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Wedding Belles A Novel

Das Dokument beschreibt den Roman 'Wedding Belles', der in verschiedenen Formaten wie PDF und EPUB erhältlich ist. Es enthält eine kurze Beschreibung des Buches sowie Informationen zu seinem Zustand und zur Verfügbarkeit. Zudem wird eine dramatische Szene aus dem Buch zitiert, die den Tod eines Vaters und die emotionalen Reaktionen der Hinterbliebenen thematisiert.

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Wedding Belles A Novel

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Wedding Belles A Novel

ISBN: 9780312573881
Category: Media > Books
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File Details: 7.1 MB
Language: English
Website: alibris.com
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Am vierunddreißigsten Sonntage.

Welch eine Wucht von Drangsal und Trübsal in diesem Hause! —


Mit einem Schlag bin ich in den Mittelpunkt versetzt, als wäre ich
Hausvater und Bruder. Alle stützen sich auf mich und weinen. Alle
schauen zu mir um Rat, was jetzt zu thun sei. Aus welch
frevelhaftem Grunde bin ich in dieses Haus gekommen und welch
ernste Menschenpflichten haben meiner hier gewartet? Wenn die
heilige Last dieses Standes und das Erbarmen mit den Duldern mich
nicht einigermaßen geläutert hätten, wie wäre ich diesen Tagen
gewachsen! Hier der tote Vater, hier die gefallene Tochter, hier der
von unheimlichen Leidenschaften bethörte Krüppel, hier der
Soldatenflüchtling — und über allem der wirtschaftliche
Zusammenbruch des Hauses!
In der Nacht, da ich verwirrt und ratlos auf meiner Truhe saß,
kam mir ein Gedanke, für den ich mich hätte peitschen mögen wie
einen feigen Hund. — Was hält dich denn fest in diesem
Jammerhause? Nimm den Stecken und geh davon. Im Vordergai
brauchen die Bauern jetzt auch Leute. — Teufelseinflüsterung,
verfluchte! Wer denkt noch an die thörichte Wette! Mein Platz ist hier
und nirgends als hier. Das will ich doch mal sehen, ob aus dem
Haderlumpen, der ich war, ein treuer Mensch werden kann, oder
nicht!
Nur dir muß ich schreiben dürfen, Alfred, nur du darfst mir dein
gutes Wort nicht versagen. Dann will ich’s versuchen zu leisten, was
jetzt von mir verlangt wird. Und nun höre die weiteren Berichte aus
dem Adamshaus.
Als bei jenem Mittagsmahle der Adam gestorben war, da habe ich
es zunächst nicht glauben können. Derselbe Mensch, mit dem ich
eine Stunde vorher gearbeitet hatte oben bei der Brunnenquelle, der
zu mir noch gesprochen hatte, wie ein Mensch zum andern spricht
— der lehnt jetzt da im Wandwinkel, wird blaß, wird kalt und starr.
Wie wir seinen Namen auch rufen, sein Gesicht begießen mit kaltem
Wasser, seinen Leib schütteln und rütteln — das Auge ist gebrochen.
Als ob ihn gewisse Mittel noch retten könnten, so thut die
Hausmutter. Sie ruft die Heiligen an, sie trifft Anordnungen zum
Laben und Aufwecken, sie spricht ihm zärtliche Worte zu, sie macht
Gelöbnisse, sie betet den Sterbesegen. — „Aber Vater, was ist denn
das? So krank werden jetzt auf einmal! Wart’ nur, der kalte Guß, der
schreckt dich schon wieder zurück. Das ist doch ein Unsinn, wie es
dich wieder packt. Keinen solchen Dampf hast wohl schon lang nit
gehabt. Unsere liebe Frau wird’s noch einmal machen. Nur einmal
noch hilf ihm, liebeste Mutter Gottes! Am heiligen Christtag und
Ostertag will ich fasten dir zu Ehr. Keine Nacht länger als fünf
Stunden will ich schlafen — nur einmal weck’ ihn noch auf, Maria,
unsere liebe Frau!“ —
Kein Atemzug mehr, sein verkalktes Aug’ starrt leer dahin. Da
sinkt das Weib aufs Knie: „Kreuzsterbender Jesu, erbarme dich
seiner!“ Und schreit: „Adam! Adam! Ohne Behütgottnehmen gehst
du mir fort? — Mein Mann, mein lieber Mann! — Adam!“ — — Dann
knickt sie zusammen: „’s ist aus und ’s ist vorbei.“
Und wie das Klagen angeht in der Stube, richtet sich die
Hausmutter auf und schreit: „Still sein thut’s! Daß wir noch ein
zweites Unglück kunnten haben!“
Der Franzel, der die Barbel hätte rufen sollen, war immer noch an
der Thür gestanden. Jetzt ging die Mutter zu ihr hinaus. „Hast
recht,“ sagte sie zum Mädel, „hast schon recht, daß du in deinem
Stübel bleibst. Bei uns in der Stuben hat’s wieder einmal was
gegeben. Der Vater will nit. — Mach’ dir aber nichts draus, er wird
schon wollen, du kennst ihn ja. Bis der Sturm vorbei ist. Den Dampf
hat er auch wieder. Ist nur am gescheitesten, du zeigst dich derweil
nit auf.“
Eine ganz unglaubliche Verstellung, aber du wirst dir’s denken,
weshalb dem Mädel der plötzliche Schreck zu ersparen war.
Der Lehrer hat dem Adam noch die Weste aufgerissen und sein
Ohr an die Brust gehalten. An die stille Brust.
Ich nehme ihn an der Hand: „Guido, komm, du hast jetzt etwas
Anderes zu thun. Geh’ zu ihr. Führe sie hinaus über die Felder
spazieren und bereite sie langsam vor.“
Da hieb der Lehrer sich die Faust an die Stirn: „Ich bin an allem
Schuld!“
„Jetzt heißt’s ein starker Mensch sein! Ich sage dir, geh’ zu ihr
hinaus. Nötiger wie jetzt hat sie deinen Beistand wohl ihr Lebtag
nimmer!“
Da ist er hinausgegangen, da sind sie beide über den Hof
gegangen und dem Rain entlang.
Wir haben den Toten auf der Bank ausgestreckt und dann in
größter Betrübnis Rat gehalten, was jetzt zu geschehen hat. Der
Franzel wird um die alte Marenzel geschickt, daß sie die Leiche
wasche, in den Sonntagsstaat bringe und aufbahre. Der Kleine eilt
flink wegshin. Das ist einer, der es noch nicht erfahren hat, daß
jemand, der gestorben ist, nimmer und nimmermehr vorhanden sein
wird. Der Rocherl muß den Stecken in die Hand nehmen zu einer
Wanderung nach Kailing, um die Depesche aufzugeben an den
Valentin in Laibach und Sachen für die Leichenfeier heimzubringen.
Ich bin nach Hoisendorf hinabgegangen, um beim Kuraten und dem
Totengräber die Bestattung zu bestellen. Überall errege ich mit
meiner Nachricht die höchste Bestürzung; nur der Kurat hat’s
gelassen angehört, wie eine alltägliche Sache. Er ist es ja gewohnt,
das Sterben — bei anderen. Als es zum Verscheidenläuten ist,
„Schiedungläuten“ sagen sie hier, fehlt der Lehrer, der solchen
Küsterdienst sonst zu verrichten pflegt. Daß, und wo der auf
Freiersfüßen aus ist, habe ich nicht sagen mögen. Der Lehrling vom
Schmied und ich haben uns an die Glockenstricke gemacht, ich in
jeder Hand einen, so haben wir es ins Hochthal hinausgeläutet:
Beten, beten sollet ihr! Ein Mitbruder ist verschieden! — Das hat mir
der Schmiedjunge gleich erklärt: wenn’s ein Mannsbild ist, müsse
zum Schluß die große Glocke einige Züge lang nachgeläutet werden,
bei einem Weibsbild die kleine. Damit sie es wissen. — Dann mit
dem Totengräber, das war schlimm. Denn es ist keiner. Man muß von
Haus zu Haus gehen und bitten um Knechte, die — es ist dafür eine
Formel vorhanden — „aus christlicher Barmherzigkeit den
abgerufenen Pfarrgenossen N. N. ein Erdenbett bereiten zur ewigen
Ruh.“ — Sind uns nachher drei Knechte zusammengekommen; ich
habe mitgethan, mein lieber Alfred, und so haben wir mit Haue und
Schaufel meinem Hausvater eine Raststatt gebaut, wie es keine
bessere giebt. Den Sarg macht der Zimmermann Martin, der gleich
gesagt hat, das Maß dazu wolle er an sich selber nehmen, sie seien
hübsch gleich groß gewesen.
Auf dem Heimweg in der Abenddämmerung treffe ich den
Rocherl, der schon von Kailing zurückkommt. Er hat ein Bündel mit
Weizenmehl, Preßhefe, Leichlichtern und ein weißleinenes Decktuch
— „Überthan“ sagen sie — für den Sarg.
Wie wir so hintereinander den steilen Berg hinaufsteigen,
erinnere ich mich an jenen ersten Tag, als dort unter dem
Lärchbaum im Schnee mit dem Mehlbündel ein erschöpfter Mann
gesessen war, aus dem nachher mein guter Hausvater Adam
geworden ist.
„Jetzt wird er’s schon wissen,“ sagte der Rocherl.
„Wie es im Himmel ist, meinst du?“
Der Bursche stutzte und sagte noch einmal: „Jetzt wird er’s schon
wissen, der Valentin.“
— Ob es nur auch die Barbel schon weiß? denke ich mir. Der
Lehrer muß noch oben sein, weil er nicht unterwegs kommt.
„Wenn er nur Urlaub kriegt?“ warf der Rocherl auf.
„Es ist eine Frage. Haben sie Übungsmärsche, so ist es gar nicht
möglich. Übrigens kommt er wahrscheinlich zu spät, denn
übermorgen früh ist das Begräbnis.“
Dann erzählte der Bursche, daß der Kailinger Kaufmann wohl
recht grob geworden sei, wie er ihm die Sachen hübsch in ein
Bündel zusammengeschnürt hergiebt und hört, daß er heute kein
Geld kriegt.
„Die Mutter hat dir doch Geld mitgegeben?“ erinnere ich den
Rocherl.
„Ja,“ sagt er, „den Dukaten. Der ihr Bindband ist gewesen, wie
sie der Vater genommen hat. Jetzt ist’s mir unterwegs eingefallen,
was nutzt dem Valentin der Urlaub, wenn er kein Geld hat zum
Heimfahren. Und habe ihm gleich den Dukaten telegraphieren
lassen.“
Darauf ich: „Ihr seid nicht klug. Ihr wisset es doch, daß ich
immer bissel ein Geld im Sack habe.“ Dir offen gestanden, viel nicht
mehr! Die aus der Stadt mitgebrachten Kapitalien, vermehrt durch
den Erlös von Uhr und Ring und ander Ding, haben hier einen
verdammt schlechten Zinsfuß. Ihrer fünfundzwanzig Gulden, oder
nahe dran, damit hieße es auslangen bis Neujahr, wenn nicht auf
den Baumwipfeln die Vögel sängen: Sorge nicht für den morgigen
Tag.
Es ist dunkel geworden, die Wölklein am Himmel haben noch den
Rosensaum des Abendrotes. Geruhsam ist alles, und wenn der Weg
nicht seine tiefen Löcher und die Bäume nicht ihre gebrochenen Äste
hätten, man dächte nicht daran, wie wahnsinnig diese stille Natur
manchmal werden kann.
Vom toten Vater sprechen wir nicht, doch wendet der Rocherl
sich wieder einmal um und sagt: „Jetzt wirst es doch glauben,
Hansel!“
„Was soll ich glauben?“
„Daß dieser Mensch unser Unglück ist.“
Ich habe keine Antwort gegeben.
Endlich kommen wir hinan zum Hause. Das liegt da, eine dunkle
Masse, aus zwei Fenstern leuchtet ein roter Schein. Der Rocherl
bleibt stehen. Ich sage, er solle doch gleich mitkommen zur Mutter
und Schwester. Er bleibt noch immer stehen und jäh hebt er an,
heftig zu weinen. — Er weiß es wohl. Dort, wo der Fensterschein ist,
steht die Bahre. Doch, wie wir hinkommen, ist im Hause nicht der
Totenfrieden, ist vielmehr ein wirres Durcheinander von Weibern.
Der Lehrer kommt zur Thür heraus uns entgegen und sagt: „Wir
haben neues Unheil. So wie i c h ist noch keiner gestraft worden...“
Der Rocherl stürzt wie wahnsinnig ins Haus.
„Was ist schon wieder geschehen?“
Die Barbel....
Weiter kann ich jetzt nicht. Wir wissen zur Stunde noch nicht, ob
sie davonkommt mit dem Leben.
Am fünfunddreißigsten Sonntage.

Dein Brief, mein teurer Freund, hat mich gestärkt. Habe Dank
dafür. Der Kompaß deines klaren Geistes giebt mir größere Sicherheit
und Kraft zu dem, was ich muß. Du willst nun noch hören vom
armen Mädchen.
Ich schrieb dir vor acht Tagen, wie zur Stunde, als der Vater
gestorben war, der Lehrer sie hinausgeführt hat ins Freie, um sie
vorzubereiten. Zuerst hat er ihr gesagt, daß sie zusammen nun vor
Gott und den Eltern Bräutigam und Braut wären. Dann, daß er ihr
Freund sein wolle in jeder Freude und in jedem Leide, für das Leben
lang.
„Aber der Vater will ja noch nicht!“ hatte sie gesagt.
„Ganz gewiß will er,“ beteuerte der Lehrer. „Erregt mag er ja
gewesen sein, anfangs, wer verdenkt ihm das? Wenn er sich auch
ungern von dir trennt. Er muß auch wissen, zu wem du nun einmal
gehörst.“
„Das ist ja alles recht,“ sagte sie. „Wenn es mir nur nicht immer
thät’ vorkommen, mein Guido, als hättest du nur notigerweis um
mich angehalten.“
„Wie meinst du das?“
„Ob’s dir wohl auch von Herzen geht!“
„Solche Gedanken sollst sein lassen, Barbel. Du weißt es ja, was
ich gesagt habe.“
Und dann sind sie lange umhergegangen über die Felder und
Wiesen hin, wo jetzt so viel Schutt liegt. Und haben allerlei
besprochen, wie sie es halten wollten in ihrem gemeinsamen Leben,
und einrichten in ihrer neuen Wirtschaft. Und das Mädel war dabei
ganz froh geworden. Dann war sie einmal still gestanden und hatte
gefragt: „Was läuten sie denn zu Hoisendorf?“
„Morgen ist Maria Himmelfahrtstag,“ sagte er.
„Es ist ja noch nit Feierabendzeit,“ meinte sie.
Und er: „Vielleicht hat doch schon jemand Feierabend gemacht.“
Da dachte sie: Es kann wohl wer gestorben sein. Zog mit dem
Daumen über ihr weißes Gesicht ein Kreuz und betete still ein
Vaterunser. Da dachte der Lehrer: Armes, gutes Kind, du betest für
deinen Vater und weißt es nicht. —
Dann sagte sie: „Du solltest ja daheim sein, Guido, wenn es zum
Läuten ist.“
„Es läutet der Schmied.“
„Man hat nichts gehört, daß wer krank gewesen wäre.“
Sagte der Lehrer: „Mein Gott, es giebt doch kränkliche Leute in
der Gegend. Der alte Gleimer zum Beispiel. Der hat ja immer so viel
Atemnot, hört man, und herzleidend soll er auch sein. Der Mensch
ist halt keine Stunde sicher.“
„Müßt’ wohl hart sein,“ sagte sie ganz leise, „so wen verlieren,
wen lieben....“
„Du hast recht, es ist immer ein Schmerz, wen’s trifft. Aber
endlich bleibt es keinem aus, und doch ist’s noch besser, es drücken
Kinder den Eltern die Augen zu, als umgekehrt.“
Wie er so gesprochen, da hat die Barbel angefangen unruhig zu
werden. Und plötzlich sagte sie: „Ich will aber doch jetzt
heimgehen.“
„Es ist noch Zeit, mein Schatz. Gönne dir den schönen Tag.“ Er
hielt sie an der Hand. „Siehe doch, wie es schon wieder zu grünen
anhebt auf dem zerschlagenen Rasen.“
„Laß mich aus, Guido! Ich will heim zum Vater!“
So hat sie sich von ihm losgerissen und ist schnell den Rain
entlang geeilt, daß er laufen mußte, um sie noch abzufangen an der
Hausthür.
„Barbel, ich will dir was sagen, du sollst jetzt nicht hinein. Denke,
wofür du verantwortlich bist. Denke dran, Barbel. Laß dir’s nur
sagen. Dein Vater — er ist schwer krank geworden....“
Heftig stieß sie ihn zurück und eilte in die Stube. Da hat man
auch schon den gellenden Schrei gehört. Über den Toten ist sie
hingefallen, hat ihn gerüttelt, hat ihm wie wahnsinnig ins fahle
Antlitz geschrien, daß er soll’ aufwachen und sie ansehen! — Und als
sie endlich zur Überzeugung kam, wie die Sache stand, da ist sie in
eine starre Ruhe verfallen, daß es unheimlich war. Sprachlos,
thränenlos wankte sie ihrer Kammer zu. — — Als man später das
Stöhnen gehört hat, ahnte die Hausmutter es bald, was vorging. Die
alte Marenzel, die gekommen war, den Toten aufzubahren, hatte nun
etwas anderes zu thun. — Als wir, der Rocherl und ich, am Abende
heimkamen, lagen zwei des Adamshauses auf der Bahre — der
älteste und der jüngste.
So, mein Alfred, hat es sich zugetragen. Und war eine solche
Trauer im Hause, daß ich gemeint habe: Wenn nur wer schelten
wollte! Wenn nur wer hadern wollte mit diesem niederträchtigen
Geschick, daß ein frischer Zorn, eine Gemütsrevolution ausbreche,
damit doch diese dumpfe, diese schreckliche Trauer unterbrochen
werde. Alle, auch die sonst so scharfe Hausmutter, standen und
gingen matt und traumhaft umher. In der Nacht aber war’s, daß die
Barbel in ihrem Bette anhub zu fragen: „Ja, ihr Leute, wie ist denn
alles das zugegangen?“ Und am Frühmorgen hat sie gefragt: „Wie ist
denn das gewesen, daß mein Vater gestorben ist?“
Weil keines mit der Sprache herauswollte, so trat ich vor, ging
entschlossen in ihr Stüblein und begann herzhaft zu erzählen.
„Barbel,“ sage ich, „es ist ein glücklicher Tod gewesen. Wie er
hört, daß der Lehrer redlich um deine Hand bittet, da hebt er beide
Arme auf wie zum Segen und ruft: Soll’s doch sein, daß mein liebes
Kind glücklich wird! Gott Lob und Dank! — Darauf an die Wand
hingesunken und — aus ist’s gewesen.“
„Und herb wär’ er nit gewesen?“ fragt sie, „herb nit?“
„Freilich wohl herb, anfangs weil der Lehrer so spät gekommen
ist — wohl rechtschaffen spät.“
Darauf hat sie nichts mehr gesagt. Nur später leise mit sich selbst
gesprochen: „Wenn es so ist gewesen! Wenn es so ist gewesen!“
Und hat in sich hineingeweint, aber ganz anders, als vorher.
Von dieser Lüge, Alfred, mußt du mich lossprechen. Die
wohlgemeinte Unwahrheit, die ein Herz vom Fegefeuer erlöst, kann
doch nicht unrecht sein? — Aber jetzt in den Nächten, wenn ich
schlaflos bin, sieht’s anders aus. Es ist ja furchtbar frevelhaft, ein
Kind über das Sterben des Vaters zu täuschen! Hat nicht sie den
Jammer über die Familie gebracht? Soll sie nicht die ganze Wucht
ihres schweren Fehlers büßen? — Ich bitte dich, Freund, sage n e i n.
Sage, du treuer Forscher nach dem Guten und Wahren, sage, daß es
erlaubt ist zu täuschen, wenn man damit was Gutes stiften kann.
Sage nicht auch das abscheuliche Wort: Wahrheit über alles, auch
wenn darunter Menschenglück und Menschenherzen zu Grunde
gehen. Ich beschwöre dich, Philosoph, laß alle Philosophie so sein,
daß dieses Erdenleben milde wird und warm. Wenn es auch dunkel
ist, wenn es nur reich an Liebe ist. Schau, das arme Mädel lächelt
heute unter seligen Thränen. Die rohe Wahrheit hätte sie auf ihr
Lebtag lang in Gram und Weh gestürzt.
Am nächsten Sonntage werde ich berichten, was sich in diesen
Tagen weiter ereignet hat.
Am sechsunddreißigsten Sonntage.

An der Oberfläche scheint es, als kümmerten sich in der


Bauernschaft die Leute nicht viel umeinander. Kommt jedoch über
ein Haus etwas Besonderes, dann steht überall die menschliche
Teilnahme auf, dann sind sie e i n e s Stammes, die grünen und die
dürren Zweige.
In den zwei Nächten, als unser Hausvater auf der langen Bank
lag, konnte die große Stube kaum alle Anwesenden fassen, die
gekommen waren, um zu trösten und zu beten. Etliche
Bauernweiber hatten Butter, Weißbrot und gedörrte Waldkirschen
gebracht, damit die Adamshauserin Mittel habe, ein würdiges
Totenmahl zu bereiten. Ich beschreibe dir nicht die Sterbe- und
Begräbnisgebräuche, deren im großen und kleinen unzählige sind,
sinnlos nur für den, der keinen Sinn herauszufinden oder keinen
hineinzulegen weiß. Denke dir bloß, daß während der Tage, als ein
Toter im Hause liegt, keine knechtliche Arbeit verrichtet werden darf,
daß die Wanduhr still stehen muß, daß das Sprengreisig, mit dem
die Leute Weihwasser auf die Leiche spritzen, in einer dreifachen
Kreuzform gewachsen sein soll, daß das Bettstroh im Freien
verbrannt wird, auf welchem der Verstorbene in seiner letzten
Lebensnacht gelegen, und dergleichen mehr. Der Gehstock des
Toten wird ins Freie getragen und an einen alten Baum gebunden,
damit er nicht allein umherwandeln kann, zu Nachbarshäusern. Wo
so ein Stock an die Thür klopft, dort muß bald wer sterben. Im
Trauerhause sind nächtig die Leute der Nachbarschaft an Tischen
und Bänken herum, beten den Psalter, singen Totenlieder, essen
Weißbrot mit Milchrahm und führen nebenbei allerlei Gespräche. Es
soll bei solchen „Leichwachten“ manchmal ganz heiter hergehen,
daß junge Leute Kurzweil treiben, körperliche Übungen ausführen
und Schalkereien anstellen, sogar mit der Leiche nach einem alten
Herkommen. Gleichsam — sie machen sich lustig über den Tod, er
imponiert ihnen nicht. — In unserem Adamshause war nichts als die
tiefe Gedrücktheit, und die Wirkung der von Männer- und
Weiberstimmen kunstlos gesungenen Totenliedermelodien kann nur
gefühlt, nicht beschrieben werden.
Die Leiche war mit einem weißen Leintuche bedeckt. Manche, die
ankamen, hoben vom Haupte das Tuch, schauten ins lehmfahle
Gesicht des Adam und sagten zu ihm nieder: „Gott gebe dir die
ewige Ruh. Sollt’ ich dich einmal gekränkt haben, thu’ mir’s
verzeihen.“
Es mag wohl so sein. Wenn man an der Bahre eines lieben
Menschen steht, so fängt er erst an, einen zu erbarmen, nicht weil
er gestorben ist, sondern weil er gelebt hat. Gelebt und gelitten,
manchen schweren Kummer heimlich und geduldig für sich allein
getragen. — Auch der Jäger Konrad hatte ihn so angeredet. Die
Hausmutter hörte es und machte mit der Hand einen Deuter, als
wollte sie sagen: Du, laß’es gut sein! Hättest ihm früher das Leid nit
gemacht!
Neben der Leiche auf dem Lehnstuhl steht das hölzerne Kruzifix,
vom Hausaltare herabgestellt, daneben ein Wasserglas mit dem
Öllichte und ein Schüsselchen mit Weihwasser und dem
Sprengzweige, mit dem sie den Toten von Zeit zu Zeit besprengen.
Zu Füßen dieser langgestreckten schmalen Leiche, ganz im
Wandwinkel, liegt ein kleines Ding, das auch mit weißem Tüchlein
zugedeckt ist. Und das, mein lieber Alfred, ist die Erbsünde. —
Die Leute thun, als ob sie es nicht sähen und niemand fragt nach
der Barbel.
In der zweiten Nacht wars, daß von der Nachbarschaft zwei
Mägde ankamen, ganz erregt und verstört zur Thür herein. Sie
wüßten etwas Unheimliches zu erzählen. Als sie durch den Schachen
hergegangen seien, hätten sie an der Brunnenquelle neben dem
Holzapfelbaum den Adam stehen gesehen. Er habe sich an einen
Spatenstiel gestützt, als ob er gegraben hätte und dabei müde
geworden wäre. Sie wüßten gar nicht, wie sie zum Hause
hergekommen seien vor lauter Schreck.
„Wir wünschen ihm all’ die ewige Ruh,“ sagte ein alter Mann. Da
that sich der Kulmbock hervor, der am Tische saß und rief überlaut:
„Nit so dumm daherreden, Weiberleut’! Das friß ich nit! Was wirds
denn ein Geist gewesen sein! Es giebt gar keinen Geist! Das werd’
ich etwan nit wissen! Just so!“
Der Kulmbock gehört jetzt zu den Aufgeklärten. Seit er zum
Abgeordneten gewählt worden, stellen sie ihn überall voran, auf den
Ehrenplatz und als Ordner hin. So hat er auch die Leitung des
Begräbnisses übernommen. Allerseits entwickelt er eine große
Beredsamkeit, die er einstweilen nur im Landtage noch nicht hat
bethätigen können. Da will der kluge Mann erst einmal hören, was
die anderen sagen. — Seine dralle Tochter war auch vorhanden in
dieser Nacht; die drängte sich nicht vor, sondern hielt sich im
Herdwinkel auf, mit anderen jungen Leuten heimlich schäkernd. Als
der Rocherl mit Brotlaib und Messer dorthin kam und die munteren
Burschen einlud, zuzugreifen, sagte die Kulmbock-Tochter
schelmisch: „O ja, Rocherl, ich mag schon eins von dir, ein Brot.
Schneid’ mir nur eins, aber ein recht großes Trumm.“
„Das wär’ bei dem eine Kunst,“ spottete einer der Burschen. „Mit
e i n e m Maul Brot essen, das wird er wohl können; aber mit e i n e r
Hand abschneiden, schwerlich.“
Darauf entgegnete der Rocherl scharf: „Und du thätest auch mit
dem einen Maul nit stänkern, mein Lieber, wenn ich zwei gesunde
Händ hätt!“
„Geht’s weg!“ schmollte die Kulmbock-Tochter, die Anderen mit
dem Ellbogen von sich tauchend, „ich laß’ über den Rocherl nichts
kommen!“
„Sie meint halt, halsen kann ein Einhandel auch!“ gab jener
Bursche zurück.
Der Rocherl biß die Zähne aneinander, steckte das Messer tief in
den Brotlaib und ging zur Thür hinaus. Ich hatte den kleinen
Vorgang so halbhin beobachtet und da ist mir wieder das ganze
Elend des armen Jungen klar geworden. Jeder Wichtling kann ihn
nach Belieben verhöhnen, es geschieht ungestraft. Aber sie sollen
sich nicht spaßen mit ihm. Wer ihn nur erst kennt! — Mit e i n e r
Hand führt man gefährlichere Waffen, als mit deren zwei!
Jetzt kommt aber noch etwas. Gegen Mitternacht war’s, wir
knieten alle gerade an den Tischen, deren in der Stube mehrere
aufgerichtet worden waren, und beteten, als unten an der Thür eine
Bewegung entstand. Kurze Ausrufe. Dann gedämpftes Sprechen und
Schluchzen. Aus der Dunkelheit trat eine Gestalt hervor, wie der
Adam. Aber strammer, jugendlich, in Mütze und Soldatenmantel. Der
Valentin! Der Urlauber! — Ein junger Mensch mit breitknochigem
Gesicht und eingefallenen Wangen. Er giebt Jedem und Jeder die
Hand, auch der Mutter nicht anders, als den Übrigen, und blickt
unruhig, verwirrt um sich und tritt langsam, zögernd gegen die
Bahre hin. Ein Weib deckt des Toten Gesicht auf und sagt leise:
„Gelt! Ganz unverändert. Als wie wenn er thät schlafen. — Er thut
gut rasten.“
Der Valentin kniet mit beiden Knien schwerfällig nieder auf das
Fletz, faltet die Hände mit verschlungenen Fingern aneinander und
starrt unverwandt auf den Toten. — Dann steht er auf, taumelt
gegen den Uhrkasten hin, wo der Sarg lehnt, der fichtenhölzerne,
unangestrichene, und an dem Beben und Stoßen seines Körpers
sieht man’s, wie es in ihm wütet.
Wir in den Städten kennen sie nicht, die Schamhaftigkeit des
Schmerzes. So wenig, wie wir die Schamhaftigkeit der Freude
kennen und die Schamhaftigkeit der Liebe zwischen Kindern und
Eltern. Der aus der Fremde kommende Sohn küßt nicht die Mutter,
berührt die Leiche seines Vaters nicht mit einer Fingerspitze; nicht
ein Wort der Zärtlichkeit, der Klage habe ich gehört von seinen
Lippen — draußen im dunklen Vorhause erst hat er aufgegröhlt wie
ein verwundeter Hirsch.
Später, als der Valentin neben seinem Bruder an der offenen
Hausthür steht, herzschwül und wortkarg, und als sie so
hinausschauen in die Mondnacht, da deutet der Rocherl auf eine
Gestalt, die am Brunnen sitzt, und sagt: „Siehst du ihn, Valentin?
Dort am Wassertrog. Das ist der Unglückstifter!“
Da tritt die Mutter vom Herd, wo bei prasselndem Feuer das Mahl
kocht, zur Thür hin, und der Valentin solle sich doch hinsetzen und
was essen.
Der Soldat schüttelt den Kopf, essen könne er nichts.
Sie stellen sich zusammen im Vorhause und die Mutter erzählt
dem Heimgekehrten, wie sich alles zugetragen. Als sie von dem
Menschen spricht, durch den die Barbel ins Unglück gekommen, soll
Valentins Hand nach dem Stilet gezuckt haben.
„Jetzt nimmt er sie aber,“ sagt die Mutter.
Und der Soldat: „Das ist sein Glück.“
„Das ist sein Glück, meinst du?“ begehrt der Rocherl auf. „Und
damit glaubst du, wär’ es gut?“
„Mehr kann er nit thun.“
„Du, Valentin,“ sagt der Rocherl, gleichsam in Krämpfen sagt er
es: „Ich kann mit der einzigen Hand nichts machen, sonst — sonst
hätt’ ich nicht auf dich gewartet. Jetzt wirst d u mit ihm abrechnen.“
„Mit wem? Mit dem Lehrer? Wenn er sie ja heiratet!“
„Und ihr Ruf? — Und ihr Ruf?“
„Warum bist du so auf, Bruder Rocherl? Ein Malheur, das Jedem
passieren kann.“
„So sagst du?!“ ruft der Rocherl ganz betroffen aus. „So schlecht
bist du geworden?!“
Da giebt der Soldat zur Antwort: „Mein Lieber, du sollst es erst
wissen, wie es in der Welt zugeht!“
Dieses Gespräch ist zwischen den beiden Brüdern geführt
worden, vor der Hausthür im Mondscheine. Dann wollte Valentin die
Schwester sehen.
„Jetzt schläft sie,“ sprach die Mutter. „Laß sie rasten. Sie hat viel
gelitten.“
„Weiß nit, ob es lange Zeit hat mit mir,“ sagte der Soldat. Dann
kam er an den Herd. Am Tische rückten sie zusammen, um ihm Platz
zu machen. Er hielt sich jedoch immer im Hintergrunde und so oft
die Thür aufging, wandte er allemal rasch sein Auge dahin.
Jetzt trat ich zu ihm hin und stellte mich als den Knecht Hansel
vor.
„Ich weiß es schon,“ versetzt er kurz.
„Wie geht’s beim Regiment? Was macht der Oberst Marx?“
„Kennst du den?“ fragt er.
„Ist mein Hauptmann gewesen.“
„Hast du auch beim Siebenundzwanzigsten gedient?“
„Gehorsamst zu melden.“
Nach diesen Worten will er sich verziehen. Mir fällt an ihm die
Unruhe auf, die sich immer steigert.
„Ging es schwer mit dem Urlaub?“
„Ganz leicht,“ sagt er.
„Auf wie lange?“
„Auf unbestimmte Zeit.“
„So, so!“ sage ich, „das wundert mich.“ Und wie noch eine Frage
an ihn gestellt wird, wendet er sich rasch und geht zur Thür hinaus.
Am siebenunddreißigsten Sonntage.

An diesem Briefe schreibe ich schon seit Wochen. Du willst ja,


daß ich dir alles genau erzähle. Wie kann man das nur, wenn so
vielerlei auf einmal vorfällt und wenn es so viel anderes zu denken
und zu thun giebt, als eine Geschichte aufzuschreiben, die sich
freilich immer wiederholt auf der Welt, die aber dem, der sie gerade
erleben muß, furchtbar neu und verwunderlich ist.
Beim Valentin blieb ich stehen, er aber nicht bei mir. Da bin ich
ihm so lange nachgegangen, bis er mir in der Strohschaubkammer
nicht mehr entschlüpfen konnte. Er kauerte auf dem Schaub und
preßte sein Gesicht ins Stroh.
„Valentin,“ redete ich ihn an. „Zu deinem Hause stehe ich so, daß
auch zwischen dir und mir Vertrauen sein darf. Gestehe mir’s ganz
offen, du bist desertiert!“
Er leugnete es nicht ab und gestand es nicht ein.
„Hab’ ihn eh gebeten, den Hauptmann, um Urlaub auf vier Tag,
wie die Nachricht gekommen ist. Wenn jeder Urlaub hätt’, wo zu
Haus eins von der Sippe stirbt, hat er Antwort gethan, alsdann
hätten wir das halbe Regiment bei den Klageweibern!“
„Und dann bist du heimlich davon?“
„Ich gehe ja morgen, wenn’s vorbei ist, gleich wieder zurück.“
„Valentin,“ sage ich, „den Vater hast du noch einmal gesehen.
Wir werden ihn gut betten. Geh’ lieber sogleich.“
Den Kopf hat er geschüttelt: Sogleich, das wolle er nicht.
Der Unglücksmensch ist geblieben, aber keiner von allen, die
dem Totenbegängnisse beigewohnt, hat’s glaube ich geahnt, daß ein
Deserteur danebenstand, als sie den starren Adam vom Laden
hoben und auf die knisternden Hobelspäne in die Truhe legten.
Während die Leute noch an den Tischen saßen und unter
gedämpftem Geplauder das Totenmahl verzehrten, nagelte der
Zimmermann den Deckel auf. Verdammt, war das eine Musik, dieses
Hämmern auf den Sarg! Die Hausmutter hatte alle Thüren und
Fenster zugemacht, daß die Barbel in ihrer Kammer den Schall nicht
sollte hören können.
Dann haben sie den Schrein hinausgetragen und niedergestellt
auf der Thürschwelle, haben das Lied gesungen, in welchem der
Scheidende Abschied nimmt von Weib und Kind, von Haus und Hof.
In dem Augenblicke hub in der Scheune, die gegenüber der Kammer
des Mädels steht, die Kornwindmühle an zu klappern, heftig und
schmetternd. Die Leute schauten mit Entrüstung auf. Der Kulmbock
war über diese Störung der Andacht sehr empört, aber ich muß dir
mit Freuden mitteilen von einem erweckten Menschen. Von dem
Saufüssel — wieder gesund ist er worden! Und gerettet! Der hatte
bei jenem Osterfeuer den Rocherl in die Glut bringen wollen. Der
hatte vor Barbels Fenster den Spottpopanz aufgerichtet. Und jetzt
war es dieser Saufüsselbub, der die Windmühle trieb und Späne
hineingesteckt hatte, damit sie doch recht mächtig klappern möchte.
Angestiftet soll ihn seine Mutter, die Marenzel haben: „Gedenk’s Bub,
wie dir’s die Barbel gemeint hat, wie sie dich aus dem Rainhäusel hat
befreit, wie sie in deiner Krankheit gut mit dir gewesen ist! Ich habe
den Kulmbock schon gebeten, er möcht’ das harte Lied sein lassen
vor der Thür. Er thut’s nit, der Dickschädel. Jetzt geh’, Bub’, und laß’
die Windmühl bredeln, daß alles schnalzt, damit die Kranke in der
Kammer das Totensingen nit kann hören.“ — Der Totenbrauch war
gestört, aber dem Mädel war der herzbrecherische Abschiedsgesang
erspart geblieben. Mich freut jetzt dieser Saufüsselbub mehr, als alle
sinnigen Totensitten zusammen. Die Barbel hat’s vollbracht, hat aus
diesen zwei Leuten — Menschen gemacht.
Wer da halbwild wie ein Verbannter ums Haus schlich, sich
dazugehörig fühlte und doch nicht dazugehen durfte, das war Guido
Winter. Außer dem unversöhnlichen Rocherl sagte es ihm Keiner, daß
er allein die Schuld an diesen Ereignissen sei, er selbst sagte es sich
aber ununterbrochen, erbarmungslos. Nun wollte die Barbel wissen,
wo der Guido sei, er solle zu ihr hineinkommen. Und dieses
wunderbare Wesen — während sie den Vater davontrugen, während
sie ihre Jugend, ihre Unschuld, ihr zartes Glück davontrugen, hat sie
ihm mit lieben, sanften Worten Mut und Trost zugesprochen. Wenn
man in diesen Schickungen sagen könne, jemand sei Schuld, so sei
es sie. Sie hätte die Gescheitere sein sollen, denn er habe nicht
gewußt, was er thue, nachdem, wie es einmal im Menschen
eingerichtet sei vom lieben Gott. Die Hoffnung habe sie wohl immer
gehabt, daß er sie nicht verlassen werde in der harten Zeit und wenn
er so wäre, wie man es manchmal von anderen höre, dann erst
müßte man verzagen. Das größte Leid hatten sie nun wohl
überwunden, ein so großes komme nicht mehr, und wenn’s auch in
Armut und Kümmernis müsse sein, alles sei ihr recht, nur ein wenig
liebhaben solle er sie.
So hat sie zu ihm gesprochen und so hat er mir’s erzählt. Und
mitten in diesen heiligen Dingen fällt es mir ein, ganz abscheulich
profan: Jetzt, wenn sie nur schon da wären, die zwanzigtausend
Kronen! Jetzt wollte ich einmal Goldonkel spielen, daß schon all’ des
Teufels wäre!
Freund, wie sie so tapfer stand — es war dir ein wahres sursum
corda! Ein urplötzliches Herzerheben in diesen Tagen der Trauer. —
Nun also haben wir sechs Männer ihn hinabgetragen über den
steinigen Weg. Mit Riemen war die Truhe auf dem Tragschragen
festgebunden, und doch wollte sie rutschend werden, weil der
Schragen so schief getragen werden mußte, den steilen Hang hinab.
Hinter diesem Sarge ist ein junger Bursche gegangen, mit roten
Bändern am Hut und am Arm, ganz hochzeitlich angethan. Der hat
vor sich auf den Armen, wie man ein Kind trägt, das winzige Trühlein
getragen, das mit schneeweißer Leinwand verhüllt war. Den Rocherl
hatten sie anfangs auserlesen, das sonderbare Schatzkästlein auf
den Kirchhof zu tragen, der aber hat über diese Zumutung einen
grauenhaften Schrei gethan und ist in den Wald gelaufen, so daß wir
ihn beim Begräbnisse gar nicht gesehen haben. Hinter dem
hochzeitlichen Burschen siffelte die alte Marenzel drein, in der einen
dürren Hand den Stock, in der andern die Stalllterne. In der Laterne
Scheiben spiegelte sich so scharf die Morgensonne, daß das
Kerzenlicht darin erst wieder sichtbar ward in der schattigen
Hohlschlucht. Und dann folgten die vielen Beter und Beterinnen, von
jedem Hause mindestens eins, im ganzen Almgai. Die Hausmutter in
ihrem dunkelblauen Gewande, der Valentin in seinem
Soldatenmantel und der kleine Franzel in seinem grünverbrämten
Steirerröcklein, waren mitten drinnen und thaten wie alle anderen.
Weil die Trauer eine allgemeine geworden, so trugen sie scheinbar
nicht schwerer, als die übrigen. Der Kulmbock soll sonst bei derlei
Vorbeter gewesen sein, jetzt als Abgeordneter und Ordner hatte er
mehr ans Reden zu denken, als ans Beten. So hat der Schneider
Setznagel einspringen müssen mit seinem singenden Stimmlein.
Ganz hinten am Zug trippelte der Michelmensch nach, der doppelte.
Die zwei alten Einlegerleutchen kommen stets herfür, wenn es wo
ein Totenschmäuslein giebt und haben sicher schon mehr Leute zu
Grabe geleitet, als ihrer noch lebendig umsteigen auf diesen
steinigen Bergen. Und zu allerhinterst lief einer nach, den sie
wiederholt zurückjagten und der immer wieder nachkam, um seinem
Hausvater das letzte Geleite zu geben. Der Pudel Bismarck. Als er
jedoch endgültig merkte, daß seine Teilnahme durchaus nicht beliebt
ward, schlich er mit eingezogenem Schweife zurück zum
Adamshaus, stand dort vor der stillgewordenen Thür und weinte
laut.
Eine alte Nachbarin war daheim geblieben bei der Barbel und soll
ihr aus einem Gebetbuche den „Kreuzweg unseres Herrn und
Erlösers Jesu Christi“ vorgesprochen haben. Ob das Herz des armen
Mädels auf diesem Kreuzwege war, oder auf seinem eigenen ging
—?
Als wir in die Kirche kamen, vor deren Thor die Leiche abgesetzt
worden war, lagen auf dem Altare als Trauerschmuck vom Beinhause
her schon die grinsenden Totenschädel; wer weiß, ob es nicht
gerade die Voreltern des Adam waren, die jetzt Ehrenwache hielten
bei dem Traueramte. Die Bänke waren voll Beter, wovon jeder ein
Kerzenlicht vor sich stehen hatte. Der Valentin stand ganz hinten im
dunklen Turmgewölbe und schaute auf das Kirchenthor hin, so oft es
aufging.
Nach dem Amte haben wir den Adam an sein Grab getragen. Als
wir ihn mit zwei langen Riemen hinabrollen ließen, so daß der Sarg
an der knolligen Erdwand ein wenig dröhnte, da habe ich wohl doch
horchen müssen, ob denn niemand aufschluchzt. Die Glocken waren
hell geworden, der Geistliche betete sein Requiem und der Knabe
schwang das Rauchfaß, daß die blauen Wölklein aufstiegen in den
Flieder des Raines. Die Hausmutter ist dagestanden bewegungslos
wie eine Säule und hat unverwandt zum Christuskreuze hingeschaut.
— Der Lehrer, so muß ich denken, wenn er nur jetzt bei i h r ist....
Dann lehne ich die Leiter ins Grab und steige hinein, um den
Sarg zurecht zu rücken, daß mein Adam gut rasten kann. Hernach
hebt der hochzeitliche Bursche sein Trühlein herab, und wie ich das
anfassen will, um es neben dem Sarge des Vaters zu betten,
unterbricht der Kurat sein Gebet und fragt: „Es hat wohl die Taufe
empfangen?“
„Mein Gott, freilich,“ berichtet die Marenzel.
„Natürlich, als es noch lebendig war?“ fragt er.
„Hochwürden Herr, lebendig ist es gar nie gewesen. Heißt das, es
ist schon so auf die Welt gekommen.“
„Dann gehört es nicht hierher,“ sagte der Kurat und sein sonst
gutmütiges Gesicht nahm einen peinlichen Ausdruck an. „Draußen
vor der Hecke ist der Anger. Ich will es gerne segnen, nur solltet ihr
wissen, daß die Erbsünde, die nicht durch die heilige Taufe gelöscht
ist, in geweihter Erde nichts zu suchen hat. Und in diesem Falle
schon gar nicht, leider Gottes!“
Als die Leute verstanden, der Kurat wolle das kleine Kindlein
ausweisen, entstand ein Aufruhr. Der Lehrer, der beim ganzen
Begräbnisse nicht zu sehen gewesen, jetzt war er auf einmal da.
Dem Burschen nahm er das Trühlein aus der Hand und sagte
ziemlich laut: „Es ist mein. Ich will es im Garten begraben und
darüber eine Tafel setzen: Hier ruht eine Erbsünde, die nicht durch
Christi Blut erlöst worden ist.“
Na du, da ist’s mir merkwürdig kalt über den Rücken gelaufen,
wie er das gesagt hat. Die Leute halten ihren Atem ein. Was wird
jetzt geschehen? — Der Kurat schaut wehmütig drein, schüttelt den
Kopf und sagt dann zum Burschen: „Thue es hinab.“
Und nichts weiter.
Wir haben es zu Füßen des Großvaters gestellt und dann
Erdsegen darauf geworfen mit der Schaufel.
Wie das vorbei ist, drängt sich zwischen den Leuten, mit dem
Ellbogen sachte eine Gasse bohrend, der Gleimerbauer mit seinem
Weibe hervor, sie stellen sich ans Grab und heben an zu singen. Er
mit rauh röchelnder Stimme, sie mit grellem Diskant, in der Melodie
gleichmäßig beide steigend und fallend, als ob es eine einzige
Stimme wäre, aber geteilt in einen dicken Strick und einen dünnen
Faden. Stadtleute, wenn ihrer dagewesen wären, würden sich die
Zunge wund gebissen, oder ganz ungezogen aufgebrüllt haben. Mir
ist nicht ums Lachen gewesen, dieses schlechte Singen voller
Gläubigkeit und Innigkeit ist mir nicht bloß durch Mark und Bein, ist
mir auch ins Herz gegangen. Besonders als schließlich die ganze
Gemeinde mit einstimmte zu einem feierlichen Trauerchore. Die
Melodie, ein getragenes Moll, so war mir, mußte ich schon gehört
haben in längst vergangenen Tagen, vielleicht zur Zeit der
Nibelungen, vielleicht bei einem Odinsfeste unter germanischen
Eichen. Den Text hatte seither das Christentum dazugegeben und
die Wehmut der neue Mensch. Die Worte kann ich dir mitteilen, aber
sie haben keine Seele, wenn diese Töne des zum Himmel gehobenen
Weinens, des heldenhaften Hoffens fehlen.
Am Grabe meines Adams haben sie seiner Seele also
nachgesungen.
„Fahr hin, o Seel, zu deinem Gott,
Der dich aus nichts gestaltet,
Der dich erlöst durch seinen Tod,
Den Himmel offen haltet.
Fahr hin zu dem, der in der Tauf’
Die Unschuld dir gegeben,
Er nehme dich barmherzig auf
In jenes bessere Leben.“ —

Und zum Abschiede:

„Wenn durch des letzten Tages Flamm’


Die Welt zu Grund’ wird gehen,
So bitte Gott, daß wir beisamm’
Zu seiner Rechten stehen.“

Kannst du dir vorstellen, daß diese Menschen, die unsere


Zeitgenossen des fin de siècle sind, fest an die Auferstehung von
den Toten glauben? Was sage ich, glauben! Überzeugt sind sie
davon. Durchaus selbstverständlich ist es ihnen, so sicher und
natürlich, wie daß auf die Nacht der Tag folgt. So über alles Wort
sicher ist es ihnen, daß die Toten, die sie auf ihrem Friedhofe
bestatten, und sie selbst mit ihnen, am jüngsten Tage, von der Engel
Posaunenruf geweckt, auferstehen werden. Auferstehen mit ihrem
irdischen Leibe und in dem Gewande, mit dem sie ins Grab gelegt
worden, aus der Erde hervorsteigen, lebendig, die alte Seele mit
demselben verjüngten Körper vereint zum ewigen Leben. — Und sie,
die das alles wissen, sind es doch selber, die nach so und so viel
Jahren die alten Gräber öffnen, die Gebeine zerstreuen, der Natur
unmittelbar zuschauen bei ihrem gründlichen Zerstören, Umwandeln
und Erneuern. — Sie setzen zu den bekannten Naturkräften nur
noch die Allmacht und sind im Reinen.
Ist das nicht schauerlich groß? Hat die Phantasie, geschweige die
Vernunft, für unser lebendurstiges Herz je etwas ähnlich
Aufrichtendes geschaffen? Darum hörst du sie auch nicht in
Verzweiflung schreien an ihren dunklen Gräbern, siehst sie nicht
unter der Überwucht des Schmerzes ohnmächtig zusammensinken,
die Hinterbliebenen. Nach einer kleinen Weile ist ja das Wiedersehn,
das bessere Leben da. — „Vom Baume kam der Tod, vom Kreuze das
Leben.“ Dieser Spruch steht über dem Eingange des Kirchhofes zu
Hoisendorf. —
Übrigens hatte ich nicht lange Zeit, solchen Gedanken
nachzuhängen. Schon während des Schaufelns fiel mir auf, daß
zwischen den Hecken des Kirchhofszaunes etwas funkelte. Ein ganz
unheimliches Funkeln. Mein Valentin steht unter dem Flieder und
schaut hinab in die Grube, die sich über dem weißen Sarge immer
mehr mit Erde füllt.
Nach der Bestattung stieg der Kulmbock auf einen Betschemel,
erhob die Stimme und hielt folgende Anrede:
„Dieweil wir jetzo unsern christlichen Mitbruder zur Erden
gebracht haben, sage ich im Namen seiner Hinterbliebenen allen
Anwesenden ein Vergelt’sgott, daß sie mitgegangen sind und für die
arme Seele gebetet haben. Und wer Lust hat, laßt die Familie sagen,
der soll sich jetzo zum Kirchenwirt begeben auf ein einfaches
Totenmahl, auf daß die Trauer in Freude verwandelt werde. Gelobt
sei Jesus Christus.“
„Reden kann er!“ nickten sich die Leute zu. „Gut kann er reden.
Und heut’ schon gar, daß er so viel schön geredet hat. Eigens was er
zuletzt gesagt hat.“
Ich habe von den Freuden, in welche die Trauer verwandelt
werden sollte, nicht viel wahrgenommen. Wie die Leute sich jetzt
verlaufen, treten zum Kirchhofsthore rasch zwei Gendarmen herein.
Der Valentin sieht sie, stößt einen heiseren Schrei aus, will nach
rechts, will nach links davon, thut’s aber nicht, sondern springt hinab
in das noch halb offene Grab. Tiefer möchte er sich hineinwühlen mit
beiden Händen in die lockere Erde, um den Häschern zu
entkommen, die ihn in die Kaserne schleppen wollen, ins Stockhaus
und wer weiß zu was noch Schlimmerem. Zusammengekauert in der
Grube rang er die Hände zu uns herauf: „Erden, Erden auf mich, daß
sie mich nit finden!“ — Aber sie standen schon da und begrenzten
den Grabrand mit ihren Bajonetten. Der Lehrer und ich haben keine
geringe Mühe gehabt, den wahnwitzigen Burschen aus dem Grabe
herauszubringen. Einer der Gendarmen machte eine schrecklich
wilde Miene und rief: „Na wird’s? Vorwärts jetzt, marsch!“ Aber der
harsche Ton dieses Kommandos mißlang, er fiel zu unsicher, zu
biegsam aus, so daß der Mann sich weiter keine Mühe gab, sondern
gutmütig beisetzte: „Seien sie nicht kindisch, Weiler!“
Er hat sich dann ohne weiteres ergeben. Seine Mutter und der
Franzel sind starr dagestanden vor Schreck.
Sage ich zu den Gendarmen: „Die Herren werden doch etwas
Mittag halten wollen, im Wirtshaus.“
Damit waren sie einverstanden.
Während die Leute das Totenmahl, Brot und Apfelwein, sich
munden ließen, wobei die Einen in eine rührselige, die Anderen in
eine übermütige Stimmung gerieten, saßen die Landwächter in der
Nebenstube am wohlbesetzten Tisch und der Valentin mit den
kreuzweise geschlossenen Armen lehnte daneben in der Wandecke
und starrte stumpf vor sich hin. Wir hofften insgeheim noch etwas

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