TEIXEIRA DE SOUSA M Einige Bemerkungen U
TEIXEIRA DE SOUSA M Einige Bemerkungen U
Teixeira de Sousa
Einige Bemerkungen
über die sachabweisende Entscheidung im Zivilprozess
I. Problemstellung
Etwas vereinfachend ausgedrückt, erweist sich eine zivilprozessuale Klage als unbegründet
sowohl wenn dem Kläger der Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht gelungen ist,
als auch wenn der Beklagte eine materielle Einwendung oder Einrede geltend gemacht hat1. Was
auf einen ersten Blick als eine unbedeutende Trivialität oder vermeintliche Banalität erscheinen
kann2, zeigt sich in Wirklichkeit als ein vielversprechendes Forschungsgebiet, weil den zwei
geschilderten Fallkonstellationen auch zwei grundsätzlich unterschiedliche Problemfelder
entsprechen. In diesem ungefähr umgerissenen Problemkreis steht dabei nur außer Frage, dass in
beiden Fällen der Beklagte eine günstige Entscheidung vom Gericht bekommt.
Ein abweisendes Urteil über einen Parteiantrag stellt sich immer als eine Alternative zu der
von der Partei ersuchten stattgebenden Entscheidung des Gerichts dar. Das
Alternativitätsverhältnis zwischen einer (von der Partei ersuchten) stattgebenden und einer (vom
Gericht erlassenen) abweisenden Entscheidung wird jedoch nicht immer durch dieselben inneren
Eigenschaften gekennzeichnet. In einigen Fällen soll das Gericht eine abweisende Entscheidung
erlassen, entweder weil die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen unter keine für ihn günstige
Rechtsregel subsumiert werden können, oder weil dem Kläger der Beweis der
rechtsbegründenden Tatsachen nicht gelungen ist oder weil der Beklagte die vom Kläger
behaupteten Tatsachen widerlegt hat. Diesen Fällen – in denen das Gericht die Klage abweisen
soll, einfach weil es sie aufgrund der Tatsachenbehauptungen des Klägers nicht als begründet
erachten kann – entspricht eine ausschließende oder starke Alternativität (nach der Beurteilung
des vom Kläger vorgebrachten Prozessstoffs, darf das Gericht nur eine stattgebende oder eine
absprechende Entscheidung treffen). Für diese Fallgestaltung wird die Bezeichnung aut-aut Fälle
vorgeschlagen3.
1 Der Unterschied stammt aus dem römischen Formularverfahren: Wenger, Institutionen des römischen
Zivilprozessrechts (1925), S. 125 ff. und 145 ff.; Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht 2 (1996), S. 256 ff.
2 interessanteweise wurde im 19. Jahrhundert diese Banalität von einigen namhaften Autoren in Frage gestellt:
vgl. z. B. Brinz, KritV 14 (1872), 206 ff („Gibt es noch Exceptionen?“); Lenel, Über Ursprung und Wirkung der
Exceptionen (1876), S. 135 ff. („Die Exceptionen sind dem heutigen Rechte fremd“).
3 Vgl. Menne, Historisches Wörterbuch der Philosophie II (1972), 261; Lorenz, Enzyklopädie Philosophie und
Wissenschaftstheorie I (2004), 481; Copi/Cohen/McMahon, Introduction to Logic 14 (2014), S. 311; auch Der
Neue Georges I (2013), 577: “[...] aut...aut, entweder...oder (den einen oder den anderen Fall ausschließend)
[...]”.
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Außer diesen Fällen sind auch Fälle möglich, in welchen, obwohl die von dem Kläger
vorgebrachten klagebegründenden Tatsachen festgestellt werden, die Klage als unbegründet
entschieden ist, weil der Beklagte eine materielle Einwendung oder Einrede behauptetet und
bewiesen hat4. Diesen Fällen – in welchen die Begründungen beider Parteien festgestellt sind,
aber in denen eine materielle Einwendung oder Einrede eine stattgebende Entscheidung des
Gerichts verhindert – entspricht eine einschließende oder schwache Alternativität (die Wahrheit der
Aussage einer Partei schließt die Wahrheit der Behauptung der anderen Partei nicht aus). Solche
Fälle können als vel-vel Fälle genannt werden5.
Im Schrifttum werden oft Urteils- und Rechtskraftwirkungen erörtert, nur selten aber wird der
grundlegende Unterschied zwischen denjenigen Wirkungen, die aus einer stattgebenden, und
denjenigen, die aus einer abweisenden Entscheidung entstehen, richtig berücksichtigt. Die aut-aut
und die vel-vel Fälle weisen auf ganz verschiedenen Gestaltungen der sachabweisenden
Entscheidung hin, sowohl aus einer normativen als auch aus einer zivilprozessualen Perspektive.
Es wird daher im Folgenden der Versuch unternommen, eine passende Antwort auf einige der
daraus entstandenen Probleme zu entwickeln.
4 Zu der terminologischen Abgrenzung zwischen materiellen Einwendungen und Einreden (oder Gegenrechten)
Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 10 (2012), S. 242 ff.; auch Gröschler, AcP 201 (2001), 48
ff. und 90.
5 Vgl. Menne, Historisches Wörterbuch der Philosophie I (1971), 85; Lorenz, Enzyklopädie Philosophie und
Wissenschaftstheorie I, 47; Copi/Cohen/McMahon, Introduction to Logic 14, S. 311; auch Der Neue Georges II
(2013), 4946: “[...] vel...vel = et...et, sowohl... als auch [...]“.
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Negatives (~x) umgestaltet werden6. Die heutige verbreitetste Lösung des non-liquet-Problems
besteht einfach darin, der beweislasteten Partei das Risiko der Unaufklärbarkeit des bestrittenen
entscheidungserheblichen Tatbestandsmerkmals aufzubürden und das Gegenteil dieses
Tatbestandsmerkmals zu fingieren7. Wird die Tatsache x beweisbedürftig und misslingt der
beweislasteten Partei der Beweis, wird die Tatsache nicht-x als wahr fingiert. Der Zweifel über die
beweisbedürftige Tatsache (x) wird aufgelöst, nicht im (negativen) Sinn des nicht Beweises (~B)
der bestrittenen Tatsache (~Bx), sondern im (positiven) Sinn des Beweises des Gegenteils dieser
Tatsache (B~x). Die Beweislosigkeit einer beweisbedürftigen Tatsache wird durch eine objektive
Beweislastregel überwunden.
Es sind zwei Arten der Verneinung (oder Negation) eines Satzes möglich: Die interne und
die externe Verneinung. Im ersten Fall, wird die behauptete Tatsache (oder das Prädikat) verneint
(„Es ist wahr, dass x“; „Es ist wahr, dass nicht-x“); im zweiten, wird die Behauptung über die
Tatsache (oder der Satz selbst) verneint („Es ist wahr, dass x“; Es ist nicht wahr, dass x“). Nach
der objektiven Beweislastregel wird ein Zweifel über die bestrittene Tatsache zugunsten einer
internen Verneinung der entsprechenden Tatsachebehauptung aufgelöst („Es ist bewiesen, dass
nicht-x“)8. Dieses Ergebnis ermöglicht dem erkennenden Prozessgericht die Klage nach dem
Gegenteil der beweisbedürftigen Tatsache zu beurteilen.
2. Doppelte Rechtsordnung
Die objektive Beweislast antwortet auf die Frage, zu wessen Ungunsten eine fehlende
Sachverhaltsaufklärung zu entscheiden ist und führt zu einer Sachentscheidung zuungunsten der
beweisbelasteten Partei. Die objektive Beweislastregel ermöglicht eine „Reduktion der
Komplexität“, weil sie die drei möglichen Hypothesen – „Es ist bewiesen, dass x“, „Es ist bewiesen,
dass nicht-x“ (oder „Es ist widerlegt, dass x“) und „Zweifel über den Beweis, dass x“ – nur auf zwei
Ausführungen („Es ist bewiesen, dass x“ und „Es ist bewiesen, dass nicht-x“) beschränken lässt.
Sachlich gesehen sind die Folgen der Beweislosigkeit einer rechtsbegründenden Tatsache und
des Beweises des Gegenteils dieser Tatsache die gleichen: Der Kläger kann als Träger des von
ihm behaupteten Rechts nicht festgestellt werden. Eine sachabweisende Entscheidung enthält
nicht nur eine externe Verneinung der Behauptung des Klägers in der Klageschrift („Es ist nicht
wahr, dass x“), sondern auch eine interne Verneinung dieser Behauptung (Es ist wahr, dass nicht-
x“). Wenn das Gericht in seiner Entscheidung die externe Verneinung der Behauptung des Klägers
ausspricht und feststellt, „Es ist nicht bewiesen der vom Kläger eingebrachten rechtserzeugenden
Tatsache“, kann dies nur als eine interne Verneinung solcher Behauptung verstanden werden („Es
ist das Gegenteil der vom Kläger vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsache bewiesen“). Dieses
Ergebnis soll hervorhoben werden: Unabhängig von der vom Gericht benutzten Urteilsformel
deutet jede Sachabweisung auf die Feststellung des Nichtbestehens des vom Kläger behaupteten
Rechts hin. Ob es aus einer geschichtlichen Perspektive immer so war, kann im vorliegenden
Zusammenhang dahinstehen9.
Es stellt sich nun die Frage, wo der materielle Grund für eine Sachabweisung aufgrund einer
mißlungenen Beweisaufnahme zu finden ist. Eine mögliche Antwort würde lauten: Die
sachabweisende Entscheidung des Gerichts stützt sich auf die Nichtanwendung der vom Kläger
behaupteten Rechtsregel10. Eine andere, heute sehr verbreitete Antwort wäre folgende: die vom
Gericht gesprochene Sachabweisung beruht auf der in der objektiven Beweislastregel enthaltenen
Entscheidungsnorm11. Dass die Nichtanwendung der vom Kläger behaupteten Rechtsregel
stattfindet und dass die Unaufklärbarkeit über die beweisbedürftige Tatsache durch eine objektive
Beweislastregel überwunden ist, steht sicher außer Frage; dass aber außer dieser
Nichtanwendung und der Beseitigung des non liquet noch etwas mehr vorkommen soll, ist auch
nicht zu bezweifeln12. Denn es wäre wenig sinnvoll, eine non-liquet-Situation auf der Ebene der
Tatfrage zu überwinden, aber ein entsprechendes non liquet auf der Stufe der Rechtsfrage zu
bewilligen. Wenn eine non-liquet-Situation durch die Fiktion des Gegenteils der nicht bewiesenen
Tatsache (d. h. durch die Nichtfeststellung dieser Tatsache) beseitigt wird, soll die darauf
entstandene sachabweisende Entscheidung die Nichtfeststellung des vom Kläger behaupteten
Rechts bewirken. Einer Nichtfeststellung eines rechtserzeugenden Tatbestandsmerkmals soll eine
Nichtfeststellung des erzeugenden Rechts folgen.
Die Nichtfeststellung eines Sachverhalts kann nicht unter die vom Kläger behauptete
Rechtsregel subsumiert werden; solches Nichtvorhandensein ist nur unter eine gegenteilige
Rechtsregel zu subsumieren. Zum Beispiel: Der Kläger behauptet, er habe mit dem Beklagten
einen Vertrag geschlossen, wonach der Beklagte ein Auto liefern sollte; der Beklagte leugnet, dass
ein solcher Vertrag ausgehandelt wurde, und dem Kläger misslingt der Beweis des bestrittenen
Vertrages; das Gericht weist die Klage ab. Dieses einfache Beispiel soll deutlich machen, dass die
abweisenden Entscheidung des Gerichts feststellt, der Kläger sei kein Gläubiger und der Beklagte
kein Schuldner. Bei dieser Lösung ist ein bestimmter Gleichlauf von Tat- und Rechtsfrage zu
spüren: Die Rechtsordnung duldet kein non liquet über eine beweisbedürftige Tatsache und fingiert
9 Sogar bei einigen umsichtigen Darstellungen über die Rechtskraftproblematik (vgl. z. B. Pugliese, Enciclopedia
del Diritto XVIII (1969), 727 ff.; Pugliese, Studi in onore di Edoardo Volterra V (1971), 783 ff.; Gaul, FS Werner
Flume I (1978), 443 ff.) ist nichts spezifisch über die abweisende Entscheidung zu finden.
10 Vgl. mit Anlehnung an der sog. Nichtanwendungstheorie Rosenberg, Die Beweislast 5, S. 12; im Ergebnis auch
Leonhard, Die Beweislast 2 (1926), S. 127 ff. und 175; bei der deutschen Lehre wird gründlich bestritten, wie
diese Nichtanwendung sich rechtfertigten lässt: vgl. Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen
(1966), S. 31 ff. und 58 ff; Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozß (1975), S. 292 ff.; Prütting,
Gegenwartsprobleme der Beweislast (1983), S. 112 ff. und 152 ff.; Schwab, FS HansQJürgen Bruns (1978), S. 505
ff.
11 So z. B. Leipold, Beweisregeln und gesetzliche Vermutungen (1966), S. 64 ff.; Prütting, Gegenwartsprobleme
der Beweislast , S. 173.
12 Anders Rosenberg, Die Beweislast 5, S. 26, der die Meinung vertritt, dass das Unterliegen der beweisbelasteten
Partei nicht immer den Verlust des eingeklagten Rechts bedeutet; auch Baumgärtel/Laumen, Handbuch der
BeweislastQGrundlagen 2 (2009), § 3 Rdnr. 27.
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Aus einer prozessualen Sicht zwingt dieser Schluss – soll man vielleicht noch hinzufügen,
um etwaigen Missverständnissen zu begegnen – nicht zur Rückkehr zu der zu Recht
überwundenen materiellrechtlichen Lehren der Rechtskraft14. Ganz im Gegenteil: Gerade weil die
abweisende Entscheidung ihren eigenen normativen Grund bei der (negativen) Rechtsordnung
finden kann, wird es möglich, auf jegliche rechtschaffende Funktion dieser Entscheidung zu
verzichten.
b) Was für eine materielle Einwendung oder Einrede gilt, gilt auch für die Widerlegung einer
iuris-tantum-Vermutung. Wenn eine solche Vermutung widerlegt wird, wird nicht die
Vermutungsbasis von der Gegenpartei in Frage gestellt, sondern das Gegenteil der vermuteten
Tatsache von dieser Partei bewiesen. Dies lässt sich anhand eines einfachen Beispiels
verdeutlichen: Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er
Eigentümer der Sache sei (§ 1006 Abs. 1 BGB); beruft sich ein Kläger auf diese Vermutung, kann
der Beklagte die Vermutungsbasis leugnen (der Kläger ist kein Besitzer) oder, ohne den Besitz des
Klägers zu bezweifeln, beweisen, dass, der Kläger nicht Eigentümer ist. Die Widerlegung einer
iuris-tantum-Vermutung stellt sich auch als ein Beispiel eines vel-vel Falles dar17.
2. Prozessuale defeasibility
Die vel-vel Fälle können auf die Formel “ja […], aber […]” oder “obwohl […], dennoch [...]“
zurückgeführt werden, weil das Gericht die Klage abweisen soll, ungeachtet des Beweises der
vorgebrachten klagbegründenden Tatsachen. Obwohl die rechtserzeugenden Tatsachen von dem
beweislasteten Kläger bewiesen wurden, steht den sich daraus ergebenden Wirkungen eine aus
rechtshindernden, rechtshemmenden oder vernichtenden Tatsachen resultierende Ausschluss-
oder Gegenwirkung entgegen. Die Formulierung „obwohl x, nicht y, weil z“ kennzeichnet ein
defeasible argument: „an argument is called defeasible if, although valid on the basis of a certain
set of premises, it might be invalidated if new premises are added“18. Obwohl andere Auffassungen
auch vertreten werden, lassen sich die klassischen Meinungen über die defeasibility und den
defeasible Schluss auf die Formel „x impliziert y, es sei denn z“ bringen19.
Eine materielle Einwendung oder Einrede ist ein „negatives Recht“20, die nur eine
prozessuale (oder beweisrechtliche) defeasibility bewirken kann Der Beweis der materiellen
Einwendung oder Einrede – d. h. der Beweis einer rechtshindernden, rechtshemmenden oder
rechtsvernichtenden Tatsache – „besiegt“ die vom Kläger vorgebrachten und auch bewiesenen
rechtsbegründenden Tatsachen. In den vel-vel Fällen beruht die Entscheidung des Gerichts auf
einem nicht-monotonen Folgerungsverhältnis. Der Schluss, der aufgrund einer bestimmten
Information (d. h. aufgrund der klagbegründenden Tatsache) ganz korrekt war, wird mit der
Beschaffung einer neuen Information (d. h. mit dem Beweis einer materiellen Einwendung oder
Einrede) unzutreffen.
17 Über das Thema Macagno/Walton, Ratio Juris 25 (2012), 271 ff.; Kotsoglou, RhT 45 (2014), 243 ff. und 268 ff.
18 Vgl. Prakken/Sergot, in Dute (Hrsg.), Defeasible Deontic Logic (1997), S. 237; vgl. auch Pollock, Cognitive
Science 11 (1987), 481; Carnota, in Alchourrón (Hrsg.), Lógica (2005), S. 154 ff.; über die legal defeasibility, vgl.
Hart. Proceedings of the Aristotelian Society 49 (1948/1049), 171 ff. = Flew (Hrsg.), Essays on Logic and
Language (1951), S. 145 ff.; später Sartor, Proceedings of the 4th international conference on Artificial
intelligence and law (1983), 192 ff.; Hage, Artif Intell Law 11 (2003), 221 ff.; Brozek, Defeasibility of Legal
Reasoning (2004), S. 13 ff.; Prakken/Sartor, Ratio Iuris 17 (2004), 118 ff., im Bereich einer “inferenceQbased
defeasibility”; für eine allgemeine Sicht vgl. Ferrer Beltrán/Battista Ratti, in Ferrer Beltrán/Battista Ratti (Hrsg.),
The Logic of Requirements/Essays on Defeasibility (2012), S. 12 ff.
19 Hart, Proceedings of the Aristotelian Society 49 (1948/1949), 175 = Flew (Hrsg.), Essays on Logic and
Language (1951), S. 148; vgl. Blöser/Janvid/Matthiessen/Willascheck, in Blöser/Janvid/Matthiessen/Willascheck
(Hrsg.), Defeasibility in Philosophy/Knowledge, Agency, Responsibility and the Law (2013), S. 2: “If x satisfies
condition A1QAn, then x is F, unless some defeating condition B1 or B2 or B3 or … obtains”.
20 von Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I (1910), S. 197 und 291 f.
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IV. Zwischenergebnis
Der oben erarbeitete Unterschied zwischen den vel-vel und den aut-aut Fällen steht in
vollem Einklang mit der üblichen Grundregel über die Verteilung der Beweislast zwischen den
Prozessparteien: jede Partei trägt die (subjektive) Beweislast für die Tatsachen, die zum
Tatbestand einer ihr günstigen Rechtsnorm gehören, d. h. der Kläger trägt die Beweislast für die
rechtserzeugenden Tatbestandsmerkmale, aber die Beweislast der rechtshindernden,
rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsache trifft den Beklagten21. Vergleicht man die
aut-aut Fälle mit den vel-vel Fällen, so ist festzustellen, dass der entscheidende Unterschied im
folgenden liegt: Ein Fall gehört zu den aut-aut Fällen, wenn dem Kläger der Beweis der
anspruchsbegründenden Tatsachen nicht gelingt, und zu den vel-vel Fällen, wenn jeder Partei der
Beweis eines ihr günstigen Tatbestanstandsmerkmals gelingt, aber die Klage aufgrund einer
bewiesenen materiellen Einwendung oder Einrede bzw. der Widerlegung einer iuris tantum
Vermutung abzuweisen ist.
In beiden Fallkonstellationen soll die Klage vom Prozessgericht sachlich abgewiesen
werden. Bei den aut-aut Fällen handelt es sich um eine Unbegründetheit der Klage wegen
Beweislosigkeit des rechtserzeugenden Tatbestandsmerkmals; bei den vel-vel Fällen um eine
unbegründete Klage wegen doppelter Begründetheit des von jeder Partei behaupteten
Tatbestandsmerkmals. Dies wiederum entspricht der Funktion der materiellen Einwendungen und
Einreden: Sie sind nicht das Gegenteil einer rechtsbegründenden Tatsache, weil sie dieser
Tatsache nicht widersprechen oder sie ausschließen; materielle Einwendungen und Einreden sind
vielmehr der Gegensatz von rechtsbegründenden Tatsachen, weil sie gegen die Wirkungen dieses
rechtserzeugenden Tatbestandsmerkmals zugunsten des Beklagten eine Ausschluss- oder
Gegenwirkung entfalten lassen22. Eine materielle Einwendung oder Einrede verneint keine
rechtsbegründende Tatsache, sondern setzt deren Wirkung eine Gegenwirkung entgegen. Daraus
kann man zu dem Befund gelingen, dass eine rechtsbegründende Tatsache und die
entsprechende materielle Einwendung oder Einrede auf eine bestimmte Wechselseitigkeit
angewiesen sind, weil eine Einwendung oder Einrede ohne die Tatsache nicht wirken kann, sogar
nicht denkbar ist. Die Eigenarten der vel-vel Fälle beruhen grundsätzlich auf diesem
wechselseitigen Aufeinandereinwirken von materiellen Einwendungen oder Einreden mit den
entsprechenden Ansprüchen.
(1906), S. 202; vgl. auch Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur
Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches/Allgemeiner Teil/Teil 2 (1981), S. 446: „Die
Einredethatsachen lassen die Existenz des Rechts unberührt und der Beklagte muß sich gegen dasselbe als ein
materiell begründetes vertheidigen; er hat aber die Macht, dem Rechte auf Grund dieser Thatsachen seine Kraft
zu entziehen“; über die geschichtliche Entwicklung Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts (1988), S. 8 ff.
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V. Praktische Folgen
Der Unterschied zwischen den aut-aut und den vel-vel Fällen kann bei der Lösung einiger
prozessualer Probleme hilfreich sein. Im Folgenden soll einigen beispielhaft ausgewählten
Problemen nachgegangen werden.
1. Negative Feststellungsklagen
a) Die negative Feststellungsklage dient dazu, das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses
oder die Unechtheit einer Urkunde festzustellen (vgl. § 256 (1) ZPO)23. Im Kontext der
diesbezüglichen Überlegungen sind die negativen Feststellungsklagen besonders interessant, weil
sie auf die „Konstatierung der Nichtexistenz eines Rechts“24 und auf die Feststellung einer
negativen (oder verneinenden) Rechtsfolge zielen. Anders ausgedrückt: die negativen
Feststellungsklagen werden auf einer negativen Rechtsordnung („Wenn nicht-x, dann nicht-y“)
aufgebaut. Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, welche Besonderheiten
berücksichtigt werden müssen, wenn man sich im Bereich der negativen Rechtsordnung bewegt.
Der Kläger einer negativen Feststellungsklage kann die Feststellung des Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses (oder einer Rechtsposition) beantragen mit der Begründung, dieses
Rechtsverhältnis habe niemals beanstanden oder ein entstandenes Rechtsverhältnis habe zu
bestehen aufgehört25. Es besteht Einigkeit darüber, dass bei den negativen Feststellungsklagen
zwei Beweislastverteilungen zwischen den Prozessparteien möglich sind. Leugnet der Kläger den
vor dem Prozess vom Beklagten behaupteten Vorgang, dann muss er beweisen, dass der
Beklagte sein Recht ernstlich bestreitet oder dass der Beklagte sich ihm gegenüber aufgrund eines
bestimmten Tatbestandsmerkmals eines Anspruchs berühmt, während dem Beklagten der Beweis
des Nichtvorliegens des Rechts oder dieses Vorgangs zusteht; stützt sich aber der Kläger auf eine
rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache des verneinten
Rechtsverhältnisses, dann muss er selbst diese Tatsache beweisen26. Die negativen
Feststellungsklagen, bei welchen beide Prozessparteien mit dem Beweis belastet sind, sollen im
folgenden der Einfachheit halber unechte negative Feststellungsklagen genannt werden; solche,
bei welchen allein der Kläger beweisbelastet ist, können als echte negative Feststellungsklagen
bezeichnet werden. Echte und unechte negative Feststellungsklagen unterscheiden sich auch
deshalb, weil die echten eine abwehrende und die unechten eine angreifende Funktion erfüllen.
23 Vgl. über die geschichtliche Entwicklung der Feststellungsklage Weismann, Die Feststellungsklage (1879), S. 1
ff.; Kadel, Zur Geschichte und Dogmengeschichte der Feststellungsklage nach § 256 der Zivilprozeßordnung
(1967), S. 11 ff.; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), 103 ff.
24 Endemann, Der Deutsche Civilprozess II (1879), S. 12.
25 Schon Endemann, Der Deutsche Civilprozess II, S. 13.
26 Stein/Jonas/Roth (2008), § 256 Rdnr. 82; MüKoZPO/BeckerQEberhard (2013), § 256 Rdnr. 68;
Wieczorek/Schütze/Assmann (2013), § 256 Rdnr. 301, 302 und 304; Zöller/Greger (2014), § 256 Rdnr. 18; bei
der älteren Literatur vgl. z. B. Seuffert/Walsmann, Kommentar zur Zvilprozeβordnung 12 I (1932), § 256 Nr. 3. d)
(S. 402); Rosenberg, Die Beweislast 5, S. 174 f. ; bei der Rechtsprechung BGH NJW 1993, 1716 (1717) = NZV
1993, 265 (266) = r + s 1994, 200; BGHZ 147, 203 (208) = BGH NJW 2001, 2096 (2098); BGH NJW 2013, 3294
(3297).
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10
Wird die Beweislast bei einer (unechten) negativen Feststellungsklage auf beide Parteien
verteilt, dann nähert sich die Fallkonstellation einem vel-vel Fall an. Beide Parteien beweisen die
für sie günstigen Tatsachen, der Beweis eines rechtserzeugenden Tatbestandsmerkmals vom
Beklagten (wie z. B. eines Erwerbsgrunds des Eigentums oder eines Grundes des
Unterlassungsanspruchs) führt aber zu der Abweisung der negativen Feststellungsklage.
Ausgenommen von den folgenden Überlegungen bleiben diese unechten negativen
Feststellungsklagen, weil bei dieser Hypothese eine sachabweisende Entscheidung das Bestehen
des (vom Kläger verneinten) Rechtsverhältnisses eindeutig bestätigt27. Dass dem Beklagten der
Beweis einer erzeugenden Tatsache obliegt, auch wenn er keine Widerklage auf Feststellung des
Rechtsverhältnisses erhoben hat, zeigt noch eine bestimmte Nähe der heutigen negativen
Feststellungsklagen zu den mittelalterlichen Provokationsprozessen (ex lege diffamari; ex lege Si
contendat)28, insbesondere weil der Beweis der Berühmung seitens des Beklagten nur das
Feststellungsinteresse verbürgen kann. Diese Nähe wird noch deutlicher, wenn berücksichtigt wird,
dass, bleibt das Feststellungsinteresse beweisfällig, der Mangel dieser Prozessvoraussetzung
einer sachabweisenden Entscheidung nicht entgegenstehen kann, wenn der Beklagte das
Bestehen des vom Kläger verneinten Rechtsverhältnisses bewiesen hat29.
Die Beweislastverteilung bei den negativen Feststellungsklagen spielt eine entscheidende
Rolle für den Umfang der Rechtkraft eines bei diesen Klagen sachabweisenden Urteils. Nur wenn
bei einer (unechten) negativen Feststellungsklage dem Beklagten der Beweis eines
klagebegründenden Tatbestandsmerkmals aufgebürdet ist, wird es möglich, aus der dortigen
erlassenen Klageabweisung etwas Positives herauszunehmen. Leider findet man in Literatur und
Rechtsprechung selten einen hinreichenden und deutlichen Anhalt zu diesem wesentlichen Aspekt,
weil es sich nicht immer eindeutig nachweisen lässt, welche Meinung zu welcher Fallgestaltung
vertreten wird30.
b) Bleibt der Kläger einer echten negativen Feststellungsklage für eine beweisbedürftige
Tatsache – wie z. B. eine rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache –
beweisfällig, wird nach einer verbreiteten Meinung im Schrifttum und in der Rechtsprechung durch
27 Vgl. Stein/Jonas/Roth (2008), § 256 Rdnr. 121 und 122; ähnlich schon RGZ 71, 432 (436 f.).
28 Gönner, Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses IV (1803), S. 173 ff.; Schmid, Handbuch des gemeinen
deutschen Civilprocesses III (1845), S. 24 ff.; Muther, Jb. gem. d. R. 2 (1858), 53 ff.; Bayer, Theorie der
summarischen Processe 7 (1859), S. 128 ff.; Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses 3 (1878), S. 103 ff.;
Mellii Freirii, Institutiones Juris Civilis Lusitani IV (1845), S. 105; auch Salvioli, Storia della procedura civile e
criminale, in del Giudice (Hrsg.), Storia del Diritto Italiano III/2 (1927), S. 241 f.; Kadel, Zur Geschichte und
Dogmengeschichte der Feststellungsklage mach § 256 der Zivilprozeβordnung, S. 26 ff.
29 Vgl. z. B. Stein/Jonas/Roth (2008), § 256 Rdnr. 44; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 17, 499;
MükoZPO/BeckerQEberhard (2013), § 256 Rdnr. 36; auch Teixeira de Sousa, Die Zulässigkeitsprüfung im
Zivilprozess (2010), S. 57 f.; Haas, FS Peter Gottwald (2014), 224.
30 Anscheinend richtig BGH NJW 1993, 1716 (1717); die Problematik der Beweislastverteilung soll bei der
Bewertung der älteren Rechtsprechung richtig berücksichtigt werden, wonach das Urteil, das eine negative
Feststellungsklage als sachlich unbegründet abweist, in sich die Feststellung des Bestehens des
Rechtsverhältnisses enthält (vgl. RGZ 29, 345 (347 f.); RGZ 74, 121 (122); RGZ 78, 389 (396)); dazu Balzer, Die
negative Feststellungsklage aus § 256 I ZPO (1980), S. 21 ff.
M. Teixeira de Sousa
11
die sachabweisende Entscheidung das Bestehen des Rechtsverhältnis zwischen den Parteien
festgestellt31. Schrifttum und Rechtsprechung stellen sich in diesem Fall ganz anders als in jeder
anderen non liquet Situation an, weil der fehlende Beweis der von dem Kläger behaupteten,
rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsache nicht in den Beweis der
gegenteiligen Tatsache (d. h. in der Verneinung der vorgebrachten rechtshindernden,
rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsache), sondern in den Beweis des Bestehens
des vom Kläger verneinten Rechtsverhältnisses umgedeutet wird.
Dies erscheint aus verschiedenen Gründen sehr problematisch. Eine rechtshindernde,
rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache entkräftet die Wirkungen einer
entsprechenden klagebegründenden Tatsache; eine rechtshindernde, rechtshemmende oder
rechtsvernichtende Tatsache ist aber sicher nicht das Gegenteil dieser rechtserzeugenden
Tatsache. Das kontradiktorische Gegenteil einer rechtshindernden, rechtshemmenden oder
rechtsvernichtenden Tatsache ist nicht eine begründende Tatsache, sondern eben die Verneinung
der rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsache. Bleibt eine
rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache unbewiesen, kann aus
diesem fehlenden Beweis keinesfalls das Bestehen einer klagebegründenden Tatsache gefolgert
werden. Dies wird wohl der Grund sein, warum einige Literaturstimmen die richtige Meinung
vertreten, wonach, wenn das Gericht das Bestehen des vom Kläger verneinten
Rechtsverhältnisses nicht abschließend geprüft hat, das klageabweisende Urteil das Bestehen des
Rechtsverhältnisses nicht feststellen kann32.
Als weiteres kommt noch hinzu, dass die vom Kläger behauptete rechtshindernde,
rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache nur als ein möglicher Grund (unter vielen
anderen) des Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses angesehen werden kann. Wird diese
Tatsache vom beweislasteten Kläger nicht bewiesen, kann rechtskräftig nur festgestellt werden,
31 Eindeutig Balzer, Die negative Feststellungsklage aus § 256 I ZPO, S. 98: „In der Sachbeurteilung mit der
Kläger nicht übereinzustimmen, bedeutet […] zwangsläufig, die Frage des Bestehens des Rechtsverhältnisses in
kontradiktorisch entgegengesetztem Sinn zum Kläger positiv zu beantworten. Nur auf der Grundlage des Urteils,
das Rechtsverhältnis bestehe, kann der Richter demzufolge die Klage abweisen“; ähnlich Arens, FS Wolfram
MüllerQFreienfels (1986), S. 14 und 22 ff.; Kappe, MDR 1988, 710 ff.; Habscheid, NJW 1988, 2641 ff.;
Stein/Jonas/Roth (2008), § 256 Rdnr. 121; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der BeweislastQGrundlagen 2, § 3
Rdnr. 28; Wieczorek/Schütze/Assmann (2013), § 256 Rdnr. 301 und 309; Zöller/Vollkommer (2014), § 322
Rdnr. 11; Prütting/Gehrlein/Geisler (2015), § 256 Rdnr. 19; Musielak/Voit/Musielak (2015), § 322 Rdnr. 61 f.;
BeckOK/Gruber ZPO, § 322 Rdnr. 53; schon Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I 9, S. 652; in der
Rechtsprechung z. B. BGH NJW 1983, 2032 (abl. Anm. von Tiedkte, NJW 1983, 2011 ff.) = BGH JZ 1983, 394 (mit
zust. Anm. Messer) = BGH JR 1983, 372 (mit abl. Anm. Waldner); BGH NJW 1986, 2508 (mit abl. Anm. Künzl, JR
1987, 57 f.; Lepp, NJW 1988, 806 ff.) = JZ 1986, 1060 (mit abl. Anm. Tiedtke, JZ 1986, 1031 ff.) = MDR 1986,
1016; BAG NJW 2014, 1323 (1324); anders OLG Hamm NJWQRR 1986, 1123 (1124).
32 MüKoZPO/BeckerQEberhard (2013), § 256 Rdnr. 71; auch Tiedkte, NJW 1983, 2013 f.; Tiedkte, JZ 1986, 1032,
1034 und 1037; Pawlowski, MDR 1988, 632; Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre (1986), S. 199
f.; Lepp, NJW 1988, 807 f.; Terhalle, Die Reichweite der Rechtskraft klagabweisender Urteile (2011), 158 ff.;
Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 428, der allerdings sich nur mit dem Fall beschäftigt, in welchem eine
verneinte Forderung bejaht wird; aus der Rechtsprechung RGZ 90, 290 (292 f.); RGZ 126, 18 (19); RGZ 153, 375
(382); BGHZ 7, 174 (175, 183); BGH NJW 1972, 1043 (1044) = MDR 1972, 592 = VersR 1972, 644 = WPM 1972,
1284; BGH NJW 1975, 1320 (1321) = JR 1976, 18 (19) (mit zust. Anm. Schubert).
M. Teixeira de Sousa
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dass diese Tatsache dem Bestehen des Rechtsverhältnisses nicht entgegengesetzt werden kann;
es steht aber überhaupt nicht fest, dass keine andere rechtshindernde, rechtshemmende oder
rechtsvernichtende Tatsache das Bestehen des Rechtsverhältnisses verhindern, hemmen oder
vernichten kann. Aus einer situativen Verneinung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
kann man kein unbeschränktes Vorhandensein dieses Rechtsverhältnisses ableiten.
Dies soll das Missverständnis der hier abgelehnten Meinung klarmachen. Ein non liquet bei
einer echten negativen Feststellungsklage bedeutet, dass die vom Kläger behauptete
rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache nicht bewiesen ist („Es ist
nicht bewiesen, dass x“). Wie bei allen anderen Klagearten, wird diese dem non liquet
entsprechende externe Verneinung in eine interne Verneinung umgestaltet („Es ist bewiesen, dass
nicht-x“). Der ausschlagende Punkt liegt aber darin, dass aus der Negation einer rechtshindernden,
rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsache sich nichts Positives herleiten lässt. Eine
rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache steht einer
rechtserzeugenden Tatsache entgegen; wird die rechtshindernde, rechtshemmende oder
rechtsvernichtende Tatsache nicht bewiesen (oder wird sie von der anderen Partei widerlegt), kann
keine klagbegründende Tatsache als bewiesen fingiert werden. Der entscheidende Einwand rührt
dann daher, dass aus der Verneinung einer rechtshindernden, rechtshemmenden oder
rechtsvernichtenden Tatsache keine Rechtsposition erzeugt werden kann.
Ein anderer Punkt ist auch nicht zu übersehen. Wird eine positive Feststellungsklage
sachabgewiesen, steht nur fest, dass aufgrund des vom Kläger vorgetragenen Klagegrundes das
Rechtsverhältnis nicht besteht. Wenn es im Bereich der positiven Feststellungsklage so ist, wird es
einfach nicht ersichtlich, warum eine bei einer echten negativen Feststellungsklage erlassene
sachabweisende Entscheidung eine unbeschränkte Feststellung des Rechtsverhältnisses soll
erzeugen können. Wird eine echte negative Feststellungsklage abgewiesen, wird nur anerkannt,
dass aufgrund der vom Kläger behaupteten rechtshindernden, rechtshemmenden oder
rechtsvernichtenden Tatsache das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses nicht festgestellt
werden kann.
Ziel einer negativen Feststellungsklage ist lediglich die Feststellung des Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses; gelingt dem Kläger der Beweis des Nichtvorliegens dieses
Rechtsverhältnisses nicht, so kann dies nur die Nichtfeststellung des Nichtbestehens des
Rechtsverhältnisses zur Folge haben. Im diesem Fall, ist eine doppelte Negation (nicht
Nichtfeststellung von x) mit einer Bejahung (Feststellung von x) nicht gleichwertig.
c) Kommt man zu dem oben skizzierten Unterschied zwischen einer positiven und einer
negativen Rechtsordnung zurück, wird es möglich folgende Ergebnisse festzuhalten:
– Eine bei einer positiven Feststellungsklage getroffene Sachabweisung bedeutet, dass
das festzustellende Rechtsverhältnis nicht besteht; diese abweisende Entscheidung
stützt sich auf eine negative Rechtsordnung („Wenn nicht-x, dann nicht-y“);
M. Teixeira de Sousa
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d) Es sollte sich gezeigt haben, dass die Wirkungen der wegen eines non liquet
zuungunsten des beweisbelasteten Klägers in einer echten negativen Feststellungsklage
erlassenen sachabweisenden Entscheidung keinesfalls den Wirkungen entsprechen können, die
aus einer in einer positiven Feststellungsklage zusprechenden Entscheidung entstehen können.
Offen ist noch, ob dieses Ergebnis zur Folge haben kann, dass eine echte negative
33 Stein/Jonas/Roth (2008), § 256 Rdnr. 124; vgl. BGH NJW 1995, 1757 (1758) = MDR 1995, 1062 = WM 1995,
1204 (auch Präklusion der nicht vorgetragenen Einwendungen); BGH NJW 2003, 3058 (3059).
M. Teixeira de Sousa
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34 Ähnlich, aber aufgrund einer Identität der Streitgegenstände beider Klagen, Gruber, ZZP 117 (2004), 157 s.;
Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 17, S. 500; Wieczorek/Schütze/Assmann (2013), § 261 Rdnr. 96;
Musielak/Voit/Foerste (2015), 256 Rdnr. 37.
35 Vgl. mit unterschiedlichen Gründen Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform (1949), S. 28 ff. und
40 f.; Balzer, Die negative Feststellungsklage aus § 256 I ZPO, S. 149 ff.; Rüßmann, ZZP 111 (1998), 411 ff;
Gruber, ZZP 117 (2004), 138 ff. und 147 f.; Stein/Jonas/Roth (2008), § 256 Rdnr. 96 und § 261 Rdnr. 32;
Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2012), S. 464 ff. und 755; MüKoZPO/BeckerQEberhard (2013), §
M. Teixeira de Sousa
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Rechtsprechung des EuGH entnommenen Kernpunkttheorie wesentlich überein36. Das darf nicht
wundern, weil der Rechtshängigkeitseinwand, von einer echten negativen Feststellungsklage
ausgehend, nur auf eine mögliche Unvereinbarkeit zwischen Entscheidungen gestützt werden
kann.
256 Rdnr. 62; Zöller/Greger (2014), § 256 Rdnr. 16; Thole, NJW 2013, 1195; anders
Wieczorek/Schütze/Assmann (2013), § 261 Rdnr. 95; Musiealak/Voit/Foerste (2015), 256 Rdnr. 37; bei der
deutschen Rechtsprechung wird vorwiegend die Meinung vertreten, wonach eine negative Feststellungsklage
keine Rechtshängigkeitssperre für eine später erhobene Leistungsklage begründet, die Erhebung dieser
Leistungsklage aber das rechtliche Interesse an alsbaldiger Nichtfeststellung eines Rechtsverhältnisses
nachträglich entfallen lässt: vgl. z. B. BGH NJW 1973, 1500; BGHZ 99, 340 (341 f.) = BGH NJW 1987, 2680; BGHZ
134, 201 (208 f.) = BGH NJW 1997, 870 (872); BGH NJW 1999, 1544 (1546); BGH NJW 1999, 2516 (2517); BHGZ
165, 305 (308 f.) = BGH NJW 2006, 515 (516) = ZZP 119 (2006), 357 (Anm. Assman); BGH GRURQRR 2010, 496
= WRP 2014, 1330; auch Schröder, WRP 2012, 183 ff.; anders Gruber, ZZP 117 (2004), 154 ff.; Jacobs, Der
Gegenstand des Feststellungsverfahrens, 440 ff. und 480 ff.
36 Vgl. insbesondere EuGH (CQ406/92, Tatry/Maciej Rataj) Slg. 1994, IQ5439 = NJW 1995, 1883 = JZ 1995, 616
(Anm. Huber, JZ 1995, 603 ff.) = IPRax 1996, 108 (Anm. Schack, IPRax 1996, 80 ff.) = EuZW 1995, 309 (Anm.
Wolf, EuZW 1995, 365 ff.).
M. Teixeira de Sousa
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aufgrund der Begründetheit einer materiellen Einwendung oder Einrede – mit Ausnahme der
Aufrechnung (vgl. § 322 Abs. 2 ZPO) – abgewiesen, kann die Entscheidung über diese
Einwendung oder Einrede nach herrschender Meinung nicht in der Rechtskraft erwachsen, soweit
der Beklagte nicht eine Feststellungs- oder eine Widerklage erhoben hat37. Als Begründung wird oft
an die alte Lehre angeknüpft, wonach die materiellen Einwendungen und Einreden als präjudizielle
Rechtsverhältnisse der Beurteilung des klägerischen Anspruchs zu verstehen sind38. Dies
erscheint heutzutage mehr als problematisch. In Wahrheit sind die materiellen Einwendungen und
Einreden nicht Vorbedingungen für die Entscheidung über den vom Kläger behaupteten Anspruch,
sondern gerade umgekehrt: Ohne die Feststellung einer rechtsbegründenden Tatsache und des
daraus entstandenen Anspruchs macht es keinen Sinn, eine Entscheidung über eine materielle
Einwendung oder Einrede zu treffen39. Eine Gegenwirkung setzt eine vorbestehende Wirkung
naturgemäß voraus.
Als leitende Prinzip über die objektiven Grenzen der Rechtskraft soll eine Gleichstellung der
stattgebenden Entscheidung über den Anspruch und der aufgrund einer rechtshindernden,
rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsache abweisenden Entscheidung gelten. Darüber
besteht – soweit ersichtlich – Einigkeit. Das Problem besteht jedoch darin, dass die herrschende
deutsche Lehre eine sehr restriktive Meinung über die objektiven Rechtskraftgrenzen vertritt40: Die
Rechtskraftwirkung soll sich nur auf den Subsumtionsschluss als Ganzes beziehen, nicht auf seine
einzelnen Glieder41. Wird zum Beispiel in einer Klage die Erbringung einer vertraglichen Leistung
beantragt, soll das Gericht eines zweiten Prozesses über eine Gegenleistung an die vorige
Beurteilung über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des zugrunde liegenden
Vertragsverhältnisses nicht gebunden sein42.
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Dass diese Meinung richtig ist, lässt sich mit guten Gründen bezweifeln. Nimmt man
folgendes einfache (und oft benutzte) Beispiel an: Das Gericht hat den vom Verkäufer behaupteten
Kaufvertrag als nichtig angesehen und den Antrag auf Bezahlung des Preises der veräußerten
Sache abgewiesen; später erhebt der frühere Beklagte (und Käufer) eine Klage auf Lieferung
dieser Sache; die frühere Entscheidung über die Nichtigkeit des Vertrags soll – kann man mit guten
Gründen behaupten – für das Gericht des zweiten Prozesses bindend sein. Man könnte doch
erwidern, diese Lösung würde den beklagten Käufer „überrumpeln“43 und einen
Überraschungseffekt zuungunsten dieser Partei auslösen44. Das kann aber der Fall nicht sein. Der
frühere Beklagte hätte seinen Anspruch auf Lieferung der Sache im ersten Prozess durch eine
Widerklage geltend machen können; hätte er diese Strategie gewählt, dann wäre die Wirksamkeit
des Vertrags für die Ansprüche beider Parteien ein- für allemal entschieden; hat der frühere
Beklagte sich aber für eine andere Strategie entschieden und seinen Anspruch auf Lieferung in
einem späteren selbständigen Verfahren durchzusetzen versucht, muss es ihm verwehrt bleiben,
eine unvereinbare Entscheidung über die Wirksamkeit des Vertrags zu erlangen.
Der frühere Beklagte trägt sicher keine Last, im ersten Prozess eine Feststellungs- oder eine
Widerklage über den Lieferungsanspruch zu erheben. Dies zu erkennen bedeutet aber nicht, dass,
was einheitlich über die Wirksamkeit des Vertrags in einem einzigen Verfahren entschieden
werden könnte, sich in zwei mögliche unvereinbare Entscheidungen verwandeln lässt, und kann
auch nicht zur Folge haben, dass der frühere Beklage (und jetzige Kläger) ein Recht auf zwei
mögliche verschiedene Entscheidungen über solche Gültigkeit damit erworben hat. Dabei geht es
um etwas Grundlegendes, nämlich um die Möglichkeit durch eine prozessuale Strategie einer
Prozesspartei eine materiellerechtliche Ordnung (bei dem jetzigen Beispiel, die synallagmatische
Eigenschaft eines Rechtsverhältnisses) in Frage zu stellen. Es erscheint dann nicht ausreichend,
das Verhalten der Partei, die in einem späteren Verfahren leugnet, was sie bei einer früheren
Klage vorgebracht hat, als rechtsmissbräuchlich einzuordnen und dort zu bestrafen45. Das mag
zwar zutreffen, darf aber nicht als die richtige Lösung für das Problem der Wirkung der
Entscheidung über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Vertrags bei einer späteren Klage
angesehen werden. Wesentlicher dürfte ein anderes Argument sein. Das Zivilprozessrecht erfüllt
dem materiellen Recht gegenüber eine dienende Funktion; deswegen muss es auf die immanente
Ordnung dieses Rechts achten, selbst, wenn notwendig, gegen die Strategie der Prozessparteien.
Eine Zerlegung der Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung durch die Parteidisposition
im Prozess soll dann ausgeschlossen bleiben.
322 Rdnr. 28 und 36; Prütting/Gehrlein/VölzmannQStickelbrock (2015), § 322 Rdnr. 33; Musielak/Voit/Musielak
(2015), § 322 Rdnr. 26 f.; auch Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme
im Zivilprozeß (1970), S. 195 ff. und 218 ff.; Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß
(2002), S. 188 ff.; anders Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher
Sinnzusammenhänge, S. 75 ff.; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), S. 198 ff.; auch Foerste, ZZP
108 (1995), 175 ff.
43 Foerste, ZZP 108 (1995), 168.
44 MükoZPO/Gottwald (2013), § 322 Rdnr. 55.
45 So Musielak/Voit/Musielak (2015), § 322 Rdnr. 27.
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Selbst wenn diese Kritik an der herrschenden Lehre über die objektiven Grenzen der
Rechtskraft nicht zu überzeugen vermag, muss man anerkennen, dass momentan etwas noch
Grundsätzlicheres im Spiel steht. In Frage stehen nicht nur zwei mögliche sich widersprechende
Entscheidungen über Leistung und Gegenleistung, sondern auch zwei mögliche divergierende
Entscheidungen über eine einzige materielle Einwendung oder Einrede (oder über eine einzige
rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsache). Selbst wenn man
annehmen wollte, Anspruch und Gegenanspruch bildeten zwei verschiedene Rechtspositionen46,
sollte man auch anerkennen, dass Anspruch und materielle Einwendung oder Einrede sich auf
eine einzige Rechtsposition zugunsten des Anspruchsgegners richten . Es geht dann nicht nur um
die Möglichkeit, einen gegenseitigen Vertrag zu zerreißen, sondern auch um die Zweckmäßigkeit,
eine einzige materielle Einwendung oder Einrede in zwei Verfahren differenzierend zu behandeln.
b) Ziel der objektiven Grenzen der Rechtskraft kann bestimmt nicht sein, eine einheitliche
Entscheidung über den Anspruch des Klägers und die vom Beklagten eingebrachte materielle
Einwendung oder Einrede auf eine einseitige Entscheidung über die Unbegründetheit des
Anspruchs zu beschränken. Würde man das zuzulassen, so müsste man die Zerstörung der
materiellen Verknüpfung zwischen Anspruch und materieller Einwendung oder Einrede durch eine
prozessuale Lösung in Kauf nehmen. Dagegen ist zu beachten, dass aus einer prozessualen Sicht
ein rechtserzeugendes Tatbestandsmerkmal und die entgegensetzende materielle Einwendung
oder Einrede einen einzigen Urteilsgegenstand bilden, wenn beide vom Gericht festgestellt werden
und wenn die Klage (wegen der aus der Einwendung oder Einrede entstehenden Gegenwirkung)
als unbegründete entschieden werden soll. Die Klage wird zurückgewiesen, nicht wegen der
Beweislosigkeit oder des Nichtbestehens des klägerischen Anspruchs, sondern aufgrund der
entgegensetzenden Wirkung einer materiellen Einwendung oder Einrede gegen diesen Anspruch.
Wichtig ist nicht nur die Unbegründetheit der Klage, sondern vor allem die dazu führende
Begründetheit der materiellen Einwendung oder Einrede.
Es scheint empfehlenswert – und sogar notwendig –,den Akzent auf die entgegensetzende
Wirkung der materiellen Einwendung oder Einrede zu legen, weil das Gericht ohne diese
Gegenwirkung eine stattgebende Entscheidung zu treffen hätte. Wird die entgegensetzende
Wirkung der materiellen Einwendung oder Einrede als Ausgangpunkt der Problematik der
objektiven Grenzen der Rechtskraft angenommen, stellt sich dann ein ganz anderes Ergebnis dar
als dasjenige, das von der herkömmlichen Lehre anerkannt wird. Die Entscheidung über die
Unbegründetheit des klägerischen Antrags sollte an der Rechtskraft teilnehmen, gerade weil diese
Unbegründetheit als eine Folge der rechtskräftigen Entscheidung über die materielle Einwendung
oder Einrede zu verstehen ist. Der Rechtskraft der Entscheidung über die materielle Einwendung
oder Einrede steht nicht, aus welchen Gründen auch immer, die Rechtskraft der Entscheidung über
den klägerischen Anspruch entgegen, sondern gerade umgekehrt: Würde die Entscheidung über
die materielle Einwendung oder Einrede nicht in Rechtskraft erwachsen, dann wäre es auch nicht
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möglich, die Rechtskraft über das sachabweisende Urteil zu rechtfertigen. Die Rechtskraft über die
Unbegründetheit des klägerischen Antrags kann nur als Folge der Rechtskraft über die
Begründetheit der materiellen Einwendung oder Einrede verstanden werden. Wollte man die
Rechtskraftwirkung der Entscheidung des Gerichts über die materielle Einwendung oder Einrede
nicht anerkennen, dann sollte man auch der entsprechenden sachabweisenden Entscheidung jede
Rechtskraftwirkung absprechen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Entscheidung über die materielle Einwendung oder
Einrede (und nicht nur die Entscheidung über die Unbegründetheit der Klage) in Rechtskraft
erwachsen soll. Dies bedeutet noch nicht, dass eine solche Entscheidung isoliert an der
Rechtskraft teilnimmt, d. h. dass in einem beliebigen späteren Verfahren das Gericht an die
Entscheidung über die materielle Einwendung oder Einrede gebunden sein soll. Eine frühere
Entscheidung über eine materielle Einwendung oder Einrede kann nur in einem späteren Prozess
von Bedeutung sein, wenn der Gegenstand dieses Prozesses sich in einem bestimmten
Zusammenhang mit dem Gegenstand des Vorprozesses befindet. Sonst wäre es nicht vorstellbar,
wie eine Entscheidung über eine gegen einen bestimmten Anspruch erhobene materielle
Einwendung oder Einrede in einem zweiten Prozess noch bedeutsam sein könnte. Was dafür
relevant sein kann, sind dann Fälle folgender Art: In einem Prozess wird die Nichtigkeit eines
Vertrags festgestellt; in einem späteren Verfahren wird ein anderer aus demselben Vertrag
entstehender Anspruch geltend gemacht; es stellt sich die Frage, inwieweit das Gericht des
zweiten Verfahrens an die frühere Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags gebunden sein
soll. Die Entscheidung über die materielle Einwendung oder Einrede nimmt zwar, auch wenn sie
selbständig berücksichtigt wird, an der Rechtskraft teil. Weil jede materielle Einwendung oder
Einrede sich auf einem bestimmten Streitgegenstand bezieht, hängt die selbständige
Rechtskraftwirkung der Entscheidung über die materielle Einwendung oder Einrede wesentlich
aber von einer gewissen Verbundenheit zwischen den Streitgegenständen des Erst- und des
Folgeprozesses ab.
Praktische Folge dieser Auffassung ist, dass die materielle Einwendung oder Einrede, die in
einer Klage eine Gegenwirkung verursacht hat, bei einer späteren Klage zwischen denselben
Parteien prinzipiell nicht in Frage gestellt werden darf. Dieser Schluss soll aber nur verdeutlichen,
dass die einheitlich festgelegten Sinnzusammenhänge nicht zerrissen werden sollen, und kann
daher nur als ein regulatives Prinzip (und sicher nicht als ein unverzichtbares Dogma) verstanden
werden. Ausnahmen zu der selbständigen Rechtskraftwirkung der Entscheidung über die
materielle Einwendung oder Einrede sollen dann auch erlaubt sein, nämlich wenn der
wirtschaftliche Wert des vorigen Verfahrens viel geringer ist als der Wert des späteren Prozesses
und wenn das; was in beiden Verfahren im Spiel ist, nicht vergleichbar ist. Ein typisches Beispiel
dafür ist der Fall, bei dem im ersten Verfahren nur um die rückständigen Zinsen eines Darlehens
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ging; was über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des abgeschlossen Vertrages in diesem
Verfahren entschieden wird, darf in einem späteren Prozess über das Kapital nicht bindend sein47.
VI. Schluss
Es wäre sicher irrführend, wollte man den Schluss ziehen, der Unterschied zwischen aut-aut
und vel-vel Fällen würde alle Probleme über die sachabweisende Entscheidung im Zivilprozess
lösen. Bezugnehmend auf die vorangegangen Ausführungen wäre es jedoch vielleicht etwas
überspitzt, den geschilderten Fallkonstellationen kein Gewicht für die Erläuterung der Gründe und
der Wirkungen eines sachabweisenden Urteils zuzubilligen und sie nicht als angemessene Antwort
für einige recht verschiedene und auseinanderzuhaltende Fragen anzusehen.