfäden und Anweisungen zu typischen Arbeitsab-
läufen und Verfahrensschritten. Das Erfolgskriterium ist die
Anforderung des Kunden. Die Kundenanforderungen lassen
sich in Pflichten- und Lastenheften konkretisieren.
x Vorteile: Die hohe Akzeptanz, die Industriekompatibilität, das
Vertrauen beim Kunden, Prozesstransparenz, Marketinggewinn
etc. sind nur einige Vorteile, die sich durch den Einsatz der
ISO erzielen lassen.

Ö Diese Vorteile sollte sich das BGM zunutze machen!

Mithilfe der DIN EN ISO 9001 beschreibt das Unternehmen


sein Qualitätsmanagementsystem, dessen Kernelement ein
Prozessmodell ist, an dem die Prozesse, Verfahren und not-
wendigen Ressourcen präzisiert werden. Das Grundsystem
wird mithilfe eines Qualitätsmanagementhandbuches und zu-
geordneten Prozessbeschreibungen/Verfahren beschrieben
und dient als dokumentierte Ausgangsbasis für Zertifizie-
5 A 224 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

rungsprozesse durch unabhängige Prüforganisationen. Auf Ba-


sis von Audits wird überprüft, ob das Unternehmen ein Quali-
tätsmanagementsystem eingeführt hat, dass den Mindestan-
forderungen der DIN EN ISO 9001 entspricht. Das Zertifikat
ist nur befristet gültig, damit Änderungen im System und in
der Umsetzungspraxis gemäß der Norm hinterfragt werden.
Das ISO-Modell ist ständig in Entwicklung  einige wichtige
weitere Normen sind …

x DIN EN ISO 9000:2005 Æ Begriffssystematik des QM


x DIN EN ISO 9001:2008 Æ Norm für Zertifizierung
x DIN EN ISO 9004 Æ Norm in Richtung freiwilliger TQM-
Weiterentwicklung und Leistungsentfaltung (siehe unten)

Ständige Verbesserung des


Qualitätsmanagementsystems

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GHU/HLWXQJ
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.XQGHQRULHQWLHUXQJ 3DUWL]LSDWLRQ 3UR]HVVRULHQWLHUXQJ 6WlQGLJH9HUEHVVHUXQJ

5 )KUXQJ 6\VWHPRULHQWLHUXQJ 'RNXPHQWDWLRQ /HLVWXQJVHUVWHOOXQJ

40*UXQGVlW]HQDFK,62
} Abbildung 37: Das Grundmodell des Qualitätsmanagements

Der Schritt von Die DIN EN ISO 9004 will nun den Anwender dazu verleiten, nicht
QM zum TQM nur die minimal erforderlichen Aspekte eines wirksamen Quali-
tätsmanagementsystems zu erfüllen, sondern das System zu nut-
zen, um Effektivität und Effizienz zu erzielen. Die DIN EN ISO 9004
erweitert daher den Horizont der DIN EN ISO 9001, indem es z. B.
das Gedankengebäude Kundenorientierung dahingehend erwei-
tert, dass es nicht nur den einzelnen Kunden, sondern alle inte-
ressierten Parteien beachtet und viele Ideen/Gedanken, wie z. B.
die Selbstbewertung, die in den „Vorbildern“ wie dem EFQM-
Modell (siehe unten) und seiner Anwendung enthalten sind, eben-
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 225 A 5.1
falls vorschlägt. Diese Aspekte wollen wir uns daher direkt am
EFQM-Modell ansehen. Ferner müssen wir noch die Frage beant-
worten: Kann das Qualitätsmanagement dem BGM helfen? Ein
Blick in die „formale Welt“ der DIN EN ISO 9001 schenkt uns Hoff-
nung, da sie betont, dass andere Managementbereiche integriert
werden müssen. Das EFQM-Modell greift diesen Schritt auf, indem
es Kriterien formuliert, die für alle Managementperspektiven rele-
vant sind. Mit der Vorstellung des EFQM-Modells zeigen wir, wie
die Anforderungen eines wirksamen und zugleich effizienten BGM
in ein Managementsystemmodell integriert werden können.

Um ein effektives BGM zu realisieren, benötigt man eine proaktive Management-


Steuerungs- und eine differenzierte Informationsebene. Die Steue- system für Ge-
rungsebene liefert quasi die Stellgrößen und stellt den strategi- sundheit: Das
schen Rahmen dar. Als normativer Rahmen eignet sich hier das EFQM-Modell
 EFQM-Modell als Vertreter des Total Quality Managements
(Töpfer & Mehdorn, 2008; Brüggemann & Bremer, 2012, S. 178 ff.)
(} Abbildung 38, S. 227). Es wurde 1988 von der European Foun-
dation for Quality Management entwickelt. 2010 und 2013 erfolg-
ten Aktualisierungen. Es ist ganzheitlich ausgerichtet und berück-
sichtigt nicht nur Ergebnisse, sondern auch die Voraussetzungen,
die zum Ergebnis beitragen, also die Reflexion der Mittel und We-
ge zum Erfolg bzw. zur anvisierten & Exzellenz (Business
Excellence). Das Kriteriensystem des EFQM-Modells (9 Haupt-/32
Subkriterien) stellt den Korridor der Steuerungsebene dar und
hilft, die Erfolgsgrößen und Prüfpunkte einer qualitätsorientierten
BGM zu bestimmen. Dieses Modell unterstützt, …
x gesundheitsrelevante Organisationsziele zu finden,
x Stärken und Schwächen zu erkennen,
x Verbesserungspotenziale zu erkennen und
x die Gesamtstrategie BGM darauf auszurichten.

Die Stellgrößen sind für gesundheitliche Fragestellungen im Un- Ausgewogenheit


ternehmen adaptierbar und befassen sich mit der Organisation von als Zielgröße
Führung, Zielen und Strategien, mit der Befähigung der Beschäf-
tigten, der Organisation von Partnerschaften, mit den Ressourcen
sowie mit der Gestaltung der Prozesse im Hinblick auf die Leis-
tungsplanung und -erbringung. Das Modell predigt hinsichtlich der
Stellgrößen Ausgewogenheit. Exzellenz kann nur durch das Be-
kenntnis zur Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft und un-
ter Berücksichtigung der Anforderungen aller Anspruchsgruppen
und Ebenen einer Organisation erzielt werden. Nachhaltige Ver-
antwortung bedeutet hier, auch eine gesunde und gesundheitsför-
derliche Organisation zu schaffen.
5 A 226 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Das EFQM-Modell als Basis


Durch die ganzheitliche Sicht auf die Organisation ermöglicht
 EFQM als Modell des & Total Quality Managements eine
Art Organisationsdiagnose in Verbindung mit einer gezielten
und strategisch ausgerichteten Organisationsentwicklung. Das
Modell kann sich den Anforderungen im Bereich BGM gut an-
schmiegen. & Exzellenz im Bereich BGM in Bezug auf die Er-
gebniskriterien erreicht das Unternehmen, indem sie ihre
BGM-Leistungen in den fünf Befähigerkriterien steigert.
(1) Befähigerkriterien: Führung, Politik/Strategie, Mitarbei-
terorientierung, Partnerschaften und Ressourcen, Prozesse
(2) Ergebniskriterien: mitarbeiterbezogene Ergebnisse, kun-
denbezogene Ergebnisse, gesellschaftsbezogene Ergebnisse,
Schlüsselergebnisse
; Box 5-2: EFQM-Modell für Exzellenz

Fassen wir zusammen! Wir haben uns für das Managementmodell


EFQM entscheiden, weil es …
x eine übergeordnete Kompassfunktion realisiert, d. h., es
zeigt uns den Weg, moderne gesundheitsbezogene Anforde-
rungen ins Management zu integrieren;
x als Basis für einen Konsensfindungsprozess und für die Akti-
onsplanung dient, d. h., es hilft uns bei der Abstimmung zwi-
schen den Akteuren und Ressorts;
x bei der ergebnisorientierten Steuerung unterstützt, d. h., es
definiert Erfolgsgrößen und Prüfpunkte, die mit den Befähi-
gern bzw. mit den Einflussgrößen in einem „kausalen“ Zu-
sammenhang stehen;
x eine Identifizierung der Schwächen und Stärken und damit
5 eine effektive Priorisierung knapper Ressourcen ermöglicht;
x einen anerkannten und international anschlussfähigen Refe-
renzrahmen darstellt.

Buchtipp: Wer mit Qualitätsmanagement noch keine Erfahrung


gesammelt hat oder kurzfristig ein „Refreshment“ benötigt, dem
empfehlen wir die Pocket-Power-Reihe mit den folgenden Titeln:
x DIN EN ISO 9000:2000 ff. umsetzen (Brauer, 2009)
x & Total Quality Management (Hummel & Malorny, 2011)
x ABC des Qualitätsmanagements (Kamiske & Brauer, 2012)
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 227 A 5.1
Die Klammer Qualität
Managementgrundsätze, wie sie im Qualitätsmanagement
umgesetzt werden, sind zur Erfüllung der Anforderungen des
BGM geeignet. Damit gibt es einen praxisnahen Weg, Ge-
sundheit in das Management der Unternehmen zu integrie-
ren, denn die im EFQM-Modell oder der DIN EN ISO 9001 auf-
gezeigten Anforderungen wie Mitarbeiter- und Prozessorien-
tierung oder kontinuierliche Verbesserung sind Bausteine, die
für ein lebendiges BGM bedeutend sind. Das Rechtssystem
formuliert nur den Rahmen, gelebte Gesundheitsförderung
braucht wirksame und lebendige Managementstrukturen. Agi-
les BGM benötigt nicht nur die Anwaltschaft durch Rechtssys-
teme (ª Kap. 2.4, S. 78), sondern auch ein unterstützendes
und steuerndes Managementsystem.
; Box 5-3: Qualitätsmanagement und BGM

0RGHOOPLW%HLVSLHOQHQQXQJHQXQG*HZLFKWXQJHQ

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 3DUWL]LSDWLRQ   *XWHV  
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(QJDJHPHQWGHU $UEHLWVSUR]HVVH 0,7$5%(,7(5 (UJHEQLVVHGHU
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,1129$7,21XQG/(51(1

} Abbildung 38: EFQM-Modell in Bezug auf BGM

Wir sind nicht die Einzigen, die das EFQM-Modell als Grundlage Konkret:
zur Bestimmung der Qualitätskriterien und damit der ableitbaren Bezug BGM
Prüf- und Erfolgspunkte für eine moderne und qualitätsorientierte
BGF empfehlen. Der BKK-Bericht zu den Qualitätskriterien für die
BGF listet folgende Prüfpunkte auf (BKK, 1999):
1. BGF/BGM und Unternehmenspolitik: Leitlinien, Integra-
tion in Organisationsstrukturen und -prozesse, Gewährleis-
tung ausreichender Ressourcen, Überprüfung des Fort-
5 A 228 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

schritts, Aus- und Weiterbildung (v. a. Führung), Zugäng-


lichkeit, Integration in bestehende Managementsysteme
2. Personalwesen und Arbeitsorganisation: Partizipation
der Mitarbeiter in Fragen der Gesundheit am Arbeitsplatz,
Gesundheitsbildung, Vermeidung von Über- und Unter-
forderung, Arbeitsaufgabe und Gesundheitsförderlichkeit,
Entwicklungsmöglichkeiten, Vorbildrolle der Vorgesetzten,
Wiedereingliederungsmaßnahmen, & Work-Life-Balance
3. Planung BGF/BGM: Transparenz und Informationen, Ist-
Analyse als Ausgangsbasis Æ gesundheitsrelevante Infor-
mationen (Arbeitsbelastungen, Gesundheitsindikatoren,
subjektive Beschwerden, Risikofaktoren, Unfallgeschehen,
Berufskrankheiten, Fehlzeiten und Erwartungen)
4. & Soziale Verantwortung: aktive Unterstützung gesund-
heitsbezogener, sozialer, kultureller und fürsorgerischer
Initiativen, Umweltschutz-Managementsystem
5. Umsetzung BGM: Steuerkreis oder Ähnliches, regelmäßi-
ges und systematisches Zusammentragen von Informatio-
nen, Zielgruppendefinition, quantifizierbare Ziele, Durch-
führung von Maßnahmen und Verknüpfung von Verhaltens-
und Verhältnisprävention, systematische Auswertung und
kontinuierliche Verbesserung (KVP)
6. Ergebnisse BGM: kurz-, mittel- und langfristige Indikato-
ren, Zufriedenheitsmessungen, Inanspruchnahme der An-
gebote, Krankenstand, Unfallhäufigkeit, zusätzlich auch
Wirtschaftlichkeit (& Fluktuation, Produktivität etc.)

Lesen Sie hierzu auch die Informationen zur DIN SPEC 91020 in der
; Box 2-1 (S. 39)! Dieser Ansatz zur Standardisierung des Gesund-
5 heitsmanagements orientiert sich am Qualitätsmanagement und
bezieht sich auf Ressourcen, Strukturen und Prozesse. Wer diesen
Weg konsequent geht, schafft einen Mehrwert „Gesunde Organisa-
tion“, der über die rechtlichen Rahmenbedingungen hinausgeht.
Auch andere Ansätze zur Standardisierung wie SCOHS (Social Capi-
tal & Occupational Health Standard) von Prof. Bernhard Badura-
setzen auf ein qualitätsorientiertes BGM.

Standardisierung mit SCOHS


Ein moderner Standard im BGM sollte praxis- und anforde-
rungsorientiert, branchenunabhängig und prozessorientiert
umgesetzt sein. Ein solcher Standard ist das Modell SCOHS
(Social Capital & Occupational Health Standard) von Prof.
em. Dr. Bernhard Badura (Universität Bielefeld) und weiteren
Autoren. Es lehnt sich eng an das Qualitätsmanagement an
und berücksichtigt v. a. auch die Verantwortung des Mana-
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 229 A 5.1
gements, gleichermaßen auch Ressourcen, Prozesse und
Strukturen. SCOHS lässt sich problemlos mit ISO 9001 ver-
knüpfen ( SCOHS). Aus Sicht des Gesundheitscontrollings ist
entscheidend, dass SCOHS die Messbarkeit, Prüfbarkeit und
Steuerbarkeit von BGM fokussiert. Dieser Standard berück-
sichtigt nicht nur Risikofaktoren, sondern v. a. auch puffer-
ende Ressourcen wie das Sozialkapital als Maß für die Quali-
tät sozialer Beziehungen in der Organisation oder auch ge-
sundheitsgerechte Führung. Ziel ist am Ende die Zertifizie-
rung des BGM. Damit erfolgen auch eine Auditierung des bis-
herigen Vorgehens und ein Ist-Soll-Abgleich. Gemeinsam ist
allen Standardisierungskonzepten das Anliegen, internen und
externen Akteuren die Möglichkeit zu geben, die Qualität
bzw. den Reifegrad des BGM zu überprüfen, Verbesserungs-
potenziale zu bestimmen und damit einen Beitrag zur Zu-
kunftsfähigkeit der Organisation zu leisten.
; Box 5-4: Social Capital & Occupational Health Standard

Aus diesen Prüfperspektiven lässt sich ein Anforderungskatalog für Anforderungs-


ein erfolgreiches, qualitätsorientiertes BGM ableiten, der in den katalog BGM
Praxisbeispielen des Sammelwerkes „Erfolgreich durch Gesund-
heitsmanagement“ wiederzufinden ist (Craes & Mezger, 2001).

 Tabelle 5-2: Anforderungskatalog BGM aus Qualitätssicht

Hauptanforderungen Unterpunkte
² Entwicklung und Optimierung betriebspoliti-
scher Voraussetzungen
Verankerung der BGF ² Aufbau struktureller Rahmenbedingungen
² Diagnose, Umsetzung und Optimierung der
zugrunde liegenden Kernprozesse
² Förderung der persönlichen Gesundheits-
potenziale
² Verbesserung des physischen und psychi-
Stärkung des Human-
schen Gesundheitszustandes
und & Sozialkapitals
² Steigerung des psychosozialen Wohlbefin-
in Bezug auf Gesund-
dens und des Vertrauens in der Organisation
heit
² Verbesserung der sozialen Beziehungen
² Verminderung von Risikofaktoren
² Bereitschaft zur Partizipation
² Gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung
Optimierung gesund-
² Gesundheitsförderliche Gestaltung der Or-
heitsförderlicher
ganisation und der Strukturen
Strukturen
² Gesundheitskultur und Wertemanagement
² Vorbildrolle Führung und Gesundheit
Gesundheitsfördernde ² Frühzeitige Identifikation von Gefahren
Führung ² Förderung präventiver Konzepte in der Ar-
beitswelt
5 A 230 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Hauptanforderungen Unterpunkte
² Unterstützung der Mitarbeiter in Bezug auf
ihr Gesundheitsverhalten
² Verbesserung des Arbeitsverhaltens
² Reduktion der Fehlzeiten, aber auch Ver-
Steigerung der Pro-
meidung von & Präsentismus
duktivität und Wirt-
² Zunahme der Qualität der Leistungen und
schaftlichkeit
Kundenorientierung
² Senkung von Kosten

Als Beispiel stellen wir Ihnen die Prüfmerkmale der Anforderung


„Verankerung des BGF-Systems“ vor. Diese verdeutlichen, wie
wichtig es ist, dass man sich über bewertbare Kriterien Gedanken
macht und sie als Lasten- und Pflichtenheft im Sinne des Projekt-
managements abbildet. Diese Prüfmerkmale sind sowohl qualitativ
als auch quantitativ ausgerichtet, wobei das  EFQM-Modell emp-
fiehlt, jedes Prüfmerkmal zu bewerten (Kennzahlen). Bei qualita-
tiven Prüfbereichen wie bspw. mitarbeiternahe Kommunikation
kann man ggf. durch ein Expertenrating oder eine Befragung eine
Einstufung vornehmen, um eine quantifizierbare Zielverfolgung zu
ermöglichen. Generell hängt die Wahl der Prüfmerkmale von den
Möglichkeiten zur Datenerhebung ab. Welche Möglichkeiten und
Instrumente für dieses Scoring sich für BGM anbieten, wird in Kap.
5.6 (ª S. 314) aufgezeigt. Aus pragmatischer Sicht empfiehlt es
sich, möglichst Datensysteme zu verwenden, die im Unternehmen
vorliegen. Meistens lassen sich durch Modifikationen wertvolle
Informationen für BGM gewinnen. Relevante Prüfmerkmale zur
Verankerung BGM in der Organisation sind …
x Vereinbarung schriftlicher Rahmenregelungen: Hier sind
beispielhaft Betriebsvereinbarungen zum Thema BGF/BGM und
5 die Integration des Themas Gesundheit im Unternehmensleit-
bild oder in den Führungsgrundsätzen zu nennen.
x Schaffung struktureller Rahmenbedingungen: Arbeitskreise
oder Steuergremien sollten in Anbetracht der Komplexität des
BGM existieren. Unterstützend sollte ein Kommunikations- und
Informationssystem für das Themenfeld Gesundheit vorliegen.
x Einbindung des Managements: Entscheidend ist hier, inwie-
weit BGM als dauerhafte und festgelegte Führungsaufgabe
verstanden wird. Findet es bspw. einen Widerhall im Zielver-
einbarungs- oder Vergütungssystem? Ein weiterer Indikator ist
die Bereitstellung von Ressourcen (finanzielle Mittel, Personal
etc.) von Seiten des Top-Managements.
x Definition der Kernprozesse: Um einen systematischen Voll-
zug im Sinne des Qualitätsmanagements zu gewährleisten,
müssen die Kernprozesse der Diagnose, Planung, Intervention
und Evaluation in Bezug auf BGM definiert sein. Im Unterneh-
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 231 A 5.1
men müssen Gesamtziele zum BGM vorliegen und messbare
Ziele abgeleitet sein. Eine zentrale Frage lautet hier: Liegt im
Unternehmen ein Evaluationskonzept zur Qualitätssicherung
und -verbesserung von BGF-Maßnahmen vor? Wertvoll wäre ei-
ne Verpflichtung zur Evaluation von Seiten des Top-
Managements. In diesem Kontext sollte man auch einen Blick
auf das Gesundheitscontrolling werfen. Liegen geeignete Me-
thoden zur Diagnose vor? Wer erhebt und wertet Daten aus?
x Know-how-Sicherung im Bereich BGM: Hier sind zwei Fakto-
ren von Bedeutung, erstens die Ermöglichung von Fort- und
Weiterbildungen der Führungskräfte und Mitarbeiter in Bezug
auf Gesundheitsthemen sowie entsprechende Angebote, zwei-
tens die Qualifizierung und Bereitstellung von Ansprechpart-
nern im Unternehmen zu Gesundheitsfragen.
x Einbindung der Arbeitnehmervertretung: Der Betriebsrat ist
gerade bei mittelständischen Unternehmen ohne eigene „Ge-
sundheitsexperten“ ein wichtiger Ansprechpartner. Er sollte
an den Sitzungen der jeweiligen Steuerkreise mitwirken und
sich auch in Bezug auf BGM qualifizieren.
x Aufbau eines Kooperationsnetzwerkes: Netzwerke mit ande-
ren Unternehmen, Gesundheitseinrichtungen sowie mit Uni-
versitäten bzw. Fachhochschulen und anderen Bildungsein-
richtungen sind hier beispielhaft zu nennen.
x Informations- und Kommunikationsplattform: Der Betroffene
muss aktiviert und informiert werden. Hier geht es um inter-
nes Marketing bzw. um Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Ge-
sundheitskommunikation (ª Kap. 4.8, S. 198).
x Vernetzung mit anderen Managementbereichen: Da das auf
dem EFQM-Modell basierende BGM offen ist, lassen sich Syner-
gien schaffen. So kann bspw. der Managementbereich Umwelt
Berücksichtigung finden.
x Einsatz von Managementbewertungsmethoden: In diesem
Kapitel befassen wir uns mit der Verknüpfung mit  EFQM
bzw. mit dem Qualitätsmanagement. Das EFQM-Modell hat
hierzu die RADAR-Logik. Diese lässt sich mit der & Balanced
Scorecard als Verfolgungsinstrument des Controllings kombi-
nieren, um auch nicht-monetäre Aspekte sachgerecht zu be-
rücksichtigen. Damit befassen wir uns im nächsten Kapitel.

Die } Abbildung 39 (ª S. 232) fasst die aus unserer Sicht wich- Prämissen und
tigsten Erfolgsfaktoren für ein effizientes und effektives BGM zu- Kernprozesse
sammen. Dabei unterscheiden wir zwischen Voraussetzungen und
Kernprozessen. Die Kernprozesse für das BGM setzen auf die typi-
schen Prozessabschnitte der kontinuierlichen Verbesserung (Plan,
Do, Check, Act). Da das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung
5 A 232 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

selbst für Managementsysteme, die auf Basis der DIN EN ISO 9001
o. ä. aufgebaut sind, verbindlich ist, ist hier noch einmal gut zu
erkennen, dass BGM gut mit anderen Managementbereichen wie
Qualität zusammenwirken kann. Dieses Prinzip der kontinuierli-
chen Verbesserung ist Kern aller Modelle des (T)QM.

BGM als inte- Modelle des & Total Quality Managements bieten zahlreiche An-
grierte Strategie knüpfungspunkte der Integration von Konzepten und Methoden des
von TQM BGM (BAuA, 1997; Zink, 2004; Zollondz, 2006). Qualität kann als
mehrdimensionales Konstrukt der umfassenden Breite des Ge-
sundheitsverständnisses gerecht werden. Durch die Berücksichti-
gung von Befähigern befreit man sich von der einseitigen Debatte
rund um Kosten- bzw. Erlösdimensionen und bildet den Zusam-
menhang zwischen Befähigerkriterien (Mitteln und Wegen) und
Leistungserfassung (Ergebnissen) ab. Dieser „kausale Bezug“ er-
möglicht gezielte Verbesserung. Dadurch, dass das Total Quality
Management anerkannt ist, kann das BGM auch entsprechend hof-
fähig bzw. salonfähig gemacht werden. Frei nach dem Motto der
Novelle von Gottfried Keller: Kleider machen Leute! Nur sollte es
hier nicht bei dem täuschenden Schein bleiben.

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9RUDXVVHW]XQJHQ

9RUDXVVHW]XQJHQ
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.HUQSUR]HVVH

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.HUQSUR]HVVH

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5HLFKZHLWH$GUHVVDWHQ
9LHOIDOWGHU$QJHERWH

} Abbildung 39: Unsere Erfolgsfaktoren und Prüfpunkte

Das & Total Quality Management spannt einen normativen


Rahmen auf, der wirtschaftliche und humane Zielsetzungen
berücksichtigt. Damit eignet es sich ideal, um die Anliegen
und Anforderungen im BGM nachhaltig und wirtschaftlich in
die Unternehmen zu integrieren.
Erfolgskriterien und Prüfpunkte 233 A 5.1
Auf der Website befindet sich eine Präsentation zu den Erfolgskri-
terien im BGM (Konzept Einführung BGM). Diese Präsentation kann
Ihnen behilflich sein, wenn es darum geht, Entscheidungsträger
von der Notwendigkeit eines systematischen und kontrollierten
Ansatzes im Bereich BGM zu überzeugen.

 Zusammenfassung zu den Erfolgskriterien im BGM


x Wertschöpfungsorientierung: Die & Wertkette „Gesundheit“
erfordert koordinierte Prozesse und die Bereitschaft, den
Wertbeitrag von BGM-Maßnahmen zum gesunden Unternehmen
zu bestimmen. Die größten Streuverluste erzielt BGM durch
mangelnde Kongruenz und Konsistenz im Hinblick auf die Ge-
staltung der Arbeitswelt und die Authentizität der re-
klamierten & Gesundheitskultur. Personenbezogene Maßnah-
men verflüchtigen sich, wenn keine strukturelle Basis vorliegt.
x Erfolgsfaktoren des BGM: Von großer Tragweite ist das Be-
kenntnis zur Gesundheit, das sich in den Leitlinien ausdrückt.
Zudem benötigt BGM eine stabile Verankerung in der Organisa-
tion, um der Kurzatmigkeit entgegenzuwirken. Die Führung
muss Gesundheit als Asset begreifen und als Vorbild fungieren.
Um die Glaubwürdigkeit dessen zu unterstreichen, sollten
flankierend Instrumente des Human Resource Managements
wie Feedbacksysteme eingeführt werden. Die Akteure im BGM
müssen sich abstimmen und gemeinsam für Gesundheit Ver-
antwortung übernehmen. Die Arbeits- und Umweltbedingun-
gen sind gesundheits- und menschengerecht zu gestalten. Erst
dann können Partizipation und & Empowerment konstruktiv
auf der Personenebene zur Geltung kommen. Schließlich ist
die kontinuierliche Evaluation nicht Kür, sondern Gebot, um
Wertschöpfung, Innovation und Lernen zu gewährleisten.
x Erfolgskriterien: Unabhängig von den Inhalten der Gesund-
heitsförderung benötigt eine nachhaltige Umsetzung von BGM
im Unternehmen ein strategisches Management, einen daten-
gestützten Lernzyklus, ein System an Erfolgsfaktoren und
Prüfpunkten, eine Verpflichtung zur Kommunikation und
Transparenz, einen stabilen Sockel im Sinne der strukturellen
Organisation sowie eine verständliche Dokumentation als Ar-
gumentationsstütze.
x Qualitätsmanagement als Leitbild: Die Systemsicht, der Lern-
zyklus, die Kundenorientierung, die Selbstbewertung und die
Wirksamkeitsprüfung sind typische Attribute des & Total Qua-
lity Managements. Dabei beschränkt sich das Qualitätsma-
nagement nicht nur auf die Ergebnisqualität, sondern interes-
siert sich auch für die Befähiger, also die Führungs-, Struktur-
und Prozessqualität von BGM. Gesundheit in Organisationen
benötigt also nicht nur die Anwaltschaft durch Rechtssysteme,
sondern v. a. auch ein unterstützendes Managementsystem.
5 A 234 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

x Referenzsysteme: Die DIN EN ISO 9000 ff. stellt den Rahmen


dar, reicht aber für die Anforderungen im BGM nicht aus, denn
wir benötigen ein klares Bekenntnis zur & Exzellenz sowie ein
korrespondierendes Kriteriensystem für Befähiger, Ergebnisse
und deren „kausale“ Verknüpfung. Dies bietet das EFQM-
Modell, das als strategisches Managementmodell für eine qua-
litätsorientierte BGM fungieren kann. Auf dem Markt befinden
sich zum Thema „Gesundheit in der Arbeitswelt“ angepasste
Konzepte zur Standardisierung wie SCOHS oder auch die An-
satzpunkte der DIN SPEC 91020. Sie ermöglichen, ein zertifi-
ziertes BGM zu implementieren. Entsprechende Prüfinstru-
mente liegen vor und ermöglichen eine Selbstbewertung.
x Prüfbereiche: Typische Qualitätskriterien und damit Prüf-
merkmale, wo man anhand der Umsetzung den Reifegrad der
BGM bestimmen und bewerten kann, sind in den Rubriken
„BGM und Unternehmenspolitik“, „Personalwesen und Ar-
beitsorganisation“, „Planung und Steuerung“, „soziale Ver-
antwortung“, „Umsetzung von BGM/BGF“ und „Ergebnisse von
BGM/BGF“ zu verorten.
 Check-Liste 8: Erfolgskriterien und Prüfpunkte

5.2 Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement

Welche Anforderungen muss ein


Gesundheitsmonitoring erfüllen?

Kennzahlen- Die Notwendigkeit, ein kennzahlenbasiertes Gesundheitsmanage-


basiertes ment einzuführen, resultiert aus internen und externen Umfeld-
Gesundheits- faktoren (ª Kap. 2.3, S. 57). Die } Abbildung 40 (ª S. 236) ver-
5 management deutlicht anhand der Problempyramide in Bezug auf BGM, dass das
entscheidende Defizit die mangelnde Kennzahlenorientierung
darstellt, denn ohne Kennzahlen lässt sich keine systematische
handlungsorientierte Strategie im BGM verfolgen (Treier, 2012).
Vereinzelte BGF-Aktionen werden keine Wertschöpfung erzielen,
denn sie verpuffen ohne Nachhaltigkeit. Sie verschwinden im
Dunst dominierender Effizienz- und Effektivitätskriterien.

Die meisten Angebote sind reaktiv und kostenorientiert ab-


gebildet und schöpfen damit unzureichend das Potenzial im
BGM aus. Eine kennzahlenorientierte und auf das Qualitäts-
management aufbauende Abbildung stärkt antizipative bzw.
vorausschauende und wertschöpfende Prozesse.
Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 235 A 5.2
Welche Anforderungen muss ein kennzahlenbasiertes Gesund- Gesundheits-
heitsmonitoring erfüllen? Diese Frage haben wir uns gestellt und monitoring
im Rahmen einer kleinen Befragung im Sommer 2008 von betrieb-
lichen Experten beantworten lassen (Ergebnisse: } Abbildung 41,
S.236). Mit einer standardisierten Erhebung wurden im Juli/August
2008 17 Experten im Gesundheitscontrolling befragt. Die Rück-
laufquote betrug 65 Prozent (N=11). Eine Nacherhebung im Som-
mer 2012 mit insgesamt 38 Befragten (9 davon wurden schon 2008
befragt) lässt bedauerlicherweise keine signifikante Veränderung
des Ist-Zustandes feststellen. Jedoch mit einer positiven Ausnah-
me: Immerhin geben 13 Befragte an, eine eigenständige Gesund-
heitsbefragung durchzuführen bzw. ernsthaft in Betracht zu zie-
hen oder Gesundheitsthemen im Rahmen einer Omnibusbefragung
(Teil einer Mitarbeiterbefragung) abzubilden. Eine Adhoc-
Befragung 2014 zur Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung psychi-
scher Belastungen bei Verantwortlichen im Bereich BGM oder Ar-
beitsschutz lässt hier aufhorchen, denn viele sondieren derzeit
Umsetzungsmöglichkeiten einer solchen Gefährdungsbeurteilung 
man muss hier aber abwarten, ob dies nur ein Reflex auf die No-
vellierung des Arbeitsschutzgesetzes im Oktober 2013 in Bezug auf
die psychischen Belastungen darstellt oder ein wirkliches Umden-
ken signalisiert (ª 5.5, S. 301). Die Ergebnislandschaft ist den-
noch eindeutig und für das moderne Verständnis von BGM bedenk-
lich, denn die einseitige Orientierung auf einzelne Parameter des
Gesundheitscontrollings wie Kosten oder Fehlzeiten erlaubt unse-
res Erachtens kein effizientes und effektives Management von
Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung im Sinne der
Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit.

Wir fordern daher in diesem Kontext …


x eine Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und zum
Management-Handeln,
x eine Überprüfung in Bezug auf die Erfolgskriterien nach dem
Modell und den Methoden des & Total Quality Managements,
x die Ausdauer, eine ergebnisorientierte Steuerung aus langfris-
tiger Sicht vorzunehmen, und
x die Beachtung der Partizipation als Erfolgsparameter für ein
modernes Verständnis des Gesundheitscontrollings und einer
begleitenden Empowerment-Strategie.

Hinweis: Die ; Box 1-1 (ª S. 19) erläutert den Begriff Gesund-


heitsmonitoring.
5 A 236 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

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} Abbildung 40: Problempyramide BGM in der Praxis

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ƒ Positiver Trend: hEHUGHU%HIUDJWHQJHEHQDQ*HVXQGKHLWV
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*HVXQGKHLWVLQYHVWLWLRQHQVLQGZHVHQWOLFKHU%HVWDQGWHLOGHV+XPDQNDSLWDOV

} Abbildung 41: Ergebnisse einer Befragung bei Controllern

Die } Abbildung 42 fasst unsere Anforderungen an das Gesund-


heitsmonitoring zusammen. Dabei sind zwei Hauptstrategien zu
beachten:
x Zum einen müssen wir die Effizienz und Effektivität der Maß-
nahmen im BGM nachweisen. Der Glaube an sich reicht hier
nicht aus, auch wenn er intuitiv gut begründet sein mag.
x Zum anderen müssen die Kennzahlen eine zielgerichtete Steu-
erung erlauben. Sie müssen so sensitiv sein, dass sie auch Ver-
änderungen nachweisen können (Legitimation).
Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 237 A 5.2

(IIHNWLYLWlWXQG(IIL]LHQ]QDFKZHLVHQN|QQHQ

6LFKWEDU XQG0HVVEDUPDFKHQYRQ $EOHLWXQJJH]LHOWHU,QWHUYHQWLRQHQ]XU9HU


 7UHLEHUIDNWRUHQGHU*HVXQGKHLW
 EHVVHUXQJHLQ]HOQHU*HVWDOWXQJVGLPHQVLRQHQ

5RXWLQHPl‰LJHXQGNRQWLQXLHUOLFKH $QDO\VHYRQ(UHLJQLVVHQ]XUNRQWLQXLHUOLFKHQ
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 9HUEHVVHUXQJXQGGHUHQ'RNXPHQWDWLRQ

9HUNQSIXQJYRQGLYHUVHQ(UIDVVXQJV ,PSOHPHQWLHUXQJHLQHV)UKZDUQV\VWHPV]XU
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 UHFKW]HLWLJHQ(UNHQQWQLV 3UlYHQWLRQVDQVDW]

(UIDVVXQJNXU] XQGODQJIULVWLJHU3DUDPHWHU 3DUDPHWHUGHILQLWLRQIUN|USHUOLFKHQ=XVWDQG


 XQWHU%HUFNVLFKWLJXQJGHU1DFKKDOWLJNHLW
 SV\FKLVFKHV%HILQGHQ 2UJDQLVDWLRQV]XVWDQG

$XI]HLJHQYRQ6WHOOVFKUDXEHQ]XU %HQFKPDUNIlKLJNHLWGHU.HQQ]DKOHQ
 9HUPHLGXQJDUEHLWVEHGLQJWHU5LVLNHQ
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 VWDQGRUWVSH]LILVFKH$VSHNWHEHDFKWHQ

%*00D‰QDKPHQ ]LHOJHULFKWHWVWHXHUQN|QQHQ

} Abbildung 42: Anforderungen an das Gesundheitsmonitoring

Was bedeutet Risikomanagement in diesem Kontext?

Aus den Anforderungen wird ersichtlich, dass wir mit unserem Schritt vom Ge-
Ansatz des Gesundheitsmonitorings auch den Weg für ein Risiko- sundheitsmonito-
management im Bereich BGM eröffnen. Wir benötigen also nicht ring zum Risiko-
nur ein Risk-Management in Bezug auf Finanzderivate, sondern ein management
Health Risk Management im Sinne eines funktionierenden Früh-
warnsystems, das mögliche Folgen aufzeigt, wenn Maßnahmen der
BGM nicht oder nur unzureichend umgesetzt würden (Crouhy et
al., 2006). Einige Case-Studies zum Risikomanagement stellt der
Bericht der  European Agency for Safety and Health at Work zur
Verfügung (EU-OSHA, 2009).

„Risk assessment plays a crucial role in any occupational


safety and health policy. It is the basis for successful health
and safety management, and the key to reducing workrelat-
ed accidents and occupational diseases. If implemented well,
it can improve not only workplace safety and health, but
business performance in general.“ (EU-OSHA, 2009, p. 14)

Dies korrespondiert auch mit der RADAR-Bewertungslogik des Qua-


litätsmanagements (ª Kap. 5.1, S. 216). Die Risikoursachen sind
weitgehend bekannt und größtenteils beeinflussbar, aber leider
auch vielschichtiger Natur. Es geht nunmehr darum, auch entspre-
chende Instrumente der Risikoidentifikation gezielt einzusetzen:
5 A 238 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

x Vorort-Besichtigungen,
x & Gefährdungsanalysen,
x Dokumentenanalysen,
x Organisationsanalysen,
x Mitarbeiterbefragungen etc.

Konkretes Für Entscheider ist es wichtig, dass die Erkenntnisse aus den In-
Vorgehen formationsquellen in Form von Indikatoren verdichtet werden,
ohne die Vielschichtigkeit und die Wechselwirkungen aus dem
Auge zu verlieren. Doch in der Praxis werden die Ergebnisse oft
nicht normiert und standardisiert als Kennzahlen abgebildet, so-
dass es den Entscheider schwerfällt, eine angemessene Risikobe-
wertung vorzunehmen (ª Kap. 5.2, S. 234). Bevor wir auf die
Kennzahlen zu sprechen kommen, müssen wir aber zunächst aus
der Perspektive des BGM das Vorgehen illustrieren, wie Risiken
gemanagt werden können (} Abbildung 43, S. 239):
1. Ziele BGM bestimmen: Der erste Schritt ist die Bestimmung
der Soll-Größen. Leitlinien müssen formuliert und auf Ziel-
ebenen heruntergebrochen werden. Zudem ist es essenziell,
dass unternehmensspezifische, operationalisierbare Indikato-
ren entsprechend der BGM-Ziele identifiziert, entwickelt, er-
probt und laufend iterativ optimiert werden müssen. Es geht
also grob um die richtigen Fragen und Erfassungswege. Dabei
sind Lage-, Streuungs- und Zusammenhangsmaße der Indikato-
ren zu differenzieren. Diese unternehmensspezifischen Indi-
katoren sind aber stets überbetrieblich auf Angemessenheit
zu überprüfen (Public Health).
2. Risiken und Chancen identifizieren: Zur Identifizierung der
5 Chancen und Risiken bietet es sich an, die körperlichen und
psychischen Risiken der Mitarbeiter aufgrund ihres Arbeitsum-
feldes systematisch in Form eines Risikokatasters aufzubauen.
Dies lässt sich auch mit der Verpflichtung zur & Gefährdungs-
beurteilung verbinden. Entscheidend ist, dass man zusätzlich
über einen solchen Kataster auch den öffentlich zugänglichen
Erkenntnisstand zum BGM abbilden kann. Die systematische
Beobachtung von Diskursen zu Gesundheitsthemen, wissen-
schaftliche Literaturanalysen, Reflexion von & Metaanalysen
etc. bieten sich hier an. Dies ist eine Voraussetzung, um eine
& evidenzbasierte Vorgehensweise zu realisieren.
3. Risiken analysieren und bewerten: Letztlich funktioniert das
Risikomanagement im Bereich BGM nur längsschnittlich. Kurz-
fristige Effekte sind meistens verzerrt durch nicht kalkulier-
bare & Moderatoren und Mediatoren (Einflussfaktoren). Die
meisten Analysen leiden an der Mittelwertsfalle, alles kumu-
liert sich auf wenig aussagekräftige Durchschnittswerte. Hier
Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 239 A 5.2
ist es erforderlich, eine Datenbasis für unternehmensbezoge-
ne Epidemiologie zu schaffen, ggf. auch eigene Studien
durchzuführen und auf jeden Fall eine Nutzenbewertung zu
erproben. Bei der Bewertung geht es um Trends und um Ver-
änderungen (Differenzwerte), nicht nur um Absolutwerte.
4. Risiken steuern und bewältigen: Hier lassen sich verschiede-
ne Maßnahmen anführen Æ Stärkung der primären und sekun-
dären Prävention, Einsetzung & evidenzbasierter Leitlinien in
der Diagnostik und Primärversorgung, Identifikation von Best
Practice Ansätzen („Leuchttürme der Praxis“) sowie Stärkung
der Zusammenarbeit mit kurativen und rehabilitativen Ein-
richtungen im Gesundheitswesen.

6WUDWHJLHXQG
=LHOHGHU%*)
 
5LVLNR ,GHQWLILNDWLRQ
EHUZDFKXQJ GHU5LVLNHQXQG
0RQLWRULQJ &KDQFHQ

5LVLNR 5LVLNRDQDO\VH
NRPPXQLNDWLRQ 5LVLNREHZHUWXQJ

 
5LVLNRVWHXHUXQJ
%HZlOWLJXQJ

} Abbildung 43: Risikomanagement im BGM

5. Risiken kommunizieren: Damit verstehen wir nicht nur


die verständliche und transparente Darstellung der Ergeb-
nisse für Entscheidungsträger und für alle anderen Stake-
holder im Unternehmen, sondern auch die Förderung einer
proaktiven Gesundheitsbildung im Unternehmen.
6. Risiken überwachen: Alle Maßnahmen im BGM sollten
sich einer Evaluation in Bezug auf die vereinbarten Ziele
unterziehen, um hieraus Konsequenzen für die zukünftige
Herangehensweise abzuleiten. Mit der Überwachung wird
zudem die Notwendigkeit beachtet, dass Risiken laufend
im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung minimiert und
Chancen genutzt werden sollen. Ein durchlaufendes Be-
richtswesen nebst Kennwerten sollte diesen Prozessschritt
flankieren.
5 A 240 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Zu abstrakt? Sie möchten den ersten Schritt ins Risikomanagement


wagen? Hierzu eignet sich der iga.Check 2014. Eine entsprechende
Software für den Risikocheck mit 30 (Kurzversion) oder 80 Fragen
(Langversion) und relevante Begleitinformationen (iga.Report 19,
3. Auflage 2014) sind auf der Website der  Initiative Gesundheit
& Arbeit downloadbar.
http://www.iga-info.de/veroeffentlichungen/iga-reporte/iga-
report-19.html

Early Pain Ein wichtiger Trend des Risikomanagements drückt sich in Bezug
Reporting auf das frühzeitige Berichten arbeitsbedingter Beschwerden aus,
denn es geht darum, rechtzeitig einzugreifen. Diese frühzeitige
Erfassung erhöht nicht nur den präventiven und therapeutischen
Erfolg, sondern lässt auch die Kausalität zwischen Bedingungen
und Auswirkungen auf der Personenebene schneller erfassen. Wir
empfehlen für die Praxis nicht das Zuwarten, bis das Kind in den
Brunnen gefallen ist, sondern die Implementierung einer „schnel-
len Eingreiftruppe“ im Bereich Gesundheit. Dieser Ansatz ist kom-
patibel mit der übergreifenden Sichtweise des Gesundheitsmoni-
torings. Beide Systeme ergänzen sich hervorragend, um kurzfristi-
ge Maßnahmen mit langfristig strategischen Ansätzen zu kombinie-
ren. Denn primär geht es um Vermeidung von Risiken und deren
Bewältigung am Arbeitsplatz. Das Flowchart stellt eine mögliche
Prozessbeschreibung für eine „schnelle Eingreiftruppe“ dar
(} Abbildung 44, S. 241).

Sich des Risikos bewusst werden


BGM erfordert eine langfristige Strategie und ständiges Kalib-
rieren und Anpassen der Maßnahmen. Risikomanagement als
5 systematische Erfassung und Bewertung von Risiken hilft,
zeitnah und angemessen auf Risiken zu reagieren. Die Risiko-
kennzahlen können aus dem Gesundheitsmonitoring entnom-
men werden, wenn sie ausreichend sensitiv konzipiert sind.
Leider taucht das Thema „Risikomanagement“ in der Praxis
meistens erst dann aus der Untiefe auf, wenn Influenzapan-
demien und dergleichen unmittelbar drohen (Beispiel Vogel-
grippe H5N1 im Jahr 2006: Unternehmen schmieden Notfall-
pläne). In diesem Fall werden die Risiken eben nicht proaktiv
gemanagt, sondern reaktiv behandelt. Wir empfehlen daher,
das Risikomanagement im BGM-System fest zu verankern!
; Box 5-5: Risikomanagement im Bereich BGM
Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 241 A 5.2

.|USHUOLFKH%HVFKZHUGHQEHLGHU$UEHLW

0LWDUEHLWHULQIRUPLHUW 0LWDUEHLWHUPHOGHWVLFK
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6LQGGLHGXUFKJHIKUWHQHUJRQRPLVFKHQ
9HUEHVVHUXQJHQZLUNXQJVYROO"

'RNXPHQWDWLRQ

} Abbildung 44: Early Pain Reporting Æ „Eingreiftruppe BGM“

Was ist eine Health Balanced Scorecard?

Wo ist der Seismograf Gesundheit? Früh- bzw. Rechtzeitigkeit der Health Balanced
Erfassung ist nicht nur eine Frage von „Eingreiftruppen“ und der Scorecard
Bereitstellung von Ansprechpartnern, sondern in Anbetracht der
vielfachen Wechselwirkung unterschiedlicher Faktoren der Ar-
beitswelt zunehmend auch eine Frage der systematischen Erfas-
sung und vernetzten Interpretation diverser Kennwerte im Konzert
mit anderen Indikatoren. Mit der Gesundheitsquote allein werden
wir weder frühzeitig Risikobereiche identifizieren noch der Kom-
plexität von Gesundheit im Unternehmen gerecht werden können.
Das  EFQM-Modell des & Total Quality Managements
(ª Kap. 5.1, S. 216) offeriert uns einen Strategierahmen und kor-
respondierende Prüfpunkte und Erfolgskriterien. Doch was uns
fehlt, ist die konsequente Verfolgung. Die klassische & Balanced
Scorecard stellt ein ausbalanciertes Kennzahlensystem dar (Fi-
nanz-, Potenzial-, Prozess- und Kundenperspektive) (Kaplan &
Norton, 2001). Es handelt sich um eine Management-Methode, mit
der ein Unternehmen mit Hilfe von wenigen, aber entscheidenden
Kennzahlen effektiv geführt werden kann. Esslinger (2003) stellt
die Funktionalität hinsichtlich einer qualitätsorientierten Planung
und Steuerung am Beispiel eines Non-Profit-Unternehmens dar.
Ziel der Balanced Scorecard ist es, einen ständigen Überblick über
den Kurs des Unternehmens und der einzelnen Verantwortungsbe-
5 A 242 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

reiche zu bieten (Treier, 2009a, S. 357 f.). Sie ist damit mit dem
„Cockpit eines Flugzeugs“ vergleichbar, in dem alle erforderlichen
Informationen über den Zustand des Flugzeugs und des einzuhal-
tenden Kurses angezeigt werden. Das Ziel ist das gesunde Unter-
nehmen! Ein Unternehmen ist aber nur mit gesunden Mitarbeitern
gesund. Eine Balanced Scorecard braucht eine Vision. Auf Basis
kritischer Erfolgsfaktoren wird die „Erfolgsstory BGM“ sichtbar,
transparent und v. a. steuerbar. Die Balanced Scorecard setzt die
vom  EFQM-Modell definierten Stellgrößen der Strategie in ope-
rative bzw. messbare Größen um (Janssen et al. in Meifert &
Kesting, 2004, S. 48 f.) (} Abbildung 45, S. 242). Damit ist die
Balanced Scorecard ein Instrument zur Strategieumsetzung. Sie
berücksichtigt sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Krite-
rien, was im Rahmen der BGM wichtig ist (Treier, 2012, S. 107).
Der Vorteil der Balanced Scorecard ist ihre Verbreitung, Akzep-
tanz, Anpassbarkeit und Anschaulichkeit.

Ein praxisorientierter Leitfaden zum Einsatz der Balanced Score-


card (BSC) bietet das Buch von Friedag und Schmidt (2011). In
sieben Schritten gelangt der Leser zur BSC. Ebenfalls kurz und
bündig ist das Pocketbook zur BSC (Preißner, 2011).
Leider bieten diese „Taschenbuch-Guides“ in Bezug auf BGM keine
Vorlagen. Dafür stellen sie aber andere Beispiele dar, die mit et-
was Fantasie auf die Fragestellungen der BGM übertragbar sind.

+HDOWK
%6&
+HDOWK%6&

} Abbildung 45: Health Balanced Scorecard


Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 243 A 5.2
Der Einsatz der Balanced Scorecard (BSC) für das Unternehmens- Zusammenspiel
und damit auch Gesundheitscontrolling benötigt eine Verbindung zwischen EFQM
zu den Managementstrukturen, um die Zielplanung und und BSC
-verfolgung des Managements wirksam zu unterstützen. Hierzu hat
es sich bewährt, die BSC mit dem Kriterienmodell der EFQM im
Rahmen von (Selbst-)bewertungsprozessen auf Managementebene
zu kombinieren. Das EFQM-Modell liefert mit seinen ganzheitli-
chen Kriterien im Rahmen der Selbstbewertung systematische
Informationen darüber, wie weit Strukturen entwickelt und gelebt
werden und welche Bedeutung diese haben. Die BSC liefert fass-
bare (operationalisierte) Kennzahlen und Controllingergebnisse für
eine Vielzahl der Kriterien, die im Rahmen der Selbstbewertung
konstruktiv genutzt werden können. Eine gut eingeführte BSC ist
damit eine Informationsquelle, die die Selbstbewertung im Sinne
ihrer Objektivierbarkeit unterstützt und Schlussfolgerungen damit
nachvollziehbar und überprüfbar macht und die aus der Selbstbe-
wertung abgeleiteten Visionen, Missionen und Ziele hinsichtlich
ihrer Umsetzung überwacht. Dieses Zusammenspiel zwischen der
Management- (EFQM) und der Informationsebene (Balanced Score-
card) bietet damit eine fundierte Basis für das Prozessmanage-
ment im BGM. Dabei wird die Balanced Scorecard auf das Ma-
nagement- als Referenzsystem ausgerichtet und entsprechend in
die Steuerung integriert (} Abbildung 46, S. 245).
x Das  EFQM-Modell gibt die Visionen, Missionen und Ziele
sowie die Kriterien vor. Durch die Selbstbewertung erfolgt ei-
ne Art Relativmessung auf den Dimensionen „Bedeutung“ und
„Erfüllungsgrad“.
x Die & Balanced Scorecard ist für die Operationalisierung
zuständig (Indikatoren). Hier erfolgt eine Absolutmessung.
Damit ist die Balanced Scorecard das geeignete Instrument,
das anvisierte Ziel zu verfolgen. Hiermit kann man kontinuier-
lich die Maßnahmen bewerten und in eine ergebnisorientierte
Steuerung gemäß dem PDCA-Zyklus einfließen lassen.

Die & Balanced Scorecard ist kein Selbstläufer! Sie müssen Kenn- Tipps zur Health
werte definieren und überlegen, welchen Einfluss diese Kennwer- Balanced
te auf Ihre Zielsetzung „Gesundes Unternehmen“ haben. Wir wer- Scorecard
den Ihnen im Kap. 5.6 (ª S. 314) ein Beispiel vorstellen. Einige
Tipps sollen Ihnen den Einstieg in diese Methode erleichtern …
x Verwenden Sie stets Messinstrumente, die im Unternehmen
schon existieren! Vielfach lassen sich diese für den Bereich
BGM problemlos erweitern (Beispiel Mitarbeiterbefragung,
Fehlzeitenanalyse, Feedbacksysteme). Der erste Schritt ist al-
so, alle denkbaren Erfassungsinstrumente hinsichtlich ihrer Af-
finität zu Gesundheitsthemen durchzuforsten und zu überle-
gen, ob sich ggf. eine Erweiterung anbietet.
5 A 244 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

x Identifizieren Sie bei der & Health Balanced Scorecard de-


finitiv nicht mehr als 15 Kennwerte! Diese sollten den Krite-
rien des EFQM-Modells zugeordnet sein. Meistens reichen we-
nige Kennwerte aus. Aus Sicht BGM sind im Health Reporting
v. a. die Themenfelder Arbeitsqualität, Gesundheit, Ausfall
und Organisation zu beachten. Beispielhafte Kennwerte sind …
Ö Arbeitsqualität: bspw. Arbeitsinhalt, Arbeitszufrieden-
heit, Mehrarbeitsquote, Wechselschichtquote
Ö Gesundheit: bspw. Belastungsfaktoren (körperliche, psy-
chosoziale oder Umfeldbelastungen), personale Ressour-
cen (Erholungsfähigkeit, Gesundheitsverhalten, Selbst-
wirksamkeit), Gesundheitszustand (Erschöpfungswert, Ar-
beitsfähigkeit, Mehrfachrisiken)
Ö Ausfall: bspw. Arbeitsunfähigkeit, Fehlzeitentypologie
(Verursacher zur Gesamtzahl etc.), Anzahl BEM-Verfahren,
eingeschätzte Rückkehrwahrscheinlichkeit
Ö Organisation: bspw. gesundes Führen und Gesundheitskul-
tur, & Work-Life-Balance, Teilnahmequoten, Gesund-
heitsbudget pro Person oder Personalressourcen BGM
x Nehmen Sie sich Zeit zur Bestimmung der angemessenen
Gewichtung! Der Zusammenhang zwischen den Kennwerten
und damit deren statistische und inhaltliche Gewichtung wird
in der Praxis entweder aus Expertensicht oder aus der Per-
spektive der Leitlinien bestimmt. Diese Gewichtung sollte
auch jährlich überprüft werden. Aus methodischer Sicht em-
pfiehlt sich ein anderes Vorgehen. Mithilfe einer retrospekti-
ven Analyse und zusätzlichen Berücksichtigung von externen
Studien kann man eine Art & Regressionsmodell für Ihre Ba-
lanced Scorecard erstellen, um die Wirkung der unabhängigen
Variablen im Sinne der Kennwerte bzw. Indikatoren auf die
5 abhängigen Variablen (Ergebnisvariablen in Anlehnung an die
Leitlinien) zu ermitteln. So könnte der Spätindikator „Fehlzei-
ten“ als abhängige Variable von mehreren unabhängigen Fak-
toren wie „Arbeitsbedingungen“, „Führungskultur“ oder
& „Commitment“ beeinflusst werden. Meistens wird dieser
Zusammenhang durch eine lineare Geradengleichung mit Re-
gressionskoeffizienten abgebildet: Fehlzeiten = E1 u Arbeits-
bedingungen + E2 u Führungskultur + E3 u Commitment. Prob-
lematisch ist hier jedoch, dass sich die Fehlzeiten nicht linear
verhalten (ª Kap. 5.3, S. 248). Hier würde sich die nichtlinea-
re Regression anbieten. Diese stellt eine Methode dar, mit der
Sie ein nichtlineares Modell für den Zusammenhang zwischen
der abhängigen Variablen und einem Set von unabhängigen
Variablen finden können (Bortz & Schuster, 2010, S. 198 ff.).
x Versuchen Sie den Kennwerten eine „ähnliche Gestalt“ zu
geben, indem Sie diese Werte standardisieren! Aus mathe-
matischer Sicht können Sie durch lineare Transformationen
Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 245 A 5.2
den Wertebereich der Kennzahlen oft von 0 bis 100 festlegen.
Damit verdeutlicht man zum einen die Gleichwertigkeit trotz
unterschiedlicher Datenlandschaften, zum anderen erleichtert
man die Interpretation.
x Ordnen Sie den Kennzahlen Ampelwerte zu! Ampelwerte
orientieren sich an Grenz- und Zielwerten. Diese können stra-
tegisch begründet sein. Besser ist jedoch eine aus der retro-
spektiven Analyse abgeleitete & Terzentilisierung. Falls die
Farbcodierung im Unternehmen schon durch andere Erfassun-
gen „verbrannt“ ist, kann man auch eine andere Symbolik zur
vereinfachten Darstellung in Betracht ziehen.
x Kommunizieren Sie Ihre Kennzahlen transparent und
selbsterklärend! „One Page Only-Controlling“ ist hier ein be-
kannter Vertreter für das selbsterklärende Prinzip. Einfache
Erklärung und Konzentration auf das Wesentliche fördert die
Aktivität der Beteiligten und schafft Vertrauen. Manche spre-
chen hier auch vom KISS-Prinzip: „Keap it short and simple“.
Hier darf man aber auch nicht das Ockhamsche Rasiermesser
als Sparsamkeitsprinzip der Wissenschaftstheorie zu scharf an-
setzen und damit der Übervereinfachung predigen, denn dann
mutiert das KISS-Prinzip zu „Keap it short and stupid“. Wir
empfehlen aufgrund der Vielschichtigkeit gesundheitlicher
Prozesse das MAYA-Prinzip: „Most Advanced, Yet Acceptable“,
wenn man Advanced hier als komplex interpretiert.

} Abbildung 46: EFQM-basierte Health Balanced Scorecard


5 A 246 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

EFQM-basierte Balanced Scorecard


Wir empfehlen eine EFQM-basierte & Health Balanced Score-
card. Die Bewertung des Managements mit Hilfe des EFQM-
Modells lässt sich mit der Methode Balanced Scorecard ver-
knüpfen. Im Rahmen der Selbstbewertung entlang des EFQM-
Modells können die Kennzahlenperspektiven der BSC kon-
struktive Informationen liefern. Die BSC ihrerseits wird auf-
grund der Erkenntnisse aus der Selbstbewertung durch geän-
derte Visionen/Missionen und Ziele gespeist, und es erfolgt
mit der Selbstbewertung indirekt eine Verifikation der Kenn-
zahlen der BSC. Das EFQM-Modell wird entsprechend der
BGM-Belange konkretisiert und angepasst und bildet so den
Korridor für die Steuerungsebene (} Abbildung 38, S. 227).
Die konkrete Steuerung einzelner Aktionsfelder erfolgt durch
die BSC. Mit dieser EFQM-basierten Health Balanced Score-
card lässt sich ein integrativer Ansatz im BGM ohne einseitige
ökonometrische Ausrichtung auf monetäre Kosten-Nutzen-
Kalküle ermöglichen. Damit wird Investitionspolitik im Be-
reich BGM zur steuerbaren Größe.
; Box 5-6: Zusammenspiel zwischen EFQM und Balanced Scorecard

Bezugssystem zur Anstelle einer Zusammenfassung soll die } Abbildung 47 das Be-
Steuerung zugssystem zur Steuerung illustrieren. Die Achsen werden durch
drei Bestimmungsvektoren definiert:
1. Gesundheitsassessment: Hier geht es um eine bedarfsori-
entierte Bewertung hinsichtlich BGM. Mit der Selbstbewer-
tung entlang des EFQM-Modells wird die Position be-
stimmt, bewertet und daraus abgeleitet, welche Weichen-
stellungen und Maßnahmen im BGM anzusetzen sind.
5 2. Gesundheitsmonitoring: Hier wird mit Hilfe der mit der
& Balanced Scorecard definierten Kennzahlen und damit
verbundenen Ziel- und Grenzwerte der Zustand bzw. Fort-
schritt „Gesunde Organisation“ kontinuierlich überwacht.
Die Auswahl dieser Steuerungskennwerte und die Definiti-
on ihrer Ziel- und Grenzwerte werden u. a. durch die Mög-
lichkeiten der Datenerhebung und Rahmenbedingungen
wie gesetzlichen Vorgaben des Datenschutzes sowie vom
Kriteriensystem des Gesundheitsassessments bestimmt.
3. Gesundheitsbenchmarking: Hier bieten sich v. a. Best
Practice-Beispiele an (Vergleichsringe im BGM), aber auch
das Sharing-Konzept im Sinne des gemeinsamen Lernens
und Entwickelns kann als wichtiger Katalysator fungieren.
Benchmarking garantiert dabei Innovation und Aktualität.
Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement 247 A 5.2
\
Gesundheits-
assessment

%HGDUIVDQDO\VH
2ULHQWLHUXQJ
Wert der Steuergröße (x,y,z):
6FKZHUSXQNWWKHPHQ
$OOJHPHLQH(LQVWHOOXQJHQ 'LH6WHXHUJU|‰HQXQGGDPLWGLH$QJHERWH
5HODWLYPHVVXQJQDFK()40 ZHUGHQVWHWVGXUFKGUHL:HUWHEHVWLPPW
QlPOLFK«
 $QDO\VHGHU,QGLNDWRUHQ ]
+HDOWK  8PIHOG6WUDWHJLHZHUWH \
*HVXQGKHLWVNRPSHWHQ] +HDOWK%6&
*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ
%6&  9HUJOHLFKVZHUWH [

)HKO]HLWHQ
3V\FKRSK\VLVFKHU
*HVXQGKHLWVVWDWXV
1XW]XQJV XQG
%HWHLOLJXQJVLQWHQVLWlW
$EVROXWPHVVXQJQDFK%6&
[

Gesundheits- Vergleichswerte 9HUJOHLFKVULQJH


6KDULQJ
monitoring Benchmarking $NWXHOOH7UHQGV
,QQRYDWLRQ
%HVW3UDFWLFH
]

} Abbildung 47: Bezugssystem zur Steuerung BGM

 Zusammenfassung zum Gesundheitsmonitoring


x Gesundheitsmonitoring: Vereinzelte BGM-Maßnahmen werden
keine Wertschöpfung erzielen. In Mehrkomponentenprogram-
me gebündelte, systematisch aufeinander abgestimmte Maß-
nahmen versprechen den Erfolg. Die Durchführung dieser Maß-
nahmen muss aber gezielt gesteuert und auf Wirksamkeit kon-
trolliert werden. Das Gesundheitsmonitoring versteht sich als
ein Instrument des kennzahlenbasierten Gesundheitsmanage-
ments und unterstützt die ergebnisorientierte Steuerung.
x Risikomanagement: Mit dem Gesundheitsmonitoring wird der
Schritt zu einem Frühwarnsystem im Sinne des Health Risk
Managements möglich. Die rechtzeitige Risikoidentifikation,
die Analyse und Bewertung von Risiken, das Steuern und Be-
wältigen derselben, die transparente Kommunikation als Bei-
trag der Gesundheitsbildung und & Gesundheitskultur sowie
die Überwachung der eingeleiteten Maßnahmen runden das Ri-
sikomanagement im Bereich BGM ab. Ein typischer Trendset-
ter ist hier das Early Pain Reporting, also das frühzeitige Be-
richten arbeitsbedingter Beschwerden.
x Health Balanced Scorecard: Doch stellt sich das Problem, wie
man die verschiedenen Kennwerte des Gesundheitsmonito-
rings und Risikomanagements miteinander verrechnet oder auf
die Verfolgung der Leitziele ausrichtet. Hierzu eignet sich der
Klassiker Balanced Scorecard als angepasste Health Balanced
Scorecard. Die Scorecard ist ein Unterstützungskonzept für
das EFQM-Modell (& Total Quality Management): Sie ermög-
licht durch die Absolutmessung der Indikatoren und deren Ge-
5 A 248 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

wichtung eine Verfolgung der in den Kriterien des EFQM-


Modells vorgegebenen Ziele.
x EFQM-basierte Balanced Scorecard: Eine EFQM-basierte Ba-
lanced Scorecard ist der von uns präferierte Seismograf im Be-
reich BGM. Das Kriteriensystem des EFQM-Modells stellt quasi
den Korridor der Steuerungsebene v. a. im Rahmen der
Selbstbewertung dar. Die konkrete Steuerung einzelner Akti-
onsfelder erfolgt durch die BSC als Informationssystem.
x Bezugssystem zur Steuerung: Neben dem Gesundheitsassess-
ment in Anlehnung an die Selbstbewertung des Qualitätsma-
nagements benötigen wir ein Gesundheitsmonitoring zur Ver-
folgung der konkreten Ausprägungen der als wichtig identifi-
zierten Indikatoren. Die Balanced Scorecard ist hier ein wich-
tiges Instrument. Doch bleibt man bei diesen beiden Bestim-
mungsvektoren blind, wenn man nicht den Blick über den Tel-
lerrand wagt. Das Gesundheitsbenchmarking ermöglicht das
Lernen von anderen und das Normieren der eigenen Leistung.
Es ist ein Promotor, der in Kombination mit dem Gesundheits-
assessment Innovation und neue Perspektiven frühzeitig in das
BGM transportieren kann.
 Check-Liste 9: Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement

5.3 Baustein 1: Kennzahlen

Was muss eine Kennzahl im Bereich BGM leisten?

Kennwertorien- Ob wir über Health and Productivity Management (HPM) oder ein-
tierung als fach über ein systematisches und nachhaltiges BGM sprechen, wir
Maxime benötigen auf jeden Fall & Key Performances Measures, Bench-
5 marks und Best Practices und Indikatoren, um das Potenzial der
Gesundheitsförderung abzubilden (Goetzel et al., 2001). Der
grundlegende Baustein ist die Kennzahl. Diese Kennwerte müssen:
x belastbar sein,
x nutzwertbezogen sein,
x als Grundlage für Entscheidungsprozesse fungieren und
x die Vielgestaltigkeit von Gesundheit abbilden können.

Argumente gegen Die Nutzung von Kennzahlen wird vielfach mit dem negativ konno-
das Controlling tierten Begriff Controlling verknüpft, also mit einseitiger Kos-
tenorientierung und extremem Rechtfertigungsdruck. Viele Tätige
im Bereich Gesundheit sehen es auch nicht als ihre genuine Auf-
gabe an, Gesundheitscontrolling als Zielerfüllungskontrolle zu
betreiben und die Wertschöpfung zu belegen. Manche vertreten
auch dezidiert die Meinung, dass man das Thema BGM nicht hin-
Baustein 1: Kennzahlen 249 A 5.3
sichtlich ihrer Wertschöpfung belegen könne. Ist dies wirklich so?
Die Studien im Kap. 5.4 (ª S. 282) zeigen auf, dass der & Return
on Investment auch für BGM ermittelbar ist (Chapman, 2005 &
2012). In Wirklichkeit handelt es sich bei den Einwänden mithin
nicht primär um & evidenzbasierte Gründe, sondern eher um la-
tente Ängste im Hinblick auf Budgetfragen und Ressourcenproble-
me. Viele Gegenargumente sind nur scheinbar tragfähig …
x Kostenfrage: Die Auseinandersetzung mit der Kostenfrage
wird bewusst gemieden, doch damit boykottiert man die Zu-
kunft BGM. Warum? BGM braucht Investitionen, die ökono-
misch zu rechtfertigen sind. Nur so entzieht man sich dem im-
pliziten Vorwurf des „Sozialklimbims“.
x Instrumente: Ein weiteres Gegenargument bezieht sich auf
das Problem der Instrumente, die zur Erfassung von Effizienz
und Effektivität von BGM im Unternehmen existieren. Sowohl
Praxis als auch Wissenschaft sind sich einig, dass man Gesund-
heitsfragen im Unternehmen nicht durch einen pauschalen
Kennwert wie Fehlzeiten abbilden kann. Bedeutet dies aber
im Umkehrschluss, dass die Kennzahl „Fehlzeiten“ unbrauch-
bar ist? Wir werden in diesem Kapitel die relevanten Attribute
von Kennzahlen darstellen und am Beispiel der Fehlzeiten de-
monstrieren, dass diese Kennzahl mehr Aussagekraft besitzt,
als ihr gemeinhin zugestanden wird. Fehlzeiten wirken als
Kennzahlen grau und stumpf. Würde man sie entstauben, wäre
ihr Einsatz aber verheißungsvoll. Zudem gibt es vielverspre-
chende andere Kandidaten (ª Kap. 5.6, S. 314).

Wir benötigen analog zum Personalcontrolling eine eindeutig stär- Information


kere Fokussierung auf Methoden und Instrumente des Gesund- durch
heitsmonitorings und Risikomanagements (ª Kap. 5.2, S. 234) Kennzahlen
(Schulte, 2002), denn die Gewährleistung einer nachhaltigen und
systematischen BGM erfordert die ständige Verfügbarkeit relevan-
ter Informationen. Verfolgbare Informationen müssen den Charak-
ter von Kennzahlen annehmen, damit Performance Management
umsetzbar ist (Gladen, 2005)! Wir benötigen & Key Performance
Indikatoren, um Erfolge bzw. Misserfolge im Bereich BGM abzubil-
den (Krause & Arora, 2008). Bedauerlicherweise verfügt der Ge-
sundheitsbereich über relativ wenige aussagekräftige Kennzahlen,
die als Key Performance Indikatoren analog wie Unfallzahlen ge-
eignet sind. Doch bevor wir uns mit diesen befassen, müssen wir
uns mit den Attributen der Kennzahl an sich auseinandersetzen.
5 A 250 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Was sind Kennzahlen? Diese Frage wird unterschiedlich beantwor-


tet. Problematisch ist, dass häufig die Frage nach der Kennzahl
mit umfangreichen Kennzahlensystemen wie der & Balanced Sco-
recard beantwortet wird (Kaplan & Norton, 2001). Dieser Schritt
ist verständlich, aber verschleiert das Problem, wie eine Kennzahl
aussehen muss bzw. was eine gute von einer schlechten Kennzahl
unterscheidet. „Back to the roots“ bedeutet hier, dass wir uns mit
der Qualität und mit den Attributen der Kennzahlen auseinander-
setzen müssen, bevor wir uns Gedanken über die kombinierte
Verrechnung von Kennzahlen machen. Die } Abbildung 48
(ª S. 252) illustriert diese beiden Perspektiven (Treier, 2009a,
S. 363; Treier, 2013b, S. 82). Um die Qualität der Kennzahl einzu-
schätzen, müssen wir uns über ihre Funktionen Gedanken machen.
Was wollen wir mit Kennzahlen erreichen? Die Kennzahlenart ist
durch bestimmte Attribute gekennzeichnet, die auf ihre Konsis-
tenz in Bezug auf ihre Funktionen zu überprüfen sind:
x Modalität: Wir unterscheiden befragungs- und nichtbefra-
gungsbasierte Kennzahlen. Die Fehlzeiten gehören bspw. zu
den nichtbefragungsbasierten Kennzahlen. Um das Gesund-
heitsbewusstsein zu ermitteln, müssen wir aber fragen.
x Beschaffenheit: Wir differenzieren zwischen harten und wei-
chen Daten. Gesundheitswerte lassen sich bspw. meistens nur
mit qualitativen Methoden bestimmen. Vielfach müssen wir
hier auf Indikatoren zurückgreifen, d. h., dass wir die Werte
nicht direkt, sondern nur indirekt erfassen können. Diese Indi-
katoren sollten theoretisch mit den relevanten Konstrukten
und Gestaltungsfaktoren verknüpfbar sein.
x Zahlenart: In der Praxis stoßen wir auf absolute Maße, Quo-
tenzahlen, Mittelwerte, Streuungsmaße, Verhältnis- und In-
dexzahlen. Diese Zahlenarten sind aber nicht gleichwertig.
5 Man muss unterscheiden zwischen den eigentlichen Kennzah-
len, die z. B. entweder als Urwerte oder durch Kombination
von Urwerten abgebildet werden und den beschreibenden
Kennzahlen, mit der die Entwicklung/Dynamik der Kennzahl
betrachtet wird. Bei Letzteren stellen wir in der Praxis häufig
Lücken fest. So werden bspw. die Fehlzeiten viel zu wenig
hinsichtlich ihrer jahreszeitlichen Verteilung bewertet, son-
dern einfach über Mittelwerte in Balkendiagrammen zusam-
mengefasst. Die Reflexion der Streuungsmaße, also der Vertei-
lung der Fehlzeiten bzw. der Streubreite von Fehlzeiten, er-
folgt in der Praxis unzureichend, obwohl die Streubreite ein
wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit des
Lageparameters (Mittelwert) ist. Die Variation von Fehlzeiten
kann wichtiger sein als das Absolutmaß.
x Zeitbetrachtung: Hinsichtlich der Zeitbetrachtung fragen wir
uns, auf welchen Zeitraum die Kennzahl zurückgreift. Viele
Baustein 1: Kennzahlen 251 A 5.3
Kennzahlen sind retrospektiv, also rückwärtsgewandt. Gerade
im Bereich Gesundheit benötigen wir auch Kennwerte, die
nach vorne schauen, um den prospektiven ROI als potenziellen
Gewinn für das Unternehmen zu berechnen. Auch stellen wir
uns hier die Frage, ob wir einen Zeitraum (längsschnittlich)
oder einen bestimmten Zeitpunkt (querschnittlich) in Betracht
ziehen. Die meisten Kennwerte im Bereich Gesundheitsmoni-
toring sind querschnittlich organisiert. Um aber den Nachweis
einer Veränderung durch BGM im Gesundheitsverhalten zu er-
bringen, müsste man einen längsschnittlichen Ansatz wählen
oder mindestens über die richtige Wahl der Zeiträume bzw.
-abschnitte nachdenken (Diskretisierung) (ª Kap. 5.6, S. 314).

Kennzahlen sprechen nicht!


Kennzahlen sind Daten, die relevante Informationen in ver-
dichteter Art und Weise transportieren. Sie aggregieren kom-
plexe Sachverhalte in verfolgbaren Zahlen und eignen sich
für quantitative und qualitative Zusammenhänge. Damit stel-
len sie eine komprimierte Abbildung der Realität dar. Durch
die Reduktion der Komplexität eines Sachverhaltes auf weni-
ge aussagekräftige Größen fokussieren wir auf bestimmte
steuerbare Aussagen. Im Sinne des Höhlengleichnisses vom
griechischen Philosophen Platon (427-347 v. Chr.) verhalten
sich die Kennzahlen wie die Schatten als Abbildung des wah-
ren Seienden. Diese Abbildung ist niemals vollständig und
bedarf stets einer umsichtigen Interpretation. Kennzahlen
sprechen nicht für sich selbst. Dies gilt v. a. für nur indirekt
zugängliche qualitative Sachverhalte wie das Gesundheitsbe-
wusstsein/-verhalten. Mithilfe von quantifizierbaren Indika-
toren können wir latente Konstrukte messen und steuern.
; Box 5-7: Kennzahlen

Das Controllingportal bietet unter der Rubrik „Fachinfo“ einen


Eindruck zu verschiedenen Kennzahlenformen, die wir im betrieb-
lichen Kontext einsetzen, um Rentabilität und Ergebnisse nach-
weisen zu können. Bei genauerer Betrachtung wird aber auch ein
Grundproblem der Kennzahlenphilosophie ersichtlich: Der Anwen-
der kann nach Belieben Kennzahlen auswählen, die seine Interes- www.controlling-
sen unterstützen. Somit muss die Auswahl von Kennzahlen be- portal.de
dachtvoll und zielbezogen erfolgen, um Missbrauch zu reduzieren.
Schon dieser erste Schritt der Auswahl bestimmt den Erfolg des
Gesundheitscontrollings. Daher sollte man nicht leichtfertig ir-
gendwelche Kennzahlen zusammenklauben, sondern von Anfang
an über ein Qualitätsindex mögliche Kandidaten angemessen be-
werten und in Bezug auf ihre Aussagekraft einstufen.
5 A 252 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

EHIUDJXQJVEDVLHUW
.RPPXQLNDWLRQVIXQNWLRQ 0RGDOLWlW
QLFKWEHIUDJXQJVEDVLHUW

KDUWH ZHLFKH

V

$N XQNWL
'R
'DWHQ 'DWHQ
IXQ PXQJ

H
LF

NX

WLYL
%HVFKDIIHQKHLW

FW

I
Q

P
UD
NWLR

HUX Q
GLUHNWH LQGLUHNWH

HQ
HK

W3

WD
HV
0HVVXQJ 0HVVXQJ

QJ
KUQ

R
WLR
%

V
:D

.HQQ
$EVROXWH 9HUKlOWQLV
]DKOHQ =DKOHQ ]DKOHQ
/H
JL 0LWWHOZHUWH %H]LHKXQJV

Q
WLP =DKOHQDUW

WL R
6WUHXXQJHQ ]DKOHQ

XD
DW
LR

DO
Q

(Y
6XPPHQ ,QGH[]DKOHQ
0D Q
UN W LR 'LIIHUHQ]HQ %DVLVZHUW
H WL
QJ X QN
IX JI
QN OL Q
W LRQ U RO =HLWUDXP /lQJVVFKQLWW
QW
&R
=HLWEHWUDFKWXQJ
=HLWSXQNW 4XHUVFKQLWW

)XQNWLRQHQ $WWULEXWH

9 6LWXDWLRQHQEHZXVVWPDFKHQ Daten sprechen nicht!


9 'LVNXVVLRQHUP|JOLFKHQ 6LH EHGUIHQ VWHWV GHU ,QWHUSUHWDWLRQ
9 'LVNXVVLRQYHUVDFKOLFKHQ .HQQ]DKOHQ VLQG YHUGLFKWHWH TXDQWLIL]LHUWH
9 9HUEHVVHUXQJHQDQUHJHQ ,QGLNDNWRUHQ GLH IU HWZDV VWHKHQ 'LH
9 =LHOHUUHLFKXQJVJUDGEHUSUIHQ 4XDOLWlW KlQJW YRQ LKUHQ (LJHQVFKDIWHQ
9 (UIROJHVLFKWEDUPDFKHQ XQG LKUHP 9HUZHQGXQJV]ZHFN DE

} Abbildung 48: Attribute der Kennzahlen

Zehn Gebote zu Wie dürfen Kennzahlen nicht gestaltet sein? Wie verhindern wir
Kennzahlen einen Zahlenfriedhof? Es gibt grundlegende Gebote für Kennzah-
len, die bei der Einführung von Kennzahlensystemen auf jeden
Fall zu beachten sind (Treier, 2013b, S. 81 ff.).

Kennwerte sollten nicht unzugänglich, ziellos, träge, ver-


gleichslos, übervereinfacht, kontextlos, unvollständig, be-
5 nutzerunfreundlich, manipulationsgeneigt und veraltet sein!

1. Keine unzugänglichen Kennwerte: je direkter, desto


Ihr Bewertungs- besser. Muss man Umwege gehen, um Kennzahlen zu ge-
schema
nerieren, verlieren diese Werte meistens an Schärfe.
Problematisch sind v. a. Informationen aus dritter Hand.
2. Keine ziellosen Kennwerte: Ohne Strategie ist man ohne
Kompass. Kennwerte sind nicht selbsterklärend, sondern
benötigen als Interpretations- und Bewertungsfolie eine
klare Zielsetzung. Ohne die Auseinandersetzung mit den
Fragen Wozu? Was? Womit? ist jeder Kennzahlenvergleich
zum Scheitern verurteilt.
3. Keine trägen Kennwerte: Gesundheit ist kein träges Maß,
sondern bildet sich dynamisch ab. Viele Kennzahlen sind
niveauorientiert und statisch. Wir benötigen Kennzahlen,
Baustein 1: Kennzahlen 253 A 5.3
die schnell auf Veränderungen reagieren und diese auch
aufzeigen können (Sensitivität und Diagnostizität).
4. Keine vergleichslosen Kennwerte: Ohne Normen ist es
schwierig, die eigenen Kennwerte zu interpretieren. Wir
benötigen den Vergleich. Dieser kann aus internen oder
externen Vergleichsgrößen generiert werden (historischer,
sozialer, kriteriumsorientierter Vergleich). Im Gesund-
heitsbereich empfiehlt sich v. a. auch der externe Ver-
gleich, da hier valide Daten vorliegen (ª Kap. 1.1, S. 16).
5. Keine übervereinfachten Kennwerte: In der Praxis sind
Mittel- und Prozentwerte präferiert. Sie lassen sich ein-
fach interpretieren. Doch solche „harmlosen“ Kennwerte
verschleiern den wahren Charakter derselben und verlei-
ten zu Fehlentscheidungen. Vielfach geht man unbeküm-
mert von einem linearen kausalen Zusammenhang aus.
Einfachheit ist zwar anstrebenswert, aber nicht der
Grund, weshalb wir Kennwerte einführen.
6. Keine kontextlosen Kennwerte: Kennzahlen sollten stets
unter Beachtung des Sachverhaltsumfeldes (Prozesse,
Strukturen, beschreibbare Umfeldparameter) im Unter-
nehmen bewertet werden (Bewertungsfolie). Wer Gesund-
heitsparameter betrachtet, muss bspw. auch auf Umfang
und Art und Weise der Schichtarbeit schauen.
7. Keine unvollständigen Kennwerte: Im Bereich Gesund-
heit werden wir keine Vollständigkeit erzielen, aber das
Wissen um die Lücken ist entscheidend, um sich nicht zu
Fehlentscheidungen verleiten zu lassen.
8. Keine benutzerunfreundlichen Kennwerte: Kennzahlen,
die keiner versteht, sind unbrauchbar, denn man meidet
sie. Wenn man bspw. das Gesundheitsverhalten durch vie-
le, sich teilweise widersprechende Werte darstellt, wird
es unübersichtlich. Besser ist es, wenn man dieses Kon-
strukt mit einer Prozentskala von 0 bis 100 abbildet.
9. Keine manipulationsgeneigten Kennwerte: Jeder Con-
troller weiß, dass nahezu jede Kennzahl manipulierbar ist.
Daher ist es wichtig, dass man die Regeln, wie eine Kenn-
zahl entsteht, transparent macht. Zudem sind Kennzahlen
zugänglich zu machen, denn je weniger ein Geheimdossier
vorliegt, desto weniger sind die Manipulationsrisiken.
10. Keine veralteten Kennwerte: Wer Kennwerte erst dann
generiert, wenn der Prozess schon lange vorbei ist, wird
stets nur nachzüglerisch und reparaturorientiert agieren.
Wir benötigen zeitnah Kennwerte im Sinne des Risikoma-
nagements (ª Kap. 5.2, S. 234). Nur aktuelle Kennzahlen
können die Effektivität der BGM-Maßnahmen nachweisen.
5 A 254 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Zur Kennzahlen- Fassen wir die bisherigen Aussagen für unser Thema zusammen!
typologie Bei der Kennzahlentypologie unterscheiden wir befragungs- von
nichtbefragungsbasierten Kennzahlen. Kennzahlen wie Arbeitsun-
fähigkeitsdaten sind nicht befragungsbasiert. Dagegen gehört die
Arbeitszufriedenheit zu den befragungsbasierten Kennzahlen.
Zudem differenzieren wir v. a. zwischen harten und weichen
Kennzahlen. Kennzahlen wie Fehlzeiten oder die & Fluktuations-
quote gehören zu den harten, während biopsychosoziale Sachver-
halte eher zu den weichen Kennzahlen gehören (} Abbildung 49,
S. 255). Dabei impliziert weich oder hart keine Güte der Kennzahl,
sondern lediglich die Modalität der Erfassung. Auch wenn harte
Kennzahlen bei den Controllern beliebt sind, erkennen zunehmend
die Experten auch die Restriktionen hinsichtlich der Aussagekraft
und Steuerungsfähigkeit dieser harten Kennzahlen. Die Güte der
Kennzahlen hängt also nicht von der Modalität und Beschaffenheit
ab, sondern von der inhaltlichen Passung zu den anvisierten Ge-
staltungsmaßnahmen und Veränderungsprozessen. Zudem wird die
Güte auch durch die theoretische Fundierung begründet. Wir kon-
statieren im Gesundheitsbereich eindeutig eine Zunahme der be-
fragungsbasierten weichen Kennzahlen. Warum? Diese Kennzahlen
sind oft kausalitäts-, anspruchsgruppen- und interventionsorien-
tierter als harten Kennzahlen.
x Kausalitätsbezug: Ursache-Wirkungsketten werden in Modellen
abgebildet. Empirische Studien zeigen wahrscheinliche Zu-
sammenhänge und Kausaldominanzen auf. Zudem verfügen
diese Kennzahlen über ein differenzierteres Analysepotenzial.
x Anspruchsgruppenbezug: Die hohe Inhaltlichkeit erfasst besser
als abstrakte Kennzahlen die Interessenslage von Betroffenen.
x Interventionsbezug: Aufgrund ihrer Inhaltlichkeit und ihrer
modellbasierten Entwicklung ermöglichen diese Kennzahlen
5 eine Ableitung von Maßnahmen und Handlungsfeldern.
Ihre bedarfsorientierte und realistische Abbildung gewährt ihnen
auch eine höhere Legitimation. Der Wermutstropfen ist aber der
Aufwand hinsichtlich der Erhebung. Eine Gesundheitsbefragung
auf Basis einer & Arbeits- und Tätigkeitsanalyse (ª Kap. 5.6,
S. 314) ermöglicht eine vielschichtige Sichtweise auf Gestaltungs-
felder in Bezug auf die gesunde Arbeitswelt. Die Fehlzeiten sind
indes ein Spätindikator und beantworten nicht die Frage nach dem
Warum?

Kombiniert man die Ergebnisse der Tätigkeitsanalyse sowie


der Gesundheitsbefragung mit der Entwicklung von Fehlzei-
ten, lässt sich das Warum? hoher Fehlzeiten entschlüsseln.
Baustein 1: Kennzahlen 255 A 5.3

3V\FKRORJLVFKH(EHQH
9 6R]LDOH
%H]LHKXQJHQ
9 1HW]ZHUNH
9 6WUHVV 9 0REELQJ
9 9HUKDOWHQ 9 9HUWUDXHQ
9 =XIULHGHQKHLW 9 )KUXQJVTXDOLWlW
9 0RWLYDWLRQ 9 5ROOHQNRQIOLNWH
9 0GLJNHLW
9 (UVFK|SIXQJ
9 $QJVW 6R]LDOH(EHQH
[
9 'HSUHVVLRQ
9 .UDQNKHLWHQ
9 (UQlKUXQJ
9 '\VIXQNWLRQDOH
6W|UXQJHQ
9 9HUVFKOHL‰
9 .|USHUOLFKH
9HUlQGHUXQJHQ
9 6WRIIZHFKVHO
] 9 6\QGURPH

} Abbildung 49: Biopsychosoziale Sachverhalte

Warum ist das Treiber-/Indikatorenmodell im BGM eine


zentrale Ausgangsbasis?

Gerade die biopsychosozialen Sachverhalte im Bereich BGM unter- Ausgangsbasis:


streichen die Notwendigkeit, eine theoretisch und empirisch fun- Das Treiber- und
dierte Basis für die Kennzahlen, die meistens Indikatoren sind, zu Indikatoren-
bestimmen. Als Ausgangsbasis unserer weiteren Betrachtungen modell
fungiert das Treiber- und Indikatorenmodell (} Abbildung 50,
S. 256), das in diversen Variationen verwendet wird (Ulich & Wül-
ser, 2015; Treier, 2013b, S. 121). Manche Autoren beschreiben
dieses Modell nach der folgenden Kausalsequenz: Arbeits- und
Organisationsbedingungen Æ Gesundheitszustand Æ Arbeitsver-
halten (Craes & Mezger, 2001, S. 25). Theoretisch baut es u. a.
auf das & Modell der Arbeitscharakteristika auf, das sich mit dem
Motivationspotenzial der Arbeit befasst (} Abbildung 51, S. 257)
(Hackman & Lawler, 1971; Hackman & Oldham, 1976).

Die Grundfrage lautet:


Was schädigt und was fördert die Gesundheit?
(ª Kap. 3, S. 105 & Kap. 4, S. 147; Oesterreich & Volpert, 1999)
5 A 256 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

7UHLEHU (UJHEQLVVH

)5h+LQGLNDWRUHQ 63b7LQGLNDWRUHQ

$UEHLWVEHGLQJXQJHQ
Gesunde Arbeitsumwelt
3V\FKRVR]LDOHV
&RPPLWPHQW )HKO]HLWHQ
$XIJDEH :RKOEHILQGHQ
Handlungsspielraum
2EMHNWLYHU*HVXQG 6XEMHNWLYHU*HVXQG
)OXNWXDWLRQ
KHLWV]XVWDQG KHLWV]XVWDQG
)DFKNRPSHWHQ]
Gesundheitskompetenz
(LQVWHOOXQJHQ]XU
*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ $UEHLWVTXDOLWlW
*HVXQGKHLW
4XDOLWlWVR]LDOHU
%H]LHKXQJHQSozialkapital 6HOEVWYHUWUDXHQ :DKUQHKPXQJYRQ
3URGXNWLYLWlW
6HOEVWZHUWJHIKO $QJHERWHQ
)KUXQJVTXDOLWlW
Vorbildfunktion 6R]LDOH6W|UXQJHQ :RUN/LIH%DODQFH ,QQHUH.QGLJXQJ

8QWHUQHKPHQVNXOWXU
Werte/Überzeugungen 9HUWUDXHQLQ)KUXQJ $UEHLWV]XIULHGHQKHLW 3UlVHQWLVPXV

} Abbildung 50: Das Treiber- und Indikatorenmodell

Treibervariablen Um gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen, kristal-


als Stellhebel lisieren sich diese Treiber als wichtige Stellhebel heraus. Investie-
ren wir hier in Gesundheit, können wir auf Dauer auch auf der
Ergebnisseite einen Erfolg verbuchen. Damit nähern wir uns wie-
der dem Qualitätsmanagementmodell EFQM (} Abbildung 38,
S. 227), das zwischen Befähigern und Ergebnissen differenziert.
x Treiber: Aus gefährdungsanalytischer Sicht handelt es sich um
die Arbeits- und Organisationsbedingungen. Sie sind der Nähr-
boden für die Entwicklung einer gesunden Organisation.
x Indikatoren haben Ergebnischarakter. Die Frühindikatoren
können aber auch als Treiber für die Spätindikatoren fungie-
5 ren. Das Gesundheitsverhalten kann im ersten Schritt auf-
grund der & Gesundheitskompetenz positiv verändert werden.
Durch das positive Gesundheitsverhalten können im zweiten
Schritt Fehlzeiten reduziert werden. Das braucht aber Zeit!
Ö Spätindikatoren stellen hochverdichtete Informationen
multikausaler Prozesse dar. Sie sind deskriptiv, vereinzelt
und reaktiv. Ihre Ausprägung muss entschlüsselt werden.
Ö Frühindikatoren gehen stärker auf das Individuum ein,
v. a. die biopsychosoziale Sichtweise betreffend. Sie sind
damit steuerungsrelevanter und von mehr Erklärungskraft,
aber auch schwerer zugänglich als die Spätindikatoren.
x Die einzelnen Parameter werden durch eine Vielzahl von
& Moderatoren wie Alter, Geschlecht, Bildung, sozialer Sta-
tus etc. beeinflusst. Deshalb benötigen wir stets auch eine
gruppenspezifische Reflexionsweise der Kennwerte.
Baustein 1: Kennzahlen 257 A 5.3

3V\FKRORJLVFKH $XVZLUNXQJHQ
$XIJDEHQPHUNPDOH
(UOHEQLV]XVWlQGH GHU$UEHLW

9
$QIRUGHUXQJV +RKHLQWULQVLVFKH
9LHOIDOW9DULDELOLWlW 0RWLYDWLRQ
*
*DQ]KHLWOLFKNHLW (UOHEWH
GHU$XIJDEH %HGHXWVDPNHLW
% +RKH4XDOLWlWGHU
%HGHXWVDPNHLW
GHU$XIJDEH $UEHLWVOHLVWXQJ

$ (UOHEWH9HUDQWZRUWXQJ
IUGLH(UJHEQLVVHGHU
$XWRQRPLH
HLJHQHQ +RKH
$UEHLWVWlWLJNHLW $UEHLWV]XIULHGHQKHLW

)
5FNPHOGXQJ :LVVHQEHUGLH
)HHGEDFNDXV DNWXHOOHQ5HVXOWDWH 1LHGULJH$EZHVHQKHLW
$XIJDEHQHUIOOXQJ 4XDOLWlWGHU$UEHLW
XQG)OXNWXDWLRQ

V G B
0RWLYD WLRQVSRWHQ]LDO GHU$UEHLW MP u Au F

} Abbildung 51: Das Modell der Arbeitscharakteristika

Das & Modell der Arbeitscharakteristika ist aus empirischer Sicht Zur empirischen
gut bestätigt (Hackman & Oldham, 1976). Es liegt eine Vielzahl Evidenz
von Studien vor, die einen Zusammenhang zwischen Treibern bzw. Metaanalysen
Früh- und Spätindikatoren aufzeigen. Oft bedient man sich der
& Metaanalyse als Zusammenfassung verschiedener Primärstudien
zu einem Themenfeld mit dem erklärten Ziel, die Effektgrößen
abzuschätzen (Fricke & Treinies, 1985; Hunter & Schmidt, 1990).
Diese Zusammenfassung erfolgt auf statistischer Ebene. Demge-
genüber sind Reviews als inhaltliche Zusammenfassungen eines
Forschungsstandes zu betrachten (bspw. Review zum Präsentis-
mus: Steinke & Badura, 2011). Im Bereich BGM sind Metaanalysen
sehr wichtig, um der Unschärfe von Effekten, bedingt durch Multi-
kausalität und Nichtlinearität, begegnen zu können. An dieser
Stelle muss aber eine Metaanalyse stets auch kritisch reflektiert
werden, denn methodisch unzulässige Primärstudien oder unzu-
reichende Datenbasen lassen sich nicht durch eine Zusammenfas-
sung inhaltlich verbessern (Garbage-in und Garbage-out-Problem).
Dieser Gefahr einer Fehlinterpretation/-nutzung von Metadaten
lässt sich dadurch begegnen, dass man über die Wirkung von Trei-
bern einige Grundzusammenhänge kennt. Zudem können qualita-
tive und evidenzbasierte Wirkungszusammenhänge von Treibern
eine wertvolle Plausibilitätskontrolle darstellen.
5 A 258 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Wirkung von Die Wirkung von Treibern und Frühindikatoren auf Spätindikatoren
Treibern ist vielfach nachgewiesen. So wissen wir, dass bei Steigerung der
Einige Beispiele & Gesundheitskompetenz als Treiber positive Effekte in Bezug auf
diverse Beschwerden (Muskel-Skelett-, Herz-Kreislauf-, Magen-
Darm-Beschwerden) nachweisbar sind (Wieland & Hammes, 2008).
Auch die Forschung rund um Karasek (1979) belegte schon Ende
der 70er-Jahre, dass gesundheitsschädigender Stress vom Ent-
scheidungsspielraum in der Arbeit abhängig ist (ª Kap. 3.3,
S. 129). Die Studie von Ilmarinen und Tempel (2002) zeigt ferner,
dass Führungsverhalten im Sinne eines kooperativen Führungsstils
einen hoch signifikanten Faktor für die Verbesserung der Arbeits-
fähigkeit älterer Menschen darstellt. Pfadanalytische Befunde von
Badura (2007) bestätigen nicht nur den positiven Effekt der Ar-
beitsbedingungen und der Qualität der Arbeit auf Krankheit, son-
dern auch die Wechselwirkungen zwischen Gesundheit und sozia-
len Beziehungen, gesundheitsfördernder Führung und Reduktion
der Orgapathologien als krankhafte Organisationszustände. Stu-
dien rund um Banduras sozialkognitive Theorie dokumentieren die
Bedeutung der & Selbstwirksamkeit bzw. Selbstwirksamkeitser-
wartungen für Gesundheit (Bandura, 1997; Schwarzer, 2004).

Beispiel Arbeits- Der bekannteste Frühindikator ist die Arbeitszufriedenheit (Fi-


zufriedenheit scher & Fischer, 2007). Sie ist im Rahmen von Mitarbeiterbefra-
gungen und Feedbacksystemen auch relativ leicht erhebbar. Wir
wissen, dass zwischen Arbeitszufriedenheit und Fehlzeiten durch-
schnittliche mittlere Zusammenhänge von r=.30 bis r=.50 existie-
ren. Die } Abbildung 52 (ª S. 259) illustriert die vermittelnde
Wirkung von Arbeitszufriedenheit auf verschiedene Indikatoren.
Wir wissen auch, dass Arbeitszufriedenheit v. a. durch diverse
Stellvariablen der Arbeits- und Organisationsbedingungen beein-
5 flusst werden kann (Fischer, 2005; Treier, 2009a; Ulich, 2005). Die
& Metaanalyse von Kinicki et al. (2002) offenbart die Zusammen-
hänge zwischen den Antezedenzen (Aufgabenmerkmalen) und der
Zufriedenheit mit der Arbeit und den sich aus der Zufriedenheit
ergebenden positiven Konsequenzen (} Abbildung 53, S. 259). Die
Metaanalyse von Judge et al. (2001) dokumentiert, dass zwischen
Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung ein wesentlicher Zusam-
menhang besteht, der jedoch durch eine Vielzahl von & Modera-
toren beeinflusst wird (} Abbildung 54, S. 260).
Baustein 1: Kennzahlen 259 A 5.3

Gestaltungspuzzle

)KUXQJ
$XIJDEH

$UEHLWV]XIULHGHQKHLW
$QZHVHQKHLW
*HVXQGKHLW
2UJDQLVDWLRQ
$UEHLWV
EHGLQJXQJHQ
/HEHQVTXDOLWlW


$UEHLWVTXDOLWlW
9HUJWXQJ
3URGXNWLYLWlW
$XIVWLHJV ,QQRYDWLRQ
.ROOHJLDOHU P|JOLFKNHLW
8PJDQJ
%HWULHEVNOLPD
2UJDQLVDWLRQVNOLPD
*HVXQGHV ,PDJHGHV
8PIHOG $UEHLWJHEHUV

Gestaltungspuzzle

} Abbildung 52: Wirkung von Arbeitszufriedenheit

0HWDDQDO\VHYRQ.LQLFNLHWDO 
$XVJHZlKOWHNRUULJLHUWH.RUUHODWLRQHQ 0RWLYDWLRQ
Q $Q]DKOGHU6WXGLHQ

ELV =XIULHGHQKHLW 


$XIJDEHQPHUNPDOH 5FN]XJVNRJQLWLRQHQ
Q  PLWGHU$XIJDEH Q 

=XVDPPHQKlQJH]ZLVFKHQ$QWH]HGHQ]LHQ
5FN]XJVYHUKDOWHQ
$XIJDEHQPHUNPDOH =XIULHGHQKHLWPLWGHU$XIJDEH
DOVYHUPLWWHOQGH9DULDEOHXQGGHQ.RQVHTXHQ]HQ
$EVHQWLVPXV

)OXNWXDWLRQ

.UDQNKHLWVWDJH

} Abbildung 53: Metaanalyse zur Wirkung von Aufgabenmerkmalen

Bestehen bei Ihnen Zweifel, ob die Arbeitszufriedenheit einen


spürbaren Einfluss auf die Gesundheit hinterlässt?
Die letzten Zweifel räumt die & Metaanalyse von Faragher et al.
(2005, S. 108) aus. In einer Vielzahl von Studien lässt sich ein re-
levanter Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und diver-
sen Faktoren des Gesundheitszustands nachweisen ( Tabelle
5-3, S. 260). Aber Vorsicht! Nicht jede Form der Arbeitszufrieden-
heit ist anzustreben. So kann die konstruktive Arbeitsunzufrieden-
heit mit dem Bestreben, etwas zu ändern, für den Gesundheitszu-
stand besser sein als eine resignative Arbeitszufriedenheit, wo
man sich schon aufgegeben hat (Bruggemann et al., 1975).
5 A 260 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

0HWDDQDO\VH YRQ-XGJHHW DO  )UEHLGH:LUNULFKWXQJHQH[LVWLHUHQ%HOHJH


6WXGLHQ
XQDEKlQJLJH6WLFKSUREHQ
1  0RGHUDWRUHQ
‡ /HLVWXQJV%HORKQ
XQJV.RQWLQJHQ]
‡ $XIJDEHQPHUNPDOH
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‡ (UIROJXQG/HLVWXQJ ‡ 6WHOOHQZHUWYRQ
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6HOEVWZLUNVDPNHLW
‡ =LHOIRUWVFKULWW
‡ 3RVLWLYH6WLPPXQJ
$UEHLWV]X $UEHLWV
$5%(,76
*HVDPWNRUUHODWLRQU  /(,6781*
IULHGHQKHLW OHLVWXQJ
0HGLDWRUHQ

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0RGHUDWRUHQ ‡ /HLVWXQJVPLQGHUXQJ
DOVÄ5FN]XJ³
‡ 6HOEVWNRQ]HSW ‡ 3RVLWLYH6WLPPXQJ
‡ $XWRQRPLH
‡ 1RUPHQ
‡ 0RUDOLVFKH (LQHDNWXHOOH6WXGLHYRQ:ULJKWHWDO  ]HLJW
9HUSIOLFKWXQJHQ VLJQLILNDQWH=XVDPPHQKlQJH]ZLVFKHQGHU
‡ .RJQLWLYH $UEHLWV]XIULHGHQKHLWXQGGHU(LQVFKlW]XQJGHU
=XJlQJOLFKNHLW« $UEHLWVOHLVWXQJGXUFK)KUXQJVNUlIWHDXI U  

} Abbildung 54: Metaanalyse „Arbeitszufriedenheit und -leistung“

 Tabelle 5-3: Zusammenhang zw. Zufriedenheit und Gesundheit

Combined Correlation
Gesamt-
Gesundheits- Anzahl (95% Konfidenzintervall)
stich-
zustand* Studien Fixed-Effects Random-Ef-
probe
Modell fects Modell

„Andere“ Krankheit 3 2124 0,360 0,286


Allgemeine psychi-
141 95814 0,393 0,376
sche Verfassung
Angst 60 36443 0,383 0,420
5
Psychophysische
24 5693 0,355 0,341
Belastungen
Burnout 62 19944 0,463 0,478

Depression 46 38941 0,412 0,428


Herz-Kreislauf-
13 5303 0,163 0,121
Erkrankung
Muskelskelettöse
4 2442 0,079 0,079
Erkrankung
Selbstwertgefühl 13 2529 0,439 0,429
Subjektiv gefühlte
119 58762 0,272 0,287
physische Erkrankung

Gesamteffekt 6 485 267995 0,312 0,370


* Schmidt-Hunter adjusted
Baustein 1: Kennzahlen 261 A 5.3
„This large scale meta-analysis of almost 500 studies has pro-
vided, for the first time, a clear indication of the immensely
strong relationship between job satisfaction and both mental
and physical health.“ (Faragher et al., 2005, S. 111) „The
expected relationship was that an increase in job satisfaction
would be associated with improved health. … The overall
combined studies relationship found between job satisfaction
and (good) health was indeed positive (r=0.312, adjusted r =
0.370).” (Faragher et al., 2005, S. 107)

Kombination von Indikatoren


Der indikatorenbasierte Ansatz eines Kennzahlensystems ist
für eine wirksame Steuerung im BGM notwendig. & Metaana-
lysen dokumentieren die Bedeutung der Treibervariablen und
Frühindikatoren für das gesunde Unternehmen. Zwischen
Treibern und Indikatoren bestehen Zusammenhänge. Ent-
scheidend ist dabei die gemeinsame Betrachtung der Indika-
toren als Herausforderung. Man sollte harte, nicht befra-
gungsbasierte mit weichen, befragungsbasierten Kennzahlen
kombinieren. Zudem sind klassische Kennzahlen wie die Fehl-
zeiten in Bezug auf ihre Aussagekraft kritisch zu reflektieren
und ggf. zu modifizieren. Erst eine solche Datenerhebung
kann Auswirkungen von BGM-Maßnahmen in Bezug auf die in-
dividuelle Arbeitsleistung, Gesundheit von Mitarbeitern und
den Unternehmenserfolg aufzeigen. Eine kombinierte Be-
trachtung von ausgewählten Früh- und Spätindikatoren unter
Beachtung von Niveau- und Dynamikparametern empfiehlt
sich als multiplen Steuerungsvektor für BGM.
; Box 5-8: Der indikatorenbasierte Ansatz

Wie lässt sich die Aussagekraft der Fehlzeitenquote als


Kennzahl erhöhen?

Wir möchten Sie an dieser Stelle nicht in einer theoretischen


Betrachtung hängen lassen!
Am Beispiel der Fehlzeiten (FZ) verdeutlichen wir, was der Spät-
indikator Fehlzeiten als Kennwert für Vor- und Nachteile hat und
welche Potenziale der Kennwert besitzt. Wir zeigen konkret auf,
wie Sie diesen beliebten, aber oft auch gehassten Parameter mo- Fehlzeiten
difizieren können, um seine Aussagekraft zu erhöhen
(} Abbildung 55). Mit diesem Wissen können Sie sich auch gegen
einen Missbrauch der Fehlzeitenlogik als unantastbare Bewer-
tungsgröße im Gesundheitscontrolling rüsten.
5 A 262 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

.UDQNKHLWVEHGLQJWH)= )HKO]HLWHQPDQDJHPHQW

4 X D O L W l W  X Q G $ X V V D J H
%HHLQIOXVVEDUNHLW
9H U J O H L F K E D U N H L W
0RWLYDWLRQVEHGLQJWH)=
6HQVLELOLWlW
7LHIHQVFKlUIH

.XOWXUEHGLQJWH)=

:DVVDJWGLH)HKO]HLWHQTXRWH DXV"

} Abbildung 55: Fehlzeitenmanagement

Ausgangslage Die Ausgangslage rund um die Kennzahl Fehlzeiten ist diffizil,


denn sie ist wankelmütig in ihrer Manifestation und teilweise auch
widersprüchlich in ihrer Aussagekraft. Einige Statements aus der
Süddeutschen Zeitung belegen diese schwierige Ausgangsbasis …
x Aus Angst gesund … Durchschnittlich fehlten die Deutschen
nur dreieinhalb Tage im ersten Halbjahr 2009 (13.07.09) Æ
klingt gut, jedoch ist Gefahr der Verschleppung von Krankhei-
ten und der mögliche Widerspruch zum Präventionsgedanken
zu bedenken.
x Krank, aber im Büro … Seit 1980 ist der Krankenstand in
deutschen Firmen von 5,5 auf 3,3 Prozent gesunken (21.04.09)
Æ Gefahr der Verschiebung! & Präsentismus als neues Phä-
5 nomen und kaum kalkulierbare Größe Ù Beschäftigte gehen
krank zur Arbeit. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung
(Böcken et al., 2007) sind im Jahr 2006 71 Prozent der deut-
schen Arbeitnehmer mindestens einmal krank zur Arbeit ge-
gangen. Der Gesundheitsmonitor 2009 (Böcken et al., 2009)
zeigt, dass v. a. Alleinstehende besonders vom Präsentismus
betroffen sind (78 Prozent). 42 Prozent der Beschäftigten ge-
ben im Gesundheitsmonitor 2009 an, in den vergangenen 12
Monaten mindestens zweimal oder öfter krank zur Arbeit ge-
gangen zu sein. Gründe dafür sind laut Bertelsmann-
Gesundheitsmonitor u. a. Pflichtgefühl, Rücksicht auf Kolle-
gen, Angst vor beruflichen Nachteilen. Die Zeitschrift Stern
betont den Kostenfaktor Präsentismus nach einer Studie (siehe
unten) (Stern, 07.06.2011). Im deutschen Stressreport 2012
(Lohmann-Haislah et al., 2012) wird es ebenfalls repräsentativ
bestätigt: Jeder Zweite geht krank zur Arbeit.
Baustein 1: Kennzahlen 263 A 5.3
„Präsentismus verursacht zwei Drittel der Kosten, die Unter-
nehmen durch Krankheit entstehen.“ (Studie der Felix Burda
Stiftung und der Beratungsfirma Booz & Company „Vorteil
Gesundheit“; Burda & Booz, 2011, S.7)

x Chronische Zukunft … Die Fehlzeitenstatistik muss sich auf


eine Chronifizierung einstellen. Depressive Störungen bedin-
gen bspw. im Schnitt 50 Tage Fehlzeiten, bei Zweitmeldung
sogar 75 Tage. Damit wird die Personalplanung erheblich er-
schwert. Und das Hauptproblem besteht darin, dass gerade
psychische Störungen Präsentismus nach sich ziehen.

Präsentismus bedeutet für uns verdeckte Fehlzeiten, denn Fehl-


zeiten stellen im Kern das Verhältnis von Ergebnis zu Zeiteinheit
dar [Leistung = Ergebnis/Zeiteinheit]. Kranke Menschen am Ar-
beitsplatz werden gewiss nicht das Ergebnis erzielen können wie
gesunde Menschen. Zudem verschleppen sie ihre Krankheit, was
aus arbeitszeitlicher Sicht zu einer Verschlechterung führen wird.

Buchempfehlung: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Ar-


beitsmedizin hat ein Review zum Stand der Forschung in Bezug auf
Präsentismus herausgegeben (Steinke & Badura, 2011). Dort wird
u. a. aufgeführt, wie man Präsentismus messen kann und welche
Kosten durch Präsentismus verursacht werden. In diesem Kontext
fordern die Autoren eine Kultur der Achtsamkeit für Gesundheit,
denn „die wissenschaftliche Evidenz dafür, dass nicht nur Fehlzei-
ten das Betriebsergebnis beeinträchtigen können, sondern auch
psychische oder physische Schäden der verfügbaren Mitarbeiter,
ist mittlerweile beträchtlich.“ (ebd., S. 113) Die Präsentismuskos-
ten übersteigen um ein Vielfaches die Kosten durch Absentismus.

In der Industrie und im Dienstleistungssektor summieren sich


die Fehlzeiten derzeit etwa auf 6 bis 7 Prozent, wenn man
die Arbeitgebersicht sieht. Aus Versicherungssicht beträgt
der Durchschnitt etwa 4 Prozent in 2013 (Versicherungstage).
Wir stellen aber eine ausgeprägte branchenabhängige Varianz
fest. Zudem gibt es regionale Unterschiede. So sind in süd-
deutschen Ländern im Schnitt 12, in den westdeutschen im
Schnitt 15 und in den ostdeutschen Ländern 17 erkrankungs-
bedingte Fehltage und mehr festzustellen (TK, 2014, S. 85).
5 A 264 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Was sagt überhaupt die Fehlzeitenquote aus? Psychische Erkran-


kungen sind schwer kalkulierbar und teilweise auch nicht richtig
diagnostizierbar. Chronifizierung stellt die Fehlzeitenquote in
Frage. Ferner konstatieren wir eine Zunahme „innerer Fehlzeiten“
und & Präsentismus, also ein verlagertes Problem. Hinzu kommt
die schwierige Aufgabe, den Korrekturfaktor Konjunkturlage an-
gemessen bei der Interpretation der Fehlzeiten zu berücksichti-
gen. Warum? Nach Schnabel (1997, 1998) erklären allein die Ver-
änderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts bereits 63 Pro-
zent der jährlichen Schwankungen im Krankenstand von 1970 bis
1995. Rechnet man die Arbeitslosenquote mit ein, erklärt das
Bruttoinlandsprodukt immer noch 41 Prozent der Krankenstands-
entwicklung (} Abbildung 56). Studien weisen zwar auf einen
Entkopplungsprozess hin, aber die Zusammenhänge bleiben empi-
risch evident und sollten Berücksichtigung finden.

$UEHLWVPDUNW
$UEHLWVORVHQTXRWH

.UDQNHQVWlQGH .UDQNHQVWlQGH

.RQMXQNWXU
%UXWWRLQODQGVSURGXNW

} Abbildung 56: Krankenstand und Konjunkturlage

5 Ursachen für Erschwert wird diese missliche Ausgangslage noch durch die unge-
Fehlzeiten klärte Ätiologie der Fehlzeiten. Wir wissen, dass Fehlzeiten viele
Ursachen haben können. Grob kann man zwischen motivational-
und krankheitsbedingten Fehlzeiten differenzieren. Ziegler et al.
(1996) haben eine Übersicht zu den möglichen Ursachen des
& Absentismus zusammengestellt (} Abbildung 57, S. 265). In der
Praxis werden wir vermutlich mit einer unheilvollen Mischung
konfrontiert werden, was uns nur in sehr begrenztem Maß erlaubt,
gute von schlechten Fehlzeiten zu erkennen (Identifikationsprob-
lem). Die meisten Verantwortlichen postulieren, dass die Hauptur-
sache in der Arbeitssituation zu sehen ist (Bitzer, 2002). Branden-
burg und Nieder (2009, S. 25) sehen vier Grundmodelle zur Erklä-
rung des Krankenstandes:
x Belastungsmodell: Es geht von einem Zusammenhang zwi-
schen Arbeitsbedingungen, Erkrankungen und Arbeitsunfähig-
keit aus. Es handelt sich um das medizinische Modell.
Baustein 1: Kennzahlen 265 A 5.3
x Copingmodell: Fehlzeiten treten auf, um gezielt den Gesund-
heitszustand zu verbessern. Man könnte dies als Ausgleich für
die Mehrbelastung interpretieren, indem der Beschäftigte be-
wusst Erholungspausen nimmt.
x Missbrauchstheorie: Falls keine ausreichenden Kontrollmög-
lichkeiten gegeben sind, kann die Arbeitsunfähigkeit als Er-
weiterung der zeitlichen Spielräume missbraucht werden. Dies
ist v. a. bei Mehrfachtätigkeiten zu erwarten (Fragmentierung
der Arbeit). Dies entspricht dem Verhaltensmodell.
x Selektionstheorie: Der demografische Wandel ermahnt uns,
dass möglicherweise der Anteil von Mitarbeitern mit „Leis-
tungseinschränkungen“ zunehmen wird.

Eigentlich müsste die Fehlzeiten- oder Krankenstandquote eindeu- Definition von


tig und selbsterklärend sein: Die Anzahl der Krankentage sollte Fehlzeiten
der maßgebliche Faktor sein. Aber genau an dieser Stelle schlei-
chen sich viele offene Punkte ein, wie die } Abbildung 58
(ª S. 266) illustriert:
x Welche Zeiten gelten als Fehlzeiten?
x Welche Fehlzeiten werden als „Krankheit“ bezeichnet?
x Wer wird überhaupt berücksichtigt?
x Welcher Zeitraum gilt bei den Soll-Arbeitstagen?

motivational bedingt )HKO]HLWHQ krankheitsbedingt

$EVHQWLVPXV

5FN]XJVPRGHOO 0HGL]LQLVFKHV0RGHOO 9HUKDOWHQVPRGHOO


D %HZlOWLJXQJVVWUDWHJLHEHL
0RWLYVLFK]HLWZHLOLJYRQ UHDOHURGHUHUOHEWHU $EZHLFKHQGHV9HUKDOWHQPLW
XQ]XIULHGHQVWHOOHQGHQRGHU %HHLQWUlFKWLJXQJ GHP=LHOEHZXVVWRGHU
EHODVWHQGHQ6HLWHQGHU$UEHLW E .UDQNKHLWDOVNXOWXUHOO XQEHZXVVW5HJHOQ]X
]XUFN]X]LHKHQ DN]HSWLHUWH(QWVFKXOGLJXQJ XQWHUODXIHQ

gNRQRPLVFKHV .XOWXUHOOHU$QVDW] .RQIOLNWDQVDW]


1XW]HQ0RGHOO 6SH]LILVFKH$EVHQWLVPXV
(LJHQLQWHUHVVHQ NXOWXUHQYRUDOOHPEHL $UWLQIRUPHOOH$OWHUQDWLYH]X
]ZHFNUDWLRQDOH.DONXODWLRQ DQRQ\PLVLHUWHQXQG 6WUHLNRGHUVWUHLNlKQOLFKHQ
XP5HVVRXUFHQ]XJHZLQQHQ EURNUDWLVFKHQ6WUXNWXUHQ $NWLYLWlWHQ *HJHQPDFKW
2SSRUWXQLVPXV ZDKUVFKHLQOLFK

*XWHRGHUVFKOHFKWH)HKO]HLWHQ

,GHQWLILNDWLRQVSUREOHP
} Abbildung 57: Ursachen des Absentismus
5 A 266 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

:HOFKH=HLWHQVROOHQDOV :HOFKH)HKO]HLWHQ
)HKO]HLWHQ]XJUXQGH ZHUGHQDOV.UDQNKHLW
JHOHJWZHUGHQ" EHWUDFKWHW" DXFK.XU
WDJHZHLVHRGHU 0XWWHUVFKXW]$U]WEHVXFKH
VWXQGHQZHLVH 5HKD0D‰QDKPHQ«

$ Q]DKO. UDQNHQWDJHî
. UDQNHQVWDQGTXRWH 
6 XP P H6 ROO$ UEHLWVWDJH

:HUZLUGEHUFNVLFKWLJW"
:HOFKHU=HLWUDXPVROOEHL
6WDPPEHOHJVFKDIWIUHLH
GHQ6ROO$UEHLWVWDJHQ
0LWDUEHLWHU
]XJUXQGHJHOHJWZHUGHQ"
=HLWDUEHLWVNUlIWH

} Abbildung 58: Die Krankenstandquote

Auch gibt es oft Verwirrung, was unter den Begriffen Kranken-


stand, Krankenstandquote, Krankenquote etc. zu verstehen ist.
Einige typische Kennzahlen illustrieren die Bandbreite der mit
Fehlzeiten assoziierten Kennzahlen ( Tabelle 5-4).

 Tabelle 5-4: Kennzahlen rund um Fehlzeiten

Kennzahl Kurzbeschreibung
Weitreichende Differenzierungsmöglichkeiten
nach ICD-Klassifikation (International Statistical
Classification of Diseases and Related Health
Problems)
Arbeitsunfähigkeits-
5 analyse der Kran-
kenkasse
Hinweis: Die Arbeitsunfähigkeitskennzahl einer
Krankenkasse hat für den Betrieb nur dann eine
spezifische Aussagekraft, wenn mindestens 30%,
besser 50% der Belegschaft bei dieser Kranken-
kasse auch versichert sind.
Anteil Erwerbspersonen, die mindestens 1 Tag
Arbeitsunfähigkeits- arbeitsunfähig sind
quote Hinweis: Stundenweise Betrachtung liegt nicht
vor, was zu Fehlinterpretationen führen kann.
Durchschnittliche Zahl der gemeldeten AU-Fälle
AU-Fälle je Ver-
Hinweis: Zeitraum = Versicherungsjahr
sicherungsjahr
(365 Tage)
Durchschnittliche Dauer einer einzelnen Krank-
schreibung
AU-Tage je Fall
Hinweis: AU-Tage durch Anzahl der gemeldeten
AU-Fälle dividiert.
Baustein 1: Kennzahlen 267 A 5.3

Kennzahl Kurzbeschreibung
Krankenstand u 365 Tage
AU-Tage je
Hinweis: Arbeitsfreie Zeiten gehen in die Be-
Versicherungsjahr
rechnung mit ein!
Fehlzeiten nach GKV in % (Divisor: Arbeitstage u
Fehlzeiten mit AU- Mitarbeiterzahl)
Bescheinigung Hinweis: Benchmarking im Branchenvergleich
sehr gut möglich!
Fehlzeiten bis zu drei Tagen in % (Divisor: Ar-
Fehlzeiten ohne AU- beitstage u Mitarbeiterzahl)
Bescheinigung Hinweis: Lohnsteuerrechtlich sinnvoll Æ 230
Arbeitstage (manche setzen auch 220 Tage ein)
Anwesendes Personal im Vergleich zum Perso-
nalbestand oder prozentualer Anteil der Sollar-
Gesundheitsquote
beitszeit, wo die Beschäftigten tatsächlich
während des Jahres anwesend sind
Anzahl kranker Mitarbeiter pro Zeiteinheit im
Krankenquote
Verhältnis zu Anzahl der Mitarbeiter in Prozent
Prozentuale Anwesenheitsquote, bei der weite-
re Verbesserungen der Anwesenheit des Perso-
Optimale Gesund-
nalbestandes höhere Kosten verursachen wür-
heitsquote
den, als der noch erzielbare betriebswirtschaft-
liche Nutzen abdeckt.
Anzahl unfallbedingter Fehltage pro Jahr und
Unfallquote Fehltage
Beschäftigter in Prozent der Anzahl Solltage
Berufskrankheiten (prozentual oder absolut)
Weitere Zahlen
Frühberentungen (prozentual oder absolut)

Die wichtigsten Formeln … (Treier, 2013b, S. 124 ff.)


Fehlzeitenquote
œƒŠŽ ‡ŠŽœ‡‹–‡–ƒ‰‡
ൈ ͳͲͲሾΨሿ
‘ŽŽƒ”„‡‹–•œ‡‹–
Gesundheitsquote
‡‰‡Žƒ”„‡‹–•–ƒ‰‡ െ —•ˆƒŽŽ–ƒ‰‡
ൈ ͳͲͲሾΨሿ
‡‰‡Žƒ”„‡‹–•–ƒ‰‡
Krankheitsquote
I”ƒŠ‡‹–•–ƒ‰‡‹ ƒŠ”
ൈ ͳͲͲሾΨሿ
‘ŽŽƒ”„‡‹–•œ‡‹–‹ƒ‰‡‘†‡”͵͸ͷƒ‰‡

Ungeachtet dieser Unklarheiten wissen wir aber, dass Fehlzeiten Stör- und
ein signifikanter Stör- und Kostenfaktor im betrieblichen Gesche- Kostenfaktor
hen darstellen (Brandenburg & Nieder, 2009). Die } Abbildung 59
illustriert einige Kosten- und Störfaktoren, die im Zusammenhang
mit Fehlzeiten stehen. Dabei ist zu beachten, dass gerade die
indirekten Kosten und die Störfaktoren erhebliche „Transaktions-
kosten“ und weitere versteckte Kosten nach sich ziehen.
5 A 268 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

)HKO]HLWHQ

.RVWHQ
6W|UIDNWRU
IDNWRU

'LUHNWH ,QGLUHNWH $UEHLW


9RUJHVHW]WH .ROOHJHQ
.RVWHQ .RVWHQ QHKPHQGH

+RKH$EVHQWLV 6FKOHFKWHV 8PVWHOOXQJV =ZDQJ]XU :LHGHUHLQJOLH


PXVUDWHQ )LUPHQLPDJH DXIZDQG 0HKUDUEHLW GHUXQJVSUREOHP

6LQNHQGH 5LVLNR$EVHQ 2UJDQLVDWRU =XVlW]OLFKH .RQIOLNWHHYWO


3URGXNWLYLWlW WLVPXVNXOWXU LVFKH3UREOHPH %HODVWXQJHQ PLW.ROOHJHQ

+RKH 6FKOHFKWH 'UXFN]XU)HKO 5ROOHQ


7HDPSUREOHPH
)OXNWXDWLRQ $UEHLWVPRUDO ]HLWHQUHGXNWLRQ YHUVFKLHEXQJHQ

+RKHLQGLUHNWH 1LHGULJH
3HUVRQDONRVWHQ =XIULHGHQKHLW

8QIDOOYHUVLFKH 4XDOLWlWV
UXQJVSUlPLHQ YHUOXVWH

} Abbildung 59: Fehlzeiten als Stör- und Kostenfaktor

Schwierige Ausgangsbasis
Die Fehlzeiteninterpretation fällt aufgrund der diffusen Ursa-
chenklärung, der uneinheitlichen Abbildung der Fehlzeiten-
quote und der Entwicklungstendenzen zu & Präsentismus
und Chronifizierung schwer. In Anbetracht der erheblichen
(in)direkten Kosten und Störungen von Fehlzeiten ist aber
5 diese Problemlandschaft nicht als Legitimation für eine Be-
endigung, sondern im Gegenteil als Herausforderung für eine
Aktualisierung von Fehlzeitenanalysen zu verstehen. Viele
Faktoren wirken auf die Fehlzeitenquote. In diesem Kontext
diskutiert man u. a. den Einfluss der Konjunkturlage oder die
unterschiedlichen Ursachen der Fehlzeiten (motivational-
und krankheitsbedingte Fehlzeiten) auf die Fehlzeitenquote.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Phänomen Präsentismus
und die Zunahme „innerer Fehlzeiten“ das Problem verlagern
und zur trügerischen Einschätzung der Fehlzeitenquote ver-
leiten. Neben den inhaltlichen Problemfeldern schleichen
sich weitere oft formale Definitionsprobleme ein. Welche
Zeiten gelten als Fehlzeiten? Welcher Zeitraum gilt bei den
Soll-Arbeitstagen? Wie werden Konstrukte wie das Hamburger
Modell verrechnet? Vergleiche mit externen Daten sind auf-
grund dieser Definitionsprobleme erschwert. Doch das
Hauptproblem ist die Datenlandschaft selbst. In Datenbank-
Baustein 1: Kennzahlen 269 A 5.3
systemen werden die Daten der Fehlzeiten (Rohdaten) nicht
immer von Erfassungs- und Zuordnungsfehlern bereinigt. Wir
haben diesen Umstand in mehreren Organisationen feststel-
len können, sodass wir nicht davon ausgehen, dass es sich um
Ausnahmen handelt.
; Box 5-9: Ausgangslage rund um Fehlzeiten

In der Praxis hat es sich bewährt, ein Tool vor der eigentlichen
Berechnung der Fehlzeitenanalyse zur Bereinigung und Prüfung
der Rohdaten auf Plausibilitätsbasis vorzuschalten. Dieses Excel-
Tool erfasst negative Zahlen, Widersprüche zwischen Monats-,
Quartals- und Jahreszahlen, Fehler in den Datenformaten (kommt
oft bei Cut-Copy-Aktionen vor) oder auffällige Extremwerte, die
außerhalb der Vertrauensintervalle liegen, und weitere Faktoren
in Bezug auf das Regelsystem Fehlzeiten (siehe unten). Daraus
errechnet sich ein Qualitätsindex von 0 bis 100. Mit diesem Tool
lassen sich dann auch die im weiteren Verlauf vorgestellten Metri-
ken unter Beachtung demografischer Daten und anderer Struktur-
variablen wie Organisationseinheiten berechnen.
Weitere Informationen erhalten Sie vom Autor Michael Treier.

Der Fehlzeitenreport, der vom WIdO (Wissenschaftliches Institut Informationen


der AOK) und der Universität Bielefeld herausgegeben wird, liefert
jedes Jahr umfassende Daten und Analysen zu krankheitsbeding-
ten Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft. Die Entwicklung in
den einzelnen Wirtschaftszweigen wird detailliert beleuchtet.
Aktuelle Befunde und Bewertungen zu den Gründen und Verhal-
tensmustern von Fehlzeiten in Betrieben werden vorgestellt. Inte-
ressant ist hier auch die Jahresreihe „Fehlzeiten-Report“ im http://wido.de/
Springer-Verlag. Die Ausgabe 2009 befasst sich mit dem Thema fzreport.html

„Psychische Belastungen reduzieren  Wohlbefinden fördern“. Der


Faktor „psychische Erkrankung“ als Ursache für eine Arbeitsunfä-
higkeit nimmt stetig zu und geht mit langen Fehlzeiten einher. Die
Bedeutung von Stress in der Arbeitswelt wird im aktuellen „Stress-
report Deutschland 2012“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin (BAuA) bestätigt (Lohmann-Haislah, 2012).
5 A 270 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Gesetzmäßig- Aus Fehlzeitenanalysen wissen wir, dass es einige relativ stabile


keiten als Hilfe- Gesetzmäßigkeiten zum Phänomen Fehlzeiten gibt, die es zu be-
stellung zur achten gilt (Brandenburg & Nieder, 2009, S. 25 f.):
angemessenen
Interpretation x Regel 1: Der Krankenstand sinkt mit steigender Qualifikation
der Mitarbeiter.
x Regel 2: Derzeit dominieren im Krankheitspanorama noch die
muskuloskelettalen und pulmonalen Erkrankungen, sie werden
aber zunehmend von den psychischen Störungen in ihrer Spit-
zenreiterrolle verdrängt. Außerdem nehmen altersbedingte
Krankheitsbilder wie Zuckerkrankheit oder Verschleißerkran-
kungen bis zum & metabolischen Syndrom zu.
x Regel 3: Die Altersvariable beeinflusst v. a. die durchschnitt-
liche Länge der Fehlzeiten (Chronifizierung). Die Datenlage
zur absoluten Menge an Fehltagen ist uneindeutig. Manche
Studien berichten über eine lineare Zunahme, andere halten
diesen Effekt für relativ unbedeutend. Grob könnte man sa-
gen, dass in Bezug auf die durchschnittliche Dauer jüngere
Mitarbeiter häufiger als ältere, dafür ältere länger als jüngere
Mitarbeiter fehlen. Lange, nicht kalkulierbare Fehlzeitenpha-
sen sind aus Sicht der Personalbedarfsplanung schwierig.
x Regel 4: Die Fehlzeiten werden von einem relativ kleinen Teil
der Mitarbeiter verursacht. Bei etwa 20 bis 30 Prozent der
Mitarbeiter treten ca. 80 Prozent der Arbeitsunfähigkeit auf.
x Regel 5: Eigenverantwortung und Erhöhung des Handlungs-
spielraums reduzieren Fehlzeiten. Hier liegt auch eine Korre-
lation mit der Qualifikation vor.
x Regel 6: Geschlecht und Alter müssen als interagierende
Strukturvariablen betrachtet werden. Männer sind länger
krank, Frauen dafür häufiger, wobei hier die Lebensphasen
5 von großer Bedeutung sind.
x Regel 7: In wirtschaftlichen Krisenzeiten reduzieren sich bzw.
verschleppen sich oft die Fehlzeiten (Verschiebungsproblem).
x Regel 8: Kurzzeiterkrankungen (ein bis drei Tage) machen
derzeit etwa 35 Prozent (± 2 Prozent) der Arbeitsunfähigkeits-
fälle aus. Sie verursachen im Schnitt zwischen 6 bis 10 Prozent
der Krankentage.
x Regel 9: Langzeiterkrankte (über 42 Tage) machen derzeit
etwa 5 bis 6 Prozent der Arbeitsunfähigkeitsfälle aus. Durch
den demografischen Wandel wird sich dieser Wert aber erhö-
hen. Sie verursachen aber zwischen 30 und 40 Prozent der Ar-
beitsunfähigkeitstage.
x Regel 10: Mit steigender Organisationsgröße nehmen die Fehl-
zeiten zu (Anonymitätseffekt).
Baustein 1: Kennzahlen 271 A 5.3
x Regel 11: Statistisch gibt es den blauen Montag nicht. Die
Fehlzeiten verteilen sich über alle Wochentage.
x Regel 12: Teilzeitkräfte fehlen vergleichsweise weniger als
Vollzeitkräfte.
x Regel 13: Zwischen Arbeitszufriedenheit und Fehlzeiten be-
steht eine negative Korrelation.

Fassen wir zusammen! Die  Tabelle 5-5 stellt wichtige Vor- und Vor- und
Nachteile des Fehlzeitenmaßes gegenüber. Bei der Bewertung Nachteile
müssen folgende Kriterien beachtet werden:
x Umsetzbarkeit: Fehlzeiten werden normalerweise systema-
tisch erfasst und sind damit relativ leicht erhebbar.
x Benchmarking: Wenn man die Fehlerquellen beachtet, lässt
sich ein Benchmarking durchführen.
x Personaldarstellung: Die klassische Absolutbetrachtung igno-
riert spezifische Besonderheiten der Beschäftigten.
x Kommunizierbarkeit: Fehlzeiten sind verständlich und für
jeden auch direkt nachvollziehbar.
x Verfolgung von Veränderungen: Derzeit wird die Fehlzeiten-
analyse meistens retrospektiv und jährlich durchgeführt. Zu-
dem reagiert der Fehlzeitenparameter zu träge, um wirklich
als Verfolgungsinstrument zu fungieren.
x Beeinflussbarkeit: Der Manipulationsgrad ist relativ gering,
wenn man eindeutig festlegt, was zu den Fehlzeiten gehört
und welche Soll-Arbeitszeiten verwendet werden.
x Anpassbarkeit: Eine Modifikation des Fehlzeitenparameters
ist ohne großen Aufwand möglich. Wir werden in diesem Kapi-
tel mehrere Möglichkeiten aufzeigen.

 Tabelle 5-5: Vor- und Nachteile der Fehlzeitenanalyse

Ausgewogenes Verhältnis zwischen Vor- und Nachteilen


 Einfaches Kennzahlenmaß
 Leicht bestimmbar
 Flexibilität in Bezug auf Verhältnisbildung
(Beispiel: Finanzkennzahlen)
 Verknüpfung mit Personalstrukturdaten (Alter,
Geschlecht, Berufsgruppe)
 Pekuniäre Abbildung* (Durchschnittskosten pro
Abwesenheitstag ca. 400 und 800 €)
 Gutes Überzeugungsmaß
5 A 272 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Ausgewogenes Verhältnis zwischen Vor- und Nachteilen


 Spätindikator
 Nicht kausalitätsbezogen
 Nicht immer standardisierte Erfassung
 Unzureichende Erfassung realer Kosten (Prä-
sentismus-Annahme: 65% der Kosten)
 Kaum prospektiver Blick (Investitionsorientie-
rung)
 Träges Maß und wenig Information, da oft nur
als statische Quote abgebildet
 Willkürlicher Einsatz von Relationswerten
* Lohnfortzahlung, Aushilfs-, Mehrarbeits- und Produktionsausfallkosten, Ersatzbe-
schaffung, AG-Beiträge zur gesetzlichen KV

Hinweis: Viele Unternehmen experimentieren mit dem Hamburger


Modell ((§ 74 SGB V, § 28 SGB IX). Dieses Modell ermöglicht eine
stufenweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben, um sich an
die volle Arbeitsbelastung wieder zu gewöhnen. Während der
Maßnahme erhält der Arbeitnehmer weiterhin Kranken- bzw.
Übergangsgeld. Problematisch ist, dass diese Zeiten bisweilen als
Fehlzeiten definiert sind und entsprechend kategorisiert werden.

Definition: „Stufenweise Wiedereingliederung dient dazu,


arbeitsunfähige Versicherte nach länger andauernder, schwe-
rer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung am
bisherigen Arbeitsplatz heranzuführen und so den Übergang
zur vollen Berufstätigkeit zu erreichen. Durch eine individuell
angepasste Steigerung von Arbeitszeit und Arbeitsbelastung
im Rahmen eines medizinisch, arbeitsphysiologisch und psy-
chologisch begründeten sowie ärztlich überwachten Wieder-
5 eingliederungsplans (Stufenplan) wird angestrebt, den Gene-
sungs- und Rehabilitationsprozess günstig zu beeinflussen.“
(BAR, 2004, S. 11)

LPT-Wert als Emmermacher (2008) ist in Bezug auf den Einsatz der Kennzahl
Alternative zu Fehlzeiten als Indikator für ein gelungenes BGM kritisch und er-
Fehlzeiten klärt dies u. a. im Hinblick auf den Zusammenhang mit & Präsen-
tismus. Für ihn ist es wichtiger, dass man mit mehr „Inhalt“ rele-
vante Fragestellungen des BGM erfasst. Dabei empfiehlt er Befra-
gungsinstrumente und als Produktivitätsfaktor neben der Präsen-
tismusquote den LPT-Wert (health-related lost productive time)
als Parameter für gesundheitsbedingte Leistungseinschränkung
während der Arbeitstätigkeit (Emmermacher, 2008, S. 52; Stewart
et al., 2003a). Das Ergebnis einer umfangreichen Studie (American
Productivity Audit (APA) ist jedenfalls vom Ergebnis erschreckend
 v. a., wenn man bedenkt, dass diese Kosten größtenteils für die
Arbeitgeber unsichtbar sind.
Baustein 1: Kennzahlen 273 A 5.3
Das American Productivity Audit (APA) ist eine Telefonum-
frage bei 28.902 Arbeitern. Sie soll dabei helfen, die Wirkung
von betrieblichen Gesundheitsbedingungen zu quantifizieren.
Der LPT-Wert (Lost Productive Time) wird in Stunden und
schließlich in Dollars übersetzt. Demnach kostet der Health-
related LPT Arbeitgebern 225,8 Milliarden US-Dollar/Jahr
oder 1685 US-Dollar je Angestellter pro Jahr (Stewart et al.,
2003a). 76 Prozent dieser Kosten werden durch reduzierte
Leistung bei der Arbeit erklärt (Stewart et al., 2003b).

Dieser LPT-Wert ist nicht einfach zu erheben, und die Qualität Unsere Meinung!
dieser Kennzahl wird durch viele Bias-Faktoren reduziert (Stewart
et al., 2004). Wir pflichten der Argumentation bei, dass die Fehl-
zeiten alleine unzureichend sind. Wir müssen Gesundheitsscores
erheben, die sinnvolle Einfluss- und Ergebnisgrößen im Sinne von
Emmermacher (2008) darstellen (ª Kap. 5.6, S. 314). Dennoch
warnen wir davor, die Kennzahl Fehlzeiten zu verteufeln. Sie ent-
hält wichtige Informationen, wenn man an ihr die richtigen Modi-
fikationen vornimmt, die richtigen Fragen an sie richtet und Zu-
sammenhänge mit Gesundheitsscores usw. aufzeigt.

Modifikationen sind erforderlich, um eine zeitgemäße und innova- Modifikationen


tive Fehlzeitenanalyse durchzuführen (Treier, 2009b; Treier, erforderlich!
2012, S. 104 ff.). Folgende Gestaltungsparameter sind für die Mo-
difikationen zu beachten (Treier, 2009a, S. 368 ff.):
x Standardisierung: Fehlzeitenquote ist nicht Fehlzeitenquote,
sondern stets in Abhängigkeit von den Verteilungen der zu-
grunde liegenden Strukturvariablen zu sehen.
x Aufwandsbestimmung: Die klassische Linearitätsannahme ist
zu hinterfragen, da sie zu falschen Urteilen führt.
x Qualität der Fehlzeiten: Um Fehlzeiten richtig zu verstehen
und angemessen zu bewerten, müssen wir uns mit Parametern
der Homogenität, der Verteilung, der Ausreißer etc. befassen.
x Steuerung: Wir müssen den Wertebereich erhöhen, damit wir
Änderungen noch wahrnehmen, die durch das hyperbelähnli-
che Verhalten im Bereich von 1 bis 10 Prozent der Kranken-
standquote verdeckt werden. Es gilt, die Sensitivität und Dis-
kriminationsfähigkeit der Kennzahl zu steigern.

Ist die Fehlzeitenquote von Frauen und Männern oder zwischen 1. Schritt:
verschiedenen Altersstufen vergleichbar? In Anbetracht des unter- Standardisierung
schiedlichen Verhaltens von Fehlzeiten in den jeweiligen Struktur-
variablen macht es Sinn, Verteilungen zu standardisieren. Hierzu
eignet sich eine in der Statistik bekannte Transformationsregel,
die z-Transformation. Durch Letztere können Normalverteilungen
5 A 274 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

(Gauß´sche Glockenkurve) auf den Populationsmittelwert P=0 und


der Streuung V=1 standardisiert werden (Standardnormalvertei-
lung) (Bortz & Schuster, 2010, S. 35 ff.). Sie lässt sich noch mit
einer linearen Transformation erweitern, sodass die Werte besser
interpretierbar sind (} Abbildung 60). Zur Standardisierung benö-
tigen wir den Mittelwert und die Streuung der jeweiligen Vertei-
lung (z. B. Alter). Diese Daten liegen in SAP etc. vor.

$OWHUVJUXSSH *HVFKOHFKW 4XDOLILNDWLRQ %HUXIVJUXSSH

6WUXNWXUYDULDEOHQ
6WDQGDUGZHUW

§ xm·
SW    u ¨ ¸
© s ¹
=7UDQVIRUPDWLRQ
/LQHDUH 0LWWHOZHUWP
7UDQVIRUPDWLRQ 6WUHXXQJV
,QGLYLGXHOOHU:HUW[

} Abbildung 60: Standardisierung der Fehlzeiten

2. Schritt: Die oft implizit angenommene Linearitätsannahme verführt zu


Aufwands- einer falschen Bewertung des Aufwandes, um Fehlzeiten zu redu-
bestimmung zieren. Mit Hilfe selbst erhobener Datensätze haben wir hierzu
exemplarisch eine Formel ermittelt, die explorativen Charakter
hat. Das Verhältnis zwischen Fehlzeitenquote zum eingesetzten
Aufwand lässt sich näherungsweise als Hyperbelfunktion mit dem
Aufbau f(x)=5/¥x (x = Fehlzeitquote, f(x) = eingesetzter Aufwand)
im interessierenden Wertebereich von 0 bis 25 Prozent und nor-
miert auf 100 (Gesamtfläche) beschreiben (} Abbildung 61,
5 S. 275). Fehlzeiten verhalten sich faktisch wie eine Hyperbel,
wenn es um den Aufwand der Reduktion geht. Dieser Aufwand
lässt sich als Fläche unter der Hyperbel beschreiben. Mathema-
tisch ausgedrückt handelt es sich um das Flächenintegral. Die
Fläche unter dem Graph entspricht dann den aufzubringenden
Aufwand, um die Fehlzeitenquote entsprechend von einem Zu-
stand zum anderen zu reduzieren. Mit der Stammfunktion nach
entsprechender Normierung F(x)=10u¥x lässt sich damit der einzu-
setzende Aufwand bestimmen, um eine Verbesserung der Fehl-
zeitenquote zu erzielen: A = F(x1)-F(x2) mit x1 als Ausgangspunkt
und x2 als Zielpunkt. Welche Parameter der Hyperbel im konkre-
ten Fall einzusetzen sind, muss wie zuvor schon erläutert, durch
retrospektive Datenanalysen der bisherigen Fehlzeiten im Unter-
nehmen bestimmt werden und entsprechend die Parameter der
Formel angepasst werden.
Baustein 1: Kennzahlen 275 A 5.3
Grob kann man hier als Regel unterstellen: Je geringer die Fehl-
zeitenquote ausfällt, desto mehr Aufwand muss man investieren,
um eine weitere Verringerung zu erzielen. Es genügt vollauf, den
Aufwand als Ausgangspunkt für strategische Entscheidungen und
Ressourcenallokation einmal jährlich zu bestimmen. Dieser Para-
meter fungiert als Kommunikationsinstrument in Richtung der
verantwortlichen Stakeholder.

18
$XIZDQGVEH]RJHQH'DUVWHOOXQJGHU)HKO]HLWHQTXRWH
8
,QYHVWLWLRQVDXIZDQG

16
+\SHUEHOIXQNWLRQ
14 6

12
4
10

2
8

6 0 $XIZDQGVIOlFKH
0 5 /lVVWVLFKDOV
4 )OlFKHQLQWHJUDO
HUUHFKQHQ
2
%LVJHHLJQHW
0
0 5 10 15 20 25 30 35

)HKO]HLWHQTXRWH

5
-HJHULQJHUGLH)HKO]HLWHQTXRWHGHVWRPHKU$XIZDQGPXVVPDQ (
LQYHVWLHUHQXPHLQHZHLWHUH9HUULQJHUXQJ]XHU]LHOHQ%HL *
(
QLHGULJHQ:HUWHQJHKWHVGDQQXP6WDELOLVLHUXQJ /

} Abbildung 61: Aufwandsbestimmung bei Fehlzeiten

Durchschnitts- und Quotenwerte dominieren den Diskurs rund um 3. Schritt:


Fehlzeiten. Dadurch werden die relevanten Streuungs- und Dis- Qualität der
tanzmaße vernachlässigt. Wir empfehlen daher, zusätzlich zur Fehlzeiten
klassischen Quote einige Qualitätswerte zu erfassen. Sie lassen
sich leicht aus den Rohdaten berechnen. Als Parameter betrach-
ten wir hier den Fragmentierungsgrad bzw. die Episodenzahl der
Fehlzeiten (Zerstückelung der Fehlzeiten pro Individuum), ein
Distanzmaß zwischen individuellem Wert und dem Durchschnitts-
wert der zugrunde liegenden Verteilung sowie ein Verhältnismaß
zwischen individuellem Fehlzeitenwert und Gesamtfehlzeiten. Ein
zentraler Parameter zur Qualitätsbestimmung sind die Ausreißer.
Diese statistisch zu identifizieren ist keineswegs trivial. Mithilfe
der Standardisierung (siehe erster Schritt) und weiterer Ausreißer-
logiken wie mittels des Interquartilsabstand (IQR) lassen sich aber
5 A 276 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

die Ausreißer gut ermitteln und diese im Verhältnis zu den Verur-


sachern stellen. Als Streuungsmaß hat sich eine Verrechnung be-
währt, die einige Leser gewiss bei den Wachstumskurven ihrer
Kinder kennengelernt haben. Dort rechnet man gerne mit
Perzentilen bzw. Quantilen als Lagemaß. So stellt das Quantil Q75
den Wert des Punktes einer Verteilung dar, unterhalb dessen sich
75 Prozent aller Fälle der Verteilung befinden.

Streuungsmaß Fehlzeiten = [Q75-Q25] / Median

Normwerte erleichtern die Bewertung der Ergebnisse und eine


Zuordnung des Wertebereichs zu einer Ampellogik. Die } Abbil-
dung 62 zeigt mögliche Qualitätswerte, die aus den Rohdaten der
Fehlzeiten berechenbar sind. Die Frage der Interpretation der
Qualität ergibt sich nicht nur aus den Daten selbst, sondern auch
aus dem Diskurs rund um Fehlzeiten und deren Gesetzmäßigkei-
ten. Wir empfehlen, die Erfassung halbjährlich durchzuführen.

9HUXUVDFKHU

(SLVRGHQ
9HUWHLOXQJ
)UDJPHQWH

4XDOLWlW

5 6WUHXXQJ $XVUHL‰HU

9HUKlOWQLVZHUWH

} Abbildung 62: Qualitätswerte der Fehlzeiten

4. Schritt: Damit kommen wir zum letzten Gestaltungsschritt, was die Modi-
Steuerung fikationen betrifft: Es geht um das regelmäßige Monitoring. Fehl-
zeiten werden gerne als statische Quotenwerte abgebildet. Damit
eignen sie sich aber nicht zur Steuerung. Entscheidend ist zudem,
dass sich Fehlzeiten nicht linear verhalten. Approximativ kann
man von einer logarithmischen Abbildung der Steuerungsgröße
ausgehen (Sensibilitätsindex). Diese wird auf 100 normiert, wobei
absichtlich 100 als bester Wert gewählt wird, damit keine Ver-
wechslung zwischen Fehlzeitenquote und Steuerungsfunktion er-
Baustein 1: Kennzahlen 277 A 5.3
folgen kann! Die Steuerungsfunktion beschränkt sich auf den Wer-
tebereich von 1 bis 25 Prozent Fehlzeitenquote! Der Wertebereich
muss auf Basis der eigenen Daten perzentilisiert werden. Durch
den natürlichen Logarithmus wird v. a. der Bereich zwischen 1
und 5 Prozent in seiner Sensitivität erhöht. Viele haben aber
kommunikativ Probleme, wenn man Fehlzeiten nichtlinear be-
trachtet. Sie können ggf. durch das Quadrieren des natürlichen
Logarithmus eine Linearisierung bei ausreichender Sensitivität des
Steuerungsmaßes erzielen (} Abbildung 63). Bei der logarithmi-
schen Abbildung erhält man den Wert 50 bei etwa 5 Prozent Fehl-
zeitenquote. Auf Basis der Daten erfolgt mittels Perzentilisierung
die Zuordnung des Wertebereichs zu einer Ampellogik. Wir emp-
fehlen eine vierteljährliche Messung. Als Deltawert eignet sich der
historische Wert (individuelle Bezugsnorm), aber auch ein sozialer
Vergleichswert (soziale Bezugsnorm). Zur Veranschaulichung ist
der & Prozentrang hilfreich. Falls die Ampel rot signalisiert, sind
sofortige Maßnahmen erforderlich. Bei Orange empfehlen wir, ggf.
Detailanalysen durchzuführen.


)RUPHO ST   OQ FZ Quote u 
0 - 1 0 0 )



)RUPHO ST   ¬ªOQ FZ Quote ¼º u 

Fehlzeitentagegesamt
FZQuote 
( B e r e i c h

Sollarbeitstage



6WHXHUXQJVJU|‰H





$OWHUQDWLYH

)RUPHO


(PSIHKOHQVZHUWH
 )RUPHO


     

)HKO]HLWHQTXRWH ( B e r e i c h 1 % b i s 2 5 % )

} Abbildung 63: Steuerungsgröße für Fehlzeiten

Die hier dargestellten Formeln sind in verschiedenen Organi-


sationen schon erfolgreich eingesetzt und teilweise sogar ins
Standardreporting übernommen worden. Eine entsprechende
Software zur automatischen Berechnung und Datenbereini-
gung auf Excel-Basis ist vom Autor (Treier) entwickelt wor-
den. Die folgende Tabelle stellt ein Beispiel für eine Fehl-
zeitenanalyse mit Hilfe der Metriken dar (} Abbildung 64).
5 A 278 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Erhebungs- Fallzahl (berücksichtige Personen) 1312


beispiel Durchschnittlicher Qualitätsindex (max. 100) 98,14
Steuerung Sensibilitätsindex (reicht von 0-100; 50 normal) 48,02
Fehlzeiten absolut 17628
Fehlzeitenquote 5,35%
Quartalswert 1 absolut 5088
Quartalswert 2 absolut 3835
Quartalswert 3 absolut 4078
Quartalswert 4 absolut 4628
FZ Quote Quartalswert 1 6,18%
FZ Quote Quartalswert 2 4,65%
Fehlzeiten

FZ Quote Quartalswert 3 4,95%


FZ Quote Quartalswert 4 5,62%
FZ Quartalswert 1 zu FZ gesamt 28,86%
FZ Quartalswert 2 zu FZ gesamt 21,76%
FZ Quartalswert 3 zu FZ gesamt 23,13%
FZ Quartalswert 4 zu FZ gesamt 26,25%
Prozentualer Anteil Hamburger Modell 2,49%
Prozentualer Anteil Kuren und Reha 3,34%
Prozentualer Anteil Wege-/Betriebsunfälle 0,92%
Bereinigte Fehlzeiten (minus Hamburger + Kuren) 16601
Bereinigte FZ Quote (minus Hamburger + Kuren) 5,04%

5 Fehlzeiten 42 Tage-Blöcke absolut 65


Abweichende Standardwerte > 100 (Logik A) 25,76%
Auffällige Standardwerte > 110 (Logik B) 6,17%
Extreme Ausreißer nach IQR-Methode (Logik C) 5,03%
Qualitätswerte

Absolute Anzahl der Verursacher 1132


Verhältnis Verursacher zur Gesamtzahl 86,28%
Ausreißer nach Logik A zu Verursachern in % 29,86%
Ausreißer nach Logik B zu Verursachern in % 7,16%
Ausreißer nach Logik C zu Verursachern in % 5,83%
Streuungsmaß Qualität 2,17
Durchschnittliche Episodenzahl 2,78
Durchschnittl. Fehlzeiten pro Episode 4,84
} Abbildung 64: Beispiel einer erweiterten Fehlzeitenanalyse
Baustein 1: Kennzahlen 279 A 5.3
Tipp: Verwenden Sie den Sensibilitätsindex im Rahmen eines
„heuristischen Modells“! In gewisser Weise handelt es sich um
eine Art Gleichungssystem, wo unabhängige und abhängige Fakto-
ren miteinander verrechnet werden (} Abbildung 65). Sie werden
feststellen, dass sich der Sensibilitätsindex erheblich besser als
die unbereinigte Fehlzeitenquote mit anderen Daten verrechnen
lässt und auch auf Veränderung anderer Daten wie Aktivitäten
(Effizienz und Effektivität von BGF-Maßnahmen), Daten aus der
Gesundheitsanalyse (Gesundheitsscores, ª Kap. 5.6, S. 314) oder
Strukturdaten (Altersstruktur, Risikokataster etc.) reagiert.

Notwendigkeit der Modifikation


Die vorgeschlagenen Gestaltungsschritte sind notwendig,
wenn man sich die Vor- und Nachteile der klassischen Fehl-
zeitenquote vor Augen führt und sich mit den nachgewiese-
nen Gesetzmäßigkeiten beschäftigt. Der Aufwand, Fehlzeiten
richtig zu analysieren, ist relativ gering, denn man benötigt
keine neuen Daten. Alle Modifikationen von der Aufwandsbe-
stimmung als Flächengröße, über die Ermittlung der Qualität
der Kennzahl bis zur Steuerungsgröße auf Basis einer Hyper-
belfunktion und Standardisierung mittels der z-Transforma-
tion lassen sich mit den vorhandenen Daten berechnen.
; Box 5-10: Modifikationen der klassischen Fehlzeitenanalyse

} Abbildung 65: Fehlzeitenanalyse im Kontext anderer BGM-Daten


5 A 280 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Fassen wir zusammen! Fehlzeitenanalysen sind sinnvoll:


x wenn Sie nicht nur die statische Quote berücksichtigen,
x wenn Sie die Kennwerte mit anderen Befunden wie Gesund-
heitsbefragung oder Gefährdungsanalyse kombinieren,
x wenn Sie einen prospektiven Ansatz der Fehlzeiteninterpreta-
tion wählen.

Die  Tabelle 5-6 stellt Parameter der Fehlzeitenanalyse über-


sichtlich dar. Bei der Fehlzeitenanalyse ist die Erfassung relevan-
ter Strukturvariablen wie Berufsgruppe, Alter oder Geschlecht
sowie die richtige Bemessungsgrundlage von großer Bedeutung.
Auch müssen standardisierte Regeln entworfen werden, wie man
bspw. mit Fehlzeiten umgeht, die am Ende eines Jahres auftreten
und ins neue Jahr reichen. Diese Regeln sind festzulegen, damit
eine Transparenz gewährleistet ist. Sie sind regelmäßig durch
Plausibilitätsprüfungen, z. B. gegenüber Fragebogenergebnissen,
zu hinterfragen und ggf. zu korrigieren, damit Veränderungen
sachgerecht einfließen und damit Fehlschlüsse vermieden werden.

Auf der Website finden Sie eine Präsentation als Argumentations-


hilfe für eine erweiterte Fehlzeitenanalyse im Unternehmen. Sie
kann Ihnen Anregungen geben. Auch finden Sie dort eine Skizze.

 Tabelle 5-6: Relevante Fehlzeitenparameter

Parameter Kurzbeschreibung
Klassische Berechnung
FZ-Quote
(entscheidend ist Bemessungsgrundlage)
5 Mittelwert Organisation Arithmetischer Mittelwert der Fehlzeiten der
oder Erfassungseinheit zu betrachtenden Organisationseinheit
Mittelwert Gewichteter Mittelwert
Unternehmen (Kollektivgröße beachten)
Abwesenheitslänge Arithmetischer Mittelwert der durchschnitt-
(Kohärenzwert) lichen Abwesenheitslänge
Fragmentierungsgrad Anzahl der Einzelfragmente bzw. Episoden in
bzw. durchschnittliche Bezug auf die Fehlzeiten pro Person oder
Episodenzahl Durchschnittswert
Aufwandskorrelierter Kommunikationswert
Aufwandswert
auf Basis einer Hyperbelfunktion (Fläche)
Steuerungswert bzw. Sensitiver Monitoringwert für die Fehlzeiten
Sensibilitätsindex auf Basis einer normierten Hyperbelfunktion
Ermittlung der Ausreißer (diverse Logiken),
Streuungsmaß Qualität (basierend auf
Qualitätswerte Perzentilberechnung), Verhältnis Verursacher
zur Gesamtzahl und Verhältnis Ausreißer zu
Verursachern
Baustein 1: Kennzahlen 281 A 5.3
 Zusammenfassung zum Baustein Kennzahlen
x Das Rückgrat BGM: Kennzahlen sind das Rückgrat eines mo-
dernen BGM, denn ohne Kennzahlen ist das BGM verteidigungs-
los, wenig zielstrebig und kommunikationsarm. Kennzahlen
fungieren als Legitimationsbasis sowie zur Steuerung und
Überwachung der Wirksamkeit von BGF-Maßnahmen.
x Kennzahlendefinition: Komplexe Sachverhalte werden in
verfolgbare Zahlen im Sinne einer auf wenige Sachverhalte
vereinfachten Abbildung der Realität verdichtet.
x Kennzahlengebote: Kennwerte sollten nicht unzugänglich,
ziellos, träge, vergleichslos, übervereinfacht, kontextlos, un-
vollständig, benutzerunfreundlich, manipulationsgeneigt und
veraltet sein.
x Attribute: Folgende Attribute kennzeichnen Kennzahlen: Mo-
dalität (befragungs- versus nichtbefragungsbasiert, Beschaf-
fenheit (hart versus weich; direkt versus indirekt); Zahlenart
(Absolut- versus Indexzahlen); Zeitbetrachtung (Zeitpunkt ver-
sus Zeitraum; Querschnitt versus Längsschnitt).
x Indikatoren: Die meisten Kennzahlen im Bereich BGM sind
indikatorenbasiert. Das Treiber-Indikatoren-Modell eignet sich
hervorragend für Fragestellungen rund um BGM. Treiber sind
bspw. Führung, Aufgaben- oder Arbeitsgestaltung. Zu den
Frühindikatoren gehören u. a. der subjektive Gesundheitszu-
stand oder das & Commitment. Zu den Spätindikatoren zählen
wir Fehlzeiten, & Präsentismus etc. Durch & Metaanalysen
liegt ausreichende & Evidenz für den Einsatz dieser Indikato-
ren vor. Aufgrund der Vielzahl der Indikatoren ist eine multip-
le indikatorenbasierte Steuerungsgröße zu implementieren.
x Fehlzeiten: Dieser beliebte Spätindikator kämpft mit einigen
Einschränkungen hinsichtlich seiner Aussagekraft. So verdrängt
er die Sichtweise auf den & Präsentismus (krank, aber am Ar-
beitsplatz) und wird von & Moderatoren wie Konjunkturlage
beeinflusst. Ferner ist seine Ätiologie unklar (Belastung, Miss-
brauch, Bewältigung). Der schwierigen Ausgangslage in Bezug
auf seine Interpretation steht der enorme Stör- und Kosten-
faktor gegenüber. Differenzierte Fehlzeitenanalysen zeichnen
Gesetzmäßigkeiten im Verhalten der Fehlzeiten auf, die eine
Interpretationsfolie für eigene Daten liefern. Zudem lassen
sich Modifikationen zur Erhöhung der Aussagekraft vornehmen.
x Vor- und Nachteile der Fehlzeitenanalyse: Die Fehlzeiten als
Kennzahl lassen sich einfach bestimmen und flexibel anwen-
den. Zudem stellen sie ein gutes Überzeugungsmaß dar, was
auch monetär reflektiert werden kann. Problematisch ist, dass
Fehlzeiten erst spät auf Problemlagen reagieren, nicht zu-
kunftsorientiert ausgerichtet sind, reale Kosten verdecken und
Schwächen hinsichtlich der Standardisierung aufweisen. In der
Praxis können wir aber nicht auf diese Kennzahl verzichten.
5 A 282 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

x Modifikationen: Wir empfehlen eine Standardisierung in Be-


zug auf verschiedene Strukturvariablen wie Altersgruppe oder
Geschlecht. Zudem sollte der Aufwand zur Veränderung von
Fehlzeitenquoten ermittelt werden. Hierzu gilt es, den hyper-
belartigen Charakter von Fehlzeiten in Bezug auf den Aufwand
zur Reduktion zu beachten. Zudem sollten Qualitätswerte als
Gütemaß die klassische Fehlzeitenquote in ihrer Aussagekraft
aufwerten. Zuletzt sollte man die Sensitivität und Differenzie-
rungsfähigkeit der Kennzahl erhöhen, indem man Steuerungs-
maße im Bereich von 1 bis 25 Prozent FZ-Quote einführt.
 Check-Liste 10: Kennzahlen

5.4 Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung

Macht es Sinn, die Wirtschaftlichkeit von BGM zu messen?

The Total Value Bevor wir uns weiter mit Instrumenten der Steuerung und Bewer-
of Health tung befassen, müssen wir uns zunächst mit der Frage „Ist es mög-
lich, Gesundheit im Unternehmen pekuniär zu bewerten bzw. den
Wertbeitrag von BGM zu messen?“ auseinandersetzen. Edington
und Schultz (2008) reflektieren den & Return on Investment von
BGM (ROI) auf der Basis eines umfassenden Reviews von Quellen.

„This review summarizes the increasing volume of research


that demonstrates the relationship of health risk factors with
time away from work, presenteeism, and medical and drug
expenditures. As the number of health risk factors increase
or decrease there is a corresponding change in costs and
productivity. Traditionally the value of health promotion and
5 disease management programs has been measured only in
their impact on direct medical expenditures. To a lesser ex-
tent, reductions in absenteeism and disability-related work
loss have been included in ROI studies of health management
interventions and recent research has included the cost of
presenteeism as well. All of these measures together com-
prise the total value of health which is likely much larger
than previously thought.“ (Edington & Schultz, S. 16)
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 283 A 5.4
Dieser Review demonstriert mit Nachdruck, dass es sinnvoll ist, Macht es Sinn
BGM als Wertschöpfungsfaktor im Unternehmen strategisch zu zu messen?
platzieren und die Wirksamkeit von Maßnahmen zu messen (Badu-
ra et al., 2009). Weitere Belege sollen etwaige Zweifel ausräu-
men, denn die positiven Effekte auf Fehlzeiten, Produktivität usw.
sind gut belegt. Dabei sind die vermittelnden Variablen des Ge-
sundheitsverhaltens und der Gesundheitseinstellung von großer
Bedeutung. Dieser Aussage liegen unveröffentlichte betriebliche
Längsschnittstudien des Autors Treier mit Befragungen zum Ge-
sundheitsverhalten und zur Gesundheitseinstellung in Verbindung
mit Maßnahmen zur Erhöhung der Eigenverantwortung und & Ge-
sundheitskompetenz zugrunde. An dieser Stelle ist zu betonen,
dass sich positive Effekte auf Fehlzeiten meistens erst mit einer
Verzögerung im Kontext von Mehrkomponentenprogrammen ein-
stellen. So kann der paradoxe Effekt auftreten, dass im ersten
Jahr nach Einführung von BGM sogar eine Fehlzeitenerhöhung
feststellbar ist. Einige & metaanalytische Befunde unterstreichen
die Bedeutsamkeit von BGM aus wirtschaftlicher Sicht:
x Aldana (2001) fasst 14 Studien zusammen, die & Absentismus
als eine der Ergebnisvariablen untersucht haben. In allen die-
sen Studien wird einhellig berichtet, dass die Maßnahmen zur
spürbaren Reduktion der Abwesenheit geführt haben. So konn-
ten bei Teilnehmern an Gesundheitsförderungsprogrammen
eine Reduktion der Fehlzeiten von 12 bis 36 Prozent und eine
Verringerung der mit Fehlzeiten assoziierten Kosten um 34
Prozent konstatiert werden.
x In drei der 14 Studien konnte sogar ein Kosten-Nutzen-
Verhältnis (cost-benefit-ratio; & Return on Investment) im
Bereich von 1:2,5 und 1:4,85 ermittelt werden.
x Chapman (2003) konkludiert auf Basis von 42 Studien zu den
ökonomischen Auswirkungen der BGF, dass empirische Hinwei-
se für die Reduktion von Fehlzeiten vorliegen.
x Gleiches lässt sich bei Golaszewski (2001) feststellen.
x Eine der renommiertesten & Metaanalysen (Chapman, 2005)
mit 56 ökonomischen Evaluationsstudien bestätigt den ökono-
mischen Nutzen von BGM aus langfristiger Sicht. Das 2012 Up-
date berücksichtigt 62 Studien (Chapman, 2012).
x Die Studien von Pelletier (2005, 2009) konzentrieren sich v. a.
auf die multifaktorielle BGF und auf das & Disease Manage-
ment. Diverse positive Auswirkungen lassen sich feststellen:
Verbesserung der Produktivität, Steigerung der Arbeitszufrie-
denheit, Verbesserung des Betriebsklimas und Reduzierung
der krankheitsbedingten Fehlzeiten.
5 A 284 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Die von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften getrage-


ne Initiative Gesundheit & Arbeit (IGA) ist im Rahmen einer
umfassenden Literaturstudie für den Zeitraum von 2000 bis
2006 (Sockoll et al, 2008) auch der Frage nachgegangen, ob
Veröffentlichungen direkt den ökonomischen Nutzen thema-
tisieren, und haben für diesen Zeitraum 10 Reviews gefun-
den. Im i.Punkt21 (2008, S. 2) wird das Ergebnis wie folgt zu-
sammengefasst: „Insgesamt zehn Übersichtsartikel beschäf-
tigen sich mit dem ökonomischen Nutzen betrieblicher Ge-
sundheitsförderung. Alle kommen zu dem Urteil, dass Un-
ternehmen langfristig auch aus wirtschaftlicher Sicht von
den Maßnahmen profitieren. Zur Veranschaulichung der Ein-
sparungen durch betriebliche Gesundheitsförderung werden
in der Regel die Zielgrößen & Absentismus und Krankheits-
kosten herangezogen. Die erzielbaren Kosten-Nutzen-
Verhältnisse (& Return on Investment, ROI) werden mit
Werten zwischen 1:2,5 und 1:10,1 für Absentismus bzw.
1:2,3 und 1:5,9 für medizinische Kosten beziffert.“

Investition in Die } Abbildung 66 und } Abbildung 67 (ª S. 286) (Chapman,


BGM lohnt sich! 2005, S. 8 f.) illustrieren diese eindeutige positive Botschaft an
die Entscheidungsträger. Investition in BGM lohnt sich nicht nur
aus humaner bzw. sozialer Verantwortung gegenüber Mitarbei-
tern, sondern gerade auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht (Kirs-
ten, 2006). Die Kosten-Nutzen-Verhältnisse sinken nur marginal,
wenn man Studien ausschließt, die nicht mit validen Erhebungs-
methoden operieren (O´Donnell, 2005).

Das Thema ist relativ schwierig, was die Kommunikation betrifft.


Viel zu oft wird man auf ein rudimentäres Kostencontrolling ge-
5 stutzt. Wir haben Ihnen daher auf Basis vielfältiger Gespräche mit
Entscheidungsträgern auf der Website eine Präsentation erstellt,
die Sie als Argumentationshilfe nutzen können, um die Notwen-
Argumentations- digkeit von Investitionen in BGM zu unterstreichen. Wir empfehlen
hilfe für BGM- als Ergänzung eine Erweiterung durch Ihre eigenen Zahlen, bspw.
Investitionen zum Altersdurchschnitt oder zur Fehlzeitenentwicklung Ihres Un-
ternehmens, um die zukünftige Bedeutung zu apostrophieren. Die
eigene „Verwundbarkeit“ darzustellen empfiehlt sich in der Argu-
mentationsmatrix, um hervorzuheben, dass das Thema „Gesunde
Organisation“ ein konkretes und kein abstraktes Thema ist.
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 285 A 5.4

 $OGDQD 


9HUlQGHUXQJNUDQNKHLWVEHGLQJWHU  %DXQ

$EZHVHQKHLWLQ  %HUWHUD

 %HUWHUD 


0LWWHOZHUW‡ 
 %ODLU

6WUHXXQJV   %RZQH 


 &KDSPDQ 
 &RQUDG

 )ULHV 


 )ULHV 
 *ORDV]HZVNL 
 +HQULW]H

 -HIIHU\

 -RQHV

 .QLJKW

 /HFKQHU

 /HLJK 


 /\QFK

4XHOOH  0DHV ROI


0HWDHYDOXDWLRQYRQ/6&KDSPDQ   3HOOHWLHU

 6KL

 6KL


 6KLPL]X

        

} Abbildung 66: Fehlzeitenreduktion durch BGM

Dem Thema & Evidenzbasierung im Bereich der Gesundheitsförde- Evidenzbasierung


rung und & Prävention wird von den Praktikern zunehmend einen
hohen Stellenwert zugemessen (Bödeker & Kreis, 2006). Die wis-
senschaftliche Evidenz lässt sich mit Hilfe von & Metaanalysen
erschließen. So lautet hier ein interessantes Fazit einer fundierten
Metaanalyse von Parks und Steelman (2008) wie folgt:

„The results of this meta-analysis indicated that participa-


tion in an organizational wellness program overall was asso-
ciated with lower absenteeism rates and higher job satisfac-
tion.“ (Parks & Steelman, 2008, S. 65)

Eine umfassende Studie (300 Unternehmen aus 15 Ländern) zur Return on


Präventionsbilanzierung bestätigt die wirtschaftliche Relevanz von Prevention
Maßnahmen zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (ISSA,
2011). Sie kommt zum Ergebnis, dass Investitionen aus einzelwirt-
schaftlicher Sicht ein Return on Prevention von 2,2 erzielen.
5 A 286 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

4XHOOH0HWDHYDOXDWLRQYRQ/6&KDSPDQ   $OGDQD 


 $OGDQD
 %DXQ

 %O\

 %RZQH

 &KDSPDQ

 'DOWRQ 


 )ULHV

 )ULHV 


 )ULHV 
 *LEEV 
 *RHW]HOD

 *RHW]HOE

 +DUYH\ 


 +D\QHV

 +RGJHV

 /HLJK 


 /RULJ

 0XVLFK

 2]PLQNRZVNL 


 2]PLQNRZVNL
9HUlQGHUXQJPHGL]LQLVFKHU ROI
 6FLDFFD
.RVWHQLQ  6HU[QHU

 6KHSKDUG
0LWWHOZHUW‡ 
 6KLD
6WUHXXQJV   6KLE 

      

} Abbildung 67: Reduktion medizinischer Kosten durch BGM

Wir empfehlen als Ausgang den IGA-Report 3 (Kreis & Bödeker,


2003). Dort wird auf Basis einer Literaturstudie die & Evidenzbasis
für verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen der BGF und
& Prävention zusammengestellt. Der IGA-Report 20 (Bechmann et
5 al., 2011) stellt ergänzend Motive und Hemmnisse für BGM aus
Sicht der klein- und mittelständischen Unternehmen dar.

Wenn Sie selbst nach Studien suchen wollen, empfehlen wir Ihnen
folgende Begriffskombinationen als Suchstrategien:
x Metaanalyse Gesundheitsförderung (metaanalysis health pro-
motion),
x Kosten-Nutzen-Analyse Gesundheitsförderung (cost-benefit-
analysis worksite (workplace) health promotion),
x Wirksamkeit betriebliche Gesundheitsförderung (effectiveness
workplace or worksite health promotion),
x Evaluation betrieblicher Gesundheitsförderung (evaluation
health promotion enterprise or worksite).
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 287 A 5.4
Die Initiative Gesundheit und Arbeit hat im IGA-Report 13 (Sockoll
et al., 2008) für Sie diese Arbeit übernommen. Dort werden alle
relevanten Studien im Zeitraum von 2000 bis 2006 berücksichtigt.
Sehr wertvoll ist die im Anhang abgedruckte Tabelle, womit die
Quellen in Bezug auf diverse Qualitätskriterien wie berücksichtig-
te Datenquellen, Studien, Population, Studiendesign, evaluierte
Maßnahmen, methodologische Probleme, berichtete Effekte und
Gesamtbewertung eingestuft werden.

Aber es bleiben einige Baustellen zur & Evidenzbasierung, denn


einige Studien mühen sich mit folgenden Problemfeldern ab:
x geringe Teilnahme- und Complianceraten,
x zu kurze Interventionszeiten,
x keine Nachhaltigkeitsmessung, sprich Längsschnittstudien,
x verzerrende Selektionen der Stichproben sowie
x kaum Kontrollstudien.

Worauf bezieht sich die Effektivität? Wir registrieren eine positive Effektivität von
Auswirkung auf die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden, Einzel-
auf die psychische oder körperliche Gesundheit. Bewegungspro- maßnahmen
gramme wirken auf alle Gesundheitsbereiche (Universaleffekt).
& Stressmanagement zielt v. a. auf die psychische Gesundheit.
Entscheidend sind aus Sicht der Evaluationsstudien koordinierte
Mehrkomponentenprogramme (i.Punkt, 2008; Sockoll et al.,
2008), die den ganzheitlichen Gesundheitsbegriff beachten. Je
ganzheitlicher der Ansatz wird, desto schwerer ist die & Evidenz-
basierung. Daher ist das Gesundheitsmonitoring so wichtig, um
nicht in die Komplexitätsfalle zu geraten und die Antwort nach
Effektivität den Entscheidungsträgern schuldig zu bleiben!

Leider sind die als unstrittig geltenden Nachweise eines positiven Modell des ROI
Kosten-Nutzen-Verhältnisses für BGM-Maßnahmen als Argumenta- und Kennzahlen
tionshilfe im Unternehmen nur begrenzt geeignet, da sie meistens
rückwärtsgewandt sind und damit nur bedingt die erforderliche
Investitionsneigung fördern. Deshalb bahnt sich eine neue Ent-
wicklung an, um das ökonomische Potenzial von BGM-Maßnahmen
nachweisen zu können: Das kennzahlenorientierte Modell des
„Prospektiven & Return on Investments“ (Kramer & Bödecker,
2008). Hier wird nicht nur im Nachhinein (retrospektiv) geschaut,
ob die Maßnahme erfolgreich war, sondern im Vorfeld der Durch-
führung ermittelt, mit welcher Kosteneffektivität in Bezug auf die
BGM-Maßnahmen zu kalkulieren ist. Downey und Sharp (2007)
verdeutlichen, dass hauptsächlich in das BGM investiert wird, weil
man an eine Reduktion der Krankheitskosten glaubt. Eine morali-
5 A 288 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

sche bzw. & soziale Verantwortung allein reicht nicht mehr aus,
um umfangreichere Investitionen im BGM zu legitimieren. Man
braucht eine andere Form der Argumentation. Da bietet sich der
benchmarkfähige ROI-Wert geradezu an, um die Kosten-
Effektivität von Präventionsmaßnahmen abzuschätzen (Burdorf,
2007). Die berichteten ROI-Werten stammen meistens aus den
USA, wo es aufgrund des Versicherungssystems sinnvoll ist, neben
dem Krankenstand auch direkte Krankheitskosten zu berücksichti-
gen. Für die deutschen Unternehmen hingegen wird aufgrund des
Solidarprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung der Fokus
auf die durch Krankenstand bzw. Fehlzeiten entgangene Produkti-
vität liegen. Die Produktivität ist aber nicht die einzige Kosten-
ebene. Bei Fehlzeiten schleichen sich viele weitere Zusatzkosten
ein, die sich als Transaktionskosten verschleiern. So muss man mit
diversen Streuverlusten im Bereich von Schnittstellenkommunika-
tion und Qualität rechnen. Diese Kosten werden oft erst dann
erkannt, wenn sie sich negativ in der Wertschöpfungskette mani-
festieren. Im Kap. 5.3 (ª S. 248) setzen wir uns mit den Fehlzei-
ten als Kennwert auseinander und fragen, wie wir die Qualität und
Aussagekraft dieser präferierten Kennzahl steigern können.

Beispiel: Die Die Datenbank & HERO gilt als eine wichtige Quelle hinsichtlich
HERO-Studie der Ermittlung des prospektiven ROI. Die Kosten der gesundheitli-
Health Risk chen Auswirkungen von beeinflussbaren Risikofaktoren über einen
Appraisal dreijährigen Beobachtungszeitraum bei über 46.000 Arbeitneh-
mern illustrieren nachdrücklich, wie wichtig eine kennzahlenba-
sierte Diskussion ist, denn Evidenz liegt auf jeden Fall vor (Goet-
zel et al., 1998; Anderson et al., 2000). Die } Abbildung 68
(ª S. 289) zeigt die Kostenunterschiede zwischen Angestellten mit
hohem und niedrigem Gesundheitsrisiko. Stress ist ein hoher Kos-
5 tenfaktor. Immerhin sind die Gesundheitskosten fast 50 Prozent
höher bei Angestellten mit hohem Stresslevel im Vergleich zu den-
jenigen, die einen niedrigen Stresslevel aufweisen. Zwischen de-
pressiven und nicht-depressiven Angestellten liegt der Unterscheid
sogar bei 70 Prozent. Unverblümt heißt das: Ein Nichtraucher
kostet weniger als ein Raucher, ein übergewichtiger wird mehr als
ein normalgewichtiger Angestellter kosten etc. (Kirsten, 2006).
Bei multiplen Risikoprofilen nehmen diese Zahlen signifikant zu:
Bei psychosozialen Problemen steigt der Wert auf 147 Prozent, bei
Herzerkrankungen sogar auf 228 Prozent (Goetzel et al., 1998).

Modifizierbare Risikofaktoren tragen beträchtlich zu allge-


meinen Gesundheitsausgaben bei. Betriebliche Gesundheits-
förderungsprogramme, die diese Risiken reduzieren, können
aus Wertschöpfungssicht einen wesentlichen Betrag zur Re-
duzierung der Gesundheitskosten v. a. auch beim Arbeitgeber
leisten. Dieses Ergebnis ist zwar im solidarisch ausgerichte-
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 289 A 5.4
ten deutschen Krankenversicherungssystem abgepuffert, wird
aber bei den zu erwartenden Veränderungen der Privatisie-
rung ebenfalls von großer Bedeutung sein.


(UJHEQLVVHGHU+(526WXGLH
 70,2

3UR]HQWXDOH'LIIHUHQ]HQLQ%H]XJDXIGLH0HGL]LQNRVWHQ

Angestellten mit hohem und niedrigem Gesundheitsrisiko
 46,3
$GMXVWLHUWHXQDEKlQJLJH(IIHNWH
 34,8

21,4 19,7
 14,5
11,7 10,4

Ͳ0,8 Ͳ3

Ͳ9,3





} Abbildung 68: Kostenunterschiede (HERO nach Goetzel et al., 1998)

Die Website der  ACOEM (American College of Occupational and


Environmental Medicine) ist eine gute Ausgangsbasis, wenn es um
Studien im Bereich Health and Productivity Management geht.
ACOEM ist eine bedeutsame Organisation von Ärzten, die für die
Gesundheit und Sicherheit von Mitarbeitern, Arbeitsplätzen und
Umwelten eintreten. Lohnend ist das HPM Tool Kit, das multime-
dial das Wissen zur Umsetzung von BGM praxisnah aufbereitet.

Um sich eine Vorstellung von den denkbaren Kosten zu machen,


die bspw. Alkoholismus verursachen können, gibt es Rechnersys-
teme im Internet. Unser Tipp: Probieren Sie diese als Übung aus!
So erhalten Sie ein Gefühl für die Größenordnungen.

www.alcoholcostcalculator.org (The Alcohol Cost Calculator for


Business von der George Washington University Medical Center)
„Problem drinking is the third leading cause of preventable death
in the United States, killing 85000 Americans annually. It also
drains $185 billion from the nation’s economy every year.“ & „Al-
cohol is the most widely used drug in the United States: over 8% of
employed adult workers and almost 11% of adults with Medicaid or
no health insurance either abuse or are dependant on alcohol.“
5 A 290 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

http://www.ncqacalculator.com (The NCQA Quality Dividend Cal-


culatorTM 2012 von National Committee for Quality Assurance)
„Use this free, on-line tool to see how health care quality can
affect the productivity and absenteeism of your employees - it's
probably a lot more than you think. Quality health care keeps
employees healthy and on the job. “
http://www.ahrq.gov/populations/diabcostcalc/ (Diabetes Cost
Calculator for Employers von der Agency for Healthcare Research
and Quality). Dort kann man eine Excel-Datei downloaden, mit der
man eine & evidenzbasierte Berechnung der Kosten von Diabetes
vornehmen kann.

Der prospektive ROI von BGM


Viele erklären, dass es schwierig ist, den Value of Health von
BGM-Maßnahmen aus Wertschöpfungssicht zu bestimmen. Es
ist schwierig, aber nicht unlösbar. Viele Studien, die zwar
verstärkt aus dem angloamerikanischen Raum stammen, ge-
ben eine eindeutige Botschaft: Es lohnt sich, prospektiv ins
BGM zu investieren, was diverse Kostenvektoren betrifft. Der
Zusammenhang zwischen BGM und Wertschöpfung ist be-
stimmbar und zeigt auf, dass ein kennzahlenbasierter Ansatz
eines erweiterten Gesundheitscontrollings angemessen ist.
; Box 5-11: Der prospektive ROI von BGM Ù Value of Health

Welche Instrumente lassen sich zur Bewertung einsetzen?

Mit diesen Überzeugungsargumenten können Sie an den Start ge-


hen und sich gegen typische Vorurteile wappnen. In den nächsten
5 Abschnitten möchten wir Ihnen Werkzeuge an die Hand geben, mit
denen Sie ihre Effektivität und Effizienz im Bereich BGM bewerten
können. Als Praktiker ist man hier oft allein gelassen.

Gesundheitsökonomische Evaluationen: Man sucht zum Fachbuch


„Gesundheitsökonomik“ von Breyer et al. (2013), das sich mit
mikroökonomischen Analyseinstrumenten der Allokation knapper
Ressourcen im Gesundheitswesen befasst, ein Pendant für BGM,
um die Wirtschaftlichkeit der eigenen Maßnahmen und die Ange-
Rationalisierung messenheit der Ressourcenzuteilung zu bestimmen. In der Ge-
vor Rationierung sundheitsökonomik interessiert man sich für die Wirtschaftlich-
keitsanalyse im Gesundheitswesen. Kosten-Nutzen-Analysen sollen
helfen, die knappen Ressourcen effektiv und effizient für eine
gesunde Gesellschaft einzusetzen. Wirksamkeitsstudien helfen
dabei, Zusammenhänge zu erkennen und ökonomisch zu bewer-
ten. Eine gute Ausgangsbasis stellt das Buch von Schöffski & von
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 291 A 5.4
der Schulenburg (2012) dar. Anhand gesundheitsökonomischer
Evaluationen zeigt es auf, dass eine effiziente Ressourcenallokati-
on bzw. Rationalisierung medizinischer Leistungen und Programme
kein Zufall ist. Nach Darstellung methodischer Grundlagen gehen
die Autoren auf die Datengenerierung und Auswertung ein. An-
schließend widmen sie sich der Bewertung von Lebensqualitätsef-
fekten sowie der Qualität und Akzeptanz gesundheitsökonomi-
scher Evaluationsstudien.

Die } Abbildung 69 stellt einige typische Maße zusammen, die wir Wirtschaftlich-
in der Praxis einsetzen können, um die Effizienz und Effektivität keitsmaße
vom BGM zu eruieren. Interessant ist dabei stets der Marktver-
gleich, um seine eigenen Kostenstrukturen kritisch zu benchmar-
ken. Das veröffentlichte Zahlenmaterial ist aber spärlich und feh-
lerbehaftet. Warum? Gerade bei den Kostenstrukturen wird deut-
lich, dass ein rationales Kostencontrolling auch latente und indi-
rekte Kosten berücksichtigen muss. Denken Sie nur an Service-
und Qualitätskosten! Diese sind aber nicht einfach aus vorhande-
nen Kennzahlen zu generieren. Die nachfolgenden Empfehlungen
basieren auf Erkenntnisse des Arbeitssystemcontrollings (Sengotta,
1998), der Kosten-Wirksamkeits-Analyse (Zangemeister & Nolting,
1997), des Kostencontrollings (Stelling, 2009), Personalcontrollings
(Schulte, 2011) und Finanzcontrollings (Mensch, 2008). Die Prob-
lematik liegt im Bereich der Ermittlung der Zusatzkostenanteile
aus der Kostenstruktur der betrieblichen Kostenrechnung, weil
diese sich z. B. in Gemeinkostenpositionen verstecken. Wie hoch
ist z. B. der durch Vertretungsorganisation hervorgerufene zusätz-
liche Verwaltungsaufwand? Die Studien zeigen, dass man hier auch
einen prospektiven Ansatz wählen und die Opportunitätskosten für
nicht erfolgte BGM-Maßnahmen zugrunde legen kann. Der Schat-
tenpreis eingesparter BGM-Maßnahmen kann erhebliche Ausmaße
annehmen. Eine Übersicht zur Wirtschaftlichkeit bietet der Artikel
von Thiehoff (Meifert & Kesting, 2004, S. 57-77).

Eine Kostenanalyse ist eine notwendige Bedingung für die


Wirtschaftlichkeitsmessung. Je differenzierter die Kosten-
stellen und Kostenträger abgebildet werden, desto valider
lässt sich eine angemessene Abwägung zwischen notwendigen
Kosten gegen die erwarteten Erträge im Sinne einer prospek-
tiven Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen. Umso besser die
Kostenstruktur mit den ermittelten Effektivitätsdaten zu-
sammengebracht werden kann, umso besser und damit auch
zuverlässiger kann man in Rahmen einer Kosten-Nutzen-
Analyse eine angemessene Abwägung zwischen notwendigen
Kosten, eingesparten Kosten und erwarteten Effekten (Erträ-
gen) erzielen. Es lohnt sich, ehrlich zu sein!
5 A 292 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

(LJHQOHLVWXQJ 0DUNWZHUW 9HUJOHLFKVZHUWH

+LQZHLV6HKUVHQVLEOHU%HUHLFK9HUJOHLFKHRIWKLQNHQG
'HQQRFKVWHOOWGHU9HUJOHLFKHLQH2ULHQWLHUXQJVKLOIHGDU

.RVWHQVWUXNWXU =XVDW]NRVWHQ (IIL]LHQ]

$UEHLWVNRVWHQ .RVWHQaußerhalb Standard


*HVDPWNRVWHQ .RVWHQaußerhalb Gesetz
*HPHLQNRVWHQ 6R]LDOH9HUDQWZRUWOLFKNHLW
(UO|VH 3UlYHQWLRQVNRVWHQ

/HLVWXQJVVWDWLVWLN (IIHNWLYLWlW

(LJHQFRQWUROOLQJ

8QJHVW|UWH
$UEHLWVVWXQGHQ
)LQDQ]NHQQ]LIIHUQ
$UEHLWVV\VWHPFRQWUROOLQJ )LQDQ]FRQWUROOLQJ

6HUYLFHVFKHLQH%*)%*0 'LHQVWOHLVWXQJ

} Abbildung 69: Wirtschaftlichkeitsmaße

Werkzeuge zur In der Praxis empfehlen sich vier Herangehensweisen, um Wirt-


Wirtschaftlich- schaftlichkeitsmessung durchzuführen.
keitsmessung
1. Leistungsstatistik
2. Kosten ungestörter Arbeitsstunden
3. Finanzkennziffern
4. Servicescheine

5 Erstes Werkzeug: Informationen zur Leistungsstatistik

Zur Leistungs- In der Leistungsstatistik bilden wir die variablen und fixen Kosten
statistik auf Strukturvariablen ab. Die Struktur kann bspw. bei einem grö-
ßeren Unternehmen durch die Standorte bestimmt sein. Neben
den Kosten (Gesamt-, Fix- und variable Kosten) wie Maßnahmen-,
Infrastruktur-, Leasing- verbrauchsabhängige und Personalkosten
betrachten wir noch die Betreuungsdichte (Anzahl betreuter in-
terner und externer Mitarbeiter) und die Einsatzstunden sowie die
Ressourcen bzw. die Kapazitätsverteilung nach bestimmten
Schlüsseln des BGM, wobei man v. a. zwischen vorgeschriebenen
und freiwilligen Leistungen differenziert. Dieser Ansatz lässt sich
hervorragend durch ein Excel-Sheet im Sinne des Eigencontrollings
realisieren und damit als Grundlage für Diskussionen in Bezug auf
Investitionen nutzen. Folgende Gruppenschlüssel sind bspw. denk-
bar, die sich weiter nach Tätigkeiten aufschlüsseln lassen:
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 293 A 5.4
x administrative Tätigkeiten
x Bereitschaftsdienste
x betriebliche Veranstaltungen
x betriebsärztliche Vorsorge nach Gesetz
x Betriebsbegehungen
x Forschung
x Fortbildungen
x Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung
x medizinische Betreuung, Primärversorgung und Beratung
x Wiedereingliederung
Diesen Tätigkeiten lassen sich dann folgende messbare Parameter
im Excel-Sheet zuordnen: Anzahl der Leistungen, Minuten pro
Leistung, Gesamtzeit in Stunden, prozentualer Anteil der Jahres-
arbeitszeit, berufsgenossenschaftliche Jahreseinsatzzeit etc.
Tipp: Man sollte bei der Zuordnung darauf achten, dass möglichst
nicht weniger als 0,2 FTE (Vollzeitäquivalente) einer Aktivität
zugeordnet werden, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Viele
Bereiche im Gesundheitsmanagement fangen mit solchen Statisti-
ken erst an, wenn der Unternehmensberater diese im Sinne eines
Rechenschaftsberichts abverlangt. Wir empfehlen dringend, diese
Statistik von Anfang an systematisch zu pflegen.

Leistungsstatistik
Auch wenn der Aufwand zunächst eine Hürde darstellt, emp-
fiehlt sich ein Eigencontrolling. Letzteres muss systematisch
erfolgen sowie Strukturfaktoren und relevante Parameter der
Leistungsstatistik berücksichtigen (Kosten, Betreuungsdichte,
Einsatzstunden, Ressourcen und Kapazitätsverteilung).
; Box 5-12: Leistungsstatistik als Instrument des Eigencontrollings

Zweites Werkzeug: Kosten ungestörter Arbeitsstunden

Viele Controller berechnen beim Erlös in Bezug auf BGM die einge- Kosten unge-
sparten Lohnfortzahlungen. Diese stellen aber nur die Spitze des störter Arbeits-
Eisberges dar. Die Theorie der Betriebsunterbrechung zeigt auf, stunden
dass die Höhe des durch Arbeitsunfähigkeit tatsächlich ausfallen-
den Umsatzes zuzüglich derjenigen Mehrkosten, die bei ungestör-
tem Betriebsablauf nicht entstanden wären, beträchtlich höher als
die Lohnfortzahlungen ausfallen kann. Ein mögliches Maß zur Be-
stimmung dieser Kosten stellt der Kennwert „Kosten ungestörter
Arbeitsstunden“ dar (} Abbildung 70, S. 295). Die Gesamtheit
aller ungestörten Arbeitsstunden definiert sich als Differenz aller
„eingekauften Arbeitsstunden“ (maximale Arbeitskapazität der
5 A 294 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Mitarbeiter) und der aufgetretenen Ausfallstunden. Als Ergebnis


erhält man die Sicherungs-/Gesundheitsförderungskosten pro un-
gestörter Arbeitsstunde im betrachteten Zeitraum. Voraussetzung
ist aber eine angemessene Erfassung der Kosten (Leistungsstatis-
tik). Je wirkungsvoller die BGM-Maßnahmen sind, desto geringer
werden die Ausfallstunden und damit die Kosten der ungestörten
Arbeitsstunden ausfallen. Die Kosten liegen durchschnittlich bei
0,20 € bis 0,30 € für die ungestörte Arbeitsstunde (Branchenab-
hängigkeit). Die Ausfallzeitkosten pro Vollzeitäquivalent und Tag
lassen sich flankierend ermitteln (} Abbildung 70) (Klingler, 2005,
S. 103). Dass sich oft diese Kosten nicht direkt manifestieren, liegt
daran, dass man Produktionspuffer ungeplant oder geplant zur
Erhöhung der Flexibilität und Steigerung der Reservekapazitäten
einsetzt. Diese werden aber nicht ausreichend in der Kostenanaly-
se berücksichtigt. Ferner nehmen die weichen Faktoren wie Ar-
beitszufriedenheit und & Commitment an Bedeutung zu, die sich
in verminderter Abwesenheit und & Fluktuation niederschlagen
können. Auch Veränderungen wie Arbeitszeitschwankungen und
Abweichungen in der Produktionsstruktur sind zu beachten.

Kosten ungestörter Arbeitsstunden

Hier handelt es sich nicht nur um ein Wirksamkeits-, sondern


auch um ein Effizienzmaß, da die Kosten für BGM mit einem
Nutzenindikator (Anzahl ungestörter Arbeitsstunden) in Be-
ziehung gebracht werden. Dieser Indikator bezeichnet den
Aufwand des Unternehmens zur Gewährleistung einer Stunde
ungestörter Arbeit. Investitionen in das BGM haben sich ge-
rechnet, wenn dieser Indikator im Zeitablauf sinkt. Dafür
kann es zwei Ursachen geben: Zum einen können die Kosten
für die BGM-Maßnahmen oder die Initialinvestitionen redu-
5 ziert worden sein, zum anderen kann die Anzahl der unge-
störten Arbeitsstunden zugenommen haben.
; Box 5-13: Kosten ungestörter Arbeitsstunden als wichtiges Maß

„Wie wertvoll der Mensch mit seiner Arbeitskraft ist, wird


auch an den anfallenden Kosten deutlich, wenn er nicht mehr
arbeiten kann: Allein 2002 betrug der Produktionsausfall in
Deutschland durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit
44,15 Mrd. €. Rund ein Drittel dieser Arbeitsunfähigkeit steht
dabei im Zusammenhang mit der Arbeit, d. h., sie wird durch
die Arbeitsbedingungen verursacht oder in ihrem Verlauf un-
günstig beeinflusst. Die eingesparten Mittel für Gesundheit
und Sicherheit reduzieren also nicht wirklich die Kosten.
Schätzungen gehen davon aus, dass sich 30 bis 40 % dieser
krankheitsbedingten Ausfallzeiten durch ein effizientes Ma-
nagement von Gesundheit und Sicherheit vermeiden ließen.“
(BAuA, 2007, S. 15)
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 295 A 5.4
Kosten BGM
Kosten ungestoerter Arbeitsstunden
Eingekaufte Arbeitsstunden  Ausfallstunden

*HVXQGKHLWVI|UGHUXQJVNRVWHQ
SURXQJHVW|UWHU$UEHLWVVWXQGH

ª Anzahl erkrankter MA u Dauer der Erkrankung  º


« »
« Anzahl verunfallter MA u Dauer der Nachunfallzeit u»
« Durchschnittsgehalt pro Tag »
Ausfallzeitkosten ¬ ¼
Summe Vollzeitäquivalente

$XVIDOO]HLWNRVWHQ
S U R  9R O O ] H L W l T X L Y D O H Q W  X Q G  7D J

%HWULHEH LQWHUQ
%HQFKPDUNLQJRSWLRQ
%UDQFKHQ %*

} Abbildung 70: Kosten ungestörter Arbeitsstunden

Drittes Werkzeug: Informationen zu Finanzkennziffern

Im Kontext der Wirtschaftlichkeitsmessung werden Verantwortli- Finanz-


che der betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen mit diversen Fi- kennziffern
nanzkennziffern konfrontiert. Nicht alle Maße eignen sich hier zur
Bestimmung der Wirtschaftlichkeit von BGM-Maßnahmen. Proble-
matisch ist, dass meistens Verhältniszahlen mit Finanzkennziffern
gebildet werden, um den Beitrag des BGM an der Wertschöpfung
zu ermitteln. Die  Tabelle 5-7 stellt wichtige Finanzkennziffern
mit einer Bewertung, ob sie sich für BGM eignen, dar. Es gibt noch
weitere Controlling-Kennzahlen wie Working Capital (Umlaufver-
mögen minus kurzfristigem Fremdkapital bzw. Verbindlichkeiten).

 Tabelle 5-7: Finanzkennziffern aus Sicht des BGM

Kennzahlen Beschreibung Eignung BGM


[Umsatz — (operative Kosten Personalaufwand)]
Kapitalrendite
Personalaufwand
des Human-
l
kapitals Wie viel Euro wird durch einen Euro Personalauf-
(HCROI) wand erwirtschaftet?
Wertschöpfung [Umsatz — (operative Kosten Personalaufwand)]
des Human- ¦ Vollzeitäquivalente
n
kapitals
(HCVA) Durchschnittliche Wertschöpfung Humankapital
5 A 296 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Kennzahlen Beschreibung Eignung BGM


Netto — Gewinn
Net Operating ¦ Vollzeitäquivalente
Profit after p
Tax (NOPAT) Rechnungslegungsvorschriften nicht eindeu-
tig! Damit besteht auch Manipulationsgefahr.
EBIT
¦ Vollzeitäquivalente
Earnings be-
fore Interest Bereinigend von außerordentlichen, oft
regional determinierten Positionen und l
and Taxes
(EBIT) Steuern; überall in Geschäftsberichten er-
sichtlich. Hier betrachtet man den Gewinn
der betrieblichen Tätigkeit.
[EBIT / Umsatz] u 100%

EBIT-Marge Aussage zur Rentabilität und Vorteile des n


EBIT-Maßes berücksichtigend. Daher eignet
sich diese Finanzkennzahl sehr gut für BGM.
Jahresüberschuss
¦ Vollzeitäquivalente
Jahresüber-
p
schuss Gewinnbeitrag pro Mitarbeiter, jedoch
schwierig vergleichbar.
Cash Flow (operative Tätigkeit)
¦ Vollzeitäquivalente

Der Cash-Flow ist der Nettozufluss liquider


Cash Flow Mittel pro Periode. Er variiert sehr stark p
(Zahlungsmittelüberschuss). Er ist jedoch
unabhängiger von Rechnungslegungsstan-
dards als NOPAT.
Umsatz
¦ Vollzeitäquivalente
Umsatz p
5 Zu stark schwankend, daher nicht geeignet!
[Jahresüberschuss / Umsatz] u 100%

Umsatzrendite Prinzipiell geeignet; EBIT-Marge ist in Bezug l


auf BGM optimaler, da der Gewinn bei der
Umsatzrendite schwankungsanfälliger ist.
Kostenfaktoren
¦ Vollzeitäquivalente

Vollkosten des Kostenfaktoren: Personalaufwand + Kosten


Humankapitals für Zeitbeschäftigte + Kosten für Abwesen- l
(HCCF) heit + Kosten für Fluktuation

Schwierig zu ermitteln (oft Schätzwerte),


aber Kostenrelevanz verdeutlichend!
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 297 A 5.4
Verhältniszahlen mit Finanzkennziffern
Aus Sicht des BGM sind HCVA (Wertschöpfung des Humankapi-
tals) und EBIT-Marge (Gewinn und Umsatz berücksichtigend)
sinnvolle Finanzkennzahlen. An dieser Stelle ist zu betonen,
dass das Wesen vom BGM langfristig und nachhaltig ausge-
richtet und der Beitrag zur finanziellen Wertschöpfung größ-
tenteils indirekt abgebildet ist. Daher empfehlen wir den Fo-
kus auf Leistungskennzahlen. Nur so laufen wir nicht Gefahr,
dass die Bedeutung BGM unerkannt bzw. unterschätzt bleibt.
; Box 5-14: Finanzkennzahlen zur Wirtschaftlichkeitsmessung

Viertes Werkzeug: Informationen zu Servicescheinen

Es empfiehlt sich, generell mit Servicescheinen (Service-Level- Servicescheine


Agreement) zu operieren. Eigentlich sind Servicescheine eine Art
Bestandteil von Dienstleistungsverträgen, v. a. bekannt beim IT-
Servicemanagement zwischen Providern und deren Kunden. Hier
geht es um Verfügbarkeit der Leistung, Bereitschaftszeiten, Eska-
lationsstufen, Reaktionszeiten, Fehlerbehebungszeiten, Berichter-
stattung und Sicherheit. Da BGM Dienstleistungscharakter auf-
weist, ist es wichtig, diese Dienstleistungen angemessen zu dosie-
ren und zu überprüfen. Im Sinne des Qualitätsmanagements wer-
den damit nachvollziehbare Qualitätskriterien definiert
(ª Kap. 5.1, S. 216). Zudem lassen sich Investitionen konkretisie-
ren, wenn man die Qualitätskriterien als Maßstab definiert. In
diesen SLA-Scheinen werden folgende Daten abgebildet:
x Produkt bzw. Dienstleistung,
x Produkt-bzw. Leistungsbeschreibung,
x Produkt- bzw. Leistungsbestandteile,
x Verantwortlichkeiten und Kunden, dabei u. a.
ƒ Verantwortung der Leistungserbringer sowie
ƒ Verantwortung der Leistungsempfänger,
x Servicelevel, dabei u. a.
ƒ Leistungsstandards (quantifizierbare Parameter),
ƒ Messgrößen (Monitoring und Reporting) sowie
ƒ Zielgrößen und
x Regelungen der Folgen bei Nicht- oder Schlechterfüllung.
5 A 298 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Wie sieht ein solcher Serviceschein konkret aus? Als Produkt ha-
ben wir uns für „Gesundheitspsychologische, wissenschaftliche
Begleitung von Gesundheitsprojekten“ entschieden. Bei dieser
Fragestellung bleibt der Punkt „Regelung der Folgen bei Nicht-
oder Schlechterfüllung“ unberücksichtigt.
SLA-Scheine
Produkt
x Gesundheitspsychologische, wissenschaftliche Begleitung von
Gesundheitsprojekten

Leistungsbestandteile
x Entwicklung
ƒ Entwicklung und Konzeption von Gesundheitsprojek-
ten im interdisziplinären Austausch mit anderen Fach-
disziplinen (Arbeitsmedizin, Sozialmanagement, Per-
sonal)
ƒ wissenschaftliche Literaturrecherche und Bewertung
der empirischen Datenbasis
ƒ Erstellung eines Projektrahmenplans
ƒ Maßnahmenentwicklung
ƒ Entwicklung von Kennzahlensystemen
x Evaluation der Projekte und der Maßnahmen
ƒ Feedbackbefragungen
ƒ Kennzahlenauswertung
ƒ Verrechnung qualitativer und quantitativer Parameter
x Beratung und Unterstützung bei der Implementierung
5 ƒ Organisations- und Moderationsaufgaben
ƒ Teilnahme an Informations- und Steuerungsgremien
ƒ Konzeption und Durchführung von Workshops
Verantwortlichkeiten der Kunden
x Input/Rückmeldung hinsichtlich des Bedarfs in der Praxis
x Teilnahme an Informations- und Steuerungsgremien
x Teilnahme an Gesundheitsmaßnahmen
x Teilnahme an der Evaluation
x Teilbudgetierung von Gesundheitsmaßnahmen (Restbudgetie-
rung durch Krankenkassen)
Servicelevel (Leistungsstandards Æ Messgröße Æ Zielwert)
x Literaturübersicht, kundenorientierte Abbildung der zentralen
Ergebnisse Æ erfolgt/nicht erfolgt Æ erfolgt
Baustein 2: Wirtschaftlichkeitsmessung 299 A 5.4
x Aussagekräftige Kennzahlen entwickelt Æ erfolgt/nicht er-
folgt Æ erfolgt
x Konzepte und Maßnahmen sind kundenorientiert Æ Kunden-
rückmeldung positiv/negativ Æ positiv
x Konzepte und Maßnahmen sind wissenschaftlich gesichert Æ
Bewertung in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit posi-
tiv/negativ Æ positiv
x Evaluationsbericht zu den Gesundheitsmaßnahmen erstellt Æ
erfolgt/nicht erfolgt Æ erfolgt

Die Wirtschaftlichkeitsmessung ist sinnvoll. Man sollte v. a. im


Sinne des Eigencontrollings eine Leistungsstatistik führen und über
Servicescheine entsprechende Qualitätskriterien definieren. Die
Abbildung der Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit durch Finanz-
kennziffern kann flankierend, darf aber nicht isoliert erfolgen, da
hier wesentliche Erfolgsmaße im BGM unberücksichtigt bleiben.
Das Treiber-Indikatorenmodell zeigt uns Stellhebel auf, die auf
Frühindikatoren verweisen (} Abbildung 50, S. 256). Diese Früh-
indikatoren sind mit klassischen Spätindikatoren wie Fehlzeiten zu
verknüpfen. Damit wird deutlich, dass eine aussagekräftige Wirt-
schaftlichkeitsmessung nur über eine & Health Balanced Score-
card abgebildet werden kann (} Abbildung 45, S. 242). Im
Kap. 5.6 (ª S. 314) stellen wir Ihnen ein praxisnahes Konzept der
Gesundheitsscores dar.

 Zusammenfassung zum Baustein Wirtschaftlichkeitsmessung


x Wertschöpfungsfaktor Gesundheit: Umfangreiche Nachweise
v. a. aus der internationalen Fachliteratur belegen den & Re-
turn on Investment von BGM-Maßnahmen, der sich durch-
schnittlich zwischen 1:2 und 1:10 für & Absentismus und zwi-
schen 1:2 und 1:6 für medizinische Kosten bewegt. BGM kann
eindeutig eine Fehlzeitenreduktion erreichen, wenn die Maß-
nahmen nachhaltig und aufeinander abgestimmt sind (koordi-
nierte Mehrkomponenten-Programme).
x Evidenzbasierung: Die & Evidenzbasis für verhaltens- und
verhältnispräventive Maßnahmen des BGM ist gegeben. Was
aber fehlt, sind randomisierte kontrollierte Studien an der
Spitze der Evidenzhierarchie im betrieblichen Kontext. Den-
noch reicht der Nachweis des beobachteten Ursache-Wirkungs-
Zusammenhangs aus, um den BGM-Maßnahmen entsprechende
Evidenz zuzuweisen. Damit dürfte eine ausreichende Legiti-
mationsbasis für die Praxis gegeben sein.
x Prospektiver Return on Investment: Viel zu oft wird aus kos-
tentechnischer Sicht der Blick ausschließlich retrospektiv ge-
richtet, wenn es sich um das Verhältnis von Kosten und Ge-
5 A 300 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

winn dreht. Wir verfügen über eine Datenlandschaft, die uns


für unterschiedliche beeinflussbare Risikofaktoren, bspw.
mangelnde Bewegung, Stress, Fehlernährung, Diabetes oder
Rauchen, die künftigen Gesundheitskosten errechnen lassen.
Diverse "Risiko-Kostenrechner" erlauben eine in die Zukunft
gerichtete Kalkulation und verdeutlichen mit Nachdruck, wie
wichtig BGM ist.
x Wirtschaftlichkeitsmaße: Ein wichtiges Maß für Wirtschaft-
lichkeit ist und bleibt die Kostenstruktur. Dabei sind v. a. auch
diejenigen Kosten zu beachten, die entstehen, wenn man
BGM-Maßnahmen nicht durchführt. Die Studien bieten hier
ausreichende Berechnungsmöglichkeiten, um den Schatten-
preis zuverlässig und gültig zu bestimmen.
x Leistungsstatistik: Die Leistungsstatistik ermöglicht Transpa-
renz der Kosten, der Leistung und der Ressourcen. Bestim-
mende Faktoren wie Standorte oder Kunden geben die Struk-
tur vor. Die Leistungsstatistik ist ein sinnvolles und notwendi-
ges Instrument des Eigencontrollings.
x Kosten ungestörter Arbeitsstunden: & Unfallkostenrechnun-
gen und Lohnfortzahlungen fokussieren auf eine klassische
Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Die Ausfallkostenrechnung
muss sich jedoch davon lösen und das Ziel der Minimierung der
Betriebsstörungen fokussieren. Das Arbeitsschutzkostencon-
trolling lässt sich auf BGM erweitern und die Kosten der unge-
störten Arbeitsstunde als Wirksamkeits- und Effizienzmaß ein-
setzen. Hier werden die eingesetzten Ressourcen in Verhältnis
zu den ungestörten Arbeitsstunden im Sinne der Minimierung
der Betriebsstörungen gesetzt.
x Finanzkennziffern: Aus Sicht des BGM sind HCVA (Wertschöp-
fung des Humankapitals) und EBIT-Marge (Gewinn und Umsatz
5 berücksichtigend) sinnvolle Finanzkennzahlen. Man muss sich
aber über die eingeschränkte Aussagekraft von Relationswer-
ten zwischen Gesundheitskosten und Gewinn-/Rentabilitäts-
werten bei der Anwendung im Klaren sein. Viele Erfolgsfakto-
ren im BGM sind indirekt und wirken erst nachhaltig. Eine ver-
kürzte Sichtweise durch Finanzkennziffern kann zu falschen
und überstürzten Entscheidungen führen.
x Servicescheine: Servicescheine im Sinne von Service-Level-
Agreements eignen sich hervorragend für das BGM. Hiermit
lassen sich Dienstleistungen exzellent „dosieren“ und überprü-
fen. Damit erzielen wir eine kontinuierliche Qualität und kön-
nen auch Investitionsbedarf bei den Besitzern der Ressourcen
nachdrücklich verdeutlichen.
 Check-Liste 11: Wirtschaftlichkeitsmessung
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 301 A 5.5

5.5 Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung


psychischer Faktoren

Die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastun-


gen hat seit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes im Okto-
ber 2013 in Bezug auf die ausdrückliche Berücksichtigung psychi-
scher Faktoren in der Gefährdungsanalyse auffallend zugenommen
(Rechtsgrundlagen: ª Kap. 2.4, S. 78).

Wenn man den Umsetzungsstatus in Deutschland aus empirischer Unsicherheit


Sicht bewertet, wird deutlich, dass offensichtlich Unklarheit be- überwiegt
steht, wie diese Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
zu verwirklichen ist. Die DGPPN-Studie (Hofmann, 2014) bestätigt,
dass Deutschland hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung bei
psychosozialen Risikofaktoren nur im unteren Mittelfeld rangiert.
Auf der einen Seite ist die Durchführung gesetzlich legitimiert, auf
der anderen Seite stellt sich die Frage, was passiert, wenn man es
nicht tut. In Deutschland ist vorerst aufgrund der unklaren Regula-
rien hier eine Grau- und Wartezone entstanden. Andere Länder
wie Frankreich zeigen aber, dass es auch anders gehen kann. Eine
Haftung wie in Frankreich im Sinne von Bußgeld oder sogar straf-
rechtlicher Verfolgung bei Missachtung schafft Impulse zur ernst-
haften Umsetzung. In Dänemark können Arbeitnehmer beim zu-
ständigen Arbeitsgericht gefährdende Situationen melden, was
dann eine entsprechende Inspektion nach sich zieht.

Schaffen Sie sich Klarheit! Wer das Thema umfassend für sich
erarbeiten möchte, dem empfehlen wir die Ausarbeitung der Bun-
desanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, 2014). Der
Webanhang nach Registrierung bietet Stellungnahmen von Exper-
tinnen und Experten sowie Beispiele aus der Praxis.
Wer kurz und bündig über das Wesentliche zur Gefährdungsbeur-
teilung psychischer Belastungen informiert werden möchte sowie
praxisbezogene Hinweise zur Vorgehensweise und zu den Instru-
menten benötigt, empfehlen wir das Essential zur Begründung, zu
Instrumenten und zur Umsetzung vom Autor Treier (2015b).

Warum ist das Thema so brisant?

Die empirische Herleitung (ª Kap. 1, S. 15) und die Erörterung Keine


verschiedener Aspekte psychischer Belastungen (ª Kap. 3.2, Psychoblase
S. 117) offenbaren, dass das Thema keine Psychoblase ist. Im Ge-
genteil manifestieren Krankenstatistiken, Studien zur psychischen
Gesundheit und zur Stresssituation in der Arbeitswelt unisono,
dass die psychischen Belastungen eine reale Herausforderung der
5 A 302 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

modernen Arbeitswelt darstellen (Lohmann-Haislah et al., 2012;


 psyGA). Da diese psychischen Belastungen ein erhebliches Ge-
fährdungspotenzial aufweisen sowie kurz- und langfristige Bean-
spruchungsfolgen nach sich ziehen können, ist eine Erfassung die-
ser Risikofaktoren in der Arbeitswelt zwingend erforderlich (Stad-
ler & Spieß, 2003). Nur so kann gewährleistet werden, dass die
psychische Gesundheit nicht Schaden nimmt. Roschker (2014)
zeigt die soziale und ökonomische Relevanz der psychischen Ge-
sundheit für Gesellschaft und Unternehmen auf.

Bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in der


Arbeitswelt betrachtet man nicht die Folgen wie Burnout (auch
wenn diese Folgen oft das eigentliche Thema aufgrund ihrer Medi-
enbedeutung überlagern). Vielmehr befasst man sich mit den ob-
jektiven Einfüssen, die von außen auf den Menschen zukommen
und auf ihn einwirken. Viel zu oft werden aber gerade in der Pra-
xis Belastungen und Beanspruchungen in einem Topf geworfen
(zur Entwirrung der Begriffe in Anlehnung an die DIN EN ISO
10075-1 siehe  Tabelle 3-1, S. 111). Belastungsfaktoren sind
Arbeitsmerkmale wie qualitative oder quantitative Unter- oder
Überforderung oder der zugestandene Handlungsspielraum.

Wie gehen wir vor?

Der Einstieg Eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist komplex,


da nach der Ermittlung von Gefährdungen auch Beurteilung, Ver-
änderung und Wirksamkeitskontrolle erfolgen. Ein systematisches
Vorgehen schafft hier Sicherheit und Transparenz. Eine Projektor-
ganisation ist aufgrund der vielen involvierten Akteure zu empfeh-
5 len. Der Lenkungskreis sollte aus Bedeutungssicht gut positioniert
sein und paritätisch die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ver-
treten. Eine externe Beratung und Unterstützung empfiehlt sich.
Eine Entkoppelung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belas-
tungen vom etablierten Arbeitsschutz ist nicht zielführend. Gene-
rell ist aufgrund der Gefahr von Missverständnissen eine umfas-
sende Vorabinformation erforderlich. Den Auftakt könnte nach
Festlegung der organisatorischen Abbildung eine Schulung mögli-
cher Multiplikatoren sein. Dabei ist auf die Schaffung einer ge-
meinsamen Verständigungsgrundlage Wert zu legen.

Wenn jemand die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastun-


gen als eine wie auch immer zu verstehende „Beklopptenanalyse“
begreift, dann besteht großer Bedarf an Aufklärung. Diese ist auf
jeden Fall vor der Umsetzung zu erfolgen, denn die Gefährdungs-
beurteilung hat nichts mit dem psychischen Zustand einzelner
Personen zu tun, sondern mit den Arbeitsbedingungen.
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 303 A 5.5
Vom Prinzip kann man die Gefährdungsbeurteilung psychischer Wie eine Mitar-
Belastungen wie eine Gesundheitsbefragung in einer Organisation beiterbefragung
durchführen. Dies ist in Anbetracht der Zugangsprobleme und
Verständnisschwierigkeiten bei diesem Thema im Hinblick auf
andere alternative Herangehensweisen wie Beobachtungen oder
Interviews (siehe unten) der angemessene Weg. Dabei ist eine
Koordination der Gefährdungsbeurteilung unter Beteiligung der
Arbeitsschutzausschusses zielführend (vgl. Morschhäuser et al. in
BAuA, 2014, S. 38). Eine Darstellung der Schritte vom Projekt bis
zur Implementierung zeigt die  Tabelle 5-8 nach Holm und Ge-
ray (2012, S. 19 ff.) (angepasst nach Treier, 2015b, S. 30 ff.).

 Tabelle 5-8: Umsetzungsschritte einer Gefährdungsbeurteilung

Schritte Erläuterung zu den Schritten


Verbindlichkeit schaffen
Um Verbindlichkeit zu schaffen, empfiehlt es sich, eine Betriebs-
1. Vereinbarung
bzw. Dienstvereinbarung zwischen Mitbestimmung und Arbeitge-
ber festzulegen.
Workshop als Verständigungsgrundlage
Aufgrund der begrifflichen Unklarheit und der Tabuisierung sollte
2. Gemeinsamkeit ein extern moderierter Workshop mit zentralen Anspruchsgrup-
pen als Einstieg erfolgen. Dieser sollte die Grundsätze bei der
Umsetzung abbilden.
Bildung einer Steuerungsgruppe
Im Sinne des Projektmanagements sollte zeitnah ein Lenkungs-
kreis mit paritätischer Besetzung (Arbeitnehmer- und Arbeitge-
3. Steuerung
berseite sowie Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit,
Schwerbehindertenvertretung etc.) einberufen werden. Er be-
stimmt das weitere Vorgehen und evaluiert den Fortschritt.
Qualifizierung und Sensibilisierung der Akteure
Die Personen des Lenkungskreises und alle anderen mit der wei-
teren Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beauftragten
4. Qualifizierung
Personen sind entsprechend zu schulen. Hier empfiehlt sich eine
interne Schulung durch externe Experten. Führungskräfte sollten
flächenhaft für das Thema sensibilisiert werden.
Festlegung des konkreten Vorgehens
Ein Konzept sollte das Vorgehen bei der Erfassung psychischer
Belastungsfaktoren, die Einbindung der Beschäftigten, die Rück-
5. Konzept meldung der Ergebnisse und Dokumentation sowie die Maßnah-
menumsetzung bis zur Evaluation beschreiben. Dieses Konzept
sollte dann als kommentierender Anhang für eine Dienstverein-
barung verwendet werden.
5 A 304 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Schritte Erläuterung zu den Schritten


Einbeziehung der Beschäftigten
Da das Thema nicht selten mit Missverständnissen einhergeht
(bspw. „Beklopptenanalyse“), sollten die Beschäftigten über
Sinn und Zweck des Vorgehens unterwiesen werden. Die Wech-
6. Einbindung
selwirkung zwischen Arbeitsbedingungen und psychischer Ge-
sundheit gilt es zu erläutern. Da die Gefährdungsbeurteilung
vielfach über Befragungsinstrumente oder Interviews erfolgt, ist
die Mitarbeit der Betroffenen ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Analyse vorhandener Unterlagen und Daten
Fehlzeitenanalysen, AU-Quoten, Fluktuationszahlen, Analysen
der Unfallversicherungsträger oder betriebsbezogene Kranken-
7. Voranalyse kassenberichte bis zu Produktions- und Qualitätskennzahlen
geben Hinweise auf Baustellen oder auf Bereiche, die aus Sicht
der Gefährdungsanalyse zu fokussieren sind. Meistens findet man
auch in Mitarbeiterbefragungen Hinweise.
Auswahl von Pilotbereichen
Eine flächendeckende Analyse von Anfang an sollten nur erfah-
rene Organisationen durchführen. Falls Neuland betreten wird,
8. Pilotisierung sind Bereiche auszuwählen, die für eine Pilotisierung von der
Größenordnung über Akzeptanz bis zur Lösungswahrscheinlich-
keit geeignet sind. Denn diese sichern den Erfolg in Bezug auf
eine anschließende flächendeckende Umsetzung.
Grobanalyse durch Befragung
Da sich psychische Belastungsfaktoren im Rahmen einer Bege-
hung kaum valide erheben lassen, nutzt man zum Screening oft
befragungsbasierte Instrumente. Diese können auch klassische
wie physische Belastungen oder organisatorische Faktoren miter-
fassen, um die Wechselwirkung zwischen den Bereichen zu ver-
9. Screening deutlichen. Man kann aber auch die klassische Gefährdungsana-
lyse getrennt laufen lassen. Die Vorteile einer Befragung sind die
Reichweite (Einbeziehen aller Mitarbeiter) und das Erzielen
einer repräsentativen Aussage. Datenschutz, Vertraulichkeit,
5 Anonymität etc. sind zu beachten. Bei der Befragung sollte man
anfänglich auf einen standardisierten Fragebogen mit vorliegen-
den Interpretationsschablonen zurückgreifen.
Ableitung von Maßnahmen aus den Ergebnissen Grobanalyse
Bevor die Ergebnisse im Unternehmen veröffentlicht werden, ist
es wichtig zu überlegen, ob die Resultate der Grobanalyse aus-
reichen, Maßnahmen abzuleiten. Diese können verhältnis- und
10. Erstmaßnahmen
verhaltensorientiert sein. Erstmaßnahmen sollten möglichst
schnell umgesetzt werden. Langfristlösungen, die die Arbeitsbe-
dingungen betreffen (Schichtmodelle etc.), sind in einem Maß-
nahmenplan zu hinterlegen.
Präsentation der Ergebnisse der Grobanalyse
Der entscheidende Erfolgsfaktor ist eine zeitnahe und adressa-
11. Präsentation tengerechte Rückkopplung. Damit werden Vertrauen und Akzep-
tanz in Bezug auf das weitere Vorgehen oder bei künftigen Be-
fragungen geschaffen.
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 305 A 5.5
Schritte Erläuterung zu den Schritten
Feinanalyse der psychischen Belastungsfaktoren
Signalisiert die Grobbewertung Handlungsbedarf, kann diesen
aber nicht spezifizieren, ist eine Feinanalyse erforderlich. Die
Feinanalyse kann mithilfe von moderierten Workshops, durch
12. Detailanalyse Beobachtungsinterviews oder psychologischen Arbeitsanalyse-
verfahren abgebildet werden. Gesundheits- und Qualitätszirkel
eignen sich als Plattform zur Feinanalyse. Die Begleitung durch
externe Experten ist zu empfehlen, falls keine eigene interne
Expertise vorliegt.
Umsetzung von Maßnahmen aus der Grob-/Feinanalyse
Bei den Maßnahmen ist es wichtig, sich nicht nur auf die
schnellen Lösungswege zu stürzen. So wird nahezu reflexartig
bei psychischen Belastungen auf der Verhaltensebene Stress-
und Zeitmanagement angeboten. Man sollte hier bedenken,
13. Umsetzung dass die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen auf
die Reduzierung von Fehlbelastungen im Bereich des Arbeitsin-
halts, der Arbeitsumgebung, -zeit und -organisation ausgerich-
tet ist. Weitere Ansatzpunkte sind Führung und Kultur. Ferner
ist nicht nur Belastungsreduktion anzustreben, sondern v. a.
auch der Aufbau von Ressourcen.
Wirkungskontrolle, Dokumentation, reflektierte Anpassung
Eine Wirkungskontrolle ist im § 3 ArbSchG vorgeschrieben. So
kann durch Teilnahmequoten, Befragungen zur Akzeptanz und
wiederholten Messungen der Gefährdungsbeurteilung etc. fest-
14. Evaluation
gestellt werden, ob Maßnahmen umgesetzt worden sind und
welche Wirkungen diese zeitigen. Der gesamte Prozess sollte
dokumentiert werden (§ 6 ArbSchG), denn nur dann findet man
Lücken oder Probleme, die gezielt angegangen werden müssen.
Übergang von der Pilotisierung zum standardisierten Prozess
Nach den Erfahrungswerten der Projektphase sollte die Über-
führung als Regelprozess erfolgen. Dabei ist festzulegen, wer
das strategische Mandat zur Gefährdungsbeurteilung der psy-
chischen Belastungen erhält (bspw. Gesundheits- und Arbeits-
15. Standardisierung schutz oder Personalbereich) und wie die Gefährdungsbeurtei-
lung im Kanon weiterer Befragungen und Untersuchungen ab-
zubilden ist. Entscheidend ist, dass die Gefährdungsbeurteilung
zum Regelinstrument wird und künftig auch nicht zur Dispositi-
on steht. Daher ist eine strukturelle Verankerung in der Pri-
märorganisation bedeutsam.

Unsicherheiten liegen bei allen Akteuren vor (vgl. Beck et al. in


BAuA, 2014, S. 14). In der Praxis lassen sich Fragen identifizieren,
die oftmals am Anfang der Diskussion auftreten (Treier, 2015b, S.
36 f.). Einige Kurzantworten zu den brennenden Fragen:

Wie oft muss eine Gefährdungsanalyse durchgeführt werden? Fragen der Praxis

Bei gleichartigen Betriebsstätten, gleichen Arbeitsverfahren und


Arbeitsplätzen werden die Gefährdungen einmal ermittelt und
beurteilt. Die Gefährdungsbeurteilung muss immer dann wieder-
5 A 306 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

holt werden, wenn sich die Umstände ändern. Laut DGUV Vor-
schrift 2 ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
alle drei Jahre bei Betrieben mit spezifischen Gefährdungen, an-
sonsten alle 5 Jahre zu wiederholen (Paridon, 2013, S. 20). In der
Praxis empfiehlt sich jedoch, am Anfang nach einem Jahr eine
Wiederholungsmessung durchzuführen, um die Maßnahmen zu
bewerten. Später reicht es aus, die Gefährdungsbeurteilung im
Zwei- oder Dreijahresrhythmus abzubilden. Bei sehr „stabilen“
Verhältnissen ist auch ein Fünfjahresrhythmus rechtfertigbar.
Muss ich dokumentieren?
Ja, die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist gemäß § 6
ArbSchG zu dokumentieren. Alle Betriebe müssen die Beurteilung
der Gefährdung, die festgelegten Arbeitsschutzmaßnahmen, die
Überprüfung der Durchführung und der Wirksamkeit der Arbeits-
schutzmaßnahmen darlegen.
Muss ich die Kosten tragen?
Anfallende Kosten lassen sich durch externe Unterstützung abpuf-
fern, denn die Berufsgenossenschaften, Rentenversicherungsträ-
gern und die Agenturen für Arbeit bieten Unterstützungsleistungen
an. Gemäß § 20 b SGB V haben die Krankenkassen die Verpflich-
tung, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Ver-
hütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren zu unterstützen,
also kann auch hier eine mögliche „Refinanzierungsquelle“ liegen.
An dieser Stelle ist auch die Kooperation mit Hochschulen v. a. im
Bereich Arbeits- und Organisationspsychologie zielführend.
Muss ich eine eigenständige Gefährdungsanalyse psychischer Be-
lastungen durchführen?
Nein, es gibt keine Pflicht, jedoch könnte eine integrierte Gefähr-
5 dungsbeurteilung aus Effizienz- und Effektivitätsgründen sinnvoll
sein. Ja, in der Praxis wird man häufig auf eine getrennte Vorge-
hensweise zurückgreifen, denn die Herangehensweisen unter-
scheiden sich von der klassischen Gefährdungsbeurteilung. Viel-
fach fehlen auch Fach- und Verfahrenskenntnisse.
Welche Bereiche muss ich analysieren?
Es empfiehlt sich, Organisationseinheiten und ggf. auch besondere
Beschäftigtengruppen (z. B. Mitarbeiter in Schicht) differenziert
zu betrachten. Eine Differenzierung ist aber nur dann vorzuneh-
men, wenn es hierfür eine Legitimation gibt. Zunächst kann man
sich an die Analyseebenen der klassischen Gefährdungsanalyse
anlehnen. Bei kleinen Unternehmen erfolgt aus Datenschutzgrün-
den stets eine gesamthafte Betrachtung.
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 307 A 5.5
Welche Inhalte muss ich beachten?
Auf jeden Fall sind Arbeitsintensität, Handlungsspielraum, soziale
Unterstützung und Arbeitszeit zu berücksichtigen (vgl. Beck et al.
in BAuA, 2014, S. 54 f.). Um sich einen Überblick zu verschaffen,
bietet es sich an, auf Checklisten zurückzugreifen (bspw. ChEF).

 http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-
Praxis/Handlungshilfen-und-Praxisbeispiele/ChEF.html

Die  Tabelle 5-9 stellt die psychischen Belastungsfaktoren dar Psychische Belas-
(nach Treier, 2015b, S. 22 ff.). Im Kap. 3.2 (ª S. 117) finden Sie tungsfaktoren
weitere Informationen zu den Risikofaktoren.

 Tabelle 5-9: Psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt

Belastungs-
Erfassungsfelder
faktoren
² Arbeitsintensität: qualitative und quantitative Unter-
und Überforderung
² Emotionale Inanspruchnahme: emotionale Belastun-
gen wie Umgang mit schwierigen Kunden oder
Freundlichkeitsdruck bis zum Umgang mit Leid
² Handlungsspielraum: Freiheitsgrade bzw. Autonomie
Arbeitsinhalt
als Chance, Einfluss auf die eigene Arbeit zu nehmen
² Qualifikation: Kompetenzen, die für eine fachge-
Arbeits-
rechte Durchführung einer Tätigkeit erforderlich
aufgabe
sind, auch Kernkompetenzen wie Teamfähigkeit usw.
² Variabilität: Abwechslungsreichtum zur Verhinderung
der Monotonie
² Vollständigkeit: Ganzheitlichkeit, wenn der Mitarbei-
ter nicht nur selbst ausführt, sondern auch vorberei-
tet, organisiert und kontrolliert
² Arbeitsabläufe: Unregelmäßigkeit der Arbeitsmenge,
mangelnde Vorhersehbarkeit und Planbarkeit, einge-
schränkte Steuerbarkeit der Prozesse
² Arbeitsunterbrechungen: Unterbrechungen des Ar-
beitsprozesses, Aufmerksamkeitsprobleme
² Arbeitszeit: Erholungszeiten und Abstimmung der
Arbeits - mit der Lebenszeit (Work-Life-Balance) als
Arbeits- Handlungsfelder (z. B. Schichtarbeit)
organisation ² Informationsmängel: nicht rechtzeitig verfügbare
und veraltete Informationen, zu wenige oder auch
zu viele Informationen (bspw. Multitasking)
² Kommunikation und Kooperation: Störungen der Ab-
stimmung zwischen Mitarbeitern, Schnittstellenprob-
leme, Probleme im Kontext der sozialen Beziehungen
² Rollenunklarheit/-ambiguität: unklar oder wider-
sprüchlich formulierte Ziele, unklare Zuständigkeiten
5 A 308 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Belastungs-
Erfassungsfelder
faktoren
² Arbeitsmittel: Defizite bei den Arbeitsmitteln von
ungeeignetem oder unzureichendem Werkzeug bis
zur defizitären Softwaregestaltung
² Arbeitsplatzgestaltung: Raumgröße, Bewegungsfrei-
heit, Qualität der Anzeigeinstrumente etc. als klassi-
sche ergonomische Faktoren, aber auch Aspekte der
kognitive Ergonomie, also der Frage, wie digitale und
analoge Informationen abzubilden sind
Arbeits-
² Chemische und physikalische Faktoren: Einatmen von
umgebung
Stäuben oder unangenehme Geruchsbelästigungen,
ausgeprägter kontinuierlicher Lärm etc.
² Physische Faktoren: schwere körperliche Arbeiten bis
Zwangshaltungen oder Über-Kopf-Arbeiten
² Weitere Risikofaktoren: Unfallrisiken, der Umgang
mit gefährlichen Arbeitsstoffen oder schwer einseh-
bare Maschinen, angstauslösende Gestaltung von
Gängen oder Räumen (Beispiel: Kellerwege)
² Diskriminierung: Belastungen durch Diskriminierung
wegen Geschlecht, Alter, Ethnie etc.
² Konflikte: Konflikte mit Kollegen oder Führungskräf-
ten, aber auch mit Kunden, im Extremfall Mobbing
Soziale ² Kultur: Wert- und Normvorstellungen einer Organisa-
Beziehungen tion im Widerspruch zu individuellen Verhaltens- und
Denkmustern
² Unterstützung: geringe soziale Unterstützung durch
Führungskräfte oder Kollegen, keine Rückmeldung
zur Arbeitsleistung

Welche Methoden zur Identifikation gibt es?

5 In der Tradition Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen basiert auf


der Arbeits- den Klassikern der Arbeitsanalyse (Ulich, 2011, S. 141 ff.) (zur
analyse Arbeitsanalyse siehe ª Kap. 5.6, dort S. 318). Beobachtungsme-
thoden eignen sich, um die objektive Seite abzubilden. Da aber
psychische Belastungen oftmals nicht ohne Mithilfe der Betroffe-
nen erkannt werden können, empfiehlt sich hier, die subjektive
Sicht von Aufgabenmerkmalen abzurufen. Dabei unterscheidet
man zwischen orientierenden, Screening- und vertiefenden Exper-
ten-Verfahren (vgl. Richter, 2010, S. 28 ff).
x Orientierende Verfahren: Check- oder Prüflisten zur groben
Erfassung mit Ja/Nein-Bewertung
x Screening-Verfahren: vertiefende Analyse mit mehr Merkma-
len und mehr Bewertungsstufen
x Experten-Verfahren: wissensbasierte Erfassung der Merkmale
(z. B. Rangreihenfolge betreffend)
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 309 A 5.5
Die } Abbildung 71 illustriert die verschiedenen Methoden und
Ansatzpunkte einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastun-
gen (Treier, 2015b, S. 44). Als Startfenster empfehlen wir als Be-
fragung BS-Verfahren auf der orientierenden Analyseebene mit
universeller Klassifikation. PS-Verfahren sind nicht bedingungsbe-
zogen, aber eine sinnvolle Ergänzung als Spiegelbild im Hinblick
auf die Beanspruchungsseite. Beispielhafte Items finden Sie in der
 Tabelle 3-3 (ª S. 128) und  Tabelle 5-12 (ª S. 323).

3(5621(1%(=2*(1

329HUIDKUHQ 369HUIDKUHQ
2EMHNWLYH'DWHQDXVDQGHUHQ
,QGLYLGXHOOH$QJDEHQ]XU
'DWHQTXHOOHQRGHUSV\FKR
%HILQGOLFKNHLWXQG
SK\VLRORJLVFKH0HVVXQJHQ
%HDQVSUXFKXQJVIROJHQ
(Beispiel Fehlzeiten,
(Beispiel WHO-5, FBL, BMS)
Berufserkrankungen)

2%-(.7,9 68%-(.7,9

%29HUIDKUHQ %69HUIDKUHQ

0HUNPDOHGHU$UEHLWGLH (UOHEWHXQGEHZHUWHWH0HUNPDOH
XQDEKlQJLJYRPDXVIKUHQGHP GHU$UEHLWGDPLWDEKlQJLJYRP
,QGLYLGXXPHUPLWWHOWZHUGHQ DXVIKUHQGHQ,QGLYLGXXP
(Beispiel TBS, VERA/RHIA) (Beispiel SALSA, KFZA, COPSOQ)

%(',1*81*6%(=2*(1

$XVZDKONULWHULHQ $QDO\VHWLHIH 'DWHQ


2ULHQWLHUXQJ6FUHHQLQJ([SHUWH 4XDQWLWDWLYHXQGTXDOLWDWLYH9HUIDKUHQ

'DWHQJHZLQQXQJ 7lWLJNHLWVNODVVH 0HUNPDOVEHUHLFKH


%HREDFKWXQJ,QWHUYLHZ%HIUDJXQJ VSH]LILVFKRGHUXQLYHUVHOO N|USHUOLFKJHLVWLJLQWHUDNWLYXQLYHUVHOO

%UDQFKH $QVDW]SXQNW %HULFKWVOHJXQJ


VSH]LILVFKRGHUXQLYHUVHOO 9HUKDOWHQV XQG9HUKlOWQLVSUlYHQWLRQ (UIDVVXQJXQG%HZHUWXQJ

} Abbildung 71: Klassifikation der Verfahren Gefährdungsbeurteilung

Valide Verfahren, die entweder als Beobachtungs- und/oder als


Befragungsinstrumente realisiert sind, finden Sie in der  Tool-
Box der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

„Die Toolbox unterstützt betriebliche Nutzer bei der Auswahl


von Verfahren zur Erfassung und Bewertung psychischer Be- Toolbox
lastungen bei der Arbeit. Die systematisierte Unterteilung
der Verfahren nach ISO 10075 – Teil 3 und die alphabetische
Anordnung, … , bietet einen Überblick über die in der Tool-
box enthaltenen Instrumente, …“ (Richter, 2010, S. 5)
5 A 310 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Von der Be- Drei Herangehensweisen haben sich in der Praxis besonders be-
obachtung über währt: Beobachtung, Befragung und Workshops (Beck et al. in
Befragung bis BAuA, 2014, S. 56 ff.).
zum Workshop
x Beobachtungen: Beobachtungen finden wir oft bei der klassi-
schen Gefährdungsanalyse. Sie eignen sich aber kaum für die
Erfassung der nicht immer direkt beobachtbaren psychischen
Belastungsfaktoren. Beobachtungsinterviews sind hier eine Al-
ternative, aber diese sind aufwendig und tragen das Risiko der
sozialen Beeinflussung. Unabhängig davon ist auf jeden Fall zu
gewährleisten, dass standardisierte Beobachtungsverfahren
mit festgelegter Dokumentation zu verwenden sind. Eine um-
fassende Schulung der Beobachter ist unerlässlich.
x Befragungen: Wenn die Gefährdungsbeurteilung wie ein Such-
scheinwerfer psychische Belastungen identifizieren soll, emp-
fiehlt sich eine anonymisierte Befragung. Durch skalierte
Items werden das Vorhandensein, die Häufigkeit und die In-
tensität vorliegender psychischer Belastungen erfasst. Die
Subjektivität ist hier unvermeidbar, aber keineswegs proble-
matisch, wenn man bei der Auswertung analoge Arbeitsplätze
betrachtet und die individuellen Wahrnehmungen auf Gemein-
samkeiten im Sinne des semi-objektiven Ansatzes
(} Abbildung 74, S. 320) überprüft. Befragungsbasierte Vor-
gehen sind effizient und effektiv und lassen sich auch mit Mit-
arbeiterbefragungen koppeln. Die Repräsentativität und die
quantifizierbaren Ergebnisse sprechen für einen Befragungsan-
satz. Die Gewährleistung der Anonymität ermöglicht offene
und weniger sozial erwünschte Antworten. Zudem bietet sich
die befragungsbasierte Abbildung für evaluative Zwecke an,
um spätere Veränderungen nach Maßnahmen aufzuzeigen.
x Workshops: Die Befragung kann als eine Art Grobanalyse ver-
5 standen werden. Bisweilen resultieren Ergebnisse, die zur Ab-
leitung von Maßnahmen erweiterte Informationen erfordern.
Hier eignen sich vertiefende Analyseworkshops, wo die Befra-
gungsdaten als Initialzündung und Impuls gespiegelt werden.
Diese Workshops mit ausgewählten Beschäftigten und Füh-
rungskräften eines Arbeitsbereichs und ggf. auch mit Verant-
wortlichen aus Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Mitbe-
stimmung sind extern zu moderieren, um die Meinungsdomi-
nanz einzelner Personen zu minimieren und um fehlgeleitete
Wahrnehmungen bspw. bezogen auf die Trennung zwischen
Belastungen und Beanspruchungen zu thematisieren. Proble-
matisch sind der Aufwand und die Tatsache, dass man nur
ausgewählte Mitarbeiter berücksichtigen kann. Dafür erhält
man Erkenntnisse, die für eine vertiefte Ursachenforschung
wertvoll sind. Außerdem werden die Beteiligten aktiv einge-
bunden, was zur Akzeptanzsteigerung führt.
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 311 A 5.5
Praxistipp: Zu empfehlen ist stets am Anfang ein befra-
gungsbasiertes, orientierendes oder Screening-Verfahren.
Anonymität sollte gewährleistet werden. Beobachtungsinter-
views sind aufgrund der Hemmschwelle Anonymität am An-
fang nicht zu empfehlen, ggf. aber eignen sie sich für kleine
Organisationen. Man sollte anfänglich auf ein standardisiertes
Verfahren zurückgreifen, wo auch Benchmarkwerte vorlie-
gen, um eine Zuordnung und Interpretation eigener Ergebnis-
se zu ermöglichen. Später sind angepasste Verfahren denk-
bar, die spezifische Faktoren der Organisation berücksichti-
gen. Die Auswahl und deren Begründung sind auf jeden Fall
zu dokumentieren. Meistens empfiehlt es sich, ein universel-
les Verfahren einzusetzen.

Die Zahl der Instrumente steigt in Anbetracht der Zunahme der Wer die Wahl hat
Nachfrage stetig. Folgende Auswahlkriterien helfen Ihnen bei ei- die Qual!
ner qualifizierten Auswahl (Treier, 2015b, S. 49):
x Ansprechendes Design Æ Motivation und Akzeptanz bei den
Befragten = hohe Rücklaufquoten und Antwortqualitäten
x Differenzierung Æ Gruppenunterschiede nach Alter, Ge-
schlecht, Berufsgruppe etc. = Adressatenorientierung
x Erfassung der psychischen Belastungen nach DIN EN ISO 10075
Æ anerkannte Themenfelder = keine Verzettelung
x Erfordernis der Schulung Æ es geht um Belastungen, nicht um
Personen = Akzeptanz und gemeinsame Sprache
x Erfüllung der Gütekriterien wie Zuverlässigkeit (Reliabilität)
und Gültigkeit (Validität) = Steigerung der Qualität der Daten
x Ganzheitlichkeit der Befragung Æ Belastungen, Beanspru-
chungen und Ressourcen = Beachtung aller Variablen
x Kosten Æ Lizenzkosten, Analyse- und Reportingkosten = auf
die versteckten Kosten achten
x Möglichkeit eines externes Benchmarkings im Sinne einer Ver-
gleichsmessung = eigene Ergebnisse kalibrieren können
x Möglichkeit eines internen Benchmarkings im Sinne einer Wie-
derholungsmessung = Veränderungen nachweisen können
x Nachweislich sozialwissenschaftlich entwickeltes Verfahren Æ
Fehlaussagen durch unausgereifte Verfahren vermeiden
x Umfang der Befragung bzw. erforderliche Ausfüllzeit Æ Anzahl
der Items = Gratwanderung zwischen Akzeptanz und Inhalt-
lichkeit, am Anfang Screeningverfahren
x Verständlichkeit in Bezug auf Zielgruppe Æ adressatengerech-
te Sprache und Darstellung = keine Fachsprache
x Vorliegen von Referenzdaten zwecks Orientierung = Maßstab
5 A 312 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Zu konkreten Im Kap. 5.6 (ª S. 314) empfehlen wir Ihnen verschiedene Instru-


Instrumenten mente, die sich auch für das Thema Gefährdungsbeurteilung psy-
chischer Belastungen eignen. Dort werden die Instrumente KFZA,
BASA II und COPSOQ erläutert. Die  Tabelle 5-10 (aus Treier,
2015b, S. 51 f) bietet Ihnen eine erste Übersicht zu möglichen
Instrumenten und deren Einstufung. Die Links helfen Ihnen, um
weitere Informationen zu den Instrumenten zu erhalten.

 Tabelle 5-10: Verfahren der psychischen Gefährdungsbeurteilung

Verfahren Attribute
² Analysetiefe: Orientierung
² Nutzer: ungeschult bis Experte
ChEF
Checklisten zur
² Methoden: Befragung*, Interview, Beobachtung,
Erfassung von Workshop
Fehlbeanspru- ² Merkmale: Tätigkeit, Leistung, Verhalten, Umgebung
chungen  www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-
Praxis/Handlungshilfen-und-Praxisbeispiele/ChEF.html
² Analysetiefe: Orientierung
KPB ² Nutzer: ungeschulte bis Experte
Kurzverfahren ² Methoden: Interview, Beobachtung
Psychische ² Merkmale: Stress, Ermüdung, Sättigung, Monotonie
Belastung
 http://www.arbeitswissenschaft.net/
² Analysetiefe: Orientierung
START ² Nutzer: ungeschult bis Experte
zur Gefähr-
² Methoden: Befragung, Beobachtung
dungsbeurtei-
lung von ² Merkmale: Tätigkeit
Arbeits-  www.rolf-satzer-fbu.net/startverfahren.html
belastungen
 www.buero-fuer-arbeitsschutz.de
5 BASA-II
² Analysetiefe: Screening
² Nutzer: geschult bis Experte
Psychologische
Bewertung von ² Methoden: Befragung, Interview, Beobachtung
Arbeits- ² Merkmale: Ergonomie, Technik, Organisation
bedingungen  www.baua.de/BASA-II

KFZA ² Analysetiefe: Screening


Kurzfragebogen ² Nutzer: geschult bis Experte
zur Arbeits- ² Methode: Befragung
analyse ² Merkmale: Arbeitsanforderungen, Umgebung, Aufga-
ben, Abläufe, Kultur, soziales Umfeld (IMPULS Test)
IMPULS
Test/2  www.impulstest2.com
abgegleitet aus  http://people.f3.htw-berlin.de/Professoren/
dem KFZA Pruemper/
Baustein 3: Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren 313 A 5.5
Verfahren Attribute
Psy.Res® ² Analysetiefe: Screening
Psychische ² Nutzer: geschult bis Experte
Ressourcen ² Methoden: Befragung, Interview
bewerten mit ² Merkmale: Arbeitsbeziehungen, Arbeitsanforderun-
dem 10- gen, Fehlbeanspruchungen
Faktoren-Modell
 www.psyres-online.de/ueber-psyres
² Analysetiefe: Screening
² Nutzer: geschult bis Experte
SALSA ² Methode: Befragung
Salutogeneti- ² Merkmale: Arbeit/Betrieb, Privat/Freizeit, Einstel-
sche Subjektive lungen, Gesundheit und Krankheit
Arbeitsanalyse
 www.mentalhealthpromotion.net/resources/udris_
juni_8_salsa_gesundhzirkel_.pdf
² Analysetiefe: Expertenebene
² Nutzer: Experte
ISTA ² Methoden: Befragung, Beobachtung
Instrument zur ² Merkmale: Psychische Arbeitsanforderungen, Res-
stressbezoge- sourcen, Belastungen
nen Arbeits-
analyse  www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-
Praxis/Handlungshilfen-und-
Praxisbeispiele/Toolbox/Verfahren/ISTA.html
² Analysetiefe: Expertenebene
² Nutzer: Experte
² Methoden: Befragung, Interview, Beobachtung
FAA ² Merkmale: Informationsverarbeitung, Arbeitsausfüh-
Fragebogen zur rung, Arbeitsbeziehungen, Umgebung etc.
Arbeitsanalyse
 http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-
Praxis/Handlungshilfen-und-
Praxisbeispiele/Toolbox/Verfahren/FAA.html
* Bei Befragung ist stets die schriftliche Befragung gemeint.

„Der Weg zur ganzheitlichen Gesundheitsanalyse ist aus Kosten- Wagen Sie sich
Nutzen-Sicht zu empfehlen, denn man erhält für die Maßnah- einen Schritt
menableitung und Beurteilung der Zusammenhänge differenzierte weiter!
Antworten im Vergleich zur Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastungen. Verhältnis- und Verhaltensfaktoren sowie puffernde
bzw. gesundheitsförderliche Ressourcen können mit einem In-
strument erfasst werden und Wechselbeziehungen aufgezeigt
werden.“ (Treier, 2015b, S. 56) Æ ª Kap. 5.6 (S. 314)

Tipp: Lesen Sie sich das Interview zu Hemmnissen und Chancen


der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durch. Ro-
land Portuné, Leiter des Sachgebiets „Psychische Gesundheit“ der
Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BGRCI),
stellt uns seine Erfahrungen dar (ª Kap. 5.7, S. 344).
5 A 314 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

 Zusammenfassung zum Baustein Gefährdungsbeurteilung


x Keine Psychoblase: Die Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastungen ist in Anbetracht der rasanten Veränderungen der
Arbeitswelt bspw. bezogen auf Flexibilisierung und Zunahme
der Informationsmengen ein wichtiger Ansatz, um Risiko- und
Belastungsfaktoren der Arbeitswelt, die sich auf die psychi-
sche Gesundheit auswirken, zu identifizieren. Die Studien of-
fenbaren, dass das Thema keine Psychoblase darstellt.
x Legitimiertes Vorgehen: Die rechtliche Legitimation zur
Durchführung liegt mit der Novellierung des Arbeitsschutzge-
setzes vor. Weitere Regularien flankieren das Thema.
x Klare Begrifflichkeiten vonnöten: Um die Belastungsfaktoren
zu identifizieren und nicht Gefahr zu laufen, die Belastungen
mit den Folgen bzw. Beanspruchungen wie Burnout zu ver-
wechseln, sollte man sich bei der Diskussion auf die DIN EN ISO
10075 beziehen. Checklisten wie ChEF oder Kurzfragebögen
wie IMPULS/2 eignen sich gerade für Praktiker, um das Spek-
trum der psychischen Belastungsfaktoren aufzuzeigen.
x Handlungshilfen: Empfehlungen zur Herangehensweise liegen
zugänglich und oftmals kostenlos vor (bspw. Broschüren der
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin).
x Instrumente: Ebenfalls findet man eine Menge an validen
Instrumenten, die als Beobachtungs- und/oder Befragungstools
realisiert sind. Zu empfehlen ist ein quantitatives, universel-
les, befragungsbasiertes und standardisiertes Verfahren auf
der Orientierungs- oder Screeningebene wie der Copenhagen
Psychosocial Questionnaire COPSOQ (berücksichtigt zusätzlich
auch Beanspruchungen) oder der aus dem Kurzfragebogen zur
Arbeitsanalyse (KFZA) abgeleitete IMPULS-Test/2.
x Integrierte Gefährdungsanalyse: Eine integrierte Gefähr-
5 dungsanalyse (Kombination psychischer und klassischer Ge-
fährdungsanalyse) ist am Anfang aufgrund der unterschiedli-
chen Methodologie nicht empfehlenswert.
 Check-Liste 12: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

5.6 Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores

Was ist die inhaltliche Grundlage der Gesundheitsscores?

Unser Anspruch Kennzahlen sind sinnvoll, doch sie sind vereinzelt, versprengt und
sporadisch. Natürlich gilt es, vorhandene Kennzahlen wie die
Fehlzeiten besser zu nutzen und das BGM durch Wirtschaftlich-
keitsmessungen und Leistungsstatistiken ausreichend zu flankie-
ren. Um aber einen Quantensprung in der Steuerung und Quali-
tätssicherung im Bereich des BGM zu erzielen, bedarf es einer
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 315 A 5.6
erweiterten Strategie. Wir benötigen dafür ein Konzept der Ge-
sundheitsscores im Kontext einer Gesundheitsanalyse, das …
x fortschrittlich und investitionsbezogen,
x strategisch und nicht nur retrospektiv,
x integrativ und ganzheitlich sowie
x ursachengerecht und präventionsbezogen ist.

Zur Entwicklung solcher Gesundheitsscores muss man nicht das Unsere Arbeits-
Rad neu erfinden. Die & Arbeits- und Tätigkeitsanalyse ist unsere grundlage:
bewährte Arbeitsgrundlage für ein Evaluationskonzept, das unse- Der Work
rem Anspruch gerecht wird (Hacker, 1995). Ergänzt wird die psy- Ability Index
chologische und arbeitswissenschaftliche Arbeitsanalyse durch die
Bedeutungszunahme eines Konstrukts, was die Arbeitsfähigkeit
von Erwerbstätigen abbilden soll: der & Work Ability Index (Ar-
beitsfähigkeits- bzw. Arbeitsbewältigungsindex, ABI) (Hasselhorn
& Freude, 2007; Treier, 2015a).

Tipp: Lesen Sie zum Work Ability Index (WAI) das Interview mit Dr.
Tempel  „Ein Fragebogen erorbert die Welt“ (ª Kap. 3.4,
S. 136)! In diesem Interview werden Stärken, aber auch Probleme
bei der Erfassung der Arbeitsfähigkeit skizziert.

Die } Abbildung 72 (ª S. 316) stellt das Modell der Förderung der


Arbeitsfähigkeit dar (Ilmarinen & Tempel, 2002). Die Treppenstu-
fen illustrieren, dass wir es nur schaffen, nachhaltig Arbeitsfähig-
keit zu erzielen, wenn wir auf mehreren Ebenen gleichzeitig in-
vestieren (Treier, 2015a, S. 13 ff.). Das Haus der Arbeitsfähigkeit
als Basismodell wird in der ; Box 3-7 (ª S. 141) erläutert.
x Stufe 1: Gesundheit im Sinne einer funktionellen Kapazität Æ
Störungen sind meist irreparabel und irreversibel! Dabei ist
sowohl die psychische und physische Gesundheit gemeint.
x Stufe 2: Kompetenzen im Sinne von Kenntnissen und Fähigkei-
ten als Querschnittsthema im Unternehmen, wo z. B. BGF und
Personalentwicklung gemeinsam agieren sollten Æ Ressourcen
können als Kompensationsstrategien fungieren. Entscheidend
ist die wirksame Handlungskompetenz.
x Stufe 3: Werte im Sinne von Einstellungen und Motivation Æ
Es gilt, das individuelle Potenzial zum Selbstmanagement zu
steigern. Vertrauen, Anerkennung und Selbstverantwortung
sind Ausdruck für ein modernes Arbeitsverständnis.
x Stufe 4: Arbeit mit den Dimensionen Arbeitsumgebung, Inhal-
te und Anforderungen, soziales Arbeitsumfeld und Arbeitsor-
ganisation sowie Führung und Management Æ Arbeit ist die
5 A 316 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

größte Etage, hier gilt es, betriebliche Verantwortung zu för-


dern und auch zu fordern.

Der & Work Ability Index (WAI) kann als ein Frühindikator für
Lebens- und Arbeitsqualität, Fehlzeiten, Effizienz und Effektivität
von Interventionen im BGM fungieren. Mit dem WAI können wir die
Sinnhaftigkeit von Maßnahmen im Bereich BGM ableiten und damit
eine Handlungsaufforderung für Verhaltens- und Verhältnispräven-
tion setzen (ª Kap. 4, S. 147). Zu betonen ist hier aber, dass das
WAI-Instrument keine Aussagen zu Ursachen und Maßnahmen
macht. Hierfür benötigt man den theoretischen Unterbau, das
WAI-Konzept (} Abbildung 72) (; Box 3-7, S. 141).

} Abbildung 72: Modell der Förderung der Arbeitsfähigkeit

5 Fluch oder Segen Alle wollen den WAI einsetzen. Er ist bekannt, es existieren viele
Die WAI-Hysterie empirische Studien, es gibt ein einfaches Instrument, Befragungs-
software steht zur Verfügung, Referenzwerte ermöglichen Ver-
gleiche mit eigenen Ergebnissen. Das System gründet zudem auf
ein florierendes Netzwerk von WAI-Verfechtern. Fluch oder Segen?
Der WAI hat sich unseres Erachtens als Segen für die Entwicklung
eines modernen Gesundheitscontrollings herauskristallisiert. Den-
noch darf man nicht den Fehler begehen und diesem Konstrukt
unkritisch gegenüberstehen (vgl. Elsner, 2005; Georg & Peter,
2005 & 2008). Der WAI ist ein Verfahren, dass v. a. mittels der
Erlebniswelt arbeitender Personen anhand von Leitfragen gesund-
heitliche Aspekte und arbeitsanalytisch assoziierte Faktoren er-
fasst (individuenzentriertes Verfahren). Die Validität des WAI wird
in wissenschaftlichen Kreisen diskutiert, und manche befürchten
eine Subjektivierung der Arbeitswissenschaft, doch die empiri-
schen Studien belegen jedenfalls die Bedeutsamkeit und die Prä-
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 317 A 5.6
diktionskraft dieses zum Teil noch ungeklärten Konstruktes
(Treier, 2015a, S.29 ff.). Kritisch ist aber anzumerken, dass der
WAI dazu tendiert, etwas defizitorientiert bei den Belastungen
anzusetzen. Das & salutogenetische Verständnis erfordert hier
eine Erweiterung mithilfe ressourcenorientierter Gesundheits-
scores, die wir in diesem Kapitel erläutern werden.

Hinweis: Eine Erweiterung des klassischen Instruments WAI/ABI ist ABI PlusTM
in Sicht. Diese Erweiterung berücksichtigt nunmehr auch Bean-
spruchungen und Ressourcen. ABI PlusTM ermöglicht eine Standort-
bestimmung, eine Prognose und Evaluation der Arbeitsfähigkeit.
Entscheidend ist, dass dieses Instrument außer Belastungen auch
Ressourcen und Beanspruchungen im ganzheitlichen Sinne berück-
sichtigt (Tempel & Ilmarinen, 2013, S. 239 f.).

Das  Deutsche WAI-Netzwerk dient der Förderung der Anwen-


dung des WAI in Deutschland. Sie finden auf der Website nicht nur
wichtige Publikationen, sondern auch den Fragebogen als Kurz-
und Langversion, der von dem Erwerbstätigen selbst oder von
einem professionellen Dritten ausgefüllt werden kann.

Übungsempfehlung: Sie finden auf der oben genannten Website in


der Rubrik „WAI“ einen Online-Fragebogen (Kurzversion). Damit
Sie das Konstrukt der Arbeitsfähigkeit optimal nachvollziehen
können, lohnt es sich, diesen Fragebogen auszufüllen und einen
individuellen Report zu erhalten.

Der WAI oder ABI spiegelt einen relevanten Baustein im Ge-


sundheitscontrolling wider. Zusammen mit der „objektiven
Fremdbeobachtung“ mit Fokus auf die Arbeitswelt im Rah-
men von Arbeits- und Tätigkeitsanalysen, ggf. kombiniert mit
Zeit- und Arbeitsstudien erhalten wir ein Gesamtbild von der
Gesundheit und Leistungsfähigkeit unseres Arbeitssystems.

Arbeitsfähigkeit
Dieses Konstrukt stellt einen Meilenstein im Bereich BGM dar.
Wir wollen im Kontext der Veränderung der Arbeitswelt und
der demografischen Verschiebung wissen, inwieweit die Er-
werbstätigen in der Lage sind, ihre Arbeit angesichts der zu-
nehmenden Anforderungen zu erledigen (Tuomi et al., 1997).
Bei der Einschätzung sind die individuellen & Ressourcen
(körperliche, mentale, soziale Fähigkeiten, Gesundheit,
Kompetenzen etc.) und die Arbeit selbst (Arbeitsinhalt, Or-
5 A 318 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

ganisation, soziales Umfeld, Führung) zu berücksichtigen.


Hier gilt es, ein angemessenes „Matching“ zu erzielen. Dieses
Konstrukt zeigt auf, welche Gesundheitsscores wir benötigen,
um & Prävention und Intervention im Bereich BGM ganzheit-
lich und integrativ zu evaluieren.
; Box 5-15: Arbeitsfähigkeit als Basis der Gesundheitsscores

Wie erfassen wir die Gesundheitsscores?

Arbeitsanalyse Der WAI ist ein wichtiger Gesundheitsscore. Aber der WAI kann
als Basis nicht das gesamte Spektrum der Gesundheitsscores abbilden. Hier
benötigen wir als ergänzende Informationsquelle die & Arbeits-
analyse. Die Analyse als Bewertung von Arbeitstätigkeiten bzw.
-inhalten nebst ihren Bedingungen und Auswirkungen (psycholo-
gisch, physiologisch, sozial, ökonomisch, ökologisch) ist die Grund-
lage zur Erarbeitung von humanen und effektiven Gestaltungsvor-
schlägen im Kontext des Gesundheits- und Personalmanagements
(Treier, 2009, S. 67 ff.; Treier, 2012). Man differenziert zwischen
arbeitswissenschaftlichen und psychologischen Verfahren.
x Psychologische Verfahren: Sie analysieren das Verhalten der
arbeitenden Person und ihr Handeln in dem entsprechenden
Umfeld. Man interessiert sich v. a. für die Ermittlung motiva-
tionsförderlicher Elemente der Arbeit.
x Arbeitswissenschaftliche Verfahren: Hier werden die objek-
tiven Bedingungen und Anforderungen der Arbeitssituation aus
technologischer und organisatorischer Sicht analysiert. Man in-
teressiert sich für die Verbesserung der Arbeitsabläufe und für
eine angemessene Arbeitsvereinfachung in Bezug auf Bewe-
5 gung, Zeit und Anstrengung.

Ziele von Ar- Wozu mache ich Arbeitsanalysen? Arbeitsanalysen findet man in
beitsanalysen vielen Anwendungsfeldern wieder (} Abbildung 73). Arbeitsanaly-
sen haben zum Ziel (Hacker, 1995, S. 23 ff.),
x die Effektivität und Produktivität der Arbeit zu steigern,
x die psychische Beanspruchung zu optimieren,
x krankheitsförderliche Stress- und Ermüdungszustände zu ver-
meiden und Risikofaktoren für Beschwerden zu erkennen,
x den Erhalt und Erwerb von Fähigkeiten zu fördern,
x die Arbeitsmotivation aufrechtzuerhalten und zu steigern,
x die psychische Gesundheit und Entwicklung der Persönlichkeit
zu fördern sowie
x Lernangebote zur Qualifizierung zu schaffen.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 319 A 5.6

$UEHLWVJHVWDOWXQJ 2UJDQLVDWLRQ
‡ $UEHLWVRUJDQLVDWLRQ
‡ 6WHOOHQEHVFKUHLEXQJ ‡ $UEHLWVDEODXIJHVWDOWXQJ
‡ $QIRUGHUXQJVDQDO\VH
‡ $UEHLWVJHVWDOWXQJ ‡ 6FKLFKW XQG
3DXVHQJHVWDOWXQJ
‡ %HODVWXQJVDEEDX
‡ (UKRO]HLWEHVWLPPXQJ
$UEHLWV
DQDO\VH

‡ $QIRUGHUXQJVEH]RJHQH
‡ 3HUVRQDODNTXLVWLRQ
%HUXIVNODVVLILNDWLRQ
‡ 3HUVRQDODXVZDKO
‡ *HVXQGKHLWVVWDWXVLQ
YHUVFKLHGHQHQ%HUHLFKHQ ‡ $XV)RUW XQG
:HLWHUELOGXQJ

%HUXIVEHUDWXQJ 3HUVRQDOHQWZLFNOXQJ

} Abbildung 73: Anwendungsfelder der Arbeitsanalyse

Wo setze ich mit meiner Analyse an? (vgl. Ulich, 2011) Ebenen der
(} Abbildung 74) Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht setzt man Analyse
häufig auf der objektiven Seite an. Diese Auftrags- und Bedin-
gungsanalyse kann aber nicht die Interaktion zwischen Person und
Situation gemäß dem WAI-Konzept abbilden. Entscheidend für das
BGM ist jedoch der Mensch als Herausforderung, denn dieser in-
terpretiert die Arbeitstätigkeit aus subjektiver Sicht. Wir nennen
diesen Prozess Redefinition. Was geschieht im Menschen während
des Handlungsvollzugs? Wir müssen uns mit den für die Tätigkeit
erforderlichen psychischen Regulationsvorgängen befassen. Theo-
retisch wird dieser Ansatz durch die & Handlungsregulationstheo-
rie abgebildet (Hacker, 2005). Hier geht es um die Ausführungs-
und Antriebsregulation von der Handlungsvorbereitung bis zum
Handlungsvollzug. Moderne psychologische Analyseverfahren inte-
ressieren sich ferner für die Auswirkungen der Tätigkeit auf das
Befinden und Erleben der Beschäftigten. Die Klassiker sind hier
Stress und Zufriedenheit. Resch (2003) stellt einige typische Ver-
fahren zur Analyse psychischer Belastungen und ihre Anwendung
im Arbeitsgesundheitsschutz dar. Dabei darf man nicht die Per-
spektive der Gesundheitsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz
übersehen (ª Kap. 5.5, S. 301). Im Gegenteil ist die psychologi-
sche Perspektive mit der physiologischen/ergonomischen bzw.
medizinischen Sichtweise zu verknüpfen.
5 A 320 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

$QDO\VHGHU
$XVZLUNXQJHQDXI
%HILQGHQXQG(UOHEHQGHU
%HVFKlIWLJWHQ

Stress, Zufriedenheit

$QDO\VHGHU 68%-(.7,9(6(,7(
$UEHLWVWlWLJNHLWXQGGHU
HUIRUGHUOLFKHQ
5HJXODWLRQVYRUJlQJH Der Mensch

Redefinition

$XIWUDJV XQG
%HGLQJXQJVDQDO\VH
2%-(.7,9(6(,7(

Die Bedingungen

} Abbildung 74: Ebenen der Analyse

Verfahrenstypen Wie können wir nun messen? Die } Abbildung 75 illustriert die
verschiedenen Verfahrenstypen der Arbeitsanalyse. Wir empfehlen
für die Praxis den Einsatz der semi-objektiven Messmethode. Hier
setzt man analog zur personenbezogenen Analyse Befragungen ein
und analysiert typengleiche Arbeitsplätze. Interessant sind v. a.
die Übereinstimmungen zwischen den Beurteilenden. Dieses Ver-
fahren ist effektiv und effizient. Sie sollten für die Befragung
möglichst standardisierte Verfahren einsetzen (Dunckel, 1999).

$UEHLWVVLWXDWLRQ $ 6HPLREMHNWLYH0HWKRGH &


5
%HGLQJXQJVEH]RJHQH $UEHLWV $UEHLWV $UEHLWV
SODW] SODW] SODW]
REMHNWLYH $QDO\VH
'DWHQHUKHEXQJSULPlUPLW+LOIH
Typ A Typ A Typ A
YRQ%HREDFKWXQJVPHWKRGHQ

%HIUDJXQJ %HIUDJXQJ %HIUDJXQJ

3HUVRQ %
3HUVRQ 3HUVRQ 3HUVRQ
$ % &
3HUVRQHQEH]RJHQH
VXEMHNWLYH $QDO\VH
'DWHQHUKHEXQJYRUZLHJHQGPLW
+LOIHYRQ%HIUDJXQJVPHWKRGHQ
hEHUHLQVWLPPXQJ"

} Abbildung 75: Verfahrenstypen der Arbeitsanalyse


Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 321 A 5.6
Was zeichnet standardisierte Verfahren aus? Aufgrund der subjek- Qualitäts-
tiven Brille der Stelleninhaber ist es schwierig, zuverlässig und anforderungen
gültig die Arbeitstätigkeit zu analysieren. Freie unstrukturierte
Berichte von Stelleninhabern weisen nicht die notwendige Steue-
rungsqualität auf. Die  Tabelle 5-11 stellt inhaltliche und me-
thodische Qualitätsanforderungen dar (Treier, 2009, S. 69).

 Tabelle 5-11: Qualitätsanforderungen an Arbeitsanalysen

Inhaltliche Methodische
Qualitätsdimensionen Qualitätsdimensionen
Objektivität: Das Instrument sollte
Humankriterien: Das Instrument
unabhängig vom Testleiter sein.
hat alle Facetten von der Schädi-
Durchführungs-, Interpretations-
gungslosigkeit bis zur Persönlich-
und Auswertungsobjektivität müs-
keitsförderlichkeit zu erfassen.
sen gewährleistet sein.
Wirksamkeit: Das Instrument sollte Reliabilität: Das Instrument sollte
gemäß seinem Analyseziel eindeu- zuverlässig die Messung abbilden.
tige Aussagen liefern und hinsicht- Die Zuverlässigkeit bezieht sich
lich seiner Kriterien vollständig nicht auf den Inhalt, sondern auf
sein, z. B. im Bereich Wirtschaft- die Qualität der Messung wie Ge-
lichkeit die Identifikation effektivi- nauigkeit usw. selbst. Wiederho-
tätssteigernder Maßnahmen ermög- lende Messungen sollten bei nicht
lichen oder im Bereich des Arbeits- veränderten Sachverhalten mehr
schutzes die Gefährdungspotenzia- oder wenige gleiche Ergebnisse
le identifizieren. liefern.
Validität: Das Instrument sollte
Praktikabilität: Das Instrument
genau das erfassen, was es vorgibt
sollte ein angemessenes Kosten-
zu bestimmen. Die inhaltliche
Nutzen-Verhältnis gewährleisten.
Gültigkeit muss nachgewiesen
Hierbei ist neben Raum- und Zeit-
werden. Dies ist bisweilen bei der
faktoren auch das Mengengerüst zu
immanenten Komplexität im Ge-
beachten.
sundheitsbereich schwierig.
Diagnostizität: Gerade im Bereich
Soziale Akzeptanz: Die Akzeptanz
der Gesundheit liegen oft subjekti-
des Instrumentes sollte u. a. durch
ve Urteile vor. Die Gesundheits-
Transparenz, Plausibilität und
und Arbeitsanalyse können hier als
Partizipation erhöht werden.
diagnostisches Werkzeug fungieren.
Vorliegen von Kennwerten: Zur Sensitivität: Das Instrument sollte
Interpretationshilfe ist es wichtig, empfindsam genug sein, um Prob-
dass hinreichend große Referenz- lemfelder und Veränderungen
stichproben zu verschiedenen aufzuspüren. In Abhängigkeit vom
Funktionsgruppen vorliegen. Diese Anwendungsfeld differenziert man
sollten möglichst auch einen Be- Instrumente für das Screening bis
wertungsrahmen bieten. zur Detailanalyse.

Die Arbeitsanalyse richtet sich also nach den Humankriterien der Humankriterien
Arbeit aus (Ulich, 2011), denn es geht explizit um die Humanisie- als Erfolgsmaße
rung der Arbeitswelt (Treier, 2009, S. 383 ff.). Damit sind für das
BGM die Humankriterien der Arbeit die Erfolgsmaße, die zu beach-
5 A 322 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

ten sind. Die } Abbildung 76 illustriert die klassischen Humankri-


terien (Treier, 2009, S. 385). Im Kap. 3 (ª S. 105) werden einige
dieser Humankriterien differenziert reflektiert. Manche bezeich-
nen diese Humankriterien auch als Währungseinheit im Bereich
BGM. Wichtig ist an dieser Stelle, dass diese Humankriterien nicht
nur defizitorientiert sind, sondern auch Wachstumsbereiche ad-
ressieren. Das entspricht dem Paradigmenwechsel vom patho- zum
& salutogenetischen Verständnis von Gesundheit.

6LQQ XQG %HLWUDJ]XU*HVHOOVFKDIW


6HOEVWZHUWHUK|KXQJGXUFKGLH
$UEHLWVWlWLJNHLW :HUWKDIWLJNHLW 0RUDOLVFKH$QJHPHVVHQKHLW

3HUV|QOLFKNHLWV 3HUV|QOLFKNHLWVELOGXQJ
$UEHLWDOV,QVWUXPHQW]XU
)RUPXQJGHU3HUV|QOLFKNHLW I|UGHUOLFKNHLW /HUQHQLQXQGDXVGHU$UEHLW

*HVXQGKHLWV 3UlYHQWLRQVSURJUDPPH
*HVXQGKHLWVSUlYHQWLRQGXUFK
GLH$UEHLWVWlWLJNHLW I|UGHUOLFKNHLW 6R]LDOH1HW]ZHUNH6HOEVWZLUNVDPNHLW

6R]LDOH$N]HSWDQ]GHU7lWLJNHLW
3DVVXQJ]XP4XDOLILNDWLRQV
XQG(UZDUWXQJVSURILO
=XPXWEDUNHLW
(UZDUWXQJV/HLVWXQJVNRQIRUPLWlW

)HKOEHDQVSUXFKXQJGHU %HHLQWUlFKWLJXQJV 6WUHVV%HILQGHQ.UHLVODXI6FKODI«


/HLVWXQJVYRUDXVVHW]XQJHQ IUHLKHLW 3V\FKRVR]LDOH%HHLQWUlFKWLJXQJHQ

%HODVWXQJHQDXVGHP 8QIlOOH%HUXIVNUDQNKHLWHQ6FKlGLJXQJHQ
$UEHLWV8PZHOWV\VWHP
6FKlGLJXQJVORVLJNHLW
0D[LPDOH$UEHLWVSODW]NRQ]HQWUDWLRQ 0$.

'XUFKIKUEDUNHLWXQG 6LQQHVSV\FKRSK\VLRORJLVFKHXQG

5 5HDOLVLHUEDUNHLW
$XVIKUEDUNHLW
DQWKURSRPHWULVFKH*UHQ]HQ

} Abbildung 76: Humankriterien der Arbeit als Erfolgsmaße

Typische Fragen Was sind typische Fragen? In der  Tabelle 5-12 sind typische
Fragen der psychologischen Arbeitsanalyse dargestellt. So wird
qualitative Überforderung mit dem Item „Meine Arbeit wächst mir
über den Kopf.“ oder Regulationsbehinderungen mit dem Item
„Meine Arbeit wird durch ungünstige Umgebungsbedingungen
beeinträchtigt.“ erfasst. Meistens werden die einzelnen Dimensi-
onen wie „Qualitative Überforderung“ mit mindestens drei Items
abgebildet, um eine zuverlässige Skala abzubilden.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 323 A 5.6
 Tabelle 5-12: Typische Fragen

Meine Arbeit …
Empfehlenswert ist eine eher eher
ja nein
geradzahlige Skalierung! ja nein

wächst mir über den Kopf.

kann ich selbst planen und steuern.

bereitet mir häufig Stress (Zeitnot, Hetze


usw.).

wird oft unterbrochen bzw. gestört.

wird häufig durch Konflikte emotional


belastet.
besteht aus kurzen, sich wiederholenden
Tätigkeiten.

verlangt häufig schweres Heben und Tragen.

wird durch ungünstige Umgebungs-


bedingungen wie Lärm beeinträchtigt.
wird durch einseitige Muskelbeanspruchun-
gen belastet.
erlaubt mir, mich beruflich weiterzu-
entwickeln.
bietet mir Rückmeldung in Bezug auf meine
Leistung.

Welche Instrumente können Sie nun konkret einsetzen? Ohne ver-


tiefenden Rekurs auf die breite theoretische Diskussion, auf die
historische Entwicklung und auf die Klassiker wie das Tätigkeits-
bewertungssystem (TBS) als bedingungs- und auftragsbezogenes
Expertenverfahren zur Verhältnisprävention (Hacker, 1995) möch-
ten wir Ihnen vier Instrumente empfehlen, bei denen Zugänglich- Konkrete
keit und Qualität in Abhängigkeit vom Anwendungsbereich als sehr Instrumente
gut bezeichnet werden können. Informationen zu den Verfahren
sind u. a. bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme-
dizin abrufbar. Dort werden diverse Instrumente zur Erfassung
psychischer Belastungen in der  Toolbox vorgestellt.
5 A 324 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Auf der Website finden Sie eine Tabelle mit wichtigen klassischen
arbeitsanalytischen Instrumenten und deren Anwendungsbereich.
Aus der Vielzahl an Instrumenten mit ihren jeweiligen Vor- und
Nachteilen möchten wir Ihnen vier Empfehlungen aussprechen, die
sich im Praxiseinsatz bewährt haben. Wenn Sie den Fokus auf die
Klassische In- Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen legen, werfen
strumente Sie einen Blick auf die  Tabelle 5-10 (ª S. 312). Bei den hier
vorgestellten Verfahren handelt sich um Instrumente der zweiten
bis dritten Generation der psychologischen Arbeitsanalyse.
x Erste Empfehlung: Benötigen Sie ein universales Screening-
Instrument, womit Sie reliabel und valide Problemfelder er-
kennen können, eignet sich der Kurzfragebogen zur Arbeits-
analyse (KFZA) (Prümper et al., 1995; Prümper, 2010). Das
Verfahren basiert auf der Auswahl von Items aus bereits vor-
handenen Fragebogenverfahren (ISTA, ISTA-C, JDS, SAA etc.).
Er ist mit nur 26 Items ökonomisch konzipiert und bezieht sich
auf Arbeitsinhalte, & Ressourcen, Stressoren und Organisati-
onsklima. Als Faktoren werden Handlungsspielraum, Vielsei-
tigkeit, Ganzheitlichkeit, soziale Rückendeckung, Zusammen-
arbeit, qualitative und quantitative Arbeitsbelastung, Arbeits-
unterbrechungen, Umgebungsbelastung, Information und Mit-
sprache, betriebliche Leistungen erfasst. Der Zeitaufwand be-
trägt bei der anonymen Einzelbefragung etwa 5 bis 10 Minu-
ten. Wenn Problemfelder identifiziert werden, sollte man
aber mit einer feineren Methodik den Erkenntnisgewinn erwei-
tern (Beispiel: Workshop-Methode). In einer Erweiterung er-
laubt der KFZA neben der IST- auch die SOLL-Analyse der Ar-
beitstätigkeit und damit eine Differenzbetrachtung. Der be-
kannte IMPULS-Test/2 baut auf dem KFZA auf.
x Zweite Empfehlung: Ebenfalls als Befragungsinstrument für
5 die an den Arbeitsplätzen tätigen Mitarbeiter ist der BASA II
(Bewertung von Arbeitsbedingungen  Screening für Arbeits-
platzinhaber) konzipiert (Richter & Schatte, 2009). Über die
Toolbox der BAuA erhalten Sie dieses Instrument unentgelt-
lich, das die Qualitätskriterien gut erfüllt. Das Instrument ori-
entiert sich am psychologischen Modell zur Erklärung der psy-
chischen Belastung und Beanspruchung der DIN EN ISO 10075
und wurde unter Beachtung der Gütekriterien der DIN EN ISO
10075 T3 entwickelt und verifiziert. Das Instrument ermittelt
förderliche und beeinträchtigende Arbeitsbedingungen und
kann damit hervorragend auch im Rahmen der betrieblichen
Gefährdungsbeurteilung eingesetzt werden. Es berücksichtigt
allgemeine, arbeitsplatz- und arbeitsumweltbezogene sowie
organisatorische, soziale, personen- und tätigkeitsbezogene
Arbeitsbedingungen. Betriebsspezifische Arbeitsbedingungen
wie Fusionen können ergänzt werden. Der Zeitaufwand be-
trägt bei der anonymen Einzelbefragung etwa 20 Minuten. Wir
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 325 A 5.6
empfehlen hier v. a. den partizipativen Einsatz im Rahmen
von Workshops, da bei Mitarbeitern eventuell Verständnis-
probleme bei Einzelfragen auftreten könnten.
x Dritte Empfehlung: Ein differenziertes und als Gesundheits-
befragung geeignetes Instrument ist der  COPSOQ, ein
Screening-Instrument zur Erfassung psychischer Belastungen
und Beanspruchungen bei der Arbeit (Nübling et al., 2005).
Die deutsche Version des Fragebogens wurde auf Basis des dä-
nischen und englischen Copenhagen Psychosocial Question-
naire entwickelt und hat sich als reliables und valides Instru-
ment herauskristallisiert. In diesem Instrument werden ge-
sundheitsbezogene Fragestellungen erfasst. Wir empfehlen
zum Einsatz die Kurzversion, die etwa 20 Minuten Ausfüllzeit
benötigt. Auf der Website können Sie diesen Fragebogen onli-
ne ausfüllen und erhalten einen persönlichen Report. Wir ha-
ben diesen Fragebogen als Grundlage für die Entwicklung ver-
schiedener Gesundheitsscores eingesetzt.
x Vierte Empfehlung: Der Fragebogen zum Arbeits- und Ge-
sundheitsschutz, Modul BGF (FAGSBGF), ist gestaltungsorien-
tiert konzipiert und gehört zur traditionellen FAGS Instrumen-
tenfamilie (Elke, 2002; Stapp et al., 1999; Uhle, 2004). Der
FAGSBGF als Instrument zur Mitarbeiter- und Vorgesetztenbe-
fragung erlaubt eine systematische Bewertung relevanter Res-
sourcen im BGM. Berücksichtigt wird im Gesamtprofil das An-
forderungsprofil (Arbeitstätigkeit, -umfeld, -organisation und
psychosoziale Belastungen), das Ressourcenprofil (internale
Ressourcen wie Gesundheitsbewusstsein, Selbstmanagement
und gesundheitsbewusste Lebensführung und externe Ressour-
cen wie & Gesundheitskultur, Personalführung, soziale Unter-
stützung) und zuletzt noch das Gesundheitsprofil mit kurz-
und langfristigen & Beanspruchungsfolgen sowie Wohlbefin-
den. Die Bearbeitungszeit beträgt in etwa 20 bis 30 Minuten.
Dieser Fragebogen ist auch als Online-Version erhältlich.

Suchen Sie Vergleichsdaten? Aus der Online-Datenbank Copsoq


können Sie die Belastungsprofile von über 10.000 Befragten nach
Berufs- und Altersgruppen sowie Geschlecht in Anlehnung an die
Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit abrufen.  www.copsoq-
datenbank.de (Stand 01/15). Insgesamt weist die Datenbank mitt-
lerweile schon über 100.000 Datensätze auf. Interessant ist auch Copsoq
ein Blick auf die internationale Seite  www.copsoq-network.org.
5 A 326 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Auf der Website finden Sie einen Film zum FAGSBGF, der aufzeigt,
wie das Instrument konzipiert ist und welche Dimensionen dieses
Instrument erfasst. Der FAGSBGF als Ressourcenansatz eignet sich
prinzipiell für eine Gesundheitsanalyse im Unternehmen. Etwas
hinderlich sind möglicherweise der Umfang des Instrumentes und
Film zum FAGSBGF das gehobene Sprachniveau. Im weiteren Verlauf der Darstellung
werden wir Ihnen anhand der Gesundheitsscores aufzeigen, wel-
che Themenfelder noch zusätzlich zu erfassen sind.

Eigenes Der Autor Michael Treier hat mit der Firma virtualform ein eigenes
Instrument: standardisiertes Instrument entwickelt, das sich in vielen Organi-
Design trifft sationen aufgrund seiner Zugänglichkeit und Gestaltung bewährt
Inhalt hat und bislang ausgezeichnete Rücklaufquoten mit hoher Ant-
wortqualität erzielen konnte. Dieser Gesundheitsfragebogen (AFM-
bzw. BGM-Barometer) in verschiedenen Varianten ermöglicht,
Gesundheitsscores auf Basis von fest definierten Berechnungsvor-
schriften und Referenzwerten zu ermitteln. Die thematischen
Anforderungen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastun-
gen sind erfasst (ª Kap. 5.5, S. 301). Wichtig ist, dass solche Fra-
gebögen nicht abschrecken, sondern motivieren. Hier treffen sich
Design und Inhalt. Die } Abbildung 77 zeigt Ihnen einen Aus-
schnitt aus dem Fragebogen, der farblich entsprechend den Berei-
chen kodiert ist. Einige der in diesem Buch veröffentlichen Stu-
dienergebnisse basieren auf diesem Fragebogen.

Weitere Informationen finden Sie unter der Website  www.bgm-


barometer.de oder  www.bgm-check.de.

5
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 327 A 5.6

} Abbildung 77: Gesundheitsfragebogen: Design trifft Inhalt


5 A 328 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Arbeitsanalyse
Psychosoziale & Belastungen nehmen zu. Die europäische
Richtliniensetzung im Arbeitsschutz berücksichtigt diese
Entwicklung und fordert die Vermeidung psychischer Belas-
tungen und eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit.
Gestaltung ist aber nur zielorientiert denkbar, wenn man
analysiert, wo die Problemstellen sind. Mit der psychologi-
schen Arbeitsanalyse können wir systematisch die psychische
Regulation menschlicher Arbeitstätigkeit im Kontext ihrer
Bedingungen und Auswirkungen erfassen (Dunckel, 1999). Es
ist zu betonen, dass die Arbeitstätigkeit stets eine psychisch
regulierte Tätigkeit darstellt (Hacker, 2005). Wir empfehlen
daher, die bedingungs- und auftragsbezogene Analyse objek-
tiver Rahmenbedingungen durch eine subjektive Erfassung
der psychischen Regulationsprozesse und der Auswirkungen
der Arbeit zu ergänzen. Psychologische Arbeitsanalysen zie-
len auf die Gesundheits- und Persönlichkeitsförderung im Zu-
sammenhang mit den Arbeits- und Organisationsbedingungen.
Damit eignen sich Arbeitsanalysen als Baustein oder Basis ei-
ner integrativen Gesundheitsbefragung.
; Box 5-16: Arbeitsanalyse als Baustein der Gesundheitsbefragung

Die arbeitsanalytische Betrachtung zeigt uns zwar Handlungs-


felder auf, aber letztendlich kann sich BGM nur nachhaltig
durchsetzen, wenn es seine Erfolge nachweisbar und bere-
chenbar macht (vgl. Fritz et al. 2007). Dazu benötigt man in-
haltlich sinnvolle Kennzahlen. Neben Effektvariablen auf der
körperlichen und Verhaltensebene zählen hierzu insbesonde-
re auch Arbeitsbedingungen und soziale Beziehungen (Bam-
5 berg, 2006). Fritz (2006) zeigt auf, welcher ökonomische
Nutzen aus weichen Kennzahlen wie Arbeitszufriedenheit und
Gesundheit entsteht. Neben Fehlzeiten und Kostenanalysen
sind diese Faktoren in einer Gesamtkalkulation zu berück-
sichtigen. Letztlich wird es eine Kombination von qualitati-
ven und quantitativen, harten und weichen Kennzahlen in
einer BGM-Matrix sein, die wir benötigen. Wichtig sind dabei
inhaltlich passende Zielkriterien. Die Vernetzung guter Kenn-
zahlen mit den aus arbeitsanalytischen Betrachtungen ermit-
telten Zusammenhängen führt zum Konzept der integrativen
Gesundheitsbefragung, das wir Ihnen im weiteren Verlauf
vorstellen werden.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 329 A 5.6
Wie sieht ein integratives Konzept der
Gesundheitsscores konkret aus?

Unser in der Praxis bewährter Vorschlag baut auf eine & Health
Balanced Scorecard (} Abbildung 45, S. 242). In dieser Balanced
Scorecard werden die Dimensionen Arbeit, Mensch, Unternehmen,
& Work-Life-Balance und Gesundheitsförderung mit Hilfe syste-
matisch gewonnener Gesundheitsscores erfasst (Treier, 2012).
Flankiert wird das Konzept durch Kennzahlen aus den Bereichen
Business, Gesundheit und Qualität. Bevor wir Ihnen das Gesamt-
konzept vorstellen, möchten wir Sie schrittweise an das integrati-
ve Konzept der Gesundheitsscores heranführen.

Welche Themenbereiche werden erfasst? Die klassische Arbeits- 1. Schritt:


analyse ist etwas einseitig auf die Arbeitsaufgabe und Arbeitsbe- Themenfelder
dingungen fokussiert. Erweiterte Instrumente wie der FAGSBGF
zeigen auf, dass wir bei einer Gesundheitsanalyse viele Themen-
bereiche in ihrer Wechselwirkung berücksichtigen müssen
(} Abbildung 78). Diese Themenfelder sind in & Metaanalysen
eindeutig als relevante Inhaltsfelder des BGM identifiziert worden.
Der erste Schritt ist die Festlegung dieser Themenfelder im Rah-
men eines Workshops mit den entsprechenden Anspruchsgruppen.
Die Workshopmethode bietet den Vorteil, dass frühzeitig die Be-
troffenen und die Arbeitnehmervertreter (Betriebsrat) eingebun-
den werden. So lassen sich die gesetzlichen Anforderungen zur
Mitbestimmung überzeugend und mit geringem Aufwand erfüllen.

Welche Eigenschaften weisen Gesundheitsscores auf? Im zweiten 2. Schritt:


Schritt benötigen Sie Kennzahlen. Im Gegensatz zu den klassischen Gesundheits-
Kennzahlen bilden die Gesundheitsscores Kennwerte ab, die ge- scores
zielt mit eigens dafür entwickelten Instrumenten ermittelt wer-
den. Sie ersetzen nicht Kennzahlen wie Fehlzeiten etc., sondern
stellen eine notwendige und sinnvolle Ergänzung dar. Die empiri-
schen Zusammenhänge der Gesundheitsscores sind gemäß dem
Treiber-Indikatoren-Modell (} Abbildung 50, S. 256) eindeutiger
als bspw. bei den Fehlzeiten, da es sich größtenteils um Treiber
oder Frühindikatoren handelt. Ein modernes Konzept des BGM
kann auf solche Gesundheitsscores nicht verzichten, denn aus
ihnen resultieren direkte Gestaltungshinweise. Sie spiegeln indivi-
duumsbezogene Sichtweisen wider. Summativ errechnet sich dann
aber ein organisationaler Gesundheitswert.
5 A 330 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

   
*HVXQGKHLWV
VFRUHV
$UEHLWVDQDO\VHQHEVW
SV\FKLVFKHQ )KUXQJVTXDOLWlW
%HODVWXQJHQ

$UEHLWV]XIULHGHQKHLW 8QWHUQHKPHQVNXOWXU

$UEHLWVEHZlOWLJXQJ *HVXQGKHLWV
:RUN/LIH%DODQFH
EHZXVVWVHLQ

*HVXQGKHLWV]XVWDQG
/HEHQVVWLOH
SK\VLVFK SV\FKLVFK

%HZHUWXQJGHU
*HVXQGKHLWVI|UGHUXQJ
(UKROXQJVIlKLJNHLW 6HOEVWZLUNVDPNHLW

,QYLHOHQ0HWDDQDO\VHQHLQGHXWLJ
DOVUHOHYDQWH,QKDOWVIHOGHUGHV
*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ *HVXQGKHLWVPDQDJHPHQWV
(LQVWHOOXQJHQ
XQGNRPSHWHQ]
LGHQWLIL]LHUW

} Abbildung 78: Themenfelder der Gesundheitsanalyse

Diese Gesundheitsscores müssen standardisiert erfasst und mit


Kennzahl1



einem festen Algorithmus im Sinne des Controllings errechnet




Kennzahl5 Kennzahl2



werden. Wir empfehlen, diese Scores auf dem Wertebereich von 1


Kennzahl4 Kennzahl3
bis 100 zu transformieren, damit sie später in der Health Score-
card optimal balanciert (Gewichtungen betreffend) und bilanziert
werden können. Zudem erlaubt eine solche Skala eine visuell auf-
bereitete grafische Analyse und Kommunikation mit dem Manage-
ment (z. B. Spinnendiagramme). Die  Tabelle 5-13 stellt wichti-
5 ge Aussagen zur Bedeutung und zu den Anforderungen zusammen.

 Tabelle 5-13: Bedeutung und Anforderungen an Gesundheitsscores

Bedeutung Anforderungen
Gesundheitspädagogisches
Kennzahlenbasiert
Instrument
Pro-aktive und gestaltungsorien-
Befragungsbasiert
tierte Abbildung von BGF-Themen
Kommunikationsmittel und Betrof-
Risiken, aber auch salutogene
fenheit auslösend (Individuum und
Faktoren berücksichtigend
Management)
Fokus auf Präventionsmaßnahmen,
Ranking-System ermöglichend
also antizipativ ausgerichtet
Grundlage für gezielte BGF: Auf-
Effizient und effektiv im Einsatz
zeigen von Stellschrauben
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 331 A 5.6
Auf der Website finden Sie beispielhafte Fragen zu den einzelnen
Themenfeldern und Hinweise zur Entwicklung eines Instrumentes
für die Gesundheitsbefragung. Die psychologische Arbeitsanalyse
kann ein guter Ausgangspunkt für eine Gesundheitsbefragung sein.
Der Vorteil eines schon standardisierten Instrumentes ist, dass Sie
auf Benchmark- bzw. Referenzdaten zurückgreifen können. Nach- Fragen für die
teilig ist, dass Sprache und Themenfelder nicht unternehmensspe- Gesundheits-
zifisch abgebildet sind. Bei dem BGM-Barometer ist deshalb eine scores
einfache Sprache mit visuellen Symbolen verwendet worden.

Wie kombiniere ich die verschiedenen Gesundheitsscores? Die 3. Schritt:


} Abbildung 79 stellt die Gesundheitsscores und deren Inhaltsfel- Integration der
der dar. Diese Scores erfassen Sie effizient mit einem einzigen Gesundheits-
Instrument, das individuelle und umfeldbezogene Fragestellungen scores
kombiniert. Dieses Instrument umfasst in Abhängigkeit vom Diffe-
renzierungsgrad etwa 100 bis 180 Kurzitems (meistens Halbsätze
oder Symbole). Die Ausfüllzeit nimmt etwa 20 bis 30 Minuten in
Anspruch. Zur Zielgruppenidentifikation sind demografische Daten
wie Altersklasse, Geschlecht, Tätigkeitskategorie und Führungs-
verantwortung zu erheben. Wir empfehlen, in dieser Gesundheits-
befragung konvergente Items anderer klassischer Instrumente
einzubinden (z. B. & Work Ability Index oder & Selbstwirksam-
keitsskala), um das Instrument neben seiner internen Bench-
markfähigkeit mit Referenzdaten standardisierter Instrumente zu
verknüpfen.

+:, +6, +3,


+HDOWK6HOI +HDOWK3HUFHLYHG
+HDOWK:RUN,QGH[
(IILFDF\,QGH[ ,QGH[
.HQQ]DKOHQEDVLHUW

3UlYHQWLRQVIDNWRU

0RWLYDWLRQVIDNWRU
'HPRJUDILHIDNWRU

$UEHLWVEHZlOWLJXQJ 6HOEVWZLUNVDPNHLW *HVXQGKHLWV


5LVLNRSDUDPHWHU 6HOEVWYHUDQWZRUWXQJ ZDKUQHKPXQJ
DUEHLWVSV\FKRORJLVFKH *HVXQGKHLWV *HVXQGKHLWV
)DNWRUHQ NRPSHWHQ]HQ EHZXVVWVHLQ

$UEHLWXQG3ULYDW *HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ
$UEHLWV]XIULHGHQKHLW
OHEHQVR]LDOH (LQVWHOOXQJHQXQG
&RPPLWPHQW
5HVVRXUFHQ :HUWH/HEHQVVWLOH
)KUXQJVTXDOLWlW
*HVXQGKHLWVNXOWXU ,QYHVWLWLRQVEHUHLWVFKDIW

+HDOWK&XOWXUH +HDOWK%HKDYLRU +HDOWK/HDGHUVKLS


:RUN/LIH%DODQFH DQG$WWLWXGH,QGH[ DQG&OLPDWH,QGH[

+&, +%, +/,

+HDOWK
,QGH[
+:,  +6(  +3,  +&%  +%$  +:&

E E E E E
$EVHQWLVPXV

3UlVHQWLVPXV
5HJUHVVLRQVDQDO\WLVFKRGHU6HW]XQJ
3URGXNWLYLWlW $XFKJHWUHQQWH%HWUDFKWXQJP|JOLFK

} Abbildung 79: Integratives Konzept der Gesundheitsscores


5 A 332 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Diese einzelnen Gesundheitsscores lassen sich gemeinsam ver-


rechnen. Dabei sind die Gewichtungen entweder strategisch vor-
gegeben oder & regressionsanalytisch bestimmt. Der resultieren-
de mehrdimensionale Health Index sollte dann noch mit einem
Nutzungsindex, der die individuellen Erfolgsbilanzen abbildet,
verknüpft werden. Nach einer Perzentilisierung der Daten lässt
sich ein Ampelschema zur bewertenden Verfolgung der Gesund-
heitsscores festlegen.

Als größte Baustelle bei allen Formen der Balanced Scorecard 


gleichviel ob HR- oder Health BSC  kristallisiert sich die Bestim-
mung der Gewichtungsfaktoren heraus. Es existieren verschiedene
Herangehensweisen, um solche Gewichtungen zu ermitteln. Die 
Tabelle 5-14 fasst die wichtigsten Methoden zusammen. In der
Gewichtungen Praxis haben sich v. a. die Benchmarking- und die evidenzbasierte
Herangehensweise bewährt. Persönlich favorisieren wir aber die
statistisch-mathematische Methode, da diese neutral ist.

 Tabelle 5-14: Gewichtungen in der Health BSC

Methode Erläuterung
Dieser Weg ist beliebt, aber auch gefährlich, da
Strategische
Vorurteile und falsche Annahme vorliegen können
Setzungen
und die Gesamtbewertung beeinflussen.
Das Benchmarking ermöglicht Einblicke in die
Vergleich mit Bedeutung und Priorisierung von Steuerungsgrö-
anderen ßen. Es setzt voraus, dass man aber vergleichba-
re Partner findet.
Oft besitzt man Erfahrungen, welche Hebel die
wirksamsten sind. Auch wenn die Ursache-
5 Evidenzbasierte
Wirkungs-Ketten nicht in Gänze bekannt sind,
macht es Sinn, diese Steuerungsgrößen einzuset-
Methode
zen. Man sollte die evidenzbasierte mit der wis-
senschaftlichen Herangehensweise kombinieren,
um Erklärungsmuster zu erhalten.
Es existieren viele Feldstudien und empirische
Empirisch- Hinweise, die man nutzen kann, um Ursache-
wissenschaftliche Wirkungs-Ketten zu identifizieren. So weiß man
Herangehensweise bspw., welche Wirkfaktoren und Treiber auf die
Fehlzeitenentwicklung Einfluss nehmen.
Dieser Weg nutzt v. a. interne Daten, kann aber
Statistisch- auch mit externen Daten angereichert werden.
mathematische Statistische Werkzeuge helfen Ursache-Wirkungs-
Herangehensweise Ketten zu bestimmen, Gewichtungsfaktoren zu
berechnen und Trendanalysen durchzuführen.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 333 A 5.6
Wie erfasse ich nun konkret die Gesundheitsscores? Die meisten 4. Schritt: Fahr-
Unternehmen führen Gesundheitsbefragungen einmalig durch. Es plan für die
handelt sich um Querschnittserhebungen. Sie stellen eine anony- Evaluation
misierte Momentaufnahme dar. Problematisch ist, dass dieses
Design keinen Nachweis für die Wirksamkeit erlaubt. Hierfür muss
man quasi längsschnittlich vorgehen, also den Veränderungspro-
zess bei den Betroffenen nach Intervention aufzeigen. Ist das
praktisch umsetzbar? Die } Abbildung 80 (S. 334) illustriert einen
solchen Fahrplan, der bspw. in einem Unternehmen der Energie-
und Chemiebranche mit mehreren Standorten umgesetzt worden
ist. Zugegeben ist dies ein Best Practice Fall. Meistens wird man
Abstriche vornehmen müssen. Die Instrumente bauen dabei stets
auf die Gesundheitsbefragung auf.
x Baseline-Erhebung I: Sie erfolgt am Anfang und dann nach
etwa drei Jahren. Sie ist anonym und wird logistisch analog
wie eine Mitarbeiterbefragung abgewickelt. Wir empfehlen
keine Online-Befragung, weil bei Online-Befragungen immer
noch Ängste in Bezug auf Anonymität vorliegen, die den Rück-
lauf und die Qualität der Daten schmälern können. Unser per-
sönlicher Tipp: Investieren Sie in das Design des Fragebogens!
x Start-up der BGF: Mitarbeiter, die an einem BGF-Programm
teilnehmen, werden am Anfang personengebunden hinsicht-
lich gesundheitsrelevanter Themenfelder befragt. Dies könnte
bspw. in der arbeitsmedizinischen Abteilung geschehen. Hier-
zu wird ein Identity-Code genutzt, der eine Trennung zwi-
schen Echtnamen und Analyse gewährleistet. Die Korrespon-
denztabelle (Echtname Ù Identity-Code) wird bspw. beim Be-
triebsarzt aufbewahrt. Wir benötigen den Identity-Code, um
bei den weiteren Erhebungen eindeutig den Veränderungspro-
zess je Person nachweisen zu können. Falls es aus betriebli-
chen Gründen nicht möglich sein sollte, die Eindeutigkeit
durch einen Identity-Code zu gewährleisten, muss man auf
gruppenbezogene Analysen (Veränderungsprozess pro Gruppe,
also alle Mitarbeiter im Alterssegment von 45 bis 55 Jahren)
ausweichen, die aber einen signifikanten Konturverlust in Be-
zug auf den Wirksamkeitsnachweis nach sich ziehen. Nach Be-
endigung der Evaluationsmaßnahme werden die Korrespon-
denztabelle und die Identity-Codes vernichtet.
x Zufriedenheitsbarometer: Bei größeren BGF-Maßnahmen
empfiehlt es sich, diese von den Teilnehmern in Bezug auf Er-
wartungserfüllung bewerten zu lassen. Der subjektive Zufrie-
denheitswert kann dann mit dem objektiven Parameter der
Nutzungsintensität verknüpft werden.
x Nachhaltigkeitsbögen: Wir empfehlen eine einjährige evalua-
tive Begleitung der individuellen Umsetzung. Meistens reichen
hierzu zwei Nachhaltigkeitsbögen nach sechs und zwölf Mona-
5 A 334 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

ten aus. Diese sind mit dem Identity-Code versehen. Dort in-
teressiert man sich v. a. für das Gesundheitsverhalten, die
Aufrechterhaltung der Zielbindung und für Faktoren, die die
Umsetzung behindern. Hiermit können wir die Wirksamkeit
von BGF-Maßnahmen nachweisen.
x Baseline-Erhebung II: Nach drei Jahren erfolgt eine erneute
Baseline mit dem gleichen Instrument wie am Anfang. Wichtig
ist hier eine Kontrolle der Personalbewegungen, damit man
einschätzen kann, wie sich die Kohorten verändert haben.

Dieser Prozess kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den je-


weiligen Standorten ausgerollt werden. In diesem Fall empfehlen
wir aber eine Logistik-Checkliste, damit die verschiedenen In-
strumente zum richtigen Zeitpunkt abgebildet werden. Durch ein
intelligentes Stichprobenmanagement ist es auch nicht notwendig,
stets eine Vollerhebung durchzuführen. Zu erwägen ist ggf. auch
eine & Omnibus-Befragung. Diese wird auch als Mehrthemenum-
frage bezeichnet. Hierfür sprechen v. a. Kosten- und Zeiterspar-
nisse. Problematisch ist jedoch, dass der Umfang solcher
Mehrthemenumfragen recht hoch ausfällt und es auch zu inhaltli-
chen Interferenzen kommen kann.

Exakt gleiche Abfolge pro Person


%DVHOLQH
%DVHOLQH 6WDUWXS =XIULHGHQKHLWV 1DFKKDOWLJNHLW 1DFKKDOWLJNHLW 1DFKFD-DKUHQ
3HUVRQHQ EDURPHWHU 0RQDWH 0RQDWH
7LSS EH]RJHQ 3UlYHQWLRQV QDFK0D‰QDKPH QDFK0D‰QDKPH 7LSS (UQHXWH
)HKO]HLWHQDQDO\VH PD‰QDKPH )HKO]HLWHQDQDO\VH
HPSIHKOHQVZHUW

6WDQGRUW[\

5 6WDQGRUWEHUJUHLIHQGH(YDOXDWLRQ

6WDQGRUW

6WDQGRUW

6WDQGRUW
6WDQGRUW

} Abbildung 80: Fahrplan für eine umfassende Gesundheitsanalyse

Erfolgsfaktoren Die  Tabelle 5-15 fasst wichtige Erfolgsfaktoren der Evaluation


der Evaluation zusammen. Wenn Sie mit einem externen Dienstleister zusam-
menarbeiten, sollten Sie diese als Prüfliste verwenden und in den
Servicescheinen verankern.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 335 A 5.6
 Tabelle 5-15: Erfolgsfaktoren der Evaluation

Erfolgsfaktoren Erläuterung für die Gesundheitsanalyse


9 Regelmäßiges kennzahlenbasiertes Reporting für Ent-
scheidungsträger
Berichtend 9 Stärken-Schwächen-Analyse in Bezug auf BGM und Erwei-
terungen wie & Demografiemanagement
9 „One Page Only Controlling“
9 Relativ schlankes Kerninstrument (aber abhängig von der
Tiefe der Analyse)
Effizient 9 Ein Instrument für verschiedene Themenfelder im BGM
9 Nach einmaliger Gesamterhebung nur noch gruppenbezo-
gene Erfassungen
9 Nach sozialwissenschaftlichen Kriterien entwickelte In-
strumente (Standardisierung)
 Kennzahlen- 9 Empirisch anerkannte Indikatoren und Treibervariablen
 basiert der Gesundheit
9 Beachtung auch demografierelevanter Indikatoren
9 Bündelung zu pragmatischen Kennwerten (Health Index)
9 Stabilität der Kennzahlen zur Nachverfolgung von Inter-
ventionen (historischer Vergleich, Trendwerte)
Nachhaltig 9 Eindeutigkeit der verwendeten Algorithmen und Berech-
nungsvorschriften
9 Instrument des Risikomanagements
9 Berücksichtigung des Arbeits- und Ablaufprozesses (nah
am Geschehen)
Prozessnah 9 Kein Störfaktor (Teil der BGM-Maßnahme)
9 Unterstützung des Prozesses durch Kommunikations- und
Sensibilisierungsaufgaben
9 Organisationelle zielgruppenbezogene Rückmeldung
9 Verknüpfung mit anderen Daten wie Fehlzeiten oder
Finanzkennziffern usw.
Ziel-
9 Abbildung von Ist-Soll-Analysen (internes und externes
orientiert
Benchmarking)
9 Gestaltungsorientierter Ansatz mit direkter Zuordnung
von Maßnahmen auf Basis der Kennwerte

Die Gesundheitsbefragung ist ein wesentliches Evaluations-


und Kommunikationsinstrument für das Wirkungs- und In-
terventionsmodell im BGM (Wieland & Hammes, 2008). Mit
diesem Ansatz rüsten Sie sich gegen Vorurteile, falsche An-
nahmen oder ein zu extrem einseitiges Kostendenken.

Damit kommen wir zum letzten Schritt. Das integrative Diagnose- 5. Schritt:
portfolio verknüpft die Gesundheitsscores und die flankierenden Integratives
Kennzahlen aus dem Bereich Wirtschaft (Business), Gesundheit Datenportfolio
(Health) und Qualität (Service). Die } Abbildung 81 (S. 337) illus-
triert das Grundmodell. Von der Gewichtung empfehlen wir Ihnen,
5 A 336 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

am Anfang den Fokus auf die Gesundheit und Qualität zu setzen.


Der Datenpool BGM setzt sich aus diversen Datentypen zusammen:
x Kennzahlen: Sie stammen aus dem Controlling. Es handelt
sich um Betriebskennzahlen (Finanzkennzahlen, Fehlzeiten,
& Fluktuationsraten, Personalstruktur). Wir empfehlen eine
monatliche Einschätzung. Manche Kennzahlen sind nur jährlich
im Rahmen der Geschäftsberichte erfassbar.
x Daten aus Nutzung: Diese stammen aus medizinischen Unter-
suchungen, Beratungen und der Angebotsnutzung. Ergänzend
lässt sich ein Nachhaltigkeitsindex für die Angebote abbilden
(Halbwertzeit). Auch Daten aus der Leistungsstatistik kann
man hier berücksichtigen. Wir empfehlen eine monatliche Ein-
schätzung bzw. eine Zusammenführung der Daten.
x Dialogdaten: Die Gesundheitsbefragung gehört zu diesem
Datentypus. Hinzu kommen noch Expertenratings oder Ergeb-
nisse aus anderen Befragungen (Feedbacksystemen, Mitarbei-
terbefragungen). Zu den Dialogdaten rechnen wir auch die Be-
funde aus den & Gefährdungsanalysen. Wir empfehlen eine
(halb-)jährliche Bewertung der Kennwerte.
x Routinedaten: Hierzu zählen Daten vom Sozialversicherungs-
träger und von Studien. Sie stellen eine gute Möglichkeit dar,
die eigenen Daten an externen Referenzdaten zu kalibrieren.
Wir empfehlen eine jährliche Einschätzung.

Diese Daten lassen sich wiederum unterschiedlichen Prüfpunkten


in Anlehnung an das  EFQM-Modell (} Abbildung 38, S. 227)
zuordnen und auf Erfüllungsgrad (vollständig erreicht, beachtliche
Fortschritte, gewisse Fortschritte, nicht begonnen) bewerten …
x
5 Potenziale/Strukturen: Als Parameter gelten hier Kompeten-
zen, Infrastruktur, Vernetzung, Instrumentenqualität, Syste-
matik, soziale Verantwortung etc. Hinweise zu den Strukturen
finden Sie u. a. in der Leistungsstatistik.
x Prozesse: Als Parameter sind Distanz, Zuverlässigkeit, Schnel-
ligkeit, Bearbeitungszeit, Adressatenorientierung, Prüfung,
Datenerhebung Gesundheit etc. zu nennen. Sie ergeben sich
u. a. aus dem Nutzungsindex und den Fallbearbeitungsdaten.
x Ergebnisse: Sie resultieren aus den Kennzahlen und Gesund-
heitsscores. Dabei muss man zwischen kurz-, mittel- und lang-
fristigen Indikatoren differenzieren. Wichtig ist der Ist-Soll-
Abgleich, der bspw. durch einen Lenkungskreis Gesundheit er-
folgen kann. Die Ergebnisse sind die Grundlage für einen qua-
lifizierten Gesundheitsbericht.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 337 A 5.6
Gesundheitsscores
Die Gesundheitsscores mit Kennzahlenqualität sind für eine
proaktive Steuerung im BGM von Bedeutung. Durch die Ziel-
gruppenorientierung lassen sich gruppenspezifische Merkmale
entwickeln. Der Aufwand für eine solche Befragung kann
durch ein intelligentes Stichprobenmanagement deutlich oh-
ne Verlust der Qualität reduziert werden. Auch eine & Om-
nibus-Befragung ist ggf. zu erwägen. Die Nebeneffekte einer
systematischen Gesundheitsbefragung wie Partizipation, Aus-
lösung von Betroffenheit und Marketing sind nicht zu unter-
schätzen. Es handelt sich neben dem Gesundheitscontrolling
auch um ein kommunikatives und pädagogisches Instrument.
Ein standardisiertes Vorgehen ist dabei unerlässlich.
; Box 5-17: Gesundheitsbefragung durch Gesundheitsscores

'LDJQRVHSRUWIROLR
Kontinuierliches Monitoring 6WUXNWXUHQ 3UR]HVVH (UJHEQLVVH
)LQDQ]NHQQZHUWHXQG.RVWHQ1XW]HQ5HODWLRQ
%XVLQHVV ‡ (%,70DUJHXQG+&9$Æ 9HUKlOWQLV9HUJOHLFKVZHUWH

6 W U X N W X U G D W H Q
‡ .RVWHQ1XW]HQ6WDWLVWLNDXV7DEOHDX/HLVWXQJVVWDWLVWLN
)RNXV
.RVWHQ ‡ 0DUNWEHREDFKWXQJVGDWHQDOV.DOLEULHUXQJVJU|‰H
(UIROJH ‡ )HKO]HLWHQDQDO\VHXQGSHNXQLlUH9HUUHFKQXQJ
‡ (YLGHQ]GDWHQDXV6WXGLHQ]XP52,

*HVXQGKHLWVUHOHYDQWH)DNWHQ
+HDOWK ‡ +HDOWK ,QGH[ 'LDORJGDWHQÆ *HVXQGKHLWVEHIUDJXQJ
‡ )DOO6WDWLVWLNQHEVW%(0 'LDJQRVHGDWHQ
)RNXV
*HVXQGKHLW ‡ )DOOEHDUEHLWXQJ
:LUNVDPNHLW ‡ $UEHLWVDQDO\VHQ
‡ *HIlKUGXQJVDQDO\VHQ IDOOVYRUKDQGHQ

.XQGHQRULHQWLHUWHV*HVXQGKHLWVPDQDJHPHQW
6HUYLFH ‡ 1XW]XQJVLQGH[
‡ )DOO6WDWLVWLN 4XDOLWlWVDEIUDJHEHLÄ)DOOEHDUEHLWXQJ³
)RNXV
4XDOLWlW ‡ $QJHERWVVWDWLVWLN1DFKKDOWLJNHLWVEHZHUWXQJGHU$QJHERWH
1XW]XQJ ‡ =XIULHGHQKHLWVEDURPHWHU 4XDOLWlW6HUYLFH
‡ (UIOOXQJVJUDGGHU6HUYLFHVFKHLQH

} Abbildung 81: Diagnoseportfolio Gesundheitsmanagement

Der Aufwand lohnt sich und kristallisiert sich oft auch gar nicht als
so gravierend heraus, wie es den ersten Anschein hat. Die An-
fangsinvestition ist aus ressourcentechnischer Sicht in Abhängig-
keit von der Filigranität hoch. Sobald der Prozess standardisiert
abläuft, erhält man jedoch wertvolle Daten mit relativ geringem
Aufwand. Aus typischen betrieblichen Studien möchten wir Ihnen Einige Ergebnisse
einige anonymisierte Daten vorstellen, um Ihnen einen Eindruck
von der Bedeutung der Gesundheitsbefragung zu vermitteln. Am
Anfang des Buches (ª Kap. 1.2, S. 25) haben wir Ihnen schon ak-
tuelle Ergebnisse einer Längsschnittstudie zum Wirksamkeits-
nachweis von BGF-Maßnahmen vorgestellt. Diese Ergebnisse ver-
danken wir ebenfalls standardisierten Gesundheitsbefragungen.
5 A 338 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Fall 1: Gesund- Bei einem Unternehmen der Chemiebranche wurden 2009 in einer
heitsbefragung Pilotstudie 142 Personen und später in einer Folgeuntersuchung
600 Personen mit einem Gesundheitsfragebogen mit den Konstruk-
ten Arbeitstätigkeit, Arbeitsfähigkeit, Selbstwirksamkeit, Irritati-
onsskala, Gesundheitszustand, Gesundheitsverhalten, Rahmen-
bedingungen befragt. Die externe Vergleichsstichprobe enthielt
2342 Datensätze. Es zeichnen sich folgende Ergebnisse ab:
x Arbeitstätigkeit: Der Gesamtkennwert kann zuverlässig aus
den reliablen Unterskalen „Bedeutung der Arbeit“, „körperli-
che Belastung“, „psychosozialer Stress“, „Passung zu eigenen
Ansprüchen“, „emotionale Belastung“ und „Handlungsspiel-
raum“ generiert werden. & Regressionsanalytisch erreichen
wir eine hohe Modellgüte zwischen Gesamtkennwert und Sub-
skalen (korrigierter R2=0,75). Der Wertebereich liegt zwischen
1 und 100. Der erreichte Wert von 53 signalisiert Gestaltungs-
bedarf. Unter Berücksichtigung der Referenzdaten (Bench-
markdaten) ergibt sich eine gelbe Ampelschaltung. Als beson-
ders problematisch kristallisiert sich die Nachtschichttätigkeit
heraus. Dieser Parameter ist als kritisch zu betrachten, denn
einige arbeitsanalytische Indikatoren schalten unter Berück-
sichtigung der Nachtschicht signifikant ins „Negative“ um.
x Arbeitsfähigkeit: In der Gesundheitsbefragung ist der & Work
Ability Index wichtig und mit externen Benchmarkdaten ver-
gleichbar. Der Wert, der sich zuverlässig aus den Einzelitems
ergibt (& Cronbachs D=0,82), fällt in dieser Befragung positiv
mit einem Gesamtkennwert von 65 aus. Die Arbeitsfähigkeit
ist hier ein Puffer, der aber präventiv weiterhin aufzubauen
ist, denn der Zielwert sollte bei der Verrechnung und in Bezug
auf die Referenzdaten in etwa bei 75 liegen. Bedeutsam ist
hier die systematische Abnahme mit dem Alter. Befragte älter
5 als 55 Jahre schätzen größtenteils ihre Arbeitsfähigkeit signi-
fikant schlechter ein als Beteiligte zwischen 25 und 45 Jahren.
x Selbstwirksamkeit: Ähnlich wie die Arbeitsfähigkeit schreibt
man der & Selbstwirksamkeit eine Pufferfunktion zu. Der
Wert fällt sehr gut aus. Da aber bei den Antwortmustern In-
konsistenzen zwischen Einschätzung der Selbstwirksamkeit
und dem Gesundheitsverhalten feststellbar sind, ist hier auf
eine differenzierte Analyse verzichtet worden.
x Irritationsskala: Diese Skala ist ebenfalls als Puffervariable zu
bewerten (umgekehrte Bewertung). Aus den Fragen lässt sich
ein zuverlässiger Index für die Irritation bestimmen (Cron-
bachs D=0,74). Er liegt bei dieser Studie im mittleren Feld.
Das Folgeinstrument erweitert diese Skala in Bezug auf Items,
die als Indikatoren für depressive Störungen fungieren können.
Gerade depressive Störungen sind im Vormarsch.
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 339 A 5.6
x Gesundheitszustand: Aus den Einzelfragen resultiert ein reli-
abler Index für den Gesundheitszustand (Beschwerdematrix)
(Cronbachs D=0,84). Mithilfe des Ampelschemas lassen sich
eindeutige Problemfelder identifizieren. Dazu gehören v. a.
Nacken-/Schulterschmerzen (27 Prozent rote Ampelschal-
tung), Müdigkeit und Zerschlagenheit (23 Prozent rot),
schmerzende Gelenke (35 Prozent rot), Rücken- und Kreuz-
schmerzen (39 Prozent rot) und Schlafstörungen (21 Prozent
rot). Erwartungsgemäß treffen wir bei älteren Mitarbeitern
häufiger auf typische altersbedingte Probleme. Insgesamt fällt
der Gesamtkennwert mit 68 erfreulicherweise positiv aus. Der
subjektiv erlebte Gesundheitszustand, der sich reliabel aus
den Items ermitteln lässt, ist nach Referenzierung im gelben
Bereich. In Anbetracht der demografischen Entwicklung gilt
es, diesen Wert positiv weiterzuentwickeln.
x Gesundheitsverhalten: Aus den Fragen lässt sich ein reliabler
Index für das Gesundheitsverhalten bestimmen (Cronbachs D =
0,76). Insgesamt resultiert ein unauffälliger Gesamtwert mit
Optimierungsbedarf. Aus der individuellen Stärken-
Schwächen-Analyse lassen sich folgende Problemfelder identi-
fizieren: Auf ausgewogene Ernährung achten (25 Prozent rot),
regelmäßige Arztbesuche im Sinne der Vorsorge (30 Prozent
rot), regelmäßige körperliche Bewegung (23 Prozent rot), gut
abschalten können (27 Prozent rot), auf das Gewicht achten
(30 Prozent rot), mit Stress umgehen können (22 Prozent rot)
und Zeit für sich nehmen (23 Prozent rot). Auffällig ist das re-
lativ starke Vorkommen von Rotschaltungen im Bereich der
psychosozialen Faktoren des Gesundheitsverhaltens.
x Rahmenbedingungen: Aus den Unterskalen & „Gesundheits-
kultur“, „Fehlerkultur“, „Arbeitsplatzgestaltung“, „Betriebs-
klima und Information“ sowie „Angst um den Arbeitsplatz“
lässt sich & regressionsanalytisch ein aussagekräftiges Modell
bestimmen (korrigiertes R2=0,77). Diese Unterskalen sind qua-
si die Treiberfaktoren unseres Treiber-Indikatoren-Modells
(} Abbildung 82, S. 340). In dieser Befragung ergibt sich ein
kritischer Wert von 51, der Handlungsbedarf signalisiert.

Aus den Hauptkennwerten kann ein additiv verrechneter Gesamt-


kennwert bestimmt werden. Er liegt in diesem Fallbeispiel bei
etwa 60 (gelbe Ampelschaltung).
5 A 340 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

6WDQGDUGIHKOHU
$UEHLWVWlWLJNHLW (EHQH 5 5 .RUU5
6FKlW]HU

   


$XVVDJHNUDIWGHV0RGHOOV
$UEHLWVIlKLJNHLW DXVVWDWLVWLVFKHU6LFKW

  


*HVXQGKHLWV]XVWDQG
*OREDONHQQZHUW
*HVXQGKHLW
*HVXQGKHLWVYHUKDOWHQ

5DKPHQEHGLQJXQJHQ
(EHQH
+DQGOXQJVVSLHOUDXP

.|USHUOLFKH%HODVWXQJ

  


(PRWLRQDOH%HODVWXQJ
%HLVSLHOKDIWIU$UEHLWVWlWLJNHLW *HVDPWNHQQZHUW
$UEHLWVWlWLJNHLW
3DVVXQJ]XHLJHQHQ$QVSUFKHQ

6WUHVV =HLW3ODQEDUNHLW«
(EHQH
%HGHXWXQJGHU$UEHLW

} Abbildung 82: Globalkennwert Gesundheit bei einer Studie

Fall 2: Längs- In einem Konzern der Energiebranche erfolgte 2006 mit Unterstüt-
schnittstudie zung der Bundesknappschaft eine Evaluation einer einwöchigen
Präventionsmaßnahme, die sich v. a. auf die Eigenverantwortung
und auf das Gesundheitsverhalten fokussierte. An dieser Maßnah-
me nahmen 50 Mitarbeiter teil. Über 75 Prozent der Teilnehmer
waren älter als 36 Jahre. Über 60 Prozent der Teilnehmer waren
weiblich. Aufgrund der intensiven Begleitung beschränkten wir uns
auf eine überschaubare Gruppe, die freiwillig an dieser Maßnahme
5 teilnahm. Die Studie zeichnete sich durch eine intensive Beglei-
tung der Teilnehmer im Kontext einer formativen Evaluation aus.
Neben Selbsteinschätzungen wurden stets Fremdeinschätzungen
durch Fachkräfte erfasst. Zudem berücksichtigte man auch Nut-
zungsdaten. Die persönlichen Daten wurden in einer individuellen
Gesundheitsakte, die ausschließlich dem Teilnehmer zur Verfü-
gung stand, gesammelt. Vier Messzeitpunkte wurden festgelegt:
x Erster Messzeitpunkt: Vor der Präventionsmaßnahme wurden
die Einstellung zur BGF/zum BGM, die Vorerfahrungen, die
Erwartungen, die subjektive Gesundheitseinschätzung und die
Ergebnisse der medizinischen Untersuchung der Arbeitsmedi-
zin erfasst. Instrumente: Gesundheitsfragebogen und arbeits-
medizinische Untersuchung.
x Zweiter Messzeitpunkt: Während der Maßnahme wurden die
Teilnehmer durch das Gesundheitsteam vor Ort bewertet und
die Compliance sowie die Notwendigkeit von Maßnahmen er-
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 341 A 5.6
fasst. Die Leistungs-/Funktionsanalyse bezog sich auf das
Herzkreislaufsystem, den Haltungs-/Funktionsapparat, die Re-
generation und Belastbarkeit, die Selbstwahrnehmung und das
Gesundheitsbewusstsein sowie die Ernährung. Instrumente:
Handlungsempfehlungen und diagnostische Parameter am Ort
der Präventionsmaßnahme.
x Dritter Messzeitpunkt: Eine Nachbetreuungsuntersuchung
erfolgte in Verbindung mit einer arbeitsmedizinischen Unter-
suchung. Instrumente: Gesundheitsfragebogen und arbeitsme-
dizinische Besprechung.
x Vierter Messzeitpunkt: Nach drei Monaten interessierte man
sich v. a. für Veränderungswerte im Gesundheitsbewusstsein
und -verhalten. Zudem erfolgte einer Bewertung durch Fach-
kräfte hinsichtlich der psychischen und physischen Beanspru-
chung auf einer sechsstufigen Skala. Ferner erfasste man in
dieser Nachphase den Zugriff auf Angebote der ärztlichen Ab-
teilung (z. B. Fitness-Forum, Physiotherapie). Instrumente:
Gesundheitsfragebogen und arbeitsmedizinische Bewertung.

Einige Ergebnisse aus dieser umfangreichen Studie: Bei 20 Prozent Ergebnisse


der Teilnehmer wurde eine mäßige bis hohe physische Beanspru-
chung festgestellt. Erschreckend hoch war der Anteil der Teil-
nehmer, die eine mäßige bis sehr hohe psychische Beanspruchung
aufwiesen. Diese lag bei über 40 Prozent. Zudem gaben 20 Pro-
zent der Teilnehmer eine auffällig hohe Arbeitsbelastung an. Die-
ser Wert bildete sich analog in der Fremdeinschätzung ab. Die
Präventionsmaßnahme wurde einhellig als wertvoll und nutzbrin-
gend eingestuft. Interessant war der Nachhaltigkeitseffekt, der
durch das Längsschnittdesign erfasst werden konnte. Aus Sicht der
Selbsteinschätzung nahmen die Teilnehmer nach der Maßnahme
im Vergleich zur Ausgangserhebung verstärkt Gesundheitsangebo-
te wahr. Kritisch anzumerken ist hier, dass keine echte Kontroll-
gruppe vorlag. Aus Sicht der Fremdeinschätzung nahmen die Teil-
nehmer nach der Maßnahme verstärkt interne Angebote im Unter-
nehmen wahr. Es wurden v. a. signifikant bessere Werte in der
konstruktiven und positiven kognitiven Auseinandersetzung mit
Gesundheitsfragen erzielt. Diese sind Ausdruck für die Verinnerli-
chung der Thematik und erhöhen damit auch die Wahrscheinlich-
keit der Fortführung. Aufgrund der sehr guten Ergebnisse wurde
später in diesem Unternehmen das BGM-Modell erweitert und
fortgeführt.

Hinweis: Weitere Ergebnisse auf Basis der Gesundheitsscores wer-


den im Kap. 1.2 (ª S. 25) vorgestellt.
5 A 342 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Die Nutzung von Gesundheitsbefragungen zur Ermittlung entspre-


chender Gesundheitsscores ist sinnvoll und praxisnah. Wer kein
eigenes Instrument konstruieren möchte, kann auf standardisierte
Instrumente mit Referenzdaten zurückgreifen. Unabhängig davon,
ob Sie ein eigenes Instrument verwenden oder ein externes In-
strument übernehmen, entscheidend ist, dass mit einem solchen
Instrument die relevanten Gesundheitsscores systematisch und
standardisiert erfasst werden können. Diese Gesundheitsscores
können Sie mit anderen Kennzahlen aus dem Wirtschafts-, Quali-
täts- und Gesundheitsbereich flankieren. Um einen Wirksamkeits-
nachweis zu erzielen, empfiehlt sich ein längsschnittliches Design.
Falls Letzteres aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kann
man ein Quasi-Panel definieren, um auf Gruppenebene Verände-
rungsprozesse nachzuweisen. Dies führt aber zu einer geringeren
Kontrastschärfe und zu mehr Rauschen in den Ergebnissen. Derzeit
liegen den Autoren insgesamt sechszehn eigene betriebliche Stu-
dien mit Einsatz solcher standardisierter Gesundheitsbefragungen
vor. In allen Studien zeigt sich, dass die kommunikative Vorarbeit
der wesentliche Erfolgsfaktor für die Durchführung der Befragung
ist. Ferner kristallisiert sich heraus, dass die Ergebnisse meistens
gezielte Gestaltungsmaßnahmen nach sich gezogen haben.

 Zusammenfassung zum Konzept der Gesundheitsscores


x Arbeitsfähigkeit: Der & Work Ability Index (WAI) ist die Aus-
gangslage und Arbeitsgrundlage für das integrative Konzept
der Gesundheitsscores. Das Haus der Arbeitsfähigkeit als WAI-
Konzept bietet sich als theoretische Plattform an. Der demo-
grafische Wandel pointiert die Relevanz der Arbeitsfähigkeit
als Steuerungsgröße für ein modernes BGM und stellt eine ge-
nerelle Handlungsaufforderung dar, gezielt auf Basis von
5 Kennwerten Gesundheitsförderung im Unternehmen umzuset-
zen. Jedoch sind auch die Einschränkungen dieses beliebten
Konstrukts zu beachten. Kritisch sind hier die offene Validität
des Konstrukts und die primäre Defizitorientierung.
x Arbeitsanalyse: Sie kann als Basis der Gesundheitsbefragung
als Evaluations- und Kommunikationsinstrument fungieren.
Man differenziert zwischen arbeitswissenschaftlichen und psy-
chologischen Verfahren der & Arbeitsanalyse. Da der Mensch
als Herausforderung mit seiner subjektiven Sichtweise in den
Vordergrund tritt, empfehlen wir die psychologische Arbeits-
analyse mit standardisierten Instrumenten. Konkret handelt es
sich bei den Empfehlungen in Abhängigkeit vom Anwendungs-
feld um den KFZA, COPSOQ, BASA II und FAGSBGF.
x Health Balanced Scorecard: Unterschiedliche Kennzahlen und
Daten müssen auf das gemeinsame Ziel eines effizienten und
effektiven BGM ausgerichtet werden. Dazu eignet sich als Ver-
folgungsinstrument die & Balanced Scorecard. Die strategi-
Baustein 4: Konzept der Gesundheitsscores 343 A 5.6
schen Setzungen erfolgen mithilfe von Qualitätsmanagement-
systemen wie dem  EFQM. Als Dimensionen sind die Arbeit,
der Mensch, das Unternehmen, die & Work-Life-Balance und
die Gesundheitsförderung zu fokussieren. Diese lassen sich
durch eine Befragung erfassen. Flankiert werden diese Daten
durch Kennzahlen aus den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit
und Qualität. Hierzu zählen u. a. die Fehlzeiten, die Gesund-
heitskosten oder die Nutzungsintensität. Aus den Dimensionen
ergeben sich Themenfelder wie Führungsqualität, Unterneh-
menskultur, Gesundheitszustand, Erholungsfähigkeit, Gesund-
heitsbewusstsein und -verhalten, Einstellungen oder die Ar-
beitsbewältigung. Jede dieser Themenfelder lässt sich mit den
Gesundheitsscores abbilden.
x Fahrplan der Evaluation: Das Evaluationsdesign ist oft in der
Praxis die Krux, denn meistens lassen sich nur querschnittliche
Momentaufnahmen durchführen. Um aber einen Nachweis der
Wirksamkeit der BGF-Maßnahmen zu erzielen und damit nach-
haltig zu steuern, bedarf es eines längsschnittlichen Designs
mit mehreren Messzeitpunkten. Es lassen sich in der Praxis
aber auch Kompromisswege wählen, um den Aufwand auf ein
akzeptables Niveau bei ausreichender Aussagekraft der Evalu-
ation zu reduzieren (Nutzwertanalyse der Evaluation).
x Integratives Datenportfolio: Die verschiedenen Datensätze
und Datentypen verlangen ein integratives Portfolio zur Zu-
sammenführung. Letztlich liegen nach einer gewissen Evalua-
tionszeit klassische Kennzahlen, Nutzungsdaten, Dialog- und
Routinedaten in Bezug auf Potenziale, Strukturen, Prozesse
und Ergebnisse vor. Diese sind dann als Cockpit zu bündeln.
x Studien: Der Aufwand lohnt sich sowohl für mittelständische
als auch für große Organisationen sowohl im öffentlichen Sek-
tor als auch in der Privatwirtschaft. Die Studien zeigen, dass
die Ergebnislandschaft als Impulsgeber für Weiterentwicklun-
gen und Fortschritt im BGM dient. Langfristige Verfolgung ge-
währleistet eine angemessene Steuerung der Maßnahmen und
damit den Nachweis der Wirksamkeit (Legitimation).
 Check-Liste 13: Konzept der Gesundheitsscores

Wir haben dem Kapitel Gesundheitscontrolling viel Aufmerksam-


keit in diesem Buch geschenkt. Warum? Wir stellen in der Praxis
immer wieder fest, dass dieses Themenfeld vernachlässigt wird.
Nach einer Pilotisierungsphase von BGF-Maßnahmen wird den Ver-
antwortlichen deutlich, dass Ihnen etwas Entscheidendes fehlt,
nämlich die Steuerungs- und die Legitimationsgrößen für ihr wert-
volles Tun in Richtung einer nachhaltigen gesunden Organisation.
Auch die Hinweise der Leser der Erst- und Zweitauflage bestätigen
uns, dieses Themenfeld weiterhin zu fokussieren, auch wenn es
5 A 344 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

sich nicht ganz so einfach erschließen lässt. Die } Abbildung 83


illustriert die Datenfelder, die in einer gemeinsamen Verrechnung
die Bedeutung, die Leistungsfähigkeit und die Erfolge einer syste-
matischen Gesundheitsförderung im Unternehmen abbilden.

$N]HSWDQ],PDJH&RPPLWPHQW5LVLNRUHGXNWLRQ
%HODVWXQJVIDNWRUHQSHUVRQDOHXQGRUJDQLVD
WLRQDOH 5HVVRXUFHQ:LUNVDPNHLWVQDFKZHLV

)HKO]HLWHQTXRWH)=4XDOLWlW =XIULHGHQKHLW
*HVXQGKHLWVNHQQ]DKOHQ
7UDQVDNWLRQVNRVWHQSURVSHNWLYHU52,
=XVFKUHLEXQJVNRVWHQ0DUNWSUHLV
:LUWVFKDIWOLFKNHLW
0HQJHQJHUVW+DOEZHUW
]HLW 7HLOQDKPHVWDELOLWlW

(UIROJVNHQQ]DKOHQ
0D‰QDKPHQ

} Abbildung 83: Datenverknüpfung im Gesundheitscontrolling

5.7 BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“


5
Das Kapitel zur Steuerung und Qualitätssicherung hat Ihnen Ant-
worten auf die Frage „Wie können wir die Wirksamkeit von BGF-
Maßnahmen nachweisen und systematisch erweitern?“ gegeben.
Auf diese Frage gibt es natürlich unterschiedliche Antworten,
wobei sich ein Mainstream zunehmend herauskristallisiert. Viele
Unternehmen suchen nach einem Gesundheitsindex und interes-
sieren sich für die Risikobeurteilung.
Interview zum Gesundheitsindex: Wir möchten Sie abschließend
mit der Meinung eines im Bereich BGM und Gesundheitsmonitoring
ausgewiesenen Experten sowohl aus Praxis- als auch Wissen-
schaftssicht vertraut machen.
Interview zur Gefährdungsbeurteilung: Anschließend möchten wir
Ihnen ein Meinungsbild der Berufsgenossenschaften und Unfallver-
sicherungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
vorstellen.
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 345 A 5.7
Was muss man beim Wirksamkeitsnachweis beachten?

Univ. Prof. Dr. phil. Rainer Wieland


Prof. Wieland ist ein anerkannter Arbeits- und Organisationspsy-
chologe. Er lehrt an der Schumpeter School of Business and Eco-
nomics an der Bergischen Universität Wuppertal Wirtschaftspsy-
chologie. Zudem ist er Leiter des Kompetenzzentrums für Fortbil-
dung und Arbeitsgestaltung. Innerhalb dieses Kompetenzzentrums
wurde 2006 im Rahmen des Forschungsvorhabens  INOPE das
 Gesundheitskompetenz-Center (GKC) gegründet. Das GKC ver-
steht sich als ein Forum für den Erfahrungs- und Wissensaustausch
im Bereich der BGF. Zudem engagiert er sich als Fachberater und
Autor für die Gesundheitsreports der Barmer GEK.

Das Interview fand am


17. September 2009 statt. Als
Autoren möchten wir uns an
dieser Stelle herzlich für die
Unterstützung von Prof. Dr.
Wieland bedanken.

Die } Abbildung 84 fasst die


wichtigsten Themen- und Fra-
gestellungen des Interviews
zusammen. Es handelt sich nur
um eine Auswahl der Inhalte
des sehr umfangreichen Inter-
views. Sie sind in dieser Kurz-
form dem Interviewten zur
Kontrolle vorgestellt worden.
Viele Gedanken von Prof. Dr.
Wieland finden sich auch in den
einzelnen Kapiteln wieder.

} Abbildung 84: Themen des Interviews mit Prof. Wieland

™Wirkungsmodell: Alle Daten, die gewonnen werden, sind rela-


tiv nutzlos, wenn sie nicht auf ein angemessenes theoretisches
Konzept rückgeführt werden können. Dadurch entstehen Da-
tenfriedhöfe. Ein solches Modell ist z. B. das Fünf-mal-Fünf
Wirkungsmodell zur Gestaltung gesunder und effektiver Arbeit
(} Abbildung 85, S. 349) (Hammes et al., 2009). Dabei ist ein
ressourcenorientierter Ansatz unerlässlich, um gezielt und sys-
tematisch BGM zu gestalten.
5 A 346 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

™Bedeutung der Führung: Viel zu lange ist Führung bei der


Fragestellung der Gesundheitsförderung verschont geblieben.
Führungskräfte sind aber empirisch nachgewiesen mitverant-
wortlich für gesundheitsrelevante Bedingungen der Arbeitssi-
tuation. Warum? Sie haben Einfluss auf das Ausmaß von Regu-
lationsbehinderungen bei der Arbeit. Zudem wissen wir, dass
ein mitarbeiterorientierter Führungsstil gesundheits- und leis-
tungsförderliche Zustände steigern kann und gleichzeitig dys-
funktionale Beanspruchungen vermeiden hilft. Führung und
Gesundheit wird künftig das zentrale Themenfeld im BGM
sein. Dabei darf natürlich im Umkehrschluss Führung nicht als
ausschließliches Gestaltungskriterium definiert werden, denn
gute Führung allein macht nicht gesund. Es gilt vielmehr, die
Wechselwirkung zwischen Führungsstil und Arbeitsbedingun-
gen zu beachten (Wieland et al., 2009).
™Wirkungsnachweis: Wir brauchen diesen Nachweis, um uns
von der reaktiven und bisweilen verzerrten Fehlzeitenphiloso-
phie zu befreien. Dabei sind subjektive und objektive Gesund-
heitsdaten zu berücksichtigen. Je näher wir den eigentlichen
Gestaltungsfaktoren wie Führung, Arbeitsbedingungen, & Ge-
sundheitskultur und Arbeitsaufgabe kommen, desto eher kön-
nen wir diesen Nachweis führen. Die & Gefährdungsanalyse ist
eine gute Eintrittspforte, um solche Daten zu gewinnen. Aber
leider zeigt sich in der Praxis, dass diese gesetzlich vorge-
schriebene Gefährdungsanalyse keinen Garanten dafür dar-
stellt, dass psychische Beanspruchung als ernsthaftes Thema
im Unternehmen etabliert wird. Und genau dieses Thema ge-
winnt eindeutig an Bedeutung (Wieland, 2009).
™Health Balanced Scorecard: Das Statement ist eindeutig:
„Alter Wein in neuen Schläuchen!“ Schon eh und je adressie-
5 ren wir im BGM diverse Merkmalsbereiche. Die & Balanced
Scorecard ist ein rationales Instrument. Was aber definitiv
fehlt, ist die Rückführung auf ein Wirkungsmodell. Damit
schaffen wir erst die Tiefenbohrung, was die Datenlandschaft
betrifft, und dümpeln nicht auf der Oberfläche und diskutie-
ren endlos, welche Daten welche Bedeutung haben könnten
und wie sie miteinander in Wechselwirkung stehen. Das
 EFQM-Modell als Konzept des & Total Quality Managements
(} Abbildung 38, S. 227) kann hierzu einen positiven Beitrag
leisten, aber es gibt wenige empirische Hinweise hinsichtlich
der zu wählenden Gewichtungen zwischen Ermöglichern und
Ergebnissen. Eine Antwort hierauf liefert das Konstrukt der
Beanspruchungsbilanz im Wirkungsmodell. Diese Bilanz ist ei-
ne Art Balanced Scorecard der Merkmalsbereiche & Gesund-
heitskompetenz, Arbeitsgestaltung und Führung. Im Gesund-
heitsindex für Unternehmen wird diese Bilanz berücksichtigt.
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 347 A 5.7

™Gesundheitsindex als Kennwert: Auf die Frage, wie wir denn


das Gesundheitspotenzial eines Unternehmens erfassen kön-
nen, gibt es eine konkrete Antwort Æ Der Wuppertaler Ge-
sundheitsindex für Unternehmen (WGU) (Hammes et al., 2009)
( Tabelle 5-16). Dieser Index ist geeignet, das Gesundheits-
potenzial von Unternehmensbereichen abzuschätzen. Es kön-
nen Aussagen zu den Häufigkeiten von Beschwerden und zum
Ausmaß des & Absentismus und Präsentismus getroffen wer-
den. Entscheidend ist, dass diesem Index ein Kennwert-Modell
zugrunde liegt. Wir brauchen für das Controlling Kennzahlen-
qualität! Der Gesundheitsindex berücksichtigt Kennwerte zu
den Arbeitsbedingungen und -aufgaben sowie Führungsverhal-
ten und Eigenschaften der Beschäftigten (z. B. Gesundheits-
kompetenz) als Inputmerkmale, zu der psychischen Beanspru-
chung und zum Wohlbefinden als Prozessmerkmale und zu den
langfristigen Auswirkungen wie & Absentismus, Präsentismus
und Beschwerden als Outputmerkmale. Damit orientiert sich
der Index an das Grundkonzept des  EFQM-Modells. Da es
sich um einen ressourcenbezogenen Index handelt, sollten die
reale und die optimale Verfügbarkeit relevanter Ressourcen in
Form von Kennzahlen berücksichtigt werden. Zudem sollte je-
de Ressource gemäß ihrem Anteil am Gesundheitspotenzial ei-
nes Unternehmens gewichtet werden. Eine Summierung der
Produkte von Verfügbarkeit und Anteil der Ressourcen ergibt
dann das Gesundheitspotenzial, das auf den Wertebereich
zwischen 0 und 1 normiert wird. Die zur Verfügung stehenden
Instrumente für die Kennwerte Beanspruchungsbilanz, & Ge-
sundheitskompetenz, Führung und Arbeitsgestaltung sind
standardisiert. Die Werte aus den Erhebungen werden dann in
Verfügbarkeitsfunktionen modelliert. Zu erweitern wird dieses
Modell noch in Bezug auf die & Gesundheitskultur sein, die als
Treiberfaktor noch nicht ausreichend berücksichtigt wird.

 Tabelle 5-16: Wuppertaler Gesundheitsindex für Unternehmen

Formel
WGU I=¦k qkvk(ok,mk,Mk;sk);k{1,…,K}

Die Verfügbarkeiten vk der Ressource k werden gewichtet


Konzept
und aufsummiert. Entsprechende gesundheitsrelevante
WGU
Ressourcen werden berücksichtigt.
9 Bedingung der Vollständigkeit Ʀk qk=1, das heißt,
dass die Summe der Anteile der einzelnen Ressourcen
am gesamten Gesundheitspotenzial Eins ergibt.
Prämissen
9 Bedingung der Vergleichbarkeit Æ Anteile qk und die
optimalen Werte ok dürfen nicht nach Festlegung vari-
iert werden. Nur die gemessenen Werte sk variieren.
5 A 348 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

9 Inputbereiche: Arbeitsgestaltung, Führung und Ge-


Inhalts- sundheitskompetenz der Mitarbeiter
felder 9 Prozessvariable: Beanspruchungsbilanz
9 Outputmerkmale: Gesundheit, Fehlzeiten, Leistung
Entsprechende standardisierte Instrumente und Skalen
liegen bei der Forschergruppe rund um Prof. Dr. Wieland
vor. Dazu gehören der Fragebogen zu Führung und Zu-
sammenarbeit (FFZ), die Synthetische Belastungs- und
Instrumente Arbeitsanalyse (SynBA), die Eigenschaftswörterliste zur
Erfassung von Emotionen und Beanspruchungserleben
während der Arbeit (EEB), die Häufigkeit körperlicher
Beschwerden als Adaption der Freiburger Beschwerdeliste
(HkB) und der Gesundheitskompetenz-Fragebogen (GKF).
Indizes
I Indexwert, Wertebereich [0, 1]
Anzahl umsetzbarer Einzelmaßnahmen (bzw. entspre-
k
chender zugeordneter Kennzahlen)
Anteil der einzelnen Ressource k an der gesamten Ge-
qk
sundheitsförderlichkeit
Gemessener Wert der Kennzahl zur Bewertung der Res-
sk
source k
Optimaler Wert der Kennzahl zur Bewertung der Ressource
ok k. Er muss zwischen den beiden Extrema mk und Mk liegen
oder mit einem der beiden zusammenfallen.
Minimal möglicher Wert der Kennzahl zur Bewertung der
mk
Ressource k
Maximal möglicher Wert der Kennzahl zur Bewertung der
Mk
Ressource k
5 Verfügbarkeit der Ressource k in Abhängigkeit von sk. Sie
nimmt einen Wertebereich von Null (keine Verfügbarkeit)
vk
bis Eins (optimale Verfügbarkeit) ein. Der Wert Eins wird
an der Stelle sk = ok angenommen.

Herr Prof. Wieland endete das Interview mit einem eindeutigen


Statement für Wirksamkeitsmessung. Dabei betonte er, dass wir
uns wieder stärker mit dem Menschen als Inputgeber befassen
müssen. Der Mensch ist das beste Messinstrument, was wir haben.
Die Aussagen von betroffenen Menschen sind valide und reliabel
aus Sicht des BGM zu erfassen. Eine Standardisierung der verwen-
deten Instrumente ist dabei oberste Maxime.
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 349 A 5.7
8QWHUQHKPHQV XQG*HVXQGKHLWVNXOWXU

$UEHLWVVLWXDWLRQ 

*HVXQGKHLW
%HDQVSUXFKXQJV
)KUXQJ  ELODQ]
 )HKO]HLWHQ

/HLVWXQJ

:LUNXQJVSIDGH

 $UEHLWVEHGLQJXQJHQDXIJDEHQ
0LWDUEHLWHU   )KUXQJVYHUKDOWHQ

 (LJHQVFKDIWHQGHU%HVFKlIWLJWHQ

 3V\FKLVFKH%HDQVSUXFKXQJ:RKOEHILQGHQ

 /DQJIULVWLJH$XVZLUNXQJHQ

} Abbildung 85: Wirkungsmodell zur Gestaltung gesunder Arbeit

Wir benötigen Messinstrumente. Dabei ist zu beachten, dass


der Mensch ein hervorragendes „Dateninstrument für innere
Zustände“ als Indikatoren für erlebte & Belastungen ist. Wir
müssen eine ganzheitliche Diagnose des Gesundheitspoten-
zials eines Unternehmens vornehmen. Ohne diese Diagnose
wird es schwierig sein, die Arbeits- und Beschäftigungsfähig-
keit der Mitarbeiter gezielt zu erhalten und zu verbessern.
Die Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit als
nachhaltiger Ansatz im Kontext des demografischen Wandels
ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller Beteiligten im Unter-
nehmen. Je mehr Beteiligte, desto mehr Ansätze zur Opti-
mierung liegen vor. Je mehr Ansätze implementiert werden,
desto wichtiger ist hier ein Steuerungsmodell.

Nun zu unserem zweiten Interview im Bereich Steuerung und Qua-


litätssicherung sowie Gesundheitscontrolling mit der zentralen
Frage:

Was sind Stolpersteine bei der Gefährdungsbeurteilung


psychischer Belastungen?
5 A 350 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

Dipl.-Psych. Roland Portuné


Herr Roland Portuné befasst sich mit Gefährdungsbeurteilungen
psychischer Belastungen. Er berät als Leiter des Fachbereichs
Arbeitspsychologie bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und
Chemische Industrie in Heidelberg und als Leiter des Sachgebiets
„Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt“ der Deutschen Ge-
setzlichen Unfallversicherung eine Vielzahl von kleineren, mittle-
ren und großen Unternehmen.
Das Interview fand am 10. Dezember 2014 statt. Als Autoren
möchten wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung
von Roland Portuné bedanken.

Seit 1996 verlangt das Arbeitsschutzgesetz von uns, dass wir ne-
ben den klassischen Kriterien auch die psychischen Belastungen in
der Gefährdungsbeurteilung mit betrachten. Wie weit klafft aus
Ihrer Sicht die Schere zwischen rechtlicher Anforderung und
Rechtspraxis im Betrieb auseinander?

Roland Portuné: Beginnen wir positiv. Das Aufklaffen der Schere


wird allmählich kleiner. Allerdings ist Entwarnung noch nicht in
Sicht, denn die meisten Betriebe tun sich immer noch schwer mit
diesem Thema. Studien belegen diese Entwicklung (vgl. Hofmann,
2014). Warum ist das so? Dazu vielleicht ein Blick zurück: Die dem
Arbeitsschutzgesetz zugrunde liegende EU-Rahmenrichtlinie hätte
bereits seit 1989, also vor gut 25 Jahren in deutsches Recht über-
tragen werden sollen. Als dann 1996, also erst 7 Jahre später, das
Arbeitsschutzgesetz kam, wurde auch den Betrieben klar, dass
dieses nicht mehr  wie seit Bismarcks Tagen gewohnt  eine Fülle
konkreter Paragrafen enthielt. Stattdessen liegt eine relativ offen
5 gehaltene Verpflichtung vor, eine „Gefährdungsbeurteilung“ in
eigener Verantwortung durchzuführen.

Brachte das nicht auch mehr Freiheiten, mehr unternehmerische


Selbstverantwortung, also etwas, was die Unternehmen doch ei-
gentlich wollen?

Roland Portuné: Sicher, eigentlich ist das gut, oder? Interessant


dabei ist jedoch: Manch einer, der davor nach Deregulierung ver-
langt hatte, wünschte sich sodann ziemlich schnell wieder mehr
leitende Regelungen, um dadurch Handlungssicherheit gewinnen
zu können. Aber innerhalb dieser Zeit sehe ich durchaus deutliche
Entwicklungstrends, wenn man die ersten 10 bis 12 Jahre seit
1996 und die letzten Jahre bis heute vergleicht. Sprach man in der
betrieblichen Diskussion von der Gefährdungsbeurteilung psychi-
scher Belastung, waren anfangs oftmals Fragen zu hören wie: „Wo
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 351 A 5.7
steht das eigentlich?“ „Muss man das wirklich tun?“ Hierbei mag
auch eine Rolle gespielt haben, dass das Arbeitsschutzgesetz den
Terminus „psychische Belastung“ nur umschrieben und nicht konk-
ret beim Namen genannt hat. Die explizite Nennung haben wir
erst seit der Novellierung 2013.

Setzte die von Ihnen angedeutete Veränderung mit der gesetzli-


chen Konkretisierung ein? Oder bereits vorher?

Roland Portuné: In der Tat war bereits auch schon vorher in im-
mer mehr Betrieben Handlungsbedarf erkannt worden. „Da müs-
sen wir was tun! Aber was?“ Sicher spielt dabei eine Rolle, dass in
den letzten Jahren die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund
psychischer Erkrankungen kontinuierlich gestiegen ist. Und wo
Betriebe Handlungsbedarf sehen, da handeln sie dann irgendwann
auch. Tatsächlich wird bereits vieles unternommen, das in irgend-
einer Form das Thema psychische Belastung angehen soll. Vieles
davon ist aber eher wenig systematisch oder kann nicht im Sinne
einer Gefährdungsbeurteilung als präventiv bezeichnet werden.
Eine psychotherapeutische Sprechstunde im Unternehmen oder im
Rahmen eines „EAP“ (& Employee Assistance Program), kann ein
sinnvoller Baustein in einem BGM sein, ist aber keine Gefähr-
dungsbeurteilung psychischer Belastung.

Der für die Gefährdungsbeurteilung verantwortliche Unternehmer


tut sich also in der Umsetzungspraxis häufig schwer mit der Beur-
teilung psychischer Belastungen. Was sind aus Ihrer Sicht die größ-
ten Stolpersteine?

Roland Portuné: Zunächst haben wir es mit den üblichen Heraus-


forderungen zu tun, die wir in der Organisationsentwicklung gene-
rell oder auch im BGM kennen. Wie passt das Thema in Ziele und
Strategien des Betriebes? Was ist gewollt? Was denkt und äußert
das Top-Management? Wie sind die Führungskräfte eingebunden?
Wie wird die Interessenvertretung, wie werden die Beschäftigten
beteiligt? Wie wird kommuniziert und informiert? Darüber hinaus
ist es leider immer noch so, dass weit verbreitet eine nahezu ba-
bylonische Sprachverwirrung besteht, wenn von „psychischer Be-
lastung“ geredet wird. Den wenigsten fällt dazu die DIN EN ISO
10075-1 ein, nach der psychische Belastung aus der Arbeitsaufga-
be, der Arbeitsorganisation, den sozialen Bedingungen und den
Arbeitsumgebungsfaktoren resultiert und damit von außen auf den
Menschen einwirkt. Sich damit angemessen zu befassen Æ das ist
Gefährdungsbeurteilung! Stattdessen denken die meisten entwe-
der an irgendwie belastete, bedrückte Menschen, die mit ihren
Problemen nicht mehr richtig zu Recht kommen. Oder gleich an
5 A 352 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

„das Ende der Straße“, nämlich an Burnout, Depression und das


Zunehmen psychischer Erkrankungen.

Ist das aus Sicht der Betriebe nicht verständlich? Schließlich er-
zeugen die Fehlzeiten den Leidensdruck!

Roland Portuné: Natürlich ist das verständlich, denn wann schau-


en wir hin? Häufig leider erst dann, wenn das Kind bereits in den
Brunnen gefallen ist. Dann ist der Handlungsbedarf offensichtlich
und zwingend. Leichter wird das Problem dadurch nicht, da eben
das Potenzial der Prävention im Vorfeld nicht genutzt worden ist.
In etwas technischer Sprache: Wer den Motor kaputt fährt, muss
in die Werkstatt. Gibt es eine Garantie auf den Reparaturerfolg?
Keineswegs. Psychische Störungen wie Angststörung oder Depres-
sion können zwar durch professionelle Psychotherapie häufig gut
behandelt werden. Im betrieblichen Kontext ist das Thema jedoch
nach wie vor stark tabuisiert. Die wenigsten trauen sich zu, mit
diesem Problemfeld erfolgreich umgehen zu können. „Muss ich
jetzt eine Couch im Büro haben? Ich bin doch kein Therapeut!“
Dazu aber ganz deutlich: Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastung bedeutet nicht, die einzelnen Beschäftigten zu überprü-
fen, wie gesund und fit sie noch sind. Es geht stattdessen um die
Arbeitsbedingungen. Also um Verhältnisprävention! Man kann es
nicht oft genug betonen.

Präventive Ansätze kommen also zu kurz, da man quasi erst dann


zum Arzt geht, wenn es schrecklich weh tut?

Roland Portuné: Richtig. Und dabei wird auch deutlich, dass im


5 modernen Arbeits- und Gesundheitsschutz zwar die Psychologie
eine immer wichtigere Rolle spielt, Psychologen sind aber im
deutschen Arbeitsschutzrecht nicht verwurzelt. Laut Arbeitssi-
cherheitsgesetz sind die Betriebsärzte im Rahmen ihrer Beratung
auch zuständig für die arbeitspsychologischen Aspekte im Betrieb.
Da es aber in Deutschland mittlerweile einen ausgeprägten Be-
triebsärztemangel gibt, kann das Thema nicht so behandelt wer-
den, wie es erforderlich ist und wie manche Betriebsärzte es auch
gerne tun würden. Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsycholo-
gen, die das Themenfeld professionell bearbeiten könnten, stehen
jedoch  mangels gesetzlicher Regelung  nicht verbindlich zur
Verfügung. Dieses Problem trifft in erster Linie die kleinen und
mittleren Betriebe. Größere Unternehmen bzw. Konzerne haben
mittlerweile zumeist eigene Strukturen aufgebaut, in denen sie
arbeitspsychologische Expertise zur Verfügung haben. Und spie-
gelbildlich dazu trifft man in den Betrieben häufig leider auch auf
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 353 A 5.7
das Problem, dass man im Feld der psychischen Belastung ganz
bodenständige, etablierte Strategien nicht richtig einsetzt und
nutzt. Nehmen wir den Management-Kreislauf  Analyse, bedarfs-
orientierte Ableitung von Maßnahmen, Umsetzung, Wirksamkeits-
kontrolle. Warum nutzt man diesen nicht auch zur Gefährdungs-
beurteilung psychischer Belastung? Da werden bspw. Mitarbeiter-
befragungen durchgeführt, danach jedoch versanden die Aktionen
bzw. es gibt gar keine erkennbaren. Oder es wird irgendwie ge-
handelt, ohne vorher etwas zu erheben und zu beurteilen  z. B.
ein Stressbewältigungs-Training oder Massage in der Mittagspause.
Sicher gut gemeint, aber professionell ist anders. Positiv ausge-
drückt: Es besteht hier ein großes Potenzial, das Denken in Rich-
tung kontinuierliche Verbesserungsprozesse zu entwickeln und so
konstruktiv voranzukommen. Kein Hexenwerk, sondern Schritt für
Schritt.

Welche Rolle hat hier die Aufsichtsbehörde? Gibt es seitens der


Berufsgenossenschaften Unterstützungsangebote und Hilfestellung
für die Unternehmen, die sich mit diesem Thema befassen wollen?

Roland Portuné: Berufsgenossenschaften und Unfallkassen unter-


stützen die bei ihnen versicherten Betriebe und Einrichtungen
durch verschiedene Präventionsleistungen. Publikationen, Bera-
tung und Seminare sowie auch eine große Zahl entsprechender
Kooperations-Projekte sprechen da eine deutliche Sprache. Was
bis dato jedoch noch vergleichsweise wenig praktiziert wird, ist
die diesbezügliche Überwachung. Das soll sich jedoch in nächster
Zeit ändern. In der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrate-
gie“ ( GDA) wird momentan das Thema „Psyche und Gesund-
heit“ schwerpunktmäßig behandelt. Dabei werden bspw. auch
unsere Aufsichtspersonen sowie auch die Aufsichtsbeamten/innen
der Länder qualifiziert, damit sie das Thema in Beratung und
Überwachung voranbringen können.

Also wird die gesetzliche Unfallversicherung nun auch intern tätig?

Roland Portuné: Genau. Aber entsprechende Schulungs- und In-


formationsveranstaltungen werden natürlich verstärkt auch für die
betrieblichen Akteure wie Führungskräfte, Betriebsärzte und
Fachkräfte für Arbeitssicherheit durchgeführt. Auch das gehört zur
„GDA Psyche“. Übergreifend arbeiten Expertinnen und Experten
der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen auch im DGUV-
Sachgebiet „Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt“ (PuGidA)
zusammen. Hier ist mit dem „Ideen-Treffen“ ein Instrument ent-
wickelt worden, womit auch kleinere Betriebe eine Gefährdungs-
5 A 354 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

beurteilung psychischer Belastung aus eigener Kraft schaffen kön-


nen. Das „Ideen-Treffen“ arbeitet mit einer moderierten Bespre-
chungs-Methodik. Es steht auf Deutsch und Englisch („How
brainstorming meetings can help“) zur Verfügung und kann auf der
DGUV-Seite im Netz kostenfrei heruntergeladen werden.
 http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/206-007.pdf

Gibt es auch generelle Empfehlungen bezüglich unterschiedlicher


Methoden, die man anwenden kann?

Roland Portuné: Ja, die gibt es mittlerweile. Unter intensiver


Mitwirkung der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. des PuGidA
sind in der GDA „Psyche“ grundsätzliche „Empfehlungen zur Um-
setzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ erar-
beitet (siehe Link unten). Hier finden sich auch methodische Hin-
weise. Den einen Königsweg zur Gefährdungsbeurteilung psychi-
scher Belastung gibt es nicht. Stattdessen können sowohl mode-
rierte Besprechungsverfahren als auch anonymisierte professionel-
le Mitarbeiterbefragungen oder auch Beobachtungsverfahren zum
Einsatz kommen. Schließlich noch ein Tipp für alle, die sich in
diesem komplexen und schwierigen Feld „Psyche und Gesundheit“
besser orientieren und zurechtfinden möchten: Ein hilfreiches
Instrument dazu ist das „Dreiebenen-Interventionsmodell“
(Portuné & Windemuth, 2014). Dieses kann als betriebliches „Na-
vigationssystem“ verwendet werden. Es ordnet die Gefährdungs-
beurteilung psychischer Belastung in das größere Feld BGM ein und
zeigt die Notwendigkeit auf, bedarfsorientiert sowohl präventiv
als auch korrektiv vorzugehen. Dabei lassen sich die Gefährdungs-
beurteilung nach Arbeitsschutzgesetz und das betriebliche Ein-
5 gliederungsmanagement nach SGB IX in idealer Weise miteinander
in Verbindung bringen. Last but not least: Es ist wichtig, das
Thema zu versachlichen und dass die verschiedenen Akteure part-
nerschaftlich und gut zusammenarbeiten. Kein Arzt, kein Ingeni-
eur, kein Betriebswirt, auch kein Psychologe kann allein ein Prob-
lem lösen, das so komplex ist, dass es nahezu immer eine indivi-
duelle, betriebliche und gesellschaftliche Ebene aufweist.
 http://www.gda-portal.de/de/pdf/Psyche-Umsetzung-
GfB.pdf?__blob=publicationFile

Sie sprachen die GDA Psyche und Ihr DGUV-Sachgebiet PuGidA an


 gibt es weitere Entwicklungen auf überbetrieblicher Ebene?

Roland Portuné: Ja, und ein Tipp für alle, die sich weiter infor-
mieren und austauschen möchten, ist der Fachverband Psycholo-
gie der Arbeitssicherheit und Gesundheit (FV PASIG). Alle zwei
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 355 A 5.7
Jahre findet der „PASIG-Workshop“ statt  ein Großereignis, das
ich seit 2001 niemals verpasse. Betriebliche Praktiker und wissen-
schaftliche Experten finden dort ein Forum für Berichte und Erfah-
rungsaustausch. Man stellt fest: Ich bin nicht allein, es gibt viele
mit ähnlichen Problemen, Herausforderungen und Lösungsideen.
Was die Themen BGM und Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastung angeht, ist man offen und bereit, anderen etwas mitzu-
teilen und voneinander zu lernen.

Wir möchten dieses Kapitel mit den zehn Basisaussagen, die mit 10 Basisaussagen
empirischer Evidenz belegt sind, beenden.

 Steuerung und Qualitätssicherung in zehn Basisaussagen


x Basisaussage 1: BGM hat keine Zukunft, wenn nicht die Wert-
schöpfung und die Wirksamkeit im Unternehmen belegt wer-
den. Diese Legitimation benötigt Instrumente der Steuerung
und Qualitätssicherung. Dazu gehört auch die Gefährdungsbe-
urteilung psychischer Belastungen
x Basisaussage 2: Unter dem Schirm BGM finden diverse Maß-
nahmen statt. Diese Maßnahmen müssen aufeinander abge-
stimmt sein und sich auf die Referenzgrößen einer konsisten-
ten & Gesundheitskultur und gesunden Arbeitswelt beziehen.
x Basisaussage 3: Erfolgsfaktoren und Angriffspunkte sind nicht
nur in den Einzelmaßnahmen zu suchen. Von großer Bedeu-
tung sind die Strukturen und Prozesse. Dazu gehören die Ak-
teure, organisatorische Verankerung, Führung, strategische
Zielausrichtung, Partizipation und der Lernzyklus.
x Basisaussage 4: Qualitätsmanagement eignet sich damit als
„Modell“ für BGM, denn das Qualitätsmanagement interessiert
sich für die Führungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisquali-
tät. Neben den Qualitätsdimensionen wird auf den Lernzyklus
als kontinuierlichen Verbesserungsprozess verwiesen. Auf der
Managementebene hat sich dabei der Einsatz der Selbstbewer-
tung bewährt. Ein Modell, das für die Selbstbewertung einen
systematischen Referenzrahmen bietet, ist das  EFQM-
Modell oder im öffentlichen Sektor das CAF-Modell (Common
Assessment Framework,  www.caf-netzwerk.de).
x Basisaussage 5: Damit wird deutlich, dass nur ein kennzahlen-
orientiertes Management in Anlehnung an das Gesundheitsmo-
nitoring und Risikomanagement infrage kommt. Wir benötigen
den Referenzrahmen des Qualitätsmanagements, aber auch
einen Verfolgungsansatz im Sinne der & Balanced Scorecard.
Für die Praxis empfehlen wir eine EFQM-basierte Balanced
Scorecard. Mit den Kennzahlen oder & Key Performance Indi-
katoren lässt sich nicht nur retrospektiv, sondern auch pros-
5 A 356 Gesundheitscontrolling: Steuerung und Qualitätssicherung

pektiv der & ROI von BGM bewerten. Die Strategieorientie-


rung unterstützt die Investitionsbereitschaft.
x Basisaussage 6: Das Treiber-Indikatoren-Modell mit seinen
Früh- und Spätindikatoren zeigt uns auf, welche Indikatoren
zur Messung und Verfolgung geeignet sind. Die metaanalytisch
abgesicherte Evidenz unterstützt einen indikatorenbasierten
Ansatz mittels multipler Steuerungsgrößen.
x Basisaussage 7: Bevor neue Indikatoren erfasst werden, sollte
man die Aussagekraft und den Informationsgehalt der vorhan-
denen Indikatoren überprüfen und erhöhen. Zu den Klassikern
zählen hier die Fehlzeiten. Durch Standardisierung der Kenn-
zahl, durch eine angemessene Art der Aufwandsbestimmung,
durch Erfassung von Parametern der Qualität der Fehlzeiten
und durch Erhöhung der Diskriminationsfähigkeit kann diese
präferierte Kennzahl für das Gesundheitscontrolling ihre zent-
rale Position auch zukünftig behaupten.
x Basisaussage 8: Wirtschaftlichkeitsmessungen sollten keinen
Verantwortlichen im BGM abschrecken, denn die Evidenz zu
den Kosten-Nutzen-Relationen fällt positiv aus. Studien zei-
gen, dass sich der ROI zwischen 1:2 und 1:10 beim & Absen-
tismus bewegt. Die & HERO-Studie verknüpft modifizierbare
Risikofaktoren und Kosten und kann als Argumentationshilfe
verwendet werden. Die Wirtschaftlichkeitsmessung ist durch
vier Herangehensweisen im Betrieb abbildbar: Leistungsstatis-
tik, Kosten ungestörter Arbeitsstunden, Verhältniswerte mit
Finanzkennziffern und Servicescheine. Ergänzend kann man
auch noch den prospektiven ROI in Bezug auf Risikominimie-
rungen als Zukunftswert hochrechnen.
x Basisaussage 9: Doch reichen diese Parameter nicht aus, um
die Bedeutung des BGM aus inhaltlicher Sicht zu unterstrei-
5 chen. Wir benötigen Gesundheitsscores, die im Sinne des Trei-
ber-Indikatoren-Modells gestaltungsrelevante Aussagen erlau-
ben. Der Work Ability Index (Arbeitsfähigkeit) stellt einen
wichtigen Gesundheitsscore dar. Im Zusammenhang mit dem
Wandel der Arbeitswelt wird dieser Indikator eine zentrale
Rolle in der Bewertung von BGF-Maßnahmen einnehmen. Wei-
tere Scores ergeben sich aus der Arbeitsanalyse.
x Basisaussage 10: Es ist nicht kompliziert, diese Gesundheits-
scores zu erfassen. Analog zur Mitarbeiterbefragung lassen
sich mithilfe einer Gesundheitsanalyse wichtige Scores effi-
zient und effektiv bestimmen. Als Ansatzpunkt dieser Gesund-
heitsanalyse dient uns die psychologische Arbeitsanalyse. Hier
existieren standardisierte Tools, die für die Praxis einsetzbar
sind. Entscheidend ist, dass die erfassten Gesundheitsscores
gemeinsam im Sinne einer & Balanced Scorecard verrechnet
werden. Das Evaluationsdesign sollte möglichst längsschnitt-
lich ausgebaut werden, um die Wirksamkeit nachweisen zu
BGM im Dialog: „Erfolg beim Nachweis“ 357 A 5.7
können. Am Ende erhalten wir für das Datenportfolio Kennzah-
len aus Potenzialen, Strukturen, Prozessen und Ergebnissen.
Mit diesem Datenportfolio wird BGM zum schlagkräftigen In-
strument des Human Capital Managements.
 Check-Liste 14: Zehn Basisaussagen zur Steuerung

Am Ende des Kapitels 5 möchten wir Ihnen noch fünf Bücher zur
vertiefenden Auseinandersetzung empfehlen.

 Tabelle 5-17: Buchempfehlung „Steuerung und Qualitätssicherung“

Quelle Thema Anmerkungen


Dieses Buch bietet eine gute Über-
sicht zur Evaluation im Gesund-
heitswesen. Evaluation wird als
ein wertvolles Instrument zur
Verbesserung und Sicherung der
Badura & Evaluation im Ge-
Qualität präsentiert. Zwar bezieht
Siegrist (2002) sundheitswesen
sich der Text nicht auf das be-
triebliche Gesundheitswesen, aber
die Erkenntnisse zu den Ansätzen
lassen sich gut auf das betriebliche
Umfeld übertragen.
Der Fehlzeitenreport befasst sich
mit der Rentabilität von Sozialka-
Betriebliches Ge-
pital sowie mit der & Evidenzbasis
Badura et al. sundheitsmanage-
der BGF aus Kosten-Nutzen-Sicht.
(2009) ment: Kosten und
In diesem Buch beziehen renom-
Nutzen
mierte Autoren Stellung zum Kos-
ten-Nutzen-Verhältnis.
Wer umfassend zu diesem Thema
informiert werden möchte, emp-
fehlen wir das Buch der BAuA mit
BAuA (2014) Gefährdungsbeur-
Hinweisen für die Praxis. Wer
teilung psychischer
einen Überblick über Legitimation,
Treier (2015a) Belastungen
Instrumente und Herangehenswei-
sen benötigt, der wird beim Essen-
tial von Treier (2015a) fündig.
In dieser Dissertation entwickelt
der Autor ein Modell eines Ge-
sundheitscontrollings, das bei der
Gesundheits- systematischen Nutzenbestimmung
Emmermacher
management und und Qualitätssicherung unter-
(2008)
Weiterbildung stützt. Das Buch weist ein hohes
Niveau auf und verlangt eine in-
tensive Einarbeitung in die ent-
sprechende Materie.
6 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

KAPITEL 6: Was BGM ist, warum man es macht, wie es am besten


K6
durchzuführen ist und wie man die Wirksamkeit und Bedeutung
nachweist  all das sollte jetzt etwas klarer sein. Neben dem BGM
gibt es viele weitere flankierende Themen. Im folgenden Kapitel
widmen wir uns drei dieser Herausforderungen.
Unsere Leitfragen …
ŹKap. 6.1: Alternsgerechtes Arbeiten  Demografiemanagement (Seite 361)
Worin bestehen die betrieblichen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem
demografischen Wandel?
Welche Lösungsvorschläge kann das betriebliche Gesundheitsmanagement liefern?
ŹKap. 6.2: Gelassen bleiben  Stressmanagement (Seite 373)
Welche Bestandteile sollte ein individuenzentriertes Stressmanagement haben?
Wie sieht die Umsetzung in der betrieblichen Praxis aus?
ŹKap. 6.3: Qualifiziert sein  Gesundheitsbildung im Wandel (Seite 393)
Wie reagiert die Hochschullandschaft auf den steigenden Bedarf im BGM?
Was erwarten Studierende, um für das BGM-Geschäft qualifiziert zu sein?
ŹKap. 6.4: BGM im Dialog mit Sven Schmilgeit (Seite 404)
Warum müssen wir neue Wege in der Gesundheitsbildung gehen?
Was hat Stressprävention mit Game-Based-Learning zu tun?

Nach dem Methusalem-Komplott (Schirrmacher, 2004) als Aus- Das Damokles-


druck für die Angst vor der Vergreisung der Unternehmen im Kon- schwert schwebt
text des demografischen Wandels gesellt sich nun als weiterer über uns.
Schrecken ein ebenfalls uns lang Bekannter dazu: Die Zeitbombe
Arbeitsstress. Der aktuelle Stressreport 2012 für Deutschland be-
stätigt, dass der Leistungsdruck in der Arbeitswelt seinen Tribut
verlangt (Lohmann-Haislah, 2012). Multitasking, lange Arbeitszei-
ten, monotone Arbeitsvorgänge, zu wenig Erholung in der Freizeit
sowie ständige Störungen und Unterbrechungen am Arbeitsplatz
werden von den etwa 18.000 Befragten beklagt. Danach ist fast
jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland betroffen. Aus metho-
dologischer Sicht kann man diese Studie hinsichtlich ihrer Ergeb-
nisse hinterfragen, denn computerunterstützte Telefonbefragun-
gen sind schwer in Bezug auf Faktoren wie „soziale Erwünschtheit
des Antwortverhaltens“ zu kontrollieren. Die Begriffe rund um
Stress sind oftmals auch mehrdeutig (ª Kap. 3.1, S. 107). Doch
die Eindeutigkeit der Aussagen bleibt erschreckend. Kampfansa-
gen aus unterschiedlichen politischen Lagern haben deshalb nach

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
6 A 360 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Veröffentlichung der Studie Hochkonjunktur  ob dies inhaltlich


begründet ist oder doch eher der politischen Profilierung geschul-
det ist, bleibt offen. Die Reaktion der Arbeitgeberverbände fällt
indes eher verhalten aus. Der Schrei nach einer „Anti-Stress-
Verordnung“ zum besseren Schutz vor psychischen Belastungen
am Arbeitsplatz ist jedoch genauso unsinnig  inhaltlich wie vom
Wording her  wie eine „Anti-Alters-Verordnung“. Über Verord-
nungen wird man das Problem nicht lösen können. Die Studie
macht klar, dass nicht ausschließlich das Vorhandensein der
„Stressfaktoren“ maßgeblich ist, sondern die Wechselbeziehung
zwischen Gesundheit, Stressfaktoren und Ressourcen (ª Kap. 3.3,
S. 129). Das Augenmerk ist auf jeden Fall auf den Wandel der
Arbeitswelt zu richten, denn gerade bei Restrukturierungen oder
starken Veränderungen verschiebt sich die Relation zwischen
Stressfaktoren und Ressourcen zum Negativen. Zudem benötigen
wir eine Art Seismograf hinsichtlich psychischer Belastungsfakto-
ren und deren Auswirkungen, um rechtzeitig und angemessen zu
reagieren. Die Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes ist hier der
richtige Weg, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
kann hier als Seismograf fungieren (ª Kap. 5.5, S. 301).

„Denn nicht immer und nicht automatisch führt psychische


Belastung zu hoher Beanspruchung und negativen Folgen für
die Gesundheit. Vielmehr spielen die Höhe und die Summe
der Anforderungen, aber auch das Ausmaß vorhandener Res-
sourcen und deren Zusammenwirken eine bedeutsame Rolle.
Für die Prävention ist die Entwicklung solcher gruppenspezi-
fischen Anforderungs- und Ressourcenprofile deshalb von ho-
her Bedeutung.“ (Lohmann-Haislah, 2012, S. 7)

Arbeitswelt Die Arbeitswelt ist im Wandel:


im Wandel
x Immer weniger Menschen müssen immer mehr leisten und dies
in kürzerer Zeit. Die Arbeitsdichte aus qualitativer und quanti-
6 tativer Sicht wird zunehmend zum Problem und viele Erwerbs-
tätige fühlen sich wie der Hamster im Laufrad.
x Die Qualitätsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen
sind gestiegen, sodass neben einem quantitativen Mehr noch
eine qualitative Komponente hinzukommt.
x Jeder einzelne Mitarbeiter empfindet ein gestiegenes Maß an
Verantwortungsübernahme. Arbeitsinhalte erhalten eine neue
Wertigkeit und eine Balance zwischen Arbeits- und Privatwelt
fällt zugunsten der Arbeit immer schwerer.
x Neue Formen der Zusammenarbeit und neue Beschäftigungs-
modelle sind entstanden (z. B. Telearbeit, Call-Center-
Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 361 A 6.1
Tätigkeiten, Leiharbeit), die häufig eine große Lernbereit-
schaft und Flexibilität des Einzelnen (ein)fordern.
x Zunehmend mehr ist ein kompetenter Umgang mit Emotionen
gefragt (Emotionsarbeit)  dies gilt für die Zusammenarbeit
mit internen wie externen Kunden. Die Kundenorientierung
und die damit einhergehenden Anforderungen an soziale und
emotionale Kompetenzen beschränken sich nicht allein auf
den Dienstleistungssektor, sondern ziehen sich vielmehr als
neuer Primat in der Arbeitswelt durch alle Branchen.
x Die beschleunigten Wandelprozesse in der Arbeitswelt und in
der Gesellschaft stellen Arbeitnehmer und -geber vor gemein-
same große Herausforderungen. Die Unternehmensentwickler
scheinen heute einzig und allein ein umfassendes Change Ma-
nagement bewerkstelligen zu müssen.

Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Dynaxität


zeigt aber den Weg vom ruhigen Fahrwasser in rauere See auf 
die heutige Arbeitswelt zeichnet sich mehr und mehr durch Dyna-
mik und Komplexität, kurz „Dynaxität“ (Kastner et al., 2001), aus.
Antworten hierauf sind bspw. Partizipation, Wertschätzung, Pro-
zesstransparenz und prospektive Arbeitsgestaltung und all das
darüber hinausgehende, was in den vorherigen Kapiteln zum BGM
zusammengetragen wurde. Vielleicht ist Gesundheitsmanagement
der Königsweg im Fahrwasser des beschleunigten Wandels, sicher-
lich aber nicht der „one best way“. Es gibt weitere große Heraus-
forderungen, die in enger inhaltlicher Verwandtschaft zum BGM
stehen: der Umgang mit der demografischen Herausforderung und
der personenzentrierte Umgang mit Stress. In den folgenden Kapi-
teln geht es deshalb um Demografie- und Stressmanagement.

6.1 Alternsgerechtes Arbeiten:


Demografiemanagement

Bischof (2010) konstatiert: „Der Blick in die Bevölkerungssta- Auf den Punkt
tistik und in die daraus abgeleiteten Extrapolationen zeich- gebracht!
nen ein deutliches und ernüchterndes Bild: Wir werden im
Durchschnitt alle immer älter! Dies ist aus individueller Sicht
wünschens- und erstrebenswert, sofern das Altern beschwer-
defrei verläuft. Gesellschaft und Unternehmen sehen sich al-
lerdings vor großen Herausforderungen, wenn aus dem ur-
sprünglichen Tannenbaum der Altersverteilung ein Döner-
Spieß wird  diese Entwicklung ist weder im (noch) gültigen
Generationenvertrag noch in den klassischen Arbeits-, Orga-
nisations- und Personalkonzepten berücksichtigt.“
6 A 362 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Mit diesem Zitat sind die betrieblichen Herausforderungen durch


das gesellschaftliche Phänomen des demografischen Wandels auf
den Punkt gebracht (vgl. Brandenburg & Domschke, 2007).

Die Effekte des demografischen Wandels in der Arbeitswelt sind


vielfältig. So erwarten wir nicht nur eine abnehmende Arbeitsfä-
higkeit, sondern auch ernsthafte Probleme in der Personalbeschaf-
fung und Personalbesetzung. Dies verdeutlicht bspw. eine Studie
zu den Wirkungen des demografischen Wandels auf Führung.

„9 % der Führungskräfte in den befragten Unternehmen sind


derzeit älter als 60 Jahre. Die Unternehmen erwarten, dass
diese Zahl bis zum Jahr 2020 deutlich steigen wird: 40 % der
Befragten rechnen damit, dass der Anteil der über 60-
Jährigen bis zum Jahr 2020 zwischen 11 % und 20 % liegen
Beispiel Führung wird, 18 % gehen sogar von einem Anteil von bis zu 30 % aus.
70 % der Unternehmen sehen aufgrund des demografischen
Wandels Probleme auf sich zukommen. 7 % sehen sogar sehr
große Probleme. Als Hauptauswirkung wird der Mangel an
Führungskräften – sowohl in quantitativer als auch in qualita-
tiver Hinsicht – genannt.“ (Scheuvens, 2012, S. 8) … „Maß-
nahmen für ältere Führungskräfte werden derzeit kaum prak-
tiziert. Für die Zukunft sind insbesondere Angebote zur ge-
sundheitlichen und mentalen Prävention sowie ein stärkerer
Wissenstransfer zwischen Alt und Jung geplant.“ (ebd., S. 9)

Zahlen Ein Blick in die 12. Bevölkerungsvorausberechnung des Statisti-


und Fakten schen Bundesamtes zur Bevölkerungsentwicklung Deutschlands bis
2060 (Ausgabe: November 2009;  www.destatis.de; Destatis,
2009b) schärft das gezeichnete Bild. Seit dem Jahr 2003
schrumpft aufgrund sinkender Geburtenraten und negativer Wan-
derungssalden die Bevölkerung in Deutschland kontinuierlich  bis
2060 ist mit einer Reduzierung um 15 bis 21 Prozent von 82 Mio.
6 Menschen (2008) auf 65 bis 70 Mio. zu rechnen. Wegen der sinken-
den Zahl junger Frauen, dem anhaltenden Trend zu kinderlosen
Singlehaushalten, dem Hinausschieben des ersten Kindes und der
inzwischen auch rückläufigen Geburtenrate bei Migranten, wird in
den kommenden Jahren die Geburtenhäufigkeit, die zwischen 1,2
und 1,6 je nach Szenario prognostiziert wird und nach bisherigen
Erkenntnissen mit 1,4 relativ stabil bleiben wird, weiter unter der
Sterbehäufigkeit liegen: auf eine Geburt kommen im Jahr 2050
zwei Sterbefälle und es wird doppelt so viele 60-Jährige wie Neu-
geborene geben. Problematisch ist v. a. die zunehmende Kinderlo-
sigkeit. Im Jahr 2060 sind etwa 14 Prozent der Bevölkerung 80
Jahre und älter. Jeder Dritte wird mindestens 65 Jahre alt sein.
Die Herausforderungen für das deutsche Rentensystem werden
Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 363 A 6.1
dadurch nicht entschärft, dass aufgrund verbesserter Lebensum-
stände sowie kontinuierlicher Optimierungen in der medizinischen
und sozialen Versorgung der Bevölkerung die Lebenserwartungen
weiter steigen werden. Für das Jahr 2060 wird ein „Lebenserwar-
tungsgewinn“ von etwa 7 bis 8 Jahren bei kurzfristiger Betrach-
tung (seit 1970) im Vergleich zum Zeitraum 2006/2008 extrapo-
liert (durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt: Männer von
85 Jahren und Frauen von 89 Jahren), sodass der Anteil der Hoch-
betagten von 4 auf etwa 9 bis 10 Mio. Menschen steigen wird. Ein
beschleunigter Abfluss der monetären Mittel aus den sozialen Si-
cherungssystemen (Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung)
wird durch den rückläufigen Anteil Erwerbstätiger an der Gesamt-
bevölkerung begünstigt.

„Ähnlich wie die Bevölkerung insgesamt wird durch die Be-


völkerung im Erwerbsalter (hier: von 20 bis 65 Jahren) deut-
lich altern und schließlich schrumpfen. Heute gehören
knapp 50 Millionen Menschen dieser Altersgruppe an. Ihre
Zahl wird erst nach 2020 deutlich zurückgehen und 2035 et-
wa 39 bis 41 Millionen betragen. 2060 werden dann etwa 36
Millionen Menschen im Erwerbsalter sein (minus 27 Prozent),
falls der Saldo der Zu- und Fortzüge jährlich etwa 200.000
Personen betragen wird.“ (Destatis, 2009b, S. 6)

Für die Arbeitswelt resultieren aus diesen Prognosen weitreichen- Folgen


de Folgen. Die Zahl der Erwerbsfähigen nimmt drastisch ab  die
Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre konnte auf-
grund fehlender Daten nicht berücksichtigt werden. Der „War for
Talents“ steht aufgrund des absehbaren Arbeitskräftemangels ins
Haus  kurzfristig in den Branchen, die hoch qualifizierte Fach-
kräfte benötigen, nachgelagert auch in anderen Branchen. Gerade
in der Großindustrie gibt es aufgrund der älter werdenden Beleg-
schaft große Aufgaben zu lösen: Häufig fehlen schlicht die Erfah-
rungen mit älteren Mitarbeitern, da durch die bis in die jüngere
Vergangenheit gültigen Altersteilzeitregelungen große Kohorten
der über 55-Jährigen aus der Erwerbstätigkeit verbannt wurden.
Unser Auftrag: Schonen wir die heute stärkste Altersgruppe der
35- bis 49-Jährigen  diese „Babyboomer“ werden langfristig we-
gen ihrer altersgeschuldeten Möglichkeiten in der Verantwortung
sein, die Folgen des demografischen Wandels zu kompensieren,
zumindest es längere Zeit zu versuchen.

Es geht primär um Beschäftigungsfähigkeit (& Employability) und Altersflexibles


Arbeitsfähigkeit (& Work Ability) in Verbindung mit altersflexib- Führen
lem Führen. Richenhagen (2007b) versteht unter dem altersflexib-
len Führen v. a. das realistische und vorurteilsfreie Einschätzen
6 A 364 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

von Fähigkeiten älterer Mitarbeiter, die angemessene Anerken-


nung von Leistungen auch unter Berücksichtigung altersbedingter
Einschränkungen, das Praktizieren eines kooperativen Führungs-
stils, das Fördern des Dialogs und Meinungsaustauschs zwischen
älteren und jüngeren Mitarbeitern, die Gestaltung alternsgerech-
ter Erwerbsverläufe (Tätigkeitswechsel, Job Rotation) und die
Unterstützung bei der Personalentwicklung bzw. Qualifizierung.
Führen im demografischen Wandel wird umso schwieriger, je älter
unsere Führungskräfte selbst werden und ggf. sogar in großer Zahl
ausscheiden. Um Führungskräfte alternskompetent zu machen,
empfiehlt Schuett (2014b, S. 25 ff.) vier Ansatzpunkte …
1. Schaffung organisationaler Voraussetzungen: Altern als Top-
Management-Aufgabe und entsprechende Bereitstellung von
Ressourcen und Incentivierung usw.
2. Sensibilisierung der Führungskräfte: Kommunikation und Bil-
dung eines Altersbewusstseins usw.
3. Qualifizierung der Führungskräfte: alternsgerechte Personal-
entwicklung, Alternsmanagement lernen, alterskritische Füh-
rungssituationen trainieren usw.
4. Motivierung der Führungskräfte: positive Alters-Einstellungen
entwickeln, Alterns-Vorurteile abbauen, Selbstreflexion zur
Altersmotivation steigern usw.

All dies erfolgt mit dem Ziel (ebd., S. 47):


„Führen … bis Altern kein Thema mehr ist.“

Weitere Hand- Das Demografieproblem hat jedoch mehr Facetten als nur die
lungsfelder Führung aus personal- und gesundheitspolitischer betrieblicher
Sicht, um den demografiefesten Betrieb zu installieren (Adenauer
& Stowasser, 2009). Die Handlungsfelder reichen von der klassi-
schen Arbeitsgestaltung über BGF bis zur Wissens-, Führungs- und
Unternehmenskultur. Immer wichtiger werden auch Kernprozesse
6 des Personalmanagements wie Personalentwicklung, -einsatz und
-gewinnung. Wir benötigen also eine konzertierte Aktion:
Das Demografiemanagement!

Demografie- Beim & Demografiemanagement ist der Fokus nicht allein auf die
management älteren Mitarbeiter gerichtet. Vielmehr geht es um eine ausführli-
che Analyse der aktuellen Altersstruktur und den daraus abgelei-
teten Prognosen für die kommenden Jahre (Berufsgenossenschaf-
ten können entsprechende Analysetools zur Verfügung stellen oder
entsprechende Anfragen weiterleiten) sowie den Aufbau von de-
mografiezentrierten Strukturen und die Einleitung von alternsge-
rechten Maßnahmen.
Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 365 A 6.1
Ein nützliches Instrument zur Altersstrukturanalyse (ALSTAN) fin-
den Sie bei der Techniker Krankenkasse. Die Software basiert auf
Excel. Mit diesem Programm lässt sich die aktuelle Altersstruktur
und in mehreren Szenarien die Entwicklung der Altersstruktur
aufzeigen. Sie gelangen direkt zu der Website über folgende URL:
 http://www.tk.de/tk/demografiemanagement/angebot-der-
tk/altersstrukturanalyse/199392

Wichtig bei der Demografieanalyse ist die Einschätzung der Ge-


schäftsführung, ob mit einer wachsenden, gleichbleibenden oder
schrumpfenden Belegschaftsstärke zu rechnen ist  daraus resul-
tieren unterschiedliche Modelle mit spezifischen Personalbedar-
fen. Es geht also eher um eine alterns- denn um eine altersge-
rechte Planung und Gestaltung. Wie muss sich in ein paar Jahren
der junge Kollege fühlen, der frisch eingestellt in ein Team mit
lauter Ü-50-Jährigen kommt? Interessen, Werte, Einstellungen und
Arbeitsweisen differieren im Mittel zwischen den Generationen. Es
geht also nicht nur um monetäre betriebs- und volkswirtschaftli-
che Aspekte im demografischen Wandel, sondern ganz konkret
auch um die Folgen für das Miteinander im Arbeitsalltag. Eine vom
Gedanken des Diversity geprägte Unternehmenskultur ist hier
förderlich, in der die Unterschiede zwischen Alt und Jung als
Chance für die Generierung von Innovation und Bereicherung für
den Einzelnen, das Team und das gesamte Unternehmen gesehen
und genutzt werden (Becker & Seidel, 2006).

Nach Ries und Sauer (1991) verstärken den demografischen Wan- Alterung
del zwei Alterungsvorgänge: das wenig beeinflussbare endogen
bedingte Altern (genetische Prädispositionen) und das menschen-
gemachte, darunter das arbeitsinduzierte Altern mit seiner Ab-
hängigkeit von exogenen Faktoren. Die Arbeits- und Lebensbedin-
gungen können das Altern beschleunigen (z. B. gesundheitsgefähr-
dende Arbeitsbedingungen wie die Exponiertheit durch neurotoxi-
sche Gefahrstoffe), aber unter alternsgerechten Bedingungen
auch verzögern. Eine Verzögerung ist durch verhaltens- und ver-
hältnispräventive BGF möglich (Tuomi & Ilmarinen, 1999). Neben
allen schädigenden Einflüssen, die die Arbeit auf den Beschäftig-
ten haben kann, wohnt dem Nichtarbeiten, aber auch der antizi-
pierten Arbeitslosigkeit eine vielfach schädlichere Wirkung inne
(Psychopathologie der Arbeitslosigkeit), wie die Arbeitslosigkeits-
forschung nachdrücklich belegt (Moser & Paul, 2001; Treier,
2009a, S. 268 ff.). Langzeitarbeitslose zwischen 45 und 65 Jahren,
denen durch die Arbeitsaufgabe trainierende und lernanregende
Reize fehlen, werden über die Zeit nach der Disuse-Hypothese
auch Einschränkungen in der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit
erfahren (Warr, 2001). Gerade die Erkenntnisse der psychologi-
6 A 366 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

schen Alternsforschung sind wichtig, um sich von den Vorurteilen


in Bezug auf die Abbauhypothese der mentalen Fitness zu distan-
zieren (Lehr, 2007; vgl. Schuett, 2014a). Der zweite Alterungsme-
chanismus wird durch die Alternsrevolution der Massenmedien
befeuert: hier werden Jugendideale vorgegeben und das Alter an
sich negativ mit Mythen und Vorurteilen konnotiert. Selbsterfül-
lende Prophezeiungen (Merton, 1948) werden hier zum Katalysa-
tor im Alterungsprozess.

Aus Sicht der Praxis muss sich das Demografiemanagement


mit folgenden Themenfeldern befassen: Leistungsfähigkeit
(nicht nur defizitorientiert, sondern gerade aktivitäts- und
kompensationsbezogen), Gesundheit (nicht nur Fehlzeiten,
sondern das Gesundheitsverhalten als präventive Funktion im
Kontext der Chronifizierung von Krankheitsbildern), Qualifi-
kation (nicht nur altersspezifischer Leistungswandel, sondern
das Lernen lernen unter altersspezifischen Voraussetzungen),
Motivation (nicht nur Bezahlung, sondern gerade die soziale
Motivation betreffend) und gruppendynamische Themen wie
Generationskonflikt oder Konflikt zwischen erfahrenen Mitar-
beitern und jüngeren Führungskräften.

Das Praxisbeispiel „ProZukunft  Fit für morgen“ der Thyssen-


Krupp Steel Europe AG belegt mit Nachdruck, dass nur eine ge-
meinsame Aktion der beteiligten Fachdisziplinen (Vorstand bzw.
Geschäftsführung, Betriebsleitung, Arbeitsmedizin, Arbeitssicher-
heit, Personalentwicklung, Personalstrategie, IG Metall, Betriebs-
ProZukunft  räte etc.) erfolgsversprechend ist (Kroll, 2012). Würde man nichts
Fit für morgen unternehmen, würde in diesem Unternehmen das Durchschnittsal-
ter von 44,9 (Stand 2006) bis 2020 auf 55 Jahre ansteigen. Die
Autoren sprechen hier von einem unternehmerischen Harakiri. Das
Praxisbeispiel gehört zu den Best Practice Modellen, was auch im
Rahmen von Auszeichnungen gewürdigt wird (Demografie-
6 Management 2010 mit dem „Fokus 50+Award“ der Beratungsge-
sellschaft Apriori und BGM 2010 mit dem Corporate Health
Award). Das Praxisbeispiel lässt sich in dem Buch von Kroll (2012)
aus der Perspektive der Beteiligten gut nachvollziehen.

Was können wir aus dem Vorgehen lernen? Erfolgsfaktoren sind


v. a. der ganzheitliche Ansatz, eine langfristig angelegte Strategie
und eine ausreichende politische und ressourcenbezogene Rü-
ckendeckung. Dabei wird Wert auf eine ausreichende empirische
Standortbestimmung gelegt, um die Maßnahmen „passgenau“ zu
konzipieren. Der Maßnahmenpool offenbart, wie wichtig es ist,
nicht nur an einer Stelle das Thema Demografie aufzusetzen, son-
dern von Anfang an eine „Multiple-Nucleus“-Strategie zu fahren:
Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 367 A 6.1
x Simulation von denkbaren Personalszenarien zur prognosti-
schen Personalbedarfsbestimmung
x Talent-Management, Bindungsmanagement, strategische
Nachfolgeplanung und Netzwerk-Management
x Masterplan Arbeitssicherheit von der Einstellung über Führung
bis zur Kommunikation und Bewertung, v. a. Überprüfung der
Arbeitsplätze auf „alter(n)skritische“ Gesichtspunkte
x BGM mit Fokus auf Führung und Gesundheit sowie Organisati-
on, ferner Gesundheitsanalyse und spezifische Themen wie
Chronobiologie und Schichtarbeit
x Personalpolitische Strategie der Familienfreundlichkeit
x Wissensmanagement und intergenerationeller Austausch
x Moderne Führung als „Leadership 2.0-Kampagne“ mit Fokus
auf ein gemeinsames Führungsverständnis und klaren Anforde-
rungen sowie Weiterentwicklung

In einem systematischen Demografiemanagement müssen zu- Erfassbarkeit


nächst alternskritische & Belastungen in der Arbeitswelt identifi- alternskritischer
ziert werden. Dies ist nicht aufwendiger als die & Gefährdungs- Belastungen
beurteilung, denn alternskritische Belastungen können mit einer
den Anforderungen entsprechenden und um psychomentale Belas-
tungen geschärften Gefährdungsbeurteilung erhoben werden
(z. B. BASA II, Richter & Schatte, 2009;  Tool-Box BAuA). Auch
Beschäftigtenbefragungen können ergänzende Hinweise liefern
(z. B. FAGS-BGF Æ Uhle et al., 2010; Gesundheitsbefragung Æ
Treier, 2010a) (ª Kap. 5.6, S. 314).

Den alternskritischen Belastungen sind internale, personeneigene Ressourcen


und externale, organisationseigene & Ressourcen gegenüberzu-
stellen (ª Kap. 3.3, S. 129). Zu den externalen oder personenei-
genen Ressourcen gehören Persönlichkeitseigenschaften, Wertvor-
stellungen und Kompetenzen wie Leistungs- und Lernbereitschaft
oder auch eine alternssensible & Hardiness, nämlich nicht anfällig
für gesellschaftliche und medial gestreute Altersmythen bzw.
Alters-Vorurteilen zu sein. Das Unternehmen kann flankierend
mittels externaler oder organisationseigener Ressourcen dazu
beitragen, dass die Beschäftigten von einer ihren alternsgerechten
Bedürfnissen entsprechenden Arbeitsgestaltung profitieren und
die Arbeitsorganisation sich den Prinzipien der „Lernenden Orga-
nisation“ verpflichtet fühlt (vgl. Senge 1990; Senge et al., 1996).
6 A 368 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Lernende Nach Senge (1990) sind die Voraussetzung zur Entwicklung einer
Organisation als Lernenden Organisation fünf Disziplinen:
Basis einer al-
ternsgerechten x Individuelle Reife: Durch Persönlichkeitsentwicklung der Be-
Organisation schäftigten werden individuelle Kompetenzen verbreitert und
die Fähigkeit zur eigenen Standortbestimmung im Unterneh-
men und der Karriere entwickelt.
x Mentale Modelle: Hier geht es um die expliziten und implizi-
ten Grundannahmen, mit denen man sich die Welt erklärt 
diese Grundannahmen sollen reflektiert und im gesamten
Entwicklungsprozess hin zu Lernenden Organisation Berück-
sichtigung finden.
x Gemeinsame Vision: Wenn alle Mitarbeiter über die Ziele des
Unternehmens informiert sind, ist die Gestaltung einer ge-
meinsamen Vision bzw. eines Leitbildes eine notwendige Vo-
raussetzung.
x Lernen im Team: Neben individuenzentrierten Lernstrategien
ermöglicht das Lernen im Team nicht nur eine Vermittlung
von fachlichen Kompetenzen, sondern darüber hinaus werden
methodische, soziale und Persönlichkeitskompetenzen trai-
niert.
x Denken in Systemen: Durch eine ganzheitliche Betrachtung
des Arbeits- und Organisationssystems werden die Wirkmecha-
nismen und das zu erwartende Verhalten in einer symboli-
schen und formalen Sprache beschrieben. Dadurch können ty-
pische Verhaltensmuster (Systemarchetypen) erkannt und be-
arbeitet werden. Mit den Methoden der System Dynamics kön-
nen die Systeme dann simuliert und mögliches Verhalten vor-
hergesagt werden.

Beanspruchungs- Aus alternskritischen Belastungen und den zur Verfügung stehen-


folgen den Ressourcen resultieren die & Beanspruchungsfolgen, die in
erster Linie auf Arbeitsfähigkeit, Wohlbefinden und Zufriedenheit
6 ausstrahlen. Sozialmedizinische und gerontologische Studien wei-
sen in der Zusammenschau darauf hin, dass ältere Menschen 
unabhängig von Drittvariablen wie Geschlecht oder ethnische
Gruppenzugehörigkeit  mit höherem Bildungsniveau ein geringe-
res & Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko aufweisen als ältere Men-
schen mit niedrigerem Bildungsniveau (Christenson & Johnson,
1995). Kruse (2006) fordert deshalb: „[…] Aus diesem Grunde ist
Bildung als zentrales Konzept der Gesundheitsförderung und Pri-
märprävention anzusehen  eine Aussage, die die Forderung na-
helegt, Bildungsmaßnahmen im gesamten Lebenslauf bei der Aus-
arbeitung des Präventionsgesetztes stärker zu berücksichtigen.“
Kruse konnte 2006 noch nicht wissen, dass sich die Bundesregie-
rung im Jahr 2010 von dem Entwurf des Präventionsgesetzes und
Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 369 A 6.1
seiner Verabschiedung distanziert hat (www.bundestag.de;
15.08.2010). Hier ist zu berücksichtigen, dass auch ältere Arbeit-
nehmer neue Inhalte lernen können. Jüngere lernen v. a. formale
Kenntnisse schneller und erzielen höhere Lerngewinne, aber auch
Ältere erzielen klare Lernfortschritte. Das Matthäusprinzip „Wer
hat, dem wird gegeben!“ (gemeint ist der Apostel und nicht der
ehemalige Fußballer) sieht Ältere sogar hinsichtlich eines Lern-
aspektes im Vorteil: Ihre umfassenderen Erfahrungen bieten auch
Einordnungsmöglichkeiten für neues Wissen (Hacker, 1996).

In } Abbildung 86 sind die alternsrelevanten Belastungen, Res-


sourcen und Beanspruchungsfolgen in einem Modell integriert.

‡ 3HUV|QOLFKNHLWVHLJHQVFKDIWHQ
‡ :HUWYRUVWHOOXQJHQ
‡ .RPSHWHQ]HQ

3HUV|QOLFKH
5HVVRXUFHQ

%HDQ
5LVLNRIDNWRUHQ %HODVWXQJHQ )ROJHQ
VSUXFKXQJHQ

‡ (QGRJHQH)DNWRUHQ ‡ $UEHLWVIlKLJNHLW
‡ ([RJHQH)DNWRUHQ ‡ :RKOEHILQGHQ
‡ =XIULHGHQKHLW

([WHUQDOH
5HVVRXUFHQ

‡ $OWHUQVJHUHFKWH$UEHLWVJHVWDOWXQJ
‡ /HUQHQGH2UJDQLVDWLRQ
‡ 6R]LDOH1HW]ZHUN

} Abbildung 86: Alternsrelevante Belastungen, Ressourcen und Folgen

Viele Unternehmen erwachen zurzeit aus einem Dornröschen- Dornröschen-


schlaf, wach geküsst durch den Demografen. Obgleich das Wissen schlaf
um den demografischen Wandel und seinen Konsequenzen für die
Gesellschaft, die Arbeitswelt und den Einzelnen seit Langem be-
kannt sind und seit den frühen 1990-er Jahren aus konstruktiven
Auseinandersetzungen in der Fachwelt mit der Gesamtthematik
auch Lösungsansätze vorliegen (bspw. „Faktor vier  Bericht an
den Club of Rome“ von Weizsäcker et al., 1995), wurden diese
wohl von politischen und unternehmerischen Entscheidern in den
Schubladen archiviert und vergessen. Als Reaktion auf dieses un-
sanfte Erwachen tritt häufig ein Aktionismus zutage, der manch-
mal etwas kopflos wirkt. Wie beim BGM ist es auch beim Demogra-
fiemanagement wichtig, einen systematischen Prozess zu imple-
6 A 370 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

mentieren, mit den dazugehörigen Strukturen, Maßnahmen und


regelmäßiger Evaluation. Hierbei werden die Verantwortlichen
schnell merken, dass ein Großteil der notwendigen Voraussetzun-
gen für ein erfolgreiches Demografiemanagement schon gelebt,
allerdings häufig anders deklariert wird, oder zumindest rudimen-
tär vorhanden ist. So dürfte es bspw. kein Problem darstellen, mit
alternsbezogenen Arbeitsaufgabentypen, die mit einer Ver-
schlechterung mit dem Lebensalter einhergehen, klarzukommen,
wenn die EU-Anforderungen an Arbeitsplätzen für alle Altersgrup-
pen bekannt und umgesetzt wären. So wird z. B. in der Maschi-
nenrichtlinie Ziffer 108a der EU auf die Belastungsmomente durch
Zeitdruck, fehlenden Tätigkeitsspielraum oder defizitäre Lernan-
gebote hingewiesen. Probleme wären hier also nicht dem biologi-
schen Alter, sondern eher einer unzureichenden Arbeits- und Or-
ganisationsgestaltung geschuldet. Darüber hinaus lassen sich indi-
viduelle, alternsbezogene Einschränkungen größten Teils kompen-
sieren: schlechtere Sehleistung durch Brillen, eingeschränkte Hör-
leistung durch Hörgeräte und ein verlangsamtes Reaktionstempo
durch vorausschauendes Arbeiten, verringerte Kurzzeitbehaltens-
spannen durch externes Speichern oder optimierte Gestaltung der
Mensch-Maschine-Schnittstelle.
Unterm Strich: Packen wir es an  aber mit Köpfchen!

Entwicklungs- Konkrete Entwicklungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer hin-


möglichkeiten sichtlich ihrer Qualifikationspotenziale zählt Hacker (2003) auf:
x Relativierung der Alternsmythen und Berücksichtigung der
wissenschaftlichen Befundlage.
x Frühzeitig lehren, wie man lernt  gerade dann, wenn Lernen
nicht mehr kindgemäß spielend und von selbst erfolgt, son-
dern zielgerichtete Lernarbeit ist.
x Arbeitsinduziertes Voraltern durch gesundheitsbeeinträchti-
gende Arbeitsinhalte und Bedingungen muss auf jeden Fall
6 vermieden werden.
x Qualifizierung v. a. älterer Arbeitnehmer sollte systematisch
als arbeitsimmanentes Lernen „on the job“ und „by doing“
konzipiert werden.
x Lernförderliche Arbeitsgestaltung durch vollständige Arbeits-
tätigkeiten. Diese Arbeitsprozesse mit Lernpotenzial sind wei-
testgehend identisch mit den Merkmalen motivations- und ge-
sundheitsförderlicher Arbeitsprozesse.
x Zur lernförderlichen Arbeitsgestaltung gehört auch die lern-
förderliche Arbeitsmittelgestaltung (bspw. durch die Integra-
tion von Lernsoftware an Maschinen- oder Bildschirmarbeits-
plätzen).
Alternsgerechtes Arbeiten: Demografiemanagement 371 A 6.1
x In der Führungskräfteausbildung ist sowohl auf das menschen-
gerechte und dadurch lernförderliche Gestalten von Arbeits-
prozessen als auch auf die qualifikatorische Aufgabe der Vor-
gesetzten, die Mitarbeiter weiterzubilden, zu achten.
x Es bedarf anderer Formen der Lernunterstützung: Bspw. dürf-
te das formal die deutlichere Sichtbarkeit und Hörbarkeit der
Informationen oder bewussteres Pausieren, stärker inhaltsbe-
zogen das Einbauen in vorhandenes Vorwissen oder das Beach-
ten von Interferenzen mit Vorwissen betreffen.

Abschließend folgen praktische Hinweise für das Demografie-


management für Verantwortungsträger:
Ein Demografiemanagement folgt der analogen Systematik eines
BGM, nämlich Analyse  Intervention  Evaluation, wobei Analyse
und Evaluation sich gleicher Methodiken bedienen. Auch von den
Strukturen her sollte ähnlich verfahren werden: Der zentrale
Steuerungskreis, dem der Geschäftsführer vorsitzt, lenkt und be-
schließt die einzuschlagende Richtung. Auf den Ebenen darunter
wird gearbeitet  der Arbeitskreis „Demografie“ mit Experten und
Arbeitgebervertretern und Arbeitnehmervertretern setzt die Be-
schlüsse des zentralen Steuerungskreises durch. Je nach Komple-
xitätsgrad können noch zusätzliche Expertenteams als Subteams
gebildet werden.

x Erhebung des interner Personalbestands und -bedarfs mit der Analyse


Erfassung der Sollqualifikation und des aktuellen Personalbe- Evaluation
stands.
x Scannen des externen Arbeitsmarktes mit Analyse des exter-
nen Personalangebots und einer Markteinschätzung bzgl.
Wettbewerb und Trends.
x Analyse unterschiedlicher Szenarien, projiziert auf einen mit-
tel- und langfristigen Zeitraum, was die Personalentwicklung
anbelangt.
x Tipp: Altersstrukturanalyse unter Berücksichtigung der Er-
kenntnisse der Bevölkerungsvorausberechnung des Statisti-
schen Bundesamtes (Destatis, 2009b)
x Entwicklung von Leitlinien und Maßnahmen, die aus der Analy- Intervention
se abgeleitet und durch die regelmäßigen Evaluationen im
Prozess angepasst werden  Beispiele für Maßnahmenkatego-
rien sind „Lernende Organisation“, „Alternsgerechte Arbeits-
gestaltung“, „Personalrekrutierung und –bindung“, „Em-
powerment der Führungskräfte“, „Mentoringprogramme im
Sinne einer Wissensstafette“ sowie natürlich „BGM“.
6 A 372 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Das BGM tangiert als Querschnittsaufgabe alle Maßnahmenka-


tegorien außer ‚Personalrekrutierung und -bindung'.

x Sicherung der Nachhaltigkeit durch die Entwicklung eines


Maßnahmenkatalogs „Demografie“ und die Verankerung ge-
prüfter, ggf. pilotierter Maßnahmen in den Strukturen.
x Tipp: Demografiebeauftragte bestimmen, um die Maßnah-
menpakete zu kommunizieren und zu verknüpfen. Zudem ist
es wichtig, die unterschiedlichen interessierten Parteien an
einem round table zu bringen.

Die Steigerung der demografischen Fitness muss als eine


konzertierte Aktion zwischen Personal- und Gesundheits-
management betrachtet werden (Treier, 2009a). Man sollte
daher beim Steuerungskreis und bei den Arbeitsgruppen da-
rauf achten, dass beide Perspektiven im Unternehmen auch
personell zusammengeführt werden. Gefährlich wird es,
wenn es zu einem kompetitiven Ansatz zwischen Personal-
und Gesundheitsmanagement kommt.

Unsere Website-Empfehlung:
 Tools für Demografiemanagement: Auf dieser Website finden
sie relevante betriebliche Werkzeuge für die Personalarbeit, ange-
fangen von Self-Checks über Altersstrukturanalysen bis zu Check-
listen zum Erkennen altersstruktureller Problemlagen im Betrieb.

Für Sie gelesen – von uns empfohlen:


Schirrmacher, F. (2004). Das Methusalem-Komplott. München:
Karl Blessing Verlag.
Frank Schirrmacher fasst in „Das Methusalem-Komplott“ die vor-
liegenden demografischen Fakten zusammen. Er provoziert, indem
6 er auf eine Vergreisung der Gesellschaft aufgrund niedriger Ge-
burtenraten hinweist und zu einem „Aufstand der Alten“ aufruft.
Das Buch sorgte für internationales Interesse und der Autor wurde
mit der Goldenen Feder und dem Corine Sachbuchpreis ausge-
zeichnet. Das Buch spaltet aber die Leser. So finden Sie bei Ama-
zon fast ausgewogen Befürworter und Kritiker des Buches.
Gelassen bleiben: Stressmanagement 373 A 6.2

6.2 Gelassen bleiben: Stressmanagement

Die TK-Studie zur Stresslage der Nation (2013) belegt, dass


unsere Republik gestresst ist: „Landauf, landab steht mindes-
tens die Hälfte unter Druck“ (TK, 2013b, S. 6)

Völlig außer Zweifel: „Wer arbeitet, ist gestresst. 70 Prozent der


Erwerbstätigen sind manchmal oder häufig im Stress, bei den Stresslage der
Nation
Nicht-Erwerbstätigen sind es lediglich 44 Prozent. Am häufigsten
unter Dauerdruck stehen die Selbstständigen. Jeder Dritte von
ihnen ist ständig gestresst. Nimmt man zeitweiligen und dauerhaf-
ten Stress zusammen, geht es den Angestellten und ihren Chefs
besonders schlecht …“ (ebd., S. 7) Aber nicht alleine die Arbeit
stresst, denn es gibt viele weitere Stressfaktoren wie den Stress-
faktor Kind, Geldsorgen, Krankheit eines Nahestehenden, Pflege
eines Angehörigen, private Konflikte etc.

Fazit: Stress umfasst sämtliche Lebensbereiche und darf


nicht nur auf die Arbeitswelt beschränkt werden!

Stress kann gesund sein und aktivieren, vielfach zeigen sich aber
in den Studien auch problematische Folgen (TK, 2013b, S. 41).
„Wer häufig im Stress ist, leidet doppelt so oft an seelischen Be-
schwerden wie diejenigen, die nur manchmal gestresst sind, und
sogar vier Mal so häufig wie die selten Gestressten. Interessant ist
zudem, dass gerade unter Singles der Anteil von Menschen mit
psychischen Problemen besonders hoch ist  von ihnen litten fast
drei von zehn in den letzten Jahren unter Depressionen, Burnout
und Co.“ Damit zeichnet sich die Bedeutung der Work-Life-
Balance unter Berücksichtigung des sozialen Rückhalts ab.

Das Thema Stress ist in aller Munde und wer was auf sich hält, der Stressfolgen
hat Stress! Eine ausführliche Information über Risiken und Neben-
wirkungen wurde bereits in Kap. 3 (ª S. 105) dargestellt. Udris
und Frese (1999) zeigen die kurzfristigen, aktuellen und mittel-
bis langfristigen, chronischen Folgen von Stress auf:
x Verhaltensebene: kurzfristig Æ Leistungsschwankungen, ver-
ringerte Konzentration, erhöhte Reizbarkeit, Ungeduld, Rück-
zug; langfristig Æ vermehrter Nikotin-, Alkohol- und Tablet-
tenkonsum, Fehlzeiten und innere Kündigung.
x Emotionale Ebene: kurzfristig Æ Anspannung, Nervosität,
Frustration, Ärger; langfristig Æ Ermüdungs- und Sättigungs-
gefühle, psychosomatische Erkrankungen, Depressivität.
6 A 374 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

x Psychische und physiologische Ebene: kurzfristig Æ erhöhte


Herzfrequenz und steigender Blutdruck, Ausschüttung von
Cortisol und Adrenalin; langfristig Æ psychosomatische Er-
krankungen und Beschwerden, Infektanfälligkeit, Depressivi-
tät, Verspannungen, Schlafstörungen, & Burnout.

Stress- Was hält Menschen trotz Stress gesund? Im weiteren Verlauf wer-
bewältigung den wir ausführlicher auf die individuellen Präventionsressourcen
im Umgang mit Stress eingehen (Litzcke & Schuh, 2010). Die
Stressbewältigung kann verschiedene Ansatzpunkte und Techniken
aufweisen (Treier, 2011, S. 167 f.):
x Gedanken: Positives Denken, Selbstinstruktionstechnik, kogni-
tive Umstrukturierung etc.
x Emotionen: Entspannungstechniken, Umgang mit Ärger, Angst
und negativen Emotionszuständen, Erholungsfähigkeit etc.
x Verhalten: Problemlösungstechniken, lösungsorientierte Ge-
sprächsführung, Techniken des Selbstmanagements etc.

Säulen der Kaluza (2014, S. 85 ff.) unterscheidet hier zwischen drei Herange-
Stresskompetenz hensweisen. Er nennt sie die Säulen der Stresskompetenz. Diese
lassen sich in der Stressbewältigung kombinieren, um ein optima-
les und nachhaltiges Ergebnis zu erzielen. Oft ist es sinnvoll, zu-
nächst am Ansatz Emotionen zu arbeiten, damit die Betroffenen
ausreichend Entlastung bekommen, um sich einer nachhaltigen
problembezogenen Bewältigung zu widmen. Die  Tabelle 6-1
fasst die drei Herangehensweisen nach Kaluza (2014) zusammen.

 Tabelle 6-1: Herangehensweisen im Stressmanagement nach Kaluza

Methode Erläuterung
Es geht darum, aktuelle oder zukünftige Stresso-
ren auszuschalten oder zu reduzieren.
6 Instrumentelle Hierzu gehören das Lernen und Fachwissen, der
Stresskompetenz Aufbau sozialer Netzwerke und deren Pflege, die
Selbstbehauptung und das Grenzen setzen kön-
nen sowie Zeit- und Selbstmanagement.
Es geht darum, seine eigene Wahrnehmung und
Bewertungen realitätsgerecht und selbstwertför-
derlich „einzustellen“ und zu schärfen.
Hierzu gehören die realitätskonforme Auseinan-
Kognitiv-mentale
dersetzung und Wahrnehmung, die konstruktive
Stresskompetenz
Bewertung von Anforderungen als Herausforde-
rungen und nicht nur als Bedrohung, die Steige-
rung der Selbstwirksamkeit und die Entmachtung
individueller Stressverstärker.
Gelassen bleiben: Stressmanagement 375 A 6.2
Methode Erläuterung
Es geht darum, seine Ressourcen wiederherzu-
stellen und positive Emotionen zu mehren.
Palliativ-
Hierzu gehören die Erholungsfähigkeit und die
regenerative
aktive Gestaltung der Erholung, der Genuss im
Stresskompetenz
Alltag zu lernen und sich hierfür die Zeit zu neh-
men, das Entspannen sowie Sport und Bewegung.

In der betrieblichen Praxis dominieren Entspannungstechniken und


verhaltensbezogene Ansätze des Ressourcenmanagements. Viele
dieser Herangehensweisen zur Optimierung der Bewältigungskom-
petenz (Coping) bauen auf den ressourcenorientierten Ansatz der
& transaktionalen Stresstheorie (Lazarus & Folkman, 1984). Die
Gruppe um Lazarus geht davon aus, dass nicht die Charakteristika
der Reize oder Situationen für die Stressreaktion von Bedeutung
sind, sondern die individuelle kognitive Verarbeitung des Be-
troffenen. Eine Person nimmt die Situation wahr und interpretiert
sie in Bezug auf die Frage: Kann ich mit meinen Ressourcen diesen
Stressor bewältigen? Sagt sie „Ja“, geht man von einem adäqua-
ten Coping aus; sagt sie „Nein“, dann folgt Stress gemäß Sprach-
gebrauch. Nach seinem Stressmodell wird jede neue oder unbe-
kannte Situation in zwei Phasen kognitiv bewertet:
x Primary appraisal: Bewertung, ob die Situation eine Bedro-
hung enthält.
x Secondary appraisal: Bewertung, ob die Situation mit den
verfügbaren Ressourcen bewältigt werden kann.
Nur wenn die & Ressourcen nicht ausreichend sind, wird eine
Stressreaktion ausgelöst! In der } Abbildung 87 wird das Schema
des & transaktionalen Stressmodells veranschaulicht.

Viele Trainingssysteme versuchen, diese Bewältigungskompetenz Stressimpfung


zu steigern  bspw. das Stressimpfungstraining (SIT = Stress Inocu-
lation Training) von Meichenbaum (2003).

Stressimpfungstraining
Das Stressimpfungstraining ist ein halb strukturiertes und fle-
xibles Trainingsprogramm. Die Idee klingt einfach, ist aber
schwierig in der Umsetzung: Bildung von „psychologischen“
oder besser „psychischen Antikörpern“ soll die Widerstands-
kraft gegenüber Stress vergrößern. Dabei zielt das System
v. a. auf die Bewältigungsstrategien, genauer gesagt auf die
Entwicklung von „gelernter Bewältigungskompetenz“ und der
Erwartungshaltung, künftig Stressoren gleich welcher Art er-
folgreich begegnen zu können (& Selbstwirksamkeit). Um
zum Erfolg zu kommen, benötigt man etwa 12 bis 15 Sitzun-
6 A 376 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

gen. Nach einer Information des Klienten über Stress und


Stressbewältigung wird versucht, die Wahrnehmung von dys-
funktionalen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen zu
verbessern. Flankiert werden Übungen zum Training von
Strategien der Selbst- und Emotionskontrolle. Damit der Kli-
ent auch erkennt, wann Bewältigungsstrategien aktiviert
werden müssen, wird auch seine Beobachtungsfähigkeit in
Bezug auf unadaptive Reaktionen trainiert. Der Klient wird
nach dem Selbstwirksamkeitskonzept schrittweise und abge-
stuft mit Stress im Training und Realität konfrontiert, um das
Vertrauen des Klienten in seine Kompetenzen zu stärken.
Generell wird in dem Training auch das Wissen über effektive
Stressbewältigung in unterschiedlichen Ansätzen vermittelt.
; Box 6-1: Stressimpfung nach Donald Meichenbaum

8PZHOW

¾ +HUDXVIRUGHUXQJÆ 1HXJLHU
¾ %HGURKXQJÆ $QJVWbUJHU
3ULPlUH(LQVFKlW]XQJ
(PRWLRQHQ ¾ 6FKDGHQ9HUOXVWÆ bUJHU

%HZlOWLJXQJVIlKLJNHLWHQXQG P|JOLFKNHLWHQ

6HNXQGlUH ¾ 0DWHULHOOH5HVVRXUFHQEVSZ*HOG
(LQVFKlW]XQJ ¾ 3HUV|QOLFKH5HVVRXUFHQEVSZ,QWHOOLJHQ]VR]LDOH
)HUWLJNHLWHQ$XVELOGXQJ
¾ 6R]LDOH5HVVRXUFHQEVSZ8QWHUVWW]XQJ
&RSLQJ
¾ 3UREOHPEH]RJHQH%HZlOWLJXQJ VLFKDNWLYZHKUHQQDFK
DOWHUQDWLYHQ3UREOHPO|VXQJHQVXFKHQ LQVWUXPHQWHOO
¾ (PRWLRQVEH]RJHQH%HZlOWLJXQJ]%$EOHQNXQJ
$XVZLUNXQJHQ
NRJQLWLYH8PEHZHUWXQJ0HGLNDPHQWH RIWSDOOLDWLY

} Abbildung 87: Transaktionale Stresstheorie

Für Sie gelesen  von uns empfohlen:


6 Servan-Schreiber, D. (2006). Die Neue Medizin der Emotionen.
München: Goldmann Verlag
David Servan-Schreiber ist Psychiater und Experte im Bereich der
neurokognitiven Wissenschaften. In seinem Buch zeichnet er die
positive Macht der Emotionen zur Selbstheilung auf. Stress, Angst
und Depressionen sind seines Erachtens auch ohne gefährlichen
Medikamentencocktail heilbar, wenn man die Kraft seines emotio-
nalen Gehirns positiv nutzt. Er beschreibt sieben Therapieformen
jenseits der Klassiker der Psychoanalyse und Psychopharmaka,
deren Wirksamkeit jeweils empirisch nachgewiesen ist. Positive
Emotionen stellen eine bedeutsame Ressource in der konstrukti-
ven Stressbewältigung dar.
Gelassen bleiben: Stressmanagement 377 A 6.2
Nach Kaluza (2014, S. 86) strebt ein erfolgreiches Stressma- Erfolgreiches
nagement „einen gesunden Umgang mit von außen gesetzten Stressmanage-
und mit selbst gestellten Anforderungen an. Es geht um den ment
die Gesundheit und das Wohlbefinden fördernden Einsatz der
eigenen Energie bei der Auseinandersetzung mit den Anfor-
derungen des Alltags.“

Mit dieser sehr treffenden Definition werden die Kernaussagen der


transaktionalen Stresstheorie versöhnlich mit den Person-
Environment-Fit-Modellen (Passung zwischen Mensch und Organi-
sation) übereinander gebracht. Es geht unterm Strich um Selbstre-
gulationskompetenz mit dem Ziel der Beanspruchungsoptimierung
 d. h., jeder von uns muss sich um seinen Stress selbst kümmern!
Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass der Arbeitgeber
keine Verantwortung hat, denn die arbeitspsychologischen Ansät-
ze im Stressmanagement verdeutlichen mit Nachdruck, dass die
Arbeitsbedingungen den Rahmen darstellen  und wenn diese
Rahmenfaktoren keinen Raum für personenbezogene Selbstregula-
tion erlauben, dann kann die Selbstwirksamkeit am Ende auch nur
scheitern und der Teufelskreislauf Stress findet weitere Nahrung
(vgl. Bamberg et al., 2012, S. 120 ff.).

Unternehmensseitige Unterstützungsangebote im BGM lassen sich Unterstützungs-


in zwei Hauptkategorien abbilden: angebote der
Organisation
x personenbezogenen Stressmanagement
x bedingungsbezogenen Stressmanagement
Im weiteren Verlauf fokussieren wir zunächst auf das personenbe-
zogene Stressmanagement. Die bedingungsbezogene Sicht findet
man im Kap. 3 (ª S. 105 Æ dort v. a. Risikofaktoren und Präven-
tionsressourcen) und Kap. 5.5 (ª S. 301 Æ Gefährdungsbeurtei-
lung psychischer Belastungen). Wir werden diese Sichtweise am
Ende in Bezug auf Arbeitsgestaltung zusammenfassen.

Beim personenbezogenen Stressmanagement sind wir im


Bereich der Verhaltensprävention. Es geht darum, die eige-
nen Stresskompetenzen zu erweitern. Ein Zugangsweg ist das
instrumentelle Stressmanagement. Hier stehen die Stressoren
und Ressourcen im Mittelpunkt der Betrachtung  Ziel ist es,
die Entstehung von Stress zu vermeiden. Um dieses Ziel zu
erreichen, kann man unterschiedliche systematische Techni-
ken anwenden, bspw. Zeit- und Problemlösetechniken oder
auch den Aufbau und die Pflege von unterstützenden Netz-
werken.
6 A 378 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Die knappe Das Zeitmanagement gehört zu den beliebtesten Themen im Be-


Ressource Zeit reich „Stressmanagement“ (Seiwert, 2014). Lothar Seiwert ist
einer der meist gelesenen Autoren in diesem Bereich; die Titel
seiner Bücher sind oftmals Bestseller und verdeutlichen, dass die
zunehmende Arbeitsdichte einen ressourcenschonenden Umgang
mit dem Nadelöhrfaktor „Zeit“ dringend erfordert.
x „Lass los und du bist Meister deiner Zeit  Mit Konfuzius ent-
schleunigen und Lebensqualität gewinnen“ (GU-Verlag)
x „Das neue Zeit-Alter: Warum es gut ist, dass wir immer älter
werden“ (Ariston Verlag)
x „Noch mehr Zeit für das Wesentliche: Zeitmanagement neu
entdecken“ (Goldmann Verlag)
x Unser persönlicher Tipp: „Das 1x1 des Zeitmanagements:
Zeiteinteilung, Selbstbestimmung, Lebensbalance“ in der 36.
Auflage (Seiwert, 2014) [seit 30 Jahren auf dem Buchmarkt]

Der erste Weg In diesen praktischen Ratgebern lernen Sie viele instrumentelle
Instrumentelles Herangehensweisen kennen, um Ressourcen aufzubauen oder
Vorgehen Stressoren zu reduzieren. Im Zeitmanagement lernen Sie Ziele und
Prioritäten setzen, Ziele zu formulieren und Aktivitäten zu pla-
nen, Ihre Leistungskurve und Ihren Biorhythmus zu beachten, Er-
holungszeiten zu finden und zu nutzen und v. a. auch eine positive
Lebenseinstellung zu gewinnen. Instrumente wie Tagebücher sol-
len helfen, dass man nicht wieder in den alten Trott zurückkehrt,
sondern neue Gewohnheiten etabliert sowie hinderliche Gewohn-
heiten aufspürt und beseitigt.
Zeitmanagement in wenigen Schritten: Zeitplanungsregeln, per-
sönliche Zeitinventur, Systematik der Zeitplanung, Tagesplan,
Aktivitätencheck, ABC-Analyse, Eisenhowermethode, Leistungs-
kurve und Leistungseffekte durch Pausen (Erholungsfähigkeit)

Beim Zeitmanagement werden v. a. Methoden zur Zeitpla-


6 nung, zur Priorisierung von Tätigkeiten und zur Erfassung von
zeitraubenden Tätigkeiten abgebildet.

Viele zu erlernende Tools und Strategien beziehen sich aber nur


indirekt auf den Zeitfaktor selbst. Wer seine Zeit in den Griff be-
kommen möchte, muss bspw. lernen zu delegieren oder bestimm-
te Aufgaben an andere abzugeben. Außerdem ist es auch wichtig,
die Selbstmotivation zu steigern und Erfolgskontrollen einzufüh-
ren. Letztlich geht es aber nicht nur um Effizienzsteigerung (also
mehr Arbeit in der gleichen Zeiteinheit), sondern um Effektivitäts-
steigerung (Covey, 2005). Zeitmanagement ist ein Querschnitt-
thema, das von vielen Faktoren beeinflusst wird.
Gelassen bleiben: Stressmanagement 379 A 6.2
Instrumente und Werkzeuge des Zeitmanagements werden oft
gekoppelt mit Strategien zur Lösung von Problemen. Stress ent-
steht häufig durch schlecht strukturierte Problemlandschaften,
sodass nicht alle Problemelemente und Gesetzmäßigkeiten be-
kannt sind. Es lassen sich verschiedene Problemgruppen identifi-
zieren: Analyse-, Such- und Entscheidungsprobleme. Mindmapping
und Brainstorming sind die bekanntesten Problemlösetechniken
(; Box 6-2). Weitere Methoden sind die Problem- und Konfliktana-
lyse, Ursachenanalyse, Maßnahmenplanung und Folgenanalyse
sowie der Aktionsplan und die Umsetzungsbewertung. Die Anwen-
dungstechniken ermöglichen neue Sichtweisen und schaffen Raum
für ein neues Problem- und Lösungsbewusstsein.

Mindmapping und Brainstorming


Beim Mindmapping geht es darum, etwas auf- und mitzu-
schreiben. Das können die eigenen Gedanken sein, Ideen, die
eine Gruppe produziert, aber genauso Diskussionen und Vor-
träge. Das Grundprinzip ist die Überwindung des traditionel-
len ‚Schön-geordnet-und-untereinander’-Aufschreibens. Der
Entwickler wollte das Notieren den Vorgängen im Gehirn an-
passen  Verbindung zwischen der logisch denkenden linken
und der bildhaft denkenden rechten Gehirnhälfte (Buzan,
2005). Trotzdem sollte diese „Gedankenlandkarte“ ein ge-
ordnetes, übersichtliches und wieder erkennbares Ganzes er-
geben  vergleichbar mit einer echten Landkarte.
Beim Brainstorming gilt es, Assoziationen zu einem Begriff
oder Thema zunächst ungeordnet und ohne Kommentierung
zu sammeln. Danach wird das Aufgeschriebene geordnet,
strukturiert und zusammengefasst. Das Zulassen aller Gedan-
ken ermöglicht, dass mehr Ideen gesammelt und ungewöhnli-
chere Lösungswege beschritten werden.
; Box 6-2: Problemlösungstechniken

Ein weiterer Weg im personenbezogenen Stressmanagement ist Der zweite Weg:


über ein mental-kognitives Stressmanagement möglich. Hier ste- Mental-kognitive
hen Einstellungen, Bewertungs- und Denkmuster im Fokus mit dem Strategien
Ziel, die eigene Wahrnehmung und Bewertung von Stressoren zu
verändern. Dieses Ziel lässt sich über den Aufbau von förderlichen
Gedankenmustern erreichen, aber auch über den Ausbau mentaler
Stressbewältigungsstrategien und der Adjustierung der eigenen
Ansprüche. Häufig ist es auch hilfreich, sich innerlich von stres-
senden Situationen zu distanzieren. Ein Beispiel hierfür ist ein
kognitiv-behaviorales Training (KBT). Nach Bamberg et al. (2003,
S. 114 f.) gibt es beim KBT drei grundlegende Annahmen:
6 A 380 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

1. Unsere Gedanken beeinflussen unsere Gefühle und unser Ver-


halten. Irrationale Gedanken führen zu Gefühlen und Verhal-
tensweisen, die das Risiko für Erkrankungen erhöhen.
2. Wir können unsere Gedanken beobachten und verändern.
3. Veränderte Gedanken wandeln unsere Gefühle und unser Ver-
halten. Also können erwünschte Verhaltensänderungen durch
kognitive Veränderungen erfolgen.
Techniken des KBT sind beispielsweise edukative Techniken (Wis-
sens- und Informationsvermittlung über Stress und Stressbewälti-
gung), Neubewertung der Situation, auch kognitive Restrukturie-
rung genannt (stressverstärkende Gedanken in konkreten Prob-
lemsituationen werden aufgedeckt, infrage gestellt und angemes-
sene, förderliche Gedankenmuster werden erarbeitet und einge-
übt) und Stressbewältigungsstrategien (Selbstinstruktionen, Aktivi-
tätenplanung und förderliche Gedanken).

„Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie sind vielfältig.


Zu den wichtigsten Techniken gehören das Rollenspiel bzw.
die Verhaltensprobe, Verhaltensübungen, systematische De-
sensibilisierung, Belohnungschips und Gespräche über Werte
und Gefühle.“ (Bamberg et al., 2003, S. 114)

Der dritte Weg Ein dritter Weg im personenbezogenen Stressmanagement ist das
Regeneration regenerative Stressmanagement  in älteren Auflagen wird auch
vom regenerativ-palliativen Stressmanagement gesprochen
(Kaluza, 2014, S. 143 ff.). Hier sind wir noch in der Sekundärprä-
vention, häufig aber schon tertiärpräventiv unterwegs, und es
geht um Stressreaktionen, Stressbewältigung und Stressfolgen. Das
Ziel ist hier, die Stressfolgen zu lindern, den Akku wieder vollzu-
laden und die Widerstandsfähigkeit wiederzuerlangen oder aufzu-
bauen (& Resilienz). Häufig eingesetzte Techniken und Strategien
sind Entspannung, Abschalten, aktive Erholung und eine gesunde
6 Lebensweise wie eine stresspräventive Ernährung.

Exkurs: Sechs goldene Regeln für eine stresspräventive Ernährung


Ö Eine ausgewogene Ernährung beugt Stresserkrankungen vor,
stärkt das Nervenkostüm und verbessert die Stimmung!
Ö Essen soll schmecken, braucht Zeit und ist bewusstseinspflich-
tig  so wird Essen zum Genuss!
Ö Magnesium ist unser freundlicher Stresskiller!
Ö B-Vitamine sind Nervennahrung pur!
Ö Kohlenhydrate sorgen für gute Laune und Energie!
Ö Ballaststoffe fördern ein effizientes Darmmanagement und
verhindern so unnötigen Stress!
Gelassen bleiben: Stressmanagement 381 A 6.2

„Stress isst Seele auf!“

Stress zehrt an den Nerven  und verschlingt Unmengen an


Energie. Während unser Gehirn im Normalbetrieb ungefähr
15 % der Glukose verbraucht  das ist der körpereigene
Treibstoff oder auch Fruchtzucker  benötigt das Gehirn un-
ter Stress bis zu 80 % dieses Treibstoffs. Da das Gehirn selbst
keine Energiespeicher vorhält, bedient es sich eines Tricks:
Es veranlasst das Stresshormon Kortisol, in unserer Leber den
Treibstoff Glukose freizusetzen. Und da der Chef immer oben
residiert, haben die anderen das Nachsehen: Die Glukose
wird an der Muskulatur vorbei direkt zum Gehirn transpor-
tiert und dort verbraucht (vgl. Hellhammer & Hellhammer,
2012). Neben Kortisol und Glukose fehlt noch eine weitere
Zutat in unserem Stresscocktail: das Adrenalin. Jeder Adre-
nalinstoß bringt den Organismus von 0 auf 100 und ver-
braucht viele Vitalstoffe. Dieser Stresscocktail versetzt unse-
ren Organismus in den „Kampf-oder-Flucht“-Modus: Mobili-
sierung aller Energiereserven für die Muskeln und Schärfung
unserer Wahrnehmung  was nicht benötigt wird, wird deak-
tiviert. Stehen wir dauerhaft unter Stress werden die einzel-
nen Cocktailzutaten nicht vollständig abgebaut und es bleibt
immer eine Restmenge im Blut. Das führt dazu, dass wir uns
über die Zeit immer angespannter, ängstlicher und schreck-
hafter fühlen. Außerdem bewirkt viel Kortisol, dass das Fett-
gewebe im Bauchraum zunimmt und einen Rettungsring bil-
det, der uns allerdings eher untergehen lässt als retten wird.
Unser Organismus benötigt im Stress mehr Magnesium, ver-
braucht mehr Kohlenhydrate und Vitamin B und mobilisiert
seine Reserven. Je weniger unser Organismus von diesen Vi-
talstoffen zur Verfügung hat, desto sensibler reagiert er auf
Stress. Mit der Nahrungsaufnahme von Lebensmitteln, die
diese Vitalstoffe enthalten, kann die körpereigene Stressver-
träglichkeit gesteigert werden  oder anders: Mithilfe der Vi-
talstoffe bekommt man ein dickes Fell! Eine ausgewogene
und bewusste Ernährung beugt Stresserkrankungen vor,
stärkt das Nervenkostüm und verbessert die Stimmung (vgl.
Kiefer & Lalouschek, 2009). Dabei ist aber wichtig anzumer-
ken, dass Studien bspw. des Max Rubner Instituts darauf hin-
weisen, dass eine Überdosierung sogenannte Stresskiller
ebenfalls schädlich ist. Der Vitamin- und Mineralstoffkult darf
nicht zum Selbstzweck und Marketingmodell werden. Manche
Wissenschaftler sprechen hier auch vom Vitaminchaos, da
niemand mehr weiß, wie welche Vitamine in welcher Kombi-
nation wirken.
; Box 6-3: Ernährung und Stress
6 A 382 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Die meisten verknüpfen aber mit regenerativem Stressmanage-


ment die Anwendung von Entspannungstechniken. Es gibt eine
Vielzahl von Entspannungsverfahren. Progressive Muskelrelaxati-
on, autogenes Training und Yoga sind wissenschaftlich abgesicher-
te Entspannungstechniken, die darüber hinaus auch praxistauglich
sind. Sowohl die „Psychologische Fachgruppe Entspannungstechni-
ken“ des Berufsverbandes deutscher Psychologinnen und Psycho-
logen (BDP) als auch zahlreiche Evaluationsstudien (vgl. Linden et
al., 1994; Dusseldorp et al., 1999; Petermann & Vaitl, 2009) bele-
gen die Wirksamkeit dieser drei Techniken. Hohe Wirksamkeit
entfalten die Entspannungstechniken, wenn sie mit anderen men-
tal-kognitiven Verfahren kombiniert werden (Klink et al., 2001).

In den nachfolgenden Infoboxen werden die drei Klassiker darge-


stellt. Es gibt in der Praxis viele Variationen und Kombinationen.
Auch für die jeweiligen Arbeitstätigkeiten lassen sich angepasste
Entspannungstechniken einsetzen (bspw. Bildschirmarbeitsplatz).

Muskelentspannung
Die Progressive Muskelrelaxation oder Tiefmuskelentspan-
nung bzw. das Progressive Entspannungstraining wurde von
Edmund Jacobson um 1928 als Entspannungsmethode entwi-
ckelt und baut auf der Kultivierung der Muskelsinne (Körper-
intelligenz). Ähnlich wie bei anderen Verfahren (Autogenes
Training, Yoga) lernt der Übende, einen als angenehm erleb-
ten physiologischen Entspannungszustand hervorzurufen. Das
Prinzip der Progressiven Entspannung liegt im systematischen
Wechsel von Anspannung und Entspannung einzelner Muskel-
gruppen. Dies ermöglicht es, ein genaues Gefühl für körperli-
che An- und Entspannung zu erreichen. Grundverfahren: ein-
zelne Muskelgruppen für 1 bis 2 Minuten anspannen, sich auf
die entsprechenden Empfindungen konzentrieren, anschlie-
ßend diese Muskelgruppen 3-4 Minuten maximal entspannen.
6 Jacobson nannte die Methode fortschreitend (progressiv),
weil man mit der Zeit eine immer tiefere Entspannung errei-
chen kann und weil die Entspannung, die zunächst nur im
muskulären Bereich vorherrscht, sich auf das vegetative Ner-
vensystem und das Herzkreislaufsystem überträgt und zur in-
neren Stabilisierung sowie einem Abbau übermäßiger An-
spannung und Erregung führt. Nach einigen Monaten kann die
Entspannung auch ohne vorherige Anspannung erreicht wer-
den. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem die
Muskeln als Ausgangspunkt für die Entspannung gewählt wer-
den. Durch willkürliche Anspannung und nachfolgende Locke-
rung von Muskelpartien kommt es wegen des provozierten
Kontrastes zu sofortigen und intensiven Entspannungsempfin-
Gelassen bleiben: Stressmanagement 383 A 6.2
dungen. Die Entspannung wird als Schwere-, Wärme-, Pri-
ckel- oder Trägheitsgefühl wahrgenommen. Diese Empfin-
dungen zeigen, dass nicht nur muskuläre, sondern auch
psychovegetative Entspannungen stattfinden. (Vgl. Bernstein,
1995; Brenner, 2002).
; Box 6-4: Progressive Muskelrelaxation

Autogenes Training
Das Autogene Training ist das bekannteste Entspannungsver-
fahren. Die Entspannung entsteht autogen in der eigenen
Person und führt zum Abbau von Überspannungen und zum
Aufbau von Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspan-
nung. Im Autogenen Training werden die geistige, gefühls-
mäßige und körperliche Ebene mit autosuggestiver Selbstbe-
einflussung verbunden, die sich mittels Körperwahrnehmung
auf Zustandsveränderungen in den Organfunktionen richtet.
Mit dem vom Psychiater und Psychotherapeuten Johannes
Heinrich Schultz (1884-1970) entwickelten Autogenen Trai-
ning ist es möglich, selbst gesteuert Entspannung zu erzeu-
gen. Empfindungen, die beim Autogenen Training auftreten,
lassen sich mit Vorgängen im Organismus erklären. Die Übun-
gen des Autogenen Trainings bewirken nachweisbare Ent-
spannung im Körper. Suggeriert sich der Anwender z. B. eine
Wärmeempfindung im Autogenen Training, kommt die Wär-
mewahrnehmung dadurch zustande, dass sich Blutgefäße in
den angesprochenen Körperbereichen weiten. Das Autogene
Training hat ein allgemeines und ein spezielles Ziel. Zum ei-
nen werden eine umfassende Entspannung sowie eine dauer-
haft bessere Regulation der Körpersysteme gefördert; dies
entspricht einer umfassenden Änderung des Erregungsni-
veaus. Zum anderen lässt sich die eingeübte Entspannungs-
fertigkeit nutzen, um sich in jeder belastenden Situation so-
fort durch Einsatz des Erlernten helfen zu können. Auch bei
ursprünglich körperlichen Leiden ist das Autogene Training
hilfreich. (Vgl. Brenner, 2002)
; Box 6-5: Autogenes Training

Yoga

Yoga ist eine Methode zur Entspannung und Beherrschung des


Körpers und des Geistes, die auf eine etwa 5000 Jahre alte
Tradition zurückgeht. Ihr Ursprung liegt in der fernöstlichen
Philosophie. Diese betrachtet Körper und Geist als Einheit.
Körperliche Übung und geistige Entwicklung gehören hier zu-
sammen. Auch in der westlichen Medizin ist die positive Wir-
6 A 384 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

kung der Körperübungen anerkannt und mit Studien belegt.


Viele gymnastische Übungen, die von Sportlern (z. B. bei ih-
rem Aufwärmprogramm) angewandt werden, sind aus dem
Yoga bekannt. Auch die Progressive Muskelentspannung nutzt
zum Teil Übungselemente aus dem Yoga. (Vgl. Stück, 1998)
; Box 6-6: Yoga

Bedingungsbezo- Neben dem personenbezogenen Stressmanagement gibt es, wie


genes Stressma- ober erwähnt, noch das bedingungsbezogene Stressmanagement.
nagement Hier betrachtet man die Arbeitsgestaltung als solche.
Tipp: Lesen Sie zum bedingungsbezogenen Stressmanagement
auch die Kap. 3 (ª S. 105 Æ dort v. a. Risikofaktoren und Präven-
tionsressourcen) und Kap. 5.5 (ª S. 301 Æ Gefährdungsbeurtei-
lung psychischer Belastungen).

Nach Greif (1994) verstehen wir unter Arbeitsgestaltung „die sys-


tematische Gestaltung oder Veränderung der Aufgaben, Arbeitstä-
tigkeiten und ihrer Organisation sowie der sozialen und techni-
schen Arbeitsbedingungen nach Kriterien der menschengerechten
Arbeit.“ Greif betrachtet in seiner Definition das gesamte Spekt-
rum der Arbeitsgestaltung vor dem Hintergrund des soziotechni-
schen Systemansatzes und dem Grundprinzip der Ergonomie, der
menschengerechten Arbeitsgestaltung: Ausführbarkeit, Schädi-
gungslosigkeit, Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeitsför-
derlichkeit (vgl. Ulich, 2011). Folgende arbeitsgestalterische Maß-
nahmen können unterschieden werden:
x Tätigkeiten und Aufgaben: bspw. Schaffung von Handlungs-
und Entscheidungsspielräumen, klare Festlegung von Zustän-
digkeiten und Aufgaben, Job Rotation, Job Enrichment und
Job Enlargement
x Arbeitsplatz: bspw. Anschaffung adäquater Arbeitsmittel und
6 ergonomische Arbeitsplatzgestaltung
x Soziale Bedingungen: bspw. Gruppenarbeit, Teamtraining,
Qualifizierung von Führungskräften zum Thema „Gesundes
Führen“
x Arbeitsorganisation: bspw. flexible Arbeitszeitmodelle, Aus-
bau und Systematisierung von Informations- und Kommunika-
tionswegen und Beteiligungsstrukturen wie Gesundheitszirkel
x Betriebliches Umfeld: bspw. ausreichende Aus-, Fort- und
Weiterbildungsmöglichkeiten, betriebsnahe Sportmöglichkei-
ten und Kinderbetreuungsangebote
Gelassen bleiben: Stressmanagement 385 A 6.2
Es wirkt. Die Wirksamkeit der Arbeitsgestaltung als bedingungsbe-
zogenes Stressmanagement wurde mehrfach wissenschaftlich
nachgewiesen. So gibt es u. a. zahlreiche Übersichtsarbeiten zu
den Effekten der Ressourcen „Handlungsspielraum“ und „Soziale
Unterstützung“ mit positiver Wirkung auf das psychische Wohlbe-
finden, die Arbeitszufriedenheit, geringeres Stresserleben und
geringere psychosomatische Beschwerden, also auf die Gesundheit
im Allgemeinen (vgl. de Lange et al., 2003; Doef & Maes, 1999;
Humphrey et al., 2007).

Bleibt abschließend die Frage zu klären: Was ist effektiver  per-


sonen- oder bedingungsbezogenes Stressmanagement? Hinsichtlich
der Quantität an Evaluationsstudien gibt es einen deutlichen
Überhang seitens der personenbezogenen Maßnahmen  einen
guten Überblick über die Studienlage zu Stressmanagementtrai-
nings findet man bei Bamberg & Busch (2006). Im ganzheitlichen Was ist
Stressmanagement gehen bedingungs- und personenbezogenen effektiver?
Maßnahmen im Verbund ein. Untersuchungen zeigen, dass die
Kombination aus beiden am effektivsten ist (vgl. LaMontagne et
al., 2006; Giga et al., 2003). Die Erfolgsfaktoren für ein Stressma-
nagement sind nach den „Beacons of Excellence Good Practice
Model“ (Jordan et al., 2003) wie folgt zu bestimmen:
1. Commitment des Top-Managements
2. Vorabanalyse der Notwendigkeit und des Anwendungsbereichs
im Sinne des Risikomanagements
3. Präventionsstrategie des Stressmanagements auf der Primär-,
Sekundär- und Tertiärebene der & Prävention
4. Einbindung der Beschäftigten
5. Kontinuierliche Angebote und Nachhaltigkeit

Stressmanagement ist komplex. Letztlich wird nur ein ganz-


heitlicher Ansatz erfolgreich sein. So benötigt man Metho-
den, um seine emotionale Anspannung in den Griff zu be-
kommen, damit die instrumentellen Techniken der kogniti-
ven Ansätze angemessen greifen können. Wer nervös und an-
gespannt ist, wird nicht die nötige kognitive Schärfe zur
Problemlösung mitbringen. Aber was nützen die personenbe-
zogenen Strategien, wenn die Voraussetzungen bzw. die
Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Das systematische
Ineinandergreifen personen- und bedingungsbezogener
Herangehensweisen ist der Erfolgsgarant, um die Aufforde-
rung der Techniker Krankenkasse in ihrer Studie „Bleib lo-
cker, Deutschland!“ zur Wirklichkeit werden zu lassen.
6 A 386 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Erweitertes Die } Abbildung 88 verdeutlicht das dem ganzheitlichen Stress-


Stresskonzept management zugrunde liegende erweiterte Stresskonzept in An-
lehnung an das Berufsstress-Modell nach Weinert (2004) (Grafik
entnommen aus Treier, 2011, S. 166). Das gesamte Modell wird
moderiert durch das Verhältnis zwischen Anforderungen und Res-
sourcen. Erfahrungen, Arbeitsressourcen, Belohnungen, Lerner-
gebnisse, persönliche Kompetenzen und Gesundheitszustand kön-
nen als stressrelevante Puffer fungieren.

%HODVWXQJHQ %HZHUWXQJ 5HDNWLRQHQ %HZlOWLJXQJ )ROJHQ


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* H V D P W E H Z H U W X Q J

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6R]LDOHV1HW] .RJQLWLRQHQ
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} Abbildung 88: Erweitertes Stresskonzept (aus Treier, 2011, S. 166)

Kleiner Exkurs Aber nicht nur die Arbeitswelt ist im Fokus, wenn es um Stressma-
zur Freizeit- nagement geht. Daher ein kleiner Exkurs in die Freizeit- und All-
6 gestaltung tagsgestaltung. Neben Entspannungstechniken & Co. sind auch die
einzelnen Lebensbereiche so zu gestalten, dass ein „gesundes
Leben“ im Sinne eines stressoptimierten Verhaltens mit Nachhal-
tigkeit abgesichert werden kann (& Work-Life-Balance). Neben
Genuss sind es v. a. Ernährung und Sport, die diese Effekte ge-
währleisten sollen. So ist es wichtig, dass der gestresste Mensch
Ausgleich findet. Hier spielen v. a. die Interessen und die Dinge,
die man mit Genuss verbindet, eine wesentliche Rolle. Diese Vor-
lieben können selbstverstärkend im Sinne der intrinsischen Motiva-
tion eingesetzt werden, um dem Stress positiv und konstruktiv zu
begegnen. Man lernt, den „Pfad des Genusses“ zu gehen. Dort
finden sich unterschiedliche Szenen und Aktivitäten zur Selbst-
stärkung. Sport ist ein weiterer Faktor, der im Stressmanagement
immer wieder als Ressource hervorgehoben wird (die Belege meh-
Gelassen bleiben: Stressmanagement 387 A 6.2
ren sich, bspw. die Studie von Schoenfeld et al., 2013). V. a. Aus-
dauersportarten wie Jogging und Nordic Walking wirken positiv
auf das Stresserleben. Was bewirkt Sport? Positive Auswirkungen
auf Blutdruck, vegetative Funktionen, Kapillarisierung, Immunsys-
tem, Endorphine, Herz-Kreislauf-Kapazität, Gewichtskontrolle,
Körperintelligenz etc. sind stresspräventive Faktoren.

Sport als Stresskiller: Sport ist keine Allheilwaffe, v. a. nicht ge-


gen berufsbedingten Stress, aber Sport kann die Stressreaktionen
verringern und eine bessere Erholungsfähigkeit nach sich ziehen
(vgl. Gerber, 2010, S. 30 f.). Problematisch ist jedoch der Nach-
weis, da es sich bei den Studien oftmals um Laborstudien handelt.
Der Effekt ist meistens auch nicht direkt, sondern wird über ande-
re stressrelevante Parameter vermittelt. Hier ist die Selbstwirk-
samkeitserwartung zu nennen (Fuchs et al., 1994; Fuchs & Leppin,
1992). Aber unabhängig von den Einzelbefunden zeichnet sich eine
positive Gesamtwirkung von Sportaktivitäten als Stresspuffer ab
(Klaperski et al., 2012). Die Befunde zeigen bei vorsichtiger Inter-
pretation, dass habituelles Sportverhalten bei zeitlich andauern-
den Stressbedingungen gesundheitsprotektive Wirkungen aufweist.

Wir als Autoren haben von 2004 bis 2006 im Auftrag der GAAS
(Gemeinschaftsaufgabe Arbeits- und Gesundheitsschutz) mithilfe
von betrieblichen Paten ein interaktives Stressmedium als E-
Learning-Konzept mit entwickelt (Treier & Holobar, 2006/2007).
Da dieses Medium die aktuellen Themenfelder aufgreift, möchten
wir Ihnen anhand dieses Werkzeuges aufzeigen, wie personenbe- Der Stress-
zogenes & Stressmanagement zu realisieren ist (Treier, 2006; manager
Treier & Uhle, 2007; Uhle & Treier, 2006; Uhle et al., 2007).

Hinweis auf eine multimediale Darstellung auf der Website:


Sie finden auf der Website eine PDF mit integrierten Multimedia-
Elementen (u. a. Filmen) in einer normal- und hochauflösenden
Version. Dort stellen wir Ihnen den Weg vom erfolgreichen
Stressmanager (bis heute etwa 15.000 verteilte Exemplare) zum
neuen gamebasierten Konzept vor. Wir bedanken uns für die Be-
reitstellung der Unterlagen von der Agentur virtualform aus Köln.

Tipp: Lesen Sie bitte auch das Interview mit Sven Schmilgeit über
das neue Konzept „Mission against Stress“ aus der Perspektive
eines Industrie- und Mediendesigners (ª Kap. 6.4, S. 404). Dieses
Tool baut auf einen sehr erfolgreichen Vorgänger auf, den wir
Ihnen als Praxisbeispiel nunmehr vorstellen möchten.
6 A 388 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Multimedia, Spiel Das neue Tool zum Stressmanagement, das in 2014 auf dem Markt
und Stress gekommen ist, unterscheidet sich gravierend vom alten Konzept in
Bezug auf die Didaktik und auch hinsichtlich der Priorisierung und
Darstellung der Themenfelder (Treier, 2010b; Treier, 2015c). Das
neue Instrument nutzt die Möglichkeiten von gamebasierten Sys-
temen in Bezug auf Interaktivität, Visualität und Handlungsorien-
tierung (Games Based Learning) und greift die Ergebnisse einer
umfassenden Evaluation des Stressmanagers auf (Treier, 2006;
Uhle et al., 2007). Der Schlüssel heißt 3D-Simulation oder virtuelle
Realität. Hier kann sich ein Benutzer mithilfe von Stressdummies
bzw. Stressavataren in einer am Bildschirm simulierten Welt frei
bewegen und diese in Echtzeit beeinflussen. Er ist also nicht mehr
„nur“ Zuhörer einer Geschichte, sondern aktiv an dem Fortschritt
und der Exploration der „Agency of Rescue Avatars“ beteiligt. Das
Motto lautet: Stressfrei durch spielerisch anmutende 3D-
Simulation. Funktionalität und Spiel sind aus Sicht der modernen
Gestaltungsanforderungen von E-Learning Produkten zur Hand-
lungsorientierung kein Widerspruch mehr (eKnowledgement).
Im weiteren Verlauf möchten wir an der Dramaturgie des ersten
Stressmanagers die Vielseitigkeit der Maßnahmen und Ansatzpunk-
te im individuellen bzw. personenbezogenen Stressmanagement
aufzeigen. Der neue Stressmanager weist ähnliche Inhalte auf und
verpackt diese in Multimedia, um die Motivation, an sich zu arbei-
ten und sein eigenes Verhalten zu ändern, zu steigern.

} Abbildung 89: Die Stressmanager-DVD


Gelassen bleiben: Stressmanagement 389 A 6.2
In diesem Medium werden Module wie Entspannungstechniken in Zur Entstehung
einer virtuellen Industrielandschaft der „Stress-im-Griff-AG“ be- des ersten
handelt. Die Module enthalten nicht nur fundierte Informationen Stressmanagers
und Self-Assessment-Tools, sondern viele Übungsmöglichkeiten.
Für die aufwendigen 3D-Animationen konnte ein anerkannter
zweiter Preis im animago-Wettbewerb verbucht werden. Die Ver-
wirklichung eines solchen Vorhabens benötigt viele Beteiligte.
Aufgabenverteilung und Projektorganisation: Die GAAS (Gemein-
schaftsaufgabe Arbeitsschutz) als Steuerkreis ist der Auftraggeber.
Das Institut für Arbeitswissenschaften der RAG, Dortmund, koordi-
nierte die Prozesse und fungierte als Inputgeber (Treier & Holobar
et al., 2006/2007). Im Sinne eines Patenmodells wurden gezielt
Fachleute aus den Betrieben den Modulen zugeordnet. Sie wirkten
bei der Inhaltserstellung mit. Diese Inhalte wurden einer wissen-
schaftlichen Qualitätssicherung unterzogen und „multimedial“
aufbereitet. Das Projekt erstreckte sich zeitlich von Mitte 2004 bis
Ende 2006. Nach der Konzeptphase wurde zunächst das Stressin-
ventar entwickelt und überprüft. Sodann schloss sich die parallele
Konzeption der Module an. In dieser Entwicklungsphase lag eine
enge Abstimmung zwischen den Beteiligten vor, um die wissen-
schaftlichen, mediengestalterischen und betrieblichen Ansprüche
zu integrieren. Mitte 2006 wurde der Stressmanager in einer Vor-
fassung mit über 200 Teilnehmern betrieblich evaluiert.

} Abbildung 90: Betriebsgelände im alten Stressmanager


6 A 390 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Zielsetzungen Der Stressmanager fokussiert nicht die verhältnisorientierte Fra-


gestellung hinsichtlich der beanspruchungsoptimalen Gestaltung
von Arbeits- und Umfeldbedingungen, sondern zielt auf eine Stär-
kung persönlicher Ressourcen im Umgang mit Stresssituationen
und ist damit dem & salutogenetischen Ansatz Antonovskys (1979;
1987) verpflichtet. Dabei sind folgende Zielsetzungen maßgebend:
x Selbstmanagement und Selbstregulation
x Entwicklung von handlungsorientierten Bewältigungskompe-
tenzen Æ Steigerung der Selbstwirksamkeit
x Kanalisierte und anregende Informationen zur Stressentste-
hung und –bewältigung (Fachkompetenz)
x Individuelle Gesundheitsförderung (Genuss, Ernährung, Sport)
x Diagnostik zu Bewältigungsreaktionen und -strategien als vali-
des Feedback, wie man auf typische Stresssituationen reagiert
und welche Bewältigungsstrategien man einsetzt

Trotz dieser hochgesteckten Ziele versteht sich der Stressmanager
ausdrücklich als Hilfsmittel im Zusammenhang mit Präventions-
konzepten. Er versucht, durch seine inhaltliche Breite die intrain-
dividuelle Multikausalität von Stress durch einen modularen Zu-
gang zu berücksichtigen. Das Gesamtziel ist die Schaffung eines
Referenzproduktes in der Stressprävention im Themenfeld Ge-
sundheitskompetenzentwicklung. Kurzum der Stressmanager ist
wissenschaftlich fundiert, motivierend, selbsterklärend und feed-
backgebend auf Basis eines handlungsorientierten Ressourcenan-
satzes gestaltet.

Handlungs- Was nützt ein wissenschaftlich fundiertes Instrument, wenn der


szenario Kunde keinen Zugang zum Thema findet? Dieser Frage Rechnung
tragend haben die Entwickler das multimediale Konzept auf drei
Säulen aufgebaut: Humor, spielerischem Umgang und Erzählung
einer interaktiven Geschichte als Rahmen. Für die Fachexperten
6 bedeutete diese Zieldefinition eine Herausforderung, da sich die
Fachinhalte daran anpassen mussten. Das Handlungsszenario ist
ein fiktives Unternehmen in der nahen Zukunft (} Abbildung 91).
Der Anwender wird vom Stressbeauftragen Burnie durch die Un-
ternehmenslandschaft geführt, damit er die Maßnahmen aus der
Retrospektive (Zeitreise) kennenlernen und erproben kann, die
zum optimalen „Anti-Stress-Status“ geführt haben.
Gelassen bleiben: Stressmanagement 391 A 6.2

} Abbildung 91: Unternehmenslandschaft „Stress im Griff AG“

Als Darstellungsmodell für die Charaktere wird eine Erdmännchen-


Typologie verwendet. Neben Sympathie wird dadurch gewährleis-
tet, dass keine Assoziationen mit realen Menschen beim Anwender
erzeugt werden, die die Zielsetzung des Stressmanagers, ein
„stressfreies und motiviertes Arbeiten mit dem Medium“ zu er-
möglichen, konterkarieren könnten. Dadurch verliert sich als gra-
vierender Nachteil jedoch die Authentizität (ª 6.4, S. 404).

Das modulare Konzept (} Abbildung 92) bietet die Möglichkeit, Modularer


individualisiert und mit tutorieller Begleitung seinen Weg durch Aufbau
die Unternehmenslandschaft zu wählen. Viele Module enthalten
Fragebögen zur Standortbestimmung und verfügen über die Opti-
on, Inhalte auszudrucken. Das zentrale Modul ist das Stressinven-
tar (siehe unten). Dieser standardisierte, auf bebilderte Kurzge-
schichten basierende Fragebogen ermöglicht eine Art Profiling in
Bezug auf die Bewältigungsstrategien, die man in diversen stress-
korrelierten Situationen einsetzt. Die Resultate zeigen dem An-
wender, welche Module für die eigene Auseinandersetzung infrage
kommen (Navigation). Das Modul „Was ist Stress?“ bietet eine
unterhaltsame Einführung in das Thema Stress. Das Modul „Ent-
spannungstechniken“ vereint handlungsorientiert Methoden der
progressiven Muskelentspannung, des autogenen Trainings, Yoga
und Fantasiereisen. Weitere Module sind „Problemlösemethoden“,
„Zeitmanagement“, „Genuss, Freizeit und Interessen“ sowie „Er-
nährung und Sport“.
6 A 392 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

(LQIKUXQJ±
,QWUR &OLS

$XVZDKO0HQ

,QWHUDNWLYH*HVFKLFKWH
Ä:DVLVW6WUHVV"³

%LOGVFKLUPVFKRQHU
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(Bonus) EDVLV]XUÄ(LJHQGLDJQRVWLN³
(Bonus)

,QWHUHVVHQ
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=HLWPDQDJHPHQW *HQXVV6SRUW
PHWKRGHQ O|VHPHWKRGHQ
(UQlKUXQJ

.RQWUDNW$NWLRQVSODQ
(Urkunde)

$GUHVVHQ
4XDOLWlWVIHHGEDFN
$QVSUHFKSDUWQHU

} Abbildung 92: Strukturbild der Module

Die Inhalte der Module entsprechen den Themen, die wir hier v. a.
aus der Perspektive des personenbezogenen Stressmanagements
wie Entspannungstechniken etc. kennengelernt haben. An dieser
Stelle möchten wir ein Modul exemplarisch noch vorstellen, da
eine wesentliche Voraussetzung für die Wahl aus der Toolbox
Stressmanagement die Bestimmung des eigenen Stressprofils ist.

Modul Im Mittelpunkt des Stressmanagers steht das interaktive Stressin-


Stressinventar ventar im Self-Assessment-Design. 13 typische Stresssituationen
aus dem betrieblichen Umfeld wurden mithilfe qualitativer und
quantitativer Analysen an studentischen und betrieblichen Ziel-
gruppen identifiziert. Der Anwender sucht sich aus dem Pool von
6 unterschiedlichen Situationen eine oder mehrere Stresssituationen
aus, die für ihn die größten Beanspruchungspotenziale besitzen.
Die ausgewählten Stresssituationen werden dem Anwender durch
Bewegtbilddarstellungen und Texte präsentiert. Auf dieser Grund-
lage werden Stressreaktionen und Bewältigungsstrategien erfragt.

Das zugrunde liegende Stressinventar ist durch eine Validie-


rungsstudie hinsichtlich seiner Gütekriterien überprüft wor-
den. 211 studentische und betriebliche TeilnehmerInnen ha-
ben das Stressinventar und weitere standardisierte Fragebö-
gen (FABA von Richter, Rudolf & Schmidt; SVF120 von Janke,
Erdmann, Kallus & Boucsein) im Jahre 2005 ausgefüllt. Neben
einer Itembereinigung, um einen schlankeren Screening-
Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 393 A 6.3
Fragebogen zu erzielen (Endfassung: 43 Items), sind Fakto-
renanalysen durchgeführt worden, um die Bewältigungsstra-
tegien zu „clustern“. Die acht extrahierten Faktoren klären
immerhin 88,47 Prozent der Varianz auf (Hauptkomponen-
tenanalyse / Varimax mit Kaisernormalisierung). Die Korrela-
tionen der Hauptskalen mit den standardisierten Instrumen-
ten (FABA und SVF) sind erwartungskonform.

6.3 Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im


Wandel

Der Druck für die Unternehmen steigt, sich um die Gesunderhal- Der Markt wächst
tung der Beschäftigten zu kümmern  dies haben wir ausführlich
in den vorherigen Kapiteln dargelegt. Da es sich bei der betriebli-
chen Gesundheitsarbeit um keine triviale Aufgabe handelt, sind
zunehmend mehr interne und externe Umsetzungsexperten ge-
fragt, die mit ihrem Know-how das BGM implementieren, konsoli-
dieren und evaluieren können. Größere Unternehmen bilden oft-
mals über ihre Fortbildungsabteilungen und -akademien eigene
„Gesundheitskümmerer“ aus. Kleinere Unternehmen greifen auf
das Angebot des Marktes zur Ausbildung zum Gesundheitsbeauf-
tragten zurück. Aber auch in der externen Ausbildung hat sich auf
dem Hochschulmarkt in den vergangenen Jahren viel getan.

Viele (Groß-)Unternehmen qualifizieren ihre Mitarbeiterschaft Angebote und


über eigene Aus- und Fortbildungsabteilungen sowie Akademien. Qualifizierungen
Auch das Thema Gesundheit steht sich seit Jahren in den Bil-
dungskatalogen. Die Gesundheitsseminare und -fortbildungen sind
in erster Linie verhaltenspräventive Angebote für unterschiedliche
betriebliche Zielgruppen: das Stressmanagementseminar für den
überlasteten Mitarbeiter, der Workshop „Gesund und erfolgreich
Führen“ für den neugierigen Chef und das Web-Based-Training
„Lecker und gesund durchs Jahr“ für ernährungsbewusste Mitar-
beiter. Jeder Beschäftigte, der sich proaktiv mit der eigenen Ge-
sundheit auseinandersetzt, wird in den Ausbildungskatalogen fün-
dig werden. Zunehmend bedeutsamer wird neben den verhaltens-
präventiven Angeboten auch die Verhältnisprävention in der Quali-
fizierung. Neben Lenkungs- und Arbeitskreisen im BGM brauchen
wir auch Steuerungsexpertise vor Ort. Aus unserer Erfahrung sind
dies die „Gesundheitskümmerer“ bzw. Gesundheitsbeauftragten
vor Ort, also Kollegen für Kollegen, und die Gesundheitsmanager,
die für einen oder mehrere Betriebe bzw. Organisationseinheiten
das BGM koordinieren und auch nach oben reporten.
6 A 394 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Gesundheits- Die Gesundheitskümmerer vor Ort sollten Mitarbeiter ohne Wei-


kümmerer sungsbefugnis sein, die eine Affinität für Gesundheitsthemen mit-
bringen und auf deren Worte die anderen Kollegen wertlegen und
hören. Ähnlich wie Sicherheitsbeauftragte sind sie das Bindeglied
zwischen den Kollegen und dem Management. Wir empfehlen eine
zertifizierte Ausbildung, die bspw. von Berufsgenossenschaften
angeboten werden, um den Gesundheitskümmerer zu befähigen,
sich mit Fragen und Anregungen rund um das BGM kritisch ausei-
nanderzusetzen und die damit verbundenen Herangehensweisen
und Systematiken nachhaltig zu fördern.

Zertifizierte Gesundheitsbeauftragte
In einem sechstägigen Lehrgang werden Mitarbeiter in kommuna-
len Unternehmen fit gemacht, Mitarbeiter in schwierigen Situatio-
nen zu unterstützen, Burnout vorzubeugen, Krankenstand zu ver-
ringern und Kosten zu sparen. So heißt es in der Broschüre der
VKU Akademie des Verbands kommunaler Unternehmen. Natürlich
darf man bei solchen Angeboten nicht erwarten, dass man in sechs
Tagen mit Schwerpunktmethode „Vorlesung“ einen „Vollblüter“
Gesundheitsbeauftragter entwickeln kann. Interessant sind die
Inhalte, die auch in anderen Angeboten vorliegen. So bietet bspw.
das Bayer Training eine dreitägige Weiterbildung zum Gesund-
heitsbeauftragten gemäß Zertifizierung BG RCI an.
Inhalte solcher Weiterbildungen sind …
x Einführung in das BGM (Ziele, Voraussetzungen, Instrumente,
Implementierung und Organisation)
x Methoden (Präsentations- und Gesprächsführungstechniken)
x Führung und Gesundheit (Bedeutung der gesunden Führung,
Wiedereingliederung Langzeiterkrankter etc.)
x Psyche und Arbeit (& Burnout, Stress, psychische Störungen)
x Verhaltensprävention (Ernährung, Bewegung etc.)
6 x Verhältnisprävention (Arbeitsgestaltung)
x Diagnostik und Evaluation (Organisationsdiagnostik, Gefähr-
dungsbeurteilung, ROI der Gesundheitsarbeit)
x Spezialthemen: Gesundheitsmarketing, & Work-Life-Balance,
Projektmanagement, rechtliche Grundlagen des BGM
x Transferworkshops und Praxisbeispiele

Die Tätigkeitsgebiete der Gesundheitskümmerer umfassen


neben der Information von Mitarbeitern zu Themen rund um
das BGM, die Unterstützung bei der Planung von Gesundheits-
förderungsmaßnahmen und die Beteiligung an Gesundheits-
sitzungen. Auch sollen sie als Multiplikatoren im BGM fungie-
Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 395 A 6.3
ren, um Transparenz und Akzeptanz für die getroffenen Maß-
nahmen zu schaffen. Eine enge Zusammenarbeit mit den Ge-
sundheitsmanagern ist erforderlich. Aus unserer Erfahrung
empfehlen wir folgende Ausbildungsschwerpunkte:
x Grundlagen des BGM
x Rollendefinition des Gesundheitskümmerers
x Verhaltens- und Verhältnisprävention
x Kommunikations- und Problemlösetechniken
x Psychosoziale Belastungen und berufliche Risikofaktoren
x Ergonomie im weiteren Sinne
x Bewegung und Ernährung
x Organisation der Arbeit als Gesundheitskümmerer

Führungskräfte, die aufgrund ihrer Funktion wie bspw. Betriebslei- Gesundheits-


ter schon aus rechtlicher Sicht eine Begeisterung für das gesamte manager
Gesundheitsthema mitbringen müssen, sind geborene Gesund-
heitsmanager oder Gesundheitskoordinatoren. Analog den Ge-
sundheitskümmerern gibt es inzwischen auch hier einen florieren-
den Ausbildungsmarkt  Orientierungshilfen geben die Berufsge-
nossenschaften und die Industrie- und Handelskammern. Interes-
sierte Führungskräfte werden qualifiziert, den Aufbau eines BGM
systematisch zu unterstützen und nachhaltig weiter zu entwi-
ckeln. Eine solche Bildungsmaßnahme bietet bspw. Bayer Fortbil-
dung an. Führungskräfte werden in zehn Tagen zum Gesundheits-
koordinator qualifiziert, um den Aufbau und die Weiterentwick-
lung eines BGM zu begleiten und zu unterstützen.

Die Gesundheitsmanager werden befähigt, mithilfe von re-


gelmäßig erhobenen Daten die Prozesse des BGM zu steuern.
Schwerpunkte sind dabei Bedarfserfassung, Zieldefinition,
Gestaltung und schließlich Evaluation der Umsetzung. Dazu
gehören auch Reporting in und aus den Betrieben, Initiierung
sowie Pflege von Netzwerken. Der Fokus liegt auf der Hand-
habung der Instrumente des BGM, Vermittlung von Hinter-
grundwissen und Praxistransfer.
Folgende Ausbildungsschwerpunkte empfehlen wir:
x Einführung in das BGM
x Führung und Gesundheit
x Gesundheitskommunikation und -marketing
x Gesundheitsarbeitsgruppen leiten lernen
x Projektmanagement
x Gesundheitsthemen wie Bewegung, Psyche, Stress
x Organisationsdiagnostik und Gesundheitsanalyse
x Rechtliche Grundlagen
x Praxistransfer
6 A 396 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Hilfreich wären hier einheitliche Qualitätsstandards in der Ausbil-


dung, weil sich hier ein diffuser Ausbildungsmarkt entwickelt, in
dem sich der interessierte Praktiker leicht verlieren kann. So sind
bspw. die Inhalte der Ausbildung zum Gesundheitsbeauftragten
und zum Gesundheitskoordinator der Bayer Fortbildung von der BG
RCI zertifiziert. Ein Blick auf die Referentinnen und Referenten
(woher kommen sie, wofür treten sie ein etc.) empfiehlt sich, um
eine erste eigene Qualitätseinstufung vornehmen zu können.
 https://www.bayer-fortbildung.de … Dort gehen Sie auf den
Reiter Trainingskatalog und von dort auf das Thema Gesundheit.

Hochschule als Neben der Qualifizierung gibt es auch Aktivitäten in der Hoch-
Bildungsfaktor im schullandschaft. Der gestiegenen Marktnachfrage nach Gesund-
Gesundheits- heitsexperten kommen unsere Hochschulen seit einigen Jahren
bereich nach. So gibt es inzwischen in Deutschland etwa 89 Universitäten
und Fachhochschulen, die direkt oder indirekt im Themenbereich
BGM/BGF einen Bachelor-Abschluss ermöglichen und 46 Hochschu-
len, die den Master-Abschluss anbieten.
[Recherche in  www.gesundheit-studieren.com; 02.01.2015]

Die Hochschulausbildungen sind inhaltlich wie didaktisch mannig-


faltig: Die Studierenden können im Vollzeitstudium oder berufsbe-
gleitend ihren Bachelor- oder Masterabschluss erwerben, die Stu-
dienausrichtung ist mal mehr wissenschaftlich oder anwendungs-
gestalterisch orientiert und die Studienschwerpunkte streuen in
alle denkbaren Richtungen wie Gesundheitsökonomie, Präventi-
onswissenschaften, Medizinrecht, Sozialmedizin, Medizinsoziologie
oder auch Gesundheitspsychologie. Neben den Studienschwer-
punkten bieten die meisten Hochschulen drei Teilbereiche an:
x Soziales und Gesundheitsmanagement
x Pflege und Gesundheitsmanagement
x Prävention und Gesundheitsmanagement
6 Die Gesundheitswissenschaften werden mit soziokulturellen Phä-
nomenen in Verbindung gebracht, um den komplexen Bereich der
Gesundheitsförderung des Menschen zu beschreiben, zu struktu-
rieren und später auch verwalten zu können  dabei ist der
Mensch als Zielgruppe in allen Lebenswelten/-phasen erfasst:
Kinder und Erwachsene, Erwerbstätige und Erwerbslose, Einzelne
und Gruppen. Den erfolgreichen Absolventen eröffnet sich eine
große Vielfalt von potenziellen Berufstätigkeiten: in Unternehmen
oder Organisationen, die die Gesunderhaltung ihrer Beschäftigten
aktiv gestalten wollen, in Institutionen gesundheits- und sozialpo-
litischer Ausrichtung wie der Wohlfahrtspflege oder auch im Be-
reich der sozialen Sicherung wie in Renten-, Kranken- und Unfall-
versicherungen. Auch die Berufsgenossenschaften interessieren
Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 397 A 6.3
sich naturgemäß für diese Qualifikationen. Darüber hinaus besit-
zen Absolventen der Gesundheitswissenschaften durch ihr inter-
disziplinäres Studium auch Schlüsselkompetenzen für andere Be-
rufsfelder. So zählen Aufgaben wie Analyse und Bewertung, Maß-
nahmenableitung, -planung und -durchführung sowie Evaluation
komplexer organisationaler und individueller Strukturen und Pro-
zesse zu den Fähigkeiten, die in anderen wirtschaftlich ausgerich-
teten Berufen ebenso erforderlich sind.

Wir freuen uns sehr, dass wir zwei Vertreter aus der Hochschul-
landschaft als Interviewpartner gewinnen konnten, die uns einen
Blick durch die Brille einer Hochschullehrerin und durch die Brille
eines Bachelorstudenten erlauben.
Frau Prof. Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek ist Studiengangsverant-
wortliche für die Gesundheitspsychologie an der Fakultät für An-
gewandte Psychologie der privaten SRH Hochschule Heidelberg.
Nach ihrem Psychologiestudium und ihrer Promotion zum Dr. rer.
nat. wurde sie 2011 zur Professorin an der SRH Hochschule Hei-
delberg ernannt. Als Psychologische Psychotherapeutin und Hoch-
schullehrerin bringt sie in zahlreichen Veröffentlichungen ihre
Kenntnis und Erfahrung ein.
Herr Arne Bastian Damrath studiert zum Zeitpunkt des Interviews
im dritten Semester „Betriebliche Gesundheitsförderung“ an der
öffentlichen Fachhochschule Fulda und ist somit einer der vielen
Tausenden der BGM-/BGF-Interessierten.

Hinweis: Die Gesundheitswissenschaften sind in verschiede-


nen Disziplinen wie Arbeitswissenschaften, Medizin, Sport-
wissenschaften und Psychologie verankert. Wir betrachten
hier beispielhaft die psychologische Sicht. Selbstverständ-
lich werden auch in den anderen Disziplinen grundlagen- und
anwendungsorientierte Hochschulbildung im Hinblick auf die
Anforderungen des betrieblichen Gesundheitsbereichs be-
trieben. Am Ende bedarf es einer interdisziplinären Herange-
hensweise.

Das Interview mit Frau Prof. Dr. Sosnowsky-Waschek fand am 23.


Dezember 2014 statt. Als Autoren möchten wir uns an dieser Stel-
le herzlich für die Unterstützung von Prof. Dr. Sosnowsky-Waschek
bedanken.

In den vergangenen Jahren ist die Anzahl und Mannigfaltigkeit der


Studiengänge in der Hochschulausbildung zum Gesundheitsma-
nagement und zur Gesundheitsförderung stark gewachsen. Wie
erklären Sie sich als Hochschullehrerin diese Entwicklung?
6 A 398 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Prof. Dr. Sosnowsky-Waschek: Die Gründe hierfür sind grundle-


gender Natur und vielschichtig. Ich würde insbesondere die fol-
genden Aspekte hervorheben:
x Seit der Bologna-Reform gelten die Bildungsabschlüsse  Uni-
versität respektive Fachhochschule  als vergleichbar. Die
damit angestrebte wertgleiche Ausbildung hat ein Konkur-
renzdenken zwischen den Hochschulen befördert. Im Wettbe-
werb sollen die „exzellentesten“ Hochschulen bestehen. Doch
was ist Exzellenz? Praxisnähe oder Grundlagenforschung?
x Frühere Nischenthemen der universitären Ausbildung (so auch
z. B. das Thema BGM) tauchen nun auch im Ausbildungsange-
bot vieler Fachhochschulen als vollwertige Studiengänge auf.
Die Universitäten nehmen diese bedarfsorientierten Verände-
rungen zur Kenntnis, stellen sich auf diese Entwicklungen je-
doch nur zögernd ein. Die Fachhochschulen scheinen mit ihrer
Strategie der hohen Praxisnähe den Bedürfnissen der Wirt-
schaftsunternehmen deutlich stärker entgegen zu kommen.
x Die in den Medien stark vertretenen Schlagworte „Globalisie-
rung“, „Generation Y“, „demografischer Wandel“, „Innovati-
onsstandort Deutschland“ kennzeichnen des Weiteren, dass
der Mensch zunehmend in das Zentrum unserer wirtschaftli-
chen Wertschöpfung rückt. Während dabei die klassischen
Themen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit in
Deutschland vergleichsweise gut entwickelt scheinen, geht es
künftig darum, die Menschen im Erhalt ihrer psychischen und
körperlichen Gesundheit zu unterstützen. Denn die Mitarbei-
ter in den Unternehmen werden im Durchschnitt immer älter
und sollen nun auch länger arbeitsfähig bleiben. Die Kranken-
kassen registrieren bereits seit Jahren einen Anstieg des An-
teils psychischer Erkrankungen bei Krankschreibungen. Viele
Betroffene führt eine solche Krankschreibung in die Frühver-
rentung. Seit 2013 ist nun auch der Arbeitgeber gesetzlich da-
zu verpflichtet, psychische Gefährdungsbeurteilungen durch-
6 zuführen und ggf. Maßnahmen zum Arbeitsschutz zu ergreifen
(§ 5 Abs. 1 und 2 ArbSchG). Trotz dieser Entwicklungen steht
der gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungsprozess
im Zusammenhang mit der Förderung der psychischen Ge-
sundheit erst am Anfang.
x Die eben erwähnte Erweiterung des Hochschulangebots sowie
die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen The-
men unserer Zeit kommen schließlich den Interessen der Stu-
dierenden zugute. Ein größeres Angebot an Studiengängen
schafft Möglichkeiten, seine persönlichen Befähigungen unter
Beweis zu stellen, wodurch die Berufswahl flexibler, jedoch
nicht unbedingt einfacher wird. Dabei spielt auch hier der
demografische Wandel eine zentrale Rolle. Die Gesamtzahl
Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 399 A 6.3
der Studieninteressierten wird in den nächsten Jahren per-
spektivisch sinken. Die Hochschulen wissen darum und öffnen
ihre Tore z. B. durch die Abschaffung des Numerus clausus
und Schaffung neuer Studiengänge. Noch nie gab es mehr Stu-
denten in Deutschland als heute. Viele Hochschulen stellt die-
se neue Situation im akademischen Ausbildungsmarkt vor
grundlegende Fragen. Wie soll z. B. die Forderung nach nach-
haltiger (Elite-)Forschung und praktische Berufsqualifikation
im Rahmen eines Studiums unter einen Hut gebracht werden?

Meines Erachtens ist die Mannigfaltigkeit der Studiengänge für


BGF und BGM eine direkte Folge der eben angesprochenen Ent-
wicklungen. Betrachtet man die Vorzeichen herausfordernder
politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen
in Bezug auf das Thema Gesundheit, sind Studiengänge zu BGM
und BGF für mich eine zwingende Folge. Von zentraler Bedeutung
ist allerdings, dass auch ein entsprechendes Ausbildungsniveau
sichergestellt wird. Nur gut qualifizierte Hochschulabsolventen
werden bei ihrer Jobsuche erfolgreich sein und den Erfordernissen
der Unternehmen entsprechen können.

Und wie können sich potenzielle Arbeitgeber in diesem auf den


ersten Blick diffusen Hochschulbildungsmarkt zurechtfinden?

Prof. Dr. Sosnowsky-Waschek: Ich selbst würde es mir nicht un-


bedingt zutrauen, vom ersten Blick auf die Bewerbungsunterlage
bzw. den Studienabschluss eines frischgebackenen Absolventen
auf seine Qualifikation schließen zu können. Ich bin davon über-
zeugt, dass ein Mitarbeiter im Bereich BGF oder BGM eine Grund-
ausbildung (zumindest Bachelor of Science, B. Sc.) im Fach Psy-
chologie benötigt, und zwar als Haupt- und nicht als Nebenfach.
Dieser Studienabschluss sollte vom Berufsverband Deutscher
Psychologen (BDP) und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
(DGPs) anerkannt sein. Dies stellt sicher, dass z. B. Grundkennt-
nisse in Forschungsmethoden vorliegen. Der Absolvent kann empi-
risch fundierte Befragungen durchführen, diese korrekt auswer-
ten, interpretieren und präsentieren. Er kennt die grundlegenden
psychologischen Testinstrumente, die z. B. im Rahmen von psychi-
schen Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen werden. Das
heißt, er versteht, was sie messen und was deren Aussagekraft ist.
Hinzu kommt ein Grundverständnis von den Prinzipien menschli-
chen Verhaltens und Erlebens. So gibt es leider sehr viele Studien-
gänge, die zwar psychologisch fundiert anmuten, im Kern es je-
doch gar nicht sind. Der Arbeitgeber ist gut beraten, auf das Cur-
riculum der Studiengänge zu schauen und sich zu überzeugen, wie
viele Credits in Grundlagen- und relevanten Anwendungsfächern
6 A 400 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

belegt wurden. Die Grundlagenfächer (z. B. Allgemeine Psycholo-


gie, Forschungsmethoden, Sozialpsychologie, Biologische Psycho-
logie) sollten nicht zu kurz kommen. Sie sollten in etwa dreiviertel
des Studiums einnehmen. Absolventen sollen zumindest in der
Lage sein, selbstständig wissensgeleitete Entscheidungen zu tref-
fen und diese zu begründen, psychologische Phänomene im Alltag
zu erklären, Forschungsbefunde zu verstehen und ihren Stellen-
wert einzuordnen. Ein Studiengang, der z. B. nur mit Praxisnähe
wirbt und im Grundlagenbereich kein breites Fachwissen vermit-
telt, kann keine qualifizierten Absolventen entlassen.

Arbeits- und Organisationsdiagnostik, Gesundheitsökonomie, Sta-


tistik und Methodik und viele andere Fächer finden sich in der
Hochschulausbildung für Studierende im Bereich BGM und BGF.
Welche Rolle kommt der Gesundheitspsychologie zu?

Prof. Dr. Sosnowsky-Waschek: Die Gesundheitspsychologie ver-


steht sich als die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben in Be-
zug auf Gesundheit, Krankheit und Gesundheitsgefährdungen. Als
ein verhältnismäßig junges Anwendungsfach der Psychologie  die
entsprechende Fachgruppe wurde innerhalb der DGPs in Deutsch-
land im Jahre 1992 gegründet  gewinnt sie aufgrund der zuneh-
menden Bedeutung gesundheitsbezogener Themen in unserer Ge-
sellschaft deutlich an Fahrt und Profil. Die Prävention von Krank-
heiten (der chronisch-degenerativen und der psychischen) sowie
die Förderung von Gesundheit gehören zu ihren zentralen Aufga-
ben. Entsprechend erachte ich diese Disziplin als optimale Grund-
lage für das Wirken im Handlungsfeld BGM und BGF.
Hierzu muss angemerkt werden, dass man Gesundheitspsychologie
als Schwerpunkt mit über 20 Credits im Rahmen eines Bachelor-
oder Mastercurriculums der Psychologie nicht an jeder Universität
bzw. Fachhochschule belegen kann. In der Regel handelt es sich
um Vertiefungskurse.
6
Sie haben in Heidelberg das CORE-Prinzip eingeführt. Was ist das
und welche Erfahrungen haben Sie bzw. Ihre Studierenden damit
gemacht?

Prof. Sosnowsky-Waschek: CORE ist ein Akronym für Competence


Oriented Research and Education. Mit der Einführung des CORE-
Prinzips hat sich die SRH Hochschule Heidelberg die Förderung des
Kompetenzerwerbs bei den Studierenden auf die Fahne geschrie-
ben. Es wurde ein anspruchsvolles Studienmodell entwickelt. Das
neue Studienmodell rückt nun aktives und eigenverantwortliches
Lernen in den Mittelpunkt der Lehre und verbindet Kompetenz,
Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 401 A 6.3
Wissen und Freude am Lernen. Konkret umgesetzt bedeutet CORE
einen Unterricht in fünfwöchigen, teilweise konsekutiv aufeinan-
der aufbauenden Blöcken, die zumeist mit einer Prüfung abge-
schlossen werden. Ferner wurden die klassischen Lehr- und Prü-
fungsformen über die Vorlesung hinaus erweitert, um einen prob-
lemorientierten Zugang zum Unterrichtsstoff zu ermöglichen. Im
zweiten Studienjahr, im Themenblock „Stress, Burnout und Ge-
sundheitsförderung im Betrieb“ setzen sich die Studierenden z. B.
mit einem Auftrag eines Unternehmens in Form einer Projektar-
beit auseinander. Das beste Projektteam erhält die Möglichkeit,
den Workshop im Unternehmen durchführen. Um diese herausfor-
dernde Projektarbeit zu bewältigen, müssen die Studierenden
zugleich mehrere Kompetenzen einbringen: Fachwissen, prak-
tisch-methodische, organisatorische sowie soziale Kompetenzen.
Mit dieser Projektarbeit erhalten die Studierenden ein dezidiertes
Feedback über ihre Stärken, Schwächen und ihr Entwicklungspo-
tenzial. Ganz nebenbei stärken wir unsere Kontakte in die Wirt-
schaft und können die Entwicklungen des Marktes und die Erwar-
tungen der Unternehmen an die Absolventen einschätzen und in
die Lehre einbinden. Ich schätze, dass dieses Lehrkonzept die
Grundidee von CORE gut veranschaulicht. Anwendungsfächer wie
BGM eignen sich hierfür hervorragend!

Und nun tauschen wir die Brillen aus und blicken durch die Gläser
eines Studierenden im Bereich BGF/BGM. Das Interview mit Herrn
Damrath fand am 15. Dezember 2014 statt. Als Autoren möchten
wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung von Herrn
Damrath bedanken.

Was motiviert Sie zum Studium der BGF?

Arne Bastian Damrath: Mit meinem zukünftigen Job möchte ich


mich v. a. identifizieren können. Ja, in meinem Job will ich mich
selbst wiederfinden und das funktioniert m. E. nach nur, wenn
meine Arbeitsaufgabe und meine Interessen möglichst eine große
gemeinsame Schnittstelle bilden. Wenn ich mich mit den Inhalten
und Aufgaben meiner Arbeit gern beschäftige, bedeutet das für
mich auch maximale Arbeitsmotivation.
Von frühster Kindheit an war ich im Wasser. Aus kindlichem Spaß
wurde schnell eine Leidenschaft fürs Schwimmen und schließlich
ernsthafter Leistungssport. Hierdurch entwickelte sich bei mir
schon früh eine gewisse Sensibilisierung für das Thema Gesund-
heit. Nach dem Abitur habe ich unterschiedliche Praktika in ver-
schiedenen Einrichtungen zur Prävention und Gesundheitsförde-
rung absolviert, um mir Einblicke in verschiedene Tätigkeitsberei-
6 A 402 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

che und Berufe zu verschaffen, u. a. im BGM. Hier lernte ich Ge-


sundheit in einem aufregenden und abwechslungsreichen Umfeld
kennen. Die Praktika waren für mich wichtig: Zum einen wurde
ich bestärkt, im Bereich der Gesundheitsförderung arbeiten zu
wollen, und zum anderen wurde mein ursprünglich doch eher dif-
fuser Gesundheitsbegriff geschärft. Nach der Praktikumszeit stand
deshalb für mich fest: Ich studiere ein Anwendungsfach in den
Gesundheitswissenschaften, um später im BGM arbeiten zu kön-
nen. Ich informierte mich über entsprechende Studiengänge und
deren Inhalte und war überrascht, wie vielfältig das Hochschulan-
gebot im deutschsprachigen Raum ist. Nach sorgfältigem Abwägen
der Pros und Cons habe ich mich schließlich für das Studium in
Fulda entschieden.
Von meinem B. Sc. Studiengang der Gesundheitsförderung erwarte
ich gute Voraussetzungen zu bekommen, um später im Tätigkeits-
bereich des BGM arbeiten zu können. In den ersten drei Semestern
liegt der Schwerpunkt in den Gesundheitswissenschaften, ideal um
sich evidenzbasierte Grundkenntnisse anzueignen. Im vierten er-
folgt ein Praxissemester, bevor es in Semester fünf und sechs zum
Schwerpunkt der BGF und Projektentwicklung übergeht.

Das ist interessant und spannend! Was würden Sie aus studenti-
scher Sicht den Schülerinnen und Schülern empfehlen, die sich
heute überlegen, morgen eventuell auch ein Fach der Gesund-
heitswissenschaften zu studieren? Was sind Kompetenzen und
Eigenschaften eines Studierenden im BGM oder BGF, die die Wahr-
scheinlichkeit für einen guten Studiumabschluss erhöhen?

Arne Bastian Damrath: Die Gesundheitswissenschaften sind nicht


nur auf Bewegung und Ernährung zu reduzieren, wie es gerne allzu
häufig gemacht wird. Sie sind eine multidisziplinäre Wissenschaft
und setzen sich aus verschiedenen Disziplinen zusammen. Mittler-
weile gibt es alleine in Deutschland weit über 20 Gesundheitsstu-
6 diengängen mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Anwen-
dungsbereich Gesundheit. Da kann ich jedem zukünftigen Studen-
ten nur empfehlen, sich genau mit den Schwerpunkten, den eige-
nen Interessen und Kompetenzen auseinanderzusetzen. Bin ich
eher der Wirtschaft zugewandt oder finde ich mich selbst eher in
der Wissenschaft wieder? Sind einem die angegebenen Studienin-
halte zu abstrakt oder kann man sich darunter nur wenig vorstel-
len, ist mein Tipp, die Studienberatung der Unis und Fachhoch-
schulen zu nutzen oder sich mit Studierenden in höheren Semes-
tern auszutauschen. Ich habe häufiger erlebt, dass Kommilitonen
die Hochschule oder den Studiengang wechselten, da die Inhalte
andere waren, als jene, die man sich im Vorfeld vorgestellt hatte.
Qualifiziert sein: Gesundheitsbildung im Wandel 403 A 6.3
Das kann man durch eine gründliche Informationsbeschaffung vor
Studienbeginn vermeiden.
Allgemein sehe ich, wie bereits erwähnt, die eigenen Interessen
und die Neugier an einem bestimmten Thema als größte Motivati-
on. Die Eigenmotivation ist besonders wichtig, da in meinem Stu-
dium ein hoher Workload im Selbststudium liegt. Das heißt: Hier
ist viel Eigeninitiative und Engagement gefragt.
Des Weiteren sollte man anderen Menschen gegenüber aufge-
schlossen und generell kommunikativ sein. BGM ist keine One-
Man-Show, sondern findet in Team- und Zusammenarbeit mit un-
terschiedlichen Akteuren und Institutionen statt. Auch im Studium
ist die Kommunikation und Teamfähigkeit notwendige Vorausset-
zung für ein erfolgreiches Studium  bspw. im Rahmen von Haus-
arbeiten und Präsentationen.
Als eine fachliche Kompetenz sehe ich das Kombinieren von Me-
thoden- und Faktenwissen aus den verschiedenen Einzeldiszipli-
nen. Häufig wird man mit Aufgabenstellungen konfrontiert, bei
denen man Hintergründe in einen übergeordneten Kontext stellen
muss, um situativ Probleme analysieren und lösen zu können.
Aber alles in allem: Wer am Thema Gesundheit interessiert ist
und dazu eine gewisse Affinität aufweist, hat gute Grundvoraus-
setzungen.

Was Ihr eigenes Studium angeht, haben Sie jetzt ungefähr die
Halbzeit erreicht. Was wären Ihre Erwartungen an einen Wunsch-
arbeitgeber hinsichtlich Arbeitsinhalt und Arbeitsorganisation?
Oder würden Sie sich selbstständig machen wollen?

Arne Bastian Damrath: Eine Selbstständigkeit würde ich für mich


persönlich direkt nach meinem Studium nicht anstreben. Nach
meinem Bachelor-Studium werde ich ein fundiertes Theorie-
Wissen besitzen, jedoch wird mir noch die praktische Erfahrung in
der Arbeitswelt fehlen  gerade was die Umsetzung von Maßnah-
men im BGM anbelangt. Zudem halte ich es für wichtig, mit erfah-
renen Kollegen zusammen zu arbeiten und von ihnen lernen zu
können. In einem Angestelltenverhältnis würde ich mir eine gewis-
se Selbstständigkeit und Handlungsspielräume wünschen. Nicht so
toll wäre es, in ein starres Korsett von Arbeitsabläufen und Aufga-
ben gesteckt zu werden. Ich hätte gern die Möglichkeit, mich in
einem Team einbringen zu können, dennoch selbstverantwortlich
zu arbeiten und selbstständig zu agieren, um bspw. Interventionen
zu planen.
6 A 404 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

6.4 BGM im Dialog: „Neue Wege gehen“


Aktivierende Im Bildungsbereich offenbaren sich oft viele Innovationen, die für
Gesundheits- die betriebliche Praxis genutzt werden können, um das diffizile
bildung Thema Gesundheit in den Unternehmen und Organisationen vo-
ranzubringen. Beispielhaft möchten wir Ihnen an dieser Stelle im
Rahmen eines Interviews die aktivierende Gesundheitsbildung am
Beispiel des Stressmanagements darstellen (Treier, 2015c). Aus-
gangspunkt war die Entwicklung einer multimedialen Stressmana-
ger-DVD (ª Kap. 6.2, S. 373).

Im personenbezogenen Stressmanagement gibt es viele Verfahren,


die häufig auch über klassische Methodiken vermittelt werden: Im
Face-to-Face-Coaching, im Stressseminar oder im Stresspräventi-
onswochenende im Sporthotel. All das hat seine Bedeutung und
Berechtigung  allerdings stellt sich die Frage, ob wir damit den
Mediengewohnheiten des Gestressten im 21. Jahrhundert genügen
können. Ein neuer, zukunftsgerichteter Weg ist das sogenannte
Game-Based-Learning (vgl. Uhle et al., 2014; Treier, 2015c).

„Gerade Stressmanagement ist ein Hype-Thema in vielen An-


sätzen der Personalentwicklung. Manche Ansätze scheitern
jedoch, weil sie das Thema zu ´stiefmütterlich´ und passiv
behandeln. Vorträge und Hochglanzbroschüren können das
Thema einleiten und das Wissen über Stress und seine Bedin-
gungsfaktoren steigern helfen, aber sie verändern selten das
Gesundheitsverhalten. … Hier können moderne Medien, die
konsequent auf das didaktische Prinzip der handlungsorien-
tierten Selbstregulation aufbauen, in Verbindung mit klassi-
schen Herangehensweisen Abhilfe leisten, indem diese Medi-
en die ernsthaften Themen mit Spaßfaktoren durch einen in-
teraktiven Info- und Edutainment-Ansatz dramaturgisch ver-
ketten.“ (Treier, 2015c, S. 94)
6
Wir freuen uns sehr, Herrn Sven Schmilgeit als Pionier des Game-
Based-Learning in der Stressprävention als Interviewpartner ge-
wonnen zu haben. Der Industriedesigner ist einer von zwei Ge-
schäftsführern der Design- und Kreativagentur virtualform aus
Köln, die sich v. a. mit der medialen Umsetzung von Gesundheits-
themen in der Arbeitswelt befasst.

Das Interview fand am 22. Dezember 2014 statt. Als Autoren


möchten wir uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung
von Herrn Schmilgeit bedanken.
BGM im Dialog: „Neue Wege gehen“ 405 A 6.4
Sie beschäftigen sich seit einigen Jahren mit Ihrer Agentur virtual-
form mit dem Thema Stressprävention und gehen dabei neue We-
ge. Brauchen wir wirklich neue Wege  ist der Markt nicht schon
übervoll mit Angeboten zur Stressprävention?

Sven Schmilgeit: Viele Menschen möchten den negativen Folgen


des Stresses vorbeugen  entsprechend groß ist das Angebot.
Gleichwohl ist Stress aber auch individuell  genauso wie die per-
sönlichen Vorlieben in der Auswahl einer für sich geeigneten
Lernmethode oder der Umgang mit Lernmedien sowie der hieraus
resultierende und letztendlich entscheidende Lernerfolg. Und
genau hier unterscheiden sich unsere Lösungen von anderen. Die
Evaluation unserer im Jahr 2005/06 produzierten Multimedia-DVD
„Ihr Stressmanager“, eine ansprechend multimedial aufbereitete
Übungs- und Datensammlung, deckte Begehrlichkeiten auf nach
einem Medium, das interaktiv und erlebnisorientiert gestaltet ist,
um eine möglichst lang anhaltende hohe Lernmotivation und da-
mit einen nachhaltigen Lernerfolg zu erzielen.
Eine Bestätigung dessen, was Konfuzius schon vor über 2000 Jah-
ren erkannte: „Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeig es
mir, und ich werde mich daran erinnern. Lass es mich tun, und
ich werde es verstehen.“
Heute bieten die inzwischen weit verbreitete Computertechnik in
Unternehmen und die Unterhaltungselektronik Zuhause eine her-
vorragende Möglichkeit mit diesen Erkenntnissen tatsächlich neue
Wege zu gehen. Unser neuestes Produkt, das wir gemeinsam mit
der „Gesunden Arbeitswelt“ der CURRENTA unter der wissen-
schaftlichen Begleitung von Prof. Treier entwickelt haben, ist in
diesem Zusammenhang die PC-Software „Mission gegen Stress
bzw. Mission against Stress“, ein außergewöhnliches wie aufwän-
dig produziertes kommerzielles Game-Based-Learning-Instrument,
das die modernen Medientypen „PC-Lernprogramm“, „Film“ und
„3D-Computerspiel“ zu einem motivierenden interaktiven Mix
kombiniert (} Abbildung 93).

Neugierig?
Impressionen zu der Mission erhalten Sie unter der Website …
 www.mission-gegen-stress.de
Oder schauen Sie sich den Trailer zu „Mission against Stress“ auf
unser begleitenden Website zum Buch an.
6 A 406 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

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ZHQLJHU/HVHQ KRKH/HUQPRWLYDWLRQ GLGDNWLVFKH8PJHEXQJ

mehr Erfahrung größerer Lernerfolg optimale Orientierung

} Abbildung 93: Konzept „Mission against Stress“

Das klingt interessant: Game-Based-Learning? Was müssen wir uns


darunter vorstellen?

Sven Schmilgeit: Uns war es sehr wichtig, selbstbestimmtes Han-


deln mit vorstrukturierten Zielen in einzelnen Schritten zu unter-
Unser Avatar stützen, da das abgebildete Themenspektrum sehr breit ist. Der
Nutzer der Software erlebt in der Ich-Perspektive eine interaktive
Geschichte nach Vorlage des „Heldenwegs“ in drei Akten. In der
Rolle des Gesundheitsagenten „ARA-09“ schützt er mithilfe seines
Avatars die Welt  und somit auch sich selbst  vor den Gefahren
des Stresses, erzählt in 17 Kapiteln mit verbindenden Cliffhangern
am Ende, die Appetit auf das Folgethema machen sollen.
12 Schauspieler und 8 Sprecher sorgen dabei für ein nachvollzieh-
6 bar glaubhaftes  wenn natürlich auch fiktives  Handlungsszena-
rio in einer virtuellen 3D-Welt. Der Lernende ist somit im Lern-
Geschehen mittendrin. Technisch möglich wird dies durch die
Entwicklung der Software mithilfe moderner 3D-Game-
Technologien, die sich u. a. vorzüglich dazu eignen, Lerninhalte
auf einer begehbaren Route zu platzieren und Wissenselemente in
einen Raum-/Zeitbezug zu setzen  analog zur bei Gedächtnis-
weltmeistern angewandten Loci-Methode.

Bilder sagen mehr als tausend Worte  daher einige Impressionen


aus dem neuen Stressmanager.
BGM im Dialog: „Neue Wege gehen“ 407 A 6.4

} Abbildung 94: Betriebsgelände im Stressmanager

} Abbildung 95: Zeitmaschine im Bereich Zeitmanagement

} Abbildung 96: Das Haus der Emotionen im Stressmanager


6 A 408 Herausforderungen: Aktuelle Problemstellungen

Der Nutzer liest weniger theoretische Erklärungen, sondern sam-


melt eher Erfahrungen durch aktives Mitmachen. Wissenstests in
Form von Selfchecks sowie Checklisten und Leitlinien begleiten
ihn dabei. Durch ein Belohnungsmodell  getrennt in Wissens- und
„Spielspaß“-Punkten  ist der Lernende immer über seinen Lern-
fortschritt informiert. Eine intuitive Steuerung und verständliche
Instruktionen runden die Software mit einer einfachen Handha-
bung ab, die durch die didaktisch bestimmte Architektur der 3D-
Erlebniswelt immer eine optimale Orientierung ermöglicht.

Wird Ihrer Ansicht nach die ‚Mission Against Stress‘ (MAS) die klas-
sischen Stresspräventionsangebote vom Markt verdrängen oder
werden sich die unterschiedlichen Angebote ergänzen? Ganz konk-
ret gefragt: Was empfehlen Sie einem Unternehmen, das seinen
Stress in den Griff bekommen möchte?

Sven Schmilgeit: MAS hat den Anspruch zu sensibilisieren, das


heißt einen leicht zugänglichen aber umfangreichen Überblick zu
geben. Wer in ein bestimmtes Thema tiefer eintauchen möchte,
findet am Markt ausreichend Möglichkeiten, sich mit den jeweili-
gen Fachgebieten sehr intensiv zu beschäftigen. Das geht aber
vielen zu weit, die sich nur mit Grundlagen beschäftigen möchten.
Von daher ergänzen wir das Angebotsspektrum auf sinnvolle Weise
 wenn auch wie geschildert auf eine ganz besondere Art, denn
Wissensvermittlung sollte so oft wie möglich Spaß machen. Der
Schlüssel für Unternehmen liegt ebenfalls in einer Kombination.
Denn wir glauben, dass eine Mixtur aus Präsenztraining und einem
damit verknüpften erlebnisorientierten Selbststudium am Bild-
schirm (Blended Learning)  so wie MAS dies bietet: seminarbe-
gleitend mit zusätzlicher Möglichkeit dieses nach Ende fortzufüh-
ren  sich als Methode bewähren wird. So arbeiten wir derzeit an
einem konkreten Angebot für Unternehmen, welches das digitale
Medium schlagkräftig ergänzt. Und auch hier werden wir sicher
6 wieder neue Wege beschreiten. Ich bin selbst gespannt, wohin uns
diese führen werden.

 Zusammenfassung zu aktuellen Problemstellungen


x Demografiemanagement: Durch den demografischen Wandel
werden auch die Beschäftigten im Mittel immer älter. Damit
einhergehend nimmt die Wahrscheinlichkeit für krankheitsbe-
dingte Ausfallzeiten zu. Das betriebliche Gesundheitsma-
nagement zeigt Wege auf, diese ‚natürliche Entwicklung’ zu
entschleunigen. Die Aufgaben des Demografiemanagements
gehen jedoch über die gesundheitszentrierten Zielsetzungen
hinaus, gerade was Personalrekrutierung und -bindung anbe-
BGM im Dialog: „Neue Wege gehen“ 409 A 6.4
langt. Demografiemanagement ist eine konzertierte Aktion
vieler interessierter Parteien in einer Organisation.
x Stressmanagement: Der Umgang mit Stress ist im Privaten
wie im Beruflichen oftmals optimierbar. Ein umfassendes
Stressmanagement befähigt den Einzelnen, seinen individuel-
len Umgang mit Stress zu reflektieren und daraus Schlüsse zu
ziehen. Unternehmen sollten Mitarbeitern die Möglichkeit bie-
ten, sich dem Themenfeld ‚Stress’ prospektiv zu nähern und
entsprechende Angebote wie Entspannungstechniken oder
systematische Techniken parat zu haben. Methodisch darf
man dabei ruhig auf die Selbstverantwortung des Betroffenen
setzen und eLearning oder Web-Based-Trainings einsetzen.
x Gesundheitsbildung: Die Nachfrage nach Expertinnen und
Experten der betrieblichen Gesundheitsarbeit steigt stetig.
Durch interne Qualifizierung zum zertifizierten Gesundheits-
beauftragten und erweitert als Managementtätigkeit zum Ge-
sundheitskoordinator lassen sich schon viele Bedarfe decken.
Aber auch die Hochschulen haben im Hinblick auf den anwen-
dungsorientierten Bereich BGF/BGM mit angepassten Studien-
gängen reagiert. Derzeit besteht aber aufgrund der Vielfältig-
keit der Inhalte und unterschiedlichen fachlichen Ausrichtung
der Studiengänge noch Unklarheit für den Arbeitgeber, die im
BGF/BGM qualifizierten Hochschulabgänger einzustufen. Qua-
litätsstandards werden hier dringend benötigt.
 Check-Liste 15: Herausforderungen  aktuelle Problemstellungen
7 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

KAPITEL 7 stellt keine Zusammenfassung dar. Hierzu empfehlen


wir die Check-Listen. Vielmehr möchten wir mit diesem Kapitel unser
Motto für mehr (Eigen-)verantwortung im BGM lancieren und einen
Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen wagen.
K7
Anstelle der Leitfragen möchten wir Ihnen an dieser Stelle die
empirische Evidenz zur BGM in zehn Basis- bzw. Kernaussagen
vorstellen ( Check-Liste 16). In Verbindung mit der Problempy-
ramide in Bezug auf BGM (} Abbildung 40, S. 236) möchten wir
vor einem Angebotsmarathon, ausgelöst durch den demografi-
schen Wandel, warnen! Es handelt sich meistens nur um Blitzlich-
ter ohne nachhaltigen Effekt und ohne einen messbaren Wert-
schöpfungsbeitrag.

7.1 Unsere Kernaussagen zum BGM

 Allgemeine Basisaussagen zum BGM


x Basisaussage 1: Immer mehr Unternehmen setzen Maßnahmen
zur BGF im Betrieb um. Es lässt sich aufgrund des demografi-
schen Wandels geradezu ein Angebotsboom konstatieren.
& Employee Assistant Programs sind eine Alternative gerade
für kleinere Organisationen und für diffizile Themen.
x Basisaussage 2: Immer mehr Unternehmen treten mit ihren
Erfolgen im Bereich Gesundheit an die Öffentlichkeit. Damit
wird Gesundheit zu einem relevanten Imagefaktor!
x Basisaussage 3: „Wertschöpfung durch gesunde Mitarbeiter“
hat sich vom Slogan-Charakter befreit und kristallisiert sich
zur Notwendigkeit heraus, um Wettbewerbsfähigkeit zu ge-
währleisten. Der Nutzen überwiegt eindeutig die Kosten.
x Basisaussage 4: BGM ist derzeit noch in vielen Unternehmen
aktionistisch geprägt (siehe Basisaussage 1), in sporadische
Angebote übersetzt sowie durch die Erfüllung von Gesetzen
determiniert. Wir müssen jedoch zum ganzheitlichen und
nachhaltigen BGM kommen, um das Wertschöpfungspotenzial
rund um Gesundheit auszuschöpfen.
x Basisaussage 5: Was fehlt, ist eine prägende & Gesundheits-
kultur, die als Führungsaufgabe verstanden wird! Trotz vieler
Bekenntnisse gibt es kaum bewertbare Führungsziele zum
Themenfeld Gesundheit. Viele 360°-Feedbacksysteme haben
das Thema Führung und Gesundheit noch nicht auf ihrem

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
7 A 412 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

Schirm. Damit verliert BGM an Ernsthaftigkeit, Umsetzungswil-


len und Ausdauer.
x Basisaussage 6: Die nachträgliche Bewältigung gesundheitli-
cher Probleme und ihrer negativen Konsequenzen stellt das
reaktive Moment im BGM dar. Es überwiegt in der Praxis und
wird häufig mit der Kennzahl der Fehlzeiten verknüpft.
x Basisaussage 7: Die prospektive Gestaltung gesundheitsförder-
licher Arbeit und die Befähigung der Mitarbeiter zum gesunden
Verhalten sowie präventive Maßnahmen zur Erhaltung der Ar-
beits- und Beschäftigungsfähigkeit bilden das antizipative Mo-
ment. Leider ist dieses häufig nur torsohaft realisiert.
x Basisaussage 8: Nachhaltigkeit, systematische Vernetzung,
Qualitätssicherung und konsequente Verwirklichung des Prä-
ventionsgedankens beschränken sich in der Empirie ver-
gleichsweise auf wenige Best Practice Fälle oder Leuchttürme.
Der Mittelstand holt in Bezug auf das ganzheitliche BGM auf.
Hier sind v. a. Netzwerke mit Sozialversicherungsträgern von
Bedeutung. Ein Zukunftsszenario muss den Mittelstand und
dessen Anforderungen stärker als bisher berücksichtigen.
x Basisaussage 9: & Salutogenese, das Zauberwort im BGM, hat
sich nicht vom Experten- zum Laienbegriff transformiert. Da-
mit bleiben aber die Betroffenen außen vor.
x Basisaussage 10: Viele Verantwortliche erkennen die Notwen-
digkeit zur Steuerung und Qualitätssicherung von BGM mithilfe
eines kennzahlenbasierten Managements. Gerade der Mangel
an zuverlässigen und gültigen Kennzahlen erschwert das Vor-
wärtskommen im Bereich BGM. Die zwingende Investition in
das Humankapital im Bereich Gesundheit erfordert ein erwei-
tertes und kausalitätsbezogenes Gesundheitscontrolling mit-
tels Ursache-Wirkungs-Modellen. Fehlzeitenanalysen etc. rei-
chen hier definitiv nicht mehr aus.
 Check-Liste 16: Zehn Basisaussagen zum BGM

7.2 Verantwortung tragen: Unsere Leitsätze


Unsere Aus- Alle wollen Gesundheit, alle wollen Gesundheitsförderung, aber
gangsbasis nur wenige nehmen hierfür Verantwortung wahr und kaum einer
7 kann seine eigene Gesundheit managen. Dieses Buch verdeutlicht
mit Hilfe von Theorien, empirischen Daten und Werkzeugen, was
Leistung für den Menschen impliziert:
x Abstimmung von Aktivitäten rund um Gesundheit,
x & Empowerment zum gesunden Verhalten,
x systematische und frühzeitige Erfassung von Risiken,
x Integration von Gesundheit als wertschöpfenden Faktor
x sowie Betroffene zu Beteiligten machen.
Verantwortung tragen: Unsere Leitsätze 413 A 7.2
Nicht dem Zufall überlassen! Æ Wir gestalten, wir reagieren nicht Fördern und
nur! Entscheidend für den Erfolg von BGM sind v. a. zwei Vektoren Fordern
der Selbstverantwortung (Kaschube, 2006):
1. Empowerment
2. Partizipation
Damit wird deutlich, dass hier das klassische Prinzip des Förderns
und Forderns gilt (Koch et al., 2003). Wir dürfen die Eigenverant-
wortung im Bereich Gesundheit nicht durch vorgeschriebene Maß-
nahmen und Regularien ohne Beteiligung erdrücken. Wir dürfen
auch nicht den Eindruck hinterlassen, dass Gesundheit durch ein
Maßnahmencocktail appliziert werden kann. Wir wissen aus den
Studien, dass Nachhaltigkeit im Bereich Gesundheitsverhalten
v. a. durch Beteiligung und soziale Akzeptanz erzielt wird.

„Eigenverantwortung ist sympathisch.“ (Kaschube, 2006,


S. 13) Die Hochkonjunktur dieses Begriffs verschleiert die fa-
cettenreiche Darstellung und die vielen Implikationen, die
mit Eigenverantwortung einhergehen. Jedenfalls ist Eigen-
verantwortung ein im westlichen Kulturkreis wichtiger
ethisch-normativer Standard. Wir werden uns in diesem Pra-
xisbuch nicht der wissenschaftlichen Baustelle des Konstrukts
Eigenverantwortung widmen (Kaschube, 2006), sondern uns
auf die funktionale Betrachtung beschränken.

Eigenverantwortung ist keine Flucht aus der Verantwortung. Das Unsere


Unternehmen hat eine Pflicht, die Rahmenbedingungen zur Entfal- Sichtweise
tung von Eigenverantwortung zu schaffen und auch fördernde
Impulse zu geben. Das Unternehmen kann aber das Gesundheits-
verhalten und die Einstellung zur Gesundheit nicht vorschreiben
und maßregeln. Wir forcieren in unserer Betrachtung einen perso-
nen- bzw. individuumsbezogenen Ansatz:
x Menschen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie
mit Gesundheit umgehen. Das Präventionsverhalten, die
Strategien im Umgang mit belastenden Situationen, die emo-
tionale Kontrolle, die Ausdauer und die Bereitschaft zur
Überwindung des „inneren Schweinehundes“ sind nicht als or-
ganisationale Ziele vorzugeben, sondern müssen auf individu-
eller Ebene erkämpft und gestärkt werden.
x Dabei spielen gesundheitsbezogene Werte, Einstellungen
und Gewohnheiten eine zentrale Rolle. Bei den Gewohnhei-
ten kristallisieren sich v. a. Bewegungs- und Ernährungs-
gewohnheiten sowie das Risikoverhalten als manifeste Prob-
lemfelder heraus. Aufgrund der Zunahme psychosozial beding-
ter Krankheiten muss aber auch der Umgang mit emotional
und sozial beanspruchenden Faktoren in den Fokus rücken.
7 A 414 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

x Eigenverantwortung ist eine Schlüsselgröße im BGM. Es han-


delt sich aber nicht um ein Feigenblatt. & Selbstwirksamkeit
im Sinne des Vertrauens in die Wirksamkeit eigenen Handelns
sowie Selbstverantwortung und Verantwortung für andere (Be-
zugspersonen) stehen in Anlehnung an das salutogenetische
Konzept der & Kohärenz im Vordergrund.
x Die Wirkung der Eigenverantwortung lässt sich über das
Konstrukt der & Selbstwirksamkeit erklären. „Selbstwirk-
samkeit ist die subjektive Gewissheit, neue oder schwierige
Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenz bewäl-
tigen zu können.“ (Schwarzer, 2002, S. 521) Kompetenz ist ein
vielschichtiger Begriff. Er enthält als Trias eine Wissens-,
Handlungs- und Einstellungskomponente. Wir müssen das Ge-
sundheitsbewusstsein stärken, aber gleichzeitig auch die Fer-
tigkeiten im Umgang mit der eigenen Gesundheit erweitern.
Die Wahrnehmung von Gesundheit und das Verständnis für Ge-
sundheit sind unsere Zielgrößen.
x Aufgrund der Bedeutungszunahme individuumsbezogener
Perspektiven ist eine Erweiterung der & „Gefährdungsana-
lyse“ auf die personenbezogene Sichtweise sinnvoll. Die
Gesundheitsscores betrachten Letztere unter dem Begriff der
gesundheitsbezogenen Handlungskompetenz. Summativ be-
trachtet stellen dann diese Werte einen organisationalen Ge-
sundheitsindex vermittelt über das subjektive Erleben dar.

Unsere Leitsätze Wir verpflichten uns der Gesundheit. Wir verstehen uns als
Dienstleister für die Gesundheit und für die Leistungs- und Ar-
beitsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unterneh-
men. Unser Gesundheitskonzept stellt die Summe aller im Wir-
kungsverbund bewusst gestalteter und aufeinander abgestimmter
Angebote im Bereich BGM dar. Wir wollen gesundheitsbewusste
Verhaltensweisen auslösen oder verstärken. Dabei greifen wir auf
ein Ressourcenmodell zurück. Damit gewährleisten wir eine zu-
kunftsorientierte und moderne BGM, die den veränderten Rah-
menbedingungen wie dem demografischen Wandel gerecht wird.
x Unser Gesundheitskonzept ist gekennzeichnet durch organisa-
7 tionale Maßnahmen wie Arbeits- und Organisationsgestaltung,
durch individuelle Betreuung sowie durch zukunftsorientierte
und innovative Vorgehensweisen im Präventionsbereich. Ver-
haltens- und Verhältnisprävention sind in diesem Konzept auf-
einander angewiesen und aufeinander abzustimmen.
x Wir stellen uns die Aufgabe, alle Bereiche bei der Verfolgung
des Unternehmensziels „Gesundes Unternehmen mit gesunden
Mitarbeitern“ partnerschaftlich zu unterstützen und Gestal-
tungsprozesse aktiv zu begleiten. BGM ist keine Insellösung!
Verantwortung tragen: Unsere Leitsätze 415 A 7.2
x In dem Verantwortungsbereich BGM streben wir an, die Anfor-
derungen unserer Kunden, also der Mitarbeiter, optimal zu er-
füllen. Wir leisten Hilfe in schwierigen Situationen und tragen
durch eine angemessene und qualitätsgesicherte BGM zur Si-
cherung des Organisations- bzw. Unternehmenserfolges bei.
Dabei fokussieren wir v. a. auf nachhaltige und systematisch
kombinierte Gesundheitsprogramme (Multikomponentenpro-
gramme im BGM).
x Gesundheitliches Handeln kann nicht verordnet werden, son-
dern muss gelebt werden, deshalb schaffen wir die Rahmen-
bedingungen zur Selbstbeteiligung und zum Aufbau einer ge-
lebten & Gesundheitskultur.

Für uns beginnt Gesundheit, lange bevor Krankheit eintritt!

Um diesem Motto gerecht zu werden, fokussieren wir uns auf drei


Handlungsvektoren (} Abbildung 97). Die Aktivierung steht dabei
im Sinne der Eigenverantwortung im Vordergrund. Die eingesetz-
ten Maßnahmen müssen in Bezug auf ihr Aktivierungspotenzial
beurteilt werden. Zudem setzen wir auf die gezielte Lenkung und
Steuerung durch Kennzahlen. Mithilfe der Bindung wollen wir
Nachhaltigkeit im BGM und Umsetzung langfristiger präventiver
Maßnahmen gewährleisten.

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} Abbildung 97: Handlungsvektoren im BGM

Im Kapitel 2 haben wir die Eckpfeiler diskutiert. An dieser Stelle Unsere


illustriert die } Abbildung 98 die wichtigsten Säulen eines moder- Eckpfeiler
nen Konzepts des Gesundheitsmanagements:
7 A 416 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

x Prävention: Nachträgliche Reparaturarbeiten und Bewälti-


gungsprozesse reichen nicht aus. Wir müssen die Leistungsfä-
higkeit erhalten und fördern. Der strategische Fokus wird der
entscheidende Wettbewerbsfaktor im Kontext BGM.
x Ganzheitlichkeit: Neben der körperlichen Ebene gilt es, die
psychosozialen Faktoren als Themenfelder im BGM hervorzu-
heben. Auch müssen zunehmend aufgrund der Fragmentierung
der Arbeit und des Wertewandels Einflussfaktoren des Lebens-
raums berücksichtigt werden (Life Domain-Balance). Verhal-
tens- und Verhältnisprävention sind zu verknüpfen.
x Kundenorientierung: Wir sind Ansprechpartner für alle Inte-
ressengruppen. Der wichtigste Kunde ist aber der Mitarbeiter.
x Bedarfsorientierung: Wer Aktivität steigern möchte, der muss
die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden erfassen. Förderung
der Gesundheit ist kein Medikament, sondern eine Aktivität
mit und für den Kunden.
x Aktivierung: Wir müssen Selbstkompetenz und Selbstregulati-
on fördern. Dies kann aber nur geschehen, wenn wir unsere
Kunden bei der Umsetzung einbinden und, psychologisch be-
trachtet, vertraglich zur Gegenleistung binden.
x Qualitätssicherung: Verantwortliches Handeln setzt kritische
Reflexion voraus. Um qualitätsbezogen im sensiblen Bereich
der Gesundheit zu agieren, benötigen wir belastbare Prüffak-
toren für unser Handeln.
x Integration: BGM kann nicht aus einer Insellösung entstehen.
Führungskräfte müssen eingebunden werden und als Multipli-
katoren fungieren. Damit wird die Vernetzung mit internen
und externen Partnern ein wesentlicher Erfolgsparameter für
die Umsetzung im BGM. Wir verstehen Gesundheit als eine
gemeinsame Aufgabe (konzertierte Aktion Gesundheit).
x Kennzahlenbasierung: Wer transparent, effizient und effektiv
sowie systematisch arbeiten möchte, benötigt Kennzahlen als
Indikatoren für den Erfolg des Tuns. In einer Wirtschaftswelt
kommt man mit „schöngeistigen“ Argumenten nicht weiter.
x Wirtschaftlichkeitsorientierung: BGM trägt zur Wertschöp-
7 fung des Unternehmens bei. Damit darf sie sich einer Wirt-
schaftlichkeitsbetrachtung nicht entziehen, sondern sollte sich
selbstbewusst als herausragender Bereich aus Sicht der Wert-
schöpfung ins Rampenlicht stellen. Wir benötigen zukünftig
eine hohe Investitionsbereitschaft in Bezug auf BGM, die wir
gewiss nicht erzielen, wenn wir uns ängstlich zurückziehen.
x Imageförderung: Ein modernes BGM macht Organisationen
bzw. Unternehmen attraktiv. Gesundheit wird zum Imagefak-
tor, den man nicht unterschätzen sollte. Auch trägt das BGM
zur sozialen Verantwortung des Unternehmens bei.
Verantwortung tragen: Unsere Leitsätze 417 A 7.2

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} Abbildung 98: Eckpfeiler eines modernen BGM

Im Kap. 3 (S. 105) und 4 (S. 147) wird deutlich, dass wir die parti- Unser Gestal-
zipative Verhaltensprävention für wichtig erachten (} Abbildung tungsansatz
99). Zu den Verhaltensfaktoren zählen Selbstregulation, Gesund-
heitsbewusstsein, Gesundheitsverhalten, Erfahrung und Wissen
sowie Einstellungen. Aber diese Verhaltensprävention ist frucht-
und bodenlos, wenn sie nicht durch Maßnahmen der Verhält-
nisprävention flankiert wird. Die Verhältnisprävention stellt das
Grundgerüst dar. Zu den Verhältnisfaktoren zählen Arbeitsorgani-
sation, Arbeitsbedingungen, Arbeitsaufgaben, physikalische Um-
welt, aber auch die kulturelle Prävention, also Werte, Leitbilder,
Führungs- und Unternehmenskultur. Stellen sich die Verhältnisse
als instabil, inkonsistent oder unauthentisch heraus, wird man
gewiss keine Erfolge in der Verhaltensprävention erzielen. In bei-
den Präventionsfeldern ist die aktive Einbindung bzw. Partizipati-
on ein Erfolgsgarant.

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} Abbildung 99: Partizipative Prävention


7 A 418 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

Die } Abbildung 100 stellt die Anforderungen und Ziele gegen-


über.

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} Abbildung 100: Ziele und Anforderungen an das BGM

7.3 BGM im Dialog: „Warum ist Selbstbestimmung


so wichtig?“

Das Buch hat viele Facetten im BGM aufgeführt und diskutiert. In


diesem Kapitel haben wir betont, dass für uns der bindende Faktor
der vielfältigen Gestaltungsmaßnahmen nur die Eigenverantwor-
tung sein kann. Wir möchten Sie abschließend mit der Meinung
eines im Bereich BGM ausgewiesenen Praktikers vertraut machen,
der das Eigenverantwortungskonzept und die Achtsamkeit sich
selbst gegenüber im LIFE-Konzept (Langfristige Individuelle Förde-
rung der Eigenverantwortung) systematisch und konsequent abge-
bildet hat (; Box 0-3, S. 9; } Abbildung 18, S. 73).
7
Dr. phil. Stephan Gronwald
Dr. Gronwald ist Experte und Visionär für innovative Systeme des
Gesundheitsmanagements. U. a gründete er 1995 das TerraSana
Institut mit Sitz am Tegernsee. Diese Gesellschaft wurde 2008 in
die TerraSana LIFE AG überführt. Als selbstständiger Berater und
Projektentwickler widmet er sich aktuell modernen Umsetzungs-
modellen des BGM. Ferner arbeitet er am Kompetenzzentrum für
Komplementärmedizin an der TU München. Sein Hauptaugenmerk
BGM im Dialog: „Warum ist Selbstbestimmung so wichtig?“ 419 A 7.3
gilt dabei der systematischen und konstruktiven Vernetzung von
Gesundheitspartnern, um den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit
auf der körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Ebene in
Bezug auf Gesundheit gerecht werden zu können. Als Mitglied des
Expertenbeirats von EuPD-Research fordert er konsequent die
wissenschaftliche Absicherung und Qualitätssicherung der einge-
setzten Maßnahmen.

Das Interview fand am


24. September 2008 statt.
Als Autoren möchten wir uns
an dieser Stelle herzlich für
die Unterstützung von Dr.
Gronwald bedanken.

Die } Abbildung 101 fasst


die wichtigsten Themen- und
Fragestellungen des Inter-
views zusammen. Es handelt
sich nur um eine Auswahl
der Inhalte des umfangrei-
chen Interviews. Sie sind in
dieser Kurzform dem Inter-
viewten zur Kontrolle vorge-
stellt worden. Viele Gedan-
ken von Dr. Gronwald finden
sich auch in den einzelnen
Kapiteln wieder.

} Abbildung 101: Themen des Interviews mit Dr. Gronwald

™Personenbezogene Sicht: Gesundheit ist etwas Persönliches


und sollte nicht anonymisiert abgewickelt werden. Wir müssen
Mitarbeiter sensibilisieren und betroffen machen. Wir müssen
sie motivieren, ihre Achtsamkeit wieder auf sich selbst zu
richten. Wir müssen sie auf dem Weg von der erlernten Hilflo-
sigkeit zur Eigenverantwortung begleiten. Wir sind aber nur
das Navigationssystem. Wir können nur die Hand reichen. Was
sind unsere Erfolgsfaktoren? Dialog, Feedback, Vertrauen,
vernetzte Expertise und eine & Gesundheitskultur bilden die
Grundfesten eines Gesundheitskonzepts, das den Menschen in
den Mittelpunkt rückt und individuelle Lösungen auf Basis ei-
nes einheitlichen wissenschaftlichen Ansatzes entwickelt.
Letztlich können wir aber nur vermitteln und koordinieren.
Gesundheit muss vom Einzelnen gelebt und erlebt werden! Wir
können zum Mitmachen motivieren und bei der persönlichen
7 A 420 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

Stärken-Schwächen-Analyse unterstützen. Diese persönliche


Lebens- und Gesundheitsampel dient zur Festlegung individu-
eller Ziele und zur Kontrolle des richtigen Weges. Ohne Ge-
sundheitsziele und deren Überprüfung fehlt der Impuls zur
systematischen Veränderung.
™Gesunder Lebensstil: Wir zielen auf einen gesunden Lebens-
stil als nachhaltiges Vorgehen im Bereich BGM. Das Lebensstil-
konzept ist ein komplexer Ansatz zur Entwicklung einer & Ge-
sundheitskultur im Unternehmen. Warum so komplex? Die mo-
derne Arbeitswelt fordert Maximierung auf körperlicher, kog-
nitiver und emotionaler Ebene und schafft damit viele
menschliche Problem- und Krisensituationen. Mit eindimensio-
nalen und kurzlebigen Konzepten werden wir dieser Anforde-
rung nicht gewachsen sein. Höchstform und Höchstwert sind
gefordert. Das Individuum braucht Kraft, um diesen Heraus-
forderungen gerecht zu werden. Was kann ich tun, um gesund
zu bleiben? Wie kann ich frühzeitig Krankheiten und Probleme
erkennen? Wenn der Einzelne bei diesen Fragen nicht die Ver-
antwortung für sein Leben übernimmt und auch seine eigene
Gesundheit nicht selbst in die Hand nimmt, dann bleiben diese
Fragen unbeantwortet und auch ungelöst. Von & Prävention
ist dann aber keine Rede mehr. Gesunder Lebensstil bedeutet
nicht einfach ein Mehr an Bewegung oder ein Mehr an Gesund-
heit in Bezug auf Ernährung etc. Es bedeutet primär, sich sei-
ner selbst bewusst zu werden und überzeugt zu sein, selbst-
wirksam und selbstverantwortlich mit seiner Gesundheit als
knappe Ressource umzugehen.
™Partizipationsansatz: Um einen gesunden Lebensstil zu ent-
wickeln, braucht man Kompetenz und Unterstützung, was
häufig unter dem Stichwort & Empowerment subsumiert wird.
Man benötigt das Wissen über Zusammenhänge und Methoden
zur Handhabbarkeit und Umsetzbarkeit des Wissens. Wir kön-
nen den Mitarbeiter begleitend unterstützen und Instrumente
zur Verfügung stellen. Wir können gesundheitsförderliche
Rahmenbedingungen schaffen. Der Mitarbeiter muss aber aktiv
eingebunden sein und das Angebot aus Freiwilligkeit und
Überzeugung wahrnehmen. Diesem individuellen Anspruch
7 kann durch Coaching und Case-Management entsprochen wer-
den. Für die betriebliche Praxis sind hier aber v. a. auch die
Führungskräfte als Promotoren und Multiplikatoren angespro-
chen. Warum? Gesundheit ist Führungsverantwortung!
™Qualitätssicherung: Unsere Verantwortung ist die Qualität
unserer Angebote. Wir evaluieren unsere Arbeit und wir ge-
währleisten die Qualität der Maßnahmen aus wissenschaftli-
cher Sicht. Der Nachweis der Wirksamkeit von Systemen zum
BGM wird leider oft vernachlässigt oder beschränkt sich auf
eindimensionale Beweisführungen oder eine verzerrte Fehl-
BGM im Dialog: „Warum ist Selbstbestimmung so wichtig?“ 421 A 7.3
zeiteninterpretation. Wir sehen in der Evaluation einen Pro-
zessbegleiter, der uns aufzeigt, ob wir in der Umsetzung unse-
ren eigenen Standards gerecht werden. Nur eine begleitende
Evaluation kann der Komplexität der Fragestellung entspre-
chen und den Nachweis erbringen, den wir dringend in der
Kommunikation und Argumentation für eine gesunde Arbeits-
und Lebenswelt benötigen. Die Evaluation hat damit auch eine
Marketingfunktion im weiteren Sinne.
™Humanistisches Konzept: Gibt es eine Weltanschauung, auf
der das Gesundheitskonzept LIFE fußt? Die Antwort kommt
spontan: Ein humanistischer Ansatz! Ein Humanist zu sein,
klingt oft so, als sei man weltfremd. Wer jedoch den Faktor
Gesundheit außer Acht lässt, zeigt Weltfremdheit, denn die
empirischen Ergebnisse von Studien belegen nachdrücklich,
wie wichtig der Gesundheitsfaktor im Kontext des Wandels der
Arbeit ist und sein wird (ª Kap. 2.3, S. 57) ( Tabelle 7-1,
unten). Man muss sich nur nüchtern die Veränderung der
Krankheitsbilder vor Augen führen. Die Zunahme der psychi-
schen Erkrankungen, das grassierende metabolische Syndrom,
der unaufhaltsame Diabetes mellitus, der um sich greifende
Bluthochdruck oder die ausweitenden Gehirnleistungsstörun-
gen sind nur einige Fanalen am Horizont, die das Krankheits-
panorama der Zukunft kennzeichnen. Diese Volkskrankheiten
werden in die Arbeitswelt hineinreichen und enorme Kosten
und Ausfallzeiten verursachen (ª Kap. 1.1, S. 16). Die Huma-
nisierung der Arbeitswelt (} Abbildung 9, S. 40) ist also kein
Sozialklimbim, sondern wirtschaftlich unausweichlich und un-
verzichtbar. Aus humanistischer Sicht ist aber nicht nur der
volks- und betriebswirtschaftliche Aspekt von Bedeutung, son-
dern v. a. auch das individuelle Schicksal. Wir müssen hier
Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit leisten und damit dem
Appell zu Vorsorge und & Prävention der gesetzlichen Kran-
kenkassen Leben einhauchen. Wir müssen uns dabei an den
Werten und der Würde des einzelnen Menschen orientieren. Es
geht um Vertrauen und Glaubhaftigkeit. Ein nicht humanisti-
sches, fremdgesteuertes und aufgestülptes sowie technizisti-
sches Gesundheitskonzept wird gewiss nicht dem salutogeneti-
schen Ansatz und damit der  WHO-Definition (; Box 0-1,
S. 6) gerecht werden können.

 Tabelle 7-1: Vorteile von BGM für Unternehmen und Mitarbeiter

Für das Unternehmen Für die Mitarbeiter


Erhalt der Leistungsfähigkeit der Erhalt der Arbeitsfähigkeit durch
Mitarbeiter und Sicherung von Steigerung der psychischen und
Fach- und Führungskompetenz im physischen Leistungsfähigkeit und
Kontext des demografischen Wan- durch einen gesunden Lebensstil im
7 A 422 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

Für das Unternehmen Für die Mitarbeiter


dels und des Fachkräftemangels. Kontext des Anforderungswandels
in der Arbeitswelt.
Abbau, Verkürzung und Verhin-
derung von Fehlzeiten durch Abbau von beeinflussbaren Risi-
Reintegrations-Modelle und durch kofaktoren und dadurch Erhalt der
Entwicklung von effektiven Be- Lebensqualität und Agilität durch
handlungsabläufen sowie durch kombinierte BGF-Programme auf
nachhaltige Lebensstilkonzepte im der gemeinsamen Ebene der Ver-
Kontext der Chronifizierung des hältnis- und Verhaltensprävention
Krankheitspanoramas und der Zu- (Multikomponentenprogramme).
nahme von Lifestyle-Erkrankungen.
Steigerung der Personalbindung,
Reduktion der Fluktuation und
Stärkung von sozialen Ressourcen
Steigerung des Images durch Förde-
als Entlastung und Unterstützung
rung von Identifikation, Motivation
durch kompetente Hilfe und prak-
und positives Betriebsklima. Durch
tizierte & Work-Life-Balance.
Zufriedenheit und Commitment
nimmt auch die Produktivität zu.
Kostenreduktion durch Einbindung Akutunterstützung in Not- und
der sozialen Sicherungssysteme und Krisensituationen zur Sicherung der
Refinanzierung durch Bezug auf das Arbeitskraft und Verhinderung
Sozialgesetzbuch. einer Verschleppung.

Herr Dr. Gronwald beendete das Interview mit einem Bekenntnis


zur Förderung der Eigenverantwortung. Darunter versteht man die
Verpflichtung des Einzelnen, für die Folgen seines Handelns selbst
einzustehen und sich der Aufgabe der Optimierung zu widmen.
Diese Verantwortungsethik, die Freiheit und Vernunft als humanis-
tische Größen anerkennt, bedeutet aber nicht im Umkehrschluss,
dass sich das Unternehmen oder auch die Gesellschaft seiner bzw.
ihrer Verantwortung entziehen dürfen. Im Gegenteil müssen wir
durch BGM-Maßnahmen erst den Boden bzw. die Ressourcen schaf-
fen, damit Eigenverantwortung durch Kompetenz und durch ge-
sundheitsförderliche Arbeits- und Umfeldbedingungen im Sinne
von Fördern und Fordern angemessen abbildbar ist. Die zugrunde
liegende Gesundheitsdidaktik (; Box 2-11, S. 71) baut damit auf
das klassische Prinzip der & Subsidiarität.

7 Arbeitsdirektor Alfred Geißler


Was sagt dazu der Kunde? Wir freuen uns, Ihnen das Statement
des Arbeitsdirektors Alfred Geißler, Mitglied der Geschäftsführung
Steag GmbH, zum Thema Eigenverantwortung vorstellen zu dürfen
(30.10.2009). Steag bildet das Geschäftsfeld Energie mit derzeit
rund 5.800 Mitarbeitern ab. Als einer der größten Stromerzeuger
in Deutschland sichert die Steag die Energieversorgung mit mo-
dernen Kraftwerken im In- und Ausland und mit einem Spektrum
vielfältiger Dienstleistungen rund um Energie. Die Steag wurde im
BGM im Dialog: „Warum ist Selbstbestimmung so wichtig?“ 423 A 7.3
November 2011 mit dem renommierten Corporate Health Award in
der Kategorie Energie ausgezeichnet.

„Gesunde, motivierte und zufriedene Mitarbeiterinnen und


Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource eines Unterneh-
mens: Eine aktive betriebliche Gesundheitsförderung, vom
klassischen Gesundheitsprogramm über das Sozialmanage-
ment bis hin zu Führungsverantwortung auch für Gesund-
heitsfragen, zusammengefasst in einem integrierten Kon-
zept ist unser Weg dahin. Daher haben wir unser Gesund-
heitsprogramm LIFE (Langfristige Individuelle Förderung der
Eigenverantwortung) initiiert, das als ganzheitliches Le-
bensstilkonzept ausgerichtet ist. Oberstes Ziel ist es, Füh-
rungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch
Sportangebote, Sensibilisierungswochen und Vorträge, v. a.
aber durch Eigeninitiative zu einer gesünderen Lebenswei-
se zu veranlassen. Eine langfristige Verringerung krankheits-
bedingter Ausfallzeiten und mehr Zufriedenheit und Motiva-
tion sind die doppelte Rendite, die wir davon erwarten. Auf
diese Weise leistet unser (neues) Gesundheitsprogramm ei-
nen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Qualität und Produk-
tivität im Unternehmen, um im harten, globalen Wettbewerb
weiter gut bestehen zu können.“

Gesundheit ist ein Kapital mit beständig hohen Renditen


und ein Garant für engagierte Mitarbeiter  so lautet das
Motto von LIFE. „Fit for Business“ ist mehr als nur das bloße
Funktionieren und auch mehr als das kurzfristige Überleben.
Dieses Buch soll einen Beitrag zu mehr Eigenverantwortung
und Qualität im Bereich BGM leisten, damit Gesundheit als Wir sind am Ziel!
Wertschöpfungsfaktor nachhaltig und strukturell im Unter-
nehmen verankert wird. Der wichtigste Akteur ist dabei der
Mitarbeiter selbst. Das Ziel ist der gesunde Mensch. Sind wir
am Ziel? Wir sind am Ziel, wenn es uns gelungen ist, den Mit-
arbeiter für seine Gesundheit zu sensibilisieren. Aber Ge-
sundheit allein ist nicht ausreichend, da dieser Begriff „ange-
staubt“ und rückwärtsgewandt ist. Letztlich geht der Weg
der Zukunft vom statischen Gesundheits- zu einem dynami-
schen Vitalitätsmanagement.

Um ein vitales Unternehmen zu schaffen, benötigen wir systemati- Unsere Meinung


sche und evaluierte Vitalitätssteigerungsprogramme. Unterziehen
Sie sich einem kritischen Vitalitätsaudit, um festzustellen, ob Ihr
Unternehmen in Zeiten des demografischen Wandels den Anforde-
rungen ausreichend gewappnet ist! Unsere Anforderungen sind
Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Erhöhung des Anteils älterer
7 A 424 Am Ziel: Der gesunde Mensch in einer gesunden Arbeitswelt

Mitarbeiter in den Betrieben im Kontext des sich abzeichnenden


Fachkräftemangels und Zunahme des Arbeitsdrucks. Allein diese
Gründe verdeutlichen mit Nachdruck, dass gesunde Arbeitswelten
und vitale Mitarbeiter ein Asset sind, das niemand mehr vernach-
lässigen darf. Die gewünschte Fitness erreichen Sie aber nicht nur
durch Altersstrukturanalysen, sondern durch ein integriertes Port-
folio an Maßnahmen (Kap. 4, S. 147) und deren Evaluation (Kap. 5,
S. 215). Wir empfehlen Ihnen frühzeitig Ihre organisationalen Pro-
zesse und Strukturen auf den Prüfstand zu stellen, um die für Ihr
Unternehmen passenden Maßnahmen abzuleiten und so dauerhaf-
te Leistungs- und Innovationsfähigkeit zu gewährleisten.

Leistung und Eine gesunde Performancekultur ist möglich, dies zeigt eine aktu-
Gesundheit  elle Studie des Instituts für Führung und Personalmanagement der
kein Widerspruch Universität St. Gallen (Bruch & Kowalevski, 2013). Ein wesentli-
cher Erfolgsfaktor ist dabei die Führung. In dieser Studie werden
neun „Maßnahmen“ für eine gesunde Performancekultur identifi-
ziert, die sich auch aus unserer Sicht als relevante Erfolgsfaktoren
herauskristallisiert haben (ebd., S. 7):
1. Top-Management als Vorreiter im Sinne von Vorbild
2. Gesunde Selbstführung der Führungskräfte, damit Authentizi-
tät gegeben ist und Führung auch gesund führen kann.
3. Ganzheitliches BGM als konzertierte und verzahnte Aktion
unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Organisation
4. „Freiheit mit Auffangnetz“, denn Handlungsspielraum ist eine
wichtige Ressource im Rahmen der psychischen Gesundheit,
aber Freiheit bedeutet nicht ohne Unterstützung!
5. Sinn in der Arbeit, damit die Mitarbeiter verstehen, was ihre
Leistung für die Organisation bedeutet.
6. Wertschätzung für das psychische Wohlbefinden im Sinne ei-
ner ehrlichen Anerkennungs- und Respektkultur
7. „Fordern und Fördern“ sowie Aufzeigen von Entwicklungsper-
spektiven unter Beachtung der Passung zwischen Ressourcen
und Anforderungen Æ Über-/Unterforderung vermeiden!
8. Vermeidung einer „Gesundheits-Konsumhaltung“ bei den Mit-
7 arbeitern, denn letztlich ist Gesundheit Selbstverantwortung,
also Stärkung der Selbstwirksamkeit als Zielgröße.
9. Stärkung des psychischen Immunsystems in Anbetracht der
Zunahme psychischer Belastungen, d. h. & Resilienz steigern,
aber auch die entsprechenden organisatorischen Rahmenbe-
dingungen schaffen, damit Anforderungen und Ressourcen
übereinstimmen.
Ein paar Worte zum Schluss

TU: „Lieber Michael, in bewährter Tradition, haben wir die Ehre,


unser Buch mit unserem Dialog zu schließen. Inzwischen ist es
eine Tradition, dass wir alle zwei bis drei Jahre wieder am
Schreibtisch sitzen und mit einer Neuauflage beschäftigt sind. An
dieser Stelle möchte ich Dir danken, dass Du unser Buch wie die
ersten Auflagen typografisch so professionell gesetzt hast. Auch
die Grafiken sind wieder perfekt gelungen.“

MT: „Nichts zu danken! Die positiven Rückmeldungen unserer Le-


serinnen und Leser haben mich motiviert: Es lohnt sich, dass wir
unser Buch aktualisieren und dass wir unserem Buch ein an-
spruchsvolles und eigenständiges Layout geben.“

TU: „Und wenn es dann doch mal zukünftig zu stressig werden


sollte, können wir uns ja mal an einem Roman versuchen  da
braucht man die Neuauflagen nicht zu aktualisieren. Was hältst Du
von ´Die Leiden des jungen Gesundheitsmanagers´ oder ´Wenn
der Gesundheitsmanager zweimal klingelt´ oder …“

MT: „Okay, okay  das ist dann glaube ich eher etwas für Dich,
Thorsten. Ich bleibe dann doch beim Sachbuch. In den letzten
zwei Jahren ist wieder sehr viel passiert. Was sind Deine neuen
Erfahrungen bei der Implementierung des BGM?“

TU: Inzwischen sammeln wir ja nicht nur Erfahrungen, was die


Implementierung des BGM anbelangt. In vielen Unternehmen geht
es inzwischen darum, das BGM zu konsolidieren. Und dabei fällt
mir immer wieder auf, dass die Übergangsphase zwischen Imple-
mentierung und Konsolidierung eine durchaus sensible Zeit ist.
Hier fallen viele Unternehmen wieder in alte Verhaltensmuster
zurück: Entscheidungen werden ohne Mitarbeiterpartizipation
getroffen, aus den kontinuierlichen Gesundheitsangeboten werden
eher wieder punktuelle Angebote. Außerdem werden mehr Kür-
als Pflichtmodule umgesetzt, …“

MT: „Diese Erfahrungen teile ich. Deshalb ist es so wichtig, die


Unternehmen auch weiter fachlich zu betreuen. Vielleicht nicht
mehr so engmaschig wie im Anlaufmanagement des BGM, dafür
eher als Qualitätssicherer. Wichtig ist, wie Du schon sagst, dass
alle Pflichtmodule umgesetzt werden  das garantiert die Nach-
haltigkeit im BGM! Wir brauchen betriebliche Strukturen wie
bspw. Zugriffsmöglichkeiten auf interne oder externe BGM-

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Ein paar Worte zum Schluss

Experten  bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen denke ich


zum Beispiel auch an lokale Gesundheitsnetzwerke  und regel-
mäßige Lenkungs- und Steuerungskreise. Wir brauchen im BGM die
Themenpräsenz ‚gesundheits- und alternsgerechte Arbeitsgestal-
tung‘, ‚Gesundes Führen‘, ‚Gesundheitskommunikation und
-marketing‘ sowie qualitätsgesicherte, evidenzbasierte ‚Gesund-
heitsmaßnahmen‘.“

TU: „Die Kollegen Dr. Matyssek und Prof. Dr. Gurt haben hierzu
gute Statements abgegeben  sowohl was die wichtige und zentral
Rolle der Führungskraft in der Gesundheitsarbeit anbelangt als
auch das allzu häufig nur stiefmütterlich behandelte Thema ‚Ge-
sundheitskommunikation und Gesundheitsmarketing‘. Und ich
würde mir mehr Marathonläufer im obersten Management wün-
schen! Allzu oft haben wir hier nur Kurzstreckenläufer, die nach
der Einführung gerne andere Themen auf die Agenda nehmen. So
fällt das BGM mit der Zeit hinten rüber. Aber für das BGM braucht
man Ausdauer und einen langen Atem! Auch das Thema ‚Gefähr-
dungsbeurteilung psychischer Belastungen‘ hat in den vergange-
nen zwei Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Der Wind
kommt v. a. aus Berlin, aber auch die Aufsichtsbehörden haben
ihre Funktion und Sichtweise geschärft  der Kollege Portuné
stellt das im Interview ausführlich und mit zahlreichen Beispielen
dar. Ich teile seine Ansicht, dass Psychologen hier eine verstärkte
Rolle einnehmen müssen. ‚Stress  Psyche  Arbeit‘ prägt immer
mehr das betriebliche Gesundheitsdenken, daher wird auch immer
mehr psychologisches Anwendungswissen in Bezug auf Diagnostik,
Umsetzung und Evaluation verlangt. Die Zusammenarbeit zwi-
schen den Disziplinen nimmt zu. Was fandest Du in den letzten
zwei Jahren noch spannend?“

MT: „Ich finde die rasanten Veränderungen auf dem Hochschul-


markt im Bereich ‚Gesundheitswissenschaften‘spannend! Im Inter-
view mit der Kollegin Prof. Dr. Sosnowsky-Waschek wird deutlich,
dass das Thema ‚Gesundheit‘ von den Hochschulen aufgegriffen
worden ist. Inzwischen ist hier ein eigener, sehr attraktiver Markt
entstanden. Allerdings sehe ich auch eine Gefahr in dieser Ent-
wicklung: Wir haben eine Vielzahl von Hochschulen  Universitä-
ten wie Fachhochschulen , die eine noch viel größere Zahl von
unterschiedlichen Abschlüssen anbieten. Diese Unterschiedlichkeit
mit ihren variierenden Schwerpunkten bereitet der Praxis Proble-
me, welcher Abschluss gebraucht wird. Hier wird es wichtig sein,
Grundlagenfächer wieder zu stärken und nicht die Oberflächlich-
keit unter dem Deckmantel wohlklingender Namensschildchen
obsiegen zu lassen.“
BGM im Dialog: „Warum ist Selbstbestimmung so wichtig?“ 427 A 7.3
TU: „Das gilt allerdings Dank der Vielzahl von Bachelor- und Mas-
terabschlüsse auch für andere Berufe und Bereiche. Aber ich
stimme Dir zu, oftmals kann man aus dem Titel nicht ableiten, ob
ein medizinischer, psychologischer, ingenieurwissenschaftlicher
oder betriebswirtschaftlicher Fokus vorliegt.“

MT: „Mir hat noch das Statement von Dr. Tempel zu denken gege-
ben. Auf die Frage nach den zukünftigen Veränderungen in der
Arbeitswelt sagte er: Wir werden die zukünftige Betriebskultur
daran messen können, „wie mit den instabilen und sehr instabilen
Beschäftigten umgegangen wird.“ D. h. für mich, wir müssen für
ein demografiefestes BGM noch mehr Angebote der Tertiärpräven-
tion berücksichtigen. Mitarbeiter, die aufgrund anhaltender Ein-
schränkungen nicht mehr so können, wie sie wollen, brauchen
betriebliche Unterstützungsangebote als Querschnittsaufgabe
(BGM, Personal, Arbeitsschutz-/medizin). Aufgrund der demografi-
schen Entwicklung vermute ich, dass die Zukunftsaufgabe der
Unternehmen darin bestehen wird, nicht die Älteren so früh wie
möglich von Bord zu bekommen  vielmehr geht es darum, das
Boot so attraktiv wie möglich zu gestalten, damit unsere älteren
Mitarbeiter (dazu zählen wir ja auch schon -) im Boot verbleiben
und nicht zu früh wechseln. Im öffentlichen Sektor sorgt man sich
bspw. über die horrende Zahl der Frühpensionierungen.“

TU: „Die aktuelle politische Diskussion unterstützt Deine Annah-


men: Flexible Arbeitszeit soll nicht nur bedeuten, früher aus der
Erwerbstätigkeit aussteigen zu können  auch eine Verlängerung
auf bspw. 70 Lebensjahre sollte möglich sein. Die politische und
gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema ist spannend!“

MT: „Stimmt, aber kommen wir besser zum Schluss!“

TU: „Gerne  sonst klopft uns auch der Verlag auf die Finger, weil
wir wieder die vorgegebene Seitenzahl überschreiten! Ich möchte
Dir, lieber Michael, für die gute Zusammenarbeit danken. In unse-
rer beider Namen danke ich den vielen Kolleginnen und Kollegen,
den zahlreichen Gesprächspartnern und den Freundinnen und
Freunden, die zum Entstehen der Drittauflage in nicht unerhebli-
chem Maße beteiligt waren: Dankeschön!“

MT: „War da nicht noch wer?“

Sunny: „Vielleicht ich?“

TU: „Richtig, liebe Sunny. Denn inzwischen bist Du uns eine ge-
schätzte Kollegin, zuverlässige Gesprächspartnerin und gute
Freundin!“
Verzeichnisse

Verzeichnisse Seite
Abbildungen 431
Tabellen 435
Infoboxen 437
Checklisten 438
Sachindex 441
Literatur 459
Internetquellen 487
Glossar 503

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Abbildungsverzeichnis
} Abbildung 1: Unser Weg zur gesunden Arbeitswelt .............................. 13
} Abbildung 2: Aufbau der DEGS-Studie des Robert Koch-Instituts aus Gößwald
et al. (2012, S. 776) ..................................................................... 21
} Abbildung 3: Tief- und Hochdruckgebiete ........................................ 25
} Abbildung 4: Grundmodell der Standortbestimmung ............................ 26
} Abbildung 5: Standortbestimmung am Beispiel Verwaltungstätigkeiten ..... 27
} Abbildung 6: Risikoprofil verwaltungsorientierter Standorte (Beispiel) ...... 28
} Abbildung 7: Nachhaltigkeitsmessung — Veränderungen sind möglich! ...... 30
} Abbildung 8: BGM ist mehr als ein Maßnahmenpool. ............................ 39
} Abbildung 9: Der Weg zum humanen Arbeitsplatz ............................... 40
} Abbildung 10: Gesundheit in der Arbeit ........................................... 43
} Abbildung 11: Infografik zu den Einflussfaktoren ................................ 45
} Abbildung 12: Infografik zum Portfolio der Maßnahmen ........................ 46
} Abbildung 13: Thematisch strukturiertes Angebotsportfolio ................... 47
} Abbildung 14: Infografik zu den Akteuren des BGM ............................. 48
} Abbildung 15: Perspektiven des BGM im Unternehmen ......................... 56
} Abbildung 16: Trends aus Sicht der Praktiker .................................... 68
} Abbildung 17: Konstruktivistische Gesundheitsdidaktik und BGM ............. 71
} Abbildung 18: Life Cycle oder S-I-N-E-Prinzip .................................... 73
} Abbildung 19: Unsere Ansatzpunkte eines modernen BGM ..................... 76
} Abbildung 20: Wirkungsebenen des BGM .......................................... 80
} Abbildung 21: Von der Leitlinie zur Gestaltungsvorschrift ..................... 86
} Abbildung 22: Von der Gesetzgebung zum Leitfaden ........................... 92
} Abbildung 23: Themen des Interviews mit Prof. Piekarski ................... 101
} Abbildung 24: Radmodell der Arbeitswissenschaften ......................... 103
} Abbildung 25: Doppelrolle der Beanspruchung ................................. 115
} Abbildung 26: Grundmodell  von den Belastungen zu den Folgen ......... 117
} Abbildung 27: Haus der Arbeitsfähigkeit ........................................ 141
} Abbildung 28: Verlauf der Arbeitsfähigkeit („Ilmarinen-Richenhagen-Kurve“)
nach Richenhagen (2007a) ............................................................ 149
} Abbildung 29: Systematische Konfliktbearbeitung ............................. 169
} Abbildung 30: Einfluss der Lebensstilfaktoren auf Lebenserwartung ....... 172
} Abbildung 31: Genuss statt Frust  mit drei Schritten zum Erfolg! ......... 174
} Abbildung 32: Kommunikation, Führung und Kultur ........................... 198

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Abb A 432 Abbildungen

} Abbildung 33: Erfolgsfaktoren des BGM .......................................... 218


} Abbildung 34: Qualitätsdimensionen und Indikatoren im BGM ............... 220 
} Abbildung 35: Lernzyklus im Kontext BGM ...................................... 221 
} Abbildung 36: RADAR Bewertungsmethodik ..................................... 222
} Abbildung 37: Das Grundmodell des Qualitätsmanagements ................. 224
} Abbildung 38: EFQM-Modell in Bezug auf BGM .................................. 227
} Abbildung 39: Unsere Erfolgsfaktoren und Prüfpunkte ........................ 232
} Abbildung 40: Problempyramide BGM in der Praxis ............................ 236
} Abbildung 41: Ergebnisse einer Befragung bei Controllern ................... 236
} Abbildung 42: Anforderungen an das Gesundheitsmonitoring ................ 237
} Abbildung 43: Risikomanagement im BGM....................................... 239
} Abbildung 44: Early Pain Reporting Æ „Eingreiftruppe BGM“ ................ 241
} Abbildung 45: Health Balanced Scorecard ....................................... 242
} Abbildung 46: EFQM-basierte Health Balanced Scorecard .................... 245
} Abbildung 47: Bezugssystem zur Steuerung BGM ............................... 247
} Abbildung 48: Attribute der Kennzahlen ........................................ 252
} Abbildung 49: Biopsychosoziale Sachverhalte .................................. 255
} Abbildung 50: Das Treiber- und Indikatorenmodell ............................ 256
} Abbildung 51: Das Modell der Arbeitscharakteristika .......................... 257
} Abbildung 52: Wirkung von Arbeitszufriedenheit............................... 259
} Abbildung 53: Metaanalyse zur Wirkung von Aufgabenmerkmalen .......... 259
} Abbildung 54: Metaanalyse „Arbeitszufriedenheit und -leistung“ ........... 260 
} Abbildung 55: Fehlzeitenmanagement ........................................... 262 
} Abbildung 56: Krankenstand und Konjunkturlage .............................. 264 
} Abbildung 57: Ursachen des Absentismus ....................................... 265
} Abbildung 58: Die Krankenstandquote ........................................... 266 
} Abbildung 59: Fehlzeiten als Stör- und Kostenfaktor .......................... 268
} Abbildung 60: Standardisierung der Fehlzeiten ................................ 274
} Abbildung 61: Aufwandsbestimmung bei Fehlzeiten ........................... 275
} Abbildung 62: Qualitätswerte der Fehlzeiten ................................... 276
} Abbildung 63: Steuerungsgröße für Fehlzeiten ................................. 277
} Abbildung 64: Beispiel einer erweiterten Fehlzeitenanalyse ................. 278
} Abbildung 65: Fehlzeitenanalyse im Kontext anderer BGM-Daten ........... 279
V } Abbildung 66: Fehlzeitenreduktion durch BGM ................................. 285
} Abbildung 67: Reduktion medizinischer Kosten durch BGM................... 286
} Abbildung 68: Kostenunterschiede (HERO-Studie) ............................. 289
} Abbildung 69: Wirtschaftlichkeitsmaße .......................................... 292
} Abbildung 70: Kosten ungestörter Arbeitsstunden ............................. 295
Abbildungen 433 A Abb
} Abbildung 71: Klassifikation der Verfahren Gefährdungsbeurteilung ....... 309
} Abbildung 72: Modell der Förderung der Arbeitsfähigkeit .................... 316
} Abbildung 73: Anwendungsfelder der Arbeitsanalyse ......................... 319
} Abbildung 74: Ebenen der Analyse ............................................... 320 
} Abbildung 75: Verfahrenstypen der Arbeitsanalyse ........................... 320
} Abbildung 76: Humankriterien der Arbeit als Erfolgsmaße ................... 322
} Abbildung 77: Gesundheitsfragebogen: Design trifft Inhalt .................. 327
} Abbildung 78: Themenfelder der Gesundheitsanalyse ........................ 330
} Abbildung 79: Integratives Konzept der Gesundheitsscores .................. 331
} Abbildung 80: Fahrplan für eine umfassende Gesundheitsanalyse .......... 334
} Abbildung 81: Diagnoseportfolio Gesundheitsmanagement .................. 337
} Abbildung 82: Globalkennwert Gesundheit bei einer Studie ................. 340 
} Abbildung 83: Datenverknüpfung im Gesundheitscontrolling ................ 344
} Abbildung 84: Themen des Interviews mit Prof. Wieland .................... 345
} Abbildung 85: Wirkungsmodell zur Gestaltung gesunder Arbeit ............. 349
} Abbildung 86: Alternsrelevante Belastungen, Ressourcen und Folgen ..... 369 
} Abbildung 87: Transaktionale Stresstheorie .................................... 376 
} Abbildung 88: Erweitertes Stresskonzept (aus Treier, 2011, S. 166) ....... 386 
} Abbildung 89: Die Stressmanager-DVD ........................................... 388
} Abbildung 90: Betriebsgelände im alten Stressmanager ...................... 389
} Abbildung 91: Unternehmenslandschaft „Stress im Griff AG“ ............... 391
} Abbildung 92: Strukturbild der Module .......................................... 392
} Abbildung 93: Konzept „Mission against Stress“ ............................... 406
} Abbildung 94: Betriebsgelände im Stressmanager ............................. 407
} Abbildung 95: Zeitmaschine im Bereich Zeitmanagement ................... 407
} Abbildung 96: Das Haus der Emotionen im Stressmanager ................... 407
} Abbildung 97: Handlungsvektoren im BGM ...................................... 415
} Abbildung 98: Eckpfeiler eines modernen BGM ................................ 417
} Abbildung 99: Partizipative Prävention ......................................... 417
} Abbildung 100: Ziele und Anforderungen an das BGM ......................... 418
} Abbildung 101: Themen des Interviews mit Dr. Gronwald ................... 419
Tabellenverzeichnis
 Tabelle 2-1: Handlungsfelder der gesunden Arbeitswelt ...................... 36
 Tabelle 2-2: Veränderungen in der Arbeits- und Lebenswelt ................. 60
 Tabelle 2-3: Bestimmungsmomente der Trends ................................. 64
 Tabelle 2-4: Trends aus der Organisationsperspektive ......................... 69
 Tabelle 2-5: Übersicht zum Rechtsrahmen ....................................... 93
 Tabelle 2-6: Buchempfehlungen „Eckpfeiler des BGM“ ...................... 104
 Tabelle 3-1: Grundbegriffe ....................................................... 111
 Tabelle 3-2: Schallpegel mit exemplarischen Quellen ....................... 122
 Tabelle 3-3: Frageliste von möglichen Fehlbelastungen ..................... 128
 Tabelle 3-4: Frageliste Ressourcen .............................................. 135
 Tabelle 4-1: Toolbox BGM ......................................................... 155
 Tabelle 4-2: Klassifizierung des Körpergewichts .............................. 170
 Tabelle 4-3: Verhaltenspathogene und assoziierte Schäden ................ 192 
 Tabelle 5-1: Qualitätsprüfung .................................................... 219
 Tabelle 5-2: Anforderungskatalog BGM aus Qualitätssicht ................... 229
 Tabelle 5-3: Zusammenhang zw. Zufriedenheit und Gesundheit ........... 260 
 Tabelle 5-4: Kennzahlen rund um Fehlzeiten .................................. 266 
 Tabelle 5-5: Vor- und Nachteile der Fehlzeitenanalyse ...................... 271 
 Tabelle 5-6: Relevante Fehlzeitenparameter .................................. 280
 Tabelle 5-7: Finanzkennziffern aus Sicht des BGM ............................ 295
 Tabelle 5-8: Umsetzungsschritte einer Gefährdungsbeurteilung ........... 303
 Tabelle 5-9: Psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt ............ 307
 Tabelle 5-10: Verfahren der psychischen Gefährdungsbeurteilung ........ 312
 Tabelle 5-11: Qualitätsanforderungen an Arbeitsanalysen .................. 321 
 Tabelle 5-12: Typische Fragen ................................................... 323 
 Tabelle 5-13: Bedeutung und Anforderungen an Gesundheitsscores ....... 330 
 Tabelle 5-14: Gewichtungen in der Health BSC ............................... 332 
 Tabelle 5-15: Erfolgsfaktoren der Evaluation .................................. 335
 Tabelle 5-16: Wuppertaler Gesundheitsindex für Unternehmen............ 347 
 Tabelle 5-17: Buchempfehlung „Steuerung und Qualitätssicherung“ ...... 357 
 Tabelle 6-1: Herangehensweisen im Stressmanagement nach Kaluza ..... 374
 Tabelle 7-1: Vorteile von BGM für Unternehmen und Mitarbeiter .......... 421 

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Info-Boxen/Checklisten
; Box 0-1: WHO-Definition von 1946 .................................................. 6
; Box 0-2: Gesundheitsverständnis der Ottawa Charta von 1986 ................. 8
; Box 0-3: Das System LIFE ............................................................. 9
; Box 0-4: Gesundheitsbegriff als Regulationskompetenz ........................ 11
; Box 1-1: Gesundheitsmonitoring .................................................... 19
; Box 2-1: DIN SPEC 91020 ............................................................. 39
; Box 2-2: Menschlichkeit und Wertschätzung als Grundpfeiler ................. 42
; Box 2-3: Aktivierung positiver Kräfte als BGM-Auftrag .......................... 44
; Box 2-4: Lernen durch andere ...................................................... 50
; Box 2-5: Gesundheitszustand und Auftrag an die Arbeitswelt ................. 54
; Box 2-6: Psychosozialer Gesundheitsbegriff ...................................... 55
; Box 2-7: Chronische Zukunft und Prävention ..................................... 58
; Box 2-8: Visionäre Konzepte als Bilanz ............................................ 60
; Box 2-9: Gesundheitskultur.......................................................... 63
; Box 2-10: Reformrichtung „Systemdenken“ ...................................... 69
; Box 2-11: Konstruktivistische Gesundheitsdidaktik .............................. 71
; Box 2-12: Gesundheitskompetenz .................................................. 75
; Box 2-13: Luxemburger Deklaration in der Fassung von 2007 ................. 78
; Box 2-14: Klarheit durch rechtlichen Rahmen .................................... 81
; Box 2-15: Gesetzliche Grundlagen und das duale System ...................... 82
; Box 2-16: Wissenschaft als Basis .................................................... 84
; Box 2-17: Europäisierung als Chance und Risiko ................................. 88
; Box 2-18: Anwaltschaft für Gesundheit ........................................... 92
; Box 3-1: Life Domain Balance: Suche nach dem Gleichgewicht ............. 110
; Box 3-2: Zusammenfassung zu den Grundbegriffen ........................... 114
; Box 3-3: Gesunder Attributionsstil ............................................... 118
; Box 3-4: Typ-A-Persönlichkeit .................................................... 121
; Box 3-5: Hintergrund zum Konzept der Salutogenese ......................... 131
; Box 3-6: Organizational Citizenship Behavior (OCB) .......................... 134
; Box 3-7: Haus der Arbeitsfähigkeit ............................................... 141
; Box 4-1: Kür- und Pflichtmodule in Präventionsprogrammen ................ 151
; Box 4-2: Ernährungsmethoden .................................................... 176

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Box A 438 Verzeichnisse: Boxen

; Box 4-3: LOGI-Methode ............................................................. 178


; Box 4-4: Arbeitssucht oder Workaholism ........................................ 196
; Box 5-1: Wertschöpfungsorientierung ............................................ 217
; Box 5-2: EFQM-Modell für Exzellenz .............................................. 226
; Box 5-3: Qualitätsmanagement und BGM ........................................ 227
; Box 5-4: Social Capital & Occupational Health Standard ..................... 229
; Box 5-5: Risikomanagement im Bereich BGM ................................... 240
; Box 5-6: Zusammenspiel zwischen EFQM und Balanced Scorecard .......... 246
; Box 5-7: Kennzahlen ................................................................ 251
; Box 5-8: Der indikatorenbasierte Ansatz ........................................ 261
; Box 5-9: Ausgangslage rund um Fehlzeiten ..................................... 269
; Box 5-10: Modifikationen der klassischen Fehlzeitenanalyse ................. 279
; Box 5-11: Der prospektive ROI von BGM Ù Value of Health .................. 290
; Box 5-12: Leistungsstatistik als Instrument des Eigencontrollings ........... 293
; Box 5-13: Kosten ungestörter Arbeitsstunden als wichtiges Maß ............ 294
; Box 5-14: Finanzkennzahlen zur Wirtschaftlichkeitsmessung ................ 297
; Box 5-15: Arbeitsfähigkeit als Basis der Gesundheitsscores .................. 318
; Box 5-16: Arbeitsanalyse als Baustein der Gesundheitsbefragung ........... 328
; Box 5-17: Gesundheitsbefragung durch Gesundheitsscores ................... 337
; Box 6-1: Stressimpfung nach Donald Meichenbaum ............................ 376
; Box 6-2: Problemlösungstechniken ............................................... 379
; Box 6-3: Ernährung und Stress..................................................... 381
; Box 6-4: Progressive Muskelrelaxation ........................................... 383
; Box 6-5: Autogenes Training ....................................................... 383
; Box 6-6: Yoga ........................................................................ 384

 Check-Liste 1: Empirische Herleitung  unsere Ausgangslage ................. 33


 Check-Liste 2: Grundverständnis BGM ............................................. 56
 Check-Liste 3: Trends und Entwicklungen ........................................ 77
 Check-Liste 4: Rechtsgrundlagen .................................................. 100 
 Check-Liste 5: Zehn Basisaussagen zum BGM .................................... 104
 Check-Liste 6: Risiken bestimmen und Ressourcen fördern ................... 145
V  Check-Liste 7: Präventionsauftrag ................................................ 214
 Check-Liste 8: Erfolgskriterien und Prüfpunkte ................................. 234
 Check-Liste 9: Gesundheitsmonitoring und Risikomanagement .............. 248
 Check-Liste 10: Kennzahlen ........................................................ 282 
 Check-Liste 11: Wirtschaftlichkeitsmessung ..................................... 300
Boxen 439 A Box

 Check-Liste 12: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.......... 314


 Check-Liste 13: Konzept der Gesundheitsscores ............................... 343
 Check-Liste 14: Zehn Basisaussagen zur Steuerung ............................ 357
 Check-Liste 15: Herausforderungen  aktuelle Problemstellungen ......... 409
 Check-Liste 16: Zehn Basisaussagen zum BGM .................................. 412
Sachverzeichnis
Das Sachverzeichnis enthält Suchbegriffe, die nach unserer Ansicht relevant
sind. Ein solches Verzeichnis kann nicht alle Begriffe aufnehmen und auf alle
Seiten verweisen, wo diese Begriffe auftreten. Glossarbegriffe sind mit dem
Zeichen & versehen. Manche Sachbegriffe beziehen sich auf andere. Wo ein
solcher Zusammenhang besteht, haben wir auf den entsprechenden Begriff im
Sachverzeichnis verwiesen. Fettgedruckte Seitenzahlen bzw. Seitenzahlberei-
che weisen auf Seiten übergreifende Schwerpunktbereiche oder bedeutsame
Stellen des Stichwortes hin.

1
1-plus-4-Modell 184 f.

A
A-B-C-Strategie (BGM) 211-213
Abhängige Variablen 116, 244
Abhängigkeitsstörungen 158-164 (siehe Alkoholabhängigkeit)
ABI siehe WAI (Work Ability Index)
TM
ABI Plus 317
Absentismus & 61, 261-280, 283 f. (siehe Fehlzeiten)
Adipositas 16, 21, 169-175
Alkoholabhängigkeit 158-164
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 93
Alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung 37, 45, 68, 361-372 (siehe Demografiemanagement)
Altersflexibles Führen 363 f.
Altersstruktur 21, 364-366
Altersstrukturanalyse 45, 68, 365
Alterungsvorgänge 365 f.
American Productivity Audit 272 f.
Anforderungen 9 f., 24, 78 ff. (Gesetze), 86 f. (Arbeitswissenschaft),
(unterschiedliche Bedeutungen) 87-98 (Gesetze, Normen), 108 (Belastungen), 111-116
(Theorien), 119 f., 218 ff. (Qualitätsmanagement),
234-237 (Gesundheitsmonitoring), 315 f., 318-330
(Gesundheitsscores), 360 f., 386 f., 418 (BGF)
Angststörung 148, 157, 164-166, 352
Arbeitgeberimage 9, 64 (siehe Employer Branding)

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Sach A 442 Sachbegriffe

Arbeitsanalyse 81, 305, 308 ff., 315, 318-328


Arbeitsaufgabe 83 f., 106, 107 f., 112 ff., 119 f., 128, 307, 329
Arbeitsdichte 30, 120, 197, 360, 378
Arbeits-Erholungs-Zyklus & 41
Arbeitsfähigkeit 22, 26 f., 32, 36, 58, 138 ff., 145, 148 f., 196, 317 f.,
338, 342, 421 f. (siehe Work Ability)
Arbeitsfähigkeitsmanagement & 36 f.
Arbeitsgestaltung 47, 76, 101, 106, 126, 148 ff., 319, 384 ff.
(siehe Arbeitsanalyse, Verhältnisprävention)
Arbeits- und Gesundheitsschutz 24, 36 f., 57, 62 f., 77, 82, 87 f., 210, 310, 325, 352
Arbeitsinhalt 24, 40 f., 83 f., 126, 307, 360
(siehe Arbeitsaufgabe, Arbeitsgestaltung)
Arbeitskräfteerhebung 50
Arbeitslosigkeit 365 f.
Arbeitsmedizin 9 f., 36 f., 81, 137, 150, 340 f.
Arbeitsorganisation 78, 121 f., 128, 228, 307, 315, 367 f., 384
(siehe Arbeitsgestaltung)
Arbeitsorientiertes bzw. 42, 370
arbeitsimmanentes Lernen &
Arbeitspsychologisches Modell 84, 101, 112-114, 377
Arbeitsqualität 43, 145, 244, 316
Arbeitsschutzausschuss 48, 93 ff., 303
Arbeitsschutzgesetz 6, 66, 79-88, 93, 99, 208, 235, 301, 350 ff.
(siehe Rechtsfragen)
Arbeitsschutz-Managementsysteme 7 (siehe GAMAGS)
Arbeitsschutzstrategie 2, 88, 92, 353
Arbeitssicherheitsgesetz 6, 93, 352 (siehe Rechtsfragen)
Arbeitsstättenverordnung 88, 94 (siehe Rechtsfragen)
Arbeitssucht 196 (siehe Workaholism)
Arbeitsumgebung 122 f., 308
Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisse 59, 77
Arbeitswelt 8, 12, 16, 24 f., 30 f., 40 ff., 53 f., 59, 60 ff., 108 ff.,
(häufig genutzt) 360 ff. (siehe Humanisierung, siehe Trends)
Arbeitswissenschaft 6, 54, 61, 86 f., 91, 99, 102 f., 112 f., 139, 142, 318 f.

V Arbeitszeit 24, 83, 108 ff., 307 (siehe Arbeitsorganisation)


Arbeitszeitgesetz 94, 97 (siehe Rechtsfragen)
Arbeitszeitgestaltung 55, 60
ArbSchG siehe Arbeitsschutzgesetz
ArbStättV siehe Arbeitsstättenverordnung
Sachbegriffe 443 A Sach
ArbZG siehe Arbeitszeitgesetz
ASiG siehe Arbeitssicherheitsgesetz
Asset Gesundheit 12, 233, 424
Attribution 117 f.
Audit 223 f., 229
Autogenes Training 47, 383
Autotelische Aktivität 41 (siehe Flow)
Awards (Gesundheitspreise) 39, 49, 366 (Gesundheitspreise), 221 (Qualitätspreise)
(siehe Zertifizierung)

B
Balanced Scorecard & 138, 231, 241 ff., 250, 322
(siehe Health Balanced Scorecard)
Bangkok Charta 65, 85
BASA II (Arbeitsanalyse) 312, 324 f., 367
BAuA Toolbox 136, 309, 323
Beanspruchungen 110 f., 111 ff., 114. 119 ff., 314, 324, 341
(Kernbegriff, daher häufig genutzt)
Beanspruchungsbilanz 346 ff. (siehe Doppelrolle der Beanspruchung)
Beanspruchungsfolgen & 32, 111, 116 f., 130, 145, 302, 368 f.
(siehe Beanspruchungen)
Beanspruchungsoptimalität & 76, 114 f.
Belastungen & 22 ff., 64, 105 ff., 108, 111, 114 ff., 117, 122, 144, 367
(Kernbegriff, daher häufig genutzt) (siehe psychische Belastungen)
Belastungs- und Beanspruchungsmodell 106, 112f, 139 f.
BEM siehe Betriebliches Eingliederungsmanagement
Berufsgenossenschaftliche Vorschriften 90 f., 94
Beschäftigungsfähigkeit 8, 37 f., 58, 106, 363 f. (siehe Employability)
Beschwerden 27 ff., 32 f., 50 ff., 110, 148 f., 169, 240 f.
Best Practice 49 f., 57 f., 136, 183, 221, 239, 246, 412 (siehe Awards)

Betriebliches 36 f., 70, 144, 150 f., 354


Eingliederungsmanagement (BEM) &
Betriebssicherheitsverordnung 94
Betriebsverfassungsgesetz 6, 86, 95 (siehe Rechtsfragen)
BetrSichV siehe Betriebssicherheitsverordnung
BetrVG siehe Betriebsverfassungsgesetz
Bevölkerungsvorausberechnung 362 f., 371
Bewältigungsverhalten 45, 55, 74 f. (siehe Coping)
Bewegung 16, 22, 47, 79, 150, 155, 179 f., 191 f., 214, 339, 413
Sach A 444 Sachbegriffe

Beweg Dich, Deutschland (Projekt) 180


Bewegungsapparat 50, 84
BGI 650 91, 94
BGM-Barometer 326 f., 331
BGV A1 91, 96 (siehe DGUV Vorschrift)
BildscharbV siehe Bildschirmarbeitsverordnung
Bildschirmarbeitsverordnung 66, 95, 107
Biopsychosoziales Modell 53, 65, 254 f.
Body-Mass-Index & 21, 169 f., 170 ff.
Brainstorming 354, 379
Bürgerliches Gesetzbuch 95 (siehe Rechtsfragen)
Burn-out bzw Burnout & 22 f., 47, 52, 260, 302, 314, 373 f.

C
CAF-Modell 355 (Common Assessment Framework, siehe EFQM)
CEN 89 (European Committee for Standardization)
CENELEC 89 (European Committee for Electrotechnical
Standardization)
Change Management 173, 183, 203 f., 211 f., 361
ChEF (Arbeitsanalyse) 307, 312, 314
Chronifizierung und 19, 23 f., 44, 52 f., 58 f., 66 f., 76 f., 160, 164,
chronische Erkrankungen 263 f., 366, 422

Chronobiologie 367
Commitment & 75, 195, 209, 212, 244, 281, 294
Compliance 179, 189, 287, 340
Controlling 49, 66, 211, 231, 234-248, 251, 284, 291 ff., 336,
347 ff. (siehe Gesundheitscontrolling)
Coping 32, 45, 265, 375 (siehe Bewältigungsverhalten)
COPSOQ (Arbeitsanalyse) 314, 325
Corporate Governance Kodex & 80
Corporate Health Award 39, 49
Corporate Health Kodex 80
Corporate Social Responsibility & 58 (siehe soziale Verantwortung)

D
V
Daily Hassles 117
Datenbank 50, 54, 90 f., 288, 325
Datenbank BGVR 91
Datenbank INQA 50
Sachbegriffe 445 A Sach
Datenbank NoRA 90
Datenbank Recht 82
Datenpool Gesundheitsmanagement 336
Datenportfolio 335 f., 343, 357
Datenverknüpfung 344
Defizitmodell 105
DEGS-Studie 18-24
Deklarationen 78 ff., 98
Demand/Control-Modell 112
Demografieanalyse 364 f., 371 f. (siehe Altersstrukturanalyse)
Demografie-Fitness 12, 37, 45, 372, 424
Demografiefond 44, 100
Demografiemanagement & 37, 67, 69, 361-372, 408 f.
Demografische Wandel 19, 22, 53, 64, 68, 143, 342
Depression 22 f., 148. 157, 164-166, 189, 263, 338, 352
Deregulierung 64, 77, 98, 350
DeStatis 18, 59, 362 f.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung 176 ff.
Deutsches Netzwerk für Betriebliche
11
Gesundheitsförderung (DNBGF)
Deutsche WAI-Netzwerk 317
DGUV Vorschrift 1 & 2 7, 80 f, 84, 91, 93, 96, 306
Diabetes 22, 33, 51, 169, 192, 290 (Cost Calculator), 421
Diagnoseportfolio 335-337
Dialoggrundsätze 124 f. (Softwareergonomie)
DIN EN ISO 10075 84, 89, 96, 99, 302, 314, 324, 351
DIN EN ISO 9000 ff. 222-224, 234
DIN EN ISO 9004 224
DIN EN ISO 9241 84, 89, 96, 124 (siehe Dialoggrundsätze)
DIN SPEC 91020 37 f., 89, 89, 216, 228, 234
Disability Management & 98, 104
Disease Management & 44, 283
Disuse-Hypothese 365
Diversity 64, 365
Doppelrolle der Beanspruchung 114 f. (siehe Beanspruchungsbilanz)
Dreiebenen-Interventionsmodell 354
Sach A 446 Sachbegriffe

Drogen- und Suchtbericht 16, 158 (siehe Abhängigkeitsstörungen)


Duale System 82, 88, 92, 98, 102
Dynaxität 361
DZA 54 (Deutsches Zentrum für Altersfragen)

E
Early Pain Reporting 47, 240 f., 247
Eckpfeiler des 35-104, 415-417
Gesundheitsmanagements (siehe Gesundheitsmaangement)
EFQM 224-228, 230 f., 234, 241-248, 256, 336, 346 f., 355
(siehe Total Quality Management)
EFQM-basierte
246 (siehe Health Balanced Scorecard)
Health Balanced Scorecard
Eigenverantwortung 8 f., 55 f., 60, 67, 69, 70 ff., 77, 184, 207, 212,
412-422
Emotionsregulation / Emotionarbeit 29, 114, 361, 374
Empirische Evidenz 16-32, 84, 99, 103 f., 239, 249, 257, 285, 288, 299,
332, 355 f.
Employability & 8, 58, 106, 149, 363 (siehe Beschäftigungsfähigkeit)
Employee Assistance Program (EAP) & 351
Employer Branding 64, 182 (siehe Arbeitgeberimage)
Empowerment & 8, 76, 145, 184-188, 214, 217, 233, 412 f., 417, 420
(siehe Eigenverantwortung)
Enterprise for Health 50, 79
Entspannung 47, 155, 374 f., 382-384
EPIC-Studie 16, 171 f., 179
Erfolgsfaktoren 206, 214, 216-218 (BGM), 229-234 (BGM), 334 f. (Evalu-
ation), 355, 366, 385 (Stressmanagement), 424
Ergonomie & 12, 42, 55, 89, 95 f., 105 f., 122-125, 395
(siehe Softwareergonomie)
Erholung 9 f., 40 ff., 380
Erholungsfähigkeit 26 f., 29, 32, 36, 150, 191, 197, 375, 387
Ermöglichungsdidaktik & 70 f. (siehe Gesundheitsdidaktik)
Ernährung 16 f., 33, 47, 169-180, 191 f., 214, 339,
380 f. (stresspräventiv), 391 f., 413, 420
Ernährungsform 175 f. (siehe Ernährung)
V Ernährungsmodelle 176-179
Europäische Erhebung über die
16, 24
Arbeitsbedingungen
Europäische Rahmenrichtlinie
87, 93, 99
Arbeitsschutz
Sachbegriffe 447 A Sach
Europäisierung 50, 64, 66, 77, 79, 81, 87 f., 98 f. (siehe Rechtsfragen)
Evaluation 29, 46 f., 71 f., 102, 148, 230 f, 298 f., 305, 333-335,
343, 356, 371, 421 (siehe Controlling)
Evidenz & siehe Empirische Evidenz
Externale Ressourcen 43, 108 f., 117, 130, 133 f., 135, 145, 367
(siehe Ressourcen)
Exzellenz & 72, 225 f., 234, 398

F
FAA (Arbeitsanalyse) 313
FAGS (Arbeitsanalyse) 325 f., 329
Fehlbeanspruchung 119-126
Fehlbelastung 108 f., 111, 128 f. (siehe Belastungen, Risiken)
Fehlschluss 189, 193, 197 (siehe Vulnerabilität)
Fehlzeiten 17, 25, 69 f., 145, 165, 236, 243 f., 249 f., 254, 261-
272, 281 f., 283 ff., 288, 356, 422 (siehe Absentismus)
Fehlzeitenanalyse 268 ff., 273-280, 281 f.
Fehlzeitenmanagement 31, 69, 262
Fehlzeitenreport 269, 357
Finanzkennziffern 236, 292, 295-297, 300, 336, 356
Flow & 41 f. (siehe Autotelische Aktivität)
Fluktuation & 75, 145, 228, 254 ff., 336
Frühindikatoren 145, 192, 256, 258, 261, 281, 316, 329
(siehe Indikatoren)
Frühwarnsystem 237 ff., 247
Führung 31, 37, 47, 61, 68, 103, 109, 122, 137, 141 ff., 151 ff.,
(Kernbegriff, daher häufig benutzt) 165 ff., 183 ff., 188, 209 ff., 212, 216, 220, 227 f.,
256, 258, 308, 346 f., 349 362, 364, 413 f., 424
(siehe gesunde Führung)
Führungskultur 244
Führungsverantwortung 184 f., 210 f., 420, 423 (siehe Führung)
Fünf-mal-Fünf Wirkungsmodell 345

G
GAMAGS-Studie 152, 210
GDA 82, 88, 92, 352 f. (Ge-
meinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie)
Gefährdungsanalyse & 80 f., 97, 113, 123, 238, 304, 306, 310, 314, 346, 414
(siehe Gefährdungsbeurteilung, Risikoanalyse)
Gefährdungsbeurteilung 24, 97, 126, 139, 165, 201, 235, 238, 301-314, 324 ff.,
psychischer Belastungen 349-355, 357, 384, 398
Sach A 448 Sachbegriffe

Gefährdungsbereiche 83 f. (siehe Risiken)


Gefahrstoffverordnung 81, 96 (siehe Rechtsfragen)
GefstoffV siehe Gefahrstoffverordnung
Genuss statt Frust 174 f. (betriebliches Ernährungsprogramm)
Geräte- und Produktsicherheitsgesetz 96 (siehe Rechtsfragen)
Gestaltungsvorschriften 85-98 (siehe Kapitel 2.4)
Gesunde Arbeitswelt 12, 217, 254, 424
Gesunde Führung & 62 f., 76, 130, 133, 135, 151-154, 202, 204-206, 213,
229 ff. (siehe Führung)
Gesunde Performancekultur 424
Gesundheitsangebote 47, 71, 103, 150, 154 ff. (Toolbox BGM), 157-197,
234, 341, 377 ff. (Stressmanagement), 393, 405, 409,
411, 414, 418, 420
Gesundheitsassessment 246, 248 (siehe Controlling)
Gesundheitsbeauftragte 394 f.
Gesundheitsbefragung 26 ff., 47, 74, 220, 235, 254 f., 303, 324 f., 328
(siehe Standortbestimmung)
Gesundheitsbegriff 5 f., 7, 11, 51 f., 54 f., 56, 106, 287, 329-343
(Gesundheitsscores), 402
Gesundheitsbenchmarking 50, 221, 246, 248, 271, 295, 311, 332, 335 (s. Awards)
Gesundheitsberichte 17 f., 32, 51, 54, 63, 80, 164, 336
Gesundheitsbewusstsein 33, 43, 65, 181, 250, 325, 330 f., 343, 414, 418
Gesundheitsbildung 393-403, 404-408 (Neue Medien), 409
Gesundheitscoaching 37, 55, 156, 169, 420
Gesundheitscrash 72
Gesundheitsdidaktik 70 f., 74, 77, 422
Gesundheitsförderung (BGF) 10, 36-38, 43 f., 47, 49, 67, 70, 72, 85 (Qualitätskrite-
(Kernbegriff, daher häufig genutzt!) rien), 103, 153, 188 ff. (Maßnahmen), 227 ff. (Quali-
tätsmanagement), 234, 279, 283, 325, 333 f., 365,
399 f., 422 (siehe Eckpfeiler Æ Kapitel 2)
Gesundheitsindex 344, 347 f., 414
Gesundheitsindikatoren 6 f., 17, 19 f., 137 f., 145, 220, 238, 241 ff., 247 f.,
255 ff., 281, 299, 356
(siehe Indikatoren, Gesundheitsscores)
Gesundheitskommunikation & 181-184, 198-204, 214, 231

V Gesundheitskompetenz & 31, 62, 71, 73-75, 77, 152, 156, 210, 256, 258, 346 ff.
63, 67 ff., 72, 76 f., 103, 109, 133 f., 151, 204,
Gesundheitskultur &
207-213, 217, 233, 331, 346 ff., 411, 419
Gesundheitskybernetik 11 (siehe Regulationskompetenz)
Sachbegriffe 449 A Sach
Gesundheitsmanagement (BGM) 35-39, 216-234 (Qualitätsmanagement), 411 f.
(Kernbegriff, daher häufig genutzt!) (Kernaussagen), 415-417 (Eckpfeiler), 417 f.
(Gestaltungsansatz) (siehe Kapitel 2)
Gesundheitsmanager 137, 395
Gesundheitsmarketing 181, 198-203, 212, 214, 231, 337
(siehe Gesundheitskommunikation)
Gesundheitsmonitoring 18 ff., 217, 219, 234-248, 251, 287, 355 (siehe Ge-
sundheitsassessment, Evaluation, Controlling)
Gesundheitsökonomie 44, 290 f., 302
Gesundheitspolitik 7, 9, 42, 55, 59, 61 ff., 77, 92, 98, 100, 104, 216

Gesundheitsquote 69, 72, 138, 241, 267 (siehe Fehlzeitenquote)


Gesundheitsreport 17, 51 (Krankenkassen)
Gesundheitsressourcen 7, 36, 138
Gesundheitsscores 273, 299, 314-343, 356, 414
Gesundheitsstatus 16-25, 33, 246
Gesundheitstarifvertrag 91, 100
Gesundheitsverhalten 10, 26, 33, 74, 156, 182, 188-197, 210, 214, 251, 256,
339 f., 366, 413 (siehe Risikoverhalten)
Gesundheitsverständnis 8, 42, 53, 54 f., 65, 98, 208
(siehe Gesundheitsbegriff)
Gesundheitszirkel & 63, 150, 384
Gesundheitszustand 16-30, 51, 53 f., 56, 255 f., 259 f., 338 f.
(siehe Gesundheitsstatus)
Gewichtsreduktion 173 ff. (siehe Adipositas)
Gleichbehandlungsgesetz 93 (siehe Rechtsfragen)
Globalisierung 45, 65, 85, 92
GPSG siehe Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
Grundgesetz 97

H
Hamburger Modell 268, 272
Handlungsfelder 30 ff., 35-38, 55 f., 137 f., 364
Handlungsregulationstheorie & 119, 319
Handlungsvektoren BGF 194, 415
Hardiness & 131, 367
Haus der Arbeitsfähigkeit 37, 139-141, 145, 315 f., 342
Health and Productivity Management 248, 289
Health Balanced Scorecard & 47, 138, 241-247, 299, 322, 329, 342 f., 346
(siehe Balanced Scorecard)
Health Campaigning 200, 203
Health Consulting 201, 203
Sach A 450 Sachbegriffe

HERO-Studie & 52, 288 f., 356


Humanisierung 40-42, 106, 321 f., 421 (siehe Humankriterien)
Humankapital 76, 236, 295 ff., 300, 412
Humankriterien 321 f.

I
IGA siehe Initiative Gesundheit und Arbeit
ILO 87 (International Labour Office)
Impuls-Test (Arbeitsanalyse) 312, 314, 324
Indikatoren 6 f., 17, 19 f., 32, 137 f., 145, 220, 228, 241 ff., 247 f.,
249 ff., 255-261, 281, 299, 329, 335 f., 355 f.
(siehe Gesundheitsindikatoren, Früh-/Spätindikatoren)
Individualisierung 31, 189, 418
Informationssystem Gesundheitsbericht 54 (siehe Gesundheitsberichte)
Initiative Gesundheit und Arbeit 18, 240, 284, 286 f.
Initiative Neue Qualität der Arbeit 24, 40, 50
INQA siehe Initiative Neue Qualität der Arbeit
Integrierte Gefährdungsanalyse 314
Internale Ressourcen 43, 130-132, 135, 145, 325, 367 (siehe Ressourcen)
Internationalisierung 49, 87-89, 159 (siehe Europäisierung)
Investition 12, 44, 148, 236, 246, 249, 272, 284-288, 294, 356,
412, 416 (siehe Finanzkennziffern)
ISO-Philosophie 89, 99, 216, 222-224, 227 231 f., 234
(siehe DIN EN ISO 9000 ff.)
ISTA (Arbeitsanalyse) 313, 324

J
JarbSchG siehe Jugendarbeitsschutzgesetz
Jojo-Effekt 29, 173
Jugendarbeitsschutzgesetz 97 (siehe Rechtsfragen)

K
KAN siehe Kommission Arbeitsschutz und Normung
Kausalität 15, 20, 53, 102, 194, 232, 240, 253 f., 272, 390, 412
Kennzahlen 102, 234 f., 248-282, 287 f., 290, 295-297 (Finanz-
kennzahlen), 300, 314-318 (Gesundheitsscores), 328 f.,
335-337 (Datenportfolio), 342 f., 347, 355, 412, 416
V (siehe Health Balanced Scorecard)
Key Performance Indikatoren & 248 f., 355
KFZA (Arbeitsanalyse) 312, 314, 324, 342
Kognitive Ergonomie 124, 308 (siehe Softwareergonomie)
Ko-/Multimorbidität & 19, 23, 53, 56, 58, 158, 170
Sachbegriffe 451 A Sach
Kohärenz & 10, 43, 65, 130 f., 414 (siehe Salutogenese)
Kommission Arbeitsschutz und Normung 82, 89
Kondratieff-Zyklus & 57
Konfliktbearbeitung/-management 47, 151, 166-169, 214
Konstruktivismus & 70 f., 74, 77 (siehe Gesundheitsdidaktik)
Kontrollüberzeugung & 132
Konzept der Anforderung und Belastung 112
Konzept der vollständigen Tätigkeit 113
Konzertierte Aktion 53, 88, 216, 364, 424
Körperintelligenz 176, 382, 387
Kosten-Nutzen-Relation 145, 154, 236, 246, 283 f., 287, 290 f., 313, 356, 411
Kosten ungestörter Arbeitsstunden 292, 293-295, 300, 356
Kosten(controlling) 69, 133, 148, 157, 164, 236, 248 f., 262 f., 267 f.,
271 f., 284-291, 299 f. (siehe Controlling)
KPB (Arbeitsanalyse) 312
Krankheitspanorama 19, 58 f., 66, 74, 77, 270, 421 f.
(siehe Gesundheitszustand, Chronifizierung)
Kundenorientierung 60, 81, 224, 233, 236, 361, 416 (siehe ISO-Philosophie)
Kundenzufriedenheit 222

L
Längsschnittstudie/-daten 15, 19 f., 26, 29 ff., 148 f., 238, 251, 287, 333 f.,
340 ff., 356
Lebensarbeitszeit 45, 58, 77, 423
Lebensqualität 6, 23 f., 29, 57, 109 f., 127, 143, 173, 418, 422
Lebensstil 16, 18 f., 171 f., 420, 421 f., 423
Lebensstilstudie (EPIC) 16, 171 f., 179
Lebenszeitprävalenz 22, 164
Leistungsstatistik 292 f., 299, 300, 336, 356
Leitlinien 57, 78 f., 81, 85, 98 f., 208, 216, 233, 238 f., 244
(siehe Kapitel 2.4)
Leitsätze BGF/BGM 412-418
Lernende Organisation 368, 371
Lernzyklus 218, 220 f., 233, 355
Liberalisierung 79, 98 (siehe Rechtsfragen)
Life Cycle 71 f., 73 (siehe S-I-N-E-Prinzip)
Life Domain Balance 109 f.
Life-Event-Forschung 116
Life-Leadership 127 (siehe Führung)
Sach A 452 Sachbegriffe

Life System 9, 71 ff., 418, 421, 423


LOGI-Methode 178 f.
Lost Productive Time (LPT) 272 f.
Luxemburger Deklaration 78, 85, 98 f. (siehe Deklarationen)

M
Managed Care System & 44, 55, 59, 77
Managementaufgabe 136 (siehe Gesundheitsmanagement)
Mediation 47, 168, 214 (siehe Konfliktbearbeitung)
Mehrkomponentenprogramme 247, 283, 287, 299
Menschenbild 80, 101 (siehe Humankriterien, Humanisierung)
Messinstrumente 243, 348 f. (s. Arbeitsanalyse, Gesundheitscontrolling)
Metaanalyse & 108, 121, 184, 238, 257, 258 ff., 261, 281, 283 ff.
Metabolisches Syndrom & 22, 33, 53, 178, 270, 421
Mindmapping 379
Mission against Stress 404-407 (Stress und Neue Medien)
Mitarbeiterbeteiligung 66, 78, 105 f., 133, 150, 152, 212, 413
(siehe Partizipation)
Mittelstand 49, 59 f., 67 ff., 77, 100, 231, 286, 412
Mobbing 47, 55, 64, 126, 308 (siehe Konfliktbearbeitung)
Modell der Arbeitscharakteristika & 255, 257
Moderatoren 45, 171, 238, 256, 258, 260, 281
Monotonie & 84, 126, 307
Morbidität & siehe Ko- und Multimorbidität
Morbiditätsstatistiken 51
Move europe (Projekt) 79
Multiple Chemical Sensitivity & 66
Multiplikatoren 152, 187, 302, 394, 420
MuSchG siehe Mutterschutzgesetz
Muskelentspannung 47, 382 f., 384, 391
Muskel-Skelett-Erkrankungen 22, 51 f., 157, 84, 122, 260, 270
Mutterschutzgesetz 97 (siehe Rechtsfragen)

N
V Nachhaltigkeit (BGF/BGM) 9, 29 f., 36, 38, 40, 46, 57, 60, 67 ff., 70 f., 78, 84, 92,
(Kernbegriff, daher häufig genutzt) 104, 133, 151, 153 f., 184, 207, 211, 213, 217 f.
(siehe Sustainable Human Resource Management)
Nachhaltigkeitsindex/-effekt 336, 341
Nachsorgegruppe 163 f.
Sachbegriffe 453 A Sach
Neue Arbeits- und Organisationsformen 65, 86
Normen 83, 89 f., 91, 94, 96, 99, 224

O
Optimistische Fehlschluss 189, 193, 197
Organizational Citizenship Behaviour 31, 134
Orgapathologien 258
Ottawa Charta 8, 65, 78, 85, 99

P
Panel 15, 342 (siehe Längsschnittdaten)
Paradigmenwechsel 7, 30, 40, 42, 55, 62, 70, 77, 107, 216, 322
Partizipation 66, 68, 150, 184 ff., 194, 205, 217, 228 f., 233, 235,
355, 413, 417 ff., 420
(siehe Empowerment, Mitarbeiterbeteiligung)
Partizipative Verhältnisprävention 417
Partizipatives
Produktivitätsmanagement & 66

Pathogenese siehe Salutogenese


PDCA 221, 243 (Plan, Do, Check, Act)
Person-Environment-Fit 116, 377
Präsentismus & 64, 193, 195, 257, 262-264, 268, 272, 281, 347
Prävention & 7, 9, 33, 46, 49, 58, 90 ff., 101, 104 f., 129-135,
148 ff., 157, 173, 179, 196 f., 207 f., 213 f., 340 f.,
(Kernbegriff, daher häufig genutzt!) 385, 400, 412, 416 f., 420
(siehe Verhaltens-/Verhältnisprävention, Primär-,
Sekundär- und Tertiärprävention) (siehe Kapitel 3.3)
Präventionsbilanz 29, 285 f.
Präventionsgesetz 97
Präventionsressourcen 31, 129-135, 374
Prekäre Arbeitsverhältnisse 59, 77
Primärprävention 98, 157, 159, 161, 368
Problembewusstsein 175
Problemlösetechniken 185, 377, 379, 395
Problempyramide BGM 234, 236, 411
PROCAM-Studie 17 f.
Produktivität 6, 75, 143, 145, 151, 230, 256, 272, 283, 288
Progressive Muskelentspannung 47, 382 f. (siehe Entspannung)
Prospektiver ROI 251, 287-290, 291, 299 f.
Prozessmanagement 243 (siehe Qualitätsmanagement)
ProZukunft (betriebliches Projekt) 366
Sach A 454 Sachbegriffe

Psychische Beanspruchung 61, 76, 94, 110 ff., 341, 346, 348
(siehe Beanspruchung, Stress)
Psychische Belastung 22, 27, 52, 69, 80 f., 93 ff. (Recht), 269, 304, 307 ff.,
360 (siehe psychosoziale Belastungen, Gefährdungsbe-
urteilung psychischer Belastungen)
Psychische Ermüdung & 106, 120, 195, 373
Psychische Gesundheit 10 f., 18, 24, 52, 79, 81, 287, 302, 314
Psychische Störung & 19, 52, 54, 157-169, 213, 263, 352
Psychische Sättigung & 373
Psychosomatische Beschwerden 32, 53, 373 f.
Psychosoziale Belastung 24, 27, 30, 50, 61, 64, 80 f., 84, 90, 99, 113, 119, 126,
129, 244, 328
(s. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen)
Psychosoziale Konflikte 31, 119, 126, 129, 166-169 (siehe Mobbing)
Psychosoziales Wohlbefinden 145, 166, 195, 208, 229, 256, 347, 386, 424
(siehe Wohlbefinden)
psyGA 24, 52, 302 (Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt)
Psy.Res® (Arbeitsanalyse) 313

Q
Qualität der Fehlzeiten 273, 275 f., 356
Qualitätsanforderungen/-kriterien 85 (BGF), 98 f., 222, 227-232 (BGM), 234, 297,
321 (Arbeitsanalyse), 360
Qualitätsmanagement 38, 85, 218-232, 233, 237, 248, 256, 297, 355 (siehe
Total Quality Management, Exzellenz, EFQM)
(siehe Kapitel 5)
R
RADAR-Bewertungsmethodik 221 f., 231, 237 (siehe PDCA)
Radmodell der Arbeitswissenschaften 12, 102 f.
Rechtsfragen 6 f., 66, 67 f., 77, 78-100, 227, 301, 314, 350
Refinanzierung 49, 306, 422
Regenschirmmentalität 10, 101 f.
Regulations- und Ressourcemodell 113 f.
Regulationsbehinderungen 120, 322, 346
Regulationskompetenz & 11 f. (siehe Selbstregulation)
Regulationsstörungen 166

V Rehabilitation
Reifegradmodell
37, 44, 46 f., 97, 157 f., 160-164
221
Reparaturergonomie 12, 42, 55, 101 f.
Repetitive Strain Injury & 66
Resilienz & 9, 29, 107, 380, 424
Sachbegriffe 455 A Sach
Ressourcen & 26 f., 36, 43, 106, 109, 112 ff., 129-135, 138 f., 145,
156, 184 ff., 197, 211, 315, 317, 325 f., 347 f., 367-369
(Kernbegriff, daher häufig genutzt!) (Demografie), 374-384 (Stress), 386, 390, 417, 420,
(hier Bezug BGM, andere Ressourcen 422, 424 (siehe internale und externale Ressourcen,
siehe Wirtschaftlichkeit) Gesundheits- und Präventionsressourcen)
Return on Investment (ROI) & 102, 249, 282 f., 287 f., 299
Return on Prevention (ROP) 285
Risikoanalyse siehe Risikoidentifikation
Risiken 16-25 (Studien), 27 ff., 58, 83, 124, 126 ff. (Risikofak-
Risikofaktoren toren), 144 f., 188-197 (Umgang mit Risiken), 240,
244, 412
Risikoidentifikation 237-240, 247
Risikokataster 21 f., 238, 279
Risikokombinationsindex 28
Risikomanagement 192, 237-241, 247, 249, 253, 355, 385
Risikosensibilisierung 190, 196 (siehe Sensibilisierung)
Risikoverhalten 188, 189-197, 413
Robert Koch-Institut (RKI) 18, 51, 54
Rubikon-Modell der Motivation & 162
Rückkehrgespräche 47, 70, 150

S
SALSA (Arbeitsanalyse) 313
Salutogenese & 10, 32, 43, 54 ff., 65, 74, 104, 107, 131 f., 197, 317,
322, 390, 412, 414 (siehe Kohärenz)
SCOHS 38, 228 f., 234 (siehe Standardisierung)
Sekundärprävention 157, 165, 380 (siehe Prävention)
Selbstbestimmung 8 f., 24, 193 f., 418-421 (siehe Eigenverantwortung)
Selbstbewertung 220-222, 224, 233, 243, 246, 248, 355
(siehe Qualitätsmanagement)
Selbsteinschätzungsfragebogen 222
Selbsthilfegruppe 164, 175
Selbstmanagement 10, 315, 325, 374, 390
Selbstregulation 8, 71, 75, 113, 377, 390, 416 f.
Selbstwirksamkeit & 10, 27, 43, 74 f., 77, 118, 130, 132, 193-195, 258, 338,
375 f., 390, 414, 424 (Selbstwirksamkeitserwartung)
Sensibilisierung 46, 70 f., 75 f., 183, 213, 303, 364, 421
(siehe Risikosensibilisierung)
Sensibilitätsindex (Fehlzeiten) 276 f., 279 f.
Servicescheine 297-299
S-I-N-E-Prinzip 71 f. (siehe Life-Cycle)
SMART-Studie 178 f.
Sach A 456 Sachbegriffe

Softwareergonomie 95, 124 f.


Solidarsystem 44, 288
Soziale Unterstützung 31, 109, 113, 130, 133 f., 209, 214, 385
Soziale Verantwortung & 55, 80, 85, 98, 110, 228
(siehe Corporate Social Responsibility)
Sozialgesetzbuch 6, 79, 82, 97 f., 159, 272, 306, 354, 422
(siehe Rechtsfragen)
Sozialkapital & 63, 65, 76, 134, 229, 256
Spätindikatoren 145, 192, 244, 254, 256, 257 f., 281, 299 (Indikatoren)
Stakeholder 48, 56, 219
Standardisierung BGM: 38, 85, 228 f., 234
Fehlzeiten: 273 f., 279, 281 f., 356
(siehe DIN SPEC 91020, SCOHS)
Standortbestimmung 25-33, 84, 317, 366, 368
START-Test (Arbeitsanalyse) 312
Statistisches Bundesamt 18, 59, 362 f., 371
Stress 22 f., 32, 47, 52, 109-121, 112 (Begriff), 144, 156 ff.,
(Kernbegriff, daher häufig genutzt!) 191 f., 195, 288, 318 ff., 359 f., 373-393, 404-409
(siehe Belastungen)

Stressbewältigung 195, 374, 376-380


Stress-im-Griff-AG / Stressmanager 118 f., 389-393
Stressimpfung 375 f.
Stressinventar 389, 391-393
Stresskompetenz 144, 374 f., 377
Stressmanagement & 47, 137, 189, 287, 373-393, 404 ff., 409 (siehe Stress)
Stresspräventive Ernährung 380 f.
Stressreport Deutschland 22, 195, 262, 269, 359
Stresstheorie 45, 375 f., 377 (siehe transaktionale Stresstheorie)
Subsidiarität & 62, 70, 77, 422
Sucht 16, 47, 150, 158-164, 172, 196
(siehe Abhängigkeitsstörungen, Arbeitssucht)
Suchtberatung / -prävention 160 f.
Sustainable Human Resource
Management & 57

System LIFE siehe Life-System


V Systemischer Ansatz & 69, 70 f. (siehe Konstruktivismus)

T
Tätigkeitsanalyse & 236, 315 ff. (siehe Arbeitsanalyse)
Telearbeit 65, 360
Sachbegriffe 457 A Sach
Tertiärprävention 9, 157, 161 (siehe Prävention)
Terzentilisierung & 245
Theorie der Betriebsunterbrechung 293 (siehe Kosten ungestörter Arbeitsstunden)
Toolbox Arbeitsanalyse 136, 309, 323 f.
Toolbox BGM 135, 154-156
Total Quality Management & 219, 225 f., 232 ff., 241, 247, 346
(siehe Qualitätsmanagement)
Transaktionale Stresstheorie 45, 116, 375 f., 377 (siehe Stresstheorie)
Treiber- und Indikatorenmodell 255 f., 261, 281, 299, 329, 339, 356
Treiberfaktoren 237, 255-261, 329 ff., 339
Trends 63-66 (Arbeitswelt), 67-77 (BGM), 99, 350 f., 360 f.
(Arbeitswelt) (siehe Kapitel 2.3)
Triangulation & 15, 20
Typ-A-Persönlichkeit 120 f., 191

U
Übergewicht 21, 51, 169-172, 173, 179, 192, 288 (siehe Adipositas)
Unfallkostenrechnungen & 300
Unfallpersönlichkeit 193
Unfallverhütungsvorschrift 7, 82 f., 90 f., 93-96 (siehe Rechtsfragen)
UN-Menschenrechts-Charta 95
Usability Engineering 124 f. (siehe Softwareergonomie)
V
Value of Health 282, 290
Veränderungen in der
Arbeits- und Lebenswelt 43, 56, 60 f., 126 f. (siehe Trends)

Verhaltenspathogene 8, 33, 191 f.


Verhaltensprävention 148-154, 155 f., 197, 213, 377, 417 (siehe Prävention)
Verhältnisprävention 148-154,155 f., 213, 316, 323, 352, 393 ff., 416 f.
(siehe Prävention)
Vertrauen 11, 42 ff., 55, 65, 76, 118, 131, 186 f., 205, 214, 304,
Vertrauenskultur 315, 421 (siehe Partizipation, Kohärenz,
Selbstwirksamkeit)
Verzehrstudie 17, 21, 51, 169
Visionen 60 f., 63, 79, 143, 212, 242 f., 245 f., 368
(siehe Trends)
Vitalitätsaudit 423 f.
Volkskrankheiten 32, 51, 148, 421 (siehe Krankheitspanorama)
Vollständigkeit (Aufgabe) 113, 119, 307, 347, 370
(siehe Arbeitsinhalt, Theorie der Vollständigkeit)
Sach A 458 Sachbegriffe

Vorteile von BGF/BGM 421 f. (siehe Kosten-Nutzen-Relation)


Vulnerabilität 191

W
WAI siehe Work Ability Index
WAI-Netzwerk 317
Waist-to-hight ration 169
Wertkette & 216, 233
Wertschätzung 40-42, 46, 54 f., 133, 265 f., 424
(siehe Partizipation, Führung, Kultur)
Wertschöpfung 66, 103, 216 f., 233, 283, 288 ff., 295 ff., 299 f., 355,
41,, 416, 423 (siehe Return on Investment, Value of
Health, Wirtschaftlichkeit)
WHO Definition 5 f., 7, 22, 54, 78, 85, 87, 98 f., 421
WidO (Wissenschaftl. Institut der AOK) 17, 25, 269
Wirksamkeit (Maßnahmen) 46 f., 66, 151, 189, 217, 233, 247, 258 ff., 281, 283,
286, 290 f., 333 f., 337 ff. (Ergebnisse), 343,
344-349 (Interview), 355, 382, 420 f.
Wirkungsebenen BGM 80
Wirkungsmodell zur Gestaltung
gesunder Arbeit 345-349 (siehe Wirksamkeit)

Wirtschaftlichkeit 138, 151, 228, 230, 290 f., 299 f., 314, 356, 416
(siehe Finanzkennziffern, Wertschöpfung)
Wirtschaftlichkeitsmaße 291 f.
Wirtschaftlichkeitsmessung 282-300 (siehe Wirtschaftlichkeit)
Wohlbefinden 6, 10, 24, 38, 54, 60 f., 78, 80, 106, 134, 145, 148, 166,
(Kernbegriff, daher häufig genutzt!) 195, 208, 210, 229, 347 f., 377, 424 (siehe WHO-
Definition, psychosoziales Wohlbefinden)
Work Ability Index (WAI) & 138-144 (Interview), 315-317 (Fachliche Betrachtung),
342, 356 (siehe Arbeitsfähigkeit, ABI)
Workaholism 196 (siehe Arbeitssucht)
Work-Life-Balance & 8, 24, 27, 37, 41, 54, 69, 106, 110, 127, 228, 244, 307,
343, 373, 386, 422
Wuppertaler Gesundheitsindex 347 f.
Y
Yoga 47, 382, 383 f.

V Zeitmanagement 185, 378 f.


Zertifizierung siehe Awards
Zivilisationsrisiken siehe Risiken, Verhaltenspathogene
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Literatur
Buch

 Buchbeitrag

 Elektronisches Medium

 Zeitschriftenbeitrag

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Witte, K. (1995). Fishing for success: using the persuasive health message framework to
 generate effective campaign messages. In E. Maibach and R. L. Parrott (Eds.), Designing
health messages. London: Thousand Oaks, pp. 145–166.
Worm, N. (2003). Glücklich und Schlank. Mit viel Eiweiß und dem richtigen Fett. Die LOGI-
Methode in Theorie und Küche. Lünen: systemed Verlag.
Wright, Th. A., Cropanzano, R. & Bonett, D. G. (2007). The moderating role of employee
 positive well being on the relation between job satisfaction and job performance. Journal of
Occupational Health Psychology, 12, pp. 93-103.

Z
Zangemeister, C. & Nolting, H.-D. (1997). Kosten-Wirksamkeits-Analyse im Arbeits- und
Gesundheitsschutz  Einführung und Leitfaden für die betriebliche Praxis. Schriftenreihe
Sonderschrift. Dortmund, Berlin: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
V Zapf, D. & Semmer, N.K. (2004). Stress und Gesundheit in Organisationen. In H. Schuler
 (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 3 (Organisationspsychologie, D/III/3). Göttingen
[u. a.]: Hogrefe.
Ziegler, E., Udris, I., Büssing, A., Boos, M. & Baumann, U. (1996). Ursachen des Absentismus:
 Alltagsvorstellungen von Arbeitern und Meistern und psychologische Erklärungsmodelle.
Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 40 (4), S. 204-208.
Quellen 485 A LiT
Zimolong, B. & Elke, G. (2001). Die erfolgreichen Strategien und Praktiken der Unternehmer.
 In B. Zimolong (Hrsg.), Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die erfolgreichen
Strategien der Unternehmen. Wiesbaden: Gabler, S. 235-268.
Zimolong, B. & Stapp, M. (2001). Psychosoziale Gesundheitsförderung. In B. Zimolong (Hrsg.),
 Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die erfolgreichen Strategien der Unter-
nehmen. Wiesbaden: Gabler. S. 141-169.
Zimolong, B. (2001). (Hrsg.). Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes: Die erfolg-
reichen Strategien der Unternehmen. Wiesbaden: Gabler.
Zimolong, B., Elke, G. & Bierhoff, H.-W. (2008). Den Rücken stärken: Grundlagen und Pro-
gramme der betrieblichen Gesundheitsförderung. Göttingen [u. a.]: Hogrefe.
Zimolong, B., Elke, G. & Trimpop, R. (2006). Gesundheitsmanagement. In B. Zimolong und U.
 Konradt (Hg.), Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 2 (Ingenieurpsychologie, D/III/2). Göttin-
gen: Hogrefe.
Zimolong,B. & Kohte, W. (2006). Integrativer und kooperativer Arbeits- und Umweltschutz in
der Metallindustrie  IKARUS: Organisatorische, rechtliche und psychologische Perspektiven.
Heidelberg: Asanger.
Zink, K.J. (2004). TQM als integratives Managementkonzept: Das EFQM Excellence Modell und
seine Umsetzung. 2. Auflage. München, Wien: Hanser.
Zohar, D. (2002). The effects of leadership dimensions, safety climate, and assigned priori-
 ties on minor injuries in work groups. Journal of Organizational Behavior, 23, 75-92.
Zollondz, H.-D. (2006). Grundlagen Qualitätsmanagement. 2. Auflage. Edition Management.
München: Oldenbourg.

Hinweis: Trotz sorgfältiger Kontrolle nach dem Mehraugenprinzip können sich


immer wieder bei der Menge an Quellen Fehler einschleichen. Daher bitten wir
Sie, falls Sie  was wir natürlich nicht hoffen  auf einen Quellenfehler auf-
merksam geworden sind, uns diesen zu berichten.
 Kommentierte Internetquellen
Stand: 03/15: Unsere Favoritenliste der Internetquellen
Diese Quellen haben wir intensiv bei unserem Buchprojekt
genutzt, um aktuelle Informationen zu erhalten.

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Awards
Awards Corporate http://www.corporate- Er wurde von Handelsblatt,
Health Award health-award.de/ EuPD Research und TÜV SÜD
Life Services initiert und steht
unter der Schirmherrschaft der
Initiative Neue Qualität der
Arbeit (INQA). Das Qualitäts-
modell baut auf die Bewer-
tungssäulen Strukturen (Veran-
kerung), Strategie und Control-
ling (Zielorientierung) sowie
Gesundheitsförderung (Maß-
nahmen) auf. Auf der Website
erhalten Sie Informationen zu
den Preisträgern aus dem
öffentlichen Sektor und der
Privatwirtschaft seit 2009.
Awards Deutscher http://www.deutscher- Die BKK Bundesorganisation
Unterneh- unternehmenspreis- vergibt den Deutschen Unter-
menspreis gesundheit.de/ nehmenspreis Gesundheit. Es
Gesundheit können sich Organisationen
bewerben, die ihren Hauptsitz
in Deutschland haben, Maß-
nahmen der BGF durchführen
und die Luxemburger Deklara-
tion unterzeichnet haben. Auf
der Website werden die Preis-
träger seit 2007 aufgeführt. Im
Download-Bereich sind der
Best-Practice-Fragebogen und
die Qualitätskriterien für BGF
des Europäischen Netzwerkes
(ENWHP) zu empfehlen.
Awards Haward® http://www.haward.de/ Dieser Award stellt eine BGM-
Health Award health-award/ Auszeichnung für Organisatio-
nen dar, deren BGM-Modelle
sich an die Anforderungen bzw.
Spezifikationen der DIN SPEC
91020 orientieren. Vorausset-
zung zur Teilnahme ist eine
BGM-Zertifizierung nach TÜV
NORD Cert oder DQS.
INT A 488 Internetquellen

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Daten und Statistiken
Daten Datenbank http://www.arbeitssicherheit Dieses Verzeichnis (BGVR)
BGVR .de/de/html/bgvr-verzeichnis enthält  nach Kapiteln unter-
teilt  berufsgenossenschaftli-
che Vorschriften und Regeln
für Sicherheit und Gesundheit
bei der Arbeit.

Daten Datenbank http://nora.kan.de Normen-Recherche-


NoRA Arbeitsschutz  diese Daten-
bank wird monatlich aktuali-
siert. Aktuell enthält sie Infor-
mationen zu 13.737 Normen
(Stand 02/15).
Daten DGB-Index http://index-gute- Der DGB-Index Gute Arbeit
Gute Arbeit arbeit.dgb.de/ misst die Arbeitsqualität aus
Sicht der Beschäftigten. Es
liegen Daten von bundesweiten
repräsentativen Erhebungen
seit 2007 vor. Aus BGM-Sicht
sind einige interessante Belas-
tungs- und Beanspruchungsfra-
gen im Index hinterlegt.
Daten DZA http://www.dza.de Diese Website bietet aussage-
Deutsches kräftigen Alterssurveys aus
Zentrum für Sicht des Demografiemanage-
http://www.gerostat.de ments. Entweder liest man die
Altersfragen
Sozialberichterstattung oder
führt eine Recherce bei
GeroStat durch.
Daten DGUV http://www.dguv.de/de/ Das Portal der DGUV enthält
Deutsche Datenbanken Unfallverhütungsvorschriften,
Gesetzliche http://publikationen.dguv.de Regeln, Informationen und
Unfallversi- Grundsätze nebst verschiede-
cherung ner Medien. Eine Anmeldung ist
erforderlich. Interessant ist
hier auch die Bilddatenbank
(Pressebilder).
Daten Informations- http://www.gbe-bund.de Diese Online-Datenbank des
system der Bundes ist sehr ertragreich,
Gesundheits- wenn man sie mit den richtigen
bericht- Fragen füttert. Von da aus
erstattung lassen sich Daten aus Deutsch-
land, aber auch internationale
Daten der OECD und WHO
V recherchieren.
Internetquellen 489 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Daten Renten- http://forschung.deutsche- Es handelt sich um das For-
Statistik rentenversicherung.de schungsportal der Deutschen
Rentenversicherung. Das For-
schungsdatenzentrum (FDZ-RV)
stellt Mikrodatensätze aus dem
Bestand ihrer prozessprodu-
zierten Daten zur Verfügung.
Daten Statistisches http://www.destatis.de Dort finden Sie ein umfangrei-
Bundesamt ches Datenangebot. Unter der
(Destatis) Themenrubrik Arbeitsmarkt
können Sie Entwicklungen und
Eckzahlen zur Erwerbstätigkeit
abrufen. Interessant ist die
Datenquelle des Mikrozensus
von jährlich rund 800.000 in
Deutschland lebenden Men-
schen. Zusammenfassungen
bietet das STATmagazin.

Fragebögen
Fragebogen FINDRISK http://diabetes- Mit dem Gesundheitscheck
Diabetes risiko.de/diabetes- Diabetes FINDRISK der Deut-
Metabolisches risikotest.html schen Diabetes Stiftung kann
Syndrom man das individuelle Risiko
bestimmen, in den nächsten 10
http://diabetes- Jahren an Diabetes Typ 2 zu
risiko.de/metabolisches- erkranken. Dort findet sich
syndrom.html auch ein Risikotest zur Be-
stimmung des metabolischen
Syndroms.
Fragebogen Fragebogen http://www.copsoq.de/ Hier finden Sie die Fragebögen
COPSOQ http://www.ffas.de/ COPSOQ und auch eine Online-
Forschungs- Version. Zusätzlich empfehlen
http://www.copsoq- wir Ihnen die Website der
stelle der datenbank.de/
Arbeits- und Freiburger Forschungsstelle der
Sozialmedizin http://www.copsoq- Arbeits- und Sozialmedizin.
network.org Dort finden Sie neben einer
Datenbank Datenbank mit berufsgruppen-
Copsoq spezifischen Referenzwerten
für psychische Belastungen
wichtige Publikationen.
Fragebogen Fragebogen http://www.buendnis- Dieser Selbsttest von Prof.
Selbsttest depression.de/ Hegerl ist an ICD-10/V ange-
Depression depression/selbsttest.php lehnt.
Fragebogen Fragebogen www.netzwerk-unternehmen- Der Fragebogen ermöglicht
zur Selbstein- fuer-gesundheit.de eine Selbstbewertung des
schätzung Reifegrads und Qualitätsni-
veaus der betrieblichen Ge-
sundheitsförderung. Er lässt
sich auf dieser Website down-
loaden (Reiter Download).
INT A 490 Internetquellen

Rubrik Quelle URL Kommentar


Fragebogen Selbstwirk- http://userpage.fu- Auf dieser Website befindet
samkeitsskala berlin.de/~health/ sich die psychometrische Skala
selfscal.htm zur allgemeinen Selbstwirk-
samkeitserwartung mit ledig-
lich 10 Items. Das Instrument
http://userpage.fu- ist 30 Sprachen übersetzt
berlin.de/~health/ worden. Die Rohdaten von
germscal.htm 18.000 Teilnehmern aus 23
Ländern können als Datei
heruntergeladen werden.

Gesellschaften
Gesellschaft American http://www.acoem.org ACOEM ist eine bedeutende
College of Organisation von Ärzten, die
Occupational für die Gesundheit und Sicher-
and Environ- heit von Mitarbeitern, Arbeits-
mental Medi- plätzen und Umwelt eintreten.
cine (ACOEM)
Gesellschaft DGPS http://www.aowdgps.de/ Die Seiten der Fachgruppe
AOW der Arbeits-, Organisations- und
deutschen Wirtschaftspsychologie sind
Gesellschaft v. a. interessant, wenn man
für Psycholo- nach aktuellen Tagungen und
gie Kongressen sucht.

Gesellschaft BVPG www.bvpraevention.de Auf dieser Website finden Sie


Bundesverei- allgemeine Information zur
nigung Prä- Prävention. Für uns sind v. a.
vention und die Informationen „Gesund am
Gesundheits- Arbeitsplatz“ und „Psychische
förderung Gesundheit“ von Interesse. Von
e.V. dieser Seite aus werden auf
Studien etc. verwiesen.

Gesellschaft DGAUM http://www.dgaum.de Die Website der Deutschen


Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin
Gesellschaft und Umweltmedizin e. V.
für Arbeits- bietet Informationen zu Fort-
und Umwelt- und Weiterbildung, Veranstal-
medizin tungen und Kongressen etc.

Gesellschaft GfA http://www.gesellschaft- Auf dieser Website der Gesell-


Gesellschaft fuer-arbeitswissenschaft.de/ schaft für Arbeitswissenschaft
für Arbeits- steht die Zeitschrift für Ar-
wissenschaft beitswissenschaft im Vorder-
http://www.zfa-online.de grund. Zu empfehlen ist v. a.
e. V.
der Reiter „Ergonomie-online“.
Gesellschaft DGPS http://www.gesundheitspsych Die Fachgruppe Gesundheits-
V GP der deut- ologie.net psychologie hat neben Termi-
schen Gesell- nen auch eine Sammlung evalu-
schaft für ierter Programme zur Präven-
Psychologie tion und Gesundheitsförderung
erstellt.
Internetquellen 491 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Gesundheit
Gesundheits- BMG http://www.bmg.bund.de/ V. a. möchten wir Ihnen im
förderung Bundesminis- themen/praevention/ Thema „Betriebliche Gesund-
terium für betriebliche- heitsförderung“ die Projekt-
Gesundheit gesundheitsfoerderung.html landkarte, Best Practice Bei-
spiel und Videos empfehlen.

Gesundheits- DNBGF http://www.dnbgf.de Das DNBGF geht auf eine Initia-


förderung Deutsches tive des Europäischen Netz-
Netzwerk für werks für Betriebliche Gesund-
Betriebliche heitsförderung ENWHP zurück
Gesundheits- und wird vom Bundesministeri-
förderung um für Arbeit und Soziales
BMAS und vom Bundesministe-
rium für Gesundheit BMG
unterstützt. Beim Reiter
„Download“ finden Sie nahezu
alle aktuellen Themen.
Gesundheit WHO http://www.who.int/en/ Auf der regionalen deutschen
Weltgesund- Seite finden Sie unter der
heitsorganisa- Rubrik „Publikationen“ alle
http://www.euro.who.int/de relevanten Erklärungen und
tion /home Statements.

Gesundheits- Allgemeiner Folgende „Institutionen“ sind hinsichtlich der Gesundheitsförde-


förderung Link-Hinweis rung in der Arbeitswelt miteinander eng verlinkt:
x Deutsches Netzwerk Betriebliche Gesundheitsförderung (DNBGF)
x Bundesministerium für Gesundheit – Prävention (BMAS)
x Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA)
x Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG)
x Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)

BMAS

INQA DNBGF IGA

BVPG
INT A 492 Internetquellen

Rubrik Quelle URL Kommentar


Information
Information Bangkok http://www.who.int/healthpromotion/conferences/6gchp/BCH
Charta P_German_version.pdf
Information Der Drogen- http://www- Wenn es um das Thema Sucht
beauftragte drogenbeauftragte.de und Drogen geht, ist diese
Website eine wichtige Informa-
tionsquelle zur aktuellen Situa-
tion in Deutschland. Dabei
werden nicht nur Klassiker
betrachtet, sondern auch
moderne Formen der Sucht wie
Glücksspiel oder Internetsucht.
Interessant sind hier v. a. auch
die Datenlandschaften.
Information DIN EN ISO http://www.iso.org/iso/en/is Die DIN EN ISO 9000 ff. hat
o9000-14000/index.html schon mehrere Updates erfah-
ren. Die letzte Änderung er-
folgte 2008 (ISO 9001:2008).
Information Disability http://www.disability- In diesem Portal der Deutschen
Management manager.de Gesetzlichen Unfallversiche-
rung finden Sie alle relevanten
Informationen zur Qualifizie-
rung als Disability Manager zum
Download.
Information Gesundheits- http://www.gkc.uni- Das GKC versteht sich als ein
kompetenz- wuppertal.de Forum für den Erfahrungs- und
Center Wissensaustausch im Bereich
der BGF aus wirtschaftspsycho-
logischer Sicht.
Information infoline Ge- http://www.infoline- Der Informationsdienst des
sundheitsför- gesundheitsfoerderung.de hessischen RKW-Arbeitskreises
derung „Gesundheit im Betrieb“ bietet
viele praxisnahe Informationen
zur BGF. Man kann diese Web-
site als eine Art Präventions-
portal bezeichnen.
Information LOGI-Methode http://www.logi-methode.de Hier erfahren Sie alles über die
LOGI-Methode. Interessant sind
v. a. auch die Downloads.
Information Luxemburger http://www.luxemburger- Europäischen Netzwerks für
Deklaration deklaration.de/ betriebliche Gesundheitsförde-
rung! Der Download-Bereich
enthält alle relevanten Infor-
mationen.
V http://www.netzwerk- Wählen Sie dort den Reiter
unternehmen-fuer- „Luxemburger Deklaration“!
gesundheit.de
Information Ottawa http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/129534
Charta /Ottawa_Charter_G.pdf
Internetquellen 493 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Information Psychische http://psyga.info psyGA ist ein Angebot der
Gesundheit in Initiative Neue Qualität der
der Arbeits- Arbeit (INQA) und bündelt das
welt Tipp Studien: Knowhow zum Thema „Psychi-
psyGA http://psyga.info/ueber- sche Gesundheit in der Ar-
psyga/materialien/studien/ beitswelt“. Für diejenigen, die
tiefer in das Wissensfeld ein-
steigen wollen, sind die kom-
mentierten Studien eine her-
vorragende Ausgangsbasis.
Information Sucht am http://www.sucht-am- Die Deutsche Hauptstelle für
Arbeitsplatz arbeitsplatz.de/ Suchtfragen e.V. und die Bar-
mer GEK bieten mit dieser
Website praxisnahe und um-
fasssende Informationen zu
diesem tabuisierten Thema. So
wird bspw. der Stufenplan oder
ein betriebliches Suchtpro-
gramm vorgestellt. Umfassen-
de Links zu Quellen ermögli-
chen eine Vertiefung.
Information Web-Server http://europa.eu Zugang zum Web-Server der
der Europäi- Europäischen Union
schen Union

Kommissionen
Kommission CEN http://www.cen.eu European Committee for Stan-
dardization
Kommission CENELEC http://www.cenelec.eu European Committee for Elec-
trotechnical Standardization
Kommission ISO http://www.iso.org International Organization for
Standardization
Kommission KAN http://www.kan.de Kommission für Arbeitsschutz
und Normung

Kooperationen Gesundheit
Kooperation Deutsches http://www.arbeitsfaehigkeit Das Deutsche WAI-Netzwerk
WAI-Netzwerk .uni-wuppertal.de dient der Förderung der An-
wendung des Work Ability
Index (WAI) in Deutschland. Sie
www.arbeitsfaehigkeit.net/ finden auf der Website nicht
nur wichtige Publikationen,
sondern auch den Fragebogen
als Kurz- und Langversion.
INT A 494 Internetquellen

Rubrik Quelle URL Kommentar


Kooperation ENWHP http://www.enwhp.org The European Network for
European Workplace Health Promotion
Network for Das Europäische Netzwerk für
Workplace Betriebliche Gesundheitsförde-
Health Promo- rung wartet mit einer Toolbox
tion „Successful Ways to better
Workplace Health“ auf. Auch
liegt ein Selbsteinschätzungs-
fragebogen vor. Es wurde 1996
gegründet und versteht sich als
Netzwerk verschiedener Akteu-
re im nationalen und europäi-
schen Gesundheitssystem. Das
Leitbild lautet: Gesunde Mitar-
beiter in gesunden Organisati-
onen. Im Reiter „Publications“
finden Sie interessante Ergeb-
nisberichte und weitere Infor-
mationen.
Kooperation GDA http://www.gda-portal.de Die Gemeinsame Deutsche
Gemeinsame Arbeitsschutzstrategie hat das
Deutsche Ziel, Sicherheit und Gesundheit
Arbeitsschutz- der Beschäftigten durch einen
strategie http://www.deutscher- systematischen Arbeitsschutz
arbeitsschutzpreis.de/ ergänzt durch BGF-Maßnahmen
zu erhalten und zu fördern. Es
ist eine Dauer angelegte
konzertierte Aktion von Bund,
Ländern und Unfallversiche-
rungsträgern. Im Download-
Breich sind die Abschlussbe-
richte zu den Arbeitsprogram-
men interessant. Der Link zum
„Deutschen Arbeitsschutzpreis“
ist empfehlenswert. Dort
werden Best-Practice-Beispiele
aufgeführt.
Kooperation IGA http://www.iga-info.de Das Ziel, BGF zu verbreiten
Initiative und durch Kooperationen das
Gesundheit & Handlungswissen zu erweitern,
Arbeit wird u. a. von dieser Initiative
von Krankenkassen und der
Deutschen Gesetzlichen Unfall-
versicherung wahrgenommen.
Empfehlenswert ist hier der
IGA-Check neben vielen ande-
ren Tools und Informationen.
Die Reihen iga-aktuell und iga-
V Reporte stellen aktuelle Infor-
mationen dar.
Internetquellen 495 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Kooperation INQA http://www.inqa.de Die Initiative Neue Qualität der
Initiative http://gutepraxis.inqa.de Arbeit (INQA) als interdiszipli-
Neue Qualität näres Praxisprojekt beschäftigt
der Arbeit sich mit vielen Faktoren, die
aus Sicht der BGF von Bedeu-
tung sind: Lebenslanges Ler-
nen, Zunahme der psychosozia-
len Belastungen, Älterwerden
in der Beschäftigung etc. Sie
finden auf der Website anre-
gende Praxisberichte.
Sehr empfehlenswert:
INQA-Datenbank Guter Praxis

Krankenkassen
Krankenkasse BKK Bundes- http:/www.bkk.de Diese Seite bietet viele Links
verband zu Projekten, Kooperationen
und Downloads zum Thema
BGF und betriebliches Gesund-
heitsmanagement.
Krankenkasse Techniker http://www.tk-online.de Dort gehen Sie auf das Presse-
Krankenkasse Center. Unter Publikationen
finden Sie aussagekräftige TK-
Gesundheitsreports.
Krankenkasse WIdO-Institut http://www.wido.de Das wissenschaftliche Institut
der AOK der AOK befasst sich mit einem
breiten Spektrum an Themen-
bereichen des Gesundheitssys-
tems. V. a. ist hier der re-
nommierte Fehlzeiten-Report
zu empfehlen, der seit Jahren
aktuelle Statistiken und Infor-
mationen zu Fehlzeiten bietet.
Krankenkasse Weitere Diese beiden Krankenkassen stehen nur Pate für viele andere
Websites Angebote und Informationsportale. Beispielhaft ist hier die
Barmer GEK zu nennen, die eine umfassende Infothek bietet
(https://www.barmer-gek.de).

Organisationen
Organisation BAuA http://www.baua.de Die Bundesanstalt für Arbeits-
Bundesanstalt schutz und Arbeitsmedizin ist
für Arbeits- eine Ressortforschungseinrich-
schutz und tung im Geschäftsbereich des
Arbeits- Bundesministeriums für Arbeit
medizin und Soziales (BMAS).
Diese Webseite hat den Auf-
trag, den Wissenstransfer zu
sicheren und gesunden Ar-
beitsbedingungen zu ermögli-
chen.
INT A 496 Internetquellen

Rubrik Quelle URL Kommentar


Organisation BZgA http://www.bzga.de Die Bundeszentrale für gesund-
Bundeszentra- heitliche Aufklärung trägt zur
le für gesund- Prävention und Gesundheits-
heitliche förderung als Bundeseinrich-
Aufklärung tung mit wissenschaftlicher
Vorgehensweise bei. Sie entwi-
ckeln Strategien und setzen
diese in Kampagnen, Program-
men und Projekten um. Für die
Praxis sind v. a. die Infomate-
rialien (Fachpublikationen,
Multimedia, Arbeitsmappen
etc.) wertvoll. Sie werden in
der Regel kostenlos abgegeben
oder mit einer überschaubaren
Schutzgebühr versehen.
Organisation DIN http://www.din.de Das Deutsche Institut für Nor-
mung e.V. vertritt die deut-
schen Interessen bei der (in-
ter)nationalen Normung.
Organisation DKFZ http://www.dkfz.de Für die Arbeitswelt sind v. a.
Deutsches Forschung Æ Forschungsthe- die Erkenntnisse aus der epi-
Krebsforsch- men Æ Krebsrisikofaktoren demiologischen Ernährungs-
ungszentrum und Prävention Æ Epidemio- und Lebensstilstudie EPIC von
logie von Krebserkrankungen Interesse (EPIC-Heidelberg).

Organisation Enterprise for http://www.enterprise-for- EfH ist ein Netzwerk internati-


Health (EfH) health.org onaler Unternehmen, das sich
der Entwicklung einer partner-
schaftlichen Unternehmenskul-
tur und einer modernen be-
trieblichen Gesundheitspolitik
widmet. In der Rubrik Publika-
tionen finden Sie aktuelle
Themen wie psychosoziale
Gesundheit oder Diversity.
Organisation EUROFOUND http://www.eurofound. European Foundation for the
europa.eu/ Improvement of Living and
Working Conditions
Als Einrichtung der Europäi-
schen Union befasst sich diese
Organisation mit den Arbeits-
und Lebensbedingungen. Auf
der Website finden Sie aktuelle
europapolitische Tendenzen
und Diskussionen.

V
Internetquellen 497 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Organisation OSHA https://osha.europa.eu/de Die Europäische Agentur für
European Sicherheit und Gesundheits-
Agency for schutz am Arbeitsplatz ist ein
Safety and globales Netzwerk zum Aus-
Health at tausch von Fachwissen zu
Work Sicherheit und Gesundheits-
schutz. Für den Start von
Recherchen in Bezug auf den
europäischen Raum eignet sich
diese Website.
Organisation HERO http://www.hero-health.org Diverse amerikanische Unter-
The Health nehmen und Organisationen
Enhancement sind Mitglied in dieser Organi-
Research sation, die sich mit zentralen
Organization Aspekten des BGM befasst.
V. a. sind hier die Studien im
Rahmen der Forschung interes-
sant.
Organisation ILO http://www.ilo.org Die ILO ist eine Sonderorgani-
International sation der Vereinten Nationen.
Labour Office Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die
Formulierung und Durchsetzung
internationaler Arbeits- und
Sozialnormen.
Organisation IFAA http://www.ifaa-koeln.de Das Institut für angewandte
Institut für http://www.arbeitswissen Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
angewandte schaft.net/ ist eine Wissenschaft und
Arbeitswissen- Praxis verbindende Institution.
schaft e. V. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit
steht die Steigerung der Pro-
duktivität in den Unternehmen
der Metall- und Elektroindust-
rie. Interessant sind auf dieser
Website v. a. die Publikationen
des Instituts.
Organisation Jacobs Center http://www.jacobs- Studien des Jacobs Center for
on Lifelong university.de/jacobscenter Lifelong Learning and Instituti-
Learning and onal Development der Universi-
Institutional tät Bremen zeigen, dass kriti-
Development sche Bereiche wie Lernbereit-
schaft, körperliche Leistungs-
fähigkeit oder Flexibilität bis
ins hohe Alter veränderbar
sind.
Organisation NIOSH http://www.cdc.gov/niosh The National Institute for
The National Occupational Safety and Health
Institute for Die internationale Perspektive
Occupational lässt sich durch die Website
Safety and von NIOSH abrufen.
Health
INT A 498 Internetquellen

Rubrik Quelle URL Kommentar


Organisaton OSHA http://www.osha.gov/ Die OSHA ist Teil der „United
Occupational States Department of Labor“.
Safety and V. a. das Datenmaterial und
Health Admin- die Publikationen sind hier
istration interessant.
Organisation RKI http://www.rki.de Als Bundesinstitut im Ge-
Robert Koch schäftsbereich des Bundesmi-
Institut nisteriums für Gesundheit
befasst sich das RKI mit der
Krankheitsüberwachung und
-prävention aus wissenschaftli-
cher Sicht. Das RKI unterstützt
das Informationssystem der
Gesundheitsberichterstattung,
daher kann man auch in der
Online-Datenbank die wichtigs-
ten Daten entnehmen
(http://www.gbe-bund.de).

Projekte
Projekt Generati- https://www.basf.com/Æ Das Motto von Generati-
ons@Work dort den Projektnamen bei ons@Work lautet, dass die
bei BASF der Suchmaschine eingeben Arbeitsfähigkeit im Alter ge-
staltbar ist. Es findet ein Kom-
petenzaufbau in Feldern wie
Zuverlässigkeit und Erfah-
rungswissen statt. (Siehe auch
Jacobs Center!)
Projekt Gesundheits- http://gesundheitsziele.de/ Man kann es sowohl als Organi-
ziele sation bzw. Kooperationsver-
bund oder als ein Meta-Projekt
bezeichnen. Verantwortliche
Akteure im Gesundheitssystem
unter Beteiligung von Bund und
Ländern entwickeln gemeinsam
an einen Handlungsrahmen im
Rahmen von Public-Health-
Ansätzen. Interessant sind die
Projektdatenbanken.
Projekt Move Europe http://www.enwhp.org/ Es handelte sich um ein zwei-
enwhp-initiatives/7th- jähriges Großprojekt mit rund
initiative-move-europe.html 3000 beteiligten Organisatio-
nen (2007-2009) im Bereich der
BGF (Ernährung, Bewegung,
psychische Gesundheit, Rau-
cherprävention) mit der Ziel-
setzung der Förderung lebens-
stilbezogener betrieblicher
V Gesundheit in Europa.
Internetquellen 499 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Projekt Projekt INOPE http://www.inope.de Ziel des Forschungsverbundes
Gesundheits- INOPE (2006-2010) ist die
förderung und nachhaltige Förderung der
http://www.gkc.uni- Arbeitsfähigkeit und Gesund-
Prävention wuppertal.de Æ dort INOPE heit der Beschäftigten in der
Finanzverwaltung Nordrhein-
Westfalens.

Recht und Richtlinien


Recht Bundesge-
http://www.bundesgesetzblatt.de
setzblatt
Recht Ergo-Online http://www.ergo-online.de Dort Reiter Rechtsgrundlagen!
Recht EU-Recht http://eur-lex.europa.eu/ Zugang zum EU-Recht
Recht Europäische
http://www.ce-richtlinien.eu
CE-Richtlinien
Recht Gesetze im
http://bundesrecht.juris.de
Internet
Recht pr-o = Hier erhalten Sie eine Samm-
Präventions- lung an Rechtstexten und
recht-online Arbeitshilfen zu den Bereichen
http://www.pr-o.info/
Sicherheit und Umwelt im
Betrieb. Der Bereich BGV/UVV
ist frei zugänglich.
Recht Sozialgesetz- http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de
buch

Studien
Studie NVS = http://www.mri.bund.de/ Interessant ist die zweite
Nationale NationaleVerzehrsstudie Nationale Verzehrstudie, die
Verzehrstudie das Max-Rubner-Institut, Bun-
desforschungsinstitut für Er-
nährung und Lebensmittel
(MRI), im Auftrag des Bundes-
ministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz durchgeführt hat.
Der Datenpool mit etwa 20.000
Teilnehmern ist repräsentativ.
Studie DEGS http://www.degs-studie.de DEGS ist eine Studie des Robert
Studie zur Koch-Instituts. Im Auftrag des
Gesundheit Bundesgesundheitsministeriums
Erwachsener führt das Institut das Gesund-
in Deutsch- heitsmonitoring durch. Weitere
land Studien ergänzen DEGS. Auf
der Website finden Sie alle
aktuellen Informationen. Es
handelt sich um einer der
wichtigsten Quer- und Längs-
schnittstudien zur systemati-
schen und repräsentativen
Risikoanalyse in Deutschland.
INT A 500 Internetquellen

Rubrik Quelle URL Kommentar


Studie HERO Studies http://hero- Diese Studien befassen sich mit
health.org/research/ beeinflussbaren Risikofaktoren
wie Depressionen, Diabetes,
Rauchen etc. und deren Kosten
und Wirkungen im betriebli-
chen Kontext. Aktuell enthält
die Datenbank fast 48.000
Befragte, teilweise im Längs-
schnitt. Die Ergebnisse sind
wichtig zur Ermittlung des
prospektiven ROIs von BGF-
Maßnahmen.
Studie PROCAM = http://www.assmann- Auf der Website der ASSMANN
Prospective stiftung.de/information/ Stiftung für Prävention wird
Cardiovascu- procam-studie/ die Beobachtungsstudie PRO-
lar Münster CAM mit Fokus auf Herz- und
Study Gefäßerkrankungen vorge-
stellt. Sie haben auch Zugriff
auf die PROCAM-Tests.

Tools
Tools EFQM Modell http://www.efqm.org Auf diesen Seiten finden Sie
relevante Informationen zum
EFQM-Modell für Excellence
der European Foundation for
Quality Management.
Tools Gefährdungs- http://www.gefaehrdungs In diesem Portal finden Sie
analyse beurteilung.de alles zum Thema Gefährdungs-
beurteilung und viele wichtige
Links und Downloads. Wer sich
für die Gefährdungsbeurteilung
interessiert, wird hier sicher-
lich fündig.
Tools SCOHS http://www.scohs.de Beim Social Capital and Occu-
Werkzeug zur pational Health Standard
Standardisie- (SCOHS) handelt es sich um
rung BGM einen Baukasten zur Standardi-
sierung des BGM von der Analy-
se über Audits bis zur Zertifi-
zierung. Als Tool ermöglicht es
die Messbarkeit des Fort-
schritts und damit auch die
Steuerbarkeit. Prof. em. Bern-
hard Badura (Universität Biele-
feld) bildet hier sein auf BGM-
Belange erweitertes Sozialkapi-
talmodell ab.
V Tools Selbst- http://www.q-excellence.de/ Auf beiden Websites finden Sie
bewertung http://www.sab.proconsale. Informationen und Tools zur
de Selbstbewertung nach EFQM.
Internetquellen 501 A INT

Rubrik Quelle URL Kommentar


Tools Toolbox BAuA http://www.baua.de Dort gehen Sie auf den Reiter
„Informationen für die Praxis“
Æ „Handlungshilfen und Pra-
xisbeispiele“ Æ „Toolbox:
Instrumente zur Erfassung
psychischer Belastungen“.
Tools Tools für www.demowerkzeuge.de Auf dieser Website finden sie
Demogra- alle relevanten betrieblichen
fiemanage- Werkzeuge für die Personalar-
ment beit, angefangen von Self-
Checks über Altersstrukturana-
lysen bis zu Checklisten zum
Erkennen altersstruktureller
Problemlagen im Betrieb.
Tools Weitere Tools Weitere Tools finden Sie oft bei den Organisationen. So ist der
iga.Check ein Werkzeug zur systematischen Erfassung berufli-
cher Anforderungen, Belastungen und Gefährdungen.

Weiteres
Gewerkschaft Gute Arbeit http://www.verdi-gute- Gewerkschaftliches Engage-
ver.di arbeit.de/ ment im Bereich Gesundheits-
förderung in der Arbeitswelt ist
vielfältig. Beispielshaft ist hier
die Website von ver.di empfoh-
len. Sie stellt aktuelle Themen
wie die Gefährdungsbeurtei-
lung psychischer Belastungen
vor und bietet Links zu Tools.
Empfehlenswert sind hier auch
die Handlungshilfen (Reiter
Toolbox).
Unfall- DGUV http://www.dguv.de Deutsche Gesetzliche Unfall-
versicherung versicherung Æ Die Website
bietet interessante Informatio-
nen und Links zu unfallversi-
cherungsrelevanten Themen.
Gesundheits- GM www.gesundheitsmonitor.de Die Bertelsmann Stiftung stellt
monitor hier in Kooperation mit der
Barmer GEK verschiedene
Aspekte des Gesundheitssys-
tems vor. Vereinzelt finden
sich auch Themen, die direkt
mit der Arbeitswelt zusam-
menhängen. V. a. sind die
Studien empfehlenswert.

Hinweis: Wenn Sie weitere interessante Internetquellen zum Themenfeld BGF


oder BGM haben, teilen Sie uns diese doch bitte mit, damit wir Sie auf der
Website des Buches für unsere Lesern veröffentlichen können. Auch wenn sich
die URL der Seiten verändert haben sollte, bitten wir um Rückmeldung. Da das
Internet ein dynamisches Medium ist, kommt es immer wieder zu Änderungen,
die im statischen Buchformat nicht erfasst werden können.
& Glossar
Begriff Kurze Erläuterung

A
Absentismus Unter Absentismus versteht man „motivationsbedingte“ Fehlzeiten,
die nicht auf Erkrankungen oder andere im Arbeitsvertrag verein-
barte zulässige Gründe für das Fernbleiben von der Arbeit beruhen.
Für das Phänomen Absentismus liegen verschiedene Erklärungsmo-
delle vor wie das Rückzugsmodell, das ökonomische Nutzen-Modell
oder das abweichende Verhaltensmodell.
Arbeitsfähigkeits- Im Arbeitsfähigkeitsmanagement wird unter Berücksichtigung der
management Stockwerke des Hauses der Arbeitsfähigkeit (Gesundheit, Kompe-
tenz, Werte, Arbeit) und mit Blick auf relevante Umgebungsfakto-
ren ein integriertes Steuerungs- und Handlungskonzept zur Steige-
rung der Arbeitsfähigkeit im betrieblichen Umfeld implementiert.
Arbeits-Erholungs-Zyklus Dem Menschen steht eine bestimmte Menge an physischen und
psychischen Ressourcen zur Verfügung, die es zu erhalten und zu
schützen gilt. Im Arbeits-Erholungs-Zyklus soll nach jeder physi-
schen oder psychischen Beanspruchungsphase eine Erholungsphase
folgen, um die beanspruchten Ressourcen wiederherzustellen.
Arbeitsorientiertes Lernen Beschleunigte Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt, technologi-
sche Innovationen, die Auflösung fester Berufsverläufe sowie zu-
nehmende Flexibilisierung von Arbeit verlangen von den Mitarbei-
tern, Wissen und Fähigkeiten durch kontinuierliches Lernen zu
erhalten und zu verbreitern. Lernen und Arbeiten müssen in Kon-
zeption und Gestaltung stärker als bisher verknüpft werden. Das
arbeitsorientierte Lernen befasst sich mit dem Lernpotenzial aus
der Arbeitsaufgabe. Damit ist also die Steigerung der Lernförder-
lichkeit der Aufgabe ein Zielfeld des arbeitsorientierten Lernens.

B
Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard ist ein Steuerungs- und Controllinginstru-
ment für wertschöpfende Aktivitäten einer Organisation und unter-
stützt bei der angemessenen Übersetzung von Visionen in strategie-
gerechtes operatives Handeln. Ein wichtiger Faktor ist dabei die
Gewichtung verschiedener Perspektiven der Steuerung wie Potenzi-
ale, Finanzen, Kunden und Prozesse. Mit wenigen gewichteten,
aussagekräftigen Kennwerten erfolgt die Steuerung (ausgewogenes
Kennzahlensystem). Die Balanced Scorecard ist ein Konzept, aber
kein fertiges Instrument. Entscheidend für die Qualität der Balan-
ced Scorecard sind die Angemessenheit der selektierten Perspekti-
ven und die Güte der zugeordneten Kennwerte.

T. Uhle, M. Treier, Betriebliches Gesundheitsmanagement,


DOI 10.1007/978-3-662-46724-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Anh A 504 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Beanspruchungsfolgen Lassen sich die Belastungen aufgrund der zur Verfügung stehenden
Ressourcen kompensieren, resultieren positive Beanspruchungsfol-
gen, die motivationsförderlich sind. Gibt es quantitativ oder quali-
tativ ein Zuviel an Belastungen, die ressourcentechnisch nicht oder
nur unzureichend kompensierbar sind, kommt es zu negativen
Beanspruchungsfolgen, die sich psychisch, physisch, kognitiv, emo-
tional und behavioral auswirken können. Die langfristige Wirkung
negativer Beanspruchungsfolgen schlägt sich gesundheitlich in den
typischen „Stresserkrankungen“ nieder.
Beanspruchungs- Die Beanspruchungsoptimalität gilt als Maß für das Kosten-Nutzen-
optimalität Verhältnis (ROI) in Bezug auf die Doppelrolle der Beanspruchung. Es
genügt also nicht, Belastungsquellen aufzudecken, zu beseitigen
und durch verschiedene Gestaltungsmaßnahmen die psychischen
Arbeitsbeanspruchungen zu reduzieren, sondern nur diejenigen
Belastungen, die zu negativen oder dysfunktionalen Beanspru-
chungszuständen bei den Betroffenen führen, gilt es zu reduzieren.
Arbeitsanforderungen, die positive bzw. funktionale Beanspruchun-
gen nach sich ziehen, sind entsprechend zu fördern.
Belastungen Belastungen stellen in gewisser Weise die Bedingungsfaktoren einer
Tätigkeit dar, die Auswirkungen auf den Menschen haben können. In
letzter Zeit nehmen insbesondere die psychischen, mentalen oder
psychomentalen Belastungen zu. Aus psychologischer Sicht werden
unter Belastungen alle Faktoren verstanden, die von außen auf den
Menschen psychisch einwirken (vgl. DIN EN ISO 10075). Der psycho-
logische Belastungsbegriff ist neutral definiert. Werden gewisse
intraindividuelle Grenzen der Selbstregulationskompetenz über-
schritten, handelt es sich um negativ konnotierte Fehlbelastungen.
In der Arbeitswelt sind dies v. a. Fehlbelastungen aus der Arbeits-
aufgabe, der Arbeitsumgebung und der Arbeitsorganisation sowie
psychosoziale Fehlbelastungen. Sind die Belastungen jedoch zu
meistern, handelt es sich um motivationsförderliche Anforderungen
bzw. Herausforderungen.
Betriebliches Eingliede- Nach § 84, Abs. 2 SGB IX (neuntes Buch Sozialgesetzbuch) ist das
rungsmanagement betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) eine Aufgabe des
Arbeitgebers mit dem Ziel, die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer
möglichst zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen
und den Arbeitsplatz des Betroffenen zu erhalten. Wenn ein Arbeit-
nehmer innerhalb von 12 Monaten mehr als 42 krankheitsbedingte
Fehltage am Stück oder partialisiert aufzuweisen hat, soll das BEM
einsetzen. Soweit im Unternehmen ein Betriebs- oder Personalrat
installiert ist, ist dieser zu beteiligen (Partizipationsgrundsatz).
Wenn der Betroffene leistungsgewandelt ist, ist zusätzlich die
Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen.

G
Glossar 505 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Body-Mass-Index Der Body-Mass-Index (BMI) wurde von Quételet (1835) als Maßzahl
und Alternativen für die Bewertung der Körpermasse eines Menschen entwickelt [BMI
= (Körpermasse in kg) / (Körpergröße in m)²]. Der BMI ist in der
Literatur und der medizinischen Praxis weit verbreitet, allerdings
stellt er lediglich einen sehr groben Richtwert dar und ist in der
Wissenschaft bezüglich seiner Vorhersagekraft für Erkrankungsrisi-
ken umstritten, da er die Statur und die interindividuell verschie-
dene Zusammensetzung der Körpermasse aus Fett- und Muskelge-
webe nicht berücksichtigt. Eine Alternative stellt der Taille-Hüfte-
Quotient (WHR = Waist-to-Hip-Ratio) dar, der den Bauchumfang im
Verhältnis zum Hüftumfang stellt. Man differenziert hier zwischen
den Apfel- und den Birnentyp. Er berücksichtigt stärker die Vertei-
lung des Fettgewebes im Körper. Manche verwenden auch Verhält-
nis Taille zu Größe. Dort wird der Taillenumfang durch die Körper-
größe geteilt (WHtR = Waist-to-Height-Ratio).
Burn-out / Burnout Nach ICD-10 handelt es sich beim „Burn-out“ um keine Erkrankung,
sondern um ein Problem mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der
Lebensbewältigung, die mit einem Zustand der totalen Erschöpfung
einhergeht (Z 73.0). In der klinischen Forschung versteht man unter
Burn-out eine sich prozesshaft entwickelnde Beanspruchungsreakti-
on, die sich z. B. in anhaltender Emotionsarmut, reduzierter Ar-
beitsleistung und -motivation sowie zynischem und abgestumpftem
Verhalten gegenüber Kunden, Klienten u. a. Menschen auswirkt.
Ursprünglich war das Burn-out ausschließlich in psychosozialen
Berufsfeldern (Krankenpflege, Lehrerberufe etc.) verortet. In einer
breiteren Definition sind inzwischen alle Tätigkeiten inkludiert, die
durch Interaktionen mit anderen Menschen gekennzeichnet sind
(z. B. Dienstleister).

C
Commitment Commitment bezeichnet das Ausmaß der Identifikation eines Mitar-
beiters mit dem Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist. Beim
affektiven Commitment hat das Unternehmen eine große persönli-
che Bedeutung für den Mitarbeiter. Aufgrund dieser emotionalen
Verbindung möchte er auch zukünftig gerne hier beschäftigt sein.
Fühlt sich der Mitarbeiter der Organisation moralisch oder aufgrund
normativer Wertvorstellungen verpflichtet, bleibt er dem Unter-
nehmen verbunden, da er der Überzeugung ist, dass das Ausschei-
den falsch wäre. Und schließlich kann der Mitarbeiter auch die
monetären und sozialen Kosten berücksichtigen, die ein Stellen-
wechsel nach sich ziehen würde  hierbei handelt es sich um die
rationale Ebene eines kalkulativen Commitments. Studien belegen
positive Zusammenhänge zwischen Commitment und Leistung,
Motivation und Anwesenheit am Arbeitsplatz sowie negative Zu-
sammenhänge zwischen Commitment und erlebtem Stress sowie der
Absicht das Unternehmen zu verlassen und es dann tatsächlich zu
verlassen. Commitment ist damit eine wichtige Ressource.
Corporate Governance Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) ist ein Regel-
Kodex werk, das von einer Regierungskommission der Bundesrepublik
Deutschland 2002 erarbeitet wurde. Hierin enthalten sind Vorschlä-
ge, was ethische Verhaltensweisen von Unternehmensführung und
Mitarbeitern ausmacht. Der Kodex wird jährlich von der ‚Regie-
rungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ über-
prüft und ggf. aktualisiert.
Anh A 506 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Corporate Social Ein deutsches Synonym für Corporate Social Responsibility (CSR)
Responsibility lautet unternehmerische Gesellschaft- oder Sozialverantwortung.
Gemeint ist der freiwillige Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhal-
tigen Entwicklung, die über die gesetzlichen Forderungen der Com-
pliance hinausgeht. CSR steht für verantwortliches unternehmeri-
sches Handeln im Markt, in der Umwelt bis hin zu den Beziehungen
mit den Mitarbeitern und dem Austausch mit den Stakeholdern. CSR
hat zudem nicht zu unterschätzende positive Auswirkungen auf das
Arbeitgeberimage (Employer Branding) und auf das Commitment
der sich im Unternehmen befindenden Mitarbeiter.
Cronbachs Alpha Cronbachs Alpha wurde 1951 von Lee J. Cronbach als Maßzahl der
multivariaten Statistik entwickelt. Das Alpha gibt an, inwiefern
verschiedene Items (z. B. einer Skala im Fragebogen) im Grunde das
gleiche messen. Mithilfe dieser Maßzahl lässt sich die Reliabilität
(Zuverlässigkeit) eines psychometrischen Tests schätzen. Das Alpha
kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Es ist Konvention, dass
Werte größer 0,7 als reliabel eingestuft werden.

D
Demografiemanagement Aufgrund immer älter werdender Belegschaften und dem Mangel an
Nachwuchskräften müssen Unternehmen heute deutlich weiter in
die Zukunft denken und planen. Mithilfe eines betrieblichen Demo-
grafiemanagements lassen sich der interne aktuelle und zukünftige
Personalbestand und -bedarf analysieren, die Personalentwicklung
und Personalführung sowie das betriebliche Gesundheitsmanage-
ment anpassen (alternsgerechtes Personalmanagement). Beim
Demografie-Check erfolgt nicht nur eine Altersstrukturanalyse,
sondern auch eine Bewertung der betrieblichen Situation u. a. in
den Bereichen Personalbeschaffung, Personalentwicklung, Führung,
Gesundheit und Wissensmanagement. Entscheidend ist auch die
Festlegung demografischer Controlling-Kennzahlen, um den Erfül-
lungsgrad eines strategischen Konzepts zur Steigerung der Demogra-
fie-Fitness zu ermitteln (nachhaltige Verfolgung).
Disability Management Beim Disability Management geht es darum, die berufliche Beschäf-
tigungsfähigkeit von Arbeitnehmern mit gesundheitlichen Ein-
schränkungen zu erhalten und zu verbessern. Disability Manage-
ment im betrieblichen Kontext führt oft zu Missverständnissen. Es
handelt sich nicht um ein Defizitmodell, sondern um die Etablie-
rung eines fähigkeitsorientierten und nachhaltigen Gesundheitsma-
nagements, wo Prävention, Frühwarnsystem und Rehabilitation
Hand in Hand gehen. Das wichtigste Instrument des Disability Mana-
gements ist die betriebliche Wiedereingliederung auf der gesetzli-
chen Grundlage des Sozialgesetzbuches (Buch IX, § 84  Rehabilita-
tion und Teilhabe behinderter Menschen). Der Disability Manager
sorgt für die Wiedereingliederung langzeiterkrankter Arbeitnehmer.
Er versteht sich dabei als moderierender Koordinator der internen
und externen Akteure. Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit,
sich zum Certified Disability Management Professional (CDMP)
ausbilden zu lassen. Der Disability Manager hat zwei zentrale Auf-
gaben: (1) Er berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer und koordiniert
die berufliche Wiedereingliederung im Einzelfall und (2) über die
G Einzelfälle hinaus entwickelt er Konzepte für die Implementierung
betriebsnaher Strukturen.
Glossar 507 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Disease Management Seit 2002 gibt es auch in Deutschland systematische Behandlungs-
programme für chronisch kranke Menschen (Disease Management
Programm, DMP). Sie stützen sich auf die Erkenntnisse der evidenz-
basierten medizinischen Forschung. Die gesetzliche Krankenversi-
cherung hält diese Programme auch als Chronikerprogramme vor.
Patienten, die unter chronischen Erkrankungen leiden, sollen durch
eine gut abgestimmte, infrastrukturell intelligent vernetzte und
kontinuierliche Betreuung und Behandlung vor Folgeerkrankungen
bewahrt werden (Ko- und Multimorbidität). Dies gelingt, wenn
strukturell und inhaltlich Hausärzte und Fachtherapeuten sowie
Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen koordiniert zu-
sammenarbeiten. Die infrage kommenden Therapieschritte müssen
nach wissenschaftlich gesichertem medizinischem Wissensstand
aufeinander abgestimmt sein.

E
Employability Employability ist die Forderung nach Anpassungs- und Beschäfti-
gungsfähigkeit in einer sich wandelnden und zunehmend flexibili-
sierten Arbeitswelt. Es geht primär um die Arbeitsmarktfähigkeit,
die letztlich Eigenverantwortung, Gesundheit und Kompetenz von
den Individuen verlangt. Wachsende Bedeutung erhält das Konzept
der Beschäftigungsfähigkeit durch den demografischen Wandel.
Umgangssprachlich könnte man auch von der Arbeitsmarktfitness
sprechen, die u. a. durch Förderung von Schlüsselkompetenzen bei
gleichzeitiger Forderung nach mehr Selbstverantwortung mit flan-
kierenden strukturellen Unterstützungsangeboten der Qualifizierung
und des Gesundheitswesens erzielt werden soll (Employability
Management). Dabei muss aber aufgepasst werden, dass die Sub-
jektivierung der Arbeit nicht nach hinten losgeht. Nicht das Indivi-
duum allein kann seine Marktfähigkeit gewährleisten, wir benötigen
hier auch entsprechende Strukturen und Ressourcen.
Employee Assistence Dabei handelt es sich um Programme oder Angebote zur Mitarbei-
Program (EAP) terberatung durch externe Organisationen. Gerade im Bereich der
Sucht- und Konfliktberatung bieten sich solche Programme an.
Erfolgreich sind diese Angebote, wenn sie niederschwellig gestaltet
sind, also die Zugänglichkeit gerade bei schwierigen Themen wie
psychische Gesundheit, psychosoziale Konflikte oder organisatori-
sche Probleme im Kontext der Work-Life-Balance vereinfacht wird.
So stellt bspw. eine anonymisierte Hotline bei Suchtfragen einen
hürdenfreien Zugang dar. Unternehmen müssen aber nicht nur den
Zugang ermöglichen, sondern auch sicherstellen, dass Qualität und
Seriosität der externen Dienstleistung gewährleistet sind. Die Bera-
tungsleistung kann in betriebseigenen Räumlichkeiten (Worksite),
aber auch virtuell bzw. außerhalb des Unternehmens (Offsite)
angeboten werden. Dies ist zum einen eine Kostenfrage, zum ande-
ren aber auch abhängig von der Beratungsleistung. Eine Evaluation
der Dienstleistungen ist auf jeden Fall geboten, um die Qualität der
Leistungen dauerhaft zu gewährleisten. Eine Standardisierung
externer Dienstleistungen nach Qualitätskriterien ist einer der
großen Herausforderungen der Zukunft der EAP im Rahmen der
Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt.
Anh A 508 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Empowerment Unter dem Begriff ‚Empowerment’ werden alle Strategien und
Maßnahmen verstanden, die den Grad an Autonomie und Selbstbe-
stimmung des Menschen erhöhen. Im betrieblichen Alltag ermög-
licht ein von Empowerment geprägter Führungsstil, dass die Mitar-
beiter ihre Interessen selbstbestimmt und selbstverantwortlich
vertreten und gestalten sowie Entscheidungen aus unternehmeri-
scher Sicht treffen können (Mitunternehmertum). Empowerment
erzielt man nur, wenn eine professionelle Unterstützung der Mitar-
beiter erfolgt, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzu-
nehmen und zu nutzen. Der „empowerte“ Mitarbeiter kann so seine
Selbstkompetenz wahrnehmen (Selbstwirksamkeit).
Ergonomie In der Ergonomie beschäftigt man sich mit der Anpassung der Ar-
beitsbedingungen an den Menschen und seinen Eigenschaften mit
dem Ziel, sowohl die Leistungsfähigkeit des Arbeitssystems zu
erhöhen als auch die Gesundheit der involvierten Menschen nach-
haltig zu gewährleisten. Dabei berücksichtigt sie alle Elemente des
Arbeitssystems: Produkte (Arbeitsergebnisse), Maschinen und Werk-
zeuge (Arbeitsmittel) sowie die Arbeitsprozesse und die arbeitsor-
ganisatorische Einbindung im Unternehmen. Die Ergonomie wird in
Teilgebiete (z. B. kognitive Ergonomie) und Anwendungsbereichen
(z. B. Software-Ergonomie) gegliedert. Aktuell steht die Gestaltung
der Mensch-Maschine-Schnittstelle häufig im Vordergrund von ergo-
nomischen Untersuchungen. Hier befasst man sich v. a. mit der
Kommunikation zwischen Mensch und Maschine und wie sie zu
gestalten ist. Dabei betrachtet die kognitive Ergonomie v. a. die
Auswirkungen auf das Verhalten und die Handlungen des Menschen,
wenn z. B. kognitive Teilprozesse durch Informationsdarstellung
und Dialoggestaltung zwischen Mensch und Maschine (Computer)
beeinflusst werden. Eng mit der ergonomischen Gestaltung ver-
flochten ist daher die Gebrauchstauglichkeit (Usability, Benutzer-
freundlichkeit) von Produkten bzw. Arbeitsmitteln. Die Software-
Ergonomie beschäftigt sich v. a. mit der Gestaltung und Integration
des Arbeitsmittels/Produktes „Software“ in ein Arbeitssystem.
Ermöglichungsdidaktik Die Ermöglichungsdidaktik modernisiert die Erwachsenenbildung in
Richtung Selbstverantwortung und handlungsorientiertes Lernen.
Der Lehrende schafft die geeigneten Lernvoraussetzungen (Rah-
menbedingungen), um Lernprozesse beim Lernenden zu ermögli-
chen. Damit grenzt sich die Ermöglichungsdidaktik von erzeugungs-
didaktischen, fremdbestimmten Ansätzen des Lehrens und Lernens
ab. Die Ermöglichungsdidaktik ist teilnehmer- und problemlösungs-
orientiert sowie bildungsbezogen (Ich-Identität, Selbstwert). Sie
fördert die Selbsterschließung und das Selbstlernen im Sinne des
Konstruktivismus. Damit eignet sie sich auch für die Gesundheits-
bildung als Ansatz moderner Gesundheitsförderung.
Evidenzbasierung Evidenzbasierung befasst sich mit der Frage, ob mit den anvisierten
Maßnahmen auch tatsächlich die erhofften Ziele erreicht werden
können. Mit Evidenz lässt sich die Verlässlichkeit eines beobachte-
ten Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs beschreiben. Was bedeutet
aber Verlässlichkeit? Die meisten Autoren verknüpfen diese Frage
mit der Angemessenheit der zugrunde liegenden Nachweismetho-
den. Dafür sind im Bereich der Medizin v. a. randomisierte kontrol-
lierte Studien an der Spitze der Evidenzhierarchie erforderlich, was
G bei der BGF eher die seltene Ausnahme darstellen dürfte (Feldstu-
dien). Auch stellt sich die Frage, ob Gesundheitsförderung als Inter-
vention oder eher als Endpunkt betrachtet werden soll.
Glossar 509 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Exzellenz Die Exzellenz beruht auf den Grundpfeilern: Ergebnisorientierung,
des EFQM-Modells Ausrichtung auf den Kunden, Führung und Zielkonsequenz, Ma-
nagement mittels Prozessen und Fakten, kontinuierliches Lernen
(Innovation und Verbesserung), Entwicklung von Partnerschaften
und soziale Verantwortung. Dabei handelt es sich um ein Selbstbe-
wertungssystem, anhand dessen sich das Unternehmen bspw. in
Bezug auf BGF nach neun Kriterien einschätzen kann. Über eine
Punktevergabe (max. 1.000 Punkte) werden die Ergebnisse dieser
Selbstbewertung mit anderen vergleichbar gemacht. Das Modell
unterscheidet 5 Befähigerkriterien und 4 Ergebnis-Kriterien. Beide
gelten als gleichwertig und beinhalten insgesamt 32 Einzelkriterien.

F
Flow Flow ist ein Motivationszustand mit der höchsten intrinsischen
Motivation, einem Zustand, in dem man Raum und Zeit vergisst und
zu Höchstleistungen fähig ist. Man geht quasi in seiner Tätigkeit auf
(autotelische Aktivität). Um in Flow zu kommen, muss die Tätigkeit
möglichst strukturiert sein (klare Ziele, Eindeutigkeit der Hand-
lungsstruktur, glatter Handlungsablauf und herausfordernd) und die
Person über eine autotelische Persönlichkeit (hohe Genuss- und
Konzentrationsfähigkeit, Selbstvertrauen, Fähigkeit zur Reduktion
der Selbstaufmerksamkeit) verfügen.
Fluktuation Fluktuation bezeichnet die Austauschrate des Personals in einer
Organisation. Unter „institutioneller Fluktuation“ versteht man den
geplanten und den Zielen der Institution immanenten Wechsel. Bei
der „individuellen Fluktuation“ gilt es, noch weitere Zu- und Ab-
gänge zu berücksichtigen. Schließlich umfasst die „natürliche Fluk-
tuation“ den Anteil der Gesamtfluktuation, der altes- oder todes-
fallbedingt resultiert.

G
Gefährdungsanalyse Die Gefährdungsanalyse teilt die Arbeitsplätze in zwei Gruppen,
Gefährdungsbeurteilung nämlich die „gefährlichen Arbeitsplätze“ (z. B. in der Produktion
durch Lastentransport, Umgang mit Chemikalien, durch Arbeitsver-
fahren und Arbeitsmittel) und in die „ungefährlichen Arbeitsplätze“
(z. B. die Büroarbeitsplätze in der Verwaltung). Ziel der Gefähr-
dungsanalyse ist die Sicherheit und der Gesundheitsschutz beim
Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Es geht also um das
Bereitstellen, Ausgestalten, Benutzen und Instandhalten von Ar-
beitsstätten, Arbeitsplätzen und Arbeitsräumen. Das Grundkonzept
einer Gefährdungsanalyse ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz
in den §§ 3, 4, 5 und 6. Durch die Beurteilung der Arbeitsbedingun-
gen in Hinsicht auf mögliche Gefährdungen muss jeder Arbeitgeber
die für seine Unternehmung erforderlichen Maßnahmen zum Schutz
der Beschäftigten treffen. Für die Durchführung einer Gefährdungs-
analyse gibt es einen siebenschrittigen Standard: (1) Vorbereitung,
(2) Ermitteln der Gefährdung, (3) Beurteilung von Risiken, (4)
Festlegen und Durchführen von Maßnahmen, (5) Überprüfen der
Wirksamkeit, (6) Dokumentieren und (7) Fortschreiben. Neuerdings
wird gefordert, die klassische Gefährdungsanalyse in Bezug auf die
psychischen und psychosozialen Belastungsfaktoren zu erweitern.
Dies setzt neue Instrumente voraus.
Anh A 510 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Gesunde Führung Führungskräfte sind Kulturpromotoren, die maßgeblich für die
Entwicklung der Gesundheitskultur im Unternehmen verantwortlich
sind. Gesunde Führung kennzeichnet einen Führungsstil mit implizi-
ten und expliziten Steuerungselementen wie systematische Führung
(Zielsetzung, Kontrolle der Zielerreichung und des Leistungsfeed-
backs) sowie Motivation und Partizipation (Beteiligung, Einbindung,
Förderung von Eigeninitiative, Verantwortungsübernahme sowie
angemessenes Informations- und Kommunikationsmanagement). In
diesem Themenbereich lassen sich zwei Perspektiven verorten:
Gesundheitsförderliche Führung als Selbstmanagementaufgabe und
als Führungsaufgabe. Bei der Selbstmanagementaufgabe geht es
nach dem Ressourcenmodell um eine Balance zwischen Anforderun-
gen und Ressourcen. Bei der Führungsaufgabe lassen sich drei Rol-
len identifizieren: (1) Führung als Interaktionspartner mit direktem
Einfluss auf die Beanspruchungsfolgen der Mitarbeiter (Befähigung,
Beteiligung, Verantwortungsübernahme, Commitment), (2) Führung
als Ressourcenmanager mit moderierender Pufferfunktion (Ressour-
cenmanagement sowohl persönliche als auch externale Ressourcen
betreffend, aktive Stressprävention) und (3) Führung als Arbeitsge-
stalter mit Einfluss auf die Belastungssituation der Mitarbeiter
(Gestaltung der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsumgebung, der Arbeits-
organisation und Einfluss auf die psychosoziale Umwelt).
Gesundheits- Gesundheitskommunikation soll über das Thema ‚Gesundheit’ auf-
kommunikation klären, informieren und darüber hinaus überzeugen sowie zu ge-
sundheitsfördernden Verhaltensanweisungen anregen. Dabei be-
dient sich die Gesundheitskommunikation den üblichen Schritten
der Kommunikationsplanung (Definition der Dialoggruppen sowie
die Definition der Zielgruppen, Kommunikationsziele, -inhalte,
-kanäle, -phasen und -maßnahmen) und flankiert von Anfang an das
betriebliche Gesundheitsmanagement (Marketing).
Gesundheitskompetenz Inhaltlich orientiert sich der Begriff „Gesundheitskompetenz“ an
der Ottawa Charta. Gesundheitskompetenz bestimmt sich als die
Fähigkeit des Einzelnen, im täglichen Leben Entscheidungen zu
treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken, und zwar zu
Hause, in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft. Gesundheitskom-
petenz stärkt die Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit in Ge-
sundheitsfragen und verbessert die Fähigkeit, Gesundheitsinforma-
tionen zu finden, zu verstehen und in Handeln umzusetzen. Ge-
sundheitskompetenz darf kein träges Wissen sein (Faktenwissen),
sondern muss handlungsorientiert übersetzt sein (Transferproblem).
Gesundheitskultur Gesundheitskultur ist ein Segment der Unternehmenskultur und
vereint Sinnhaftigkeit und Relevanz des Themas „Gesundheit“ im
Unternehmen aus Sicht der Beschäftigten (Werte und Einstellungen
betreffend). V. a. Führungskräfte sind für die Entwicklung der
Gesundheitskultur verantwortlich, die sich in ihrer nachhaltigen
Wirkung durch das Setzen von Gesundheitsnormen im Mitarbeiter-
verhalten niederschlägt. Als subjektives Maß ist die Gesundheitskul-
tur hoch mit objektiven Maßen wie Fehlzeitenquote korreliert. Eine
transparente Leitbildpolitik kann die Gesundheitskultur begleiten,
jedoch ist Gesundheitskultur nicht gleichzusetzen mit einer Road-
show von aufgefrischten modernen Leitbildern.

G
Glossar 511 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Gesundheitsmonitoring Das Gesundheitsmonitoring bezeichnet die systematische, regelmä-
ßige und repräsentative Erfassung von Gesundheitsdaten und Risiko-
faktoren in der Bevölkerung oder in spezifischen Kohorten. Sie
dienen als Grundlage für epidemiologische Forschungsarbeiten und
Risikoeinschätzungen. Als Beispiel ist das Zentrum für Krebsregis-
terdaten zu nennen (http://www.krebsdaten.de).
Gesundheitszirkel In Gesundheitszirkeln treffen sich die Teilnehmer für eine begrenz-
te Zeit regelmäßig in ausgewählten Arbeitsbereichen oder Abteilun-
gen. Durch das kommunikative und gestaltungsorientierte Instru-
ment des betrieblichen Gesundheitsmanagements sollen gesund-
heitliche Probleme aus der Sicht der Betroffenen angegangen und
Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden. Ziele von Gesundheits-
zirkeln sind die Reduzierung von Fehlzeiten, die Reduzierung von
verhaltensbedingten Arbeitsunfällen, die Verbesserung der Arbeits-
und Produktqualität, die Verbesserung der Aufbau- und Ablauforga-
nisation, die Verbesserung der Kommunikation und Kooperation und
anderes mehr. Am besten funktionieren die Gesundheitszirkel nach
einer fundierten Standortbestimmung hinsichtlich der Risikofakto-
ren und des Gesundheitszustands der Organisation.

H
Handlungs- Die Handlungsregulationstheorie wurde von Winfried Hacker und
regulationstheorie Walter Volpert entwickelt. Die Handlungsregulationstheorie ist ein
Handlungsmodell, das auf Zielen basiert, Pläne als Basis zur Reali-
sierung der Ziele verwendet und über die Rückmeldung in Form von
Rückkopplungsschleifen schrittweise zur Korrektur der Pläne und
Handlungen führen kann. Hier geht es also um die psychische Regu-
lation von Wissens-, Denk- und körperlicher Arbeit. Handlungen
bestehen hiernach aus Teilhandlungen und Bewegungen (hierarchi-
scher Aufbau) und differenzieren sich in automatisierte, bewusst-
seinsfähige und bewusstseinspflichtige Regulationsprozesse. Ziel ist
es, die Güte des Handelns in Bezug auf die Tätigkeit zu optimieren.
Hardiness Die Widerstandsfähigkeit gegen Fehlbelastungen als internale Res-
source beschreibt eine Persönlichkeitsdisposition, die Menschen
trotz großer und zum Teil extremer Belastungen zu schützen ver-
mag. Die Disposition setzt sich zusammen aus einem ausgeprägten
Engagement, sich mit den Lebensaufgaben zu identifizieren, Kon-
trolle und die Überzeugung, Einfluss auf das eigene Leben nehmen
zu können sowie Herausforderungen und Veränderungen als positive
Chancen wahrzunehmen.
Health Balanced Scorecard Die Health Balanced Scorecard verknüpft gewichtet verschiedene
betriebliche Gesundheitsindikatoren (Früh- und Spätindikatoren) zu
aussagekräftigen Kennwerten auf der Potenzial-, Prozess-, Kunden-
und Finanzperspektive. Die Vor- und Nachteile der Balanced Score-
card gelten auch für die Health Balanced Scorecard. Vorteilhaft ist
die Verknüpfung der Health Balanced Scorecard mit dem EFQM-
Modell (EFQM-basierte Health Balanced Scorecard).
Anh A 512 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


HERO Datenbank Bei der HERO-Datenbank handelt es sich um eine wissenschaftliche
The Health Enhancement Datenbank zur Gesundheitsförderung und Prävention, die Daten von
Research Organization diversen Unternehmen im Longitudinaldesign erfasst. Es handelt
sich um eine Zusammenarbeit von HERO, der StayWell Company,
der MEDSTAT Group und weiteren Unter-nehmen wie Hoffmann La
Roche mit einer Gesamtpopulation von derzeit etwa n=47.500. Man
möchte die Einflüsse von beeinflussbaren Risikofaktoren wie Alko-
holkonsum, Blutzucker, Blutdruck, Cholesterin, Ernährung, Fitness,
psychische Gesundheit, Tabakkonsum, Stress, Gewicht und deren
Wechselwirkungen untersuchen. Dabei interessiert v. a. der Zu-
sammenhang zwischen Veränderungen von Risikofaktoren und deren
Auswirkungen auf Kosten der medizinischen Versorgung.

I
Inzidenz Der Begriff Inzidenz beschreibt die Häufigkeit von Neuerkrankungen
innerhalb eines bestimmten Zeitraums: Anzahl neu aufgetretener
Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Bevölkerungsgruppe (oft
100.000 Einwohner als Maßeinheit) und eines festgelegten Zeit-
raums (meistens 1 Jahr). Oft wird der Begriff synonym mit der
Inzidenzrate verwendet. Sie ist definiert als der Anteil der in einem
bestimmten Zeitraum neu erkrankten Personen innerhalb einer
betrachteten Zeitspanne bezogen auf die entsprechende Populati-
on, die dem Erkrankungsrisiko ausgesetzt ist. Inzidenzstudien er-
möglichen Risikoeinschätzungen. Sie sind aber aufwendig, da man
meistens lange Beobachtungszeiten großer Kollektive benötigt.

K
Key Performances Darunter versteht man Schlüssel- bzw. erfolgskritische Kennzahlen,
Measures die bspw. in einer Balanced Scorecard zusammengeführt werden
können. Diese Kennzahlen fungieren meistens als Indikatoren (Key
Performance Indicator = KPI). Die Fehlzeiten können bspw. als KPI
für den „Gesundheitszustand“ des Unternehmens fungieren. Ent-
scheidend ist, dass man mit diesen Kennzahlen den Fortschritt oder
den Erfüllungsgrad in Bezug auf zentrale Zielsetzungen (Organisati-
onsziele) bestimmen bzw. messen kann.
Ko- und Multimorbidität Zweifach- oder Mehrfacherkrankungen sind in Anbetracht der Tat-
sache, dass die Menschen immer älter werden, künftig häufig zu
erwarten. Damit erschwert sich nicht nur die Diagnostik, sondern es
kommt auch zu Wechselwirkungen zwischen den Krankheiten bzw.
Beschwerden. So kann bspw. Diabetes das Risiko erhöhen, einen
Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Bewegungsmangel
durch arthrotische Erkrankungen wiederum kann zu einem erhöhten
Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten führen. Viele psychische Stö-
rungen sind mit anderen Krankheitsbildern verbandelt.
Kohärenz Kohärenz wird durch drei Faktoren erklärt: Verstehbarkeit Ù Um-
weltanreize sind strukturiert, vorhersagbar und erklärbar; Hand-
habbarkeit Ù Ressourcen vorhanden, um Anforderungen zu bewäl-
tigen; Bedeutsamkeit Ù Anforderungen als positiv erlebte Heraus-
forderungen.
G
Glossar 513 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Kondratieff-Zyklus Der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew postu-
liert ausgehend von empirischen Untersuchungen, dass es neben
den kurzen Konjunkturzyklen auch lange Konjunkturwellen gebe,
die im Durchschnitt ca. 50 Jahre andauern. Jede dieser Wellen ist
gekennzeichnet von einem spezifischen gesellschaftlichen Bedarf
(bspw. die Informationstechnik seit 1990). Kennzeichnend für jede
Welle sind eine Aufschwung- und eine Abschwungphase.
Kontrollüberzeugung Generell unterscheidet man Menschen mit internaler Kontrollüber-
zeugung, die sich zutrauen, Herausforderungen selbst meistern zu
können, von Menschen mit externaler Kontrollüberzeugung, die sich
vom Schicksal oder anderen äußeren Umständen gelenkt und be-
stimmt fühlen.

M
Managed Care System Beim Managed Care handelt es um ein in den USA entwickeltes
vernetztes Versorgungsmodell, um betriebswirtschaftlich effizient
und effektiv Einfluss auf medizinische Entscheidungsprozesse und
ärztliches Handeln zu nehmen (Kosten- und Leistungskontrolle).
Durch die zentrale Steuerung der medizinischen Leistungserbrin-
gung, durch die Abschaffung der freien Arztwahl, durch eine größe-
re Datentransparenz u. a. versucht man das kränkelnde Versor-
gungs- und Versicherungssystem aus betriebswirtschaftlicher Sicht
zu optimieren. Ohne die Vorteile des Solidaritätsprinzips aufzuge-
ben, versucht man, Angebot und Nachfrage aus wirtschaftlicher
Sicht zu verknüpfen. Das Hausarztkonzept ist ein typisches Beispiel
für ein solches Managed Care System. Disease Management Pro-
gramme für chronisch kranke Menschen und die integrierte Versor-
gung gehören ebenfalls zu diesem Ansatz.
Metaanalyse Unter Metaanalysen versteht man Verfahren, mit denen die Ergeb-
nisse unterschiedlicher Studien zu einer gemeinsamen Thematik
zusammengefasst werden. Dadurch erhält man einen Überblick zum
aktuellen Stand der Forschung. Metaanalysen setzen zur Integration
auf statistische Methoden und unterscheiden sich dadurch von den
klassischen Reviews, die auf der sprachlichen Ebene die Zusammen-
führung vornehmen.
Metabolisches Syndrom Das metabolische Syndrom bezeichnet Beschwerden, die mit viel-
fältigen Störungen des Stoffwechsels, der Blutdruckregulation und
Fettleibigkeit assoziiert sind. Risikofaktoren sind Diabetes mellitus,
eine gestörte Glucosetoleranz, ein pathologischer Nüchternblutzu-
cker, meistens Bluthochdruck, viszerale Adipositas etc. Man geht
davon aus, dass das metabolische Syndrom ein entscheidender
Risikofaktor für koronare Herzkrankheiten ist.
Miasma Miasma bedeutet „übler Dunst“ und erklärt aus medizingeschichtli-
cher Sicht ein Modell der ungeklärten Krankheitsübertragung.
Anh A 514 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Mikrozensus Der Mikrozensus ist eine bevölkerungsstatistische Erhebung, bei der
im Gegensatz zur Volkszählung per Zufall eine Flächenstichprobe
gezogen wird. Das Statistische Bundesamt befragt jährlich 1 Pro-
zent der Privathaushalte in Deutschland, das sind ca. 390.000 Haus-
halte mit etwa 830.000 Menschen. Der Mikrozensus gibt sowohl
politischen Entscheidungsträgern Informationen über die wirtschaft-
liche und soziale Lage der Bevölkerung sowie über die Erwerbstä-
tigkeit, den Arbeitsmarkt und die Ausbildung, als auch der Wissen-
schaft entsprechende Benchmarkmöglickeiten.
Modell der Das Job Characteristics Model befasst sich mit der Frage, wie Moti-
Arbeitscharakteristika vation aus der Arbeit entsteht. Es stellt eine Rahmentheorie für die
Entstehung intrinsischer Motivation aus den Aufgabenmerkmalen
dar. Motivation wird als vermittelnde Variable zwischen Letzteren
und Spätindikatoren wie Fehlzeiten, Zufriedenheit und Gesundheit
interpretiert. Das Instrument Job Diagnostic Survey baut auf das
Modell der Arbeitscharakteristika und kann zur Ermittlung aufga-
benrelevanter Merkmale der Gesundheitserfassung dienen.
Moderator Moderatoren beeinflussen den Zusammenhang zwischen zwei Vari-
Mediator ablen wie Arbeitsmotivation und Leistung. Der Einfluss der Modera-
toren ist dabei oft unbestimmt und muss durch statistische Analy-
sen ermittelt werden. Im Gegensatz zu den Moderatoren wechsel-
wirkt der Mediator sowohl mit der einen als auch mit der anderen
Variable. Es liegen damit signifikante Zusammenhänge vor.
Monotonie Eine reduzierte psychophysische Aktivität infolge einer spezifischen
Beanspruchung ist das Kennzeichen der Monotonie. Besonders
reizarme Situationen, die eine länger andauernde Ausführung oder
gleichartig einförmige Tätigkeiten verlangen, begünstigen das
Monotonieerleben. Dieses kann quantitativer (es gibt zu wenig zu
tun) oder qualitativer Art (man ist intellektuell unterfordert) sein.
Aus monotonen Tätigkeiten folgen Müdigkeit, Interesselosigkeit und
Gefühle der Langeweile. Diese Symptome können durch Reizgabe,
z. B. durch einen Tätigkeitswechsel (Job Rotation), schlagartig im
Gegensatz zur psychischen Ermüdung verschwinden.
Morbidität Morbidität ist eine statistische Größe, die die Krankheitshäufigkeit
Mortalität bezogen auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe beschreibt und
mit deren Hilfe man die Erkrankungswahrscheinlichkeit abschätzen
kann. Die Morbidität wir durch die Prävalenz (Rate bereits Erkrank-
ter) und der Inzidenz (Rate der neu Erkrankten) innerhalb eines
definierten Zeitfensters bestimmt. Während Morbidität ein Begriff
der Erkrankungsstatistik ist, handelt es sich bei der Mortalität um
einen Begriff der Todesursachenstatistik.
Multiple Chemical Man versteht darunter eine mehrfache Chemikalienunverträglich-
Sensitivity keit (multiple Chemikaliensensitivität). Es erfolgt eine allergieähn-
liche Reaktion des Immunsystems gegenüber Spuren von Chemika-
lien oder Umweltschadstoffen. Meistens handelt es sich um alltägli-
che Chemikalien wie Duftstoffe, Lösungsmittel usw. Haut- und
Atemwegsprobleme, Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit sind die
Folgen. Prinzipiell können alle Organe betroffen sein (Syndrom-
Charakter), was die Differenzialdiagnostik schwierig macht und eine
intensive Anamnese erfordert.

G
Glossar 515 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung

O
Omnibusbefragung Unter Omnibusbefragung versteht man eine Mehrthemenbefragung.
So lassen sich bspw. Gesundheitsfragen in einer allgemeinen Mitar-
beiterbefragung integrieren, ohne dass man aus logistischer Sicht
eine eigene Gesundheitsbefragung durchführen muss. Dadurch
lassen sich auch interessante Zusammenhänge zwischen Gesundheit
und Zufriedenheitswerten der Mitarbeiterbefragung ermitteln.
Nachteilig ist jedoch, dass möglicherweise durch ein Thema auch
ein unkontrollierter Einfluss auf die Beantwortung der anderen
Themen erfolgt. Zudem werden Gesundheitsfragen innerhalb einer
Mitarbeiterbefragung nicht mit der gleichen Sorgfalt und Intensität
ausgefüllt wie bei einer getrennten Gesundheitsbefragung (Ausfüll-
qualität leidet oftmals durch Kombination).

P
Paneluntersuchung In der empirischen Sozialforschung handelt es sich meistens um ein
spezielles Längsschnittdesign zur Feststellung von Veränderungen
innerhalb einer bestimmten Gruppe von Personen in Bezug auf
festgelegte Merkmale im Zeitablauf. Es erfolgt also eine mehrfache
Erhebung derselben Variablen bei gleicher Operationalisierung
(bspw. das gleiche Befragungsinstrument) an denselben Personen
bzw. Untersuchungsobjekten zu verschiedenen Zeitpunkten. Prob-
lematisch sind die nur bedingt kontrollierbaren Paneleffekte. Damit
sind alle bewussten oder unbewussten Veränderungen bspw. im
Verhalten oder den Einstellungen der Panelteilnehmer gemeint, die
aus der wiederholten Messung resultieren. Ein weiteres Problem
stellt der Stichprobenschwund dar, der selektiv oder auch unkon-
trolliert erfolgen kann. Deshalb muss man meistens auch relativ
große Stichproben bzw. Kollektive am Anfang wählen. Dies ist bei
der Wirksamkeitsforschung von Maßnahmen im Bereich der Gesund-
heitsförderung zu beachten.
Partizipatives Produktivi- Das Partizipative Produktivitätsmanagement (PPM) stellt ein grup-
tätsmanagement penbezogenes Zielvereinbarungssystem dar, das erstmals unter der
Bezeichnung ProMES (Productivity Measurement and Enhancement
System) von Robert D. Pritchard Ende der achtziger Jahre in der
USA erprobt wurde. Entscheidend ist das Gruppenziel, was explizit
von der Gruppe definiert wird. Die Gruppe bestimmt auch die
kritischen Erfolgsfaktoren, nach der die Zielerreichung verfolgt
werden kann. Das Feedback über die Erfolgszahlen ist maßgeblich,
um eine homogene Kräfteausrichtung der Motivation zu erzielen
bzw. um eine gemeinsame Zielorientierung zu schaffen. Gruppen-
ziele dürfen dabei nicht nur an Einzelne ausgerichtet werden,
sondern die gruppenbezogene Gesamtzielerreichung muss im Kon-
sens mit den übergeordneten Organisationszielen stehen.
Anh A 516 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Präsentismus Unter Präsentismus versteht man eine Anwesenheit des Mitarbeiters
trotz Krankheit am Arbeitsplatz. Typische Folgen des Präsentismus
sind: Die Konzentration lässt nach, die Fehleranfälligkeit steigt, die
Unfallgefahr nimmt zu und die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Prä-
sentismusformeln zur Berechnung der Kosten gehen durchschnitt-
lich von 25 Prozent Leistungsminderung aus. Präsentismus kann sich
zu einem gewaltigen Kostentreiber für Unternehmen herausstellen.
Schätzungen zufolge gehen bis zu 60 % der Gesundheitskosten auf
Präsentismus zurück. Eine Senkung der Fehlzeitenquote verliert
ihre Bedeutung, wenn diese durch eine Erhöhung des Präsentismus
erkauft wird. Im Gegensatz zu den Fehlzeiten lässt sich der Präsen-
tismus aber nur indirekt bestimmen, indem man Gesundheitsbefra-
gungen durchführt. Hinweise auf Präsentismus lassen sich auch aus
einer erweiterten differenzierten Fehlzeitenanalyse entnehmen.
Prävalenz Unter Prävalenz versteht man die Häufigkeit einer Erkrankung in
einer Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dabei unter-
scheidet man die Periodenprävalenz (bestimmter Zeitraum, meis-
tens 1 Jahr) und die Punktprävalenz (bestimmter Stichtag). Zwi-
schen der Prävalenz und der Inzidenz (siehe oben) besteht folgen-
der Zusammenhang: Prävalenz = Inzidenz × durchschnittliche
Krankheitsdauer. Analog zur Inzidenz wird die Prävalenz ebenfalls
als relationaler Begriff bestimmt, nämlich die Prävalenzrate. Sie
stellt die Anzahl der Fälle/Erkrankungen einer Population geteilt
durch die Anzahl aller dem Risiko exponierten Mitglieder dieser
Population innerhalb eines bestimmten Zeitraums dar.
Prävention Unterschieden werden drei Präventionsklassen: Bei der Primärprä-
vention geht es um das Vorbeugen des erstmaligen Auftretens von
Krankheiten, in der Sekundärprävention geht es um die Früherken-
nung von symptomlosen Krankheitsvor- und -frühstadien. Die Terti-
ärprävention schließlich beinhaltet die Verhütung von Erkrankungen
und Behinderungen sowie die Vorbeugung von Folgeerkrankungen.
Instrumente der BGF lassen sich den Kategorien Verhaltens- und
Verhältnisprävention zuordnen: Unter Verhaltensprävention ver-
steht man alle Maßnahmen, die am Menschen ansetzen (z. B. Er-
nährung, Bewegung, Stressmanagement); im Gegensatz dazu setzt
die Verhältnisprävention im organisatorischen und technischen
System an (z. B. gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung und
Führung). Ein modernes Präventionsverständnis basiert auf aktive
Beteiligung der Betroffenen (Partizipationsansatz).
Prozentrang Die Aussage „Die Leistung von X entspricht dem Prozentrang 60“
bedeutet, dass 40 Prozent der Bezugsgruppe besser als X abge-
schnitten haben. Prozentränge werden gerne im Bereich des Ge-
sundheitscontrollings als deskriptives statistisches Maß eingesetzt,
um auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Prozentrang alleine
reicht aber nicht aus, um Inhalte abzubilden.
Psychische Ermüdung Die psychische Ermüdung führt zu einer vorübergehenden Bein-
trächtigung der psychischen und körperlichen Leistungsfähigkeit
bzw. Funktionstüchtigkeit in Abhängigkeit von der vorangegangenen
psychischen Beanspruchung. Müdigkeitsempfinden stellt sich ein.
Sie ist nicht mit der einfachen Ermüdung nach getaner Arbeit zu
verwechseln, sondern tritt schon während der Arbeit ein. Vor allem
schlecht gestaltete Aufgaben- und Tätigkeitsmerkmale wie zu
wenig Handlungsspielraum, qualitative oder quantitative Überfor-
G derung oder Emotionsarbeit können psychische Ermüdung auslösen.
Glossar 517 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Psychische Sättigung Psychische Sättigung umschreibt einen negativen, affektbetonten
und kritischen Zustand der Ablehnung gegenüber sich wiederholen-
den Tätigkeiten oder gegenüber Situationen, wo man auf die Stelle
tritt und nicht vorwärts kommt. Eine hohe Anspannung (verärgert
sein) verknüpft mit Müdigkeitsempfinden und negativem Erleben
führt zu Leistungsabfall und ggf. sogar zu psychosomatischen Er-
krankungen. Von der Montonie unterscheidet sich die psychische
Sättigung durch eine nicht reduzierte oder sogar erhöhte Aktivie-
rung. Die psychische Sättigung kann als „Widerwillen“ auch schon
vor der eigentlichen Aufnahme der Tätigkeiten wirken.
Psychische Störung Die WHO hat den Begriff ‚Psychische Störung’ eingeführt und damit
den älteren Begriff der „Psychischen Erkrankung“ ersetzt. Psychi-
sche Störungen beschreiben eine signifikante Abweichung im Erle-
ben oder Verhalten des Einzelnen im Kognitiven, Emotionalen und
Behavioralen. Neben der Abweichung von der Norm inkludiert die
Diagnosestellung auch einen psychischen Leidensdruck seitens des
Betroffenen. Die Beurteilungs- und Diagnosekriterien finden sich im
ICD 10 (WHO) oder DSM IV (APA). Die häufigsten Störungen sind
Depressionen, Ängste und Substanzabhängigkeit.

R
Regressionsanalyse Die Regressionsanalyse als statistisches Verfahren stellt Beziehun-
gen zwischen einer abhängigen Variablen und einer oder mehreren
unabhängigen Variablen fest. Ziel ist es, diejenige Gerade zu fin-
den, die die Summe der quadrierten Vorhersagefehler minimiert.
Mit der linearen Regression werden die Koeffizienten der linearen
Gleichung unter Einbeziehung einer oder mehrerer unabhängiger
Variablen geschätzt, die den Wert der abhängigen Variablen am
besten vorhersagen. Komplexe Regressionsmodelle arbeiten sogar
mit mehreren abhängigen Variablen und mit kurvilinearen Zusam-
menhängen zwischen diesen und den unabhängigen Variablen.
Regulationskompetenz Konfligierende Rollenanforderungen, unterschiedliche Erwartungen,
Ressourcenknappheit u. a. erfordern beim Menschen eine kontinu-
ierliche Regulation, um eine Art beanspruchungsoptimales Gleich-
gewicht zwischen Belastungen und Ressourcen zu erzielen. In ge-
wisser Weise könnte man Stress als eine Art Regulationsproblem
definieren. Moderne Ansätze des Selbstmanagements (Zeit- und
Ressourcenmanagement, Problemlösungskompetenz etc.) beziehen
sich auf diese Regulationskompetenz.
Repetitive Strain Injury Das RSI-Syndrom ist auch umgangssprachlich bekannt als Mausarm.
Es geht mit Schmerzen im Handgelenk und Unterarm einher. Eine
Verletzung entsteht erst durch die immer wiederkehrende gleichar-
tige Belastung bzw. niederschwellige Traumatisierung. Ein ergono-
mischer Arbeitsplatz und regelmäßige Bewegungen sind wichtig, um
ein RSI-Syndrom gerade bei Bildschirmarbeitsplätzen zu verhindern
(Bildschirmarbeitsverordnung).
Anh A 518 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Resilienz Psychische Gesundheit ist in Anbetracht der Zunahme psychischer
Störungen und vermehrtem negativen Stress ein hoher Anspruch in
einer flexiblen und belastungsreichen Arbeitswelt. Wenn sich Men-
schen trotz dieser vielfältigen Belastungen psychisch gesund entwi-
ckeln bzw. die psychische Gesundheit aufrechterhalten können,
dann sprechen wir von Resilienz (psychischer Widerstandskraft).
Manche vergleichen Resilienz mit der Biegsamkeit eines Lineals.
Diese Eigenschaft hat teilweise dispositionellen Charakter. Sie ist
jedoch nicht statisch, sondern wird durch viele Kontextfaktoren
geprägt und entwickelt sich im Laufe des Lebens. Aus Sicht der
Arbeitswelt geht es im „Resilienzmanagement“ darum, diese schüt-
zenden bzw. protektiven Faktoren zu fördern. Optimismus und
Selbstvertrauen sind dabei wichtige Zielgrößen der anzustrebenden
„personalen Robustheit“. Als Säulen der Resilienz werden in ver-
schiedenen Modellen neben Optimismus und Selbstvertrauen noch
Akzeptanz, Lösungsorientierung, Distanzierung von der Opferrolle
(Selbstmitleid), Übernahme von Verantwortung, Nutzung sozialer
Netzwerke bzw. stabiles soziales Umfeld sowie Zukunftsplanung als
„Resilienzfaktoren“ aufgeführt.
Ressourcen Als ‚Puffer’ sind die Ressourcen bis zu einem gewissen Grad in der
Lage, die Wirkungen der (Fehl-)Belastungen zu kompensieren  in
Abhängigkeit von der Dauer und Intensität der Belastungen sowie
der intraindividuellen Selbstregulationskompetenz. Aus der Ver-
rechnung zwischen Belastungen und Ressourcen resultieren die
Beanspruchungsfolgen. Unterschieden werden internale oder perso-
neneigene Ressourcen, wie Qualifikation, Kompetenzen, Werte
oder Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress und externale
oder organisationale Ressourcen, wie soziale Unterstützung, ge-
sundheitsförderliche Führung oder Gesundheitskultur.
Return on Investment Return on Investment stellt die Kapitalrendite als Maß für den
ROI finanziellen Erfolg des im Unternehmen gebundenen Kapitals dar
und ist definiert als Umsatzrendite (Verhältnis des Gewinns zum
Umsatz) multipliziert mit dem Kapitalumschlag (Verhältnis von
Umsatz zum Kapitaleinsatz). Berechnet wird dieser Kennwert nach
Kürzung des Nettoumsatzes durch das Verhältnis zwischen Gewinn
und Gesamtkapital bzw. als Quotient aus Periodengewinn und
Kapitaleinsatz im Sinne einer periodischen Bezugsgröße. Am be-
kanntesten ist hier die DuPont-Kennzahlenpyramide. Das ROI-Maß
kann auch zur Beurteilung von Einzelinvestitionen herangezogen
werden. Kritisch anzumerken sind die Vergangenheitsorientierung,
die unzureichende Beachtung von Risiken, die Verfälschbarkeit
durch bilanzielle Verschiebungen und die Nichtberücksichtigung der
Kapitalkosten. Das Grundschema der erweiterten ROI-Analyse zeigt
auf, dass weitere Treiber und ihre Beziehungen wie Fremdkapital-
zins, Verschuldungsgrad, Eigenkapitalquote bis zum Marktwert des
Eigenkapitals in die Berechnung einfließen können.

G
Glossar 519 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Rubikon-Modell der Heinz Heckhausen entwickelte das Rubikon-Modell der Motivation.
Motivation Der Name „Rubikon“ geht auf Cäsars Entscheidungsprozess zurück,
49 v. Chr. den Rubikon zu überschreiten und somit einen Bürger-
krieg zu beginnen oder nicht  schließlich warf er den berühmten
Würfel. Im Rubikon-Modell der Motivation werden vier Phasen
unterschieden: (1) die des Abwägens von Handlungsmöglichkeiten
einschließlich der Wahl einer davon und der entscheidenden Festle-
gung auf sie, (2) die des Planens der Umsetzung der getroffenen
Entscheidung „in die Tat“, (3) die der realen Durchführung der
Entscheidung in konkretem Handeln und (4) die des abschließenden
Bewertens dieses Handelns. Diesen Phasen lassen sich motivations-
theoretische Konzepte zuordnen. Im betrieblichen Motivationsma-
nagement interessiert man sich v. a. für die zweite und dritte
Phase, wo u. a. die Zieltheorien, die Handlungstheorien und Selbst-
regulationstheorien Geltung beanspruchen.

S
Salutogenese Der Begriff ‚Salutogenese’ (Krankheitsentwicklung) wurde 1979 von
Aaron Antonovsky entwickelt. Die pathogenetische Frage „Was
macht den Menschen krank?“ wird in der Salutogenese ersetzt
durch die Frage „Was hält den Menschen trotz mannigfaltiger Belas-
tungen gesund?“ Das salutogenetische Rahmenkonzept fokussiert
Faktoren und dynamische Wechselwirkungen, die zur Genese (Ent-
stehung) und Erhaltung von Gesundheit führen. Nach Antonovsky ist
Gesundheit kein Zustand, sondern vielmehr ein Prozess. Ein zentra-
les Konzept ist das Kohärenzgefühl (Vertrauen).
Selbstwirksamkeit Selbstwirksamkeit oder Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) be-
zeichnet die eigene Erwartung, aufgrund eigener Möglichkeiten
gewünschte Handlungen erfolgreich selbst ausführen zu können. Ein
Mitarbeiter, der daran glaubt, selbst etwas bewirken zu können und
auch vor Herausforderungen nicht zurückschreckt und versucht, sie
zu meistern, hat eine hohe SWE. Damit einher geht die Annahme,
man könne gezielt Einfluss nehmen (internale Kontrollüberzeu-
gung). Untersuchungen zeigen, dass Personen mit einem starken
Glauben an die eigene Kompetenz größere Ausdauer bei der Bewäl-
tigung von Aufgaben, eine niedrigere Anfälligkeit für Angststörun-
gen und Depressionen und mehr Erfolge in der Ausbildung und im
Berufsleben aufweisen. Selbstwirksamkeit hat sich als ein maßgeb-
liches psychisches Konstrukt in der Gesundheitspsychologie heraus-
kristallisiert. Es wird als personenbezogene Ressource bewertet.
Soziale Unterstützung Soziale Unterstützung ist eine externale Ressource im Umgang mit
Stress. Unterschieden werden vier unterschiedliche Formen der
sozialen Unterstützung: emotionale Unterstützung durch Mitgefühl,
beurteilende Unterstützung durch Rückmeldung und Bestätigung,
informative Unterstützung durch Ratschläge und konkrete Hilfestel-
lungen und instrumentelle Unterstützung durch Kollegen Mitarbei-
ter und Vorgesetzte bei der Erledigung der Arbeit.
Soziale Verantwortung Siehe Æ Corporate Social Responsibility
Anh A 520 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Sozialkapital Soziale Beziehungen, gemeinsame Werte und Vertrauen sind uner-
lässlich in einer zunehmend kompetitiven Arbeitswelt. Aus Gesund-
heitssicht entwickelt sich das Sozialkapital als zentrale Gesund-
heitsressource nach Bernhard Badura. Aus betrieblicher Sicht wer-
den die Faktoren Führung, Kultur und Betriebsklima betrachtet. Es
liegen Nachweise vor, dass das Sozialkapital signifikant auf Erfolgs-
größen wie Leistung, Gesundheit und Fehlzeiten wirkt. Aus Sicht
des Gesundheitsmanagement interessieren hier vor allem der Zu-
sammenhang zwischen Führungsverhalten und Mitarbeitergesund-
heit sowie zwischen Gesundheitskultur und Organisationspatholo-
gien. Die These lautet nach Badura: durch achtsame Führung lässt
sich ein Kulturwandel in Richtung gesunder Organisation gestalten.
Stressmanagement Stressmanagement ist bei den internalen Ressourcen zu verorten.
Dazu gehört die Feststellung des eigenen Umgangs mit unterschied-
lichen Stresssituationen. Wenn sich der Stress durch eine Optimie-
rung des eigenen Arbeitsverhaltens minimieren lässt, empfiehlt sich
der Einsatz von systematischen Techniken wie Zeitmanagement
oder Problemlösetechniken. Ist der Stress fremdbestimmt, bieten
sich Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive
Muskelrelaxation oder Yoga an. Zur Förderung der intrinsischen
Motivation im Lernprozess des Stressmanagements kann man zu
Selbstbelohnung ein Genusstraining absolvieren.
Subsidiarität Als politische und gesellschaftliche Maxime betont die Subsidiarität
die Eigenverantwortung vor staatlichem Handeln. Bei staatlichen
Aufgaben sollen zuerst und im Zweifel untergeordnete, lokale
Gruppen wie Stadt oder Gemeinde für die Lösung und Umsetzung
zuständig sein. Für die die Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt
ist es wichtig, dass die Betroffenen selbstwirksam und kompetent
an ihrer Gesundheit arbeiten. Voraussetzung ist hier allerdings,
dass die Personen über eine ausreichende Gesundheits- und Regula-
tionskompetenz verfügen.
Sustainable Human Nach Internationalisierung ist das wichtigste Thema des modernen
Resource Management Human Resource Managements die Nachhaltigkeit als Ausdruck
strategischen Denkens und Handelns im Umgang mit dem knappen
und wertvollen Gut Personal. Dieser soll nicht mehr ausgebeutet
werden, sondern entwickelt und potenziert werden. Zur Nachhal-
tigkeit gehört v. a. die Mitarbeiterbindung (Retentionsmanagement)
und ein strategischer Ansatz hinsichtlich der Steigerung des Human
Capital Managements. Ferner müssen in Anbetracht des demografi-
schen Wandels zunehmend auch Instrumente der Personalpflege
Berücksichtigung finden (Gesundheitsmanagement), sodass Nach-
haltigkeit nur durch einen salutogenetischen Weg des Human Re-
source Managements erzielt werden kann. Ein weiteres Themenfeld
unter dieser Rubrik ist die soziale Verantwortung.

G
Glossar 521 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Systemischer In der Bildung (Ermöglichungsdidaktik) und in der Beratung (syste-
Konstruktivismus mische Organisationsberatung, Familientherapie) gewinnt das
Paradigma des systemischen Konstruktivismus an Bedeutung. Man
beobachtet nicht nur die einzelne Person, sondern das ganze Sys-
tem, in dem die Person agiert. Zudem versucht man, die betroffe-
nen Personen in die Lage zu versetzen, Probleme eigenständig zu
lösen. In der Beratung bedeutet dies, dass man die Problemlösungs-
kompetenz und die Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit des
Systems steigert, damit das System selbstbestimmt und nachhaltig
zu einer eigenständigen Lösung kommt. In der Bildung schafft man
ein Lernarrangement, dass das selbstregulierte Lernen fördert und
fordert. Damit distanziert man sich von der klassischen Unterneh-
mensberatung, die einen Top-down-Ansatz zur Veränderung präfe-
riert. Der Nachteil systemischer Ansätze ist jedoch die Dauer, denn
Entscheidungen brauchen hier mehr Zeit, mehr Diskussionsraum und
mehr Reflexion als klassische Wege. Für das Gesundheitsmanage-
ment ist der systemische Konstruktivismus eine kompatible Denk-
weise, da sich das moderne Verständnis von Gesundheitsförderung
am Motto „Betroffene zu Beteiligten machen“ orientiert.

T
Tätigkeitsanalyse Arbeits- und Tätigkeitsanalysen aus arbeits- und organisationspsy-
chologischer sowie arbeitswissenschaftlicher Perspektive ermögli-
chen, Schwachstellen in der Arbeitsgestaltung, Arbeitsorganisation
und Arbeitsinhalten zu identifizieren. Damit eignen sie sich auch
zur Ermittlung von Qualifikations- bzw. Eignungsanforderungen für
Tätigkeiten. Die Humankriterien der Arbeit sind die Bewertungs-
grundlage. In der arbeitswissenschaftlichen Analyse fokussiert man
v. a. auf schädigende und beeinträchtigende Gestaltungsfaktoren
der Arbeit wie Hitze oder Lärm. In der psychologischen Arbeitsana-
lyse interessiert man sich weniger für die ergonomischen Kriterien,
sondern mehr für die psychische Regulation menschlicher Arbeitstä-
tigkeit bei den Betroffenen. Sie zielen primär auf die Erhaltung der
Gesundheit (Gesundheitsförderlichkeit) und auf die positive Wir-
kung in Bezug auf die Persönlichkeit (Persönlichkeitsförderlichkeit).
Hinsichtlich der Arbeitsanalyseebenen wird zwischen der objektiven
Seite (Auftrags- und Bedingungsanalyse) und der subjektiven Seite
(Analyse der Arbeitstätigkeit und der erforderlichen personenbezo-
genen Regulationsvorgänge sowie die Analyse der Auswirkungen auf
Erleben und Befinden der Beschäftigten) unterschieden.
Terzentilisierung Ein Terzentil teilt die Gesamtheit einer Stichprobe in drei Teile.
Dadurch erhält man einen niedrigen, mittleren und hohen Bereich
hinsichtlich der Ausprägungen der gemessenen Variablen.
Total Quality Management Darunter versteht man ein umfassendes Qualitätsmanagement. TQM
basiert auf einem mehrdimensionalen Qualitätsbegriff, der sich am
Kunden, an den Mitarbeitern, an den Prozessen usw. orientiert.
Dadurch erweitert man die Perspektive des Qualitätsmanagements
von der technischen Gewährleistung der Produktqualität auf die
Prozesslandschaft des Unternehmens (Schnittstellen), auf die Be-
ziehung zum Kunden und auf die mitarbeiter- und führungsbezoge-
nen Prozesse. Daher handelt es sich um eine Art Führungsphiloso-
phie. Das EFQM-Modell der Exzellenz (siehe Glossar) ist einer der
bekanntesten TQM-Modelle. TQM ist also Qualitätsmanagement, das
explizit auf Leistungssteigerung Wert legt.
Anh A 522 Glossar

Begriff Kurze Erläuterung


Transaktionale Die Transaktionale Stresstheorie wurde 1974 von Richard Lazarus
Stresstheorie veröffentlicht. Die Stresssituation wird als komplexer Wechselwir-
kungsprozess zwischen Anforderungen der Situation und der han-
delnden Person verstanden. Lazarus postuliert, dass die subjektive
Bewertung der Situation und der zur Verfügung stehenden Ressour-
cen von zentraler Bedeutung ist. ‚Transaktional’ bedeutet hier,
dass ein Bewertungsprozess (primäre Bewertung, sekundäre Bewer-
tung und Neubewertung) zwischen Belastung und Beanspruchung
stattfindet, in der die betroffene Person entscheidet, ob die Situa-
tion als herausfordernd oder bedrohlich einzustufen ist. Bei der
Bewertung erfolgt auch die grundsätzliche Beantwortung der Frage,
ob eine Bewältigung durch eigene Ressourcen möglich ist.
Triangulation In der empirischen Sozialforschung ist die Triangulation eine For-
schungsstrategie, um ein vielschichtiges Phänomen methodisch an
mehreren Stellen „anzupacken“. Jede Methode hat ihre immanente
Schwäche. Befragungsergebnisse tendieren bspw. zur sozialen
Erwünschtheit, bilden aber die Sichtweise der Betroffenen ab.
Beobachtungsdaten sind aufwendig zu erfassen und können in Ab-
hängigkeit vom Vorgehen eventuell verzerrt sein. Durch die Kombi-
nation verschiedener Methoden lässt sich ein umfassenderes und
valideres Bild vom Phänomen erzielen. Gerade bei komplexen
Themen wie Gesundheit verspricht dieser Aufwand einen Mehrwert
in Bezug auf die Aussagekraft. Dennoch gibt es methodische Prob-
leme, die im Zusammenhang mit der Triangulation stehen. So kann
bspw. die Aggregation verschiedener qualitativer und quantitativer
Datenquellen zu Artefakten und zu fehlerhaften Schlüssen führen.

U
Unfallkostenrechnung Die Unfallkostenrechnung berücksichtigt direkte und indirekte
Kosten. Neben den direkten Personalkosten während der Arbeitsun-
fähigkeit kommen die indirekten Kosten wie zusätzliche Produkti-
onskosten (Qualitäts- und Produktionsverluste), zusätzliche Perso-
nalkosten (Überstunden, Substitutionspersonal), Verwaltungs- und
Transaktionskosten, Beitragszuschläge der Berufsgenossenschaften
etc. hinzu.

W
Wertkette Die Wertkette (Value Chain) erfasst die Tätigkeiten und Prozesse,
die für das Unternehmen von strategischer Bedeutung in Bezug auf
den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen sind. Sie setzt sich aus pri-
mären und unterstützenden intraorganisatorischen Wertaktivitäten
und der Gewinnspanne zusammen. Dieses Modell lässt sich auf die
„Wertkette Gesundheit“ übertragen und durch unternehmensüber-
greifende Sichtweisen erweitern (Wertschöpfungskette).

G
Glossar 523 A Anh

Begriff Kurze Erläuterung


Work Ability Index Der Work Ability Index (Arbeitsbewältigungsindex) differenziert die
individuelle Arbeitsfähigkeit, v. a. über die subjektive Einschätzung
des Befragten (Fragebogen mit 50 Fragen in der Lang- und 13 Fra-
gen in der Kurzversion). Der WAI soll der Verbesserung der indivi-
duellen Gesundheit, der Gesundheitskompetenz, der Arbeitsumge-
bung und des Führungsverhaltens dienen. Allerdings ist der Fokus
eher pathogenetisch und beschränkt sich auf die Erhebung von
Risikofaktoren, Ressourcen werden dabei ausgespart. Der Arbeits-
bewältigungsindex lässt sich sehr gut mit der Gefährdungsbeurtei-
lung psychischer Belastungen kombinieren, um eine ganzheitliche
Gesundheitsanalyse in der Organisation durchzuführen.
Work-Life-Balance Der Zustand, in dem Arbeit und Privatleben miteinander in Einklang
stehen, wird als Work-Life-Balance bezeichnet. Die artifizielle
Trennung zwischen Berufs- und Privatwelt wird den Anforderungen
unserer Arbeitswelt und auch den Bedürfnissen vieler Arbeitnehmer
nicht gerecht. Eine zeitgemäße Definitionsspezifizierung ist eher
mit dem Begriff ‚Life-Domains-Balance’ gelungen  hier werden
unterschiedliche Domänen wie mehrere Berufstätigkeiten, Familie,
soziale Aktivitäten und Freizeit zueinander in Beziehung gesetzt.
Diese Domänen sollten sich nicht gegenseitig blockieren, sondern
idealerweise gegenseitig unterstützen.

Hinweis: Ein Glossar ist niemals vollständig. Wenn Ihnen aber ein zentraler
Begriff fehlen sollte, so haben wir die Möglichkeit, das Glossar unabhängig von
der Buchpublikation auf der Website zu aktualisieren.

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