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KOLB, Georg Friedrich - Das Leben Friedrichs Des Einzigen - 1828

Das Dokument behandelt die gesellschaftlichen und politischen Zustände im 18. Jahrhundert, insbesondere unter der Herrschaft Friedrichs des Einzigen. Es wird auf die Unterdrückung von Wissen, die Unfähigkeit der Gelehrten, die Gesellschaft zu bilden, sowie die Grausamkeit der Gesetzgebung und die Macht der Despoten eingegangen. Die allgemeine Unwissenheit und der Aberglaube werden als Hindernisse für Fortschritt und Vernunft dargestellt.

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KOLB, Georg Friedrich - Das Leben Friedrichs Des Einzigen - 1828

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Das Leben

Friedrich des Einzigen.

Schmi
C. dt
Bon

Georg Friedrich Kolb.

UNIVERSITY of CALIFORNIA

Verk ündigeret verkündiget , badarf des


Mas
micht: Es ist von ihm , gleich
den Körpern der Hümmelskab , nachgewie-
fen : hier bewegte sich eine Sonne ; die
Ruckehr ist nicht zu berechnen .
Schorch.

Speyer , 18 28.
In der I. E. Kolb'schen Buchhandlung.

109014
Der Neid führt stets Label auf, zum Glück für den
Getadelten. Die Ohnmacht bewaffnet sich , der Stärke
gegenüber , mit Waffen der Lästerung . Aber widerlegte
Låsterung ist der größte Triumph der Tugend. ...Cs
ist so, und die Geschichte beglaubigt es : große Menschen
werden nicht gerne gefuldet. Die Gewohnheit will
ihre Ruhe haben , und die größte Armuth hat für die
Zukunft die kleinsten Sorgen. Sie mag gar nicht
erschüttert und bewegt werden, weil sie sich arm gefällt.
Schorch.

COLOMA CO
M.
R.
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DD
.192que

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K8Bl

41-4

Blid

auf die Wirkungen der Regierung


Friedrich des Einzigen ,
besonders hinsichtlich der Auff'ärung und der
Ausbildung seines Jahrhunderts.
(Als Vorrede.)

Unter Finsterniß und Graus begann das


achtzehnte Jahrhundert. Daß das Mittel
alter jenes Paradies des Despotismus
und seiner Folgen , der Unwissenheit , des
Wahnes und der Beschränktheit in Bernunft
und Denken -- vorüber sey , war in mancher
Beziehung kaum zu bemerken. Drückend lastete
die Nacht des religiösen und politischen Abers
glaubens aufdem ganzen Continente Europa's.
Man sah Gespenster , verbrannte Heren , und,
um in einem anderen Lebeu die Hölle zu vers
meiden , schuf man sich dieselbe in diesem.
Frankreich zwar hatte manchen glänzenden
Namen aufzuweisen ; aber noch waren Künste
und Wissenschaften blos im Besize von Ein-
zelnen , nicht Gemeingut der unterdrückten

IV

Nation. Zudem wurden jene Männer höchstens


geduldet; Voltaire, St. Cremond , die beiden
Rousseau, Marmontel , Morellet und Diderot
wurden sämmtlich , einige sogar verschiedene
Mal , in die Bastille oder nach Vincennes
geschleppt, Bayle entging ohne Zweifel nur
durch die Entfernung aus seinem Vaterlande
einem ähnlichen Schicksal, und wie die Juſtiz
noch in späterer Zeit hier verwaltet wurde,
beweist das abscheuliche, empörende Verfah
ren gegen Calas , der , ein acht und sechszig-
jähriger Greis , unschuldig , als angeblicher
Mörder seines Sohnes , gerådert ward!
Die Teutschen , ein Repertorium euro.
päischer Kenntnisse , aber der Freyheit zu dens
fen beraubt , und daher ungeübt in eigenem
Urtheile , begannen bald , ein Nachbild der
Fremden zu werden. Bis zu einer allgemei
nen Verachtung beynah' war in Teutschland
die Gelehrsamkeit herabgesunken. Die Univers
sitäten hatten die alte Mönchverfassung , und
für Erziehung und Unterricht geschah überaus
wenig, und dies Wenige fast immer planlos,
daher ohne Erfolg . In den lateiniſchen Schus
len hielt man es für die höchste Vollkommens
heit , wenn die Auffäße der Zöglinge ohne'
grammatikalischen Fehler geliefert wurden ;
auf schöne Ideen aber , auf Feinheit und Nets
tigkeit des Ausdrucks und der Schreibart, ward
keine Rücksicht genommen, wodurch ein Mönchs
latein entstand, und woher es kam , daß man
ein Gelehrter heißen , und in allen jenen
V

Kenntnissen höchst unwissend seyn konnte,


welche dem Menschen und dem Staatsbürger
nach seinen mannigfaltigen Verhältnissen fast
unentbehrlich sind. Anstalten zur Bildung
von Künstlern , Geschäftleuten und allen An-
deren , welche nicht zu Gelehrten bestimmt
waren , fehlte es gänzlich.
" Die Gelehrten , " sagt Gebhard *) ,
,,lebten von den übrigen Ständen abgeson
dert, und da sie beynah' blos in der lateini-
schen (Mönch ) Sprache schrieben , so blieben
ihre Entdeckungen und Einsichten größtentheils
den Nichtgelehrten verborgen. Es fehlte noch
sehr an populären Schriftstellern und Jour
nalen in teutscher Sprache , welche die Er-
findungen und Ideen der Gelehrten und der
Künstler in einer leichten, angenehmen Schreib-
art verbreiten halfen. Die Gelehrsamkeit selbst
artete oft in oberflächliche Vielwisserey, in
leere und -unnüße Spekulationen , oder in
Schulgezänke und bittere Streitigkeiten aus,
wodurch sich die Universitätlehrer, Schullehrer
und Prediger der verschiedenen Religionpars
tehen besonders auszeichneten. Der Philosoph
dürfte es nicht wagen , theologische Lehrsäge
zu bestreiten , sondern mußte seine Philosophie
der Theologie anzupassen suchen ; der Philologe

*) ,,Ueber den Einfluß Friedrich des Zweyten auf


die Aufklärung und Ausbildung feines Jahrhuns
derts. Eine gekrönte Preisschrift von Johann
Georg Gebhard." -
VI

durfte nicht eine Beweisstelle der Schrift an-


ders erklären, als sie in der Theologie erklärt
worden war ; selbst der Geschichtschreiber
mußte auf das kirchliche , System Rücksicht
nehmen. Die Schriften eines Bayle , Vol.
taire , und größtentheils auch die eines Leib-
nih, waren , so wie die Dichter und Redner
aus dem Zeitalter Ludwig des XIV. , in frans
zösischer Sprache geschrieben , und da dieselbe
damals blos an den Höfen und von den Gross
sen gesprochen und verstanden wurde , so blie-
ben sie von dem größten Theile der Gelehrten
und Nichtgelehrten , wie beynah' alle englis
schen Schriften, ungelesen." Thomasius,
jener Verehrungwürdige , der so Vieles zur
Abschaffung der Herenprozesse , der Folter
und anderer schädlicher und schändlicher Miß-
bräuche that , war der erste teutsche Universität-
Gelehrte , welcher seine Muttersprache beh
dem gelehrten Vortrag anwendete *) . Aber so
Viele standen wider ihn auf, daß er sein
Vaterland verlassen mußte , indem seine Feinde
schon einen Verhaftbefehl gegen ihn zu Dress
den ausgewirkt hatten. - Wolf, jener große
Philosophy, mußte sogar,,,bey Strafe des
Stranges", seinen Aufenthaltort (Halle) in-
nerhalb 24 Stunden verlassen ; und dies, weil
er zu denken gewagt **) !

*) 3um großen Erstaunen seiner Collegen schrieb er


1688 ein teutsches Programm.
**) Man s. das gegenwärt. Bändchen, S. 108 u, 109,
VII

Die Gesetzgebung und Rechtspflege , sonst


eine starke_Triebfeder der Volkbildung , war
in einem sehr elenden Zustande. Der Rechts
gang, mit so vielen unnüßen Formalitäten
überhäuft , war so schwerfällig und langsam,
daß ein Rechtstreit oft Jahre lang, und wenn
die Sache wichtig und verwickelt war , wol
gar ein halbes Jahrhundert danerte , und sich
oft damit endigte , daß beide streitende Par
teyen dadurch arm geworden waren . Die
Gesetze, zum Theil noch die alten römischen
oder die alten teutschen , waren auf den ges
genwärtigen Zustand der Dinge oft kaum ans
wendbar , oder schränkten doch die natürliche
Freyheit des Menschen zu sehr ein. Aberglaube,
Schwärmerey und Intoleranz , welchen eine
zweckmäßige Gesetzgebung entgegen arbeiten
muß , würden oft sogar durch die Landesge-
sehe unterstüßt. Die Großen, der Adel, und, «
besonders in katholischen Ländern , auch die
Geistlichen , wußten mehr als ein Mittel, sich
den Gesezen zu entziehen, oder auch den Rechts
gang zu ihrem Vortheil zu leiten, zur Beein
trächtigung des Bürgers und des Bauers. Da
die Geseze sich bisweilen auf theologische Meis
nungen gründeten , z . B. die wider die Got-
teslästerung , den Kirchenraub , oder das die
Kirchenbuße betreffend ; oder auch auf politi-
sche Meinungen , z. B. das wider den Hoch-
verrath in der weiten Ausdehnung , die man
ihm damals gab ; oder zum Theil auf Volks
vorurtheile , z. B. Chebruch , so waren sie oft
VIII

viel zu hart, und also ungerecht. Ueberhaupt


aber waren die Strafen eines jeden Verbre
chens eher grausam , als mild. Bey einer
folchen Beschaffenheit der Gesezgebung mußte
das moralische Gefühl des Volks , welches
dadurch hätte berichtigt werden føllen , viels
mehr verstimmt und mißgeleitet werden.
In der protestantischen Kirche wurde, wie
in der katholischen, streng auf die alte Lehr-
form und die festgesezten Lehrmeinungen ges
halten, und ein Jeder für einen Kezer erklärt,
verfolgt, und , wenn es ein Lehrer war , seis
· nes Amtes entseßt , welcher nur im Geringsten
davon abwich . Was die Bullen der Päpste
und die Concilienschlüsse den Katholiken waren,
das waren die Lehrsäße Luther's und Calvin's,
die augsburg'sche Confession und die Concors
dienformel 2c. den Protestanten , Glaubenvors
ſchriften für die Layen und Lehrvorschriften
für die Lehrer. Der Glaube wurde von den
meisten Theologen jener Zeiten für deſto ſelig-
machender gehalten , je blinder er war. Und
weil die Vernunft in Glaubensachen , nach
dem allgemeinen Urtheil, durchaus nicht ges
braucht werden sollte , so råchte sie sich nun
auch an ihren Verächtern auf die auffallendste
Art durch die sonderbarsten und unbegreiflich-
sten Lehrmeinungen , welche für Gotteswort
und für Christenthum ausgegeben und Jeders
mann aufgedrungen wurden *).-

*) Gebhard a. a. D.
IX

Die Bücher- Censur wachte mit großer


Strenge über die alten Meinungen und Lehrs
formen , steuerte allen Neuerungen , und strich
selbst in philosophischen und wissenschaftlichen
Schriften einen jeden Gedanken weg , der ets
was abwich.
Es gab keinen Hof, wenigstens in Teutsch,
land , der nicht voll Hofnarren war ; die
Plumpheit ihrer Spässe ergößte die Unwissen,
heit der Gäste, und man hörte Aberwih an,
weil man selbst nichts Vernünftiges zu sagen
wußte *).
-Zermalmender, als damals, bedrückten
zudem wol uie Despoten im Norden und Sü-
den Europa's gleichzeitig die Menschheit. In
Rußland Peter der I. , der erlauchte Barbar,
,,dessen Genius mit Ungestùm Großes und
Ungeheueres ohne Auswahl umſchlang , dem zu
Erreichung seines Zwecks kein Mittel zu unmo,
raliſch, zu niedrig oder zu schrecklich war **)“ ,
der, das russische Volk aus seiner Wildheit
zu reißen, die roheste Art anwendete , und
der es endlich, mit einem Worte, durch Bar-
barey civilisiren wollte ; neben ihm
in Schweden , Karl der XII , welcher, durch
die Schändlichkeit der benachbarten Fürsten
anfangs zum Kriege gezwungen , nunmehr,
begünstigt durch seinen , nur allzuoft in Tolls

* Friedrich der Einzige , in seinen sämmtlichen


Werten.
**) Posselt.
X

tühnheit ausartenden , Muth , sein militari


sches Genie , und das wandelbare Glùc, auf
einer verzweifelten Bahn , jener des Eroberers,
fortzog , welcher keinen andern Zweck mehr
kannte, als die Vernichtung seiner Feinde, und
welcher die Menschheit eben so wenig achtete,
als sein eigenes Leben ; --— im Süden Lud-
mig der XIV. , zwar weniger roh , als die
beiden Herrscher des Nordens , aber dessen un
geachtet ein noch weit verabscheuung würdiger
Tyrann , als sie , der, feig von Natur, durch
seine Kriege ein ganzes Geschlechtalter ver
tilgte *), und dessen Verschwendung keine Grån-
zen kannte, wärend ein Theil der Nation vor
Hunger umfam.
Diese drey Völkerdränger thaten Alles,
was den Menschengeist in seinem Ausflug hems
men mußte ; durch sie flammte hier der vierzehn .
jährige spanische Erbfolgekrieg , dort der zwey
und zwanzigjährige nordische auf. Sie glaube
ten, oder handelten doch so, als wäre die Erde
durchaus zu keiner andern Absicht da , als der
Tummelplaß ihrer Mordlust und Ruhmsucht
zu seyn. Es war, buchstäblich genommen, ein
eisernes Zeitalter ." (Posselt. )

*) Als Ludwig der XIV. starb, waren Männer von


35 bis 45 Jahren selten ; die Kriege hatten die
Blüthe der franzöſiſchen Jugend aufgezehrt ! ( Man
sebe meine ,,Kleine Schriften , politischen und ge.
schichtlichen Inhalts“ (Speyer, 1826), S. 205 bis
217, worin die angebliche Größe dieses Königs in
ihrer Bidse und Abscheulichkeit dargestellt wird.)
XI

Blicken wir weiter umber unter den Res


genten der damaligen Zeit , so sehen wir auf
dem teutschen Kaiserthrone den höchst mittek
mäßigen Karl den VI. , in Spanien den wahn
sinnigen Philipp den V. , in Dänemark den
frömmelnden Christian den V. , in Polen den
wollustigen , verschwenderischen August den II.,
und in Preußen selbst , wenn es je hier in
Betracht kommen kann , den prunkliebenden
Friedrich den I. ―― Von diesen Fürsten herab,
die über das Loos von Millionen entschieden,
bis zu dem kleinsten Edelmanne, der in einem
elenden Dörfchen gebot, vergeudeten Alle, mit
wenigen Ausnahmen , ohne Bedenken Leben,
Blut und habe ihrer Völker. Keine Gerech
tigkeit gab es für diese Unterdrückten , keine
Gerichtstelle , die ihre Klagen gehört , keine
Macht, die ihrem unterdrückten Recht Achtung
zu verschaffen vermocht hätte ; überall beynab
mußte den Vorurtheilen die Vernunft , citeln
Erinnerungen die Wahrheit , und Privilegien
das Recht weichen. Über das Geschick der
Nationen geboten hier die veränderlichen Lau
nen von Günſtlingen, und die schreckliche Will-
für von Mönchen und Beichtvåtern , dort der
furchtbare Eigensinn der Höflinge und die
schändliche Rachegier feiler Buhlerinnen. Nicht
zufrieden, die Völker aller Früchte ihres Fleißes
beraubt zu haben, nöthigte man sie sogar, ihr
Blut zu vergießen , ferne von dem heimath-
lichen Boden, für fremdes Interesse , bald um
elende Günstlinge in ihrer Macht zu erhalten,
XII

bald um die Cassen schändlicher Menschen zu


füllen , die durch Liederlichkeit jeder Art ges
leert worden waren *) .
In dieser Lage, und unter solchen Vers
hältnissen , verflossen die vier ersten Decennien
des achtzehnten Jahrhunderts , und wahrlich,
wenig genug war von den sechs noch kommen-
den zu erwarten. Langsam ohnehin verbreitet
sich das wohlthätige, edle Licht der Aufklärung,
und so schien denn freylich im glücklichsten
Falle nicht mehr erwartet werden zu dürfen,
als daß der Rest dieses Jahrhunderts dem
neunzehnten allenfalls vorarbeiten , und die
Menschheit eine höhere Stufe , als die dama
lige, zu besteigen fähig machen könne. Doch
bald schlug ein Mann die Zweifel der Zagen
den nieder , und in kurzer Zeit wurden selbst
die fühnsten Erwartungen der für das Besser.
werden Eifernden weit übertroffen.
Ein Jüngling , schwer geneckt von dem

*) Man erinnere fich, wie durch des elenden Minio


sters ouvois Kunst ein furchtbarer Krieg über
Frankreich gebracht ward, weil er, wegen der un-
passenden Anlegung eines Fensters in einem neuen
Gebäude von seinem Könige (Ludwig dem XIV.)
rauh angeredet , nur dann in seiner Macht sicher
seyn zu können glaubte, wenn er dem Monarchen
eine Beschäftigung gåbe, durch Krieg ; - man er
innere sich ferner , wie Fürsten ihr Militår nach
fernen Gegenden und Erdtheilen verkauften , um
auf diese Art wieder Mittel zu neuen Verschwens
dungen zu erlangen !
XIII

Schicksale, und ist stiller Einsamkeit unter den


Denkmalen des Alterthums aufgewachsen, hatte
den, als höchst unbedeutend geachteten, preus-
sischen Thron bestiegen. Bey weitem minder
groß durch die ihm von dem Zufalle der Ges
burt zu Theil gewordene Würde , als durch
das mit eigener Kraft in sich zur Ausbildung
gebrachte Genie , wußte Friedrich der II.,
unter Despotismus , Pedanterey und Aber
glauben erzogen , sich gerade zu den diesen
Fehlern entgegengesetzten Lugenden zu wens
den. - Hierdurch, und durch das , zu was
ihn eine solche Selbstbildung fähig machte,
und was er - - gleich groß in der Ausführung,
wie im Entwurfe auf seinem Thron und
an der Spiße seines Heeres vollführte , war
er ohne Vergleich der Erste seines Zeitalters,
ja der Einzige. Durch angeborene Geistess
-
kraft bey all' jenem begünstigt durch eine
Geisteskraft, die außer dem Römer Julius
Casar kein Sterblicher , von dem die Ges
schichte bis dahin erzählt , in gleichem Grade
besaß
- übertraf Friedrich in Kurzem ohne
Vergleich alle seine, aus dem kräftigen Alters
thume gewählten, Muster. ,,Hier steht ein
Held vor uns, der zugleich das Wort und die
That verwaltet hat , und dessen Erscheinen sich
dadurch wesentlich von dem der anderen Hel
den unterscheidet. Andere Heroen der Welts
geschichte vollführten die That des Weltgeistes,
so sehr in ihn versenkt , daß er ihnen nicht
Zweck und gewußter Gegenstand wurde , sie
Friedrich d. Einz, I. 0
XIV

handelten nur in der allgemeinen Gewißheit,


das Wahrhafte auszuführen. Friedrich aber
hat vor den andern großen Völkerfürsten dies
voraus , daß er mit höherem Bewußtseyn im
Dienste des Weltgeistes schafft , er macht das
Wesen und die unsichtbaren Gewalten dieser
Schöpfung , die Gedanken , zum Gegenstande
seines Nachdenkens , er war der Philosoph
auf dem Throne." So Förster, und wol
schwerlich könnte in dieser Beziehung selbst
Napoleon mit dem großen , dem einzigen
Friedrich auch nur entfernt in Vergleich
kommen. (Wir behalten uns vor, in dem letz
ten Bändchen der gegenwärtigen Schrift, zei-
gend , was er in dieser Beziehung war , ihn
als Philosoph zu schilderu und darzustellen.)
Einzeln aufzuzahlen, was Friedrich zur
Aufklärung und zur Ausbildung seines Jahre
hunderts gethan, würde bey Weitem den ges
genwärtigen Raum überschreiten , und wir
müssen uns daher darauf beschränken, auf die
Wirkungen hinzuweisen , die Er veranlaßt,
welche Darstellung dann , verglichen mit der
oben gegebenen Schilderung des geistigen Zus
standes der Nationen in der ersten Hälfte seis
nes Jahrhunderts , den sprechendsten Beweis
dessen geben wird, was die Civiliſation ihm
verdankt.
Sein Einfluß auf die Menschheit , allge
mein und unübersehbar , glich dem des uners
meßlichen Glanzkörpers , welcher der Erde
Licht, Wärme und Leben gibt. - Doch lassen
XV

wir Gebhard sprechen. ,,Er wirkte durch


alle Stände und Klassen auf alle Stände und
Klaſſen der Menschen , durch alle Triebfedera
und Hilfmittel der Aufklärung und Geistes
bildung auf alle Triebfedern und Hilfmittel;
nur mußte auch hier das Land , welches der
" Sonne
näher lag , mehr ihr Licht und ihre
Wärme empfinden .
,,Die Landesregenten, Staatsmänner und
Großen fingen nach dem Jahre 1740 an , so
manche schädlichen Vorurtheile abzulegen und
einſichtvoller zu werden . So klein ihre Zahl
auch zuerst war , so ward sie doch nach und
nach größer. Die Staatwirthschaft ward mehr
nach Grundsägen verwaltet, und zu einer Art
von Wissenschaft erhoben. Man ward weit
vorsichtiger in den Masregeln , welche man
zur Beförderung des allgemeinen Wohls, das
nun mit dem Wohle des Regenten eins ward,
ergriff, um nicht den so wohlthätigen Staat
Mechanismus zu stören , und zwar einen ges
ringeren Vortheil im Einzelnen , aber einen
desto größeren Nachtheil im Ganzen zu stiften.
Man ließ das Råderwerk der Staatmaschine
mehr seinen gewöhnten Gang gehen, und sorgte
nur dafür , daß es leichter und sicherer ging.
Ein großer Theil der Landesfürsten ahnete erst
dunkel, und überzeugte sich hernach klarer, -daß
Denk und Gewissenfreyheit das unverleßbare
Eigenthum eines jeden Menschen sey, daß dem
Staate dadurch nicht geſchadet , sondern viel-
mehr sein Wohlstand dadurch blühender , das
XVI

Scepter des Regenten allgemein verehrter und


mächtiger, und der Thron sicherer werde. Man
gab also die verderblichen Grundsäge der Ins
toleranz und des Verfolgunggeistes gegen Ans
dersdenkende, und von den Lehrsäßen der Lan-
desreligion Abweichende , nach und nach auf,
und glaubte am besten zu thun, das, was ein
Jeder dachte und glaubte , auf seine Gefahr
seinem Gewissen und seiner Verantwortung zut
überlassen. Daß Concilien- und Synodens
schlüsse , Concordienformeln u. s. w. dadurch
ihre Kraft verlieren mußten, ist für sich klar.
Man ging aber noch weiter , man ward hier
und dort ſogar tolerant gegen alle Arten von
Meinungen und Äußerungen (die politischen
ausgenommen) in gelehrten und populären
Schriften, so auffallend sie auch waren . Das
hatte nun zwar die Folge, daß auch die thō-
rigsten und abgeschmacktesten Behauptungen
aus ihrer Verborgenheit hervortraten , welche
bisher das Tageslicht gescheuet , und gerade
wegen des geheimnißvollen Dunkels , worin'
man sie zu hüllen zum Theil gezwungen war,
eine große Anzahl Verehrer gefunden hatten.
Aber es hatte auch den großen Nußen , daß
nun die gewagten Meinungen strenger unters
sucht, gehörig in's Licht gestellt und richtiger
beurtheilt wurden.
,,Diese rühmliche Toleranz war zwar vor-
züglich das Eigenthum protestantischer Fürsten,
aber nach und nach verbreitete sich doch auch ein
schwacher Schimmer davon über die katholischen.
XVII

Der Verfolgungsgeist und der Fanatismus ,


welcher sonst gegen die Keßer (wie man alle
in der Religion auch nur im mindesten An-
dersdenkende nannte) so grausam gewüthet,
und Tausende aus ihrem Vaterlande vertrie-
ben , oder ihnen die Freyheit , oder das Leben,
geraubt hatte , ward etwas fålter ; das Bluts
gerüste, der Scheiterhaufen und der lebens-
Tangen Einkerkerungen unglücklicher Menschen,
welche oft mit aller Mühe, die sie sich gaben,
doch nicht glauben konnten , was die Kirche
glaubt, wurden weniger. Der Jesuitenorden,
diese Leibwache der päpstlichen Hierarchie, diese
Stüße des Aberglaubens, dieser Zerstörer der
edelsten moralischen Grundsäße, dieser beynah'
Alleinherrscher über die Gewissen der katholis
--
schen Fürsten — ward endlich aufgehoben. Und
wenn er gleich heimlich noch fortdauerte, so
hatte er doch einen großen Theil seiner Macht
und seines Wirkungkreises verloren , oder er
war schlau genug , sich der herrschend gewors
denen Denkart des Zeitalters anzuschmiegen.
,,Die Büchercensur war bisher streng und
drückend für den Schriftsteller gewesen ; die
Wahrheit war also oft verborgen , und der
Aberglaube und das schädliche Vorurtheil herr-
schend geblieben. Sie ward nun hier und
dort , besonders in proteſtantiſchen Ländern,
milder und schonender, und verstattete mehr
Freyheit im Denken und Schreiben. Mehre
Landesregenten und Großen verachteten nicht
mehr, wie zuvor, den Bürger und den Bauer,
XVIII

weil sie den Werth , besonders des leßteren,


besserschäßen gelernt hatten. Sie erleichterten
ihm also manche Last , von den vielen , die
ihn drückten , und der Adel folgte bisweilen
rühmlich ihrem Beyspiele nach . Das Militär,
das den Staat beschüßen, aber keinen drücken,
die öffentliche Ruhe und Sicherheit erhalten,
aber nicht selbst stören soll, ward in seine Gren-
zen zurückgewiesen. Die mancherley Stånde
und Klassen der Menschen kamen dadurch ge-
wissermaßen einander näher , und es entstand
ein Tausch von Kenntnissen , Einsichten und
Gefühlen , der überaus nüßlich war. Adels,
Bürger , Bauer- und Soldatenstolz , Verach-
tung und Bedrückung auf der einen, und Unzus
friedenheit, Neid und Schmähſucht auf der an-
dern Seite, regten sich weniger , obgleich die
lesteren am Ende dieses Jahrhunderts wieder
neue Nahrung bekamen .
n Eben darum hat nun auch Friedrich der
Il. so viel gewirkt. Er hat zwar alles zuvor
Erwähnte nicht allein zu Stande gebracht ;
er war aber doch die Haupttriebfeder von dem
allen. Wer einen prächtigen Tempel bauen will,
hat nicht nöthig, eine jede Taglöhnerarbeit selbst
zu verrichten. Er darf nur mit Verstand und
Geschmack den Grundriß entwerfen , geschickte
Arbeiter anstellen , oft nachsehen, wie weit der .
Bau ist , und ihn selbst leiten , und das Werk
wird glücklich von Statten gehen. Eben so ist
es auch mit dem allgemeinen Lempel der Wahr-
heit, der Tugend und der Glückseligkeit.
XIX

,,Friedrich war der aufgeklärteste , ein-


sichtvollste und dabey angeſchenste Regent ſeiner
Zeit. Man kann in den Jahrbüchern der Ger
schichte mehre glänzende Namen derselben fin
den , aber keinen , der vorurtheilfreier auf das
Wohl der Menschen , und besonders seiner
Staatsbürger, aufmerksamer gewesen, und da-
rin allen übrigen ein größeres Beyspiel gegeben
hätte. Wenn in diesem Jahrhundert die Staat-
wirthschaft in allen ihren Zweigen nach richti
geren Grundsäßen verwaltet wurde, so war er,
wo nicht der Einzige und der Erste , doch der
Vorzüglichste , der sich dadurch auszeichnete ;
oder er trat vielmehr hierin in die Fußtapfen
ſeines großen Vaters, der unbemerkt geblieben.
war. Wenn sie sogar zur Wissenschaft erhoben,
und auch als Wissenschaft bearbeitet wurde , fo
daß Laune und Willkür weniger Theil daran
hatten, so gab er allein Gelegenheit dazu Seine
Beharrlichkeit bey den einmal mit Überlegung
getroffenen Masregeln, auch alsdann, wenn sie
der Absicht nicht entsprachen, schien Eigensinn zu
ſeyn. Sie war es aber nicht, weil die Staatma-
schine, auch selbst bey einer etwas fehlerhaften
Einrichtung im Einzelnen, doch im Ganzen in
ihrem richtigen Gange blieb, und dadurch das ..
Fehlerhafte wenig nachtheilig wurde. Wenn die
schweren Fesseln, welche Concilienschlüsse, Sys
noden und Concordienformeln dem menschlichen.
Geiste angelegt hatten, nach und nach zerbros
chen wurden, war er nicht der Erste und Ange-
ſehenste, der sie zerbrach? Muß man ihn nicht
2
XX

mit Recht als den Schöpfer der vernünftigeren,


menschenfreundlicheren Gemüthstimmung , der
beynah' allgemeinen Toleranz betrachten, deren
wir uns jest erfreuen ? Wenigstens ist es nicht
seine Schuld , daß sie noch nicht überall und
ganz das ist , was sie seyn sollte.
,,Wer war nachsichtvoller gegen die son
derbarsten und gefährlichst scheinenden Meinun
gen beynah' aller Art , so lange sie blose Meis
nungen waren, als der, welcher bey Erblickung
Der Zueignungsschrift des la Metrie, vor der
Chartefe l'Homme machine, blos sagte : „ Er
hätte mir wol etwas Besseres zueignen können ?"
Wer verstattete der Preſſe eine größere Freyheit,
selbst alsdann , wenn sie in Zügellosigkeit über-
ging , als der , welcher alle Heterodorien und
Paradorien zu drucken erlaubte, fein Vie pri-
vée du Roi de Prusse zu verkaufen verbot *),
und die in Leidenschaft getauchte Feder eines
Cranz blos einer milden Censur unterwarf?

,,Es ist kein gefährlicherer Ukt des Despotismus je


gewesen, es ist kein schlüpfrigerer Punkt für jede
Regierung, in Despotismus anszuarten , als die
Bestrafung derjenigen Beleidigungen , welche die
Ebre des Regenten angreifen. Je weniger bier
genau die strafbaren Verbrechen definirt werden,
desto willkürlicher kann der Despot verfahren ; und
je mehr der Zorn des Menschen mit den Gefeßen
hierbey übereinzustimmen scheint, je leichter können
diese zur Grausamkeit gemißbraucht werden .
Daher stellt Tacitus die Ausdehnung oder die Eins
fchränkung der Liste der Vergehungen, die von den
1 erſten römiſchen Kaifern unter die MajeſtåtveSS
XXI

„Noch im Zeitalter Ludwig des XIV. ward


nur der Mann von Familie , und oft nur der
Höfling geschätzt. Man verachtete Menschens
würde , Menschenrechte und Menschenleben .
Eine seiner Beyschläferinnen , die stolz und
schnell über den Körper cines Menschen hinfuhr,
glaubte mit einigen Goldstücken, welche sie, mit
Unwillen über die Verzögerung , hinwarf, das
Leben dieses Verunglückten theuer genug bezahlt
--
zu haben. Jeßt denkt man anders — aber wem
gebührt die Ehre, die Fürsten und Großen übers
zeugt zu haben , daß sie Menschen sind ? Wie
ångstlich besorgt war nicht Preußens großer
König, wenn es darauf ankam, das Leben eines
Menschen zu erhalten ? Wie bot er nicht in dem
verderblichsten seiner Kriege ſeine ganze Erfin
dungkraft auf, um nur Menschen zu schonen ?
Mit welcher Bewegung der Seele wandte er
nicht auf seinen Schlachtfeldern die Augen von
dem aufgethürmten Leichenhaufen derer weg,

brechen gerechnet wurden , als das Barometer von


dem Grade der Freyheit oder dër Knechtſchaft vor,
welche jeder Regierung eigen war. -A Es ist also
schon ein günstiges Zeichen von dem Geiste d . 8 Res
genten, es schneidet die Veranlassung zu den will ,
kürlichsten Unwendungen der Gewalt, zu den leis
denschaftlichsten und also unregelmäßigsten Bestras
fungen ab , wenn nur Ungehorsam und thåtliche
Wicersehung bestraft, die Unbesonnenheit der Rede
und die Ausgelaſſenheit der Zunge übersehen wird.“
(Garve , Fragmente zur Schilderung des Geistes,
des Charakters, und der Regierung Friedrich des
Zweyten. )
XXII

mit deren Leben er den schweren Sieg hatte er


kaufen müssen ?
,,Ein Landesfürst kann sehr leicht verleitet
werden , nur bey den Großen , welche seinen
Thron umgeben , Talente und Verdienste zu
suchen, weil er sie nur, oder leichter bey ihnen,
zu bemerken Gelegenheit hat. Er schäßte nicht
blos die Großen , sondern den Menschen übers
haupt nach seinen Geistesfähigkeiten , Einsich
ten und Gesinnungen, er mochte Prinz oder
Taglöhner, Edelmann oder Knecht seyn. Sein
Adel war ihm , wie er selbst sagte , besonders
werth, weil er das vorzüglichste Werkzeug seis
ner Siege gewesen war, und die größten Män
ner an seiner Spitze hatte. Er wandte Mil
lionen an, um ihm , da er durch Krieg und
andere Unglückfälle heruntergekommen war,
wieder empor zu helfen , räumte ihm in seinem
Heere den beynah' ausschließenden Vorzug der
Befehlhaberstellen ein , und war der Meinung,
daß an der Spize der Landeskollegien der Ades
lige dem Bürgerlichen vorgehen müsse. Allein
er verschloß doch keinem Bürgerlichen den Weg
selbst zu den höchsten Ehrenstellen, zum General
undMinister, wenn er sich durch Geistesvorzüge,
Kenntnisse und Rechtschaffenheit auszeichnete.
,,Er sah sehr richtig ein , wie unentbehrlich
der Landmann und der Ackerbauer dem Staate
-
in Rücksicht auf den Wohlstand desselben , und
da sein Heer größtentheils aus Juländern bes
stand, auch in Rücksicht auf seine Sicherheit sey.
Er suchte also auch den Landmann und Bauer
XXIII

gegen alle Arten von Bedrückung zu ſchüßen.


Es schien ungerecht zu seyn, wenn er, bey den
Streitigkeiten der adeligen Gutbesitzer mit
ihren Bauern , ohne jedoch den Rechtgang zu
ſtören, insgemein die Partey der leßteren nahm .
Aber es war flug ; es machte den Adel vorsich
tiger ; der Bauer ward mehr geachtet , oder
doch weniger gedrückt ; und wenn die Leibeigen
ſchaft gleich nicht überall ganz aufgehoben ward,
sondern sich mehr ihrer ursprünglichen Verfass
sung und dem Bilde näherte , was uns Moser
davon entworfen hat , so war der Bauer doch
nun weniger das Lastthier , dessen Leibeskräfte
man sich zur Arbeit bedient , und von deſſen
Fleische man sich nährt.
" Er ließ , wie man weiß , immer nur im
Nothfall merken, daß er König sey, und unter-
redete sich mit einer ihm eigenthümlichen Freund-
lichkeit, Herablaſſung und Popularität, welche
die Herzen an sich zog , nicht blos mit den
Großen , dem Adel und den Angesehendsten
vom Militär, sondern auch mit dem Gelehrten,
dem Künstler, dem Handwerker und dem Bauer ;
machte ihn auf die Vorzüge und Mängel seiner
Wissenschaft, Kunst, Geschicklichkeit oder seines
Gewerbes aufmerksam , und erkundigte sich auch
wol nach den Familien - Angelegenheiten des
selben. Mußten dadurch nicht die in einer wei.
ten Entfernung von einander lebenden Stände
und Klassen der Menschen näher an einander
rücken , sich ihre Ideen, ihre Bemerkungen
mittheilen , und so die richtigen Einsichten.
XXIV

und feinen Gefühle allgemeiner werden ? Muß-


ten sie nicht, so groß auch der Unterschied der
Geburt und der anderweitigen äußeren Vers
hältnisse war, wenn der König Einen wie den
Andern sprach, Einen wie den Andern behans
delte, und die Bittschrift des Allergeringsten,
wie jene des Allervornehmsten, in den nächsten
Tagen beantwortete, sich erst einander ertragen
und dann schäßen lernen ?”
Dies der allgemeine Einfluß Fried-
rich's auf seine Zeit ; aber in wie vielfacher
Beziehung übte er noch außerdem einen bes
sonderen ! Die Wissenschaften, vordem ver-
achtet , erhoben sich zu fast allgemeiner Hochs
achtung. Die Zahl der wirklichen Gelehrten
mehrte sich außerordentlich, der Kastengeist , so
schädlich in jeder Beziehung , begann nach und
nach zu schwinden ; man fing an, in der Muts
tersprache zu schreiben und zu philoſophiren,
und die Gelehrsamkeit selbst , mehr inneren
Werth bekommend, bestand bald nicht mehr in
oberflächlicher Vielwisserey und Pedanterie,
sondern in ausgebreitetem, gründlichen Wissen .
Nicht mehr brauchten der Philosoph, der Ge-
schichtforscher, der Philolog, ja selbst der Theo-
log, mit Angstlichkeit auf das kirchliche Syſtem
blicken. Lehrmeinungen , Jahrhunderte lang,
ungeprüft, in unbestrittenem Ansehen, wurden
erschüttert und verschwanden.
Die Rechtspflege und Gesetzgebung ånders
ten sich. Man erkannte, daß der Bauer, Mensch
wie der Vornehmste, die nämliche Gerechtigkeit
XXV

anzusprechen habe , wie jener. Adel , Geist-


lichkeit und die Großen durften sich da nicht
mehr den Landesgeseßen entziehen , wo der
König erklärt hatte , er selbst sey nur der erste
Diener, nicht Herr, des Staats , und sogar
der Bettler sey eben so wol ein Mensch , wie
die Majestät, und auch ihm müsse alle Gerech
tigkeit zu Theil werden. Heren und Zauberer,
beide ehmals zum Feuertode verdammt , lebten
ungestört und ruhig , Gotteslästerung und Kir
chenraub, sonst ebenfalls mit Hinrichtung bes
straft, würden mit Milde geahndet. Die Vers
brechen des Hochverraths, vordem zu weit und
meistens nach Willkür ausgedehnt, wurden blos
auf Verrätherey des Staats , auf öffentliche
Empórung und auf ein strafbares Unterneh
men wider das Leben des Regenten einge-
schränkt. Man hatte den Wilddieb in Ketten
geschmiedet, und ein jedes gefallenes Mädchen
öffentlich beschimpft ; beides ward abgeschafft.
Nicht Laune und Willkür, sondern die Gesetze
schrieben die Strafen vor ; und diese Geseze
waren weise und mild. - " Das Ministerium
nicht mit Blut angefangen !" ſchrieb Fried-
rich neben den Urtheilspruch eines berühmten
Gerichthofes , den ihm ein so eben ernannter
Justizminister zugeschickt hatte.
Welcher Fürst hat je mehr als Friedrich
dafür gesorgt, daß dem Lande, welches er res
gierte, von seiner natürlichen Armuth aufge
holfen, daß es von dem Elende und den Vers
wüstungen des Krieges so schnell und gut, als
Friedrich d. Eing, I. 00
XXVI

nur möglich, befreyt, Städte und Dörfer, zum


Theil in Asche und Schutt liegend , sich aus
ihren Trümmern wieder erhoben, und bisweis
len wohlhabender wurden, als sie zuvor was
ren ? Der geheime Staat und Cabinets
minister von Herzberg hat nach dem Tode
des Königs berechnet , daß er blos von 1763
bis 1786 zur Unterſtüßung der verſchiedenen
preußischen Provinzen weit über 24 Millionen
Thaler ) verwendete , ungerechnet die Mil-
lionen für Festungsbauten zc. , wodurch die
årmere Klaſſe des Volkes ebenfalls Geles
genheit zur Ernährung erhielt. Wer hat
mehr die Quellen des Reichthums aufgesucht,
geöffnet und dahin , wo es nöthig war , ges
lettet , als Friedrich ? Wer verstand besser
die große Kunst , dieſen Reichthum des Staats
so unter die Staatbürger zu vertheilen , daß
beynah' einem Jeden etwas zu Theil ward,
der seine Kräfte nur gehörig gebrauchen wollte?
Um die Landwirthschaft zu verbessern,
wandte er Millionen an , ließ ausgetretene
Ströme durch Deiche oder Dämme in engere
Ufer einzwingen ; große Seen ableiten, Sümpfe
und Moråste austrocknen, überflüßige Wälder
niederhauen , und Brüche urbar machen. Er
befahl, aufseinen Domänenämtern mancherley
Versuche mit ausländischen Erdfrüchten und
Futterkrauten zu machen, bestimmte Preise für
die diejenigen Landleute , welche die Gemeins

*) Eigentlich 24,399,838 Thaler,


XXVII

heiten theilen würden ; seßte auf das den Strös


men und Sümpfen abgewonnene Land und
auf die bisher unangebauten Sandschellen Kos
lonisten an , und ließ einſichtvolle Männer
nach England reisen , um dort die englische
Landwirthschaft zu lernen , und sie da, wo eg
die Umstände zulassen wollten, in seinem Lande
einzuführen. Um den, nicht durch seine Schuld
herunter gekommenen , Forsten wieder aufzus
helfen führte er fremde Holzarten ein , und
ließ Holzsaamen ausstreuen, und um die Schafs
zucht zu veredeln und die Wolle zu verbessern,
ließ er Widder aus Spanien kommen . Wenn
er, die inländischen Fabriken zu heben , den.
Staat mit Zöllen und Mauthen umgab , so
handelte er im Geiste jener Zeit , und jeden
Falls war seine Absicht redlich und lobens
werth. Zwar verfehlt das Bestreben , alles im
Lande consumirt Werdende auch darin selbst
zu produciren , in der Regel immer den eigents
lichen Zweck ; denn gewinnt wol der Staat,
wenn er es dahin bringt , daß auf Ländereyen,
welche sonst 100,000 Gulden ertrugen , nun,
mehr, mit einem bloßen Ertrage von 50,000,
die früher von dem Auslande bezogenen Waas
ren erzielt werden ? Gewinnt er selbst dann,
wenn man, durch Zölle, Privilegien oder Mos
nopole,. die Bewohner des Landes nöthigt, die
ausfallenden 50,000 fl. weiter zu bezahlen,
damit ja Nichts in das Ausland geht ? -
Kaum glaublich. Aber verschiedene Nebenum-
stånde waren bey der desfallsigen Entschließung
00
XXVIII

Friedrich's mitbestimmend, und sollte er wol


über dasjenige so sehr zu tadeln seyn , was
noch gegenwärtig fast allgemein leider ! in
Anwendung gebracht wird ?
Das Unterricht- und Erziehungwesen bes
kam eine andere Gestalt. In den Gymnasien
und lateinischen Schulen wurden die griechis
schen Klassiker fleißiger als sonst gelesen, und,
wie die lateinischen, mit einem schärferen Rück-
blick auf die einzelnen Begebenheiten der Ges
schichte und mit mehr Geschmack erklärt Mait
machte mehr als sonst auf die Richtigkeit,
Schönheit und Eigenthümlichkeit der Ideen und
der Schreibart aufmerksam. Die Grammatik
ward deshalb nicht vernachläßigt, sondern viels
mehr in eine Verstandübung verwandelt, indem
man die Schüler die grammatikalischen Regeln
aus kurzen lateinischen Sentenzen selbst ableis
ten ließ, welche zu diesem Zwecke gesammelt
worden waren. Die Rhetorik ward nach Stels
len aus den alten Klassikern , und die Geschichte
der Philosophie zum Theil nach Stellen aus
den alten griechischen und lateinischen Philos
sophen und Historikern vorgetragen , welche
man zu diesem Zwecke gesammelt hatte. Bey
den Alterthümern nahm man mehr auf die
verschiedenen Zeiten Rücksicht. Auf Geschichte,
Erdbeschreibung und Mathematik wurden Lehrs
stunden verwendet , und für Statistik, Natur-
kunde und Technologie neue Lectionen eröffnet.
Man erhob sich also , nach und nach zu dem
~encyklopädischen Unterricht , welcher für die
XXIX

-
Jugend der zweckmäßigste ist. Es entstanden
nun auch Erziehunganſtalten für Geſchäftmån-
ner adeligen und bürgerlichen Standes , für
Künstler , Kaufleute und Militär- :-Personen.
Nach dem Zwecke der Anstalt wurden auch die
Lebrobjekte bestimmt , doch ward Geschichte,
Erdbeschreibung, Mathematik und Naturkunde,
nebst den neueren Sprachen , in allen gelehrt.
Auch das weibliche Geschlecht wurde nicht wie
bisher in gemeinen Schulen vernachläßigt, oder
in Penſionanſtalten vereitelt. Es wurden be
sondere Institute zur Bildung desselben ers
richtet.
Die gemeinen Bürger- und Landschulen
wurden etwas verbessert, die alten Katechis
men und Evangelienbücher zum Theil abges
schafft und bessere eingeführt. Ja , der König
schrieb sogar eigenhändig die Gegenstände des
Unterrichts in den höheren Anstalten vor, und
diese merkwürdige Cabinetsordre zeugt deuts
lich, wie nahe die Sache dem Monarchen geht,
und wie er sucht, auch für die Zukunft Kennt
nisse und Wissenschaften zu befördern.
Wir schweigen von dem Einflusse , den
Friedrich auf die Kriegwissenschaft gehabt.
Wer den großen, außerordentlichen Feldherrn
in dem nicht erkennt , was offen vor den Aus
gen eines Jeden daliegt , der möchte wol im
Stande seyn, den Glanz der Sonne in dem
Augenblick zu läugnen, in welchem an sie hin
zu blicken ihm unmöglich ist. Thaten Miltia
des bey Marathon , der große Épaminondas
XXX

bey Leuktra, der sich als Jupiters Sohn brüs


stende Alerander bey Arbela , oder der toll-
kühne Karl der XII. bey Narva , mehr , als
Friedrich bey Leuthen? Und wodurch
follte wol Napoleon's faum dreymonatlicher
Vertheidigungkampf in Frankreich (1814) aus,
gezeichneter seyn, als der von unserem Helden
während der vollen Dauer von sieben Jahren
geführte ? Ja, ohne dem französischen Kaiser
im Entferntesten zu nahe treten zu wollen,
kann man mit Bestimmtheit behaupten , daß
Preußens König nach den entscheidensten Nies
derlagen, weit entfernt, eine Unentschlossenheit,
wie jener, zu zeigen, erst jeßt seine außerordents
lichen Fähigkeiten in ihrem ganzen Umfang ents
wickelte , und immer von Neuem die, Preußens
Vernichtung schon träumenden, Feinde die Übers
legenheit seines Genies auf die auffallendste und
bewundernswertheste Weise fühlen machte.
Die schönen Künste wurden , besonders
durch Friedrich, aus ihrer Dunkelheit her.
vorgezogen. Die Fürsten und Großen fingen
an , sie zu schäßen und ihnen Beyfall zu ſchens
fen, und der gebildetere Theil der Menschen
folgte ihnen nach. Man schaffte hier und dort
fremde Meisterwerke herbèy, und auch die eins
heimischen vermehrten sich. Die teutschen Künst
ler ahmten die Werke der Franzosen, Italiener,
Niederländer und Engländer nach , arbeiteten
leichter und geschmackvoller , und wichen ganz
von dem alten steifen Herkommen ab. Sie
wurden ideenreicher, und drückten oft dieſe
XXXI

Ideen in ihrer Kunst mit einer Feinheit, An-


nehmlichkeit , Würde und Kraft aus , welche
Bewunderung erweckte und verdiente.
Die schönen Wissenschaften haben Frieds
rich ihre gute Aufnahme unter den Leutschen,
und auch ihre Ausbreitung zu danken. Die
Liebe zu den alten Klassikern der Griechen
und Römer erwachte in ihrer ganzen Stärke,
und weckte das feine Gefühl des Schönen und
des Erhabenen in den Herzen der Teutschen.
Die französische Sprache, sonst nur die Sprache
der Höfe und der großen Welt , ward fast
allgemeiner Ton und Sitte. Man las die
schönen Schriften aus dem Jahrhundert Lud,
wig des XIV., und fing an , Geschmack daran
zu finden. Das Dichters und Rednergefühl
ward dadurch erweckt und gestärkt. Nun be
merkte man erst die Schwerfälligkeit und Nach-
läßigkeit der teutschen Schreibart , nnd die Uns
vollkommenheit und Unzulänglichkeit des teuts
ſchen Ausdrucks für eine große Zahl feiner
und schöner Ideen , die man sich aus den frans
zöſiſchen Schriftstellern zu eigen gemacht hatte,
und wandte mehr Sorgfalt auf Ausdruck und
Wendung im Teutschen. In dem gemeinen
Leben und in den prosaischen Schriften half
man sich anfänglich damit , daß man die fran-
zösischen Ausdrücke, auch wol wenn man teutsch
sprach und schrieb , bisweilen beybehielt und
ihnen eine teutsche Endung gab. In diesem
geschmacklofen Gemengsel, welches aus Eitels
keit manchmal sogar noch übertrieben würde,
XXXII

sind die meiſten teutschen Schriften auch wol


berühmter Männer, z . B. eines Puffendorf,
bis zur Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts
geschrieben; man machte sich aber nach und
nach davon los , und fing an , mehr den reis
nen , edeln teutschen Ausdruck zu wählen.
Der philosophische und wissenschaftliche
gewann viel durch Wolf's Schriften , und
der gewöhnliche, geschmackvolle, natürliche und
schöne durch das Überseßen der alten Klassiker,
und der französischen, italienischen und englis
schen Dichter und guten Prosaiker. Die
Schreibart der Teutschen ward netter, leichter,
natürlicher, korrekter, blühender, anziehender,
auch selbst in wiſſenſchaftlichen Schriften. Es
ward nun auch von den Nichtgelehrten weit
mehr, und auch zur eigenen Belehrung und
angenehmen Unterhaltung , gelesen, und auch
sogar geschrieben. Die Leutschen bekamen ihre
klassischen Dichter , Redner und schönen geists
vollen Prosaiker. Anfangs ahmten sie den
Franzosen, Italienern und Engländern nach,
mit der Zeit aber lieferten sie klassische Origi
nalwerke. In den Lehrgedichten, Oden, Tras
gödien , Heldengedichten u. s. w. , übertrafen
fie sogar die Italiener und die Franzosen. Auf
den teutschen Theatern , deren nach und nach
mehre errichtet wurden, blieben die Haupts
und Staatsaktionen weg. Dem Hanswurst,
der bisher einen so allgemeinen und lauten
Beyfall in den Logen und auf der Gallerie
gefunden hatte, zog man , weil man ſich ſeiner
XXXIII

zu schämen anfing , und ihn doch nicht ganz


entbehren konnte oder wollte, anfänglich blos
ſein Jäckchen aus , und ließ ihn mit mehr Des
cenz einen Bedientenrock anziehen. In der
Folge blieb aber auch Hanswurst der Bediente
weg, und man wußte doch Mittel, den Zu-
schauer angenehm zu unterrichten und geistvoll
zu unterhalten , zumal , da die Mimik aufs
Neue erfunden , und die Deklamation immer
vollkommener wurde. Wenn durch das Alles
die Leutschen auch nicht moralisch besser wurs
den, und Lesesucht und Schauspielsucht zu den
Modethorheiten gehörten, so bekamen sie doch
mehr Geschmack, und wurden geistreicher, sanf
ter und gebildeter.
Auch hier wirkte Friedrich. Die Ges
lehrten, welche er , wenn er Muse hatte, zu
seinen Gesellschaftern wählte, waren gerade die
geistvollsten, wißigsten nnd feinsten Köpfe ihrer
Zeit. Er schien bey seinen Geistesmahlzeiten
den König zu vergessen , wenn Wiz mit Wiz
kämpfte, ein glänzender Gedanke den andern,
ein treffender Einfall den andern hervorlockte,
und die feinste Satyre mit einer noch größeren
Feinheit und Stärke vergolten wurde, bis end,
lich, wie Voltaire sagte , der König kam.
Er unterwarf seine Geistesprodukte der Kritik
eines Voltaire und hernach eines d'Argens ;
war selbst Dichter, populårer Geschichtschreiber
und schöner Schriftsteller , deſſen bey seinem
Leben herausgekommenen Werke , wie die nach
seinem Lode , allgemein gelesen , und wegen
XXXIV

der cigenthümlichen Annehmlichkeit , die er


ihnen zu geben wußte , bewundert wurden. -
Wirklich finden wir in den Schriften des gros,
sen Königs der einleuchtenden und vor
Leuchten den *) Ideen und Gedanken überaus
viele , und gewiß sind Jene in den Geiſt ſeiner
Werke wenig eingedrungen , welche sie als
kaum mittelmäßig darzustellen sich angeles
gen seyn lassen. Welcher Regent vor oder nach
Friedrich hat je mit solcher Freymüthigkeit,
Offenherzigkeit und Redlichkeit sich über das auss
gesprochen, was die Fürsten sind, und was
den Völkern gebührt ; welcher hat vordem
so den Rechten des dritten Standes gegen die
bisher Bevorrechteten , Adel und Geistlichkeit,
Achtung verschafft ? Er , der gekrönte Phis
losoph , war ein königlicher Revolutios
når! ― Doch blicken wir nochmals aufseine
Werke. Obschon, in dem Strudel seiner vies
len und verschiedenartigen Geschäfte , blos
Dilettant, hat er dennoch in jenen Treff=
liches und Vorzügliches geleistet. Welcher
große Geist aber muß Er gewesen seyn , der,
zur Erholung und Erheiterung nach beschwers
lichen Arbeiten, zur Tröftung nach erlittenem
Unglück , mit solcher Leichtigkeit dichtete und
schrieb; Er, der unter den Zurüstungen zu einer
nahen Schlacht , wo Leben, Krone und Re ch
auf dem Spiele stand , Satyren in Versen

*) Worte des trefflichen Herrn geheimen Kirchenraths


Paulus in einem Briefe an den Herausgeber.
XXXV

und Prosa gab , und über den geweihten Des


gen seines Gegners in freundſchaftlichen Brie,
fen scherzte ?!
Wie , durch ihn vorzüglich , der blinde
Glaube, stets Wirkung der Finsterniß oder der
Beschränktheit des Verstandes und der Vers
nunft , aufhörte, geht schon hinlänglich aus
dem Gesagten hervor. Man lernte Priester
und Priesterthum von der Religion unterscheis
den und trennen ; es schwand der Wahn, daß
alles, was Geistliche thaten, göttlicher Natur
sey , und das Gebäude des Aberglaubens,
bisher in Finsterniß sich hüllend, und unans
greifbar , versanken vor einer vernünftigen,
aber strengen Prüfung. Mögen auch Mönch.
thum, Hierarchie und Pfaffthum über Verbreis
tung von Irreligion schreven das Wahre,
unerschütterlich und nicht wankend, besteht durch
sich selbst , durch innere Kraft ! - unendlich
Vieles hat der Freund der Civilisation dem faft
in Allem großen Könige auch in dieser Bes
ziehung zu danken. Wollten wir ,,das ewig
Wahre“ aber auch, dem eulenartigen Geschrey
Jener nach, für schwach genug halten , daß es-
durch Wiß und Satyre umgestürzt zu werden
vermocht hätte, ſo müſſen wir billig fragen, hat
dieser Umsturz der Religion" die nämlichen
schrecklichen Folgen gehabt , als jener Fanatis
mus , welcher, nicht zufrieden, blos den Feuers
tod bey seinen Schlachtopfern anzuwenden, auf
immer neue Mittel zu ihrer Marter sann ; der,
wie Friedrich selbst sagt, den Menschen, dem
XXXVI

der Himmel Denkkraft gab, strafte, wenn er zu


denken gewagt ?!
So wirkte Friedrich von seinem nicht
großen Throne herab , unvergleichbar mehr
durch die Macht seines allumfassenden Geistes,
als durch jene der physischen Kräfte. Eine neue
Laktik bildete er bey den Heeren, und eine all
gemeine Umwälzung der Ideen entstand durch
ihn. Aber, so groß, so bewundernswerth auch
seine neu gebildeten militärischen Systeme uns
erſcheinen müssen , so ist dennoch keineswegs
zu läugnen , daß die von ihm veranlaßte Geis
ftesrevolution ungleich wichtigere , außerors
dentlichere Folgen hervorbrachte ; daß Fried.
rich also , der Philosoph auf dem Throne,
weit verehrungwürdiger und größer ist , als
der königliche Feldherr. - Doch vergessen wir
nicht, noch eine Lugend dieſes Einzigen Kö,
nigs zu erwähnen, wegen der er nicht minder
unsere Hochachtung und Verehrung verdient ;
Friedrich nämlich war Vater seines Volks,
und dies in der edelsten Bedeutung des oft miß
brauchten Wortes. Wir behalten uns vor,
im Laufe der Darstellung seiner Geschichte dar-
auf hinzudeuten , was er, selbst in den miß-
lichsten Lagen , für seine Nation gethan , hier
blos bemerkend , daß er während seiner gan-
zen Regierung nur einmal seiner Geschäfte
sich nicht erinnerte, und dies - am lezten
Lage seines Lebens.
Einleitender Abriß der Geschichte.
Preußens.

Friedrich / Wilhelm , der große Churfürft, -


Friedrich der 1. Friedrich Wilhelm
der 1, -
(Von 1640 bis 1740.)

Brandenburg, seit dem Jahre 1415 ein


Churfürstenthum, erlangte erst durch Friedrich Wil-
helm Ansehen und Achtung. Verwüstet und verödet
durch den, noch 8 Jahre lang fortwährenden, und
ſpåter nachseiner Dayer so benannten, drepßigjährigen,
furchtbaren Religionskrieg, lag das ganze Land, als
jener wirklich große Regent, ein zwanzigjähriger Jung-
ling, (im Jahre 1640) die lockern Zügel der Regie-
rung ergriff, die er von nun an mit Weisheit und
Kraft, auch in den mißlichsten Verhältnissen, lenkte,
Nachdem er die Finanzen in Ordnung gebracht , und
jene Minister entfernt hatte, welche zum Drucke des
Volkes mitgewirkt, glänzte er bald als einer der größ-
ten Feldherren seiner Zeit ; denn nach einander gegen
Polen, Frankreich und Schweden kämpfend , errang
er stets neuen Ruhm . Aber nicht blos Krieger war
Friedrich Wilhelm , sondern er verdient auch den
schöneren Titel eines Vaters seines Volks , Die
Friedrich d. Einz, I.
2

zerstörten Flecken und Dörfer stiegen unter ihm wieder


aus ihrer Asche empor ; Wüsten wurden in Saatfel=
der, und Heiden und Steppen in Dörfer verwandelt.
Der Churfürst unterstüßte die im Kriege verarmten
Familien , vervollkommnete die Landwirthschaft in
feinen Staaten, und brachte manche Gegenden dadurch
in blühenden Zustand , daß er gegen 20,000 durch
die Aufhebung des Edicts von Nantes aus ihrem Va=
terlande vertriebenen franzöſiſchen Reformirten in ſei-
nen Låndern mit offenen Armen aufnahm. Auch hin-
terließ er seinem, im Jahre 1688 zur Regierung
gelangenden, Sohne, Friedrich dem III., ein wol-
geübtes Heer von 30,000 Streitern.
Aber nicht in dem Geiste des großen Vaters
vermochte dieser zu handeln . Ein Freund der Pracht,
Eitelkeit mit wahrer Größe verwechselnd , und den
blendenden Schimmer dem dauernden Nüßlichen-
vorziehend, genügte ihm nicht der Titel eines Chur
fürsten von Brandenburg , sondern er sehnte
fich nach der Königskrone. Durch die Anwen
dung vieler Mühe , und durch manche große Auf-
opferung, erlangte er diese eitle, ja dem Lande ans
fangs sogar låftige, Würde, und ließ sich den 18ten
Januar 1701 zu Königsberg als den ersten König
von Preußen krönen *).

) Fast alle Minister des teutschen Kaisers waren


dieſem Plane des Churfürsten entgegen geweſen,
besonders der Großkanzler von Böhmen , Graf
Kinsky , den selbst das Unerbieten von 100,000
Gulden nicht in Versuchung zu bringen verwöchte.
Unzufrieden über den schlechten Erfolg seiner
Sendung, verlangte endlich der Gefandte Friedrichs
‫אמ‬
3

Sein großer Enkel , Friedrich der Einzige,


entwirft mit scharfen Zügen folgendes treffende Bild
von diesem Fürsten. Er war klein und übel gestal-
tet ; bey einer Miene voll Stolz hatte er blos eine
gemeine Gesichtsbildung. Seine Seele war wie ein
Spiegel, der alle sich ihm darbierenden Gegenstände
zeigt. Sein Gemüth gab jedem Eindrucke nach.
Wer einmal bis zu einem gewissen Grade Gewalt
über ihn bekommen hatte , konnte seinen Geist ent-
flammen oder beruhigen , der aus Eigenfinn heftig
und aus Sorglosigkeit sanft war. Mehr den blen
denden Schein als den wirklichen Nußen liebend,
verwechselte er Eitelkeit mit wahrer Größe. Um
die Königswürde zu erlangen , opferte er in dea
verschiedenen Kriegen des Kaisers und seiner Ver-
bündeten 30,000 seiner Unterthanen (Soldaten)
auf, und er strebte nur deßhalb mit so viel Eifer
nach jener Würde, um seinen Geschmack am Cere-
moniel zu befriedigen , und durch scheinbaren Vor-
wand die Verschwendung seiner Prunksucht rechtfer-
tigen zu können.
„Er war prachtliebend und freygebig ; um wel-
chen Preis aber erkaufte er das Vergnügen, ( diese)
feine Leidenschaften zu befriedigen ? Er verhandelte

seine Zurückberufung, und erhielt ſie. Da sich der


in Wien gelassene Legationssecretår Bertholdi
aber aus einer Urt von Mißverständniß mit jener
Summe an den kaiserlichen Beichtwater, den Je
fuiten Wolf, wendete, so fühlte sich dieser hier:
durch so geſchmeichelt, daß er allen ſeinen Einfluß
bey dem Kaiser Leopold deßhald verwendete, und
diesen zulegt zur Einwilligung vermochte.
1**
4

das Blut feiner Unterthanen an die Engländer und


Holländer, wie jene herumziehenden Tartaren, welche
ihre Heerden den Schlächtern Podoliens verkaufen,
um sie niederzumeßeln. Als er seine Truppen aus
Flandern zurückziehen wollte, machte man ihm ein
Geschenk mit einem großen Dianianten, und nun muß-
ten 15,000 Mann im Dienste der Verbündeten ihr
Blut versprisen (se firent tuer au service des
Alliés).
,,Die Vorurtheile der Menge scheinen die Pracht
der Fürsten zu begünstigen ; aber ein Unterschied ist
zwischen der Freygebigkeit eines Privatmannes , und
eines Souverains. Ein Regent ist der erste Diener
und der erste Beamte des Staats (un prince est le
premier serviteur et le premier magistrat
de l'état) ; er ist Rechnung schuldig, über den Ges
brauch der Abgaben, die er (nur deßhalb) erhebt, um
die zur Vertheidigung des Landes unterhaltenen Trups
pen befolden zu können, um die Würde zu behaupten,
mit der er bekleidet ist, Verdienste und Talente zu
belohnen, die unglücklichen jeder Art zu unterstüßen,
um endlich Glanz und Würde in Allem zu beobachten,
was den Staatskörper anbetrifft. Wenn der Fürst
einen aufgeklärten Verstand und ein redliches Herz
besigt, wird er allen Aufwand nach dem allgemeinen
Nußen und nach dem größten Vortheile seiner Völ-
ker richten.
Die von Friedrich dem I. geliebte Pracht war
(aber) nicht der Art, sondern vielmehr die Vergeu=
dung eines eiteln und verschwenderischen Fürften.
Sein Hof bildete einen der glänzendsten Europa's,
und seine Gesandtschaften waren so práchtig, als die
5

portugiesischen. Er erdrückte die Armen , um die


Reichen zu måsten (ihren Reichthum zu vergrößern).
Seine Günstlinge erhielten ungeheuere Pensionen,
während das Volk im Elend schmachtete. Seine Gez-
båude waren kostbar, seine Feste verschwenderisch und
ſeine Dienerschaft und Marschälle bewiesen eher asia-
tischen Luxus , als europäische Würde.
Seine Frengebigkeit schien mehr Wirkung des
7 Zufalls , als der überlegung zu seyn. Die Diener
1 machten ihr Glück, wenn sie die ersten Ausbrüche sei-
ner Heftigkeit erduldet hatten. Einem Jäger , der
ihm einen Hirsch mit hohem Geweih hatte schießen
laffen, gab er ein Lehen von 40,000 Thalern. Das .
Außerordentliche seiner Verschwendung fällt nicht
mehr auf, als wenn man die sämmtlichen Ausgaben
mit den Einkünften vergleicht, und eine solche Zusam=
menstellung von der ganzen Zeit seiner Regierung
macht ; man ist alsdann erstaunt, Theile eines riesen-
måßigen Körpers neben vertrockneten Gliedern zu
erblicken, welche zu Grunde gehen. Dieser Fürst wollte
seine Domainen im Fürstenthume Halberstadt den
Holländern verpfänden, um den Pit, einen berühmten
Diamanten , kaufen zu können , der in der Folge für
Ludwig den XV. , während der Regentschaft, erftan-
den wurde. Er verkaufte den Verbündeten 20,000
Mann , um von sich sagen zu machen , er unterhalte
30,000.
,,Sein Hof glich einem großen Strome, der
das Waffer aller kleinen Bäche verschlingt. Gunst-
linge genoffen seine Freygebigkeit im übermaße, und
seine Verschwendung kostete jeden Tag unermeßliche
Sammen, während Preußen und Litthauen ein Raub
6

des Hungers und verheerender Seuchen wurden, ohne


daß fie dieser freygebige Monarch einer Unterstüßurg
würdigte. Ein geiziger Fürst gleicht einem Arzte, der
einen Kranken in seinem Blute ersticken läßt, ein ver-
schwenderischer aber einem solchen, der ihn durch zu
vieles Aderlassen tödtet.
Friedrich der I. war in seiner Zuneigung nie
beständig, sey es, daß ihn seine schlechte Wahl gereute,
oder sey es, daß er keine Nachsicht gegen menschliche
Schwäche hatte. Vom Baron Dankelmann an , bis
zum Grafen von Wartenberg , nahm es mit seinen
Günftlingen sämmtlich ein unglückliches Ende.
Sein schwacher und abergläubiſcher Geist hatte
eine besondere Neigung zum Kalvinismus, mit dem
er gerne alle übrigen Religionen vereinigt hätte. Es
iſt glaublich , daß er Verfolger derselben geworden
wåre, wenn die Geistlichen sich hätten einfallen las=
fen, Ceremonien mit den Verfolgungen zu verbinden.
Er verfaßte auch ein Gebetbuch, das aber zu ſeinem
Glücke nicht gedruckt wurde.
„ Wenn Friedrich der I. Lob verdient, ſo iſt es
deßhalb, weil er, während in den Nachbarstaaten der
Krieg wüthete, in den ſelnigen den Frieden erhielt;
weil er ein gutes Herz hatte , und weil er , wenn
man will, nie die eheliche Treue verleßte. Er war
endlich groß in den kleinen Dingen, und klein in den
großen ; fein Unglück ist es, daß er in der Geschichte
neben einem Vater und einem Sohne steht , deren
größeren Talente ihn verdunkeln." *)

*) Mémoires pour servir à l'histoire de la maison


de Brandebourg (par Frédéric bunique) nouvelle
7

Nach dem Tode Friedrich des I. bestieg 1713


dessen Sohn, Friedrich Wilhelm der I. , den
preußischen Thron. Obgleich in Lurus, Pracht und
Verschwendung erzogen, glänzt dieser Regent dennoch
gerade durch seine Sparsamkeit und Einfachheit.
Als wahre Größe des Fürsten innere Macht und die
Stärke des Staats erkennend , beobachtete er zwey
Staatsregeln, die er für die Grundpfeiler jeder Mo-
narchie hielt; nämlich einen friegerischen Geist bey
der Nation zu wecken und zu erhalten , und die Fis
nanzen stets weise zu ordnen. Er regierte in einer
Zeit, wo das höchste Streben des Wissens , wie des
Handelns, die Nüßlichkeit war ; und sie ward ein
ftrenger Maasstab für einen König, der an dem Hofe
seines verschwenderischen Vaters so vieles erfahren,
was er als unnúß, als schädlich für Fürft und Volk,
erkennen mußte, und der hinlänglich Verstand besaß,
das für feinen Zweck wahrhaft Nüßliche von dem
Eiteln zu unterscheiden. Kein idyllisches Schäferle=
ben durfte und konnnte in dem Staate geführt wer
den , der , bey schlechter Verwaltung und drückenden
Abgaben , verarmt , bey einer Schuldenmaſſe , ohne
Fabriken und Handel , auch auswärts nicht geachtet
war.
Schon als Kronprinz hatte sich Friedrich Wil-
helm mit entschiedenem Wkderwillen gegen den ver-
schwenderischen, weichlichen Hofhalt des Vaters, und
gegen die gelehrten Gesellschaften der Mutter erklärt.
Nur Waffen und das Kriegswesen liebend, und das

Edition. A Berlin et à la Haye.1751 ; pag.


248-253.
8

Feldleben frühzeitig als seinen Beruf betrachtend,


focht er bald unter Eugen und Marlborough , und
der Herzog Leopold von . Dessau ward ihm Freund
und Vorbild. Dagegen warf er die französischen
Bücher und den brokatnen Schlafrock in's Feuer;
Niemand war in seiner ganzen Lebensweise frugaler
und einfacher als er ; gegen alles, was Wissenschaft
und wissenschaftliche Bildung hieß, hegte er die tiefste
Geringschäßung, und die Künste waren in seinen-Au-
gen blos ein Flitterstaat, der zwar ganz herrlich klei-
den könne , aber , als völlig überflüffig , vermieden
werden müsse , sobald man ſein Geld nur auf etwas
Núhliches verwenden könne. --
Selbst zur Regierung gelangt, wurde Friedrich
Wilhelm der I. bald der Schöpfer vieler glücklichen
Einrichtungen. Er gab", fagt Friedrich der Ein-
zige, * ,,dem Staate die vortheilhafteste Form, und
bildete das Gouvernement mit der größten Weis-
heit." Er besaß einen richtigen Verstand, einen sel-
tenen Geist der Ordnung , und eine außerordentliche
Festigkeit des Willens , welche leßtere aber nicht sel=
ten in Starrköpfigkeit , ja manchmal sogar wol auch
in Tyranney , ausartete , was als die Ursache zu be
trachten ist, daß dieser, in mehr als einer Beziehung
achtungswerthe, Monarch, von seinen Zeitgenossen
meistens verkannt , und mehr gefürchtet , als geliebt
ward. Er hatte den Fehler, daß er zur Erreichung
feiner guten Absichten nur harte Maßregeln anwen-
Dete, daß er die Liebe seines Volks für nichts achtete,

*) Du Gouvernement ancien et moderne du


Brandebourg
9

und die edlere Geistekkultur vernachläßigte , wie sie


in ihm selbst vernachläßigt war.
Den Finanzzustand zu ordnen , die unter der
Regierung des Vaters angehäuften Schulden zu til
gen , und dem verarmten Lande wieder aufzuhelfen ,
waren , neben der Bildung des Heeres , die ersten
Sorgen Friedrich Wilhelms. Wie er sich selbst haus-
hälterisch einschränkte , so verlangte er dieselbe Be-
schränkung im ganzen Staat. Eigenhändig durch-
strich er die großen Gehalte der Kammerherren, ver-
abschiedete den so überflüssigen Hofstaat , und feste
die Ausgabe an seinem Hofe monatlich auf 4000
Thaler fest. Ihr müßt die Haushaltung wieder in
Ordnung bringen“ , schrieb er nach der Anwesenheit
des Königs August von Polen an den Hofmarschall,
„und wie vorher alle mögliche Menage observiren,
und da auf jeden Tag 93 Thaler zur Ausgabe be=
ftimint find, so müssen selbige nicht darauf gehen .....
Es wollen auch Seine königliche Majestát, daß fünf-
tighin von Hamburg , oder andern fremden Orten
nichts soll verschrieben werden , ohne bis vorher bey
Seiner königlichen Majestät angefragt worden , und
ſelbige es approbirt haben. Hingegen soll das Mar-
schallamt die Veranstaltung machen, daß jederzeit gut
Rindfleisch, gute fette Hühner und dergleichen vor-
handen und consumirt werden."
Die Königin hatte kontraktmäßig jährlich 80,000
Thaler Einkünfte, sie war aber genöthigt, davon die
Kleider und das Leinen für die königliche Familie,
und das Pulver und Bley zur Faffanen- und Reb-
hühner-Jazd , zu kaufen.
So gerne der König Seefische, Hummern und
ΤΟ

Austern aß, so selten verschrieb er sich solche Lecke


reyen ; er sparte sich vieles am Munde ab , um nur
für den Staat desto mehr verwenden zu können , wo
$ er jedoch ebenfalls so wirthschaftlich haushielt, daß er
an den Rand des Berichts eines Kammerkollegiums
schrieb : Der Quarc ist nicht das schöne Papier
werth, sollen schlecht Papier nehmen , das ist mir gut
genung."
Nur für eine Ausgabe scheute der König keinen
Aufwand , nämlich für die großen Rekruten vom pote=
daminer Leibregiment, von denen mancher fünf bis
zehntausend Thaler Handgeld kostete , und hernach
auch noch ansehnlichen Gehalt erhielt. Aus allen
Ländern wurden große Männer in Gutem und
Schlimmen zusammengebracht ; nicht in den Kloster=
zellen Italiens, nicht in den Bergschluchten des schot.
tischen Hochlandes , waren ſie ſicher genug.
Indessen versäumte Friedrich Wilhelm bey dies
fer großen Vorliebe für das Leibregiment keineswegs
die Sorgfalt für die übrigen Truppen. In allen
Provinzen wurden jährlich Musterungen gehalten,
und dabey weniger auf äußeren Puß , als auf gute
Bewaffnung und übung, Rücksicht genommen . Be=
deutende Verbesserungen im Kriegswesen kamen zur
Ausführung . Die Bataillons theilte man, um sie bes
quemer feuern lassen zu können , in Divisionen und
Pelotons ab , und wußte das Heer so gefchickt zu
üben, daß die Bewegungen eines Bataillons dem be=
ften Uhrwerke glichen. Alles Material war, im In-
lande verfertigt, bis zum überflusse vorhanden. Der
ganzen Nation einen kriegerischen Geist gleichsam ein-
zuhauchen, ertheilte man dem Militärstand überall den
II

Borzug, und ihm erwies man die größte Chre. Cine


Einfachheit in Sitten , Lebensweise und Kleidung,
verbreitete ſich, vom Hofe ausgehend, über alle Stände.
Dem Eurus, der Verschwendung und dem Müßige
gange , so wie der Wollust und der Schwelgeren Eins
halt zu thun , welche , wie auf den Körper des Ein-
zelnen , so , überhandnehmend , auf das Ganze, den
Staat , stets nachtheilige Wirkungen hervorbringen,
ja ihn entnerven , fuchte der König , durch neue Auf
lagen, den reicheren und verschwenderischen Theil der
Einwohner auf måßigere Vermögensumſtånde zu brin-
gen. Nebenbey ergriff man aber auch manchmal, woll
ten jene Mittel nicht nüßen, außerordentliche, gewalts
fame Maaßregeln.
Die Residenzstadt des Königs glich einer großen
Kaserne; dabey war das Schloß mit Stückgießereyen,
Gewehrfabriken und Pulvermühlen c. gleichsam um
zingelt. - Ein Jeder mußte von der untersten Stufe
zu dienen anfangen , und konnte sich nur durch eine
lange Reihe von Dienstjahren, und viele Erfahrungen,
den Weg zu den höheren militärischen Stellen bahnen ;
weder Regiment , noch Compagnie, noch Escadron,
durften mehr verkauft werden. Die alte, rauhe Art,
den Soldaten durch Stockschläge zum Dienfie zu bil-
den, ward abgeschafft. Die Erfindung des eisernen
Ladstocks , statt des bisher gebräuchlichen hölzernen,
das Werk des Fürsten Leopold von Dessau, bewirkte,
daß der Soldat ungleich schneller laden konnte.
Mit gleicher Thätigkeit, wie für das Kriegswe-
fen, war der König für die Verwaltung besorgt. Er.
felbft machte sich zum Präsidenten des Kriegs- und
Domånen - Directoriums , und hielt die Herren so
12

strenge zur Arbeit an, daß er sie Mittags nicht auf-


einandergehen ließ,,,bis sie alle vorliegende Sachen
gänzlich abgethan , so daß die Membra des General-
Ober-Finanz-Kriegs- und Domånen - Directoriums,
wenn diefelben bis 1 Uhr Nachmittags zusammen blei
ben müssen , mit Essen und Trinken aus der Küche
und Keller des Hofes versehen werden`ſollten. “ *)
Die Bevölkerung zu mehren und dem Ackerbau
aufzuhelfen , war Friedrich Wilhelm ebenfalls eifrig
bemüht. Er begünstigte die Einwanderung auf alle
Weise , und benüßte die Religionsverfolgungen in
Schlesien, Böhmen und Salzburg, indem er den Vers
triebenen in den verödeten Gegenden seiner Staaten
Wohnplätze anwies , welche bald einen Oasenähnlichen
Anblick gewährten. Obschon der König für die
höhere Bildung wenig Sorge trug, so begünstigte er
Dennoch die des Volkes durch Dorfschulen, Gymnasien
und Soldaten- Unterricht. Die große Maſſe der Un-
terthanen konnte weder schreiben noch lesen, und die
"
ſem abzuhelfen hielt Friedrich Wilhelm für nüßlicher,
als mit einigen Schöngeistern die gereifteren Früchte
der schönen Literatur für sich zu brechen. Aber auch
von diesem Baume gab es in Teutschland noch wenig
zu pflücken. - Auf dem Theater ergößte noch der
Hanswurst mit seinen Zoten ; der König liebte die
Puppeńcomödie, und duldete kein französisches Thea=
ter. **) Er war den Franzosen so abgeneigt , daß

*) Friedrich's bes Großen Jugendfahre, Bildung


und Geist 2C. Nebst einer Uibersicht der Regie
rung Friedrich Wilhelm's I .; von Fr. Förster.
**) Unter der Regierung Friedrich Wilhelm des 1 , -
13

feiner im Heer Aufnahme fand, wenn er nicht wenigs


stens 6. Fuß maß. Zum Ärger der vornehmen Gesell-
schaft, die sich immer nach dem neuesten Gallakleide
des französischen Gesandten trug , und um die , ihm
widerlichen , französischen Moden aus seinen Staaten
zu verbannen, ließ er eben solche Kleider von seinen Pro.
foßen tragen, welche damals— wie die Scharfrich : er-
für unehrlich gehalten wurden. Für die Holländer
hatte der König in Sinnesart und Lebensweise eine
entschiedene Neigung ; sie schienen ihm unter den Völ-
fern von teutschem Stamme die echtesten.

erzählt der Verfasser der "1 Anekdoten und


Charakterzüge aus dem Leben Fried
rich des Großen " :"Die Haupt, und Staats-
actionen , weiche auf den Bühnen des starken Man.
nes und der schönemann'ſchen Geſellſchaft aufce,
führt wurden, konnten einem Prinzen ( dem nocha
maligen Friedrich dem Einzien ) unmöglich gefal ,
len, der die Meisterwerke eines Corneille, Racine,
Moliere und anderer kannte. Inzwischen mußte
er wider Willen öfters den elenden Vorstellungen,
auf gedachten Bühnen beywohnen, weil sein Bas
ter und der ganze pof sie mit Bergnügen sahen,
Der König sah es auch bey solchen Gelegenheiten
fehr ungern, daß der Kronprinz keine Miene ver
zog, obgleich) alle Anderen aus Leibeskråften lachten,
und er äußerte deshalb mehrmals , sein Sohn
werde ein Kopfhänger werden. Einst wurde bie
erbauliche Haupt- und Staatsaction : Tarquinius
und Eukretia , auf der schönemann'schen Schaus
bühne gegeben. Der König und der Kronpring
waren zugegen, Als Lukretia die damals so bes
liebte Krie fang : Spinnt , ihr Mädchen,
spinnt , ach spinnt , 2c, lachte der König, so
Friedrich d. Einz. I. 2
14

Die Juftiz war ihm ein Gegenstand von hoher


Wichtigkeit. Gleich bey dem Regierungsantrit
schrieb er dem Justizministerium : " Die schlimme Ju-
ftiz schreit gen Himmel, und wenn ich's nicht remi
dire, so lade ich selber die Verantwortung auf mich. “
Er befahl ferner : In den Provinzen , wo mehr
als einerley Recht, theils das römische, theils das ſäch-
fische, theils ein Gewohnheitsrecht gilt, wollen wir an
richtigen Verfaffungen arbeiten laffen, damit alle, aus
einem ungewissen Recht entspringenden Fehler und

wie der ganze Hof , und fah sich zugleich nach


dem Kronprinzen um, Da er bemerkte, daß dies
fer ganz ernsthaft da saß, fragte er ihn : ,,Friß !
wie gefällt Dir das ?'' Sehr wohl , Ew.
Majeftåt, antwortete der Kronprinz. — - „ Aber
Du lachst ja nicht einmal, " fuhr der König fort,
Ich habe heftiges Kopfweh , erwi derte
Friedrich. - Der König schüttelte den Kopf, und
schwieg. Nun ging das Stück zu Ende, und als
das Schlußchor : Hab' Dank , Lukretia !
Deiner Ehr , ihund ersticht sich keine
mehr , unter vielen Possen gesungen wurde,
brachen die Zuschauer wieder in ein heftiges Ges
lächter aus. Indem der König mit dem Krons
prinzen aus dem Schauspiele ging , fragte er ihn
wieber: ,,Nun Frit, wie hat Dir denn das ges
fallen? Der Kronpring antwortete : Ganz
wohl , Ew. Majestät , recht schön.
,,Aber auch nicht einmal hab' ich Dich lachen
sehen " Der Kronprinz schüßte wieder das
Kop weh vor. ,,Poffen", sagte der König mit
Unwillen ; ,,wenn Dir nur Seine Franzosen ets
was vorgeschnattert håtten , so würdest Du wp01
haben lachen können . “
15

Gebrechen abgeschafft werden. Die Constitutiones


follen fleißig verfaßt und im Lande publiciret werden."
,,Fiat justitia , pereat mundus !" war das
Sprichwort, das der König öfter auf Todesurtheile
schrieb, die er befahl. Strenge ließ er die Gesetze an
Lornehmen , wie an Geringen , vollziehen . Nicht
Reichthum, nicht Adel, vermochten den Bösewicht von
derselben Strafe zu befreyen, die, in ähnlichem Falle,
der Bettler zu erdulden gehabt hätte.
Die ausübende und vollziehende Gewalt, die der
König -sich selbst vorbehielt, war jedoch keineswegs
weiter herab gestattet, wie wir dies u. a. aus dem
Prügel - Mandat vom Jahre 1738 wiffen , worin
es heißt: Wenn aber Seine königliche Majestát
dergleichen barbarischem Wesen die Unterthanen gott-
loser Weise mit Prügeln oder Peitschen wie das Vieh
anzutreiben, absolute nicht haben, noch ferner gestat
tet wissen wollen. Wer dagegen handelt ſoll das erste-
mal 6 Wochen in der Festung karren, das zweytemal
aufgehangen werden." c. -
Ein großer Fortschritt zur Grundlage einer
freyeren Staatsverfaſſung war die Aufhebung des al-
ten Lehensverhältnisses. Durch eine Verordnung
vom 5ten Januar 1717 erklärte der König , alle
Länder ohne Unterschied in allen seinen Ländern (Staa
ten) für Allodial, oder Erbgüter, erließ ihnen den so-
genannten Nexum feudalem und was demselben
Herkommens gemäß als Dienstverhältniß anklebte, für
alle seine Nachkommen zu ewigen Zeiten." Fried-
rich Wilhelm ſchüßte den Bürger gegen die Beschrån-
kungen der Privilegien, den Bauern gegen das durch
Verjährung so oft anscheinend zum Rechte gewordene
2
16

Unrecht. Beynahe 5 Millionen Thaler verwendete


er zur Wiederaufnahme Litthauens , und 6 Millionen
zur Wiederaufbauung vieler Städte, so wie zur Vers
schönerung Berling, und zur Gründung Potsdams.
Demt teutschen Kaiser und dem Reiche war er
stets mit ganzem Herzen zugethan. Abhold dagegen
war er Frankreich, wie fast allem , was aus diesem
Lande kam , und auch gegen den englischen Hof hegte
er keine vortheilhaften Gesinnungen.
Von den mühsamen Geſchäften des Tags suchte
er theils in seiner Familie, theils im Kreise einer ver-
traulichen Gesellschaft , Erholung und Aufheiterung.
Seine Gemahlin , Sophie Dorothea, Prinzessin
von Hannover und Tochter Georg L , Königs von Engs
land, war sehr gebildet, aber nicht so folgsam gewöhnt,
wie die übrige Umgebung des Königs. In seinen er-
ſten Regierungsjahren hatte sie sogar einen nicht unbe
deutenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenhei
ten zu erlangen gewußt, den sie aber besonders deßhalb
verlor, weil sie sich in die Heiratheangelegenheiten der
Kinder, auf eine oft voreilige oder heimliche Weise,
mischte, wodurch der König vorzüglich gereizt wurde.
Mit gewissenhafter Treue indessen bewahrte
Friedrich Wilhelm fein Herz der Gemahlin. Ganz
mit ihr auf dem bürgerlichen Fuße lebend , nannte
er sie bloß seine Frau , wohnte nahe mit ihr zus
fammen, und da sie fast beständig mit ihren Kindern
umgeben war, so begab er ſich täglich einigemal in dies
fen Familienkreis.
Dies waren die Eltern Friedrich des II.,
der bald als der Große , ja der Einzige, auf
Preußens Throne glänzen foute. Zum besseren
17

Verständnisse seiner Geschichte hielten wir, den gegen


wärtigen Abriß der Regierung seiner Vorgänger allem
übrigen vorauszusenden , für nothwendig , und wir
können nunmehr ohne bedeutende Zwischenerklärun-
gen die Jugendjahre des in Bålde vor Europa und
den Denkenden aller Erdtheile mit Hochachtung und
Bewunderung verehrten Helden , darzustellen per-
suchen.
Erster Abschnitt.

Geburt und Erziehung Friedrich's. Mißverhalts


nisse zwischen ihm und seinem Vater. - Seine
verunglückte Flucht , Gefangenschaft und Wieders
aussöhnung mit jenem . --- Der Kronprinz zu
1 Rheinsberg. Tod Friedrich Wilhelm's .
(Von 1712 bis 1740.)

Karl Friedrich, der dritte Sohn des das


maligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm , wurde
den 24ten Január 1712 zu Berlin geboren, `und er-
hielt, da seine beyden älteren Brüder schon früher,
in der Kindheit , gestorben waren , als dereinstiger
Kronpring, den Titel eines Prinzen von Preußen
und Hranien. Bis zu seinem siebenten Jahre leis
tete die Oberhofmeisterin Madame Martha du Val,
verwittwete de Rocoules * ) , eine alte Franzöſin,
die Wittwe eines Obristen, welche schon dem Vater
gewartet hatte , seine Erziehung. Sie wußte ihm
eine große Achtung gegen ihre Nation und Sprache

*) unrichtig wird Friedrich's Erzieherin von M. I.


Klarke, dem Verfasser der übergepriesenen ,,Gee
schichtskunde von der Regierung Friedrich des
Großen bis auf unsere Zeit" Madame du Bat
de Boscoules genannt,
19

einzustoßen, welcher festeren er auch sein ganzes Lebent


hindurch vor der, damals noch im höchsten Grade hol-
perichten und unäusgebildeten, keutschen, den Vorzug
gab. Sein Vater, im Jahre 1713 König, gewor
den, liebte ihn mit zärtlicher Sorgfalt. Er schrieb
(unterm 26ten April 1715) aus dem Lager von Stral-
fund an den Staatsrath: Dieweil ich ein Mensch
und kann sterben, oder todgeschossen werden, so bes
fehle ich Sie alle mit einander vor Friß zu sorgen ;
da Ihnen Gott vor belohnen wird c."
In den Laufgråben vor Stralsund lernte Fried-
rich Wilhelm den braven Jaques Egide du Han
de Jandun kennen, der dorthin den Sohn des Feld-
marschalls Grafen von Dohna begleitet hatte. Dem
Könige gefiel der Hofmeister, der seinen Zögling in
das Feld führte , und er bestimmte ihn zum Lehrer
des Kronprinzen . Duhan war mit seinem Vater,
durch den Widerruf des Edicts von Nantes hierzu
veranlaßt , aus Frankreich geflohen. Der Vater-
wurde in Berlin Gesandschafts- und Revisionerath,
und sein Sohn hatte Rechtswissenschaft und Philoso
phie auf dem Collège François in Berlin , besons
ders bey la Croze , studirt.
Friedrich selbst hat es immer mit liebens
würdigem Bekenntnisse gestanden, wie viel er seinem
ersten Lehrer schuldig zu seyn glaubte, obschon Duhan
kein ausgezeichnetes Talent besaß und Friedrich's Bils
dung erst dann eine ernste und entschiedene Richtung
gewann, als ihm in späteren Jahren der Umgang mit
andern Gelehrten in Rheinsberg von seinem Vater
erlaubt worden war. Duhan unterrichtete den Kron-
prinzen in der Philosophie, französischen Literatur
* 20

und der Geschichte, und führte ihn bis er das 15te


Jahr zurückgelegt hatte ; indem der König seine Bil-
dung jezt als vollendet ansah * ). In den alten Spra
chen hatte Friedrich keinen Unterricht, was ihm
selbst sehr leid that, **) italienisch aber trieb er mit Lust.
Für die Liebe zu dem Lehrer mehr, als für die Fort-
schritte des Schülers, (der auch in späteren Jahren
nie richtig Französisch schreiben lernte, obschon er
in dieser Sprache am-ſtärksten war, ) kann folgender jeh-
lerhafte Briefzeugen, den er damals an Duhan schrieb.
99 Mon cher Duhan
,,Je Vous promais que quand j'aurez
mon propre argent en main , je Vous don-
nerez enuellement 1400 ecu par an et je vous
aimerais toujour encor un peu plus q'asteure
sil me l'est posible . Potsdam le 20. Juin
1727. ,,Frédéric Pr . r.“

*) Friedrich's des Großen Jugendjahre 2c ; von


Förster.
**) Er erzählte zuweilen , er habe in seiner ersten
Jugend einen Fehrer gehabt, der ihn in dem La-
teiniſchen habe unterrichten wollen ; da aber sein
Bater, einst gegenwärtig, während der Prinz aus
der goldenen Bülle überfezte, einige ſchlechten la=
teiniſchen Ausdrücke vernommen , so sey er mit
der Frage auf den Lehrer zugegangen ,,Was
machst Du Schurke da mit meinem Sohn ?"
Ihro Majestát , ich explicire dem Prinzen
auream bullam, sen die antwort gewesen, worauf
der König mit den Worten : ,, Ich will dich Schurte
auream bullem" den Stock aufgehoben, und ihn
weggejagt habe. Seitdem hörte alles lateinisch
fernen auf.
21

Religionsunterricht erhielt er von dem Hofpre-


diger Andráe, *) Mathematik und Kriegswissenschaft
trug ihm der Major von Schöning vor. Die weitere
Ausbildung des Kronprinzen hatte der König im
Jahre 1718 von der Frau von Recoules auf den in
den Waffen ergrauten General Grafen von Finkenstein,
als Oberhofmeister, und den Obristen von Kalkstein,
als Unterhofmeister , übertragen .
Die pedantische Art , nach welcher dem Kron-
prinzen die Lehren der Religion eingeprägt wurden,
mußten, bey seinen Anlagen, einen Eckel gegen diesel-
ben erregen. Der Eifer des Vaters, wol mehr aber
noch der Bigottismus des Lehrers , überstieg jede
Gránze. Oft mußte Friedrich, wie seine Brüder,
kleine jugendliche Vergebungen mit einer Reihe bi-
blischer Sprüche, oder einer Anzahl Psalmen und Kir-
chengefange, büßen ; und so kam es, daß alle religiösen
Gebräuche das Ansehen der Bestrafung erhielten. **) .

*) Nach Förster; andere nennen den Hofprediger


Boltenius. Gewiß ist, daß der Religionsuns
terricht dem Kronprinzen mit steifer Ultförmigkeit
ertheilt , und er unausgesezt mit dogmatiſchen
Spisfindigkeiten und theologischem Wortkram gea
plagt wurde.
**) An den geringen Fortschritten , welche Friede
rich in manchen Zweigen des Unterrichts, wenigs
ftens anfangs, machte, war vorzüglich die schlechte
Methode schuld, deren man sich damals bediente,
Alles mußte auswendig gelernt werden , selbst
Wissenschaften, die für den Verstand und das Herz
gehören Diese Methode begünstigte der Vater
des Prinzen ebenfalls, denn er war mit dem
Fleiße desselben nur alsdann recht zufrieden, wenn
22

übrigens war die Erziehung des Prinzen mili


tärisch und hart. Einen Kriegsfürsten zum Nach-
folger zu bilden , war Friedrich Wilhelm vorzüglich
bemüht. Frühzeitig ward er in den Waffen unter-
richtet , mußte ſich bald nach den Gefeßen jenes Stan-
des richten , auf die Wache ziehen , und -- > wie ver-
fichert wird - sogar vor dem Schloßfe des Vaters
Wache stehen. Ja, man behauptet fogar, er sey öfters

er fein auswendig hersagen konnte. Beſtand er


in dieſer Prüfung nicht so , wie es der König
wünschte , so gab ihm dieser Pſalmen zum Auss
wendiglernen auf. Friedrich ſcherzte zuweilen
noch in seinen männlichen Jahren darüber , und
fagte , er verdanke ſein gutes Gedächtniß dem
Auswendiglernen der Pſalmen , wozu ihn sein
Vater angehalten habe.
Aus dem bis jegt Geſagten iſt ſchon ein bes
schränkter Geist Friedrich Wilhelm's in mancher
Beziehung nicht zu verkennen. Besonders zeigte
sich dieser in seinen Religionsbegriffen. Er glaubte,
daß, wenn er die Kirchen fleißig besuche, und mit
frommen Predigern umgehe , alle seine Sünden
dadurch getilat würden. Wie wenig er sich selbst
verstand, wenn er von Religion sprach, sieht man
aus folgendem Beyspiel : Er börte zu seiner Zeit
oft von dem thätigen Christenthum reden,
welche Worte einen besonderen Eindruck auf ihn
machten , daher er ſie fleißig im Munde führte,
aber jedesmal ſtåtig für thåtig ſagte. Einſt
predigte ein Kandidat vor ihm , dem er sodann
nach der Predigt seinen Beyfall bezeugte , und
ihn so anredte : Nun, Ihr habt das Wort Gottes
gepredigt, das ist gut ; predigt auch das ſtätige
Christenthum. Der Kandidat versprach , daß er
sich ernstlich befleißigen wolle , das thätige
23

in Arrest gekommen , zuweilen selbst bey Waffer und


Brot *). Mit dem achten Jahre hatte er ein eige
nes Eleizes Zeughaus erhalten , worüber ér vollkom-
men verfügen durfte. Friedrich von Renzel , ein
Cadet, wenig ålter als der Kronprinz selbst , brachte
ihm die militärischen Handgriffe bey. Später ließ
der König für ihn ein Cadettenco : ps ( corps des
chdets ) aus adeligen Knaben errichten , die er erer-
eieren und mit denen er manóuveriren und paradiren

Christenthum zu lehren ; allein der König empfahl


ihm wiederholentlich das ſtårige Christenthum,
und merkte den Irrthum nicht , der Kandidat
mochte den Accent auch noch so nachdrücklich auf
das mißverstandene Wort legen. - Wenn der
König seine kirchlich fromme Stunde (wie es
Büsching nennt) hatte , so konnten die Heuchler
Alles bey ihm ausrichten , wenn sie in der ihm
bekannten , und gewöhnlichen frommen Sprache
mit ihm redeten. Vorzüglich fanden die halliſchen
Theologen , die im Geruch der Heiligkeit und
Orthodoxie standen, Eingang bey ihm, und unter
diesen auch der berüchtigte Lange , den er mehr:
mals zur Tafel zog , und der ihn , wie bekannt,
überredete, den Philosophen Wolf aus dem Lande
zu jagen , weil er Religionswahrheiten aus der
Vernunft erwies, - Die Philosophie überhaupt,
betrachtete er , wie die schönen Wissenschaften
nicht minder, als gefährlich für die Religion, und
außerdem als zweckwidrig in's Besondere bey der
Bestimmung des Kronprinzen.
*) Anekdoten und Charakterzüge aus dem
Leben Friedrich des Großen , 1r Theil, Seite
186. --- Papst, Professor zu Erlangen , Leben
Friedrich's II. 1te Hälfte , Seite 20.
24

mußte. In der Folge erhielt er eine Compagnie bey


des Königs Leibregiment , den großen Potsdamern,
wie man sie zu nennen pflegte. Das Exercierregle
ment und die Bibel waren die einzigen Bücher , die
der Vater ihm erlaubte , und wie er erzogen wurde,
ist unter anderem aus einem Rescripte an die hinter
pommern'schen Landſtånde vom Jahre 1779 (27ten
August) zu ersehen, worin der damalige König Fried-
rich der Große selbst, diesen , auf eine Beschwerde
wegen der Versteuerung des Kaffees und Weines,
antworten läßt : ..., übrigens find Se . königl. Maj.
Höchstselbst in der Jugend mit Bierfuppe erzogen,
mithin können die Leute dorten eben so gut mit Bier-
suppe erzogen werden. Das ist viel gesünder wie
der Kaffee 2c."
Vom Jahre 1718 an erhielt der Kronprinz einen
eigenen Hofstaat, für den anfänglich jährlich 360
hernach 600 Thaler bestimmt waren. Die Oberhof-
meister mußten stete genaue Rechnungen ablegen, welche
der König durchsah und´oft Bemerkungen beyfügte *). *
Aber schon frühzeitig regte sich in Friedrich
der Geist, dem der in jeder Beziehung bey ihm ange-
wendete militärische Zwang bald unerträglich wurde.
In der Königin fand er eine zärtliche Mutter , die,
auf die Gefahr des Zornes ihres Gemahls , ihm an-
genehmere Unterhaltung verschaffte. Er zeigte schon
als Knabe Neigung und Talent zur Musik ; die Köni
gin ließ ihm heimlich unterricht in der Flöte geben **),

*) Wir theilen die Rechnung vom September 1719


der Seltenheit wegen im Anhange mit.
**) In seiner ersten Jugend lernte Friedrich das
25

und bald versammelte er eine Anzahl Musiker bey sich,


mit denen er entweder in versteckten Gewölben Con-
certe gab, oder er bestellte die Freunde in den Wald,
wo er, statt nach dem Befehle des Vaters Schweine
zu hehen, Flöten und Geigen aus den Jagdtaschen
nehmen , und im dichten Walde muſiciren ließ.
Der berühmte Flötenspieler und Componist
Quan; fam 1728 im Gefolge des Königs August von
Polen nach Berlin. Er spielte in den kleinen Hof-
kapellen der Königin ; auf Bitten des Kronprinzen
nahm sie ihn mit 800 Thalern in ihren Dienst. Er
war jedoch noch immer an den dresdener Hof gebunden,

Klavierspielen , und zu gleicher Zeit die ersten


Gründe der Harmonie , von Heyne , Organist an
der Domkirche zu Berlin. - Auf Befehl des
Vaters mußte der Anfang mit den Pſalmen-Me-
lodieen des Tonkünstlers Marrot gemacht werden,
in welcher Ubsicht er dem jungen Prinzen ein
schön gebundenes Gesangbuch zum Weihnachtsges
schenk gegeben hatte. Friedrich Wilhelm verläug
nete selbst in der Musik seinen soldatiſch = religiös
sen Charakter nicht. Seine Kapelle bestand aus
dem ersten Chor der Hautboisten seines großen
Regiments , welches der Kapellmeister Pepusch
dirigirte. Da er das Feyerliche liebte, so ließ er
gewöhnlich nur Arien und Chöre, vornåmlich aus
den håndel'ſchen Opern, aber blos auf blaſenden
Instrumenten spielen. Daß sein Geschmack übri-
gens nicht der feinste war, beweiset unter andern
die Anekdote von den Musik : Schweinen , welche
Pepusch, um ihn zu belustigen, komponirt hatte,
und die er mehrmals vor ihm aufführen mußte.
Der Prinz unterließ nicht , hiervon Stoff zu beißens
den Anmerkungen her zu nehmen.
Friedrich d. Einz. I, 3
26

und erhielt jährlich nur zweymal Erlaubniß nach


Berlin zu gehen. In den Frühstunden , wenn man
den König beschäftigt , oder Nachmittags , wenn man
ihn nicht zu Hause wußte, spielte Quanz mit dem
Kronprinzen. Dieser warf dann die enge Uniform
von sich, der steife Zopf wurde gelöst , er ließ sich die
Saare à la française fråufeln , einen Haarbeutel
einbinden und zog einen goldstoffenen Schlafrock an.
So gekleidet war der Kronprinz auch eines Tages, da
eben Quang mit ihm spielte, als plößlich der Liebling
des Prinzen, Herr von Katt, in das Zimmer sprang,
und erschrocken berichtete : der König fåme und sey
ganz nahe. Dem Könige war des Kronprinzen Lieb-
lingsneigung zu den Büchern und der Musik höchst
zuwider , und er wollte also denselben überraschen.
Katt ergriff in größter Eile die Kasten mit den Flöten
und Musikalien , nahm den höchſterschrockenen Quanz
bey der Hand, und sprang mit ihm und den Kasten in
ein kleines, zum Einheizen der Öfen bestimmtes, Kabi-
net. Hier mußten sie über eine Stunde harren, und
Quanz zitterte am ganzen Leibe, um so mehr , als
er einen rothen Rock an hatte, eine Farbe, welche dem
Könige höchst zuwider war. Der Kronprinz hatte
zwar in größter Eile die Uniform angezogen ; aber der
Haarbeutel war so geschwind nicht wegzubringen, und
man kann leicht errathen, wie die Zusammenkunft ge=
wesen seyn mag. Der König entdeckte bald die hinter
den Tapeten verborgenen Schränke, wo die Bücher
und die Schlafröcke befindlich waren. Diese ließ er
gleich in das Kamin werfen , die Bücher hingegen be-
fahl er, dem Buchhändler Haude zu verkaufen. Die
ser behielt dieseiben zum Dienste des Kronprinzen, der.
27

davon einzeln abholen ließ , was er brauchte, bis ihm


die ganze Bibliothek wieder zugestellt werden konnte.
Unter Quanz's Anleitung blies Friedrich die
Flöte bald meisterhaft. Die herzrührenden Säße in
den für ihn verfertigten quanz'schen Konzerten spielte
er vorzüglich mit einer Simplizität und inneren
Empfindung , welche selbst wenige Virtuoſen haben.
Im Allegro hatte er einen brillanten Vortrag ; aber
seine Kammermusik verzog ihn, indem sie ihm bestån
dig im Takte nachgab.
Auch im harmonischen Sage war er nicht ganz
unerfahren , und er komponirte mancherley. Seine
Singkompositionen hatten weiter nichts Ausgezeich=
netes , als fließenden Gesang , den er so sehr liebte.
Aber bey seinen Flötensolo's hatte er die Absicht,
irgend einen Theil des Vortrage auf der Flöte, den
er so eifrig studirte, irgend eine Schwierigkeit der
Exekution, irgend eine Genauigkeit in Artikulation
der Tone, irgend eine Feinheit im Ausdrucke beson-
ders, sich praktisch vorzustellen, und darüber nachzu-
denken. So entstand später eine der ersten muſikali-
schen Merkwürdigkeiten, ein praktischer Kursus über
den Vortrag auf der Flöte, und von einem Manne,
wie Friedrich der Große!
Vergebens suchte der König den Kronprinzen
an die Gesellschaft zu gewöhnen, in der er seine Erho
lungsstunden feyerte. Während Friedrich Wilhelm
und sein sogenanntes Tabakskollegium sich mit den
Hofnarren beluftigten, saß Friedrich mit wenigen
Freunden bey der stillen Lampe und las Wolf's Me
taphysik. Sein weiches Gemüth, und sein schwächlicher
Körper, erlaubten ihm nicht, ohne eine Krankheit zu
3*
28

veranlaffen , an den Parforçejagden des Vaters mit


Lust Theil zu nehmen. Corneille, Recine und Voltaire,
so wie die Meisterwerke der Griechen und Römer
(durch französische übersehungen) kennend , und sie
tåglich bewundernd , mußten ihn die teutſchen Hans-
wurst-Comödien mit Eckel erfüllen . --- Geschichte der
alten Staaten war sein Lieblingsstudium , er lernte
darin ein Leben der Sitte, des Rechts, der Schön-
heit kennen, gegen welches das Leben, in welches er
sich geworfen sah, wie Fraße und Karrikatur erschien.
Er erfuhr wol auch das Unrecht und die Schandthaten
der Vergangenheit , aber verehrte auch die rächende
Nemesis , die der Schuld auf der Ferse folgt.
Immer schöner und schöner entfaltete sich mit
dem Eintrit des Jünglingalters die Blüthe des Ge-
nies, und je weniger die angewiesenen pflichtmäßigen
Geschäfte dem schon damals großen Geiste des Kron-
prinzen Befriedigung gewährten, desto feuriger wurde
bey ihm die Liebe zu den Wiſſenſchaften. Sich stets,
fo oft es ihm möglich wurde, von dem lächerlichen,
aber hart bedrückenden Zwange losreißend, suchte er
immer wieder in seinem einsamen Zimmer Erholung,
bald bey den kräftigen Werken der Alten, bald bey
den Herz und Geist erhebenden der neueren franzöfi=
schen Schriftsteller. Zu Unterhaltung mit gelehrten
Freunden mußte er, aus Furcht vor dem, bey der ge=
ringsten Veranlassung sich stèts als zürnender Gebieter
zeigenden , Vater , oft die nächtlichen Stunden wáh-
en *).

*) Man sehe die Correspondance familière et


amicale de Frédéric second , roi de Prusse, avec
29

Aus dem Gesagten geht schon hervor , daß die


kostbare , für manchen so traurige Liebhaberey Fried-
rich Wilhelm's für das Soldatenwesen, nicht auf einen
großen und edeln Zweck hinzielte. Das Militår war
ihm , was dem Kinde die Puppe , dem Knaben der
Ball ist. Er war Soldat , ohne Krieger zu seyn, .
Herr einer Armee, ohne den Geist eines Feldherrn zu
haben - er hatte die Sucht, Riesen zu halten, an der
Figur der Soldaten zu künfteln, und sie unaufhörlich
in den Handgriffen zu üben : lauter untrügliche Kenn-
zeichen eines Geistes, der für das Große des Krieges
nicht geboren ist. Dadurch hatte er sich in Europa
eher lächerlich, als furchtbar gemacht. - Man
nannte Friedrich Wilhelm den Korporal unter
den Königen, und dies drückte vollkommen feinen
Geschmack an dem kleinen Dienste , und die wenigen
großen Ideen aus, die er mit seiner großen Macht
verband *)."
Aber die Seele des Kronprinzen, nur an schönen
und erhabenen Ideen Unterhaltung findend , konnte
nur mit Mißvergnügen und Unmuth sich an die klein-
lichen Manieren der Kriegübungen und das übertrie-
bene , steife Ceremoniel gefettet sehen , worauf mit
äußerster Strenge gehalten wurde. Der Mangel an

U. F. de Suhm , worin Friedrich ( tome pre-


mier, pag. 9) schreibt : Je me rapelle toutes
nos conversations nocturnes , et je vous assure
que je n'ai pas perdu un petit mot de tout
ce que Vous m'avez dit etc."
*) Lobschrift auf Friedrich den II. vom Grafen
v. Guibert, aus dem Franzöſiſchen v. Zöllner, S.
2 und 3.
30

Intereſſe und Eifer, den er für den Dienſt blicken ließ,


zeigte diese Unzufriedenheit merklich genug. Auch
drückte er sie in feinen Mienen aus, wenn der König
auf der Parade öfters die unbedeutendste Kleinigkeit
mit Höchsteigener Hand bestrafte. Jeder Hieb, jeder
Stoß, den der jähzornige Vater bald mit der Faust,
bald mit dem Stock, oft blindlings , den Soldaten
versehte, war demKronprinzen ein Schwertstreich, der
fein Herz verwundete. Dieses Betragen zog ihm ſets
den Unwillen des Vaters zu, der, in banger Besorgniß
für das dereinstige Wohl Preußens, nicht seiten auf-
rief: Der Petitmaitre wird einmal Alles verderben.“
Täglich mehr in diesem Wahne beſtärkt, sowol
durch das, was er selbst sah, als auch durch dasjenige,
was ihm niedrig denkende Menschen einflüsterten,
ging der König mit dem Gedanken um , Friedrich
von der Thronfolge auszuschließen, und sie seinem
zweyten Sohne, August Wilhelm , *) zuzuwenden,
der gern in dem Familienkreise war , und überhaupt
in allen Stücken ihm gefällig zu seyn_fich bemühte.
Ben jeder Veranlassung drang daher der Vater in
Friedrich, der Thronfolge zu entsagen , und sein
Erftgeburtrecht dem Bruder abzutreten. Aber mit
Bestimmtheit erklärte dieser , er wolle sich eher
den Kopf abschlagen lassen , als dem König
in seinen ungerechten Forderungen nach-
geben. Zuleht schien er sich dennoch bereit dazu
finden zu laſſen , jedoch blos unter der Bedingung,
wenn sich sein Vater entschließen wollte, in einem

*) Dem Großvater des jezigen Königs, Friedrich


Wilhelm des 111,
31

öffentlichen Manifeſte zu erklären, daß er ihn nur aus


dem Grunde von der Thronfolge ausschließe, weil er
(Friedrich) nicht ſein leiblicher und ehelicher
Sohn sey." --- Von diesem Augenblick an hörte
jede Zumuthung der Art auf, denn Friedrich Wil-
helm, strenge auf eheliche Treue ſehend, wäre zu einem
solchen Schritte wol durch nichts auf Erden zu bewe=
gen gewesen. übrigens beweist diese Erklärung un-
streitig Verstand , und eine vollkommen genaue und
richtige Beurtheilung der Dinge.
Aber immer neuer Stoff bot sich dar, die Unzu-
friedenheit des Vaters mit dem Kronprinzen zu un-
terhalten. Der damalige französische Gesandte zu
Berlin , Graf von Rothenburg, erzählt, der König
habe einst jenen überrascht, als er sich bey der Tafel
eines filbernen Bestecks bediente, und dies so heftig
geahndet , daß es zu Thätlichkeiten gekommen sey.
Friedrich Wilhelm wollte durchaus von der vorge
schriebenen Tafelökonomie des Kronprinzen nicht ab
weichen , und zwey Personen besonders nåherten ſtets
die zwischen Vater und Sohn herrschende Spannung,
indem sie den ersteren unausgeseht entweder ſelbſt,
oder durch ihre Kreaturen, unterrichteten, wenn die-
fer etwas mehr Aufwand machte. Daß man nicht
immer bey der Wahrheit blieb, läßt sich leicht erra-
then. did Jene Leute waren der Minister von Grumb-
kow , dem sich auch der Fürst Leopold von Anhalt-
Dessau anschloß, beyde um gewisse Plane zu fördern,
vorzüglich aber der östreichische Gesandte von Secken
dorf, ein schlechter General, aber desto gefährlicherer
Staatsmann , dieser jedoch aus anderer Absicht.
"So unumschränkt der König seine Wilkür
32

glaubte", fagt Förster,,,so wußten doch Einige, de


nen er besonderes Vertrauen schenkte, ihn zu ihrem
Vortheil zu beschränken und von sich abhängig zu
machen. Von den eigenen Hofleuten wußte der Ge=
neral und Minister von Grumbkow am Besten mit
dem Könige umzugehen, folgsamer jedoch war er dem
Gesandten des wiener Hofes , Grafen Seckendorf,
der dadurch den garzen berliner Hof von ſich abhängig
zu machen gewußt hatte.“
Die lebendige Schilderung die uns Pólniß von
ihm gibt, ist nicht sehr vortheilhaft : Von Secken-
Dorf affectirte teutsche Redlichkeit , die er doch nicht
fannte, und befolgte unter der trügerischen Außenseite
der Frömmigkeit, alle Grundsäge des Machiavell.
Mit dem schmußigsten Eigennuße verband er ein grobes
Betragen. Lügen waren ihm so zur Gewohnheit ge=
worden, daß er den Gebrauch der Wahrheit von Kin
dekbein an verloren zu haben ſchien ; es war die Seele
eines Wucherers, die bald in den Körper eines Kriegs-
mannes, bald in den eines Kaufmannes fuhr . Fal-
sche Schwüre und die abscheulichsten Niederträchtig=
keiten kofteten ihm nichts, sobald er etwas durchseßen
wollte. Mit seinem Gut war er geizig , aber ver-
schwenderisch mit dem Gelde seines Herrn, und gab.
von beydem täglich die auffallendsten Beweise."
Obschon er zudem rauhe und båuerische Sitten besaß,
so hatte er dennoch Friedrich Wilhelm von seinen Ver-
bündungen mit Frankreich und England abgezogen,
ihn zu dem Vertrage von Wusterhausen beredet, und
gegen seinen Schwager Georg den 11. so sehr aufge=
bracht, daß er im Begriffe war, die Waffen zu ergrei
fen, wenn es nicht noch ehrwürdige Patrioten durch
- 33

ihre Standhaftigkeit und Freymüthigkeit verhindert


hätten. - Dessen ungeachtet wußte er , mit Hilfe
einiger Generale und Minister , den König so sehr
einzunehmen , und sich so ganz seines Geistes zu be
mächtigen, daß er ihn völlig nach den Absichten des
wiener Hofs lenkte, und in das östreichische Staats-
interesse verwebte. Der einzige Kabinetsminister
Friedrich Ernst von Knyphausen stemmte sich noch
eine Zeitlang mit seinem patriotischen Eifer dem
Strome entgegen. Aber bald fühlte er, daß alle seine
Gegenbemühungen unfruchtbar blieben, und er zulet
mit Ungestum und mit Gefahr seiner Ehre verdrungen
werden würde. Er fing an, sich weislich zurückzuzies
hen und beklagte in der Stille mit dem Kronprinzen,
dem diese politische Lage der Dinge tief in die Seele
ging, den traurigen Zustand der Staatsangelegenhei
ten. Allein unvermuthet traf ihn der Sturm , und
er wurde auf seine Komenthurey verwiesen.
„Meine Frau und die ganze Welt“, ſchrieb Friedrich
Wilhelm einft,,,ift gegen ihn (Seckendorf), der Fürst
von Anhalt und mein Frih hassen ihn wie die Pest,
aber er ist doch ein brav Kerl und hat mir lieb... Und
hab ich vor ihn gethan, was ich vor keinen Minister
in der Welt thun werde."
Zwey Freunde hatte damals Friedrich,
denen er sein völliges Vertrauen schenkte, von Keith
und von Katt. Pólnih gibt uns von ihm eine getreue,
lebhafte Schilderung. Keith, damals noch Page
des Königs, hatte ein sanftes theilnehmendes Gemüth
und bezeugte dem Kronprinzen Mitgefühl bey der
Strenge, die er erfuhr. Dieser gab ihm dafür man-
chen Beweis des Vertrauens, und daß er ihm etwas
34

werth sey, und so mußte in dem Pagen, der von dem


künftigen Könige so ausgezeichnet wurde, der Gedanke
erwachen, einst eine bedeutende Rolle zu spielen ; er
ward jedoch bald nach Weſel als Lieutenant verseßt.
Katt war Lieutenant unter den Gardegendarmen.
Er hatte dem Kronprinzen sich unentbehrlich gemacht,
fein Äußeres empfahl ihn wenig ; er war klein, die
Pocken hatten sein Gesicht sehr zerrissen , er war von
der Sonne verbrannt , feine starken Augenbraunen
hingen wie schwere Wolken über seinen melancholischen
Augen. Die Gunst des Prinzen hatte seinen Ehrgeiz
gesteigert; auf Alles machte er Anspruch, der Kron
prinz versagte ihm Nichts ; er trug beständig ein Mi-
niaturbild der Prinzeß Friederike bey sich, daß er sich
von dein Kronprinzen ausgebeten hatte. Er benahm
sich in dem Verhältniß zu seinem hohen Freunde, wie
ein indiskreter Liebhaber , überall zeigte er feine
Briefe vor , erhob ihn zum Himmel und tadelte öfs
fentlich Alles, was der König that ; er forderte einen
Jeden auf, Parthey mit ihm für den Kronprinzen
gegen den Vater zu machen. Seine Lebensart war
nicht regelmäßiger als sein Verstand, er war ein Wüft-
ling bis zum übermaaß, affectirte gar keine Religion
zu haben , und überließ sich mit einem Worte allen
Ausschweisungen."
Nicht viel günstiger ist das Bild, das uns die
Schwester des Kronprinzen (die nachmalige Markgrá
fin von Bayreuth) von dem Lieutenant Katt gibt.
,,Sein Vater , der General von Katt , - so erzählt
fie - hatte ihn studiren laffen und bestimmte ihn
wegen seines ausgezeichneten Genies zum Civildienst ;
2 Der König befahl es anders, und nahm ihn unter die
35

Gardegendarmen. Der Umgang mit dem franzöſiſchen


Gesandten , Graf Rothenburg , Reiſen und Lektüre,
hatten seinen Geist und feine Sitten verfeinert ; er
war sehr gebildet und besaß einen höchstangenehmen
und leichten Gesprächston. Zugleich war er sehr håß.
lich von Gesicht, braun und voll Nåthe, die die Pocken
zurückgelassen hatten , die dichten schwarzen Augen
braunen, die ihm faſt die Augen deckten und über der
Nase sich vereinigten , gaben ihm eine unglückselige
Physiognomie. Er war ungeheuer ausschweifend und
spielte den starken Geist. Bey ihm verlor mein Bru-
der alles Christenthum und ließ sich zur ausgelassen.
ſten Liederlichkeit fortreißen. Ich merkte wol hier
und da etwas in meines Bruders Gesprächen , und
widerlegte oft sein System von der Prådestination,
wodurch er behauptete, man könne sich der Sünde nicht
erwehren. ― Ich hatte nicht gedacht, daß er mit dies
sem Saß alle Religion umwerfen würde." ―
Dem Vater blieb solcher Umgang keineswegs
verborgen , und seine Strenge gegen den Kronprinz
ward dadurch nun noch mehr gerechtfertigt ; er ließ
ihn sogar wieder Fähndrichsdienste thun.
Im May 1728 reiste der König allein nach
Preußen, der Kronprinz blieb in Potsdam unter der
Aufsicht des Obersten von St. Sauveur ; dieser erhielt
Befehl den Fechtmeister Panzendorf nach Potsdam
kommen zu lassen, damit der Kronprinz Lektion habe."
-
Die Heirathsanträge die der Graf Seckens
dorf machte, waren durchaus nicht im Sinne der Kö
nigin , die gern eine Verbindung ihrer Kinder mit
dem väterlichen Hause in England einleiten wollte.
Auch der König war sehr geneigt dazu und die
36

Unterhandlungent wurden ernsthaft angeknüpft. Der


Herzog von Glocester (er ſlarb als Prinz von Wales)
follte sich mit der åltesten Prinzessin von Preußen,
Friederike , und der Kronprinz mit der englischen
Prinzessin Amalie , vermählen. Man wollte durch
diese Familienbande jenes politische Bündniß noch
enger knüpfen , das beyde Höfe gemeinschaftlich mit
Frankreich und den Generalstaaten zu Herrenhausen,
bey Hannover , geschloffen hatten (3ten September
1725 ). Die Sendung des Grafen Seckendorf hatte
vornehmlich die Absicht , die politische Verbindung,
und also auch die Familienvereinigung Preußens und
Englands, zu hintertreiben. Es glückte ihm, wie wir
schon erwähnten , den König zu überreden , daß Eng-
land ihn mit ungebührlichem Stolze behandle, und so
gelang es ihm zuvörderft durch ein politiſches Bünd-
'niß, das zu Wusterhausen den 12ten October 1726
unterzeichnet wurde, den König ganz auf die Seite des
wiener Hofes zu ziehen. Desto hartnäckiger hielt die
Königin den einmal gefaßten Plan feft, und selbst als
der König wegen gewaltsamer Werbung in Hannover,
von Georg dem 11. eine Kriegserklärung erwarten
mußte , unterließ sie die Heirathsunterhandlungen
nicht, so streng sie auch der König untersagt hatte.
Als er die fortgefeßten Verbindungen erfuhr , welche
die Königin mit dem englischen Minister Doubour-
geai fortfeste , so schickte er ihr durch die Generale
Fink, Bork und Grumkow die Erklärung : „ daß er
ihrer Intriguen, die sie mit dem englischen Höfe spiele,
müde sey, daß er ihr hiermit durchaus verbote , sie
weiter fortzusehen , daß er jeßt fordre , daß sie sich
entschließe , ihre Tochter entweder dem Markgrafen
37

von Schwedt, oder dem Prinzen von Weißenfels zu


geben. Verweigere sie den Antrag , so sey er fest ent-
schlossen , ganz mit ihr zu brechen und sie mit dem
Kronprinzen nach Brandenburg zu verbannen, den er
nicht weiter für seinen Sohn anerkennen werde, da
er gemeinschaftliche Sache mit ihr mache. " Die
Königin verweigerte standhat ihre Einwilligung ; der
König ging nun selbst zu ihr , mußte fich aber zur
Nachsicht bequemen , da die Königin , die eben guter
Hoffnung war, mit Bitten , Thränen , Schwüren und
Ohnmachten ihn so aus der Fassung brachte, daß er
versprach, noch einmal die Anträge zu hören , die der
englische Minister Hotham machen würde, den man
eben erwartete .
Der König håtte wol gern seine Prinzessin an
den Erben der englischen Krone vermählt gesehen,
aber in sein Haus wollte er keine englische Prinzessin
nehmen. Der Ritter Hotham kam mit ausgedehnter
Vollmacht an, die Königin durfte ſich ſchon an dem
Ziel ihrer Wünsche glauben, als der König das Ver-
hältniß von Neuem dadurch störte , daß er über Tafel
nur auf die Gesundheit des Prinzen von Wales und
der Prinzeß Friederike trank , und dem Ritter er-
klärte der Kronprinz sey noch zu jung, auch verlange
er, daß man ihm zum Statthalter von Hannover er-
nenne und dort mit der Neuvermählten residiren lasse.
Auch hierzu traf die Einwilligung von dem engliſchen
Hofe ein, Hotham überbrachte sie dem Könige, mit
der Anforderung, den General Grumkow zu entlassen,
der sich, durch einen Briefwechsel nach London , mit
dem dortigen Hofe verdächtig gemacht habe. Der
König fah recht gut, daß diese Bedingung, durch die
Friedrich d. Einz. I.. 4

109014
38

Intriguen des eigenen Hauses angezettelt war, er


warf dem Minister Hotham die Briefe vor die Füße,
am wenigsten", rief er im heftigsten Zorne aus,
fellt Ihr in meinem Hause mir Gefeße vorschreiben,"
und machte eine Bewegung mit dem Fuße , von der
der Minister glauben mußte , daß sie ihn gegolten
habe. Er nahm diese Begegnung als eine Beleidi
gung gegen die Krone Englands, und erklärte, ſogleich
Berlin zu verlassen . Vergebens fuchte der König am
andern Tage den erzürnten Briten zu beruhigen , der
dänische Gesandte suchte den Vermittler zu machen,
und rieth dem Kronprinzen , an Herrn Hotham zu
schreiben; dies ist der Brief: „ Nachdem ich von dem
danischen Gesandten, Herrn von Leuenöhr, die neu
lichen Äußerungen des Königs , meines Vaters , er-
fahren habe, so zweifle ich nicht, daß Sie ſich seinen
Wünschen fügen werden. Haben Sie die Güte zu
bedenken, daß mein und meiner Schwester Glück, so
wie die Fortdauer des Bündniſſes und das gute Ver-
nehmen der beyden Häuser von Ihrer Antwort ab
hängen. Ich hoffe , daß dieselbe nach meinen Wün-
schen ausfallen wird, und daß Sie meinen Bitten Ge-
hör geben werden. Ich werde diesen Dienst, den ich
mein ganzes Leben hindurch erkennen , und wofür ich
ftets die vollkommenste Hochachtung an den Tag legen
werde, nie vergessen. Seyen Sie auch versichert, daß
ich jederzeit Ihr wohlaffectirter und sehr guter Freund.
-
ſeyn werde. — Friedrich.“ – Hotham antwortete:
„ Der Herr von Katt hat mir das Schreiben E. k. H.
überbracht. Das Vertrauen, das Sie in mich seßen,
fordert meine ganze Erkenntlichkeit. Wäre die Rede
blos von meiner eigenen Person , so würde ich im
39

Stande seyn, selbst das Unmögliche zu versuchen, um


Ihnen meine Ehrfurcht und Bereitwilligkeit , Ihren
Befehlen zu gehorchen, zu zeigen. Da aber der mir
angethane Schimpf die geheiligte Person des Kö-
nigs, meines Herrn, betrifft, ſo bin ich außer Stande,
mich dem Wünschen E. f. H. zu fügen. Unterdessen
werde ich mich bestreben , dieser Sache die bestmög
lichste Wendung zu geben. Ob dieses nun gleich die
gegenwärtigen Unterhandlungen auf einige Zeit un-
terbrechen wird, so hoffe ich doch, daß dies nicht auf
immer der Fall seyn wird. ´Ich bin 2c.“ -―
So sehr die Königin über diese Antwort betrübt
war, so wenig bekümmerte sie den Kronprinzen. Er
zuckte die Achseln , und sagte seiner Schwester im
Scherz: fie könne nun Äbtissin werden ; im Ernst fügte
er aber hinzu, daß er sich bald aus diesen Händeln
ziehen werde, sein Entschluß, davon zu gehen, sey der
Ausführung nahe, und er wisse, wo man ihn mit offe
nen Armen aufnehmen werde. Sie haben mich, sagte
er, zu König Arthus Tafelrunde geladen, dort ist der
Hafen der Freyheit , und um einer schönen Braut
willen ist schon die Ritterfahrt zu wagen.
So fehr die Schwester ihn mit Thränen be-
schwor, den våterlichen Hof nicht zu verlassen, so gab
er ihr doch die bestimmte Versicherung, daß er seine
Flucht nicht länger verschieben werde. Er fürchtete,
daß der König , der ihm kürzlich mit den Worten :
ich werde Dir Dein Schreiben anstreichen!
verüber gegangen war , Nachricht von einem Briefe
habe, den er der Königin von England geschrieben
hatte, worin er versicherte, sich nie mit einer anderen
-
Prinzessin , als einer englischen, zu vermählen. —
40

Der Kronprinz , und mehr noch der Lieutenant


Katt, der, wie ein indiscreter Liebhaber, die Briefe
seines Freundes vorzeigte, hatten so wenig Geschick,
ihr Unternehmen zu verbergen , daß bald der ganze
Hof und zuerst Grumkow und Seckendorf davon wuß-
ten. Als ein Zeichen, wie sehr er mit dem Kronprin=
zen verbunden sey, zeigte Katt hier und da das Bild-
niß der Prinzessin Friederike vor, das ihm von dem
Kronprinzen mit einigen Juwelen und Brieffchaften
anvertraut worden war.
Eben hatte der König, erzúrnt, daß er für den
Kronprinzen 7000 Thaler Schulden bezahlen mußte,
ein strenges Edikt ( 22ten Juny 1730 ) erlaffen,,,daß,
hey Strafe der Kärre und nach Befinden Leib und Le-
bens, Niemand einem Minderjährigen, auch nicht von
der königlichen und markgråflichen Familie, Geld lei=
hen sollte." Dennoch hatte Katt einige Summen für
den Kronprinzen aufzutreiben gewußt , auch hatte er
bey dem königlich polnischen Kabinetsminister von
Hoom um einen Paß für den Kronprinzen nachgesucht,
da dieser unter einem fremden Namen eine Reise
incognito zu machen wünsche. Hoym wußte , was
Niemand in Berlin ein Geheimniß war , und be=
richtete an den Hof nach Dresden über das Vorhaben
des Kronprinzen, den man hier mit dem Könige zu
dem Luftlager bey Mühlberg erwartete.
- Oft hatte der Vater zu Schlägen und
Schimpfworten noch den Spott hinzugefügt, und dem
Sohne gesagt: Du bist ein Prinz ohne Ehre, wäre mir
so begegnet worden, ich wäre längst zum Teufel ge-
laufen.
Wir haben uns nicht zu bemühen einen
41

einzelnen Grund aufzusuchen, der die Veranlassung zu


der Flucht wurde , durch die der Kronprinz sich auf
inimer von der strengen Aufsicht des Vaters befreyen
wollte, das ganze Verhältniß, in dem er lebte, forderte
ihr dazu auf, und nach einem Beyspiel hatte er nicht.
weit zu suchen, da Friedrich der I. eben so als Kron-
prinz von dem Hofe ſeines Vaters heimlich entflohen
mar.
Der Kronprinz hatte öfter schon gegen den Vater
den Wunsch geäußert , auf Reisen zu gehen ; dieser,
der mit seinen unruhigen Plänen bekannt war, schlug.
es ihm ab; um ihm jedoch in beschränkterer Weise sei-
nen Wunsch zu erfüllen, erlaubte er, daß er ihn auf .
einer Reise nach dem füdlichen Teutschland , dem,
Rhein und Holland begleiten dürfte. Mit Freuden
nahm der Kronprinz diese Erlaubniß an , er war fest
entschloffen , sobald ihm die Witterung der Freyheit:
günstig die Segel ſchwelle, auf gutes Ritterglück da-
von zu gehen. -
Den 15ten July 1730 reiste er mit dem Könige
ab. Eine Einladung des Königs August führte sie
zuerst nach dem Luftlager bey Mühlberg. Schon hier
war der Kronprinz im Begriff, den Vater zu verlas
fen, König August aber, der durch seinen Minister in
Berlin von dem Vorhaben des Kronprinzen unter
richtet war, überredete ihn, das Fest und die Freund-
schaft nicht auf eine so unangenehme Weise zu stören.
Von hier begab sich der König zu dem Markgra-
fen von Anspach; auch dieser war schon mit den Plá-
nen zur Flucht bekannt, und weil er fürchtete, daß,
renn sie bey ihm unternommen werde, er an dem Kö-
nig einen schlimmen Gast haben würde, ſo erlaubte er
42

nicht einmal dem Kronprinzen, Pferde aus dem Mar-


stalle zu reiten . Der Graf Seckendorf erhielt in An-
spach Briefe aus Berlin , die ihm meldeten , daß die
Flucht Friedrich's dort ſchon das Stadtgeſpräch ſey ;
er theilte sie dem Könige mit, der jeßt den Obristen
von Rochow und den General Waldow, die er in seiner
Begleitung hatte, für die Person des Kronprinzen
verantwortlich machte. Die Gesellschaft fuhr weis
ter, und wendete sich nach dem Rheine ; långer ge=
dachte der Kronprinz sein Unternehmen nicht verschie
ben zu dürfen , er schrieb an Katt:
"In zwey Tagen bin ich frey , ich habe Geld,
Kleider, Pferde, meine Flucht wird unfehlbar gelin=
gen, und sollt ich verfolgt werden, fo will ich in einem
Kloster mir eine Freistatt ſuchen, wo man unter Ska-
pulier und Kutte den argen Keßer nicht heraus finden
foll. Du wirst mir sogleich nachfolgen mit dem, was #
ich Dir anvertraut habe , und wenn wir uns auch erst
jenseits des Meeres wiederfånden ; nimm Deinen Weg
über Leipzig und Wesel nach Holland , dort wirst Du
von mir hören.“
Durch einen sonderbaren Zufall ward dieser
Brief der Verräther des Unternehmens , deſſen Aus-
führung unfehlbar schien. In aller Eil hatte der
Kronprinz den Brief : ,,An den Lieutenant v. Katt
über Nürnberg" adrefsirt, in ,,Berlin" aber vergessen.
Der Postmeister in Nürnberg vermuthete , daß dieser
Brief an einen preußischen Werbe-Officier , Namens
Katt, der eben in Nürnberg sich aufhielt, gerichtet (ev,
und gab ihn an dieſen.
Während dem folgte der Prinz, ohne Ahnung
jenerVerwechselung, mit der ihm eigenen Unbefangen
43

heit sorglos ſeinem Vater bis nahe bey Frankfurt am


Main , wo in einem Dürfe Nachtquartier genommen
ward.
Der König hatte vorgezogen , statt der einge-
räucherten Wirthstuben , mit seinem Gefolge einige
Scheunen mit bequemer Streu zu beziehen ; bey Fried-
rich schlief der Herr von Rochow und ein Kammer-
diener. Von hier zu entfliehen war fester Enschluß
des Kronprinzen ; den jungen Keith , Leibpagen des
Königs , Bruder des Lieutenants Keith in Wesel,
hatte er überredet , ihm um Mitternacht Pferde zu
bringen, um mit ihm auf Abentheuer auszureiten.
Sobald er seine beyden Schlafgesellen festeinge
schlafen wußte, kleidete der Kronprinz ſich an ; er
hatte überrock und Mantel nach französischem Schnitt
bey sich, unter diesen hoffte er sicherer zu reiſen, als
in der Uniform. Aber das verrätherische Scheunthor
knarrte zu laut, der Kämmerdiener erwachte, rief dem
Herrn von Rochow zu, der Kronprinz ward vermißt,
beyde liefen , ohne sich anzukleiden , nach der andern
Scheune, in der die Herren von Buddenbrok , Wal-
dow und Derschow ſchliefen, um hier Lårm zu machen.
Alle eilten in das Dorf, wo sie den Kronprinzen an
einen Wagen angelehnt fanden , seine Reitpferde er
wartend. Sehr bestimmt antwortete er ihnen auf
die Frage : was er vorhabe? daß er nicht nöthig
habe ihnen Rechenschaft davon zu geben. Die Pferde
kamen an, der Kronprinz versuchte aufzufißen , die
Officiere hinderten es jedoch, theils mit Gewalt, theils
mit Bitten, und mit dem Versprechen, daß der König
durchaus nichts von diesem Vorgang erfahren sollte ;
-
nur baten sie ihn , nie anders, als in uniform,
44
auêzureiten. Der König erfuhr auch wirklich von
diesem Vorgange nichts, und noch einmal war das Un-
gewitter vorübergegangen, aber nur um am folgenden
Tage sich desto heftiger zu entladen.
In Frankfurt erhielt der König durch eine Sta-
fette den Brief des Kronprinzen an Katt , der ihm
von Nürnberg zugeschickt ward ; er kannte die Hand
und auch die Gesinnung des Kronprinzen zu gut, als
daß er hier zweifeln konnte. Außer sich vor Zorn,
befahl er , den Kronprinzen sogleich auf das Schiff
zu bringen, das bereit lag zur Fahrt nach Wesel. Am
folgenden Tage erst stieg der König ein, er war noch
so zornig, daß er den Kronprinzen bey der Brust
faßte und ihm mit dem Stockknopf die Nase blutig
stieß. Mit verbisfenem Schmerz rief dieser aus :
,,Jamais un Visage de Brandebourg n'a
souffert un affront pareil !" Die Herren von Wal-
dow und Rochow warfen sich zwischen beyde, und er-
hielten vom erzürnten Vater die Erlaubniß, den Prin-
· zen auf einer besonderen Jagt nach Wesel zu bringen.
Zuvor ließ der König ihm den Degen abnehmen , die
Taschen durchsuchen, um zu sehen, ob er nicht Briefe
bey sich habe. Man fand nichts, der Kronprinz hatte
einige verdächtige Schriften sogleich in das Wasser
geworfen. So kam man nach Bonn, wo der König
in gegenwärtiger Verfassung dem dortigen Hofe aus
zuweichen wünschte , allein er fand den Churfürsten
von den Pfalz und deſſen Bruder Theodor am Ufer
des Rheins. Er konnte nicht abschlagen, eine Nacht
in Bonn zuzubringen ; da er hier öffentlichen Lärm
fcheute, war er sehr besorgt , der Prinz möchte von
hier noch einmal die Flucht wagen. In zwey Tagen
45

war die Fahrt nach Wesel zurückgelegt , hier wurde


der Prinz in ein Zimmer eingeschlossen und erhielt
starke Bewachung ; bey Lebensstrefe war verboten mit
ihm ein Wort zu reden.
Am folgenden Tage befahl der König dem Com-
mandanten der Festung , General von Mosel , den
Kronprinzen zu ihm zu führen. Warum, fragte der
noch immer erzünte Vater, haſt Du austreten wollen ?
Weil Sie, antwortete der Prinz, mich nicht wie Ihren
Sohn , sondern wie Ihren Sklaven behandelt haben.
- „ Du bist ein infamer Deserteur, der weder Muth,
noch Ehre hat.“ - Ich habe so viel als Sie, entgeg=
nete der Prinz , ich habe das nur thun wollen , was
Sie, wie Sie oft sagten, an meiner Stelle thun wür-
den.
Diese heftige Antwort reißte den König zu neuer
Wuth, er zog den Degen. Entschloffen faßte der Ge=
neral Mosel den Arm des Königs ; „ tödten Sie mich“,
rief er, aber schonen Sie das Haupt des Kronprin
zen." *) Der König ward dadurch überrascht, und der
General benüßte die Gelegenheit , den Kronprinzen
wieder auf sein Zimmer zu führen.
Auf angelegentliche Vorstellungen der Generale.
des Gefolges, vermied der König, den Prinzen wieder
zu sehen. Er übergab den Generalen von Dossom
und von Waldow und dem Obristen von Rochow die
Bewachung des Prinzen, mit dem Befehle : ihn so ge=
schwind und heimlich als möglich nach Mittenwalde
bey Berlin zu bringen , und daselbst seine weiteren

*) Diese Scene ist von Schubert gezeichnet , von


Berger gestochen.
46

Befehle zu erwarten. Er verbot ihnen das hannóve-


rische Gebiet zu berühren , weil er fürchtete , daß der
Kronprinz leicht hier Freunde finden möchte, die ihm
gefällig seyn könnten.
Fast wåre dem Kronprinzen die Flucht aus Wesel
noch geglückt. Von unbekannter Hand waren ihm
Bauernkleider und eine Strickleiter zugesteckt wor-
den. Schon hatte er die Leiter befestigt und stieg
herab, als das Werda ? der Schildwache ihn zur Rück.
fehr bestimmte.
Während der Reise nach Brandenburg machte
der Kronprinz keinen weiteren Versuch zur Flucht,
was wol möglich gewesen wäre, wenn er sich håtte dem
Landgrafen Wilhelm von Hessen- Kaffel oder dem Hers
zoge Friedrich von Sachsen-Gotha, durch deren Gebiet
er geführt wurde, entdecken können. Beyde haben
den Herrn von Pólnig versichert , daß sie bereit ge
wesen wären , den Kronprinzen nicht zu dem Vater
bringen zu lassen. Vielleicht sind dies indessen auch
nur gute Versicherungen, die hintenher leicht zu geben
waren ; schwerlich würden jene Fürsten eine Einmi.
schung in so besondere Familienangelegenheiten des
ihnen wolbekannten, eisenfesten Königs gewagt haben.
Sobald der König den Kronprinzen in Frank-
furt festnehmen ließ, sandte er Befehl nach Berlin, um
Den Lieutenant v. Katt, und nach Wesel, um den Lieu-
tenant v. Keith, der früher Page bey ihm war, und in
einem nahen Verhältniß zum Kronprinzen stand , zu
verhaften. Ein glücklicher Zufall rettete Keith. An
dem Tage der Ankunft des Königs ging er unbesorgt
auf dem Markt spaßieren , er frug einen Pagen , der
mit der Bagage des Königs voraufgefahren war, nach
47

Hofneuigkeiten. Von ihm hörte er von der Gefan-


gennehmung des Kronprinzen , von dem Gerücht über
Katt's Verhaftung in Berlin, und von Briefen, die er
eilig dem Commandanten übergeben solle. Keith
merkte , wem dies gelten möchte , er stieg eiligst zu
Pferde und ließ die Stadt hinter sich ; man traf ihn
nicht mehr, da man ihn verhaften wollte. Er hatte
nur einen Spaßierritt vorgegeben, man fand alle seine
Sachen in gewöhnlicher Ordnung, und wartete deßhalb
ruhig , aber vergeblich , auf seine Rückkehr. Schon
hatte er die holländische Gränze gewonnen , als ihm
der Obristlieutenant Dumoulin nachsehen mußte ; die
fer verfolgte seine Spur bis in den Haag, und ſtieg in
eben dem Wirthshause ab , in dem Keith eingekehrt
war, aber sich sogleich in den Schuß des engliſchen Ge-
sandten, Milord Chesterfield, begeben hatte. Von ihm
erhielt Keith Påffe nach London, und während Dumou-
lin von dem Großpensionår die Auslieferung des preu
ßischen Officiers, als eines entwichenen Majestäts-Ver-
brechers, forderte, war dieſer ſchon in ſicherem Port.
Keith fand gute Aufnahme in England , jedoch
fürchtete man am Hofe zu London, den König Frieds
rich Wilhelm zu sehr aufzureißen , wenn man dem
Flüchtling öffentlich Schuß gewähre ; er ward mit
einer Pension zunächst nach Irland geschickt , von wo
er hernach, als Preußen wiederholt die Auslieferung
forderte, nach Portugal in die Dienste des Königs
Don Juan des V.trat. Friedrich der II. rief ihn
fpåter zurück , nahm ihn in sein Gefolge auf, und
machte ihn zum Curator der Akademie.
Der Page Keith, der dem Kronprinzen in dem
Dorfe bey Frankfurt die Pferde gebracht, wurde gefan=
48

gen gefeßt, hernach als Fuselier untergesteckt. Der ents


wichene Lieutenant Keith dagegen abwesend von einem
Kriegsrecht gerichtet, zuvor aber öffentlich vorgeladen .
Nicht so glücklich entging der Lieutenant von
Katt der Gefahr, in die ihn die Freundschaft des Kron-
prinzen, und mehr noch die eigene Unvorsichtigkeit,
gezogen hatte. Zeitig genug erfuhr er durch den dáni-
schen Gesandten, von Leuenöhr, was dem Kronprinzen
begegnet sen, auch bot ihm dieser Pferde und Geld an
zur schnellen Flucht. Katt aber war sorglos genug, ſich
zuvor noch einen französischen Curiersattel zu bestellen .
Den 15ten August erhielt der Chef der Gendar-
men, von Nahmer , den Befehl , Katt zu verhaften .
Er hatte ihm kurz vorher Urlaub zu einer Jagdpar =
thie nach Friedrichsfelde gegeben, deßhalb gingen mehre
Stunden hin, eh' Nahmer Anstalt zum Arreßt machte.
Da er aber hörte , daß er noch in der Stadt anwesend
sey, begab er sich in seine Wohnung , wo er ihn
eben im Begriffe fand, das Pferd zu besteigen , das
ihn auf und davon tragen sollte. Nahmer kündigte
dem Lieutenant den Befehl des Königs an , worauf
jener antwortete : „Ich habe nichts zu fürchten .“
Der Obrist dachte jedoch ernſter über diese Sache nach,
und rieth ihm noch freundschaftlich , ſeine Briefe zu
ordnen. Kait verbrannte einen Theil davon , das
Kästchen aber, das der Kronprinz versiegelt ihm zuge=
fendet, übergab er zu treuen Hånden für die Königin .
Ein Adjutant führte ihn nun nach der Hauptwache,
und hier blieb er bis zur Ankunft des Königs *).

*) Dr. F. C. I. Fischer , in seiner ,,Geschichte


Friedrich's des Zweyten" , und ohne Zweifel
49

Eine sehr glaubwürdige Erzählung über die


Verabredung des Kronprinzen mit Katt und Keith,
und über die Schicksale beyder Freunde, befißen wir
von der Hand des Freyherrn von Hertefeld , der als
Landrath zu Böhelaar bey Xanthen am Rhein lebte.
Wir heben davon Folgendes aus :
,,Mein Vater , geboren 1709 , kand im Jahre
1730 bey den Gendarmen als Lieutenant , bey wel=
den sein unglücklicher Freund , der Lieutenant von
Katt, auch stand . Dieser , der Lieutenant von Keith,
und der Lieutenant von Spaen, waren des Kronprins
zen Vertraute, welche ſeine Entweichung nach England
befördern sollten.
....Keith war in Wesel, als der Kronprinz dort-
hin gebracht wurde, dieſer fand Mittel, ihm einen Zet=
tel zuzusenden, worauf er mit Bley geschrieben hatte:
Sauvez vous , tout est decouvert. Keith erkennt
die Hand, geht nach seinem Stalle , sattelt selbst sein
Pferd, und unter dem Vorwande eines Luftrittes,
kömmt er glücklich aus dem bṛüniſchen Thore, von wo
er bis Dingden , dem ersten münster'schen Dorfe , eine
Meile von Weſel, in einem Gallop reitet ; von da ritt

ihm nach auch Klarke (Geschichtskunde 2c.),


erzählen ganz fälschlich , Katt habe in Holland
ein Fahrzeug in Bereitschaft gehalten ; er sen,
nach Entdeckung des Projects, und trog der, von
dem Großpensionår gegen die, ihn zu fangen auss
gesendeten , preußischen Officiere , ausgestoßenen
Drohung , fie bey der geringsten Unternehmung
aufknüpfen zu laffen , verhaftet worden , worauf
der preußische Gesandte im Haag , Meinershagen,
vor Schrecken gestorben sey 2C.
Friedrich d. Einz, 1,
50

er, durch's Overyffel'sche, gerade nach dem Haag, wo-


felbft er zu einem Ambaſſadeur geht, (mir ist entfallen,
ob mir mein Vater den engländischen, oder den fran-
zösischen genannt hat , *) erzählt ihm sein Schicksal,
und bittet um Schuß. Dieſen ſagt der Gesandte ihm
zu , bringt ihn selbst in eine Dachstube, und befiehlt
seinem Kammerdiener , denselben allein zu bedienen,
und gegen Niemand zu äußern , daß ein Fremder in
seinem Hause sey. Der Gesandte gab Keith den Rath,
nach England, und von da nach Portugal, zu gehen, wo
fremde Officiere gesucht wurden.
,,Der König war unterdessen äußerst mißver-
gnügt, daß Keith ihm entkommen war. Sogleich mußte
der Obrist, nachmalige Generallieutenant , von Dus
moulin, der Spur Keith's nachreifen, und ihm war
ein Brief an des Königs Gesandten im Haag mitgege=
ben , worin dieser den Auftrag bekam, Dumoulin zu
unterstüßen , und Keith's Auslieferung zu besorgen.
Dumoulin und Meinerzhagen erführen, daß vor eini
gen Tagen ein fremder Officier angekommen , und zų
jenem Gesandten gegangen sey, ohne daß man ihn wei-
ter gesehen habe. Ihre Aufpasser meldeten ihnen,
daß in einer Dachstube in des Gesandten Hause des
Abends spåt Licht brenne , und daß diese Stube sonst
nicht bewohnt gewesen wäre. Aus diesem Umstande
schlofen fie, Keith sey bey dem Gesandten versteckt,
und schickten sich an , die Auslieferung zu fordern.
Am nächsten Morgen , in aller Frühe, sagte der Ge
fandie zu seinem Schüßling : Keith , Sie sind ver-
rathen, Ihr König läßt Ihnen aufpassen, haiten Sie

*) Es war der engliſche Gesandte Chesterfield.


51

fich fertig, noch heute bringe ich Sie nach Schevenin-


gen und Alles ist daselbst zu Ihrer überfahrt nach
England bereit."
,,Des Abends brachte er Keith in seiner Kutsche
nach Scheveningen, gab ihm Empfehlungsbriefe nach
London, und verließ ihn nicht, bis, er ihn in einem
Fischerboote hatte abfahren sehen. Keith entkam glück-
lich nach England, von wo er durch Empfehlung des
Hofes in portugisische Dienste ging. Einige Tage
darnach, und nur zufälliger Weise, erfuhr Dumoulin,
daß Keith entwischt sey. Er war nach Scheveningen
gegangen, um die Fischer einlaufen zu sehen , sprach
mit einem der Fiſcher , und wunderte ſich , daß sie mit
so kleinen Fahrzeugen sich in die offene See wagen
dürften. Der Fischer sagte ihm : mit solch einem
Boote fahren wir wol nach England, ich komme von
da, und habe einen fremden Öfficier übergefahren.
Dumoulin verlangte eine Beschreibung des Officiers,
und aus dem Unſtande, daß er geſchielt habe, ſchließt
er auf Keith.
,,Keith kam 1741 wieder nach Berlin , bekam
den Titel als Obristlieutenant und Oberstallmeister,
und ward Curator der Akademie der Wiſſenſchaften.
Mein Vater war mit dem Herrn von Keith sehr wol
bekannt, und wußte von ihm selbst die Art seiner
Entweichung.
Von Hertefeld."
Der König nahm seinen Rückweg bald nach dem
Kronprinzen, aber auf einer andern Straße. Zugleich
mit dem Verhaftbefehl gegen Katt , hatte er an die
erste Hofdame der Königin , Frau von Kameke , die
Nachricht von der Verhaftung des Kronprinzen
5*
52

geschrieben, damit sie die Königin auf die unerfreuliche


Ankunft vorbereiten sollte. Er schrieb:
Meine liebe Frau von Kameke.
Friß hat desertiren wollen. Ich habe mich ge-
nöthigt gesehen, ihn arretiren zu laſſen, ich bitte S : e,
auf eine gute Art meine Frau davon zu unterrichten,
damit diese Neuigkeit solche nicht erschrecke. übri
gens beklagen Sie einen unglücklichen Vater.
Friedrich Wilhelm.
Frau von Kameke empfing diese Zeilen in Mon- -
bijon, am Spieltische, neben der Königin, die mit ge-
nohnter Neugier verlangte , den Inhalt zu erfahren ;
fie hörte die Nachricht mit Furcht und Besorgniß.
Bald hernach fündigte ihr der Feldmarschall Nahmer
im Namen des Königs an : daß sie ihren Garten ver-
laffen, und sich von nun an in ihren Kammern auf dem
Schloffe aufhalte follte. Durch vertraute Hånde er-
hielt sie das Kästchen, das Katt ihr zusendete, und die
Prinzessin Friederike war hier schlau genug , um den
Vater geschickt zu betrügen ; man nahm heraus , was
gefährlich ſchien, und ſiegelte dann wieder zu.
Als der König den 27ten August über Magde
burg, Halle und Potsdam in Berlin anfam , begab er
sich sogleich zu seiner Gemahlin. Hier fand er seine
Kinder, die sich auf ihren Befehl ihm sogleich zu
Füßen warfen , und um Gnade für den Kronprinzen
baten. Der König stieß sie von ſich, und rief der Kö-
nigin mit schrecklichem Tone zu , daß der Kronprinz
schon todt sey. - Wie ! rief die vor Angst bleiche Kö
nigin, Sie konnten der Mörder Ihres Sohnes seyn ?
Er war nicht mein Sohn , sondern ein Deserteur , der
den Tod verdiente , war die harte Antwort. Die
53

Königin fiel in Ohnmacht. Der König ging auf fein


Zimmer, beschied den Generallieutenant von Grum-
kow, den General von Glaſenap, den General- Auditor
Mylius , und den General-Fiskal von Gerbert zu sich,
und befahl , Katt vorzuführen. Unterdessen ging er
noch einmal in das Zimmer der Königin , jest fiel ſein
Zorn vornehmlich auf die Prinzessin Friederike ; er
stieß sie vor die Brust und warf sie zur Erde ; die Köni
gin und die Kammerfrau entriffen sie noch größeren
Mißhandlungen , und führten fie nach einem anderen
Zimmer. Der König rief ihr drohend nach, daß sie
allein alles Unheil über sein Haus gebracht habe, daß
sie dafür mit ihrem Leben büßen sollte , daß er sie zu-
gleich mit dem Kronprinzen werde hinrichten lassen.
So erfuhr wenigstens die Königin, daß ihr Sohn noch
lebe.
Die Meldung von Katt's Ankunft rief den Kó-
nig nach seinem Zimmer. Hier kündigte er der ver-
fammelten Generalität und dem General Auditoriat
an, daß er sie zum Verhör des Lieutenants Katt beru-
fen habe, um durch dessen Aussagen dem Kronprinzen
den Prozeß zu machen, der an ihm und an dem Staat
zum Verbrecher geworden sey. Er erzählte ihnen
kurz den ganzen Vorgang , und fügte hinzu : daß der
Prinz ein undankbarer Sohn, ein Aufrührer und Un-
mensch sey , der keine Schonung verdiene.
Als Katt vor dem Könige erschien , warf er sich
auf die Knie ; der König faßte ihn mit wilder Ge
behrde, riß ihm , unter Schimpfreden und Fußstößen
das Johanniterkreuz ab, und schlug ihn mit dem Rohr-
stock gewaltig. Hierauf befahl er dem General-Audi-
tor Mylius, das Verhör einzuleiten. Auf jede Frage
54

antwortete Katt mit fester Gelassenheit ; er bekannte,


um die Flucht des Prinzen gewußt , und die Absicht
gehabt zu haben, ihm zu folgen. Auf die Frage : nach
welchem Hofe der Prinz habe habe fliehen wollen, ant-
wortete er , daß er davon nicht unterrichtet sey , daß
man dies aber durch die Briefe erfahren werde, die er
in einem verschlossenen Kästchen der Königin zugesen=
det habe. Sogleich wurde darnach geschickt ; der Kö-
nig ließ es mit Gewalt aufschlagen, fand aber nur un-
bedeutende Briefe und Auffäße , worüber er in neue
Wuth gerieth. Katt behauptete, daß weder die Köni-
gin, noch die Prinzessin , um die Flucht des Prinzen
gewußt hätten ; er allein sey sein Vertrauter gewe
sen; am oftesten habe er ihn in Potsdam gesprochen,
wenn der Lieutenant von Spaen die Wache gehabt.
Dieser Officier wurde sogleich verhaftet . Nach dem
Verhör mußte Katt die Uniform mit einem leinenen
Kittel vertauschen , und wurde wieder nach der Haupt-
wache geführt.
Die erste flüchtige Durchsicht jener Briefe ge-
nügte dem Könige nicht ; er befahl eine zweyte , die
aber nicht mehr Ausbeute gab, und Grumkow sagte zu
dem Könige: Die Weiber find listiger als die Schlan=
gen, die vorzüglichsten Stücke haben sie uns wegge=
nommen." Dies veranlaßte den König, von der Kö-
nigin die Auslieferung der zurückbehaltenen Briefe
unter heftigen Drohungen zu fordern ; diese berief fich
auf die unverleßten Siegel , die man an dem Kästchen
gefunden haben würde , wenn man vor der Eröff-
nung genau nachgesehen, und versicherte, nichts zurück-
behalten zu haben. „ Das wird Euch wenig helfen“,
sagte der König,,,Katt hat genug ausgesagt, um Frigen
55

und der faubern Tochter die Köpfe springen zu laffen.


Die Friederike soll in drey Tagen an einem Orte
stecken, wo sie Zeit haben wird zum Nachdenken . “ Sie
erhielt Wache vor die Thüre. Die Königin beschwor
ihn vergeblich, doch wieder våterliche Gesinnungen an
zunehmen ; sie bat flehentlich, ihr zu sagen, wie und wo
fich der Kronprinz befinde. " Was kann Euch da-
ran gelegen seyn", antwortete der König im Wegge-
hen , zu wissen , was ein Mensch macht, der in drey
Tagen nicht mehr seyn wird.“ Nun gab er von
Neuem Befehl an den General- Auditor, gegen alle Per-
fonen Untersuchung zu eröffnen, mit denen der Pring
irgend eine Verbindung gehabt habe.
Fräulein von Bülow, erstes Hoffräulein der Kö-
nigin, und ihr Bruder , der königlicher Gesandter in
Schweden gewesen war, geborene Hannoveraner, wa-
ren dem Könige verdächtig, daß sie die Zwischenträger
zwischen der Königin und dem englischen Hofe geme=
sen ; beyde wurden nach den Gränzen von Litthauen
verwiesen , nur zwey Stunden Zeit waren ihnen zur
Vorbereitung gegönnt. Dem Kammerherrn von
Montaulieu, der dem Kronprinzen ein Capital gelie-
hen, wurde in seiner Wohnung, so wie dem Barone
von Vernezobre, auf seinem Gut Hohenfinow, Wache
gegeben. Da ersterer gegen das Edikt vom 22ten
Juny 1730 einem Minderjährigen von der königlichen
`Familie Geld geliehen hatte , wurde ihm als Strafe
der Verlust des geliehenen Capitals zuerkannt , und
er mußte ausserdem nach 1000 Species - Dukaten zur
Rekrutenkasse zahlen. Er verließ den 13ten April
1731 heimlich Berlin. Den 10ten Juny befahl der
König dem General-Fiskal Wagner , dem Baron , der
56

ſchlechthin Montaulieu genannt wurde,,,als einem


freveln , muthwilligen und boshaft geflüchteten Bans
querutmacher, anderen zum Beyspiele, den Prozeß zu
machen , und sein Bildniß an den Galgen heften zu
laffen."
Den 29ten August erhielt der Staats- und Ca-
binetsminister Friedrich Ernst Freyherr von Knyphay-
ſen (wie wir oben schon erwähnten,) die Dienstentlas-
fung , mußte den 10ten mit ſeiner ganzen Familie ſich
nach seiner Commende Ließen begeben, und verlor sei-
nen Gehalt. Seiner Wittwe schickte Friedrich der.
II. als König 12,000 Thaler Entschädigung.
Duhan, der gewesene Lehrer des Kronprinzen,
jekt französischer Obergerichtsrath, wurde den 3ten
September 1730 nach Memel , an die äußerste Spiße
von Ostpreußen , verwiesen . Später verwendete der
Kronprinz sich wieder für ihn, und verschaffte ihm eine
Anstellung bey dem Herzoge von Braunschweig. શાક Als
König rief er ihn wieder nach Berlin, ürd machte ihn
zum geheimen Rath und Staatssekretår im auswårtie
gen Departement. Auffer dem Lieutenant von Spaen
wurden in Potsdam noch zwey Officiere eingezogen,
und der Kammerdiener des Kronprinzen, Gumbers-
bach, geschlossen nach Spandau gebracht. Diesen
traurigen Gang mußte auch die von dem Kronprinzen_
wegen ihrer Schönheit und ihres Gesanges geliebte
Doris (Dorothea Elisabeth) , Tochter des Rectors
Ritter zu Potsdam, machen. Zur Zwangsarbeit und
Staupenschlag hatte der König, der erführ, daß der
Kronprinz ihr Geschenke gemacht, fie verurtheilt. Erst
nach drey schweren Jahren erhielt sie die Freyheit wie-
der, auf Bitte ihres Vaters , der sein Amt verlor.
57

Auch der Goldschmied Lieberkühn in Berlin hatte


dem Kronprinzen Geld geliehen ; der König sagte ihm
nichts weiter als : „ Auch Ihr habt Euch mit meinem
Sohn eingelaſſen, das hått ich von Euch nicht ge
dacht." Aber das geliehene Geld erhielt er nicht zu
Sein Sohn mußte nach dem siebenjährigen
Kriege für Friedrich den II . ein goldenes Tafelfers
vice verfertigen, wozu ihm eine Menge alter goldenen
Gefäße durch den geheimen Rath und Kriegszahlmei
fter Köppen, eingehåndigt wurden. Verschiedene
davon waren mit Edelsteinen besett; der Goldschmied
brach sie aus, und frug bey dem Könige , wohin er fie
abgeben follte. Der König antwortete : Ich erinnere
mich, daß ich Euch noch schuldig bin, und ich will, daß -
davon nicht weiter geredet wird ; Ihr könnt die
Steine behalten. Ihr Werth betrug 2500 Thaler,
und der Goldschmied war sehr zufrieden.
Sobald der König in Berlin angekommen war,
hatte er auch Befehl gegeben , die Zimmer des Kron-
prinzen, seine Bibliothek und Garderobe genau zu
durchsuchen. Die Bücherſammlung zählte gegen drev=
tausend Bande ; Friedrich hatte sie auswärts , gut
geordnet, in 15 Glasschränken , stehen , und Hanau,
einen Bedienten des Herrn Lenfant , als Aufseher
dabey. Auch dies erfuhr der König , und Hanau
wurde nach Memel verwiesen.
Der Kronprinz war indeffen in Begleitung von
vier Oberofficieren in Mittenwalde angekommen . Der
König schickte ihm die Herren von Grumkow und Der
schau, so wie den General- Auditor Mylius , und den
General-Fiêkal Gerbet , entgegen ; sie sollten ihm das
Verhör Katt's und dessen Aussage mit der Frage
58

vorlegen, ob er solche anerkenne ; dann hatte der Kö-


nig noch andere Punkte aufgeschrieben, über die er bes
fragt werden sollte. Feft und freimüthig antwortete
der Prinz. Herr von Grumkow äußerte ihm darüber
Verwunderung ; Friedrich sagte ihm : „ Ich glaube
aber Alles erhaben zu seyn, was mir begegnen fann ;
mein Muth wird größer ſeyn, als mein Unglück.“ Als
Grumkom ihm ferner den Willen des Königs bekannt
gemacht hatte , daß er nach Kústrin gebracht wer-
den sollte, um da, so lange es dem Könige gefalle, zu
bleiben, antwortete er : ,,Gut, ich will dorthin gehen.
Wenn aber nur Bitten mir die Freyheit wieder geben
fönnen , so werde ich hoffentlich lange dort bleiben."
Mit eben so heiterem Muthe wußte der Krons
prinz der geliebten Schwester, die ſelbſt verhaftet wor-
den war, diese tröstlichen Zeilen zuzustellen :
Geliebte Schwester !
Nach dem Kriegsrecht, das eben gehalten wurde,
wird man mich verkeßern, denn um für einen Erzkeßer
zu gelten, ist es genug, nicht in allen Stücken der Mei-
uung desHerrn zu seyn. Du kannst Dir also wol den-
ken, was ein Ding fie aus mir machen werden. Mich
kümmern ihre Bannflüche wenig , wenn nur meine
geliebte Schwester nicht gegen mich zeugt. Wie
freu' ich mich , daß weder Gitter noch Riegel mich
hindern, Dir meine ganze Freundschaft zu bezeigen.
Ja , geliebte Schwester , es gibt in diesem fast völlig
entarteten Jahrhundert noch redliche Menschen, die
mir Gelegenheit schaffen, Dich meiner Liebe zu ver-
fichern. Weiß ich nur , daß Du glücklich bist, so foll
der Kerker mir ein Aufenthalt des Glücks und der
Bufriedenheit werden. Chi a tempo , na vita -
59

dies unser Troft. Wie sehr wünſchte ich, keines Dolk-


metschers zwischen uns zu bedürfen ; möchten die glück
tichen Stunden bald wiederkehren, wo Dein Principe
und meine Principessa Laute und Flöte , in
fester Harmonie ſich vereinen , wo ich Dir mündlich
fagen kann , daß nichts in der Welt meine Liebe für
Dich vermindern wird. Adieu. Der Gefangene."
Er mußte denselben Tag abreisen ; als er den
5ten September in Küstrin mit einer Eskorte von 20
Gendarmen angekommen war, führte man ihn auf das
Schloß, innerhalb der Festung , wo der Kammerprá
sident von Mún chow einige Zimmer räumte. Ohne
Geráth war das Zimmer, in welches er eingeschlossen
ward ; er mußte anfangs ein Lager auf dem harten
Fußboden nehmen, und erhielt Abends kein Licht. Nur
eine Bibel und ein Gebetbuch hatte der König ihm
zu geben befohlen; nicht über vier Groschen sollte sein
täglicher Unterhalt kosten. -
Dieselben Herren, die das Verhör in Mitten-
walde hielten, folgten dem Kronprinzen nach Küßtrin,
wo sie es weiter fortseßten. Sie gingen den 15ten
September von Berlin ab , und kehrten den 17ten
zurück. Der Prinz weigerte sich , diesen königlichen
Abgeordneten Antwort zu geben, und sprach mit vieler
Heftigkeit gegen den Herrn von Grumkow; drohend
ſagte dieser begünstigte Minister : Lassen Sie ab von
Ihrem Stolze, oder ich werde Mittel finden, Sie zu
beugen. "Ich weiß was Sie thun werden“, ant-
wortete der Prinz, „ aber ich werde mich nimmermehr
vor Ihnen demüthigen." - Die Abgeordneten legten
ihm die Papiere vor, die in dem Koffer gefunden wa.
ren. Flüchtig sah sie der Prinz an, und merkte sogleic,
60

daß die wichtigsten Briefe fehlten. Er sagte, daß er


Nichts in dem Kasten vermisse ; man verlangte einen
Eid von ihm ; dies verweigerte er, mit dem Vorgeben,
daß er bey so vielen Papieren sich nicht auf sein Ge-
dächtniß verlassen könnte. Er läugnete , jemals an
den König oder die Königin von England andere, als
Höflichkeitsbriefe geschrieben zu haben, und antwortete
auf die übrigen Fragen, daß er zu alle dem, was er zu
Wesel und Mittenwalde ausgesagt , nichts hinzuzufű-
gen habe. Die Abgeordneten bemühten sich vergeblich,
feinen Sinn milder zu stimmen , er gab weiter feine
Antwort. Als der König sah , daß er über den star.
ren Eigensinn seines Sohnes nichts vermochte , ließ
er sich Katt zum zweytenmale vorführen , und fragte
ihn : ob die Prinzessin , oder die Königin , von dem
Vorhaben des Prinzen unterrichtet gewesen wären.
Dieser wiederholte die frühere Betheuerung , daß sie
nie davon gewußt hätten. Der König drohete, ihn
peinlich auf der Folter befragen zu lassen. Katt
fchwieg.
Der Graf von Seckendorf, (ein Verwandter des
Feldmarschalls von Wartensleben, der Katt's mütter
licher Großvater war) befreite ihn von der Tortur,
man führte ihn in das Gefängniß zurück, wo er sich
-
auf heitere Weise beschäftigte , las und schrieb.
Der König versammelte ein Kriegsgericht zu Cópenif
den 25ten October, es sollte nicht nur über Katt, son
dern auch über den Kronprinzen, als einen deſertirten
Obristen, sprechen. Nach dem Ausspruche desselben
war Katt zu lebenslänglicher Festung verurtheilt. Der
König ånderte das Urtheil ab , und ſchrieb :
....Was aber den Lieutenant von Katt und dessen
61

Verbrechen, auch die vom Kriegsrecht deßhalb gefällte


Sentenz anlangt, ſo find Se. königl. Maj. zwar nicht
gewohnt, die Kriegsrechte zu schärfen , fondern viel-
mehr, wo es möglich, zu vermindern ; dieser Katt aber
iſt nicht nur in meinen Diensten Officier bey der Ar=
mee, sondern auch bey den Gardegendarmen , und da
bey der ganzen Armee meine Officiers mir getreu und
hold ſeyn müſſen, ſo muß solches um ſo viel mehr ge=
schehen von den Officiers von solchen Regimentern,
indem bey solchen ein großer Unterschied ist , denn sie
immediatement Se. fönigl. Maj. und Dero königl.
Hause attachirt seyn, Schaden und Nachtheil zu ver
hüten , vermöge eines Eides. Da aber dieser Katt
mit der fünftigen Sonne tramiret , zur Deſertion
mit fremden Ministern und Gesandten allemal durch-
einander gesteckt, und er nicht davor geseht worden,
mit dem Kronprinzen complottiren ; au contraire
es Se. königl. Maj. und dem Herrn General-Feld-
marschall von Nahmer håtte angeben sollen, so wüßten
Se. königl. Maj. nicht , was vor kahle Raisons das
Kriegsrecht genommen und ihm das Leben nicht abe
gesprochen hätte. Se. königl. Maj. werden auf die
Art sich auf keinen Officier noch Diener , die in Eid
und Pflicht stehen, verlassen können. Es würden aber
aledann alle Thåter den Pråtert nehmen, wie es Kat-
ten wåre ergangen , und weil der so leicht und so gut
durchgekommen , wäre ihnen dergleichen geschehen
mußte. Se. fönigl. Maj. ſind in Dero Jugend auch
durch die Schule geloffen , und haben das lateinische
Sprüchwort gelernt : fiat justitia et pereat mun-
dus ! Also wollen Sie hiermit von Recht und Rechts-
megen, daß Katt, ob er schon nach den Rechten verdient
Friedrich d. Einz. I. 6
62

gehabt , wegen des begangenen Crimen laesae Ma-


jestatis mit glühenden Zangen gerissen und aufgehen-
fet zu werden, er dennoch nur , in Consideration
feiner Familie, mit dem Schwerdt vom Leben zum
Tode gebracht werden sollte. Wenn das Kriegsrecht
dem Katt die Sentenze publiziret , soll ihm gesagt
werden, daß es Sr. königl . Maj. leid thåte , es aber
besser, daß er bleibe, als daß die Justiz aus der Welt
kame. Wusterhausen , den 1ten November 1730.“
Dies Urtheil wurde dem Lieutenant Katt am
2ten November bekannt gemacht ; furchtlos hörte er es
an und antwortete : Ich bin gefaßt, der Wille des Kỏ-
nigs mige geschehen . Keiner schlechten Handlung bin
ich angeklagt , sterb' ich , ſo ſterb' ich für eine gute
Sache. Weit unruhiger waren die Verwandten Katt's,
der Vater seiner Mutter war der General-Feldmar
schall Wartensleben , sein Vater war Generallieu
tenant ; Alles wurde aufgeboten den von allen geach
teten , geliebten, Sohn zu retten. Vergeblich war
es, daß dieser selbst sich bittend an den König mit
einem Briefe wendete ; Friedrich Wilhelm blieb un-
beweglich.
Auf demWalle, hinter der Canzley, wurde unter
den Augen des Kronprinzen das Schaffot errichtet, es
war mit schwarzem Tuche behangen. Der Pring
blieb in Ungewißheit, ob es nicht ihm gelte, bis der
Commandant der Festung, General von Lepel, den 6ten
November früh ihm ankündigte, daß er, dem Auftrage
des Königs gemäß, der Hinrichtung Katt's zusehen
follte. Der Kronprinz verlangte nur noch einen Tag
Aufschub, und bat um Erlaubniß, dem Könige für die
BegnadigungKatt's die Entsagung auf die Thron-
63

folge anzubieten. Aber schon wurde Katt unter den


Fenstern vorübergeführt, in dem braunen armen Sun-
derkleide. Der Garnisonsprediger von Küftrin ſchrieb.
dem Vater Katt's : Ihr Herr Sohn erblickte end,
lich, nach langem sehnlichen Umhersehen , seinen gee
liebten Jonathan, Ihro königl. Hoheit den Kronprin-
zen , am Fenster des Schlosses , von selbigem er mit
höflichen und verbindlichen Worten Abschied nahm,
mit nicht geringer Wehmuth. Der Kronprinz rief
ihm zu, wie unglücklich fühle ich mich, an Ihrem T dé
Schuld zu seyn ; wollte Gott, ich wär' an Ihrer Stelle.
- Nein, gnådigſter Prinz, antwortete Katt , und
wenn ich noch tausend Leben håtte, wie freudig wollt
ich sie für Sie hingeben !" Muthig bestieg Katt das
Schaffot, er gab nicht zu , daß man ihm die Augen
verbinde, und ein Schwertstreich des Scharfrichters
schlug ihm das Haupt ab. Dieses blütige Schauspiel
blieb den Augen des Kronprinzen verborgen. So
scheint es nach dem glaubhaften Berichte eines Augend
zeugen, nämlich des Majors von Schaacken (von den
Gendarmen). *) · Den ganzen Tag über blieb der
blutige Leichnam auf dem Schaffot liegen ; erst des
Abends wurde er durch zwölf Bürger von der Schür
zenzunft in einem Sarge nach dem Kirchhofe getra
gen.

*) Nach Funke, Fischer und Anderen , wåre


Friedrich gezwungen worden , die Hinrichtung
von seinem Fenster aus mit anzusehen . Eine
Ohnmacht indessen, wird dbeygefügt , habe ihn, in
dem AugenblickWeintreten , als der den Freund
töötende Hieb geführt worden , von dieſem ents
feglichen Anblicke befreyt.
6*
{

64

An den Kronprinzen hatte Katt, als lestes Ver=


mächtniß , noch folgende Punkte, den 6ten November
früh vor seiner Hinrichtung , aufschreiben lassen :
1) Daß der Kronprinz vielleicht gedenken möchte,
als daß er die Schuld ſeines Todes auf den Kronprin-
zen schöbe, und mit einem Widerwillen gegen densel=
ben aus der Welt ginge, dieses wäre nicht, sondern er
erkennte Gottes heilige Regierung, der diesen rauhen
Weg aus gerechten Ursachen über ihn also verhängt
hatte. 2) Verspricht er dem Kronprinzen, daß er
vor Gottes Thron mit seinem Gebet wolle Dienste
thun . 3) Bittet er , der Kronprinz möge wegen
feiner Exekution nicht einen Groll gegen Se. königl.
Maj. lassen. 4) Der Kronprinz möchte nicht ge
denken , als ob er aus Mangel an Klugheit in dieses
Unglück gerathen, sondern man müsse die Hand Got
tes hierin erkennen. 5 ) Auch nicht glauben, daß er
alle Schuld auf ihn geschoben, ob er schon dem Kron
prinzen so bewegliche Vorstellungen im sächsischen La=-
ger, auch in der Nacht , da er bey ihm in Potêram
gewesen , gethan , und den Ausgang dieser Sache
prophezeiht hätte. 6) Bittet er den Kronprinzen,
fich Dero Herrn Vater , Jhro fönigl. Majestát , zu
fubmittiren , weil es Dero Herr Vater und Dero Kō-
nig wäre. 7) Bittet er, der Kronprinz möchte den
Willen und Wohlgefallen Gottes zur Regel aller fei=
ner Handlungen machen , und darnach allemal feine
Actiones prüfen und bedenken die Nichtigkeit aller
menschlichen Anschläge. 8) Der Kronprinz möchte
gewiß glauben , daß Sie durch diejenigen , die Ihnen
in Ihren Passionen flattiren , nur betregen würden,
weil solche nicht des Kronprinzen, sondern ihr eignes
65

Interesse zum Zweck hätten ; hingegen möchte er die-


jenigen , die ihm die Wahrheit sagten und sich
feinen Paſſionen widerſeßten , für ſeine kosten Freunde
achten. - 9) Bittet er auf das heftigste, der Kron-
prinz möchte sein Herz Gott ergeben. ― 10) Er
michre zuleht ja nicht eine Fatalité glauben , ſon- -
dern gewiß seyn der Vorsehung und Regierung Got.
1es auch in allen Kleinigkeiten....Es scheint , daß
diese Bemerkungen des unglücklichen Freundes nicht
ohne Wirkung auf Friedrich waren.
Daß der König in den ersten Tagen des auf-
geregten Zornes dem Kronprinzen ein gleich strenges
Schicksal zugedacht hatte , ist nicht unwahrscheinlich ;
das niedergesette Kriegsrecht zögerte jedoch mit dem
förmlichen Spruch , indem es die Untersuchung im
mer weiter ausdehnte *) . Man behauptet , es sey
von dem König mittlerweile bey der leipziger Juristen-
Facultät ein Gutachten über die Verurtheilung des
Kronprinzen eingeholt worden , dieselbe aber habe
wird ferner nach mündlicher Überlieferung erzählt —
geantwortet : Der König könne dem Kronprinzen
aus eigener Macht um deswillen nicht das Leben ab-
sprechen , weil leßterer zugleich ein teutscher Chur-
prinz sey, über welchen ohne Einstimmung des Kai-

*) Nach Funke behauptete der König , nachdem er


dem Kriegsgerichte den Fall vorgetragen , fein
Sohn habe den Tod verdient. ,,Mehre Anwesende
fielen dieser Meinung ben ; aber auch nicht wenige
widersprachen derselben , namentlich der Feldmar-
marschall von Nahmer , der Generalmajor von
Buddenbrock und Fürst Leopold von Deffau. ” —
(Förster. )
66

sers und der Reichsstände dergleichen Strafe nicht


verhängt werden dürfe *) ."
Nicht gleichgültig vernahmen auch die auswår-
tigen Höfe das Schicksal des Kronprinzen , und na=
mentlich verwendeten sich mehre protestantischen Fúr-
ften thatig für ihn. Selbst der Kaiser, zufrieden,
die Verbindung Preußens mit England aufgelöst zu
haben, fühlte sich ernstlich zu freundlicher Vorstellung
verpflichtet.
Friedrich Wilhelm fühlte sich geschmeichelt , fast
alle europäischen Höfe , namentlich den teutschen Kai-
fer, für den er eine fast abgöttische Verehrung hegte,
feine Gnade für den Kronprinzen in Anspruch neh-
men , und hierdurch seine unumschränkte Gewalt an=
erkennen zu sehen. Sein Zorn ward am ersten durch

*) So viele Zweifel man auch gegen dieses Gutach,


ten erhoben hat , so ist es dennoch wahrscheinlich,
daß der König über diesen Gegenstand ben Rechts-
gelehrten angefragt hat. Man sehe z. B. Förs
fter's Schrift , S. 110-114. B Ueber so viele
Schwierigkeiten noch mehr erzürnt , soll Friedrich
Withelm im versammelten Rathe ausgerufen has
ben : " Wol! Will man mir in Berlin, als einem
Reichsfürsten , Fessel anlegen , so geh' ich mit
meinem Sohne nach Königsberg , da hång ' ich
doch alleine von Gott ab. " — ,,Und diesem Gott,"
verschte der Probst Reinbeck, ,,wird Ihro Ma-
jestät auch einst für das vergossene Blut Ihres
Sohnes Rechenschaft ablegen müſſen ." Diese
entschlossene Antwort , von einem Geistlichen
kommend , verfehlte ist anders die Sache nicht
erdichtet - bey dem religiösen , oder auch from.
melnden, Könige ihren Zweck nicht, und truz ohne
Zweifel vieles zur Beſånftigung desselben bey.
67

diejenigen abgeleitet , welche ihn von Neuem aufreg=


ten , dann aber durch das viele Befragen , Beklagen
und Begutachten gemildert. Es fehlt nunmehr blos,
daß der Kronprinz selbst durch Unterwürfigkeit Ver-
föhnung suche, jedoch ohne den Anschein , daß es von
dem Könige veranlaßt worden sey. Auch dazu fand
ſich günstige Einleitung. Grumbkow , der schlaue
Höfling , fah in dieser Verwickelung der Familien-
verhältnisse eine schöne Gelegenheit, seine Dienste
beiden Parteyen wichtig zu machen. Er bat den Ki
nig, den Kronprinzen in Cüstrin besuchen zu dürfen,
um ihn zur Unterwerfung geneigt zu machen ; denn
das Wort des Königs war : daß er , nur wenn der
Prinz sich vor ihm demüthige und um Gnade bitte,
ihm verzeihen werde. Der König genehmigte Grumb
kow's Vorschlag , doch sollte er durchaus den Prinzen
nicht merken lassen , daß er , der König , um diese
Sendung wisse. Auch die Königin fuchte Grumbkor
jeht für sich zu gewinnen , von der er wol wußte , wie
übel er sich ihr durch seine Wickeleyen empfohlen
hatte. Er bat um ein geheimes Gehör , wovon der
König nichts erfahren dürfe. Die Königin beschied
Grumbkow zu sich. Er sagte ihr , daß er den Öl-
zweig bringe, den Frieden anzukündigen ; er theilte
ihr die Absicht seiner Sendung mit , und bat , die
gute Stimmung des Königs ja nicht von Neuent zu
stiren. Sie versprach ihm Alles , und dankte ihm,
so schwer es ihr auch ward, für die sorgsame Auf-
merksamkeit.
Grumbkor ging jeßt nach Cúſtrin ; er sagte dem
Kronprinzen , daß er ohne Vorwissen des Königs ge-
kommen sey, um ihm von dessen ruhiger Gesinnung
68

eilig Nachricht zu geben , und ihm seine unterthänigen


Dienste anzubieten. Er rieth ihm , dem Könige zu
schre.ben , wie sehr er seinen Fehler bereue , und daß
er demüthig ihn um seine våterliche Huld und Gnade
bitte. - Mit dem Antrage war der Kronprinz eher
einverstanden , als mit dem Botschafter ; indessen
antwortete er , er sey keineswegs geneigt , sich vor
dem Vater zu demüthigen , der ihn så behandelt habe,
am wenigsten würde er mit Auftrågen dieſer Art den
Herrn von Grumbkow beschweren , den eenie Ursache
gehabt für seinen Vertrauten zu halten. Grumb
kow ließ sich nicht irren , er fuhr fort , dem Kron-
prinzen die Grüße und Bitten einer betrübten Mutter
zu melden , und die traurige Bekümmerniß mit den
lebhaftesten Farben zu schildern , die seine Hartnäckig-
keit gegen den Vater ihr und der geliebten Schwester
zuziehen würde. Dies traf die verwundbare Seite
des Prinzen , deſſen Eigenwille durch die Strenge des
Königs gebrochen war , und er schrieb dem Vater :
Allerdurchlauchtigster 2c.
Allergnädigster Vater!
Ew. königl. Majestät , meinen Allergnädigsten
Vater, habe ich durch meinen Ungehorsam , als Dero
Unterthan und Soldat , eben so sehr als durch meine
Unfolgsamkeit, als Dero Sohn , Veranlassung zu
einem gerechten Zorne und Widerwillen gegen mir
gegeben. Mit dem allerunterthänigsten Respekt un-
terwerfe ich mich ganz der Gnade meines allergná-
digsten Vaters , und bitte , mich allergnädigst zu par-
Donniren , da mich nicht so sehr die Beraubung mei-
ner Freyheit in einem malheureusen Arrest , als
meine eigene Gedanken von meinem begangenen
69

Fehltrit zur raison gebracht haben. Der ich mit


allerunterthänigstem Respekt und Submiſſion bis an
mein Ende verharre 2c.
Nachdem der König diesen Brief erhalten hatte,
sandte er den 16ten November ( 1730) von der Ge=
neralität die Herren von Grumkow , von Röder , von
Glasenap , von Billerbeck , von Waldau und von
Derschau, und den Minister und Staatssecretár von
Thulmeier, nach Cüstrin , um dem Kronprinzen be=
kannt zu machen , daß er , als Vater, und durch die
Verwendung verschiedener Mächte Europa's , beson
ders des Kaisers , ihm die begangenen Vergehungen
verzeihen, und ihn aus dem engen Gefängniß befreien
wollte , worin er bis jeßt gewesen wäre , doch mit der
Bedingung, daß er sich nicht aus Cüßtrin begebe. Er
folle in dieser Stadt als Privatmann leben, sich hier
mit der Verwaltung der Domainen bekannt machen,
täglich auf die Domainenkammer gehen , und dort
feine Stelle unter dem jüngsten Rathe nehmen. Vor
allem aber verlange er , daß der Kronprinz sich durch
einen Eid verbindlich mache , niemals gegen die, von
denen er nur vermuthen könne , daß sie gegen ihn
gehandelt, sich etwas Strafendes zu erlauben ; daß er
fich dem Gehorsam nie entziehen , den er dem König
schuldig ; nie ohne deſſen Erlaubniß eine Reise unters
nehmen ; daß er in der Furcht Gottes leben und die
Pflichten der Religion ausüben , und daß er endlich
keine andere Prinzessin heirathen wolle , als die ihm
der Vater bestimmen werde. Der Prinz verlangte die
Eidesformel zu sehen , die er schwören sollte , um sie
vorher zu prüfen ; Herr von' Thulmeier übergab fie
ihm , worauf sich die Commission entfernte.
70

Am folgenden Morgen, den 17ten November,


begaben sich jene Herren wieder zu dem Kronprinzen,
und führten ihn aus seinem Zimmer zu dem Práſt-
denten von Münchow. Der Generalmajor und Gou-
verneur von Lepell gab ihm den Degen wieder, worauf
Herr von Thulmeier den Eid vorlas , den der Krone -
prinz mit lauter Stimme wiederholte , und ihn hiers
auf mit eigener Hand unterzeichnete. Er ging nun
in die Kirche, hörte eine Predigt , und nahm das
Abendmahl. Nachdem er wieder zurück zu dem Herrn
von Münchow gegangen , ſendete er dem König ein
zweytes Schreiben , worin er ihm für die wiederges
fchenkte Freyheit dankte.
Nachmittags führte die Commission den Prinzen
in ein für ihn eingerichtetes Haus , stellte ihm: den
vom König ihm bestimmten Hofmarschall , Herrn von
Wolden , seine künftigen Kammerjunker , die Herren
von Nahmer und von Rohwedel , und seine Bedienung
vor, die aus einem Kammerdiener , zwey Pagen und
vier Lakayen bestand , von denen er keinen früher
gekannt hatte. Sie machten ihm ferner den beſchrånf.
ten Sah seiner Ausgaben bekannt ; doch der Krons
prinz war während seiner Gefangenschaft an Entbeh
rung gewöhnt. Auch jezt noch hatte der König
Alles gestrichen, was zum Vergnügen oder zur Erho
lung des Kronprinzen ausgesetzt worden war. Er
befähl ihm , Nichts zu lesen und Nichts zu ſchreiben,
als Kammersachen ; streng untersagt war ihm, frans
zösisch zu sprechen. Er durfte keine Uniform
tragen ; ein graues Kleid mit schmalen silbernen Trefs
fen machte seine ganze Garderobe aus. Während
der Gefangenschaft hatte der Herr von Münchow dem
71 .

Kronprinzen manche Erleichterung zu verschaffen.


gewußt , doch ist dies öfters übertrieben worden .
Büsching erzählt : Der Kronprinz hatte in der
Festung ein schlechtes Wohnzimmer , anfänglich ohne
alle Bequemlichkeit. Die erstere verschaffte ihm der
damalige Präsident von Münchow , der durch den
Boden über seinem Arreftzimmer ein Loch machen.
ließ , durch welches er mit dem Kronprinzen sprach,
ihm sein Mitleid bezeigte und ihm seine Diensle anbot.
Er klagte über schlechtes Essen , Geschirr , Tischzeug
¤. f. w. Der Präsident versprach ihm besseres zu
verschaffen , ließ das leßtere ihm auch , ohne daß es
die Schildwache bemerkte, in einem neuen Nacht-
ſtuhle bringen."
Wie eng sich aber der Kronprinz behelfen mußte,
sehen wir aus einem Briefe des Predigers Müller
zu Liebenwalde , eines Sohnes des Feldpredigers
Müller von den Gendarmen , der Herrn von Katt
begleiten mußte ; darin schreibt er : Friedrich
war anfänglich in seinem Arreste sehr hart behandelt
worden. Er hatte einen schlechten blauen überrod
an ohne Stern , und war aller anderen Kleider be- -
raubt , mußte auf hölzernen Schemeln fizen , und
bey'm Essen durfte ihm keine Gabel und kein Meſſer
gegeben werden , sondern er bekam die Speisen ge=
schnitten; auch ward keiner von seinen Lakayen zur
Bedienung zugelassen.
„ Als endlich der Tag seiner Erlösung kam, hatte
der König befohlen , der Kronprinz sollte an dem
gleich darauf folgenden Sonntage aus seinem Arreste
in die Kirche zum Gottesdienste gehen. Nach der
Predigt beurlaubte mein Vater sich bey dem Prinzen,
72

und fragte, ob Se. königl. Hoheit noch etwas zu be


fehlen hätten, bey Ihrem Herrn Vater auszurichten.
Antwort : Sagt Ihr , ich wäre sehr gerührt über
meines Vaters Grade , und bittet ihn , daß er mir
an meinen Degen doch ein Portd'epée zukommen lass
sen möge."
,,Der König hatte meinem Vater geschrieben,
sobald er meine , den Kronprinzen befestiget zu haben,
folle er nach Wusterhausen reisen. Hier empfing ihn
der König fehr gnådig , und er mußte ihm sowol von
dem Herrn von Katt, als auch vom Kronprinzen,
sehr ausführliche Nachricht geben , desgleichen von
der Predigt. Zulegt fagte mein Vater , Se. königl.
Hoheit hätte noch eine Bitte an Se. Majestät. Der
Kronprinz hátté kein Portd'epée an seinen Degen
erhalten. Hierauf schrie der König laut auf: Ist
denn Frige ein Soldat ? Nun das ist ja
gut!"
In Cüstrin wurde Friedrich von dem Kammer-
Direktor Hille in Finanz- und Polizeysachen theore=
tisch , und von dem Kreis- und Domainenrathe Hüs
nicke in der Landwirthschaft und Domainen - Verwal=
tung , unterrichtet. Zugleich wohnte er , zur Erler-
nung des praktischen Kameraldienstes , den Sizungen
der neumärkischen Kammer bey, arbeitete bey dersel=
ben gleich anderen Råthen , und wurde auch mit
Localkommissionen in der Provinz beauftragt. So
ſoll er unter andern die Einrichtung des Amthauses
zu Himmelstädt besorgt haben , und das Landhaus in
Cúfirin ward nach seiner Zeichnung gebaut. Als
der General Grumkow dem König einst die von dem
Kronprinzen eingegangenen Arbeiten übersendete, und
73

sich zwey von demselben eigenhändig geschriebene,


eine aber von ihm blos unterzeichnete , vorfanden,
so bemerkte der Vater am Rande : Friß ſoll nicht
blos unterschreiben, er soll selbst arbeiten *).“
Einige Monate nach der Freylaffung des Kron-
prinzen begab sich der König nach Cúftrin ; er ließ
den Sohn zu sich rufen. Dieser warf sich dem Vater
zu Füßen ; er hob ihn gútig auf, umarmte ihn , und
sprach eine Viertelstunde mit ihm , ohne die eigent
liche Angelegenheit zu berühren ; auch änderte sich die
Lage des Kronprinzen nicht bedeutend , denn über
feine Ausgaben mußte noch strenge Rechnung geführt
werden. Dies hatte der König dem Herrn v. Wolden
aufgetragen, welcher auch später noch Friedrich's
Haushofmeister blieb , als derselbe nach Ruppin ver
fegt worden war.
über ein Jahr (nämlich vom September 1730-
bis zum November 1731 ) hatte der Kronprinz in
Cüstrin zugebracht , als endlich eine Versöhnung ami
schen ihm und dem Vater zu Stande kam. In jener
Zeit erwarb er sich, bey seinem Eifer und den glück
lichen Anlagen , die ihm von der Natur zu Theil
geworden , einen Schah von Kenntnissen , welche auf
feine Regierung den gesegnetsten Einfluß zeigten.
3
*) Durchaus unwahr ist , was in dem Werke: Vie
de Frederic 11., Roi de Prusse " (Strasbourg 1787),
tôme I. pag. 13 erzählt wird : Der junge Rath
wohnte den Sigungen bey ; aber anstatt die Acten
einzusehen oder die Verordnungen zu copiren , las
er ent:veder französische Schriften , oder er zeichnete.
den Präsidenten und die Råthe als Carrikaturen
ab , mit Hörnern, Spielkarten, Bouteillen u. dgl.
Friedrich d. Einz. 1. 7
74

Als eine Bedingung der Versöhnung mit dem


Kronprinzen hatte der König die Vermählung der s
Prinzessin Friederike mit dem Erbprinzen von Bay-
reuth gefordert , um die Intriguen , welche die Köni
gin selbst in der bedrångtesten Zeit nicht aufgegeben
hatte, und jede Verbindung mit England , mit einem
Male zu durchschneiden.
Diese Vermählung , welche die völlige Aussöh-
nung des Kronprinzen mit dem Könige veranlaßte,
ward auf den 20ten November 1731 angeſeht. Der
Kronprinz ward dazu eingeladen , verbat ſich aber
diese Ehre bey dem Vater schriftlich; erst den 23ten
November, traf er in aller Stille in Berlin ein. An
diesem Abende war großer Ball bey Hof. In bürger- ..
licher Kleidung , und unerwartet , mischte sich der..
Kronprinz in die Gesellschaft ; bernah' eine Viertel- ?
Kunderstand er hinter dem Spieltische der Königin,
eh' sie ihn bemerkte; endlich küßte er ihr die Hand. ¿
Die Freude der Mutteri theilte sich bald der ganzen.
Gesellschaft mit. " Der König war sehr zufrieden, daß
man seinem Willen ſichy fügte ; er wünſchte nicht nurs
den Hof, ſondern die ganze Stadt , von dem glücksi
lichen Verhältniß seiner Familie zu unterrichten. Die
Festlichkeiten der Vermählung der Prinzeſſin würden
verlängert , und er ließ zu einem Hofball am 26ten-
November viele Kriegs- und Hofrathe , mehre Kauf
leute und einige andere honette Personen bürgerlichen
Standes, nebst Dero Cheliebken, gnädigs invitiren,
die sich diesen Abend auf dem Schloffe mit Tanzen
vergnügten, und mit Speise und Trank bewirthet
wurden.
Den 30ten November speiste der König , nebst
75

dem Kronprinzen, und viele der hohen Gäſte, bey dem


öftreichischen Feldmarschall von Seckendorf. An die-
sem Tage erhielt der Kronprinz die Uniform des von
gök'schen Regiments , aber nicht die eines General-
majors , wie man erwartete. Auch mußte er sie
ablegen , als er sich den 4ten December , in Be=
gleitung der Herren von Wolden , Nazmer und Roh-
wedel , wieder nach Cüstrin auf die Domainenkammer
begab ; hier trug er jegt ein grünes Kleid nach búr-
gerlichem Schnitt. -
Eine neue Sorge des Königs war , den Prinzen
zu vermählen. Die früheren Entwürfe seiner Ge-
mahlin sollten auch hier keine weitere Gültigkeit haben.
Mehr als je war der König dem englischen Hofe abge=
neigt , und es war das Interesse Östreichs , ihn durch
Seckendorf in dieser Stimmung zu erhalten. Dem
Kronprinzen ward daher die Prinzessin Elisabetha
Christina von Braunschweig : Bevern , geboren den
8ten September 1715 , zur Braut bestimmt.
Friedrich ward den 29ten Februar 1732 zum
Obristen ernannt , und am 11ten März führte ihn
sein Vater selbst als Präsidenten im General-Ober-
Finanz und Kriegs- Direktorium ein , und hielt dabey
eine furze, aber sehr nachdrückliche , Rede. Zugleich
ward daselbst der Hauptmann von Haake als Hofjäger-
meiſter mit Sig und Stimme in Pflicht genommen.
Im Juny 1733 reiste der Kronprinz mit seinem
Vater zum Hochzeitfeste ; den 10 : en d. M. trafen fie
in Salzdahlen ein , und den 1ten July kam der leg
tere nach Potsdam zurück. Hier war große Heer-
schau; der Kronprinz hatte ein eigenes Regiment er-
halten. Die kurmärkischen Stände bezeugten ihm
7*
76

ihren Glückwunsch zur Vermählung durch ein Geschenk


von 20.000 Thalern , obgleich Friedrich Wilhelm,
durch einen Befehl vom 16ten May d. J. , die sonst
übliche Fräuleinsteuèr bey der Hochzeit des Kronprin-
sen verbeten hatte.
Für die Kronprinzessin bestellte der König einen
eigenen Hofstaat ; für Stall , Küche und Keller wur
den die Bedienten ernannt. Sie erhielt zugleich als
Witthum das Amt Ruppin , wo ihr später gehuldigt
wurde. Den 25ten July kam dieſe Prinzeſſin , von
ihren Ältern begleitet , in Potsdam an ; zum feiers
lichen Empfang hatte der König drey Bataillons der
größten Grenadiere aufgestellt. Nachmittags ging
Friedrich Wilhelm nach Berlin , und am folgenden
Tage trafen auch die fremden Herrschaften in Char
lottenburg ein. Von hier begaben sie sich des Mor-
gens um 5 uhr , in Begleitung von 59 mit 6 Pferden
bespannten Kutschen , und vielen Cavalieren zu Pferd,
nach dem Exercierplage bey Tempelhof , wo zwanzig
Bataillone und eben so viele Schwadronen große Bes
wegungen ausführten. Um 1 Uhr erfolgte der Ein-
marsch der Truppen , er währte bis 4 Uhr ; hernach
ward im Pfeilersaal auf dem Schlosse gespeist , von
wo die Prinzessin von allen Anwesenden nach dem neuen
Palais des Kronprinzen (zu Berlin) begleitet wurde.
Hier empfing fie den 28ten die Glückwünsche sämmt-
licher geistlichen und weltlichen Collegien.
Bald sollte nun Friedrich , später der größte
Heerführer seiner Zeit, zum ersten Mal in einem Feld-
zug erscheinen. Preußen hatte zu dem Kriege gegen
Frankreich 10,000 Mann stoßen lassen , welche , mit
den übrigen Reichstruppen , unter dem Prinzen Eugen,
77

die von den Franzosen belagerte Festung Philippsburg


zu entseßen suchen sollten. Den 29ten Juny 1734
war der Kronprinz von Berlin abgereist , und zeigte
darauf bey allen Vorfällen eine bewundernswürdige
Ruhe und Entschlossenheit. Man sah ihn , wie er,
mitten im Kugelregen , unerschrocken ſich mit den ihn
begleitenden Generalen unterhielt , und fütblütig an
den gefährlichsten Stellen vorüber ritt.
Dieser Feldzug war für die militärische Bildung
Friedrich's ſehr wichtig , wenn auch die Waffen der
Verbündeten gegen die Franzosen nicht glücklich ma=
ren. Er lernte das Feldlager und den Umgang mit
den Soldaten zur Kriegzeit kennen ; der König er="
laubte ihm nicht anders , als immer im freien Felde
mit seinem Regimente zu campiren ; zu jedem Kriegs-
rath , den der alte Prinz Eugen berief, ward auch
Friedrich eingeladen , und er lernte hier die öft-
reichische Kriegskunst und ihre Mångel an der besten
Quelle kennen. Nachdem derselbe die Truppen am
Rhein in die Winterquartiere geführt , fehrte er nach
Preußen zurück ― denn das Leben des Vaters wär
-
durch eine gefährliche Krankheit bedroht und traf
den 12ten Oktober in Potsdam ein.
Heitrere Tage begannen jest. - Im Auguft
1736 begab sich die Kronprinzessin nebst ihrem Ge-
folge nach Rheinsberg , einem Schlosse bey Rup-
pin , das der Vater dem Kronprinzen gekauft hatte,
und bewirthete hier zum ersten Male den König und
seine Gemahlin. Dies geschah den 4ten September,
an welchem Tag eine große Jagd gehalten ward. -
Friedrich, der sich angelegentlicher als zuvor mit
dem Soldatenwesen beschäftigte , und bey seinem
78

Regimente gute Ordnung hielt , gewann das Ver-


trauen und die Liebe seines Vaters immer mehr.
Von der Schönheit des Regiments des Kron-
prinzen erzählte man sich eben so viel , wie von seinen
Versen, und selbst Voltaire wundert sich nicht wenig,
daß der junge Metaphysiker so firm auf dem Parade-
plaß ist. Friedrich beantwortet ihm seine Anfrage
in einem Briefe vom 7ten April 1737 : ,,Wodurch
hat mein Regiment Jhre Neugier erregen fönnen ?
Ich wünschte, es wäre durch seine Tapferkeit bekannt,
und nicht durch seine Schönheit. Ein Regiment muß
sich nicht durch eiteln Aufzug , Puß und äußeren
Flitter auszeichnen. Ganz andere Krieger führte
Alexander, da er Griechenland unterwarf und Asien
eroberte. Ihr Schmuck war das Schwert , lange
Gewohnheit hatte sie zu schwerer Arbeit gehärtet,
Fie wußten Hunger und Durst und jedes übel zu er- [
tragen , das ein langer Krieg mit fich führt. Strenge
Zucht hielt sie zusammen , um rasch denselben Zweck,
und die größten Unternehmungen des Feldherrn ge=
schwind und glücklich auszuführen." -
So werth Homer , Horaz , Virgil und Voltaire
dem Kronprinzen waren , so viele Nächte er bey
Wolf's Metaphysik durchwachte, so versäumte er sich
nicht in der Kriegwissenschaft. Die Feldzüge der
alten und neuen Feldherren waren ihm bekannt, auch
über das Kriegwefen unterhielt er einen Briefwechsel.
mit unterrichteten Männern , besonders mit dem
Obristen Camas. --
Nahe bey Ruppin , wo das Regiment des Fron=
prinzen stand, liegt das Städtchen Rheinsberg . Hier
ward ihm von dem König ein schöner Rittersiz auf
79

dem Land angewiesen , und erlaubt , nach seiner An-


gabe sich das Schloß aufzubauen und die Anlagen des
Parks zu erweitern. Rheinsberg gehört zu den Oasen
der Mark Brandenburg ; wenn man auf tiefen Sand
- wegen , zwischen Feldern , deren dürftige Saaten den
unfruchtbaren Boden ankündigen , zwischen Dörfern,
deren verfallene Hütten die Armuth des Landmannes
nicht verbergen , von Berlin nördlich nach der Ab.
dachung hinabgeht , die gegen die Nordsee sich ver-
flacht , und überall die Aufschwemmungen von Sand-
hügeln sieht, die hier das Meer zurückgelassen hat,
auf denen nur trauriges Nadelholz Wurzel schlagen
konnte, so werden wir angenehm überrascht , wenn
wir die Feldflur von Rheinsberg betreten. Das
Rhynflüßchen gießt Lebenskraft in die ausgetrockneten
Adern des Bodens , und Landseen versorgen mit ers
quicklichem überfluß Feld und Wiesen. Hier begeg=
nen uns Pferde von edlerem Wuchse, und auf den
Triften treiben fich wolgenährte, glatte Rinder und
feinwollige Schafe munter umher. Zwischen das starre
Nadelholz hat sich die Birke mit beweglicherem Blatt
bereingestellt , die Landschaft wird lebendiger durch
die gemischten Schattirungen des Laubholzes , und
am Wege ladet den müden Wanderer der Schatten
der duftenden Linde und des rauschenden Buchwaldes
zur Ruhe. Wo die Natur schon von selbst so frey-
gebig ist, gelang es dem Fleiße und der Geſchicklich-
feit , von ihr noch schönere Gaben zu gewinnen. Ein
Blüthenschnee bedeckt im Frühjahre die Übitpflanzun
gen , edlere Gartenfrüchte zieht der erfahrene Gårt-
ner , und selbst den Mandelbaum und den Weinstock
hat er am Spalier gezogen und an den nordischen
80

Himmel gewöhnt. Suchen wir aber nach der Zer-


streuung und der Theilnahme , die das Nüßliche an-
regt , einen gefälligen Ort , wo die Natur es erlaubt,
uns ungestört den Gedanken , dem Gefühle , zu über-
laſſen , die wir aus dem lårmenden Gedränge der
Gesellschaft mit uns hinaustragen in die hohen Buchen
gange , so wählen wir den Park von Rheinsberg zu.
unserem ftillen Aufenthalt.
Das Schloß war geräumig und bequem , die
luftigen Freunde wohnten neben den ernſten , ohne
einander zu stören , die Frauen erfuhren wenig von
ihrer Unruhe. Die Tafel und der Keller waren nicht
überfüllt, die Gesellschaft geistreich genug ohne Rauſch.
Friedrich lernte in strenger Entbehrung den.
Werth des freien Lebens kennen ; er hatte nur an
edleren Freuden Gefallen , Rohheit war aus seinem
Kreise verbannt. Vielleicht war die schwerste Auf-
gabe für ihn , dies beides zu vereinigen , daß er mit
allem Diensteifer und kindlichem Gehorsam den Befehl
des Vaters erfüllte , und zugleich auch mit voller
Neigung der Wissenschaft mit den Freunden lebte.
Die Ordnung feines Regiments haben wir erwähnt ;
wie groß die Besorgniß war , dem König in Allem fich
versöhnt , gehorsam gefällig zu erweisen , zeigen uns
die Briefe, die er dem Vater schreibt. Wie schwer
es ihm auch ward, die Poesie und Philofophie zu ver-
fäumen , um die Montirungstücke nachzusehen und die
Rekruten zu meſſen , so sah er den Dienst immer als
feine Pflicht an , nach deren Erfüllung er erst sich zu
der weit größeren Anstrengung wissenschaftlicher Be=
schäftigung wendete. Nicht aber mit ſtrenger Befor=
gung des geforderten Dienstes allein suchte er dem
81

Vater zu genügen , er wußte auch durch andere Ge


fälligkeiten sich ihm zu empfehlen und sich in seiner
Gunst immer mehr zu befestigen. Er schaffte von
dem ersparten oder mühsam aufgeborgten Geld große
Rekruten an, die er öfter mit 6000 Thaler bezahlte,
und dann dem Vater für einen mäßigen Preis über-
ließ; er suchte eben so aus seinem Reviere große
Hirsche dem Könige zur Parforce- Jagd nach Potsdam
zu bringen ; mit fetten Hühnern , kalten Pasteten,
Austern und Seefischen , die der Vater gern aß , vers
forgte er seine Tafel. Dafür war dieser wiederum
gefällig genug , sich , wenn er das Regiment gut in
Ordnung fand , nicht mehr um die Flöte und die fran
zöfifchen Verse des Sohnes zu bekümmern , und ihn
dem vertrauten Kreiſe ſeiner Philosophen und Poeten
zu überlassen.
Suchen wir einmal die frohe Gesellschaft in
Rheinsberg auf. Es ist schon Abend, im Park ist es
ruhig ; wir fahren , von Schwanen , wie von Delphis
nen , begleitet , über den mit Hügeln begränzten See,
-an den anmuthigen Inseln vorüber ; die Worte über
dem großen Portal : ,, Friderico tranquillitatem
colenti fagen uns , welchen Göttern hier geopfert
wird. Aus dem Schloffe tönt uns die Harmonie
einiger Instrumente entgegen , wir unterscheiden bald,
daß es nicht lärmende Tanzmusik ist. Die Flöte über-
nimmt das Solo ; der Kronprinz gibt ein Concert
-
von eigener Composition. Doch nicht den ganzen
Abend wird muſicirt, wie es leider in unſeren Geſell-
schaften gewöhnlich ist , wo selbst die angenehmste Mu
fik oft langweilt , weil man Niemand zum Wort
kommen läßt , das doch gegen den Ton auch seinen
82

gültigen Anspruch hat. In Rheinsberg gilt die


Musik eben nicht mehr , als das Geläute der Kirche;
theils ruft sie die Gesellschaft, theils soll sie eine
gleiche , beruhigte Stimmung der Gemüther verbreis
ten, und auch in der Aufregung ihnen Maas und
Harmonie erhalten.
Die Musikstücke werden zusammengelegt , man
unterhält sich französisch , einige Gefänge der Henriade
werden vorgelesen . Die Rollen zum Cåſar ſind auch
schon vertheilt , man hat ſich eingeübt , Jeder wählte
den Charakter , der ihm am meisten zuſagte , man liest
mit Gefühl und Ausdruck. So vergegenwärtigt man
sich das alte Heldenthum , um die an Thaten dürftige
Gegenwart zu schmücken , und zu gleichem Ruhme ſich
su begeistern.
Ein Paquet wird von der Poſt gebracht ; an dem
Siegel, der Hand, erkennt man sogleich, daß es von
Suhm , dem geliebten Diaphanes , ist ; er schickt die
Fortseßung von Wolf's Metaphysik. Seyd unbe
forgt , tröstet der Kronprinz die poetische Gesell=
schaft ,,,ich will Euch nicht mit in die dunkle Kam
mer der Philoſophie nehmen , zumal heute, da Allga-
rotti bey uns ist , den wir mit andern Früchten , als
mis teutscher Metaphysik , unterhalten müſſen !
Der heitere Cafarion Kaiserling ist am ſchnellsten da-
mit einverstanden ; er zerstreut die Unterhaltung , die
schon ernst zu werden beginnt , durch einige lustigen
Abentheuer , die er an fremden Höfen erlebt , und
weiß sich gegen die Zweifel , die man an seiner Nitter
schaft hat, troß seines Podagra's, geirandt zu wehren.
Der Hauptmann, Faumeister und Maler v. Knobels-
Dorf breitet jest seine Mappen aus , und führt die
83

Gesellschaft in ferne Lande, die er gesehen , und in


flüchtigen Umrissen baut er schon Schlösser und Opern=
häuſer für künftige Zeiten auf. Auch das Ordens-
haus wird gezeichnet , wo sich die Ritter ohne Furcht
und Tadel vom Bayard Orden , den der Kronprinz
gestiftet , einst versammeln sollen. Zu dem Baumei.
fter hat der Maler Pesne sich gesellt , dessen be=
rühmter Pinsel die Plafonds der Såle verziert hat.
Ein neuer Gast tritt ein ; 99 Vive Jordan et
sa bonne humeur !" ruft ihm der Kronprinz ent=
gegen. Wirklich, es ist Jordan, der aus dem Bücher-
ftaube seiner Bibliothek sich aufgemacht hat in die hei
tere Welt von Rheinsberg. Eine neue Ausgabe
des Horaz, mein Prinz ! auf holländischem Papier,
mit filbernen Lettern gedruckt, in pariſer Maroquin
gebunden , mit Noten von Bentlei , Hamsterhustus,
den beiden Burmånnern , Valkenar , Daniel Heinfius
und vielen andern Heroen der klassischen Literatur ;
auch bring ich Briefe". Briefe von Voltaire !”
unterbricht ihn der Kronprinz , verstecke sie nicht
hinter Deine schweinsledernen Notenmacher ; gib uns
die Briefe, die Schriften." Wirklich ist Voltaire so
gefällig , die beiden ersten Akte des Mahomet , wie fie
aus der Feder geflossen sind , seinem Federico nach
Remusberg zu schicken. Da werden die Champagner
geister aus dem Keller herauf beschworen , um dem
fernen Landsmann einen feuerigen Gruß zuzurufen ;
der Wein und der Wig schäumt in goldenen Perlen,
und so buntfarbig das Kleid ist, das die Gesellschaft
trägt , so it's doch Ein Geist , der sie belebt , der
Geist der Bildung , der Humanität , und die man für
die Getrenntesten halten könnte, findet man hier eng
84

verbündet ; ein Jeder wird in diesem Kreise ein An-


derer , als er draußen war. Der Prediger Achard
vergißt seine Amtsminè , und weiß scherzhaftem An-
griff mit gleicher Waffe zu begegnen ; der Mylord.
Marschall hat den ganzen Abend nur einmal 99 God
dam !" geflucht, ohne sich dabey auf Porter und
Roastbeef zu berufen ; der Obrist Fouqué drang Nie
mand die Geschichte seiner Feldzüge und Pferde auf;
der italienische Graf beklagte sich nicht , keine Oran
genwälder zu finden ; der französische Marquis schwieg
von dem Stammbaume ſeines alten Hauſes , und der
Kronprinz las seine eigenen Gedichte nicht vor ---
wenn man eben Racine und Voltaire vor sich liegen
hatte. ---- Indem so ein Jeder sich zu bescheiden wußte,
und ſichnicht mit origineller Anmaßung geltend machen.
wollte, gewann die Gesellschaft die heiterste Harmonie.
Fröhlich, wie man sich versammelt hatte , ging man
auseinander , Jeder suchte ungestört im stillen Kám-
merlein die Ruhe und was ihm sonst die freygebigen
Götter bereitet hatten.
Hier glaubte Friedrich die glücklichen Inseln
der Hesperiden gefunden zu haben , mit feinem Dorfe
bey Rom wollt' er tauschen ; er unterhielt sich gerne
mit den entfernten Freunden des Auslandes von dem
milden Himmel, den schönen Umgebungen und der.
frohen Beschäftigung , und was er nur sonst von
Rheinsberg zu rühmen weiß. Hören wir darüber
ihn selbst. An Suhm ſchreibt er ( 15. August 1736) :
„Ich kehre nun in meine Einsamkeit zurück , wo ichn
mich ganz dem Studium überlassen werde. Wolf,
wie Sie leicht denken können , nimmt eine Stelle ,
auf meinem Schreibtisch ein ; dann kömmt auch die
85

Reihe an Sieur Rollin , die übrige Zeit weih' ich


den Göttern der Ruhe und den Musen. Greffet,
ein Dichter, von dem Sie Manches gehört, vielleicht
gelesen haben , wird zu mir kommen , mit ihm der
Abbé Jordan, Kaiſerling , Fouqué und der Major
Still. Was für ein widriges Schicksal trennt uns,
geliebter Diaphan , und warum können wir nicht in
Rheinsberg unsere Tage neben einander verleben , im
Schooße der Wahrheit und Unschuld ?
Dort , unter dichtbelaubten Buchen,
Lehrt Wolf im milden Frühlingschein
Den irren Geist die Wahrheit ſuchen,
und mögen auch die Pfaffen schrei❜n
und unserm freien Streben fluchen.
Die Charis und die Scherze wohnen
Auf diesem anmuthreichen Land ;
Dochsind , wo jene Holden thronen,
Die andern Götter nicht verbannt.
Minerva wird und Mars gegrüßt
Mit unsrer Lyra Seierklange,
Bacchus mit festlichem Gesange,
Wenn seine Schale überfließt ;
Und schweigsam opfern wir in killen Nächten,
Cythere , deinen Zaubermächten *)!

*) Wir laſſen dieſe Verse im Original hier ebenfalls


folgen :
Là sous un ciel serein , assis au pied des
hêtres,
Nous étudions Wolffen dépit de nos prêtres.
Les grâces et les ris ont accès en ces lieux,
Sans pourtant excepter aucun des autres
Dieux.
Friedrich d. Eing. I.
86

,,Das ist die Beichte, die ich Ihnen über das


Leben ablege , welches wir in jenem glücklichen Aufent
halte führen , wo uns der Himmel noch lange Her-
berge geben möge." -
über die Art und Weise der Beschäftigung gibt
er dem Freunde in einem folgenden Briefe (23ten
Oktober 1736 ) Bericht : „Ich glaube , Sie werden
es nicht ungerne sehen , wenn ich Ihnen ein Paar
Worte von unseren ländlichen Zeitvertreiben schreibe ;
denn mit denen , die uns theuer ſind , spricht man
gerne recht ausführlich, und wenn's auch nur Klei-
nigkeiten sind. Wir haben unsere Beschäftigungen.
in zwey Claffen getheilt ; die erste umfaßt die nüß-
lichen , die andere die angenehmen in sich. Zu den
nüßlichen zähle ich das Studium der Philosophie , der
Geschichte , der Sprachen ; zu den angenehmen die
Musik, die Trauerspiele, Lustspiele , die wir auffüh
ren , die Redouten und Feste die wir geben. Immer
aber gewinnen die ersteren Beschäftigungen den Vor-
rang vor den übrigen, und ich darf schon sagen, daß
wir die Vergnügen sinnig in das Leben streuen , um
dem Geist Erholung zu geben , und das múrrische
Wesen und den Ernst der Philosophie durch die Gra=
zien aufzuheitern.“

Tantôt , quand nous sentons bouillonner


notre verve,
Nous chantons en l'honneur de Mars et
de Minerve ;
Tantôt, le verre en main , nous célébrons
Bachus,
Et la nuit nous payons nos tributs à
Venus.
87

In Rheinsberg schrieb Friedrich viele histo=


rische und philoſophiſche Abhandlungen , unter denen
fich die Betrachtungen über das europäische Staa=
tensystem und die Prüfung des Principe von
Macchiavelli*) beſonders auszeichnen, auch beſitzen

*) ,,Ich wage es," sagt er in der Vorrede,,,die Vers


theidigung der Menschlichkeit gegen ein Ungeheuer
zu unternehmen , das dieselte ausrotten will ; ich
wage es, Bernunft und Gerechtigkeit Sophismen
und Lastern entgegen zu stellen. - Ich habe den
Fürsten des Machiavel immer für eines der ge:
fährlichsten Bücher angesehen, die der Welt bekannt
geworden sind. Es ist ein Werk , das natürlicher
Weise in die Hände der Fürsten und Staatskundigen
fallen muß ; und nichts ist leichter, als daß ein ehrs
geiziger junger Mann , dessen Herz und Urtheils:
fraft noch nicht Festigkeit und Bildung genug ha:
ben, um das Gute vom Bösen richtig zu unte:ſcheiz
den , durch Marimen verdorben werde , die feinen
Grundsägen und Leidenschaften schmeicheln.
,,Wenn es Unrecht ist, die Unschuld einer Privats
person zu Grunde zu richten, die nur geringen Eins
fluß auf das Ganze hat, so ist es um so schädlicher,
Fürften zu verderben , welche Völker beherrschen,
Recht und Gerechtigkeit handhaben , Beyspiele da-
von ihren Unterthanen aufstellen , und durch ihre
Güte , Seelengröße und Miidthätigkeit lebendige
Ehrenbilder der Gottheit seyn sollen . Die Plagen
des Himmels dauern nur eine Zeitlang , verwüsten
nur einige Gegenden , und dieſe Unfälle lassen sich
wieder gut machen ; aber die Berbrechen der Könige
bringen weit långere Leiden, und zwar ganzen Vôl-
terschaften. Wie bebauernswürdig ist die Lage
der Nationen, die von dem Mißbrauche der höchsten
Gewalt Alles zu befürchten haben, wenn ihre Güter
8*
88

wir noch manches Gedicht und eine Menge Briefe von


ihm aus jener Zeit ; an Voltaire allein find 69 von

der Habsucht des Fürsten , ihre Ruhe seinem Ehrs


geiz , ihre Sicherheit seiner Treulosigkeit , und ihr
Leben seiner Grausamkeit, ausgelegt find. - Man
follte in der Geſchichte nur die Namen der guten
Regenten aufbewahren , und die anderen, ſammt
ihrer Unthätigkeit , ihren Lastern und Ungerechtig=
keit, auf immer ersterben lassen. Die Anzahl der
Geschichtsbücher würde dadurch freylich verringert
werden ; aber der Menschheit würde daraus Nugen
erwachsen, und die Ehre, in der Geſchichte zu leben,
und seinen Namen künftigen Jahrhunderteu und
der Ewigkeit zu übergeben , würde nur der Lohn
der Tugend senn ."
Man sieht aus diesen Gedanken , wie rein die
Quelle war , aus welcher des Prinzen Unwille über
das System des Macchiavelli herfloß. Statt daß
jeder Undere in seiner Lage und in seinen Jahren
von den ſophiſtiſchen Schlingen dieses Polikers wåre
gefangen worden , erkannte er sie auf den ersten
Blick , und hütete ſich nicht nur selbst vor ihnen,
fondern, was noch rühmlicher ist, warnte auch Uns
dere davor. Er folgte diesem Schriftsteller Punkt
für Punkt , damit man , wie er selbst sagt , gleich
neben dem Gifte das Gegengift fånde. Der Untis
Machiavel wird immer ein schönes Denkmal von
dem Verstande, den Kenntniſſen , der Menschenliebe
und dem edeln Herzen eines Fürsten bleiben , der
hier in früheren Jahren gleichsam den Weg angab,
den er als Vater ſeines Volks , als Monarch im
Verhältniß gegen andere, und als Krieger, in ſpås
teren Jahren zu betreten Willens war. Kein Wuns
der also, wenn man dieſem Buche , als es erfchien,
mit allgemeinen Benfall entgegen kam , und es in
kurzer Zeit in fünf Sprachen • übersegte.
89

Rheinsberg oder Remusberg geschrieben , wie er es


ſcherzhaft zu nennen pflegte , und auch er wird mit
dem glücklichen Aufenthalte bekannt gemacht. llns
fehlt," schreibt ihm Friedrich (v. 9ten November
1738) ,,,in Rheinsberg , um vollkommen glücklich zu
feyn , nur ein Voltaire. Wenn Sie aber gleich fern
von uns leben , so find Sie dennoch mitten unter uns.
Ihr Bild schmückt meine Bibliothek, es hångt über
dem Schranke , der unser goldenes Vließ bewahrt,
unmittelbar über Ihren Werken , und dem Ort gegen=
über , wo ich gewöhnlich ſiße , daß ich Sie immer vor
Augen habe. Fast möcht' ich sagen , Ihr Bild fen.
mir die Memnonsfäule , die , wenn die Sonnenstrah=
len fie berührten , harmonisch ertönte , und wer sie
anschaute, dessen Geist ward belebt. Erinnern Sie
sich immer der kleinen Colonie in Remukberg , und
zwar, um Hirtenbriefe nach Ihrer Art an sie zu rią)--
ten. Dieser Troft ist in Ihrer Abwesenheit nöthig,
und Sie sind ihn Ihren Freunden schuldig."
Der König besuchte den Kronprinzen öfters in
Rheinsberg ; dann zogen die lustigen Tischgenossen sich
zurück, und einige alten Stabsofficiere nahmen über
Tisch ihren Plaß ein.
Der Feldmarschall Grumkow fand es nun auch
gerathen, sich dem Kronprinzen wieder zu nähern.
Er benüßte einst die gute Tiſchlaune des Königs , ihn
zu bereden , die Schulden des Kronprinzen zu bezah-
len ; dieser gab sie auf 40,000 Thaler an , und der
Vater ließ sich willig finden.
Mit Seckendorf hatte der Kronprinz sich auch
versöhnt , er machte durch ihn Geldgeschäfte mit der.
Kaiserin in Wien , doch scheint ihm diese Hilfe nicht
go

genügt zu haben ; er wendet sich sehr dringend an


Suhm in Petersburg , und bittet ihn in allegorischen
Ausdrücken , die sie früher verabredet hatten , um
12,000 Thaler. Er schreibt ihm von Rheinsberg
1737 : ,,Da Sie nun einmal mein Commiſſionår in
Rußland ſeyn wollen , ſo bitte ich, mir die neue Aus-
gabe vom Leben des Prinzen Eugen zu verschaffen , die
man bey Ihnen druckt ; das wird das Kürzeste ſeyn.
Die Absendung an mich wird leichter , der Accord
mit dem Buchhändler viel ſicherer ſeyn , und ich werde
dabey meine Rechnung viel beffer finden , als bey den
wiener Buchhändlern , die langſam drucken , den Sub-
ſcribenten keinen Credit geben , und die , mit einem
Worte, mir nicht anstehen. Man verlangt zwölf
Exemplare (12,000 Rthlr.) von mir ; die sie bestellt
haben , verfolgen mich bey Tag und Nacht , als ob ich
eine Druckerey in meinem Hauſe håtte, und nach meis
nem Belieben sie befriedigen könnte. Ich werde An-
tiken machen lernen und das Handwerk derer treiben,
die neue Münzen nachprågen , um mich aus der Ver-
legenheit zu ziehen. Kurz , eilf oder zwölf Personen
bestehen steif und fest auf das Leben Eugen's , fie for-
dern es , was es auch kosten mag. Denken Sie sich
meine Lage ! Ich thue Gelübde an alle Heilige , und
ohne Sie würde es ſchlimm mit mir ßtehen. Schließen
Sie daher mit dem Buchhändler den Accord , ich gebe
Ihnen dazu günzliche Vollmacht, meine Sache kann
sich nicht in besseren Hånden befinden , als in den
Ihrigen. Ihre Klugheit und Wolf *) stehen mir
für den günstigen Erfolg Ihres Unternehmens."

*) Suhm hatte dem Kronprinzen Wolf's Metaphysik


91

Im März 1737 erhielt er zur besseren Einrich-


tung seines Hofstaats eine jährliche Zulage von 12,000
Thalern ; indessen erfuhr er bald wieder einen star-
fen Abzug *).
Im July 1738 trat der König , begleitet von
dem Kronprinzen , eine Reise nach Cleve und Holland
an , und auf der Rückkehr wurde die braunschweiger
Messe besucht. Hierher hatte der Graf von der Lippe
Freymaurer aus Hamburg und anderen großen Logen
eingeladen , und der Kronprinz wurde in der Mitter-
nacht vom 14ten auf den 15ten August feyerlich, nach
allen Prüfungen , in die Brüderschaft aufgenommen,
eben so der Graf von Wartensleben , der seiner vor-
züglichen Zuneigung genoß. Indessen ward dies
Alles so geheim gehalten , daß weder der König , noch
seine Vertrauten , etwas davon erfuhren. Der Prinz
ward ein eifriger Maurer , und in den ersten Tagen
seiner Regierung erklärte er sich öffentlich für einen
folchen; ja , er hielt zu Charlottenburg eine Loge , in
welcher er , als Meister vom Stuhl , den Prinzen
Wilhelm , den Markgrafen Karl von Schwedt , und
den Herzog von Holstein , aufnahm. Nach der Zeit
besuchte er die Logen zwar seltener , und in ſpåteren
"Jahren gar nicht mehr ; indessen gab er der Freymau-
rerey immerfort Beweise feiner Achtung und Zunei
gung , und nahm sie öffentlich in seinen Schuß.
Zu Rheinsberg bildete sich jener schöne, große

in das Französische überseht, da er dieselbe in dieſer


Sprache zu lesen wünschte.
*) Bey der Darstellung der Jugendjahre Friedrich's
diente meiſteng Förster's Schrift als Grundlage.
92

und erhabene Geist aus , den wir zu bewundern so oft


Ursache finden werden. Besonders anziehend find
die Briefe , welche er mit dem biederen von Suhm,
dem damaligen fächſiſchen Gesandten zu St. Peters-
burg, wechselte , und welche uns mehr als einen Blick
in seine Denkungsweise geftatten. Die ruhigen
Bewohner von Remusberg," schreibt er ihm unter'm
12ten September 1737,,,ſind nicht ſo kriegeriſch ;
es ist mir eine größere Angelegenheit , die Ländereyen
urbar zu machen , als Menschen niederzumeheln, und
ich schäße mich tausendmal glücklicher , eine Bürger
frone zu verdienen, als einen Triumph." Ferner,
anter❜m 26ten November des nämlichen Jahres :
...Ich bitte Sie , mein Lieber , streichen Sie allen
meinen Heroismus , bis auf die Freundschaft allen
falls , die ich für Sie hege. Wenn die Eigenschaften
des Herzens zu der Bildung eines Helden gehören ;
wenn die Treue und die Menschlichkeit so viel gelten,
as diese rohe und oft barbarische Wuth der Eroberer ;
wenn die Unterscheidung und Auswahl achtbarer Leute
dem ausgedehnten Genie derer vorgezogen werden
kann , welche die größten Plane entwerfen ; wenn end-
lich der gute Wille und die Sanftheit mehr werth find,
als die Thätigkeit dieser Unruhigen , welche geboren
scheinen , die Welt umzukehren , dann , unter diesen
Voraussetzungen , kann ich mit ihnen in Vergleich
kommen. Aber da alle diese Eigenschaften , die Güte,
die Sanftmuth u. s. w. nur einen guten Bürger, und
nicht einen großen Mann , zu bilden vermögen , bin
ich nicht mit dem eiteln Wahne befangen , diesen Titel
zu begehren, und ich versichere Sie, daß ich beständig
den eines treuen Freundes , eines an dem menschlichen
93

Elend Antheil nehmenden Mannes , und endlich eines


Menschen vorziehen werde , der dieſes nur zu seyn
glaubt , um den übrigen Menschen Gutes zu thun,
in welcher Lage er sich auch befinden möge."
In einem Briefe an Voltaire , vom 18ten
May 1740 , da er den Tod des Vaters herannahen
sah, spricht er sich folgendermaaßen aus : „ Ich
wünschte sehr, daß ich mich in der ruhigen und stillen
Lage befande, in der Sie mich glauben , und ich ver
fichere Sie, daß die Philosophie in meinen Augen reis
zender und anziehender ist , als der Thron. Sie hat
ben Vorzug , daß ihre Freuden dauerhaft find ; sie
überwiegt die Täuschung und Irrthümer der Men
schen , und wer ihr in das Gebiet der Tugend und
Wahrheit nachfolgen kann , ist sehr strafbar , wenn er
es für das Land der Lafter und Gauke eyen verläßt."
Es dürfte hier wol nicht an dem unrechten Orte
seyn , einige der Freunde Friedrich's aus dieser
Beit näher zu schildern ; die von Bielefeld gemachte
Zeichnung derselben möge uns hierbey meistens als
Quelle dienen.
Der Ritter Chasot war dem Prinzen in dem
französischen Lager bekannt geworden , das er bey
Ge egenheit des rheinischen Feld , uges von 1734 zu
befehen die Erlaubniß erhalten hatte. Sein vollſtän-
diger Name war Franz Isaak Graf von Chaſot , ſein
Vaterland die Normandie. Er besaß einen hellen
Verstand , viel Wiß und Lebhaftigkeit , und einen
entschiedenen Geschmack für die Kriegskunst. Als
der Prinz zur Regierung fam , gab er ihm ein Jäger-
corps , an deſſen Spiße er in dem Kriege von 1740
bis 1742 viel Ruhm erwarb , den er in dem darauf
94

folgenden neuen Kriege bis zur höchsten Stufe hinauf-


trieb , als er mit dem Dragoner-Regiment Bayreuth,
unter welchem er als Major diente, in der Schlacht
bey Hohenfriedberg 66 feindliche Fahnen erbeutete,
und überhaupt durch seine unerschütterliche Tapferkeit
und Geistesgegenwart nicht wenig zu dem glücklichen
Ausgange dieses Treffens wirkte. Im Jahre 1752
nahm er seinen Abschied , und ward von dem Könige
von Dånemärk mit dem Titel eines Generallieutenants
zum Commandanten von Lübeck ernannt.
Ein zweyter Liebling des Prinzen und sein ver-
trautefter Gesellschafter war der Earon Dietrich von
Kaiserling, ein kurischer Edelmann. Die Natur
hatte ihn mit den glänzendsten Talenten ausgestattet,
die sie sonst nur einzeln ihren Lieblingen zutheilt. Er
hatte einen Kopf, der die wichtigsten und schwersten
Gegenstände mit gleichem Feuer umfaßte , und das,
was ihm an Gründlichkeit abging , mit einem uner-
schöpflichen Wise , mit einer fiegenden Beredsamkeit
und einem nie unterliegenden Muth, ersehte. Er
konnte , was er wollte , that aber nicht immer , was
er konnte , und zeigte überhaupt in ſeinem Charakter
so viel Gesehtheit und Flatterhaftigkeit , so viel Be=
harrlichkeit und Leichtsinn , so viel Edles und Großes,
und wiederum so viel Renomisterey und Bizarrerie,
daß man oft zweifelhaft war , ob man ihn für den
stärksten oder schwächsten Sterblichen halten sollte.
Als ihn der Freyherr von Bielefeld das erste
Mal zu Rheinsberg sah ; fuhr er wie ein Sturmwind
in den Saal. Er war auf der Jagd gewesen , hatte
einen Schlafrock an und eine Flinte auf der Schulter.
Er redere den Freyherrn von Bielefeld so munter und *
95

ungezwungen an , als ob er schon seit langer Zeit sein


vertrauteler Freund gewesen wäre, ergriff ihn
bey'm Arm und trug ihn beynah' in sein Zunmer.
Hier def amirte er , während er sich ankleiden ließ,
bald Stellen aus der Henriade , bald aus teutschen
Dichtern , sprach bald von Pferden und von Jagd,
bald von Gelehrsamkeit und Kunſt , ſprang und tanzte,
und sprach dann wieder von Politik , Mathematik,
von Malerey, von den schönen Wiſſenſchaften und von
der Kriegkunst.
Charak.ere dieser Art sind noch immer , wenn
das erste jugendliche Feuer gedämpft ist , die brauch-
barsten und wohlthätigsten für die Menschheit gewor-
den , weil bey ihnen , mitten unter dem Brausen der
ungebåndigten Leidenschaften , die Züge eines guten
und fühlenden Herzens , wie Sonnenblicke durch Ge-
witterwolfen , herdurch zu schimmern pflegen.
Kaiserling, den der Prinz nur immer Caſarion
nannte , wåre in der Folge einer der besten Feldherrn
geworden , wenn er långer gelebt hätte. Er war
Dorist und Generaladjutant des Königs , als er im
Jahre 1745 in der Blüthe des männlichen Alters
starb. -
Nicht minder lebhaft , aber weit ſteter und fester,
war der Charakter des geheimen Raths Jordan , den
der Prinz vorzüglich schäßte. Er hatte Theologie
studirt, begab sich aber derselben , weil er von sehr
schwacher Gesundheit und deshalb schon nicht im
Stande war , seine Stelle auf der Kanzel mit Nach-
druck zu behaupten. Er that eine gelehrte Reise nach
Holland, England und Frankreich, und ward nach
seiner Zurückkunft dem Prinzen bekannt. Dieser
96

nahm ihn in seine Dienste , und hatte ihn von dieser


Zeit an beständig um sich.
Jordan war klein von Perſon , aber nicht unre:
gelmäßig gewachsen. Er hatte viel Einnehmendes in
feinem äußern , und einen vorzüglich lebhaften und
feuerigen Blick. Seine Gesichtsfarbe war braun,
und seine starken Augenbraunen waren schwarz, wie
fein Bart. Er besaß viel Verstand , und eben so viel
Geschmack und Gelehrsamkeit , die er auf seinen Rei-
fen ungemein ausgebildet und erweitert hatte. Er
ist auch durch einige Schriften in der Literatur be,
fannt geworden , die jedoch von der unerschöpflichen
Ader von Wig nicht so viel Spuren zeigten, welche ihm
die Natur verliehen hatte , als seine mündlichen Un-
terhaltungen. Das schärfßte Salz war nicht so beiß
send , wie der Wih , von dem sein Mund , wie eine
lebendige Quelle , immerfort überströmte. Doch ehr.
würdiger, als alles dieses , machte ihn sein Herz,
welches der Sih der Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit
und der unbedingtesten Ergebenheit für den Prinzen,
war. Selbst die Hofleute gestanden ihm diese Vor
zúge ein , und schäßten ihn darum .
Als der Prinz zur Regierung kam ; machte er
ihn zum geheimen Rath und darauf zum Vicepräsiden
ten seiner Akademie , als welcher er 1745 , im 45ten
1 Jahre seines Alters , starb.
Die Vorzüge des Freyherrn von Knobels
dorf waren weniger für gesellschaftlichen Umgang,
als für ernsthaftes Wissen. Sein Äußeres hatte nicht
das Geschmeidige , Quecksilberne und Lachende der
rorhin geschilderten drey Freunde des Prinzen ; er war
immer ernsthaft und finster , und mit seinem Studiren
97

beschäftigt. Sein Umgang war ungemein lehrreich,


wenn man ihn auf seine Lieblingswissenschaften, Bau-
kunst , Zeichenkunst und Maleréy , zu lenken wußte.
Um seine Kenntnisse in diesen Fächern zu erweis
tern , nahm ihn der Prinz aus den Kriegdiensten und
ließ ihn eine Reise nach Italien machen. Von daher
brachte er einen Schaz theoretischer Kenntniſſe zurück,
die er in der Folge praktiſch zu zeigen immerfort Ge=
legenheit hatte. Was man in Rheinsberg Schönes
in der Architektur und den damit verwandten Kún-
ften sah, hatte Knobelsdorf, nach der Angabe des
Prinzen, mit großer Einsicht und im feinsten. Ge
schmack, ausgeführt. Er malte die reizendsten Land-
schaften und zeichnete die Bildnisse feiner Freunde
zum Sprechen ähnlich nach der Natur. Dabey war
er ein Mann von bewährter Treue und Redlichkeit.
Er starb 1753 zu Berlin , als geheimer Finanzrath,
Aufseher fämmtlicher königl. Schlösser und Gärten,
und Oberlandbau-Direktor , im 54ten Jahre. Das
Schloß von Sans-souci , welches unter seiner Aufsicht
erbauet wurde , und eine Menge anderer königlichen.
Gebäude, sind die schönsten Denkmåler feiner Kennt-
nisse in der Architektur. Von Suhm haben wir
oben schon gesprochen. --- Seit dem Jahre 1737
stand Friedrich auch mit Voltaire in einem , in
mancher Beziehung sehr interessanten , Briefwechsel.
Die Aussöhnung zwischen dem König und dem
Kronprinzen war wirklich vollkommen gewesen. Bey
der strengen und lieblosen Behandlung , die der Lez-
tere von seinem Vater zu erdulden gehabt , ist es
wirklich bewundernswerth , wie er bey allen Gelegen=
heiten dessen stärkster Lobredner ward. Wir laſſen
Friedrich d. Einz. I. , 9
98

unerwähnt , wie vortheilhaft er von seiner Regierung


ſpricht , indem wir uns auf folgende Stelle aus seinen
Memoiren beschränken , die gewiß zur Genüge das
Gesagte beweisen werden : Wir haben mit Still-
schweigen den häuslichen Verdruß dieses großen Für-
ften übergangen ," find seine Worte. Man muß
einige Nachsicht mit dem Fehler der Kinder haben, zu
Gunsten der Tugenden eines solchen Vaters *).!! -
Doch ist es nur allzu gewiß , daß Friedrich ungleich
zufriedener mit dem König , als dieser mit seinem
Benehmen war. Es gefiel ihm zwar , daß ſich der
Kronprinz das Kriegwesen angelegen seyn ließ, dabey
bedauerte er jedoch immer , daß ihm derselbe nicht
alle seine Kräfte widmen wollte. Daher waren die
meisten Gesellschafter seines Sohnes blos geduldet
(tolerirt) und kaum durfte sich einer vor ihm sehen
laffen. Öfters drohte er auch — wie versichert wird
besonders in den lehten Jahren seines Lebens , wo
die, durch die Krankheit zum Theil verursachte , biſe
Laune des Königs dem Kronprinzen häufig zur Laſt
fiel, die schönen Geiſter, die Philoſophen, Freygeiſter,
Irrlehrer und Verführer feines Sohnes aufheben,
und sämmtlich auf die Festung Spandau ſehen zu laſſen.
Ganz Rheinsberg soll hierdurch nicht selten einige
Tage lang in Schrecken gerathen seyn , und der Prinz
seine ganze Beredsamkeit nöthig gehabt haben , die

*) Die ehrenvollste Rechtfertigung hat Friedrich


der Große indessen - wie Förster ganz richtig bes
merkt seinem Vater durch die Unerkennung seiner
Regierungsweise , und durch die Thaten gegeben,
die er mit dem Schah und dem Heere desselben
ausführte.
90

ångstlichen Freunde zu beruhigen , und von einer


förmlichen Flucht abzuhalten. So schreibt er auch
(den 22ten Juny 1737) an Suhm., seinen geliebten
Diaphan : "Vor einigen Tagen sind neue boshafte
Streiche gespielt worden. Alles kömmt von einer
Eifersucht her, welche Bredow gegen Wolden hat *). :
Der Erstere hat Mittel gefunden , dem Könige die
Meinung beyzubringen , ich sey ein Mensch ohne Re .
ligion ; Manteuffel **) und Sie ( Suhm) hätten viel
dazu beygetragen , mich zu verderben , und Wolden
fey ein Narr, der bey uns den Poffenreißer mache
und mein Günſtling wåre. Sie wissen , daß die
Beschuldigung der Irreligion die lehte Zuflucht der
Verläumder ist , und daß , sie einmal beygebracht,
nichts mehr gesagt werden kann. Der König gerieth
in Hise; ich nahm mich zusammen ; mein Regiment
that Wunder , und die geschickte Führung der Waffen,
ein wenig Mehl auf den Köpfen der Soldaten gestreut,
Leute von mehr als 6 Fuß , und viele Rekruten , was
ren stärkere Argumente , als die meiner Verläumder.
Alles ist gegenwärtig ruhig , und man spricht nicht
mehr von der Religion , von Wolden , von meinen
Verfolgern, noch von meinem Regimente. "
Die Gesundheit des Königs war gegen Ende des
Jahres 1738 sehr bedroht. Es wurde Alles aufge
boten , um den Mißmuth zu vertreiben , der ihn oft
befiel, und was er wünschte, suchte man auszuführen.

*) Bredow war Gouverneur und Wolden Haushof-


meister des Kronprinzen.
**) Beheimer Rath und erster Miniſter am sächsischen
Hofe.
9*
100

Den 22ten May 1739 speiste Friedrich bey dem


Könige , der über Tafel gegen ihn äußerst gnädig
war, und versicherte, er sey mit seiner Aufführung
völlig zufrieden , wolle auch deshalb alles bisher zwi=
schen ihnen obgewaltete Mißverständniß , welches von
gewissen bösen Leuten (Grumkom und Seckendorf*)
waren in diesem Jahre gestorben) gestiftet worden,
abstellen und völlig vergessen. Er versprach dem
Kronprinzer 100 000 Thaler zur Bezahlung seiner
Schulden, und sagte ihm , daß er sich nun um ſeine
Lebensweise gar nicht mehr kümmern werde.
Den 9ten Juny passirte der Kronprinz mit ſei-
nem Regimente die lehte Revue vor seinem Vater.
Das Wetter war schlecht , und der König sehr schwach ;
er wurde aber heiter, da der Kronprinz ihm 150 auss
erlesene Rekruten vorführte , von denen er dem Vater
sechs Stück für 10.000 Thaler für die Leibgarde ab÷
trat. Mittags speiste dieser bey dem Kronprinzen.
Er schenkte ihm im Auguſt die Stuterey in Preußen,
worüber der Kronprinz allen seinen Freunden , selbst
Voltaire , sein Erstaunen und ſeine Freude mittheilte.
Kleine Mishelligkeiten fanden noch öfter statt , doch
war's nicht von langer Dauer. Mit Ende dieses und
zu Anfang des folgenden Jahres (1740) verschlim
merten sich die Gesundheitsumstände Friedrich Wil
helm's sehr. Man suchte ihm so viel als möglich

*) Beide Günstlinge haben nicht glücklich geendet :


Seckendorf zog sich die Ungnade des östreichischen
Hof's zu, daß er verwiesen ward , und gegen Grum:
kow war Friedrich Wilhelm in den legten Jahren
sehr kalt; der Tod befreite ihn von einer strengen
Untersuchung.
ΙΟΙ

Unterhaltung zu verschaffen , weshalb auch der Kron-


prinz den 4ten Januar ein prächtiges Gastmahl und
Ball gab; doch war der König nicht gegenwärtig,
obwol er es früher versprochen. Er war unwillig,
als er erfuhr , daß der Prinz zu dieſem Feste Geld ge-
borgt, und befahl ihm , den 18ten Januar zu seinem
Regimente nach Ruppin abzugehen. Diese Ungnade
dauerte aber nicht lange ; Podagra und Waſſerſucht
machten ihm große Schmerzen , und er verlangte nach
dem Kronprinzen ; er ließ ihn durch eine Estaffette
den 17ten Januar nach Berlin rufen. Den 21ten
Mårs glaubte der König gewiß zu sterben , und hielt
nochmals eine feierliche Versöhnung mit dem Prinzen.
Erst den 31ten May ging es wirklich mit dem König
zum Tode. Er übergab noch früh um 11 Uhr dem
Kronprinzen Krone , Scepter und die Schlüffel zum
Schaß, und ertheilte ihm seinen Segen. Der ge
heime Rath Vockerodt nahm ein eigenes Protokoll
darüber auf.
FriedrichWilhelm zeigte sich bis zu seinem letzten
Athemzug als einen strengen Herrn über Leben und
Tod, wie sonst gegen Andere , ſo jest , da es ihm
selber galt. Er ließ sich den Sarg hereinbringen,
in dem er bald liegen sollte , und gab in Gegenwart
der Generalität und anderer Hofchargen für seine
Beerdigung dem Kronprinzen Befehle. ----- Noch um
11 Uhr ließ er sich in feinen Stuhlwagen ſehen, und
auf der Gallerie des Schlosses herumfahren , um die
im Hofe paradirende Garde noch einmal zu sehen.
Zwey Stunden spåter , um 1 Uhr , war er schon nicht
mehr.
3 weyter Abschnitt.

Kurzer Uiberblick des Zuſtandes der europäiſchen Staa-


ten . - Friedrich der 11. besteigt den preußischen-
Thron. --- Krieg mit Oestreich. Siege bey
Mollwig und Chodu ſiz . Das von dem
König eroberte Schlesien wird ihm durch den
breslauer Frieden förmlich überlassen.
(Vom May 1740 bis zum July 1742.)

Bey dem Tode Friedrich Wilhelm's zählte Preuf-


fen 2.240,000 Bewohner *). Die Einkünfte des
Staats betrugen zwar nur 7,400,000 Thaler , den-
noch aber hatte der König einen Schaß von wenig-
ftens acht und einer halben Million hinterlassen **).

*) Nach Friedrich des Einzigen Angabe ungefähr drep


Millionen.
** Friedrich , in der „ Geſchichte meiner Zeit “, gibt
den Schat zu 8,700,000 Thaler an. - 3 immers
mann (Fragmente über Friedrich den Grof=
fen; 1. Band, S. 17) indeſſen hält diese Angabe,
nach der ihm von einem preußischen Minister ges
machten Versicherung , für einen Fehler des Ab-
schreibers oder Segers , und glaubt bestimmt , die
aufgesparten Summen seyen ungleich bedeutender
gewesen,
103

Die Staatseinkünfte waren in guter Verwaltung ;


indeſſen fehlte es an inneren Hilfêquellen , und die
jährliche Einfuhr überſtieg die Ausfuhr um 2,200,000
Thaler. ― Das Heer bestand aus nicht weniger als
76,000 Mann , was , ohne die so streng ökonomische
Haushaltung in allen Zweigen der Verwaltung , die
Kräfte des Landes weit überstiegen haben würde.
Noch befanden sich aber fast alle übrigen Staa
ten Europa's in Entkräftung und Schwäche ; noch
bluteten bey vielen die Wunden , welche der dreißig
jährige Krieg, und die verschiedenen durch Karl den
XII., Peter den I. (der Große genannt), und Ludwig
den XIV. veranlaßten Kämpfe , geschlagen hatten.
Östreich, durch die Talente des Prinzen Eugen
von Savoyen wieder zu der Macht erhoben , welche
es in den früheren Zeiten seines Glanzes erlangt,
war, unter der Leitung schlechter Minister, und von
einem schwachen Kaiſer (Karl dem VI.) regiert, wies
der ausnehmend gesunken. Zwar übte es noch über
einige Staaten Italiens feinen Eirfluß aus , und ein
großer Theil von Teutschland war seinen Befehlen
gehorsam ; aber, obschon so reich an Hilfsquellen,
mangelte es dennoch dem Gouvernement dieses Landes
faft überall an Mitteln. Ein einziger kluger und kraft-
voller Mann hårte in jener Epoche diese Monarchie
wol zu nie gesehener Größe zu erheben vermocht ; statt
dessen schien sie aber immer tiefer herabzusinken.
Bedauernswerth war im Algemeinen die Lage
Teutschlands. In nicht weniger als 300 , fast
nach eben so viel Systemen beherrschte , Staaten ge-
theilt, besaß dasselbe --- unter anderen Verhältn ssen
ohne Zweifel nicht nur stets Achtung gebietend, sondern
104

wahrscheinlich das erste, mächtigste Land Europa's-


weder Einigkeit , noch Macht. Die Kaiser, feit
Jahrhunderten immer aus dem öftreichischen Hause
erwählt , konnten einen ungemessenen Einfluß beynah❜
über das gesammte Reich ausüben. Die ganze Ver-
fassung , schon långst zum Gespötte der Fremden ge=
worden, glich einem großen , alten Gebäude, dessen
gefunkenen Fundamente und von einander getrennten
Mauern einen gewiffen Einsturz verkündeten. Unter
den einzelnen Staaten erblicken wir Brandenburg,
oder vielmehr Preußen , in der Epoche seiner Ent-
wickelung , und Braunschweig , feit Georg der I.
den britischen Thron bestiegen , an Englands Intereffe
gefeffelt. Sachsen , welches , wie Friedrich sagt,
von seinen Spionen zwar gut , aber von seinen Mini-
stern desto schlechter bedient wurde , und das Pfaffen
ind Günſtlinge regierten , verdient im Grunde blos
Teshalb einige Aufmerksamkeit , weil sein Churfürst
zugleich die Königkrone von Polen auf dem Haupte
trug. - Bey diesen Verhältniſſen laſtete ein despo-
tischer Druck auf dem Volke , und Unwiſſenheit , und
die ihn Begleitenden , Fanatikmus und Aberglauben,
schwangen in ganz Germanien ihre Geifel. Es stehe
hier der eine Zug , den Friedrich erwähnt : „ Der
Churfürst von Cölln hielt bis 10 000 Mann , wo-
mit er ein Gewerbe trieb , wie ein Ochſenhirt mit ſei-
nem Vieh. Damals hatte er sich an das Haus Öftreich
verkauft."/
Frankreich, wenn gleich durch die unglück-
bringende Eroberungfucht Ludwig des XIV., und die
enormen Verschwendungen des Hofes , vor wenigen
Jahren noch tief herabgekommen , war , bey seiner
105

vortheilhaften Lage und dem Charakter seiner Bewoh


ner, schnell wieder empor gestiegen. Es übte Ein-
fluß aufItalien aus , und auf das durch Inquisition
und Mönchthum in Ohnmacht gekommene Spanien.
Schon damals besaß das , zwar von der Natur
nicht besonders begünstigte, nicht sehr ausgedehnte,
aber durch eine freye Verfassung die Keime seiner
dereinstigen Größe in sich tragende, England eine
bedeutende Macht , besonders zur See. Einige Theile
von Nordteutschland, Dänemark, Holland und Por
tugal folgten , mehr oder weniger , feiner Leitung.
Unermeßliche Besißungen in Amerika , eine vortreffs
liche See- und nicht unbedeutende Landmacht , so wie
außerordentlich große Reichthümer , wußten dem eng
lischen Namen überall Achtung zu verschaffen.
In Schwäche, oder doch wenigstens ohne völlige
Selbstständigkeit , erblicken wir Schweden , Däne-
mark, Polen , Holland , die Schweiz , Portugal und
die Túrkey. Dagegen hatte sich , auf den Trümmern
aller seiner Nachbarstaäten , schon damals Rußland
zu einer Macht ersten Ranges erhoben , und den Be
fehlen seines Gouvernements gehorchte eine Länder-
masse, bey Weitem größer als Europa.
- Als der Vater todt war , begab sich Fried-
rich sogleich nach Charlottenburg. Rheinsberg,
das einſame Rheinsberg , wo er seine besten Jahre,
bald den Musen , bald den theoretischen Kriegwiffen-
schaften, bald der Regierungskunst , gewidmet hatte,
mußte er nun mit diesem , der königlichen Residenz
nåher gelegenen Luftschloffe , vertauschen. Charlot
tenburg war einer der Orte , welche der vorige König
nie liebte, weil Friedrich der 1. seine Vorliebe zu
106

demselben in zu vieler Pracht an den Gebäuden und


Gärten gezeigt hatte. Hier hielt er sich etliche Tage
lang in seinen Zimmern , und unterrichtete sich im
Stillen genau von der gegenwärtigen Verfassung des
Staats und deffen Angelegenheiten ; indeſſen ånderte
er vor der Hand nichts Wichtiges in den Einrichtun=
gen des Vaters. Die ersten Worte an feine Miniſter
waren : Unsere erste Sorge muß das Wohl unserer
Staaten und das Glück eines jeden unserer Unter-
thanen seyn. Wir wollen nicht , daß Ihr dieselben·
unterdrücket , um Euch zu bereichern , sondern viel
mehr, daß Ihr die Wohlfahrt des Landes zu gleicher
Zeit , wie Euer Intereffe , vor Augen habt , denn
beyde dürfen nicht unter einander kommen *).“
Seine Empfindungen in dieser Lage zeigt ein
Brief, welchen er sechs Tage nach dem Antrit der
Regierung (den 6ten Juny) an Voltaire schrieb :
,,Theurer Freund , mein Look hat sich geändert , und
ich bin bey den leßten Stunden, bey dem Todeskampf
und dem Sterben eines Königs zugegen gewesen.
In der That brauchte ich bey meinem Regierungsan
trit diese Lektion nicht , um Ekel vor der Eitelkeit
und der menschlichen Größe zu bekommen . ...Aber,
mein lieber Voltaire, wir sind nicht Herren über un-
fer Schicksal , der Wirbel der Ereignisse reißt uns
fort , und wir können uns ihm nicht widerseßen. Hal-
ten Sie mich, ich bitte Sie darum, für weiter nichts,
als für einen eifrigen Bürger (Patrioten) und einen
etwas sceptischen Philosophen , aber für einen wahr=

*) Vie de Frederic II . , Roi de Prusse, (Stras-


bourg, 1787.)
107

haft treuen Freund. Um's Himmels willen ! Schreiben


Sie an mich, wie an einen Menschen , und verachten
Sie mit mir Titel , Namen und außeren Glanz.
Bis jet bleibt mir kaum so viel Zeit übrig , daß ich
zu mir selber kommen kann. Ich habe unendlich viele
Geschäfte , und mache mir noch mehr dazu u . s. m.“
Gegen Ende des ersten Monats seiner Regie-
rung , nämlich unterm 27ten Juny , gibt er diesem
Freunde auch einen kurzen Bericht von seiner Lebens-
weise: Die unzählige Arbeit , welche mir nach dem
Tode meines Vaters zugefallen ist , hat mir Taum
erlaubt, mich meinem gerechten Schmerze zu über
laſſen. Seit seinem Tode glaub' ich ganz meinem
Lande zu gehören ; und bey dieser Gesinnung hab' ich
nach allen meinen Kräften gearbeitet , um so schleunig
als möglich Anstalten zum allgemeinen Besten zu tref
fen. Für's Erske habe ich die Macht des Staats mit
15 Bataillonen , 5 Schwadronen Huſaren und einer
Schwadron Gardes du corps vermehrt , und den
Grund zu unserer neuen Akademie gelegt. Wolf,
Maupertuis, Vaucanson und Algarotti habe ich schon;
von ' Gravesand und Euler erwarte ich Antwort.
Ich habe ein neues Handlungs- und Manufaktur.
Departement etablirt , engagire jezt Maler und Bild-
hauer, und reise nach Preußen , um mir da, ohne das
heilige Ölfläschchen und ohne die unnüßen und nich.
tigen Ceremonien huldigen zu laffen , welche Ignoranz
eingeführt hat , und die nun von der hergebrachten
Gewohnheit begünstigt werden...
Meine Art zu leben ist für jeht noch nicht
recht im Gange ; deun die Fakultät hat es für gut
gefunden , mir ex officio pyrmonter Waffer zu
108

verordnen. Ich stehe um 4 Uhr auf, trinke bis um


8 Uhr den Brunnen , ſchreibe bis 10 , laſſe bis Mit-
tags Regimenter ercerziren , schreibe bis 5 Uhr , und
erhole mich des Abends in guter Gesellschaft. Wenn
die Reifen geendigt find , foll meine Lebensart ruhi-
ger und planmäßiger werden. Für jeßt aber habe
ich die gewöhnlichen fortlaufenden Geschäfte , und
überdies noch neue Einrichtungen ; bey dem allem
muß ich auch viele unnüße Complimente machen und
Cirkulare ergehen lassen. Die meiste Mühe habe ich
bey der Anlage neuer Magazine in allen Provinzen,
die so beträchtlich seyn sollen , daß sie auf anderthalb
Jahre Getreide für das ganze Land erhalten.“
Eine der ersten Regierungshandlungen Fried-
rich's war also die Zurückbringung Wolf's in seine
Staaten. Dieser große Philosoph hatte auf der Unis
versität zu Halle , unter der Regierung Friedrich
Wilhelm's , mit vielem Beyfall feine Vorlesungen
gehalten. Seine Schriften gewannen eine außeror-
dentliche Verbreitung , weil darin dem gesunden
Menschenverstande , der jeßt seine Flügel zu verſuchen
anfing , ein willkommenes Element zur freyen Bewes
gung geboten wurde. Vergebens erhoben sich die
Pietisten von Halle und anderwärts gegen Wolf; in
einem Federkriege, den sie veranlaßten , wollte es
ihnen nicht gelingen , den Zweck zu erreichen. Da
wußte der berüchtigte Professor Lange (f. S. 23) dem
König auf heimlichem Wege diese Lehre dadurch ver-
dächtig zu machen , daß er ihm schrieb : „ Wolf suche
zu beweisen , daß der König keinen Soldaten beſtra-
fen könne , der davon laufe , weil davon die Har-
monia praestabilita Schuld ſey.“ Wenn nun
109

auch nicht zu fürchten war , daß die potsdamer Garde


Wolf's Metaphyſik ſtudiren werde , so schienen doch
solche Gemeinsprüche verfänglich , und Wolf erhielt
einen Cabinetsbefehl , worin ihm ,,,bèy Strafe des
Stranges", befohlen ward , Halle binnen 24 Stun-
den zu verlaſſen.
Unverholen äußerte sich die Theilnahme an sei-
nem Schicksal, und sie konnte dem Könige nicht uns
bekannt bleiben. Daher trug er, besonders durch
den Kronprinzen hierzu veranlaßt , dem Probst Rein-
beck in Berlin auf, ihm über Wolf's Schriften Be-
richt zu erstatten. Da dieser sehr bündig für den
Philosophen sprach, rief ihn Friedrich Wilhelm zurück.
Wolf indessen , neue Händel fürchtend , erwartete eine
günstigere Zeit. - Als Friedrich der II . den Thron
bestiegen hatte , gab er sich, durch den Probst Rein-
beck, alle Mühe , ihn wieder zu gewinnen. Ein
Mann, der die Wahrheit sucht und verehrt, schrieb
er an jenen (Reinbeck),,,muß dem ganzen Menschen-
geschlechte werth seyn, und mir, dunkt , im Reiche
der Wahrheit eine Eroberung gemacht zu haben, wenn
ich Wolf zur Rückkehr bewege." Ihm selbst aber
fagte er in einem Briefe vom 23ten May : „ Die
Philosophen müssen die Volkslehrer und die Vorsteher
der Fürsten seyn. Ihre Pflicht ist es, zu denken, und
die unserige, ihren Vorschriften gemäß zu handeln ."
„So`oft Ihr den. Nuhen meiner Unterthanen
mit meinem Vortheil im Widerspruch findet ,“ befahl
Friedrich seinen Ministern , dürft Ihr Euch nicht
bedenken , jenen diesem vorzuziehen.“
Schon lange vor dem Tode Friedrich Wilhelm's
hatte man allen den Veränderungen nachgegrübelt,
Friedrich d. Einz, I, 10
110

die man mit Friedrich's Thronbesteigung unzer-


trennlich verbunden zu seyn glaubte , weil die Nei-
gungen des Sohnes von denen des Vaters so sehr ver-
fchieden waren. Jeder Stand , jedes Alter , jede
Religionspartey glaubte fürchten oder hoffen zu múf-
fen , und die meisten betrogen sich in ihrer Furcht und
Hoffnung.
Der Soldatenstand vermuthete zwar keine ganz
liche Vernachläßigung , aber doch Zurückseßung ; und
betrog fich. Der neue König vermehrte ihn mit eini-
gen Regimentern , und ließ ihm seine Grundverfaf-
sung. Nur das potsdamer Riesenregiment , das er
mehr für seltsam , als für nüßlich hielt , ward zer=
riffen und unter andere Regimenter vertheilt , bis auf
ein Bataillon, welches zum Andenken ungetrennt blieb.
Der Bürger- und Bauernstand blieb in der vo-
rigen Verfassung.
Die Gesellschafter und Freunde des Königs, die
in Rheinsberg beständig um ihn gewesen waren,
fahen dem Antrit feiner Regierung mit hohen , und
zum Theil überspannten, Erwartungen entgegen. Die
júngeren unter ihnen, und die sich am meisten geschäßt
glaubten, erwarteten ein Favoriten Leben ; aber fie
wurden in diesen Erwartungen getäuscht. Der König
hatte als König keine Günftlinge ; aber als wißiger
Kopf, Gelehrter , und bey der Tafel , zeichnete er
einen , zwey oder drey als solche aus. Diese Unters
fcheidungsart schien man an ihm nicht bemerkt zu
haben ; und daher manche betrogene Erwartung,
mancher gescheiterte Plan !
Der Sprudelkopf Kaiferling betrug fich, wie
man es nach der oben von ihm gegebenen Schilderung
erwarten wird. Charlottenburg wimmelte von Men->
schen aller Stände , Arten und Alter , die der lebhaf-
testen Freude lauten Ausbruch verstatteten. Kaiſer-
ling war an ihrer Spiße. Seine Zimmer wurden nie
leer ; an allen feinen Thüren stand Cåfarion ger
schrieben , ein Name , den ihm der König gegeben
hatte , und den er , wie man wußte , gerne hörte.
Glückwünschungs- und Geschäftsbriefe drängten sich
zu ihm, und erforderten zu ihrer Beantwortung einige
Schreiber. Er machte so viel Verse , als er nie ge
macht hatte, sprang mit einem Pfeifchen von Bern-
stein umher , raffelte auf seiner Baßgeige , spielte,
fang , lachte , und war so ausgelassen , daß man für
seinen Verstand in Sorgen nar.
Man kieht aus diesen Zügen, was Kaiſerling und
Andere mit ihm vermutheten. Aber hat man je ge
hört , daß Kaiſerling dem König das war , war Rošny
(nachmals Sully) Heinrich dem IV. , und Brühl
August dem II. ?
Sehr richtig ist das , was der Freyherr von
Bielefeld bey dieser Gelegenheit , nicht ohne einen
sichtbaren kleinen Zwang , an einen seiner Freunde
schrieb: Ich hatte einen sehr vortheilhaften Begriff
von den Herzen derer , die jeßt ihre Freude und Er
gebenheit für ihren neuen Gebieter so lebhaft äußern ;
aber der Verstand jener wird mir verdächtig , welche
glauben können , der König werde nun seine Schäße
öffnen und Geld auf sie regnen lassen , während sie
fich nur bücken dürfen , um es aufzulesen. Die ge-
hofft haben , der Prinz werde ihnen ein glänzendes
Glück machen , betrügen sich eben so sehr , als die,
welchefürchten, daß ihnen ein Leid von ihm widerfahren
10 *
112

möchte und furz, der Tag , wo dieser weise Fürst


die Regierung antrat , kann seinem ganzen Land
ein Tag der fehlgeschlagenen Vermuthung
heißen."
Indessen nahm der König dennoch viele Stan-
deserhöhungen vor , die seine bisherigen Freunde und
andere verdienstvolle Månner betrafen , die er als
solche kennen gelernt hatte. Jordan ward gehei-
mer Nath ; aber nicht etwa um ein starkes Jahrgeld
ruhig zu verzehren , sondern seine Besoldung unter
einem Wirbel von Geschäften zu verdienen. Kaiser=
ling ward Obrist und Adjutant des Königs , und
mußte sich der Kriegkunst strenge befleißigen ; Cha=
fot bekam ein Jågercorps , - und so wurden alle
übrigen an ihre rechte Stelle versetzt ; ein Beweis,
daß der König als Prinz sie alle studirt , und ihre
Talente und Fähigkeiten geprüft hatte. Den Meisten
war das , was er für sie that , zu wenig , undes galt
von ihnen genau , was Bielefeld , den er zum
Legations-Secretår ernannte , von sich selbst sagte :
Ich gestehe aufrichtig , das heißt einen etwas fleinen
Anfang machen.
Diesem Grundsaße , nach welchem der König
damals schon handelte , ist er während seiner ganzen
Regierung getreu geblieben. Man hat kein Beyspiel,
daß er blos aus Gunſt einen ſeiner Diener empor ge=
hoben hätte ; sie wußten sich ihre Stellen alle sehr
fauer verdienen . Daher kömmt es aber auch , daß
kein Monarch so thåtige und brauchbare Diener hatte,
als er , und daß fünfzig Hånde in Preußen mehr tha
ten , als hundert in jeder andern Monarchie. Fleiß
und Geduld waren die einzigen Mittel , von dem ›
113

Monarchen bemerkt zu werden. Geburt , glänzende


Talente , Reichthum , Nepotismus , verhalfen zu
nichts ; der König bediente ſich der Subjekte , welche
folche Vorzüge befaßen zu Berloquen an der politi
fchen lihr, und selbst varauf konnten sie noch nicht
ficher rechnen.
Am schmerzlichsten sahen sich die Abentheuerer
getauscht , die, besonders aus Frankreich , nach Ber-
lin strömten , und dort ihr Canaan zu finden hoffien .
Die Vorliebe des Königs für Alles , was franzöſiſch
war , hatte sie glauben gemacht , daß man nur fran-
zöfifch dürfe sprechen können , um bey diesem Roi
du Nord ein ſchimmerndes Glück zu machen. Die
-brauchbaren unter ihnen nahm er freylich auf ; aber
die anderen ſandte er ohne Ansehn der Person fort.
Das französische Verdienst mußte sich bey dieser Ge-
legenheit nicht selten quer durch Teutschland nach
Berlin , und von da nach Frankreich zurückbetteln.
Die Personen , welche in der zu seiner Verur-
theilung niedergefeßten Kriegs- Commiſſion gegen ihn
gesprochen hatten , kannte er ; allein er ließ sie nie
empfinden, daß er es wußte. Zu ihnen gehörte un-
ter andern der Obrist von Derſchau , den er nachher
zum Generalmajor beförderte , und dessen Sohn im
Jahre 1769 Staats- und Finanzminister ward.
–Bey dem Militär fiel die übertriebene Sorgfalt
für Pug nach und nach von selbst weg , da sie keine
Aufmunterung mehr fand. Hiermit war es unter
der vorigen Regierung so weit gekommen , daß , wie
Friedrich selbst in seinen Beyträgen zur branden-
burg’ſchen Geſchichte ſagt , man nah' daran war , ſichy
zu schminken und Schönpfästerchen aufzulegen. Beo.
114

der Cavallerie wurden schon die Hufe der Pferde ge-


schwärzt und die Mähnen mit Band durchflochten,
und der Infanterist brachte seine Zeit mit Firnissen,
Poliren und Anstreichen zu . Dergleichen Tändeleien
unterblieben nun ; dagegen erhielt Friedrich die
vortreffliche innere Disciplin der Armee und die Tak-
tif im Einzelnen , wodurch Preußens Krieger sich da=
mals vor allen europäischen Truppen auszeichneten .
Er verdoppelte die Artillerie und den Vorrath in den
Zeughausern , og fremde Officiere von Verdiensten
an sich , und sehte durch diesen ausnehmenden Eifer
für das Kriegwefen die Welt in Erstaunen , die in
ihm bisher blos einen müßigen Gelehrten und schönen
Geist zu sehen geglaubt hatte.
unter folchen Anstalten , und Reisen , verflossen
die ersten Monate seiner Regierung. Als er sich nach
Westphalen begab, um die Huldigung einzunehmen,
besuchte er auch Straßburg unter dem Namen eines
Grafen von Dufour. Ein preußischer Deserteur ér-
kannte ihn aber dort , und breitete die Nachricht von
feiner Ankunft aus. Sobald der Köniz Beweise
von dieser Entdeckung erhielt , kehrte er über Landau,
Limburg und Coblenz in feine Staaten zurück , ohne
Paris (wie er Willens gewesen seyn soll) gesehen zu
haben. Eine ihm interessante Bekanntschaft machte er
noch auf dieser Reise in Wesel , wohin er Voltaire
beschieden hatte , den er hier zum erstenmale sprach.
Durch eben denselben ließ er auch ein Manifest für
sich gegen den Bischof von Lüttich auffeßen , mit dem
über die Baronie Herstall Streit entstanden war.
Die Sache wurde so beygelegt, daß der König sein
Recht auf diese Baronie um 150,000 Rthlr. abtrat,
115

Friedrich erkannte die Nothwendigkeit, gleich


bey'm Antritte seiner Regierung , durch Beweise von
Stärke und Entschlossenheit , der preußischen Nation
Achtung in Europa zu verschaffen. Recht absichtlich
hatte man , besonders streich, den vorigen König
verächtlich und beleidigend behandelt , zuerst Verträge
mit ihm geschloffen , dann gegen dieselben gehandelt,
ohne ihn auch nur einmal der geringsten Nachricht
hierüber zu würdigen. Er spanne immer die Waffe,
spottete man , aber drücke nie los. Und Georg der II.
von England pflegte ihn seinen Bruder , den Unter-
officier, den König der Landstraßen , und des heiligen
römischen Reiche Erz- Sandstreuer zu nennen. Die
preußischen Wer bofficiere waren allen Beschimpfun
gen ausgesetzt ; ein armseliger Bischof suchte eine
Ehre darin , dem Könige von Preußen Kränkungen
anzuthun , und weigerte sich , die Gesandten desselben
anzunehmen . Friedrich, ohnehin ein feueris
ger , talentvoller König , dabey in der Blüthe seiner
Jahre, erkannte sogleich , daß , feinem Reiche Ach
tung zu verschaffen , es nöthiger sey , Proben der
Entschlossenheit , als der Sanftmuth zu geben.
Der König war Willens , den Rest des Jahres
1740 in Rheinsberg zuzubringen, theils seinen Lieb
lings -Beschäftigungen desto ruhiger zu leben , theils
seine Gesundheit wieder herzustellen , die durch ein
heftiges viertägiges Fieber zerrüttet wurde. Aver
ein merkwürdiges Ereigniß , welches auf das ganze
politische System von Teutschland und von ganz Eu-
ropa wirkte , fehte ihn plöglich wieder in Bewegung .

*) Man sehe die " Geschichte meiner Zeit."


116

Dies war der Tod des Kaisers Karl VI. , der den
20ten October 1740 an einer Unverdaulichkeit zu
Wien starb.
Die Nachricht davon kam gerade zu einer Zeit
nach Rheinsberg , als der König den Anfällen des
Fiebers erlag. Die Ärzte, bethört durch alte Vor-
urtheile , hatten sich geweigert , ihm Chinarinde zu
geben ; er nahmi fie wider ihren Willen , denn Wich-
tigeres beschäftigte ihn jeßt , als das Abwarten seines
-
Fiebers und Genesung war die Folge.
Eine günstige Epoche zeigte sich für die Ent-
würfe unseres Helden. Er hatte gegründete An-
fprüche auf die erledigten Herzogthümer Jülich und
Berg. Waren fie indessen gleich dem vorigen Könige
von Seiten des teutschen Kaifers versichert worden,
fo ist dabey zu bemerken , daß die nämliche Macht die
felben Versprechungen auch dem Churfürsten von
Sachsen, und spåser dem Prinzen von Sulzbach, dem
muthmaßlichen Erben der Churpfalz , ebenfalls ge=
macht hatte; ferner , daß man , wollte Friedrich
seine Ansprüche verwirklichen , große Schwierigkeiten
zu besiegen , und namentlich gegen das Partey neh-
mende mächtige Frankreich auf den Kampfplah treten
mußte. Bedenkt man endlich , von diesen Hinder-
nissen absehend , daß die Erwerbung der gedachten.
Herzogthümer nur wenig das Haus Brandenburg
vergrößert , sein Ansehen aber wol gar nicht vermehrt
haben würde , so ist nicht zu verwundern , daß sich
Friedrich entſchloß , die andere, ihm durch den Tod
Karl des VI. dargebotene, Gelegenheit zur Vergröße-
rung der preußischen Macht zu bentten , indem er
Ansprüche auf einen Theil von Schlesien machte,
117

Churfürst Joachim Friedrich von Brandenburg


hatte nämlich seinem zweyten Prinzen Johann
Georg das Fürstenthum Jägerndorf als Apanage
überlassen, jedoch mit dem Vorbehalt , daß dasselbe
nach seinem Tod an die churfürstliche Linie von Bran-
denburg zurückfallen und auf immer damit verbunden
bleiben sollte. ---- Als in Böhmen , im Anfange des
dreißigjährigen Krieges , jene Empórung ausbrach,
durch welche der Churfürst von der Pfalz , Friedrich,
die Königkrone dieses Landes erhielt , trat auch Mark-
graf Johann Georg auf seine Seite. Dies verans
laßte Kaiser Ferdinand den II. , ihn in die Reichs.
acht zu erklären , und sein Land mit Waffengewalt
hinweg zu nehmen. Brandenburg , nachdem der
Markgraf und sein Sohn , dieser ebenfalls so des
våterlichen Erbes beraubt , in den dürftigsten Um-
stånden gestorben waren , machte , obschon vergebens,
Ansprüche auf das ihm rechtlicher Weise nun anerfal-
lene Fürstenthum Jägerndorf *). Aber , durch die
vielen Kriege und Verheerungen fast gänzlich nieder-
gedrückt , vermochte Brandenburg nicht , seine For-
derung mit Geralt geltend zu machen. Endlich bot
man dem Churfürsten Friedrich Wilhelm dem Großen

*) Man wußte , von Seiten des kaiserlichen Hofes,


allerley Auswege und Scheingründe. Man gab
unter andern vor , es sey nicht erlaubt , in einem
Lande, das man zum katholischen Bekenntniß u
bekehren suche , Besigungen eines protestantischen
Fürsten zu dulden ; aber man sehte nicht hinzu, wer,
welches Zeitalter und welche Gründe folch ' ein felts
fames Recht erdenken , bewähren und beſtåtigen
konnten.
118

ein Äquivalent an , aber nicht an Ländern, sondern


an Geld. Da der Churfürst dies nicht annehmen
fonnte, ohne die Grundverfaffung seines Hauses um-
zustoßen , so zerschlugen sich diese Unterhandlungen
nach einer Dauer von mehr als vierzig Jahren.
Unter diesen Umständen erlosch im Jahre 1675
der männliche Stamm der Herzoge von Liegniß, Brieg
und Wohlau, in Georg Wilhelm . Nach einem Ver-
trag vom Jahre 1537, den der wiener Hof zwar,
wiewol unter ganz nichtigen Vorwänden , mit Macht-
fprüchen, als aufgelöst erklärt , und wogegen Bran
denburg fortwährend proteßirt hatte, fielen nunmehr
auch jene Herzogthümer an diesen Staat, Der Kai-
fer indessen zeigte sich eben so wenig gene gt , Liegniß,
als Jägerndorf, an den rechtmäßigen Erben gelangen
zu lassen, und durch leere Versprechungen wußte
man den Churfürsten (Friedrich Wilhelm), in den für
Dftreich gefahrvollen Zeiten , hinzuhalten. Endlich
bot man ihm wieder Geld , und als er es verwarf,
das Gebiet von Schwiebus in Schlesien an. Dies war
nicht zur Hälfte Erfaß für Liegniß, Brieg , Wohlau
und Jagerndorf, und doch war der Churfürst , ohne
Falsch und Tücke , damit zufrieden.
Beide Höfe schlossen also im Jahre 1686 einen
Traktat , worin der Churfürst allen seinen Ansprüchen
auf die schlesischen Fürstenthümer entfagt , und dafür
von dem Kaiſer für sich und seine männlichen Erben
Das Gebiet von Schwiebus, und die Garantie auf die
Bezahlung einer Geldsumme erhielt , die das Haus
Lichtenstein auf den Herrschaften Esens und Witmend
in Ostfriesland ausstehen hatte.
Diesen geringen Erwerb vertauschte Churfürft
119

Friedrich Wilhelm nur darum gegen einen rechtmäßie


gen größeren , weil er sich mit dem kaiserlichen Hofe.
genauer vereinigen wollte , um der Verfassung von
Europa neue Conſiſtenz zu geben . Aber der kaiſer-
liche Hof war nicht fähig , sich ihm in dieser Uneigen
nügigkeit nur von weitem zu nähern ; er hinterging
ihn vielmehr, während er jenen für ihn gewiß nicht
vortheilhaften Vergleich schloß , in der Stille dadurch,
daß er durch seinen Miniſter mit dem Sohne des
großen Churfürsten , nachmaligem Friedrich dem I.,
einen heimlichen Vertrag schließen ließ , den dieser
weder schließen konnte , noch durfte , und worin er
versprach, gleich nach dem Antrit seiner Regierung
den schwiebuser Kreis an den Kaiser zurückzugeben.
Der Prinz ward durch die rånkevollen Verhandlun
gen so sehr umstrickt , daß er von der ganzen Sache
gegen Niemand etwas merken ließ , und ihre Schlüpfs
rigkeit erst einsehen lernte , als er die Regierung an-
trat. Nun entdeckte er sie mit allen vorhergegange=
nen Umständen feinen Ministern , und dieſe erklärten
das ihm abgedrungene Versprechen für nichtig , weil
es den Grundfäßen seines Hauses gerade entgegen war.,
Friedrich der I. that dem kaiserlichen Hofe wie-
derholte Vorstellung über diesen Traktat, und erflårte
die darin gemachte Versprechung für ungültig , weil
man ihn überrascht und mit falschen Vorspiegelungen
hintergangen hätte. Er erhielt keine andere Ants
wort darauf, als die Drohung , daß man sich mit Ge-
walt in den Besiß von Schwiebus fehen würde . Er
gab es also gegen eine Geldsumme zurück , die kaum
hinreichte , die darauf verwendeten Meliorationen
zu ersetzen.
120

So verlor Chur-Brandenburg auch den einzigen


geringen Vortheil , den der Traktat von 1686 mit
sich führte ; und für seine rechtmäßigen Ansprüche
auf die schlesischen Fürstenthümer hatte es Nichts ;
denn auch die lichtenstein'sche Schuldforderung, deren
Auszahlung der kaiserliche Hof damals garantirt hatte,
schmolz durch dessen geheime Künste bis auf das Zehn-
theil zusammen.
Es ist sichtbar, daß der kaiserliche Hof durch
dieses Betragen jenen Traktat völlig brach. Bran=
denburg ward um Schwiebus gebracht , dessen Besit
allein es bewog , seinen Ansprüchen auf die ſchleſiſchen
Fürstenthümer zu entsagen ; es konnte also seiner
Seits diese Renuntiation rechtmäßiger Weise auf-
heben. - Dies waren die Verhältnisse , unter denen
Friedrich Anspruch auf einen Theil von Schlesien
machte. Ein Unrecht, dauert es auch während Jahr-
hunderten fort, wird deshalb dennoch nie Recht !
Vergeblich war es , daß man dem wiener Hof
eine übereinkunft auf dem Wege der Güte vorſchlug.
Gewiß, daß dieselbe nicht angenommen werde, und
wol einsehend, jeder unnüt verstrichene Tag sey für
ihn verloren , und die günstige Zeit schwinde, faßte
Friedrich den Entschluß, rasch, mit Waffengewalt,
feine Rechte geltend zu machen. Weder des greifen
Fürsten von Anhalt zaghaftes oder mißgünstiges Be
nehmen , weder die , freylich blos unter Furcht her-
vorblickende , Prahlerey des kaiserlichen Gesandten
zu Berlin , noch der ziemlich verbreitete Wahn , seine
Eroberungfucht werde ihn von Krieg zu Krieg , von
Schlachten zu Schlachten hinreißen , und Preußens
Volk und Land verderben , vermochten Friedrich
121

auch nur im Entferntesten wankend zu machen *).


Entschlossen redete er zu den Officieren : „ Mes=
ſieurs! Ich unternehme einen Krieg , in dem ich keine

*) „ Friedrich," sagt Funke,,,fing weder leicht-


sinnig , noch aus eitler Ruhmsucht Kriege an ; er
wußte den hohen Werth von Menschenblut zu schäzs
zen. Allein die böse Politik fremder Höfe zwang
ihn, als König Manches zu thun, was er als Mensch
und Philosoph mißbilligte."
Friedrich war außerordentlich geſchickt , ein
Geheimniß zu bewahren , selbst gegen Personen,,
welche , es mitgetheilt zu bekommen , ein Recht zu
haben glaubten. Während der Unterhandlungen,
vor dem Beginne des gegenwärtigen Kriegs , wo
Jedermann auf die kommenden Ereignisse höchst ges
spannt war , konnte sich unter andern der General
Feldmarschall von Kalkstein nicht enthalten,
feine Verwunderung über das Schweigen des Könias
gegen ihn bemerkbar zu machen. Er war, wie wir
erwähnten , Gouverneur Friedrich's gewesen , und
genoß stets ben ihm viele Gnade und Achtung . Fra
gend sagte er daher einst : ,,Ew. Majestät, ich vers
muthe , es wird Krieg geben . ' Der König ants
wortete ganz eutschlossen : ,, Es kann seyn, es kann
auch nicht seyn " Die Deichsel scheint nach
Schlesien gerichtet," fuhr Kalkstein fort. Kaum
hatte er dies gesagt, so nahm Friedrich den Gene:
ral geheimnisvoll bey der Hand, und sagté : ,,Kann
Er fáhweigen, "Kalkstein ?" Dieser, nun ficher
glaubend , den Augenblick erlebt zu haben , in dem
er Alles erfahren würde, was er ſo ſehnlich zu wiſſen
"
wünschte, erwiederte : ,,O ja, Ew. Majeſtåt. '
,,Nun," sagte der König , indem er seine Hand so
schnell fahren ließ , als er sie ergriffen hatte ,,,ich
aud)." Und damit verließ er ihn.
Friedrich d. Einz. I. 11
122

andere Bundesgenossen habe , als Ihre Tapferkeit und


Ihren guten Willen . Meine Sache ist gerecht , und
meinen Beystand suche ich bey dem Glück. Erinnern
Sie sich stets des Ruhms , den Ihre Vorfahren sich
erwarben auf den Schlachtfeldern von Warschau , von
Fehrbellin und bey der Unternehmung nach Preußen.
Ihr Schicksal ist in Ihren eigenen Hånden ; Ehren-
zeichen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie
durch glänzende Thaten dieselben verdienen. Aber
ich habe nicht erst nöthig , Sie zur Ehre anzufeuern,
nur sie steht Ihnen vor Augen , nur sie ist ein wúr-
diger Gegenstand für Ihre Bemühungen. Wir wer
den Truppen angreifen , die unter dem Prinzen Eugen
den größten Ruf hatten. Zwar ist dieser Prinz nicht
mehr ; aber unser Ruhm wird bey'm Siegen desto
größer seyn , da wir uns gegen brave Soldaten wer-
den zu messen haben. Adieu ! Reisen Sie ab ! Ich
werde Ihnen ohne Verzug zu dem Sammelplaß der
Ehre folgen, die uns erwartet."
Den 13ten December reiste der König , nach
einem großen Maskenballe, von Berlin ab , und zehn
Tage fpåter (den 23ten) überschritt das preußische
Heer , 24 -- 28,000 Man .: stark , die schlesische
Gränze. Man verbreitete eine Schrift , in welcher
Friedrich's Ansprüche auf dieſes Land rechtlich auß-
einander geseht waren , und zugleich ein Manifeft , in
welchem der König erklärte, die Besetzung Schlesiens
geschehe, um das Land gegen die Angriffe einer ant-
dern Macht zu sichern. -- Die Schlesier, größtentheils
Protestanten, und als solche bisher gedrückt, empfin-
gen die Preußen als ihre Retter.
Der General Graf Browne, von dem wiener
123.

Hofe zur Rettung der öftreichischen Lande abgeschickt,


vermochte kaum 3000 Mann zuſammen zu bringen,
und daher nur schwachen Widerstand zu leisten. / In
kurzer Zeit waren Glogau , Brieg und Neisse blokirt
Der belagert, Liegniß, Schweidniß, Breslau selbst,
die Hauptstadt des Landes, und Ohlau, in preußischer
Gewalt , ja ſogar aus Jågerndorf und Troppau ward
Browne vertrieben ; er mußte ganz Schlesien räumen,
und der brave preußische Feldmarschall Schwerin.
breitete sich bis nach Jablunka , an die Gränzen von
Ungarn , aus.
Nachdem die Truppen (Ende Januar 1741 )
die Winterquartiere bezogen hatten , verließ der Mö-
uig Schlesien , und kam nach Berlin zurück , um für
den nächsten Feldzug die nöthigen Anordnungen zu
treffen. Überall , wo er durchkam, besonders aber
in der Hauptstadt , empfing man ihn mit der ausge-
zeichnetsten Freude. Alles drängte sich, diesen König
zu sehen , der , feinen Unterthanen kaum gegeben , fie
verlassen hatte, um , den Gefahren des Krieges ſich,
an der Spike des Heeres , aussehend , den seit Jahr-
hunderten verhöhnten Rechten feines Vaterlandes
Achtung zu verschaffen ; der nun, vor wenigen Wochen
erst in den Kampf gezogen , schon als Eroberer einer
großen und bevölkerten Provinz zurückkehrte.
Jeht entwickelte sich Friedrich's Thätigkeit in
feinem Cabinette. Das Benehmen Sachsens und
Hannovers zweydeutig findend, beschloß er, ein bedeu-
tendes Corps unter dem Fürsten von Anhalt (Deſſau)
bey Brandenburg zusammenzuziehen , um nicht unvors
bereitet den Anfällen der benachbarten Staaten aus-
geſeßt ¡y ſeyn. Gleichzeitig, während Polen jund
11 *
124

England wegen eines Offensiv-Vertrags übereinkamen,


worin sie zum Voraus die preuß. Provinzen theilten,
wurde von Seite Friedrich's eine Verbindung mit
Frankreich angeknüpft. ,,Dieſen Augenblick indeſſen,“
ſagt Friedrich selbst, hätte der wiener Hof bes
nüßen sollen , um sich mit dem Könige zu vergleichen.
Hätte derselbe ihm damals das Fürstenthum Glogau
abgetreten, so wäre der König zufrieden geweſen, und
hätte ihm gegen alle seine Feinde beygestanden. Allein
nur sehr selten wissen die Menschen gerade zur rech-
ten Zeit nachzugeben. überall ward leise angefragt,
überall unterhandelt , überall heimlich gearbeitet, um
fich in Ordnung zu sehen und sich Bündnisse zu ver-
schaffen. Aber die Truppen von keiner Macht waren
in bewegbarem Zustande ; keine hatte die Zeit gehabt,
Getreidevorräthe aufzuhäufen ; und der König be-
nüßet diesen entscheidenden Zeitpunkt, um feine
großen Absichten in's Werk zu richten."
Der Hof hatte gehofft , den König den Winter
über in seiner Mitte behalten zu können ; aber schon
nach einem dreywöchentlichen Aufenthalt eilte er ( den
19ten Februar) nach Schlesien zurück.
Die Verstärkungen zur dortigen Armee langten
im Monat Februar zu Schweidniß an. Auch rüsteten
sich ihrer Seits die Öftreicher zum Kriege ; der Feld-
marschall Neuperg ward aus der brunner Festung ges
holt (wo er seit dem belgrader Frieden gefangen ge=
sessen hatte), um den Oberbefehl über das Heer zu.
erhalten , welches Schlesien wieder erobern follte….-
Dieser Feldmarschall zog seine Truppen in der Ge-
gend von Olmüß zusammen , und schickte den General
125

Lentulus mit einem Corps ab , um die Påffe in der


Grafschaft Glaz zu beſeßen ; eine Stellung , wodurch
Lentulus Böhmen decken konnte , und im Stande war,
fich mit Neuperg's Armee zu den Unternehmungen au
verbinden , welche dieser auf Neisse vor hatte." Die
öftreichischen Huſaren fingen schon das Vorspiel des
Krieges an; sie schlichen sich zwischen die preußischen
Posten, suchte kleine ausgeschickte Corps aufzuheben,
und Zuführen abzuschneiden ; es fielen kleine Gefechte
vor, die sämmtlich so zum Vortheile der Infanterie
des Königs , als zum Nachtheile ſeiner Cavallerie aus
fælugen . ,,Als dieser Fürst in Schlesien ankam,
erzählt er selbst ,,,nahm er sich vor , die Quartiere
feiner Truppen zu bereisen , um sich Kenntniß von
dem ihm noch neuen Lande zu verschaffen. Er ging
in dieser Absicht von Schweidniß ab , und kam nach
Frankenstein. General Derschau , der in dieser Ge
gend befehligte, harte zwey Posten vorgerückt ; der
eine stand zu Silberberg , der andere zu Wartha,
beide in den Päſſen der Gebirge. Der König wollte
fie besichtigen ; die Feinde erhielten Nachricht davon,
und suchten ihn aufzuheben. Aus Versehen stießen
fie auf eine Bedeckung von Dragonern , die zur Abló-
fung bey dem Dorfe Baumgarten , zwischen Silber-
berg und Frankenstein , stand. Obrist Ditfort , der
Befehlshaber dieser Bedeckung , verstand viel zu wenig
vom Krieg, als daß er mit Vortheil gegen leichte
Truppen hatte agiren können ; er ward geschlagen,
und verlor 40 Reiter. Man hörte das Schießen zu
Wartha ; hier war damals der König ; er sammelte
in der Geschwindigkeit einige Truppen , um den Dra-
gonern zu Hilfe zu eilen , die eine Meile von dort
126

standen ; allein er kam zu spåt. Es war eine Un-


besonnenheit von einem Fürsten, sich in so gerin
ger Begleitung zu wagen. Wäre der König bey
dieser Gelegenheit gefangen genommen worden , so
war der Krieg geendigt , die Öftreicher hätten ohne
Schwertschlag gefiegt; das gute preußische Fußvolk
wäre vergeblich gewesen, und vergeblich alle Vergröße=
rungsplane , welche der König auszuführen sich vor-
gelegt hatte."
Da die Jahrzeit nicht günstig zu einer förmlichen
Belagerung war , so entschloß sich der König , den
Vorschlag des Fürsten von Anhalt ausführen , und
Glogau mit stürmender Hand nehmen zu lassen .
Um Mitternacht vom Sten auf den 9ten März ward
der Plan, mit eben so viel Geschick als Schnelligkeit,
vollführt; in weniger als einer Stunde war die .
Feste erobert , und die ganze Besaßung , über 1000
Manu stark, gefangen. Kaum 30 Soldaten hatten
die Preußen an Todten verloren , gegen 100 ihre
Gegner. Diese , ihre erste wichtige Unternehmung,
so glücklich aufgeführt , war von großer Wirkung auf
die Truppen und das Volk ; abgesehen von dem, was
man an Materiellem gewann , brachte sie einen günfti-
gen Eindruck, beſonders auf das Heer, hervor.
In Wirklichkeit indessen war mit Glogau's Erz
oberung noch nicht besonders viel 9 gewonnen , denn
bad drang Neuperg, der Öftreicher Obergeneral, mit
beträchtlicher Macht , und nicht ohne Verlust voit
Seiten der Preußen , aus Mähren in Schlesien ein.
-Der König selbst , der zur Unterſtüßung Schwerin's
nach Oberſchlesien gekommen war , ¡og ſich , in beſter
Ordnung jedoch, gegen Ohlau zurück, um die dortigen
127

großen Vorräthe jeder Art zu retten. Bald mußte


man sich zu einer förmlichen Schlacht entschließen,
penn schon gingen die Lebensmittel der preußischen
Truppen zur. Neige , und Ohlan's Rettung durfte
nicht mehr verschoben werden. Da kam es, den 10ten
April, bey Mollwig, unweit Brieg, zum entschei
denden Kampfe.
Ein zwey Fuß tiefer Schnee deckte die Erde.
Das preußische Heer , dem östreichischen entgegenrüfa
kend , gelangte in die Nähe von Mollwig , wo sich
Neuperg's Hauptquartier befand , der keinen Angriff
erwartet hatte. Unter dem mörderischen Feuer
Friedrich's wolbedienter Artillerie mußten sich 】. 3
kaiserlichen Truppen in Schlachtordnung bilden. Um
2 Uhr Nachmittags begann der Angriff. Dreißig
Schwadronen der östreichischen Reiterey , geführt von
dem Generale Römer , stürzten sich, die, der Zahl
fowol, als der moralischen Kraft nach, weit schwächere
preußische Cavallerie zersprengend, auf den vom Gra-
fen Schulenburg befehligten rechten Flügel . Aber
unerschütterlich stand des Königs Infanterie , und die
feindliche Reiterey mußte, ihren Führer verlierend,
vor dem furchtbaren Feuer derselben weichen. — Der
König, unzufrieden mit dem geringen Widerstand,
den feine Cavallerie geleistet , fammelte selbst wieder
einige Schwadronen, und führt sie zum Angriffe.
Schulenburg wird dabey getödtet, und bald löst sich:
Diese Reiteren von Neuem auf, das Fußvolk den
feindlichen Anfällen blosstellend. Aber diese Infan-
terie , nur drey- Bataillone stark, und bey'm Bilden
Der Schlachtordnung blos wegen Mangel an Raum
hier aufgestellt war es, welche nunmehr allein
128

bewirkte , daß die Truppen Neuperg's nicht einen


vollständigen Sieg errangen . Gleich einer Grani
fåule widerstand sie unerschütterlich allen Angriffen
der öftreichischen Cavallerie. Dreymal von diesen
bisher siegreichen Truppen wüthend angegriffen , leis
frete sie immer den nåmlichen Widerstand , und blieb
dreymal, wo nicht Sieger , doch unbesiegt. Mit
Bajonnetstößen warf sie ihre Gegner aus dem Sattel,
bis sich diese, nach großem Verlust , zum Rückzuge
genöthigt fahen. Jeht führte der öftreichische Gene
ral sein Fußvolk gegen jene Braven ; einen Knåul
bildend , aus dem nicht weniger als 20 Fahnen her.
worragten , drang es heran. Aber auch gegen dieses
wichen fie nicht, seiner Übermacht ungeachtet. Furcht
bar durch ihr schnelles Feuer , bestanden ſie nun schon
fast seit fünf Stunden den ungleichen Kampf. Da
begann ihnen die Munition zu mangeln , und nür mit
den Patronen der Gefallenen schoffen sie; in wenigen
Augenblicken schien Alles verloren. Jeht entschied
Schwerin , wenn gleich verwundet , die Schlacht
mit dem linken Flügel. Er hatte sich hinter einem
Morast aufgestellt , und bey dem ersten Angriff News
perg's Reiter geſchlagen. Nun , als er die Bedrång-
niß des rechten Flügels gewahrte , schwenkte er den
feinigen rasch gegen die rechte Seite der Östreicher.
Eine solche fühne Bewegung hatten diese nicht erwar
tet. Dem Angriff der Dragoner des Obristen Posas
Domsky folgte der Sieg Die ganze preußische Linie
rückte vor ; Neuperg's Schaaren lösten sich auf, eil
ten in hastiger Flucht davon , und nur die einbrechende
Nacht sicherte sie vor Verfolgung. 7000 Todteund Vers
wundete , 1200 Gefangene, ſieden Kanenen und drey
129

Standarten hatten die Östreicher , 2500 Todte die


Preußen verloren , unter ihnen Markgraf Friedrich,
des Königs Vetter ; ferner hatten ſie 3000 Verwun-
dete. Das erste Bataillon Garde , auf welches der
Hauptangriff gefallen war , hatte dabey die Hälfte
seiner Officiere eingebüßt , und von den 800 Mann,
woraus es bestand , blieben nur 180 in dienstfähigem
Zustand übrig.
,,Diese Schlacht," fagt Friedrich, ward
eine der merkwürdigsten dieses Jahrhunderts , weil
in derselben zwey kleine Armeen das Schicksal von
Schlesien entschieden , und weil die Truppen ( die
Infanterie) des Königs darin ſich einen Ruhm erwar-
ben, welche weder Zeit , noch Neid , ihnen werden
entreißen fönnen *) !"
Der Leser wird ohne Zweifel bey der Erzählung
von der Eröffnung dieses Feldzuges bemerkt haben,
fährt Friedrich fort,,, daß es gleichsam um die
Wette ging, wer die meisten Fehler begehen würde,
der König oder der Feldmarschall Neuperg. Wenn
der östreichische Feldherr in seinen Entwürfen den
Vorzug hatte, so thaten es die Preußen in der Aus-
führung zuvor." - übrigens bedenke man, daß dies
die erste Schlacht war, welche Friedrich lieferte **)..

*) Man behauptete , der König habe sich durch die


Flucht seiner Reiteren mit fortreißen lassen. In
wie fern dies zu berichtigen ist, sehe man in Niko,
lai's Anekdoten von Friedrich dem II . , 2, Heft,
€. 180-195.
**) Den 11ten April theilte der König eine Schilderung
der vorgefallenen Ereignisse dem Fürsten von An:
halt in einem Briefe mit, den Bülow in seinem
130

Neuperg, nur schwach verfolgt, rettete sich nach


Neiffe, und verschanzte sich bey dieser Festung ; doch
bald mußte er ganz Schlesien verlaſſen.
Friedrich rückte nach der Schlacht von Moll-
wig vor Brieg, dessen Belagerung man , unter Kalf
stein's Führung , begann. Sie zu decken bezog das
Hauptheer ein Lager bey Mollwig. Der König übte
feine Reiterey , und ließ , als ihm Brieg übergeben
mar, dessen Werke ausbessern und es mit Lebensmit-
teln versehen. Dabey glich sein Lager , wie er selbst
bemerkt , einem Congreſſe.
Friedrich, von mehr als einer Seite drohende
Minen gewahrend , eilte , das ihm von Frankreich
vorgeschlagene Schuß- und Trüßbündniß anzunehmen.
In demselben versprach diese Macht , die Königin von
Ungarn (Maria Theresia) mit zwey Heeren anzugrei-
fen , wowon das eine zur Unterstützung des ebenfalls
auf einen Theil der östreichischen Monarchie Anspruch
machenden Bayern herbeveilen sollte ; ferner erhielt
Preißen den Besiß von Schlesien zugesichert, wogegen
es auf Berg und Jülich verzichtete , und dem Chur-
fürsten von Bayern feine Stimme zur Kaiſermahl
versprach, mit welchem in Kurzem ebenfalls ein Vers
trag abgeschloffen ward.
Hierauf bezog der König ein anderes Lager auf

Annalen des Krieges und der Staatss


kunde (3. Band , Seite 85 ff. ) aufbewahrt hat,
and worin er denselben ersucht , ihn sein ,, aufrichs
tiges Sentiment“ hierüber wiſſen zu laſſen . Jo
einer Nachschrift bemerkt er : „ Ich werde Ew. Liebs
den auf Ihr Schreiben morgen antworten ; in zwey
Tagen habe weder geschlafen , noch gegeſſen. “
131

- den Höhen von Strehlen , von wo aus er Brieg und


Schweidnih gleich nahe war , und ganz Unterſchleſiea
deckte. Acht Wochen lang blieb man in dieser Stel
lung, in welcher Zeit das Heer mit dem besten Erfolg
ergänzt ward *). Gleichzeitig drangen die Bayern
und Franzosen in das Herz Östreichs ein ; sie näherten
ſich Linz , und in Wien bereitete man sich schon zur
Flucht vor. Verschiedene Mittel hatte man jeßt, ohne.
Erfolg, angewendet , den König von Preußen zum
Frieden zu vermögen ; er schüßte ſeine Verträge mit
Frankreich und Bayern vor. Endlich , überzeugt,
daß man es , besonders die erstere Macht , nicht red-
lich mit ihm meine , daß man ihn blos als Werkzeug
zur Erniedrigung Östreichs und zur Vergrößerung
der Macht Frankreichs gebrauchen wolle , welches nach
einem Supremate über Teutschland ſtrebte , ließ er
sich zu einer Art Waffenstillstand bewegen , wozu der
englische Gesandte am preußischen Hofe , Lord Hin
fort , vorzüglich mitwirkte. „ ...Die Verführung war
groß," erzählt Friedrich ; der König wollte we
nigstens versuchen , was aus dieser Verabredung

*) Fomini in feiner ,,Histoire critique et militaire


des guerres de Frederic II , comparées au sy-
stème moderne," tadelt den König , so lange in
dieſem Lager unthåti, geblieben zu seyn. Fried-
rich hatte aber einen besonderen Zweck. Es war
ihm genug , Schlesien erobert zu haben , und er
wollte nicht sein Heer für ein fremdes Interesse aufs
opfern, um so mehr, als Frankreichs Benehmen im
höchsten Grade zweydeutig war, und es sogar Desta
reich, gegen Abtretung von Brabant und Suren-
burg , den Frieden angeboten hatte.
132

*entspringen könne. Er begab sich in's Geheim , blos


vom Obristen Golz begleitet , nach Oberschnellendorf,
wo er den Feldmarschall Neuperg , General Lentulus
und Lord Hinfort antraf. Nicht ohne Überlegung
that dieser Fürst den Schritt. Zwar hatte er einige
Ursache, sich über Frankreich zu beklagen ; doch ging
diese Unzufriedenheit nicht so weit , um mit dieser
Krone zu brechen. Er kannte aus eigener Erfahrung
die Gesinnungen des wiener Hofes ; es ließ sich von
demselben nichts Freundschaftliches erwarten. Offen-
bar verstand sich die Königin von Ungarn nur zu die-
fer Verabredung , um hernach durch deren Verbrei-
tung Mißtrauen unter die Verbündeten zu bringen ;
man mußte also als Grundbedingung von den Öft-
reichern fordern , daß , wenn sie das Allergeringste
von den Vergleichpunkten bekannt machten, die man
eingehen würde, der König dadurch berechtigt wäre,
die Verabredung zu brechen. Der König war sehr
ficher , daß dies unfehlbar erfolgen würde. Lord
Hinfort führte das Protokoll im Namen ſeines Herrn .
Man kam überein , daß Neisse nur zum Scheine be-
fagert werden folle; daß die preußischen Truppen in
ihren Quartieren , die sie sowol in Böhmen , als in
Schlesien beziehen würden , nicht sollten beunruhigt.
werden ; und vorzüglich , daß ohne die allerftrengste
Verschwiegenheit Aues , was man jeßt verabredete,
ganz unb gar null und nichtig seyn solle. Man muß
gestehen, daß , wenn es ein Verhängniß gibt , sich
casselbe über Herrn von Neuperg deutlich gezeigt
hat ; er schien bestimmt zu seyn , die allerdemüthi-
gendsten Verträge für seinen Fürsten zu schließen . ~
Kurz darauf ließ Herr von Neuperg seine Armee nach
133

Mähren marschiren. Alsbald ward die Belagerung


von Neisse angefangen ; die Stadt hjelt sich nur 12
Tage lang ; die östreichische Besaßung war noch nicht
ausgezogen , als die preußischen Ingenieurs schon in
derselben die neuen Festungswerke zeichneten , welche
die Stadt in der Folge zu einem der guten Pläße in
Europa gemacht haben. Nach der Einnahme von
Neiffe trennte sich die Armee ; ein Theil rückte , un-
ter dem Oberbefehl des Prinzen Leopold von Anhalt, ^
in Böhmen ein ; einige Regimenter wurden zur Blo=
fade von Glaz gebraucht ; die übrigen Truppen lager
ten sich , unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls
Schwerin , in Oberschlesien.
Der Herzog von Lothringen , der sich zu Preß-
burg aufhielt, hatte sich geschmeichelt, daß der König
Unterredungen für Friedens- Traktate halten würde,
und schrieb ihm , ihn um seine Stimme zur Kaiser-
wahl bittend. Die Antwort war höflich , aber in fo
dunkelem und verworrenem Style abgefaßt , daß der
Verfasser des Briefs ihn selbst nicht verstand. — Go
endigte sich der Feldzug , 11 Monate nach dem Ein-
rücken in Schlesien ; der König nahm die Huldigung
seiner neuen Unterthanen zu Breslau an , von wo er
nach Berlin zurückkehrte. Er fing an , durch seine
Fehler den Krieg zu lernen ; aber die Schwierigkei
ten , die er überwunden hatte , waren nur ein Theil
von dem , was ihm noch zu bestreiten bevorstand, um
das große Werk zu vollenden , welches er sich vorge-
nommen , in vollkommenen Stand zu sehen..... Die.
Erlangung Schlesiens schaffte ihm eine Vermehrung
feiner Einkünfte von 3,600,000 Thirn. Der größte
Theil dieses Geldes ward zur Verstärkung des Heeres
Friedrich d. Einz, I, 12
134

angewandt ; es bestand damals aus 106 Bataillonen


und 191 Schwadronen, unter welchen 60 Escadronen
Husaren waren.“
Große und glückliche Unternehmungen , wie fie
der König dieses Jahr hindurch ausgeführt hatte,
mußten natürlich Neid und Besorgniß in gleichem
Maaße erwecken. Wåre er durch die damalige poli
tische Lage von Teutſchland und ganz Europa nicht so
sehr begünstigt worden , so würden bald verschiedene
Feinde gegen ihn aufgestanden seyn ; die Tapferkeit ſei-
ner Truppen, seine eigene Kenntniß derKriegkunst, und
die Erfahrung seiner Generale , wurden allen ſeine¤
Nachbarn fürchterlich , und einige unter denen , die
nothgedrungen seine Freunde waren , arbeiteten sogar
in aller Stille daran , ihm Feinde zu erwecken , da sie
es selbst nicht seyn konnten. Man legte ihm eine
unwiderstehliche Vergrößerungſucht zu Last , und
suchte dadurch seine nächsten Nachbarn , z. B. Polen
und einige Reichfürsten , mißtrauisch zu machen. -
Man gab ihm Schuld , er suchte als Protestant das
katholische Bekenntniß zu unterdrücken , und man
schilderte die Gefahren , die dem römischen Glauben
dadurch erwachsen würden , wenn er im Besih eines
Landes bliebe, worin bis daher dieser Glaube der
herrschende gewesen sey, als unausbleiblich und schreck-
lich. Er mußte also durch Staatsschriften ausdrück-
lich erklären laffen , daß weder die Freyheit Polens,
noch der Glaube des katholischen Schlesien von ihm
Das Mindeste zu besorgen hätten. Eben so mußte
er die Gerüchte widerlegen , als ob er auf Bamberg,
Würzburg und die Laufig Ansprüche zu machen
Willens wäre.
135

Alle diese Beschuldigungen sollten sein Ansehen


und seinen Einfluß bey seinen Nachbarn und Reichs-
mitstånden schwächen ; aber es gelang ihren Urhebern
nicht. Viele Reichstände freuten sich, in ihm einen
Beschüßer ihrer Rechte und des Reichs auftreten zu
sehen, und gingen engere Verbindungen mit ihm
ein. Einige überließen ihm sogar ihre Soldaten.
So sehr der König durch dieses Gewirre von
kriegerischen und politischen Angelegenheiten fast Tag
und Nacht beschäftigt ward , vergaß er doch das Wohl
seiner Erbftaaten keinen Augenblick. Alles ging dort,
von treuen und wachsamen Dienern geleitet, den alten
festen Gang. Einige Hundert Colonisten aus den
pfälzischen und zweybrückischen Ländern wurden auf
feinen Befehl aufgenommen , und mit vielen Frey
heiten begnadigt. Die Privilegien der vorigen Ko-
nige wurden erneuert, und die Ausfuhr der Lebens-
mittel nach Sachsen ward wieder frengegeben.
Für Gelehrsamkeit und schöne Künste verwandte
er sich troß den kriegerischen Stürmen nicht weniger
wirksam. Wolf, wie erwähnt , war schon seit dem
6ten Tage feiner Regierung wieder in Halle. Euler,
in seiner Art nicht minder groß, ward aus Peters
burg nach Berlin berufen. Eine Commission , deren
Glieder die beyden Staatsminister Cocceji und
Marschall, der Vicekanzler Wolf und der geheime
Rath Jordan waren , beseßte von nun an alle Stek
len an den Universitäten in seinem Namen.
Die schönen Künste , Malerey , Bildhauerkunft,
Baukunst und Musik blieben mitten im Geräusche
des Krieges unaufhörlich beschäftigt. Die Schlöf=
ser zu Potsdam , Schönhausen und Charlottenburg
12
136

wurden verschönert , und in Berlin ward ein neues


Opernhaus erbaut , wozu der Prinz Heinrich in des
Königs Namen den Grundstein legte ; dieses geschah
den 5ten September 1741. Tonkünstler, Sånge-
rinnen und Tänzer würden eben so angelegentlich zum
Anbau der schönen Künste , als Rekruten zur Forte
fegung des Krieges , angeworben.
Weil der König Schlesien, sobald er es in Besit
genommen hatte , ganz als fein Land ansah, so machte.
er auch auf der Stelle fehr mannigfache und vortheil-
hafte Veränderungen in deffen innerer und aufferer
Verfassung. Die Erzählung derselben sparen wir
bis zu dem Zeitpunkte auf, wo ihm noch eine glüc
liche Schlacht den Frieden , und dieser ihm förmlich
den Besit von Schlesien verschaffte.
Zu Berlin drängten sich nun Unterhandlun
gen aller Art , aber Friedrich , gewöhnt , seinen
eigenen Gang zu machen, vermochte nicht auf Abwege
gebracht zu werden. Östreich hatte, wie der König
von Preußen gleich anfangs überzeugt war , daß
diese Macht so handeln würde , die Verhandlungen
von Oberschnellendorf *) recht absichtlich verbreitet.
Hierdurch, und durch den Lauf der übrigen Ereig
nisse bewogen , denn die Bayern und Franzosen,
von dem Plane des Königs abweichend , nämlich un-
gesäumt, wie Napoleon später mit so ausnehmen-
dem Erfolge gegen seine Seinde , namentlich amenmal
gegen Östreich , gethan , in die Hauptstadt des Geg=
ners zu eilen , und so die Römer in Rom" zu

Einige nennen es Kleinschnellendorf.


137

überwinden *), waren , wie die Sachsen, sämmtlich


nach Böhmen gezogen , während das Heer der Köni
gin von Ungarn nun seiner Seits, die schwachen
Besahungen der Bayern vor sich her treibend , in
die Erblande des Churfürsten eindrang - entschloß
sich Friedrich zur Fortsehung des Kriegs. ,,ES
war nicht mehr Zeit , auf der gemäßigten Mittel-
fraße fortzugehen. Entweder mußte man sich an die
mündliche Verabredung des Waffenstillstandes halten,
welche nichts sicher versprach, und welche die Öft-
reicher so offenbar gebrochen hatten , oder man mußte
durch eine in die Augen fallende Unternehmung die
preußischen Bundesgenossen aus ihrem irrigen Ver
dachte reißen. Der Einmarsch in Mähren war das
Einzige, was die Umstände erlaubten , weil dadurch
der König sich nothwendiger machte und sich in die
Lage seßte , von beiden Parteyen gleich dringend ge-
sucht zu werden. Daher entschloß er sich zu dieſer
Unternehmung , wobey er sich zugleich vorſeßte , doch
nur so wenig , als möglich, seine eigenen Truppen,
und so viel, als seine Alliirten ihm von den ihrigen
geben wollten, dazu anzuwenden."
Mit 15,000 Preußen , welche Friedrich aus
Oberschlesien zog , vereinigte er sich bey Trebitsch mit
Sachsen und Franzosen , und brach , an ihrer Spize,
in rauher Jahrzeit , Anfangs Februar 1742 , nach

*) Dieser Plan Friedrich's (man sehe denselben


in dem 1. Bande, 5. Kapitel, der Histoire de mon
temps) beweist , daß schon damals jener große
König den Plan entwarf, durch dessen Ausführung
der über ungleich größere Mittel gebietende Na=
poleon eine Seitlang Beherrscher Europa's war,
138

Mähren auf. Ölmüß war , auf seine Unordnung,


schon zu Ende des vorigen Jahrs durch Schwerin befest
worden. Der kühne Plan , den der König gefaßt,
bestand darin, sich ganz Mähren zu unterwerfen, und
dann seine Waffen in das Erzherzogthum Östreich,
vielleicht gar nach Wien selbst , zu tragen.
Mit Schnelle, die nur durch die nicht zu über-
windende Langsamkeit der Sachsen manchmal gelähmt
ward , rückte das von dem König befehligte Haupt.
heer , mit vielem Geſchüße , nach Iglau , und von da
nach Znaim vor. Kaum vermochten die öftreichischen
Generale ihre Magazine zu retten. Ein Streif
corps von 5000 Preußen brach jest in Oberöstreich
ein , and verbreitete Schrecken bis vor die Thore
von Wien. Augenblicklich rief der Hof, diese Haupt-
ſtadt zu retten oder zu sichern , 10,000 Mann von
der Armee aus Bayern zurück.
15,000 regulaire Truppen wurden um diese
Zeit für Maria Theresia in Ungarn geworben , und
außerdem der erste Heerbann aufgeboten , welcher ge
gen 40,000 Mann liefern konnte. Aber gleichzeitig,
während er auf der Seite von Böhmen in Mähren
eindrang, hatte der König durch ein besonderes Corps
auch die Seite von Ungarn besezen laſſen. Es rückte
nun der junge Prinz (Dietrich) von Anhalt mit eini-
gen tausend Soldaten über die Gränze dieſes König-
reichs , und zerstreute den sich eben bildenden Heer-
bann.
Im Anfange des Monats März wurde Brúnn,
Mährens Hauptstadt , enger eingeschlossen , und
Friedrich nahm sein Hauptquartier zu Selowig.
Von hier, aus schrieb er , unterm 23ten Mårz , an
139

Voltaire! Ich fürchte mich, an Sie zu schreiben,


Da ich Ihnen keine anderen Neuigkeiten melden kann,
als solche , um die Sie sich eben nicht viel kümmern,
oder die Sie verabscheuen.
,,Wenn ich Ihnen z . B. sagte, daß Völker aus
swey Gegenden von Teutschland ihre Wohnungen
verlassen haben , um sich mit andern Völkern zu schla
gen , deren Namen sie nicht einmal kannten , und die
fe in einem sehr weit entlegenen Lande aufsuchen
mußten , und das blos deshalb , weil ihr Herr mit
einem anderen Fürßen einen Traktat geschlossen hat,
in Verbindung mit einander einen Dritten zu ermors
den , so würden Sie mir antworten : Diese Leute
find thōricht und wahnsinnig , daß sie sich dem Eigen
finn und der Barbarey ihrer Herren so aufopfern.
Sagte ich Ihnen : wir treffen mit großer Mühe An-
stalten, einige mit vielen Kosten erbaute Mauern zu
zerstören , årnten , wo wir nicht gefået haben , und
spielen da den Herrn , wo Niemand stark genug ist,
uns Widerstand zu leisten ; so würden Sie ausrufen :
Ha, Barbaren! Ha , Räuber! Ihr Unmenschen !
Die Ungerechten werden das Reich Gottes nicht er-
erben ! Matth. 12, V. 34.
Da ich Alles voraussehe , was Sie mir hier-
über sagen würden , so will ich nicht davon reden,
und Ihnen blos die Nachricht geben : Ein ziemlich
nårriſcher Kopf , von dem Sie unter dem Namen der
König von Preußen werden reden gehört haben,
ist auf die Nachricht , daß die Staaten seines Bun
desgenossen, des Kaisers *) , von der Königin von

*) Der Churfürst von Bayern war nämlich, als Karl


140

Ungarn verwüstet würden , ihm zu Hilfe geeilt , hat


seine Truppen zu denen des Königs von Poien stoßen
laffen , um eine Diversion in Niederöstreich zu ma-
chen , und es ist ihm so gut gelungen , daß er darauf
rechnet, in Kurzem die Hauptmacht der Königin von
Ungarn zu schlagen, um seinen Allirten einen Dienst
zu leisten.
,,Das ist Edelmuth, das ist Heroismus ," wer
den Sie sagen. Indeß, lieber Voltaire , ist das
erstere Gemälde und dieſes einerley. ' Eben jenes
Frauenzimmer , das man vorher in der Nachthaube
fah , sieht man nun geſchminkt und in Pompons.
,,Auf wie viel verschiedene Arten betrachtet man
die Gegenstände nicht ! Wie sehr weichen die Urtheile
nicht von einander ab! Die Menschen verwerfen am
Abend das , was sie am Morgen gebilligt haben.
Eben die Sonne , die ihnen bey dem Aufgang gefiel,
ist ihnen bey dem Untergehen beschwerlich. Daher
kömmt es , daß Ruf entsteht , verschwindet und wie
der entsteht. Und wir sind so thöricht , daß wir uns
das ganze Leben hindurch quålen , um Ruf zu erlan-
gen ! Ist es möglich , daß man sich noch immer durch
diese falsche Münze hintergehen läßt , da man ſie doch
fennt ?"
Aber bald trafen wichtige Umstände zusammen,
welche den König bewogen , seinen Rückzug aus dem
beynah' ganz eroberten Mähren anzutreten. Mangel

der VII. , zum teutschen Kaiser erwählt worden ;


aber an dem nåmlichen Tage , da er sich zu Frank,
furt kronen ließ, eroberten die Oestreicher München,
die Hauptstadt seiner Erblande.
141

an Lebensmittel zeigte sich , wo Friedrich nicht per


fönlich die gehörigen Anordnungen getroffen ; die
Witterung war fast unerträglich, und es rissen Krank
heiten unter den Truppen ein. Zudem war das
öftreichische Heer ansehnlich verstärkt worden ; und
die Bundesgenossen, namentlich Sachsen, für welches
das Markgrafthum Mähren bestimmt war , leisteten.
fast gar nichts. Friedrich führte daher , nur
schwach von seinen Gegnern beunruhigt , die preußi-
schen Truppen nach Böhmen, und ließ sie bey Chru
dim , wo er den 17ten April anlangte , Cantonirung-
-
quartiere beziehen. Kurze Zeit darauf ergab fich
Glaß den Preußen.
Den Frieden sehnlich wünschend, ließ der König
durch Lord Hinfort dem wiener Hofe Vergleichsvor
schläge machen. Aber derselbe war nicht mehr so
nachgiebig , als früher ; der Vorfall mit Linz , die
Räumung Mährens und die Trennung der Sachsen
hatten ihm seinen ehmaligen Stolz wiedergegeben ;
feine geheimen Unterhandlungen am Hofe zu Verfail .
les machten sogar , daß seine Blicke sich noch weiter
erhoben. Man hat immer bemerkt, daß die Gemüth-
stimmung des öftreichischen Hofes den rohen Eindrüf
fen der Natur folgte ; aufgeblasen im Glück, kriechend
bey widerwärtigem Schicksal ; nie wußte er die weise
Máßigung zu treffen , welche die Menschen mit Gleich
gültigkeit gegen die vom Zufall beschiedenen Glücks-
güter oder Unfälle waffnet. Jeht gewannen sein
Stolz und seine List wieder die Oberhand. Der
schlechte Sortgang dieses Versuches des Lord Hinfort
bestärkte den König mehr wie jemals in der überzeu-
gung , die er schon hatte, daß , um eine Friedens-
142

Unterhandlung mit den Östreichern zu Stande zu


bringen , man sie vorher erst recht tüchtig müsse ge.
schlagen haben. Eine treffliche und ausgeruhte Ar
mee reizte ihn, das Glück der Waffen zu versuchen ;
fie bestand aus 34 Bataillonen und 60 Schwadronen,
welches ungefähr die Zahl von 33,000 Mann aus-
machte *)."
Der Prinz Karl von Lothringen , Obergeneral
der öftreichischen Truppen, war, dem vom Hoffrieg
rathe zu Wien erhaltenen Befehle nachzukommen,
dem König eine Schlacht zu liefern, ihm, durch Mäh.
ren nach Böhmen eilend, nachgefolgt , und so fam es
den 17ten May bey Chotusig zum Kampfe. Die
Stärke der Preußen wird von Jomini zu 23 bis
24,000 , die der Öftreicher zu 30,000 angegeben ;
nach Anderen wäre sie ungefähr auf beiden Seiten
gleich gewesen.
Die Reiteren des linken Flrgels der Preußen,
unter Buddenbrock, stürzte sich muthig auf die gegen
fie heranrückende Cavallerie ihrer Gegner , und er
schütterte , file werfend , selbst das Fußvolk derselben.
Aber , sich allzusehr dem Ausbruche des wilden Mu-
thes überlassend , wurde sie von den herbeyeilenden
Verstärkungen der Öftreicher wieder zurückgeworfen.
Mit ähnlichem Erfolge ward auf dem entgegengeseßten
Flügel gestritten ; weder die Reiterey des einen, noch
des anderen Heeres unterlag , und das Kriegglück
schwebte wechselweise, bald auf die Seite der preußis
fchen, bald auf jene der östreichischen Carallerie.
Entscheidender kämpfte das Fußvolk. Das öst

*) Histoire de mon temps,


143

reichische griff an , bringte einige feindlichen Batail


lons durch Chotusiß , und steckte diesen Flecken in
Brand. Einige ihrer Balaillone , welche schon zwie
schen die preußischen Linien eingedrungen waren , zv
gen sich durch diesen Ort zurück, weil ihnen Hilfe
fehlte, seßten sich aber sogleich wieder hinter Zäunen
und Hohlwegen fest , gerade im Rücken der Regimen
ter Leopold und La Motte. Plöglich schwenkten sich
Diese, feuerten einigemal , fließen, da der Feind nicht
wich, die Bajonnette auf, und drangen mit wildem
Ungeſtúm auf ihn ein , zerrissen seine Reihen , und
trieben ihn in äußerster Unordnung aus dem Flecken
heraus. Aber ihr Muth vermochte nichts gegen die
übermacht des Feindes . Sie wurden durch ein mór
derisches Feuer bedrängt, und standen in Gefahr,
ben errungenen Vortheil zu verlieren. Dies be
merkte der König , und im Nu ließ er seinen rechten.
Flügel gegen Chotusih_schwenken *). Dies entschied
den Sieg. Der linke Flügel der Feinde stürzte sich
auf seinen rechten , wo Alles zuſammengedrängt ward.
In diesem Terrain eingeschlossen , und durch dasselbe
verhindert , ordentlich zu fechten , entstand eine all
gemeine Verwirrung. Das ganze Feld war in Kur
sem mit Flüchtlingen bedeckt ; bis jenseits Czaslau
wurden die Geschlagenen verfolgt , und erst 3 Mei-
len von dem Wahlplaß entfernt machten ſie Halt.
Die Öftreicher verloren in diesem dreistündigen Kampf
2000 Todte, 3000 Verwundete und 950 Gefangene,

*) ,,Das allsehende Auge des Königs gewann (hiers


durch) vorzüglich diese Schlacht." (Die Feldzüge
Friedrich des II. von O Cahill,)
144

ferner 17 Kanonen und 1 ne *); die Preußen


dagegen 3600 Todte und Verwundete, ebenfalls viele
Gefangene und 11 Standarten.
Dieses Treffen, obschon nur wenig bedeutend an
fich, führte endlich den Frieden zwischen Preußen und
Östreich herbey. Friedrich hatte seinen Zweck er-
reicht. Die Unredlichkeit der Krone Frankreich, welche
feit einiger Zeit in einem geheimen Briefwechsel mit
dem wiener Hofe stand , und bereit war , ihn , sobald
fie ihre eigenen Absichten erreicht hätte, sinken zu
´laſſen **), die ſchlechte Unterſtüßung von Seite seiner

*) Sie würden deren ungleich mehr verloren haben,


wenn sie die Fahnen nicht , noch vor der Schlacht,
unter starker Bedeckung hinter die Linie gebracht
håtten.
Friedrich selbst gibt den gegenseitigen Verlust
so an : a) östreichischer : 7000 Lodte , Gefangene
(námlich 1200 Mann) , Verwundete und Uibers
läufer ; 18 Kanonen und 2 Fahnen ; b) preußis
scher: 1600 Todte (worunter 900 Reiter), 2000 ,
Verwundete und 11 Standarten.
**) ,, So viel geheime Unterhandlungen der Dests
reicher mit dem Cardinal Fleury", sagt Fried
rich selbst in seinen Werken,,,und einige Unek
doten , welche dessen Zweyzüngigkeit verriethen,
hatten das Zutrauen des Königs zu ihm vernichtet.
Man wußte . daß der französische Gesandte , la
Chetardie, zur Kaiſerin von Rußland gesagt hatte,
dac sicherste Mittel , sie mit Schweden auszusöh
nen, sey, diese lettere Macht durch Pommern auf
Koften des Königs von Preußen zu entschädigen.
Die Kaiferin verwarf diesen Ausweg, und theilte
das Geheimniß dem an ihrem Hose befindlichen
preußischen Minister mit. 3u gleicher Seit erklärte
145

Bundesgenossen, besonders der Sachsen, und die Un-


ficherheit des Kriegsglückes, welches bereits den Öst-
reichern ein übergewicht über die Franzosen und
der Cardinal Tincin im Namen seines Hofes dem
Papste: über das Wachsthum der preußischen
Macht dürfe er nicht in Verlegenheit gerathen;
an Zeit und Ort würde Frankreich ihr wol Gråns
zen zu sehen , und diese Keher eben so zu ernie-
drigen wissen , wie sie selbige zu vergrößern ges
wußt hätte. Das größte Mißtrauen verdiente
Cardinal Fleury durch sein immer in's Dunkel
gehülltes Betragen ; er hielt einen gewiſſen Düs
fergis zu Wien , welcher sein Kundschafter und
Unterhändlerwar. " (Histoire de mon temps , par
Frédéric 11 , Tom. I. chap. 6. p 261. seq.) Ans
deren Nachrichten zufolge soll Friedrich be=
sonders durch folgenden Umstand zur Schließung
des Friedens bewogen worden seyn . Ein zu Czas-
lau verwundeter dstreichischer Offizier von hohem
Range (der General Pollandt ) soll noch vor
ſeinem Tode dem Könige das Geheimniß entdeckt
haben , daß er Gefahr liefe , von seinen Buns
desgenossen hintergangen zu werden , die nur ers
warten wollten, wie es mit ihm ablaufen würde.
(Geständnisse eines öftreichischen Vete
rans, Theil 11. Seite 93.) Friedrich selbst
sagt nichts davon. Gesezt aber , mit dieser Ents
deckung hätte es seine Richtigkeit gehabt, so håtte
dadurch der sterbende Offizier dem Könige wol
nichts Neues gesagt. Aus dem Betragen Franks
reichs und der Sachsen hätte er wol Alles dieſes
leicht , und schon långstens selbst abstrahiren köns
nen. Zudem war sein Entschluß, als Sieger Fries
den zu machen, schon vor dem Treffen zu Czaslau
gefaßt (Schmidt, Geschichte der Teutschens forts
gesezt von Milbiller. )
Friedrich d. Einz. I. 13
146

Bayern gegeben, hatten in ihm die gerechte Besorgniß .


erweckt, daß er die mit so viel Anstrengung und Glück
errungenen Vortheile bey längerer Fortseßung des
Krieges wol auch wieder verlieren könnte. Die durch
den Lord Hinfort neuerdings angeknüpften Unterhand-
lungen hatte zwar der wiener Hof in der stolzen Zu-
versicht auf seine über die Franzosen und Bayern er-
haltene übermacht zurückgewiesen. Aber jezt war
Friedrich Sieger ; die Hoffnung, die Oberhand über
ihn zu erhalten, war, wenigstens für eine geraume Zeit
rerschwunden. Der Königin von Ungarn lag daran,
den Bund ihrer Feinde zu trennen , und dadurch die
Zahl derselben zu vermindern . Hatte ſie ſich nur eins
mal mit Preußen verglichen , so konnte sie mit gutem
Grund hoffen, daß sie auch mit den vereinigten Fran
zosen und Bayern bald fertig seyn dürfte.
Das Treffen bey Ezaklau hatte man ohnehin
öftreichischer Seits nur in der Absicht gewagt, damit
es über Frieden oder Fortsetzung des Krieges ent
scheide. Der Entschluß war daselbst bereits gefaßt,
daß man den König im schlimmsten Falle, wenn man
ihn durch eine Niederlage nicht außer Stand seßen
könnte , die gegen den Marschall von Broglio entwor-
fenen Unternehmungen zu-hindern , dieses wenigstens
durch eine Trennung von dem Bündnisse bewirken,
und in dieser Absicht ihm Schlesien Preis geben
wollte *). Das Treffen hatte sich für ihn entschie
den; er glaubte daher, daß es Zeit wäre , Frieden
zu machen, besonders da seine Finanzen bereits durch
diesen Krieg ziemlich erschöpft waren , und sich in

*) Geſtåndniſſe eines öſtr. Veterans dafelbst, S. 74.


147

dem Schahe kaum noch 1,500,000 Thaler vorråthig


fanden *).
Durch die Betrachtung aller dieser Umstände in
seinem Vorhaben bestärkt, ließ Friedrich dem Grø
fen Podewils , der sich damals zu Breslau befand,
die nöthige Vollmacht ausfertigen , und ertheilte ihm
den Auftrag , den Frieden mit dem Lord Hinfort zu
schließen. Dieser war auch von dem wiener Hofe zu
demselben Geschäfte bevollmächtigt.
Ein geheimes Gerücht von dem Vorhaben des
Königs, sich mit der Königin von Ungarn zu verglei
chen , flog bald umher , und kam auch zu den Ohren
des französischen Marschalls von Belleisle. Dadurch
wurde dieser bewogen , sich selbst in das Lager des
Königs zu begeben , um zu erfahren , ob es gegründet
sey oder nicht. Bey seiner Ankunft verheimlichte
er ihm nicht, welchen Verdacht man gegen ihn habe.
Zugleich wollte er mit dem König über die Mittel zu
Nath gehen, durch welche man die Sachſen aus ihrer
Unthätigkeit bringen könnte. Allein der Marschall
hatte seine Zeit nicht wol gewählt. Mit derselben
Freymüthigkeit antwortete ihm der König : Er glaube,
der Friedenstraktat würde wol schon geschloffen seyn ;
Niemand würde es unbillig finden können , daß er
einen Frieden auf Bedingnisse einginge , die er selbst
vorgeschrieben; er halte dafür, daß jeder Andere an
seiner Stelle dasselbe thun würde. Indem er der
Allianz mit dem Kaiser entfage , vernachläßige er da
rum dessen Vortheile nicht ; da aber die Könige von
Ungarn ihm alle seine Forderungen zugestanden , fo

*) Histoire de mon temps , loc. cit. p. 162.


13 *
148

habe er weiter keinen Vorwand , den Krieg gegen sie


fortzuſeßen *).
In der That waren damals die Unterhandlungen
schon ziemlich weit gediehen. Der Sieg des Königs
bey Czaslau gab der Beredsamkeit des Lord Hinfort,
welcher nach der Ehre geizte , ein schon einmal ange=
fangenes Geschäft zu vollenden , einen großen Nach-
druck, und die östreichischen Minister bezeigten sich
jeht viel nachgiebiger, als sie vor der Schlacht gewe
fen waren. Besonders gute Dienste leistete bey die-
fer Angelegenheit der König von England durch seine
Vermittelung, und er hatte das Vergnügen, zu sehen,
daß sie diesmal beiden Theilen willkommen waren,
der Königin und ihrem bisherigen Gegner, dem
Könige von Preußen.
Schon am 11ten Juny 1742 kamen beide zu
Breslau über die Pråliminår-Artikel überein. Ver-
möge derselben trat Maria Theresia dem Könige von
Preußen und seinen männlichen und weiblichen Erben
Ober- und Niederschlesien , ingleichen den vormals zu
Mähren gehörigen Distrikt Katscher, so wie die Graf-
ſchaft Glah, mit vollkommener Land . Shoheit und Un-
abhängigkeit von der Krone Böhmen ab ; doch behielt
sie sich das Fürstenthum Teschen , die Städte Trop-
pau und Jägerndorf, den jenseits der Oppa und in
deh hohen Gebirgen gelegenen Theil von Oberschlesien,
die Herrschaft Hennersdorf und die anderen zu Mah-
ren gehörigen, wiewol in Oberschlesien eingeschloffe=
nen , Distrikte vor. Dafür that Friedrich auf alle

*) Mémoires pour servir à l'histoire de l'Europe


etc. Tom. I. p. 209 seq.
149 1

Ansprüche an das Haus Östreich Verzicht , versprach,


in Schlesien die katholische Religion in dem gegen=
wärtigen Zustande zu lassen , und machte sich verbind-
lich, die auf Schlesien haftenden Schulden (betragend
1,700,000 Thlr. ) an die Gläubiger in Holland und
England zurück zu bezahlen. Das Recht , den Titel
eines souveränen Herzogs von Schlesien zu führen,
ward zwar hiermit dem Könige von Preußen und sei-
nen Erben vollkommen eingeräumt ; doch bedung sich
Maria Theresia dasselbe Recht für sich und ihre Er
ben. Der König von Großbritannien und Churfürft
von Hannover , die Kaiſerin von Rußland , der Kö-
nig von Dänemark , die Generalstaaten der vereinig
ten Niederlande , das Haus Braunschweig Wolfen=
büttel und der König von Polen , als Churfürst von
Sachsen, wurden in diesen Frieden eingeschloffen *).
In menigen Wochen , nämlich am 28ten July,
wurden diese Pråliminarien zu Berlin in einen förm
lichen Definitivfrieden verwandelt , ohne daß sie we-
fentliche Änderungen erlitten oder wichtige Zusäge
erhielten **).

*) Wenk , Cod, jur. gent. recontiss . T. 1. p . 739


et seq.
** Schmidt, Geschichte der Deutschen , fortgefegt
von Milbiller.
150

Anhang
zum ersten Båndchen.

1. Ausgaben
vom September 1719 für den Kronprinzen , nachs
maligen König Friedrich den Einzigen.

(Zu Seite 24.)


Rthl. Gr. Pf.
Den 3. In den Klingbeutel --- 16
An den Jäger vor den Hund 2
Den 6. Un Ihre Hoheit den Kron=

9999

1441
prinzen
Den 10. In den Klingbeutel
Den 17. In den Klingbeutel
1 In das Becken
Den 21. Dem Jåger, so die Globen nach
Berlin gebracht 1 8 11
Den 24. In den Klingbeutel 1 8
Den 25, Un Hammfing , der das grüne
Kleid gemacht
Den 27. Bey der Abreise aus Wusterhaus
fen an die Bettmågdchen 16
Wor die Pfeiffe zurecht zu machen 4
An die beiden Laquaien von Sr. Maj.
dem Könige und der Königin , so auf:
802202¬

gewartet haben 1
Vor zwey Farbenschachteln 16
Vor 6 Pfund Puder 12
Vor Stibelettenknöpfe
Vor 12 Ellen Haarband 6
In Mittenwalde
In die Armenbuchse
151

Rthl. Gr. Pf.


An den Bothen, welcher die Hunde von
Berlin gebracht 12
Vor den Hirschfänger zu scheifen 2
Vor weiß Rundschnur zu Klatschén
Dem Menschen , welcher sie bestellt und
heraus gebracht -

2
An einen Jungen auf dem Felde, welchen

3
die Hunde gebissen
Un einen Mousquetier vom 2. Bataillon,
fo Se. Hoheit zu Gevatter gebeten 2
Vor eine lebendige Schneppe -
An einen Hirtenjungen , so den todten
Hund weggetragen

1
Vor Pulver und Trinkgeld an den Kanos
nier, welcher zu Schüßendorf gefeuert 1 8
Vor die Königliche Knechte zu Bier in
Schüßendorf 3
Vor ein Rothkehligen - 11
Vor Nagel und Löschpapier, die Globos
einzupacken
Die Schuh auf'm Leisten zu schlagen 1
Un einen Armen
2n einen Reitknecht , welcher die Muns
dirung heraus gebracht 2
An die alte Castellaninu Wusterhausen 16
Summe Rthlr. 23 11 Gr.
Graf v. Finkenstein . C. W. v . Kalkstein.
Der König schickte diese Rechnung , nachdem er sie
durchgesehen , mit folgender Note zurück :
" Mit diese Rechnungen bin zufrieden und soll
hiemit quittiret seyn , aber zukünftig , wenn meine Las
quaien, Kutscher und Knechte Frih aufwarten, sollen
sie nichts davor bekommen , denn ich sie davor bezahle,
denn Frik und ich ist einerley , sonsten bin mit allen .
zufrieden vor die guhte Haushaltung.
Friedrich Wilhelm, "
152

2. Nichtigkeit des Tadels


Aber das Benehmen Friedrich's in den ersten
schlesischen Kriegen.
(Aus Guibert's Denkschrift auf Friedrich den Großen ;
überseht von Bischoff.)

(3u Seite 122.)


,,Der Neid , der alles entstellt , und die Flüch
figkeit, die nichts ergründet, haben Friedrich's Ruhm
in diesem Kriege dadurch schmälern wollen , daß er das
bey eine wankelmüthige und täuschende Politik gezeigt ;
daß er immer gegen Treu und Glauben die Waffen ers
griffen , niedergelegt , wieder ergriffen , wieder nieders
gelegt habe. Man hat ihm vorgeworfen , daß er die
Königin von Ungarn ohne Kriegserklärung angegrifs
fen ; daß er ohne Rücksicht auf Frankreich, seinen Bun-
desfreund , den breslauer Frieden geschlossen ; daß er
diesen Frieden ohne Ursache wieder gebrochen und Frank:
reich durch einer zweyten besonderen Frieden noch ein
mal getäuscht habe.
,,Der König that in diesen verschiedenen Lagen
nichts, als was ihm Talent, Vorsicht und Nothwendig,
keit befahlen. Sein Einbruch in Schlesien geschah, wie
alle großen Kriegunternehmungen geschehen müſſen,
heimlich und schnell. Im Besige von Schlesien , und
durch zwey Schlachten in seinen Eroberungen befestigt,
nahm er den Frieden an , den man ihm durch den Ab,
trit dieser Provinz darbot. Wäre es nicht unübers
legt gewesen , wenn er weiter håtte fechten wollen,
nachdem er seinen Zweck erreicht hatte ; und was war
er Frankreich schuldig , ohne welches er zu den Waffen
gegriffen , das nur gelegentlich sein Bundesfreund ges
worden war ?
"1 Als er den breslauer Frieden brach, befolgte er
153

ebenfalls den Rath der Vernunft und Klugheit. Wien


hatte sich so eben mit Polen vereinigt ; Holland und
England fochten für dasselbe. Bayern war von Feins
den beset , nicht ein Franzose mehr im Reich , und
70,000 Destreicher waren in Elsaß eingedrungen. Es
war augenscheinlich, daß, wenn er nicht durch eine mäch,
tige Diversion Maria Theresien's Glück wieder in das
Gleichgewicht bråchte , ihre ſiegreichen Waffen bald über
ihn herfallen würden, um ihm Schlesien , das ihm so
vielen Kampf gekostet , wieder zu entreißen. Als er
den zweyten Frieden zu Dresden schloß, hatte er aber-
mals Eine Ursache , den Krieg fortzusehen. Er hatte
Böhmen verheert , war Meister von Sachsen , hatte
durch drey Siege den Stolz und die Entwürfe des
wiener Hofes vereitelt ; Frankreichs Vortheile in Flan-
dern hatten ebenfalls das Gleichgewicht wieder herge-
stellt, Bayern that auf seine Ansprüche Berzicht , der
Großherzog war Kaiser , alle Theile waren erschöpft
und seufzten nach dem Frieden. Von einer anderen
Seite trieb ihn Rußland , sich mit dem Könige von
Polen auszuföhnen , und er verschaffte sich durch Nies
derlegung seiner Baffen den Ruhm eines edeln und
gemäßigten Verhaltens . Was aber Frankreich betrifft,
das sich zum zweytenmal über ihn beklagte , und wo
man ohne Ueberlegung von der preußischen Treue, wie ,
von der punischen sprach, hatte er ihm nicht durch seine
Diversionen einen ziemlich großen Dienst gethan , da-
durch das Elsaß befreit und in Flandern die Oberhand
verschafft, und zu unsern Eroberungen verholfen ? Und
welchen Gefahren stellten wir ihn im Gegentheil nicht
blos , indem wir ben Prinzen Karl ruhig über den
Rhein zurückgehen ließen, uns mit der Belagerung von
Freyburg begnügten , anstatt den Prinzen mit Nach-
druck zu verfolgen, und so den König von Preußen die
ganze Last der östreichischen und fächſiſchen Waffen tra
gen ließen ? Aber in diesem ganzen Kriege , wo die
Politik weit thåtiger und verwickelter war , als je,
154

dußerte sich in Europa ganz Ungewöhnliches , etwas,


das wieder an die schönen Zeiten des Alterthums erinnert,
wo die Geschichte keine Mittelpersonen zwischen den Kds
nigen und Völkern aufstellt. Man war bisher gewöhnt
gewesen, die Regenten nur durch Dollmetscher ſprechen,
durch Sekretäre schreiben und durch Minister unters
handeln zu sehen. Jeht sieht man einen jungen Prins
zen selbst unterbandeln , sprechen , schreiben , und dies
mit einer Deutlichkeit, einer Würde, einer Bestimmts
beit , die in unseren diplomatischen Werkstuben unbes
kannt sind. Denn hier macht man sich es fast immer
zum Gefeß , nicht gerade zu gehen , den Verstand in
weitläufigen Phrasen zu ertränken , sich in Dunkelheit
gu hüllen, um Ausflüchte zu haben und von der freys
müthigen Wahrheit keinen Gebrauch zu machen , wo-
durch man sich doch weit seltener oder wenigstens auf
edere Weise schadet, als durch Trug und Spißfindig,
keiten.
,,In der Sündfluth politischer Schriften , womit
die Tagebücher jener Zeit überschwemmt sind , in dem
unnügen Wirrwarr , wovon die alte Geschichte kein
Beyspiel hat, schwimmen stets die Schriften des Königs
von Preußen oben auf. Sie sind fast alle aus seinen
Lagern datirt , und mitten im Geräusche der Waffen
aufgefeßt , sie haben alle den nachdrücklichen und edela
Ton, der einem Heltenkönige so gut ansteht , aber
auch zugleich eine erhabene Denkungsart und einen
trefflichen Kopf erfordert.
"Seine Manifeste , Erklärungen , Darstellungen,
sind nie von ihm unterzeichnet, noch in seinem Namen
geschrieben , weil er sie als Formalitäten ansah , wo
man wo eine Behauptung wagen , bemånteln , kurz,
zu überreden oder zu blenden suchen darf. Aber in
seinen Depeschen, in seinen unmittelbaren Verhand:
lungen, wo sein Name unterzeichnet ist, glaubt er ohne
Zweifel seine Ehre für seine Worte verantwortlich zu
155

halten, zeigt er sich stets entschlossen und wahrhaftig.


Hat er mit dem wiener Hofe zu thun , so geht er leicht
über die Rechtmåßigkeit ſeiner Anſprüche auf Schlesien
hinweg, stügt sich aber dagegen geradezu auf die Staats-
nothwendigkeit, welche die Besisergreifung dieser Pro.
vinz für seine Sicherheit unentbehrlich machte.

" Während der Unterhandlungen des dresdener


Friedens schrieb er an den englischen Gesandten, Hrn.
Villiers , welcher mit daran arbeitete: ,, Dies sind
meine Bedingungen. Eher will ich mit meiner Urmee
auf der Stelle bleiben , als eine davon nachlassen.
Nimmt sie die Kaiserin nicht an , so erhdhe ich meine
"/
Forderungen. Er antwortet Rußland, das ihn von
dem Einfall in Sachsen abhalten wollte : ,,Ich will nur
den König von Polen in ſeinem Churfürstenthum zůch-
tigen, und ihn in einer Hauptstadt eine redevolle Abs
bitte unterzeichnen lassen." Dem König von Polen
schrieb er selbst verschiedene Briefe , worin er ihn vor
dem Ungewitter warnt , das gegen ihn im Unzug ist,
ihm zeigt , wie sehr es Sachſens Vortheil erfordere,
sich eher mit Brandenburg , als mit Deſtreich , zu
verbinden , die bösen Rathschläge des Grafen Brühl,
ſeines Günſtlings , die Schwäche seines Charakters
aufdeckt , die ihn in einer Zeit , wo er von alles
Kriegmacht entblöst ist , in einen gefährlichen Handel
verwickelt. In der That , ein sonderbarer Briefs
wechsel , der selbst bey dem Ueberfall vom Jahre
1756 wieder anfing , und woben man sieht , daß die
persönlichen Eigenschaften noch weit größeren Abstand
unter den Königen machen , als unter Privatperso-
men. Ais endlich vor dem breslauer Frieden der
Marschall Belle Isle von Prag in ſein Lager kam,
seinen Entschluß zu hören , braucht er abermals keine
Umschweife , ihm die Wenderung seiner Politik zu
entdecken : " Mein Herr Marschall ," redete er ihn
an , indem er auf ihn zuging ,,, denken Sie an sich,
156

mein Spiel ist gewonnen , und ich mache meiner


Seits Frieden." - Man vergleiche einmal dieſen
geistreichen und zugleich heldenmüthigen Zug von
Biederfinn mit dem Betragen so vieler Minister, die
fich erlaubt haben , ausgemachte Wahrheiten nieder:
trächtig zu läugnen , und durch offenbare und im
Angesichte von Europa " gesagte Lügen den Namen
ihrer Herren zu schånden .'

Berichtigungen.

Seite 5, Zeile 10 v. o. lies erduldet statt erdul-


tét.
13, in der Note , sehe man nach den Worten :
",Anekdoten ic. aus dem Leben Friedrich des
Großen", existirte noch kein regels
må ßiges Schauspiel.
43, 3eite 19 v. o. lies No chow statt Rach ow.
Das Leben

Friedrich des Einzigen.

Bon

Georg Friedrich Kolb.

Zweytes Bändchen.

„Wahrlich ,“ sagte Napoleon , von dem trefflichen


Rudzuge Friedrich des Einzigen nach dem Ueberfalle von
Hochlirch sprechend ,,,wahrlich, er war ein großer Mann ;
aber doch verdankt er die Hälfte seines Ruhms dem schiefen
Benehmen seiner Feinde." 3a," fügte er nach einer
kleinen Pause hinzu, einen Finger meiner Hand
würde ich für eine Unterhaltung von zehn
Minuten mit ihm gebeen. Sah Napoleon
gleich in dem großen , philosophischen Könige blos den
Krieger, so hatte er dennoch sich nicht schöner und erhabener
- gleich rühmlich für Friedrich, wie für Napoleon
selbst ausdrücken können.

Speyer , 18 28.
In der 3. C. Kolb'schen Buchhandlung.
Ainsi, dans ces jours pleins d'alarmes ,
La constance et la fermeté
Sont le bouclier et les armes
Que j'oppose à l'adversité .
Que le destin me persécute ,
Qu'il prépare ou hâte ma chûte ,
Le danger ne peut m'épranler.
Quand le vulgaire est plein de crainte,
Que l'espérance semple èteinte,
L'homme fort doit se signaler.
Oeuvres mêlées du Philosophe de Sans-
souci. (Berlin 1760. ) Tôme I. pag. 18 .
Dritter Abschnitt.

Des Königs edles Bemühen zum Wohle der preußischen


Lånder. Wiederausbruch des Kampfs ; der zweyte
schlesische Krieg. Verschiedene militári che Bewes
gungen der Heere. Der Preußen Siege bey Hohen.
friedberg (Striegau), Sorr und Kesselsdorf. --- Friede
zu Dresden.
(Vom July 1742 bis zum plouber 1745.)

Ohne alles Geprånge langte Friedrich, nach-


dem er auf die im vorigen Abschnitt erzählte Weise
Schlesien mit der preußischen Monarchie vereinigt,
den 12ten July 1742 wieder zu Berlin an . Zum
Aufblühen des Landes alles Mögliche zu thun , dabey,
so viel es mit diesem in Einklang zu bringen fen , die
strengste Sparsamkeit in allen Zweigen zu beobachten,
und endlich das , wie er , der Scharfblickende , ganz
richtig voraussah, so nöthige Heer der Zahi ſowel,
als auch , und zwar hauptsächlich , der inneren , my-
ralischen Kraft nạch , zu verstärken, machte er sich·
zum rengen Gesez.
Schlesien besonders , der Tummelplaß der
verschiedenen Heere während des Kriegs , und dabey
an den Wunden leidend, welche ihm die bisherige.
160

unordentliche und in mehr als einer Hinsicht bedrük-


fende Verwaltung verursacht , bedurfte zu feinem
Emporblühen der weisen und wohlthätigen Leitung
eines solchen Fürsten. ― Unter den vorigen Regen-
ten war es üblich geworden , daß ihnen die Stånde
bey der Huldigung ein Geschenk von 100,000 Thirn.
machten. Friedrich aber , edelmüthig dieſe ihm
ebenfalls angebotene Summe ablehnend , erklärte :
,,das Land sey zu sehr durch Unglückfälle erschöpft, als
daß er von den Ständen dieses Geschenk annehmen
fönne; er vielmehr wolle trachten, dem Volke wieder
aufzuhelfen , damit es Ursache haben möge, sich seiner
Regierung zu freuen . " Und bald bewies er in der
That, daß nicht blos schöne Worte auszusprechen
feine Sache sey. Mit weiser Mäßigung und einer
behutsamen Rücksicht auf die Vorrechte des bisher
herrschenden Bekenntnisses und seiner niederen und
höheren Vorgesetzten www— also nicht durch das unbe
dingte Machtwort des Königs wurde eine allge-
meine Toleranz der verschiedenen kirchlichen Confef=
ſionen eingeführt , und alle erhielten gleiche Rechte.
Die Protestanten , wenigstens die Hälfte der Bevölke
rung des ganzen Landes , hatten vordem vielfache Be-
drückungen zu erleiden gehabt , und daß man sie dul-
dete, geschah nur in Folge eines Vertrags , den Karl
der Xil. von Schweden im Jahre 1707 dem Kaiſer -
abgedi ungen hatte. Ihre Bedrångniſſe hörten auf;
die Huffiten, Herrenhuter und Schwenkfelder , unter
der streichischen Regierung aus Schlesien vertrieben,
kehrten in Schaaren dahin zurück , und dabey wurden
die Katholiken, obschon man ihren Mönchen und Prie=
Fern keine Einmischung in weltliche Angelenheiten.
161

gestattete, so weise und vernünftig behandelt , daß


selbst der Papst , gerührt über des Königs Benehmen,
ihm seinen schriftlichen Dank gesagt haben würde,
wenn die politischen Verhältnisse ihn nicht abgehalten
håtten *). Bald zeigte sich auch hier in Wirklichkeit,
was Friedrich in seiner Schrift de la réligion
du Brandebourg fagt : Der falsche Eifer ist ein
Tyrann , der die Provinzen entvölkert , die Duldung
aber eine zärtliche Mutter , welche sie pflegt und blú
hend macht."
Die Abgaben der Schlesier, waren vordem stark,
und dabey unbestimmt , wodurch nur allzuhäufig Ein-
griffe der Steuerbeamten entstanden. Diese hörten
auf, da das preußische Erhebungsystem eingeführt
ward. Die ganze Administration bekam eine andere
Gestalt. Der König feßte zwey Oberamt -Regierungen,
die eine zu Breslau , die andere zu Glogau , nieder ;
jeder Kreis erhielt einen Physikus , und zur Leitung
der kirchlichen Angelegenheiten der Protestanten ließ
er zwey Oberkonsistorien errichten.
Handel, Gewerbe , Manufakturen und Fabri-
fen unterstüßte der König in Schlesien auf das tha
tigste. Breslau ward zur dritten Hauptstadt seiner
Lånder erhoben , die Einwohner wurden von Rekru-
tirungen freygesprochen ; zwey große Messen wurden
errichtet, die in kurzer Zeit besonders dadurch in Flor
kamen , daß die Einkäufer von jeder Abgabe frey
waren , und daß eine eigene Handlungkommission

*) Man sehe das Nähere hierüber in der Schrift :


Friedrich der Große ; Versuch eines historischen
Gemäldes." (Weimar 1787) , 3. eft, S. 128.
162

niedergesezt wurde , die über alle merkantilischen


Streitigkeiten ohne Zeitverlust entschied.
Künstler und Manufakturisten aller Art wurden
in das Land gezogen , und durch ansehnliche Freyhei
ten und Belohnungen aufgemuntert. Da viele solcher
Leute aus Furcht , gewaltsam zu Soldaten geworben
zu werden , nicht wagten , das preußische Gebiet zu
betreten, so nahm ihnen der König diese Furcht durch
geschärfte Edikte wider gewaltthätige Werbungen,
die unter der Regierung seines Vaters freylich sehr
gewöhnlich waren. In eben dieser Absicht befreyte
er auch das ganze Fürstenthum Jauer und zwey Kreiſe \
des Fürstenthums Schweidniß von den Rekrutirun-
gen. Einigen anderen schlesischen Städten erlaubte
er Vieh , Woll- und Pferdmårkte. Er legte neue
Posten zum Behufe der reisenden Kaufleute an , und
ließ bey Croffen einen ganzen Berg abtragen , um die
Ab und Zufuhr der Waaren zu erleichtern.
Selbst bis auf das physische Wohl seiner neuen
Unterthanen erstreckte sich seine Sorgfalt. Man braute
fast überall in Schlesien ein, trübes , schweres Bier.
Um diesem Fehler abzuhelfen , sendere er Braumeister
aus Berlin und Potsdam , die das Brauwesen auf
einen vollkommeneren Fuß sehen mußten.
Aber nicht minder thårig zeigte sich des Königs
Sorgfalt für seine älteren Staaten. Gelehrsamkeit,
Kunste und Gewerbe aller Art blüheten daselbst auf;
der Handel breitete sich aus, und die Kriegmacht
wuchs immer furchtbarer heran.
Noch mitten im Gewühle des Kampfes gab der
König Verordnungen , die auf das Wohl seiner aften
Unterthanen abzweckten ; z. B. ein Trauerpatent,
163

um den Aufwand bey Begräbnissen einzuschränken,


und eine neue Depoſitalordnung , zur Sicherheit der
gerichtlich niedergelegten Gelder , die , wenigstens
damals , ein Muster in ihrer Art war.
Gleich nach dem Frieden richtete er seine Auf
merksamkeit auf inländischen Kunstfleiß. Sein grof-
fer Plan war, feine Staaten in Absicht ihrer Bedürf
niffe , sowol derer , die zur Nothdurft , ale jener,
die zum Lurus gehören , von den benachbarten Staa-
ten völlig unabhängig zu machen , und dadurch das
› Geld im Lande zu erhalten. Zu diesem Zweck wirk-
ten alle feine Verordnungen , welche die inländische
Industrie betrafen. Er suchte dem Seidenbau em-
porzuhelfen ; that den Unterthanen Vorschüsse zu
Maulbeerpflanzungen ; theilte unentgeldlich Seiden-
wurmeyer aus , und sehte Belohnungen auf gewisse
Quantitäten im Lande erzeugter Seide. Den Umtrieb
des inländischen Handels zu erleichtern , ließ er auch
mit großen Kosten bey Plauen in der Mark einen
Ka al graben , der nach zwey Jahren glücklich zu
Stande fam.
Auch fieng er gleich nach dem Frieden an , sein
Heer zu verstärken , und wies zum Festungsbaue in
Schlesien große Summen an. Er erkannte , daß
Wehlstand , Macht und Ruhe ſeines Landes auf dem
Muth einer furchtbaren , geübten Armee beruhte,
und dus diefen Gründen blieb er, und sein Heer mit-
ten im Frieden nicht müßig. Der Soldat ward geübt,
gemustert; der Offizier zum Dienste streng angehalten ;
die Regeln der Mannszucht wurden verschärft , und
alles dies geschah um so pünktlicher , als der König-
ſelbſt den Kriegstand nie aus den Augen ließ. Die
164

nåher liegenden Truppen mußterte er jährlich zwey-


mal ; über die entfernteren hielt er alljährlich eine
Heerschau. Bey dieser Gelegenheit sah er alle seine
Provinzen, forschte nach ihrem Wohlstande und nach
ihrer Verfassung , und lernte sie dadurch von Grund
aus kennen.
Während aller dieſer Geschäfte blieb seine Liebe
zu den Wissenschaften und schönen Künsten so lebhaft,
als vorher. Er hatte jeht seinen Aufenthalt zu
Potsdam genommen , und die Musen waren ihm aus
Rheinsberg dahin gefolgt. Leßteres hatte er nur
Darum verlassen , weil es von der Hauptstadt ſeines
Landes zu entlegen war. “ Potêdam lag so ziemlich
im Mittelpunkte seiner Provinzen , und war der eng-
sten Gemeinschaft mit der Hauptstadt fähig. Tort
errichtete er eine kleine Gesellschaft , die jener zu
Rheinsberg nicht unähnlich war , und welche jest
den Philosophen' Voltaire eine Zeitlang in ihrer
Mitte hatte.
Im Jahre 1743 kam auf des Königs Befehl
eine gelehrte Gesellschaft in Königsberg zu Stande,
deren Hauptgeschäft die Kultur und Verbesserung ders
teutschen Sprache seyn sollte , und in eben diesem
Jahre lebte auch die Akademie der Wiſſenſchaften un-
ter seinem Schuhe in Berlin wieder auf. Zwey
würdige Männer , der Minister von Bork und der
General Graf von Schmettau, beide von der nằm-
lichen Liebe für Literatur , wie Friedrich , beseelt,
vereinigten sich, eine gelehrte Privatgesellschaft zur
Kultur gemeinnüßiger Wissenschaften zu bilden. Ihr
Plan fand allgemeinen Beyfall , und in Kurzem war
eine Gesellschaft von Gelehrten aus allen Fächern
165

errichtet. Der König erklärte sich zu ihrem Protek-


tor , und räumte ihr ein schönes Zimmer in seinem
Schloffe zu ihren Versammlungen ein ; durch sie ward
er auf den Gedanken zurückgebracht , die alte Akade
mie der Wissenschaften wieder herzustellen , und fie
mit dieser neuen Privatgesellschaft zusammenzuſchmel,
zen. Er seßte noch in eben diesem Jahre eine Com
miſſion nieder , die den Zustand der alten Akademie
in Hinsicht ihres Fonds und ihrer Einkünfte unter
suchen, und für die neue Geseße entwerfen mußte.
Sie führte dieses Geschäft nach dem Willen undPlane
des Königs aus ; er unterzeichnete die Statuten, und
legte ihr den Titel einer königlichen Akademie der
Wissenschaften bey.
Interdessen wurde der Bau des prächtigen Opern-
hauses zu Berlin (mit einem Gesammt-Kostenaufwande
von anderthalb Millionen Thalern) , und einiger Lust
schlösser, unermüdet fortgefeßt. Dies diente zur
Verschönerung, und gab der årmeren Klaſſe des Volfs
Gelegenheit , sich nähren zu können. Um Künste und
Wissenschaften in Teutschland mehr aufzumüntern,
und sich selbst dabey ein unschuldiges Vergnügen ju
verschaffen, zeg der König geschickte Ausländer an seis
nen Hof. Aber nicht leicht überschritt er die so nöthige
Mäßigung bey ihrer Belohnung . Er erklärte einer
französischen Schauspielerin , die von ihm Schäße zu
erbeuten hoffte , unter den verbindlichsten Loverhe-
bungen ihrer Talente, daß er als Regent nicht mehr
so ungebunden zahlen könne, wie ehdem. Als Prinz
gab ich von dem Meinigen ; als König aber bin ich
weiter nichts , als der Schahmeister meines Volks!“
-Eine Feuerbrunft auf dem königlichen Marstalle
166 .

zu Berlin hatte eine Menge Alterthümer, Zeichnungen


und Gemäldezerstört ; Friedrich ersehte den Sca
den durch den Ankauf der wichtigen Alterthümers
fammlung des Kardinals Polignac (um 95,000 Li-
vres) ; die Bibliothek und das Münzkabinet wurden
vermehrt , und die Ritterakademie oder das Cadetten-
-
haus in Aufnahme gebracht. Friedrich schaffte
die Tortur ab ; hob die mit dem Staupenschlag ver-
bundene Landesverweisung auf, und dehnte den Ge-
nuß der Privilegien der Religionvertriebenen auf die
einwandernden evangelischen Franzosen aus ; auch
müßten alle Glückspiele auf den Meſſen und Jahr=´
märkten aufhören.
Während der König auf diese Weise unabläſſig
für das Wohl seiner Völker wirkte , verlor er dabey
dennoch den Vortheil des Staats nie aus den Augen.
Im Anfange des Jahres 1744 war der Stamm der
Fürsten von Ostfriesland ausgestorben. Preußen hatte
1694 die Anwartschaft auf dieses Fürstenthum vom-
Kaiser Leopold erhalten , da aber jeht auch von ver-
schiedenen anderen Seiten Ansprüche darauf gemacht
wurden, so ließ Friedrich durch seine Truppen das.
Land beſehen , und erweiterte so seine Staaten mit
einer zwar kleinen , aber fruchtbaren und eintråg
lichen Provinz.
Seit dem breßlauer Frieden beobachtete der
König eine strenge Parteylosigkeit gegen alle Mächte,
ließ aber keinen Weg unversucht , Ruhe und Frieden
wieder herzustellen , den teutschen Kaiser in seiner
Würde zu erhalten und ihm Achtung zu verschaffen.
Eine geraume Zeit hatte er zweifelhaft zugesehen, was
endlich aus dieser Sache noch werden würde. Der
167

zu Worms mit dem Könige von Sardinien geſchloſſene-


Vertrag des Königs von Großbritannien und der Kö
nigin von Ungarn hatte ihm endlich das Räthsel ge=
löst. Wenn er schon zuvor einige geheime Nachrich-
ten hatte , daß Georg der II und Maria Theresia
den König von Frankreich zu einem Frieden zwingen
wollten , worin von der Gewährleistung wegen Schle-
sien keine Erwähnung geschehen sollte , und daß sie
damit umgingen , ihm dieses Land wieder abzuneh
men, so beruhten sie doch nur auf Äußerungen , die,
wenn sie auch an einem oder dem anderen Hofe ges
than wurden , doch vielleicht nur die Wirkungen
augenblicklicher Einfälle waren, welche manchmal eben
so geschwind, als sie entstanden , auch wieder verges-
sen werden , theils auch auf Sagen , deren Wahrheit
doch durch nichts anders verbürgt war , als durch
die Versicherung desjenigen , der sie mittheilte. Aber
feitdem der König aus dem Haag eine Abschrift des
wormser Vertrags erhalten hatte *), waren die Sagen
durch urkundliche Weise bestätiget . In dem zweyten
Artikel dieses Trafiats hatten tie kontrahirenden
Mächte der Königin Maria Theresia nicht nur alle
diejenigen Länder und Domånen garantirt , die sie
damals wirklich besaß, ſondern auch diejenigen, welche
fie vermöge der zu Turin , Utrecht und Baden ge-
schlossenen Vertråge , ferner vermöge der Quadrupel-
Allianz , vermöge der von dem Reiche und von den
Seemächten übernommenen Garantie der pragmati-
schen Sanction , dann des wiener Definitiv- Traktats,
und vermöge der am 3ten Februar 1739 zu Verſailles

*) Histoire de mon temps.


168

unterzeichneten Beytritakte zu diesem Vertrage →


besigen sollte *) . Der Friede von Breslau , worin
Maria Theresia Schlesien abgetreten hatte , war hier
nicht genannt ; hingegen befand sich unter denjenigen
Staaten, welche sie nach den oben angeführten Ver-
trägen besigen sollte, unstreitig auch dieses Land.
Was war also natürlicher , als der Schluß , den
Friedrich der II . machte, daß die kontrahirenden
Mächte ihr durch den Traktat von Worms im Stillen
auch Schlesien garantirt haben ? In den Augen des
Königs hieß dieses nichts anders, als eine Offensiv
Allianz gegen ihn vorbereiten.
Allen Zweifel , der hierüber noch statt finden
konnte , schien der 13te Artikel desselben Vertrags
vollends auf die Seite zu räumen . Darin hatte man
der Königin Maria Theresia die Freyheit eingeräumt,
ihre Truppen, sobald Italien von den Feinden gereis
nigt seyn würde , aus diesem Lande herauszuziehen,
und ihre Lombardey durch die sardinischen Truppen
vertheidigen zu lassen , damit sie eine um so stärkere
Kriegmacht in Teutschland aufstellen könne. Dem
bereits gänzlich unterdrückten Kaiser konnte dies eben
fo wenig gelten, als einem der übrigen unbedeuten
den Reichstände ; Preußen mußte Alles dies als
Drohung gegen sich betrachten. Hierdurch wurde
der König besonders aufmerksam gemacht , auf seine
Sicherheit bedacht zu feyn , die ihm der breslauer
Friedenschluß nun nicht mehr gewährte **). Zu
*) Wenk , Cod. jur. recent. T. 1. p. 582 seq.
**) ,,... Ein neuer Auftrit, " sagt 3immermann in
feinen Fragmenten über Friedrich den
Großen ( 1. Band, S. 129 ff.),,,80g ihn aber
169

eben dieser Zeit erschien , von dem Kaiser gesendet,


der Graf von Seckendorf am Hofe zu Berlin , um des
Königs Beystand gegen Östreich anzurufen . Wollte
gleich Friedrich keinen übereilten Schritt thun,
fo hätte dennoch Karl derVII. kaum einen günstigeren

gleich wieder auf die Seite Karl des VII , da er


noch kaum Zeit gehabt hatte, sich in Schlesien ein
wenig festzusehen. England machte den Traktat zu
Worms , und Friedrich erfuhr desselben geheim
men Artikel durch einen bisher öffentlich nicht des
kannten Zufall. Wilhelm der VIII. , Landgraf von
Hessenkassel, war theils aus Staatsgründen, theils
aus persönlicher Neigung der eifrigste Anhänger des
Hauses Bayern . König Georg der II . von Große
britannien hatte große Achtung für diesen Fürsten,
und als sein Schwiegervater hielt er sich seiner vols
lich versichert. Der Landgraf besuchte den König in
Herrnhausen, und war geſchickt genug , die geheims
ften Artikel des wormſer Traktats von ihm heraus
zulocken. Sobald er das Geheimniß besaß, eilte er,
dasselbe an Friedrich zu entdecken , und diese
wichtige Nachricht beschleunigte dessen Einbruch in
Böhmen. - Friedrich's und Frankreichs Ernies
drigung war der Zweck des Traktats von Worms.3
Håtte er also nunmehr Oestreich das völlige Uebers
gewicht gelassen , so håtte ihn auch nichts mehr ges
rettet. Also verweilte er keinen Augenblick. Er ers
griff die Waffen, dem Scheine nach für das Obers
haupt des Reichs , in der That aber zu ſeiner eiges
nen Erhaltung. Frankreich war äußerst bedrängts
die Oestreicher standen im Elsaß , und Friedrich
Bettete Frankreich. Aber treulos handelte dieses an
ihm , da es, der heiligsten Versprechungen ungeach
tet, die ganze dstreichische Macht nach Böhmen zies
hen ließ, ohne ihr zu folgen zc,"
Friedrich d. Einz. H. 2
170

Zeitpunkt treffen können , ale den gegenwärtigen, und


wirklich gab der König von Preußen seine Bereitwil-
ligkeit unter gewiffen Bedingungen zu erkennen. Vor-
läufig indessen wollte er erst ein Bündniß mit Rußland
und Schweden zu Stande bringen . Leßtere Macht
sollte dem Könige von Großbritannien eine Diversion
durch einen Einfall in Bremen machen , zu gleicher
Zeit aber eine französische Armee in die hannover'schen
Lande einbrechen. Er selbst wollte einen Einfall in
Böhmen unternehmen , und während die Östreicher.
dadurch genöthigt seyn würden , sich vom Rhein in
dieses Königreich zu ziehen , sollten die Franzosen an.
griffweise verfahren , und sie lebhaft verfolgen. Daß
der König dabey seinen eigenen Vortheil nicht ver-
gaß , versteht sich von selbst ; indem wol von, keinem
Hofe jemals eine Allianz geschlossen wurde , wozu.
nicht die Beförderung seines Interesse der Beweg
grund gewesen war. Zur Entschädigung oder Ers
kenntlichkeit verlangte Friedrich von dem König-
reiche Böhmen, weiches von den Staaten der Köni
gin von Ungarn getrennt werden sollte , die drey zu-
nächst an Schlesien liegenden Kreise. Eine andere
vorläufige Bedingung war , daß von den Bundes,
genossen keiner für sich allein einen Frieden zu schlief
.
fen , sondern alle unzertrenniich beysammen bleiben
follten , bis das Hous Östreich gedemüthigt seyn
würde. Um fünftigen Zwist zu vermeiden , verlangte
er auch, daß die Verbündeten sich schon zum Voraus
über eine Theilung jener Eroberungen vergleichen
follten , die sie etwa machen würden *) .

*) Histoire de mon temps etc. T. II.


171

Da dem Könige, wenigstens um sich im Besiße


von Schlesien zu erhalten , daran lag , daß dieses
Projekt zu Stande kam , so schickte er einen beson-
deren Gesandten in der Perſon des Grafen v. Rothen.
burg nach Versailles , um durch ihn über diesen Ge
genstand unterhandeln zu laffen. Allein so sehr auch
der eigene Vortheil des Königs von Frankreich eine
folche Allianz , und die fräftige Mitwirkung zur
Ausführung des derselben zum Grunde liegenden
Planes, anrieth , so hatte doch dieser Minister eine
geraume Zeit genug zu thun, um die Indolenz des
ganz neuen französischen Ministeriums zu überwinden .
Zur Grundlage bey den Unterhandlungen dienten die
Bedingnisse, welche dem Feldmarschall von Secken-
dorf waren vorgelegt worden. Vor allem bestand der
Graf von Rothenburg darauf, daß die französische
Armee, sobald fein König in Böhmen eingefallen seyn
würde , den Östreichern aus dem Elsaß nachrücken,
und ihnen Bayern wieder entreißen , ein anderes
französisches Heer aber in Westphalen und von da in
die hannover'ſchen Lande eindringen sollte. Dieser
Vorschlag fand endlich, nachdem der Graf den Nugen
desselben auseinander gesezt hatte , den verdienten
Beyfall, worauf die Unterhandlungen ihrem Ziele
nåher kamen.
Sobald der König von Preußen den französischen
Hof seinen Absichten geneigt sah, gewannen auch die
Unterhandlungen zu Frankfurt , die immer neben
jenen gepflogen wurden , einen lebhafieren Fortgang,
und der Kaiſer hatte endlich , den 22ten May 1744,
das Vergnügen, seinen Zweck vollkommen zu erreichen.
Der unter dem Namen der frankfurter Union
2
172

berühmte Vertrag zwischen dem Kaiser , dem Könige


von Preußen , dem Churfürsten von der Pfalz und
dem Könige von Schweden, als Landgraf von Hessen=
Faſſel , kam den 22ten May 1744 zu Stande. Darin
verbanden sich die kontrahirenden Mächte, die Ver-
fassung des teutschen Reichs , nach dem Sinne des
westphälischen Friedens und anderer Reichgrundgeseße,
aufrecht zu erhalten , die Ruhe in Teutschland wieder
herbeyzuführen , die Würde und Macht des Kaisers
zu handhaben , den wiener Hof durch alle erdenklichen
Mittel zur Anerkennung des Kaiſers , zur Ausliefe=
rung des noch immer vorenthaltenen Reicharchivs,
und zur vorläufigen Zurückgabe der bayerischen Erb-
lande , zu bewegen , und sich zu bestreben , daß die
bisherigen Streitigkeiten über die östreichische Erb-
folge entweder durch die Vermittelung der gesamm-
ten Reichstånde gütlich verglichen oder durch einen
richterlichen Spruch entschieden werden , bis dahin
aber ein allgemeiner Waffenstilstand in Teutſchland
erfolgen solle. Die gesammten Churfürsten , Fürsten
und Stände des Reichs wurden darin eingeladen,
dieser Union beyzutreten *).
Maria Theresia war die Zeit her in ihren Un-
ternehmungen zu glücklich gewesen , als daß sie das
Verlangen des vierfachen Bündnisses hätte erfüllen
sollen. Der Gesandte des Königs vermochte mit seis
nen Vorstellungen immer noch so wenig, als vorher,
und deshalb erklärte er endlich im Namen seines
Herrn den Bruch. Dies geschah in den ersten Tagen

*) Wenk , Cod. jur. gent, recentiss. Tom . 11.


p. 163 seqq.
173

des Augusts 1744 , und in der Mitte dieses Monats


brach des Königs Heer schon nach Böhmen auf.
Den 10ten August reiste Friedrich nach Böh-
men ab; in 3 Colonnen , zusammen gegen 100,000
Mann stark, ging der Zug der Armee. Die erste,
geführt von dem Könige selbst, marschirte, troß des
Widerstrebens der Regierung des Landes , durch
Sachsen ; die zweyte , unter Prinz Leopold von Dess
fau, durch die Laufiß ; die dritte , unter Schwerin,
langte aus Schlesien an. Zur Deckung des König
reichs blieben 17,000 Mann unter dem Fürfen von
Deſſau in Brandenburg , und 20,000 unter dem
Generale Marwig in Oberschlesien . Jene drey Ab-
theilungen stießen den 2ten September im Lager bey
Prag zusammen , dessen Eroberung den Feldzug eröff
nen sollte. Den 10ten wurden die Laufgråben eröff
net , und zwey Tage darauf die Verschanzungen der
Östreicher auf dem Ziekaberg erobert. Der König,
der während des Angriffs persönlich in großer Gefahr
geſchwebt hatte, und an deſſen Seite der tapfere Prinz
Wilhelm getödtet worden war, lobte und belohnte
die Braven. Im Angesichte des Heeres umarmie er
einen von ihnen , der sich besonders ausgezeichnet, er-
hob ihn , unter dem Namen Kraul von Ziskaberg,
in den Adelstand , und machte ihn zum Lieutenant.
Die preußischen Generale überhäuften ihn hierauf
mit Geschenken und Liebkofungen *) . -- Auf das
Thätigste ward die Belagerung der Stadt fortgeseßt,
und dies mit solchem Erfolge , daß der Graf von

*) In einem folchen Benehmen ist mit ein Grund


der vielen Siege Friedrich's zu suchen,
174

Harsch, Commandant von Prag , schon den 16ten


September diese Festung übergab. Die ganze Be
faßung , 12,000 Mann stark , war , zufolge der Ge
dingungen der Capitulation , krieggefangen.
Furcht und Schrecken verbreiteten sich zu Wien
bey der Nachricht von dem Einfalle der Preußen in
Böhmen. Noch hatte man nicht vergessen , wie vor
zwey Jahren Friedrich ſelbſt die Hauptstadt bedroht
hatte , und Alles mußte daher jest schleunigst gerhan
werden , einem ähnlichen oder noch ungünstigeren Er-
eignisse zuvorzukommen. Der Prinz Karl von Loths
ringen , der die Macht der Franzosen bis in das Un-
terelsaß siegreich vor sich hergetrieben, ward, wie
der General Bathiany aus Bayern, zur Deckung Bih-
mens zurückgerufen. Noch einmal , wie in jener uns
glücklichen Lage nach Karl des VI . Tod, wendete sich
Maria Theresia an ihre getreuen Ungarn. Ihr mit
Gut und Blut beyzustehen , verhießen die Abgeord
neten dieser Nation. Vierzigtausend reguláre Trup-
pen wurden sogleich der Königin verwilligt , und ein
Aufgebot für 30,000 unregulåre erlassen. Von allen
Seiten griff das Volk freywillig zu den Waffen , und
bald standen der östreichischen Regierung 100,000
Ungarn zu Gebot. Noch mehr geschah. England
und Sachsen verhießen dem wiener Cabinette thätige
Unterstügung ; das erstere verdoppelte seine Subjic
dien , und das leßtere stellte 22,000 Streiter. Nur
schwach durch die in Unthätigkeit verfunkenen Frans
zofen verfolgt , zog sich Prinz Karl in Bålde gegen
die Preußen heran , denen jezt von allen Seiten Ge-
fahren und Untergang droheten.
,,Durch die Eroberung Prags," fagt Friedrich,
175

war der Feldzug auf eine glänzende Art eröffnet


worden; die Wahl zwischen zwey Unternehmungen
zeigte sich jeßt für das preußische Heer. Die eine,
welche der König vorzog , bestand darin : über die
Beraun zu gehen , Herrn von Bathiany aus Böhmen
zu vertreiben , sich der Stadt Pilsen und des daselbst
für des Prinzen von Lothringen Kriegheer aufgehäuf
ten ansehnlichen Kornvorraths zu bemächtigen , und
dann bis zu den Påssen bey Cham und Fürt vorzu-
dringen, wo den Östreichern von der Oberpfalz her
der Eintrit in Böhmen offen stand. Freylich hätte
der Prinz von Lothringen auf Eger gehen können, wo
die Sachsen zu ihm gestoßen seyn würden , und er
fonnte dann, den Egerfluß entlang , den Weg nehmen,
den (1742) der Marschall von Belleisle bey seinem
Rückzuge von Prag einschlug. Aber wo wåren denn
die Lebensmittel für diese Armee hergekommen ? Das
Fürstenthum Bayreuth war zu unfruchtbar, um etwas
Refern zu können. und überdem , wer würde als.
dann Östreich vertheidigt haben , welches Herr von.
Marwih ganz allein , da er keinen Widerßand vor
fich fand, håtte erobern können ? Ohne Widerrede
war dies also der Plan , den man hätte ausführen
müffen. Allein der Kaiser, der König von Frank
reich , und vorzüglich der Marschall von Belleisle,
bestanden darauf, daß die Preußen ihren Weg nach
der Seite von Tabor , Budweis und Neuhaus rich
ten müßten, um dadurch eine Verbindung mit Bayern
zu erhalten , und dem Prinzen von Lothringen Be-
forgnisse in Ansehung Östreichs zu erregen. Der
Marschall von Belleisle behauptete : daß einzig und
allein, weil man unterlassen, diese Posten zu besehen,
176

alles unglück entsprungen sey , welches die Franzosen


und Bayern im Jahre 1741 betroffen habe. Aber,
was bey gewiſſen Umſtånden gut ist, ist das bey an=
deren eben so vortheilhaft ? Ohne Zweifel waren dieſe
Poften im Jahre 1741 den Verbündeten nothwendig,
weil dieselben damals noch Bayern und selbst Ober-
öftreich besaßen ; allein jeßt , im Jahre 1744 , befan=
den sich in diesen Låndern blos Öftreicher. Außer-
dem verschaffte man dem Feinde leichtes Spiel, indem
man eine Spise so weit hinausrückte, wodurch die
Armee des preußischen Königs von ihren Gränzen
entfernt ward, so daß die Sachsen sich ungehindert
entweder mit dem Prinzen von Lothringen vereinigen
oder gar selbst etwas gegen Prag unternehmen konn
ten. Die klugfte Masregel wäre gewesen , sich nicht
zu weit von Prag zu entfernen ; in dieser Hauptstadt
fowol , als in Pardubiz und anderen Städten , Le=
bensmittel für die Truppen zusammen zu bringen,
und dann des Feindes Ankunft ruhig entgegen zu
sehen. Der König zeigte in diesem Augenblick zu viel
Schwäche ; aus Nachgiebigkeit gegen seine Bundes-
genossen bequemte er sich zu ſehr nach ihren Meinun-
gen ; auch fürchtete er den Vorwurf, wenn er sein
Heer in Prag unbeweglich halte , als ob er auf nichts
anderes bedacht sey , als sich der drey ihm versproche
nen Kreiſe zu versichern. Er unternahm alſo dieſen
unglücklichen Kriegzug , bey deffen Ausführung nicht
weniger Fehler begangen wurden."
Nachdem in Prag Karl dem VII. der Eid der
Treue geleistet worden , rückten die Preußen , mit
Zurücklaffung von nur 6 Bataillonen in jener Feste,
weiter in Böhmen vor. Der ihren Vortrab führende
177

General Naffaut nahm , ohne bedeutenden Widerstand


zu finden , Tabor , Budweis und Frauenberg , und
das Hauptheer verschanzte sich nun bey der ersteren
Stadt nach altrömischer Weise. Doch bald zeigte
es sich, in welche ungünstige Lage man gekommen
war. Ungestört hatten die Franzosen den Prinzen
Karl nach Teutschland zurückkehren lassen, und ihrem
Plane schien es zu entsprechen , alle Mühseligkeiten
und Gefahren des Kriegs allein auf den König von
Preußen zu wälzen. So war es denn gekommen,
daß die östreichische Armee in Böhmen der des Königs
zuerst der Zahl nach gleich , dann ihr sogar überlegen
war , besonders an leichten Truppen. Diese leg.
teren," sagt Friedrich, hielten dergestalt die
Zugänge beseßt , daß sie alle Lieferungen auffingen,
welche das platte Land machen wollte, und alle Ver-
bindungen abschnitten , welche die preußische Armee
unterhalten wollte , so daß dieselbe vier ganze Wo-
chen lang keine Nachricht erhielt , weder wie es in
Prag stand , noch was in dem übrigen Europa vor-
ging. 3wen für den König bestimmte Felleisen wur
den aufgehoben ; und er erfuhr daher nichts , weder
von dem Marsche der Sachsen , noch auch von dem
Orte, wo sich die Armee des Prinzen von Lothringen
aufhalten mochte. Es muß befremdend scheinen, daß
ein so starkes Heer, wie das preußische, nicht das platte
Land in Unterwürfigkeit zu erhalten , und es zu den
nöthigen Lieferungen zu zwingen vermochte, auch über-
haupt sich mit Lebensmitteln nicht versehen , und
nicht Spione in Menge halten konnte, um von der
geringsten Bewegung der Feinde unterrichtet zu seyn.
Allein man muß bedenken , daß in Böhmen der hohe
178

Adel, die Geistlichkeit , und die Beamten dem Hause


Streich sehr zugethan sind ; daß der Unterschied der
Religion in diesem eben so dummen, als abergläub schen
Volk eine unüberwindliche Abneigung gegen die Preuß
sen einflößte, und daß endlich der Hofden Bauern , die
alle Leibeigene sind , befohlen hatte, ihre Hütten bey
Annäherung der Preußen zu verlassen , ihr Getreide
zu vergraben , und sich in die benachbarten Waldun-
gen zu flüchten , wobey ihnen eine Ersehung alles
Schadens war versprochen worden, den sie von preuf-
fischer Seite erleiden möchten. Daher fand die Ar-
mee auf ihren Wegen nichts als Wüsteneyen und
leere Dörfer ; Niemand brachte Lebensmittel zum
Verkauf in's Lager , und der gemeine Mann , der
die äusserst strengen Strafen der Östreicher fürchtete,
ließ sich durch kein Geld bewegen, Nachrichten mit.
zutheilen, die man in Ansehung der Feinde von ihm
begehrte. Diese mißliche Lage vermehrte sich noch
durch ein Corps von 10,000 Husaren, welches die
Östreicher aus Ungarn hatten kommen lassen , und
welches der Armee völlig alle Verbindung abschnitt,
zumal in einem Reiche, daß nur aus Moråsten , Wal-
dern , Felsen , und aus allen in einem Lande nur
möglichen Defileen, besteht. Diese überlegenheit an
leichten Truppen gewährte dem Feinde den Vortheil,
Alles zu erfahren , was im Lager des Königs vorging ;
indeß die Preußen es nicht wagten, Reuter auf Kund-
schaft auszuschicken , wenn sie anders , wegen der
Stärke der feindlichen Rekognofcirer , sie nicht selbst
für verloren geben wollten. So war demnach die Ars
mee des Königs, die stets nach römischer Art verschanzť
stand, aufden Umkreis ihres Lagers eingeschränkt."
179

Ben all' dem riſſen nun noch Mangel an Lebens,


mitteln und Krankheiten unter den Truppen ein, und
um nicht Schlesien der Gefahr auszuſeßen , von den
Feinden überschwemmt zu werden , entschloß sich
Friedrich zum Rückzug aus Böhmen , den er auch,
immer verfolgt von den Östreichern , und unter ab
wechselnden Gefechten , über Königsgråß , Jaromirs
und Trautenau , vollführte.
Zwey Corps aber, von dem Hauptheere getrennt,
schienen ohne Rettung verlore ; jenes des Grafen
von Nassau , und die prager Bejaßung. Die leßtere,
unter dem ungeschickten Einsiedel , dankte ihre Ret
tung bios der eigenen Tapferkeit und dem Talente
der Unterbefehlhaber. Gegen Klima, Mangel, Vep
rath der Wegweiser und seindliche übermacht zugleich
fåmpfend , gelangte dennoch das heldenmüthige Häuf
lein , nach einem Marsche von 20 Tagen voll Müh.
seligkeiten und Gefahren , zum preußischen Haupt-
heer. Auch Nassau rettete sich. Mit großer Geschick.
lichkeit bewirkte er, hinter des Feindes Flügel her,
und begünstigt durch die schönen Bewegungen des
Königs ) , feinen Rückzug , welcher , das Meister-
hafte desselben erkennend und sein Verdienst beloh.
nend , dem braven Generale den von ihm selbst ge
tragenen Adlerorden umhängte.
So hatte sich der Feldzug mit der gänzlichen Wie-
dereroberung Böhmens durch die Östreicher geendigt.

* ,,Friedrich zog das abgeschnittene nassau❜fche


Corps durch die kühne und geschickte Bewegung an
sich , welche er gegen Chlumeh machte , wo er dicht
an der feindlichen Armee Posto faßte." (ô Cahill.)
180

Urtheilen wir aber nicht nach dem Erfolge. ,,Nichts


war beffer entworfen ," sagt 6 Cahill , als der
Operationplan Friedrich's zu diesem Feldzuge....
Wegen allen diesen Thaten , welche ganz klar die
große Thätigkeit und Gegenwart des Geistes zeigen,
verdient der König , troß des Mißlingens seines
Plans, um so mehr ein gerechtes Lob , welches ihm
auch die späteste Nachwelt gewiß nicht versagen wird,
noch kann , als der Feind ihn von Schlesien ganz ab=
zuschneiden vormocht, wenn Palfy beffer manduvrirt,
und Prinz Karl den schönen Plan des großen Traun
des ausgezeichneßten damaligen Generals - beffer
befolgt hatte."
Friedrich selbst sagt : Kein General beging
wol mehr Fehler , als der König in diesem Feldzuge.”
Ferner , nachdem er , streng urtheilend , dieselben
hergezählt: Der ganze Vortheil dieses Feldzugs war
auf Seiten Östreichs. Herr von Traun spielte in
demselben die Rolle des Sertorius , der König die
des Pompejus. Des Herrn von Traun Benehmen
ist ein vollkommenes Muster , welches jeder Krieger,
der seine Kunst liebt , studiren muß , um es nachzu-
ahmen , wenn er dazu die Fähigkeiten besißt. Der
König hat selbst gestanden , daß er diesen Feldzug für
seine Schule in Absicht der Kriegkunſt , und Herrn
von Traun für ſeinen Lehrer angesehen habe. Das
Glück hat oft für Fürsten weit traurigere Folgen, als
die Widerwärtigkeit ; das erstere macht sie trunken
von Eigendünfel , die lehtere ſchafft ihnen Vorsicht
und Bescheidenheit.“ .
Unter abwechselnden Kämpfen verflossen die
nächsten Monate. Die auf verschiedenen Seiten in
181

Schlesien eingedrungenen Östreicher wurden überall


von den Preußen mit bedeutendem Verlusie zurúď.
getrieben. Der König , den Regierunggeschäfte måh
rend des Winters nach Berlin gerufen hatten , langte
in der zweyten Hälfte des Monats März wieder in
Schlesien bey dem Heere an. In allen Richtungen
rückten jezt die Truppen Maria Thereſia's und ihrer
Verbündeten heran. Oberschlesien ward bald `von
ihnen überschwemmt , und die Festung Kosel mittelft
Berrath genommen. Ein mächtiges Heer von Öst-
reichern und Sachsen bildete sich, unter dem Prinzen
von Lothringen und dem Herzoge von Sachsen ፡ Weif
fenfels , bey Königgråß , während man durch Mani-
Feste und Aufrufe das schlesische Volk für die Königin
von Ungarn zu gewinnen und zu empören suchte.
Noch mehr geschah. Sachsen , von dessen Truppen
nunmehr sogar ein Einfall in Brandenburg zu bes
fürchten stand , erneuerte den Vertrag mit Östreich,
und schloß auch , den 18ten May 1745 , zu Leipzig
mit demselben den sogenannten eventuellen Par
tagetraftat , dessen Zweck fein anderer war , als
Genugthuung für das Vergangene und Sicherheit .
für die Zukunft sich zu verschaffen , und endlich dem
Könige von Preußen nicht blos Schlesien , sondern
auch das Herzogthum Magdeburg , den Saalkreis,
feine Besitzungen in der Lausiß und verschiedene an.
dere Theile seines Staats zu entreißen . Die Ges
fahr Friedrich's vergrößernd , wurden die Franzo.
fen und Bayern von ihren Gegnern wieder zurückge-
drångt , und der Churfürst der leßteren Sohn des
mittlerweile verstorbenen Kaisers Karl des VII .
schloß mit Maria Theresia Frieden.
Friedrich d. Einz. 1. 3
182

Doch, was dem Könige an materieller Macht


abging , das erseßte ihm in desto höherem Maße sein.
großes Genie. Dieser Feldzug war es , in welchem
er dasselbe eigentlich zu entwickeln begann , und bald
werden wir, seine glänzenden Thaten zu bewundern,
vielfache Ursache haben.
Durch die kleinen Kämpfe war das preußische
Heer geübt worden. Alle Theile desselben hatten +
sich bey dem Feinde selbst mehr Achtung verschafft.
Sogar die Cavallerie , sonst keinen einzigen kräftigen
Angriff der östreichischen Reiterey auszuhalten ver
mögend , trieb jetzt nicht selten eine doppelt so starke
Zahl Ungarn vor sich her.
Erkennend , daß er, troß der Trefflichkeit seiner
Armee, nicht vermöge , Schlesien vertheidigungweiſe
zu behaupten , entschloß sich Friedrich , eine Haupt.
schlacht zu wagen , und sich so an der Spise aller sei-
ner Truppen unvermuthet auf der Feinde vereinigtes
Heer zu stürzen .
In den ersten Tagen des Juny näherten sich die
beiderseitigen Armeen der Gegend von Schweidnią .
Die Zahl der vereinigten Östreicher und Sachsen wird
·zu 90 - 92,000 , jene der Preußen nur zu 70,000
berechnet . Mit Klugheit wußte der König , beson-
ders durch die einem auf beiden Seiten dienenden
Spione gegebenen falschen Nachrichten , seine Feinde
in dem Wahne zu beſtårkén , er denke nicht auf einen
entscheidenden Kampf, sondern blos auf den Rückzug .
Daher kam es denn , daß, während die Preußen sich
in Stille thätigst zum Kampfe rüsteten , eine sträfliche
Ruhe in dem Lager ihrer Feinde herrschte.
Auf den Vorposten beobachtete der König die
183

Bewegungen seiner Gegner (den 3ten Juny). Er fah,


wie sie, in 8 großen, sich schlängelnden Colonnen,
von den Höhen in die Ebene herabkamen. Der Bo=
den ve barg ihnen die Stellung und Stärke der an=
scheinend auf dem Rückzuge sich befindenden Preußen.
Aber schnell entwickelte sich in dem Könige der Plan
zur Schlacht. Sogleich erhielten die Truppen Be=
fehl, vorzurücken ; um 8 Uhr des Abends seßten sie
sich in Marsch, und nach Mitternacht langten sie an
den Brücken bey Striegau an , wo Friedrich die
Schlachtlinie nach den feindlichen Wachtfeuern bildete.
Den 4ten Juny , um 2 Uhr des Morgens , ver-
fammelt er die Generale und Staboffiziere um sich, und
ertheilt ihnen seine Befehle zur Schlacht. Den nåm-
lichen Zweck hatte er, wie 50 Jahre später Napo=
leon bey Millesimo - die Trennung, und einzelne
Vernichtung der feindlichen Massen . Die Armee sent
sich sogleich in Marsch rechts ," verordnete er , in
zwey Treffen ; sie geht über das Striegauer Waffer.
Die Reiterey stellt sich in Schlachtordnung , dem lin-
fen Flügel der Feinde gerade gegenüber, an der
Seite von Pilgrimshain ; Du Moulin's Corps deckt
ihren rechten Flügel ; der rechte Flügel der Infanterie
stellt sich an den linken der Reiterey, gerade den Ge.
büschen bey Ronstock gegenüber ; die Reiteren des lin=
fen Flügels lehnt sich an den Bach bey Striegau und
behält in der Ferne diese Stadt im Rücken. Zehn
Dragoner und zwanzig Husarenfchwadronen machen.
die Reserve , und stellen sich hinter die Mitte des
zweyten Treffens, um dort , wo man sie nöthig haben
wird , gebraucht zu werden ; hinter jeden Flügel der
Reiterey stellt sich ein Regiment Husaren im dritten
3*
184

Treffen , um da , wo das Terrain ſich ausbreitet, den


Rücken und die Seiten der Cavallerie zu decken, oder
um bey'm Nachseßen zu dienen. Die Reiterey fällt
den Feind ungestüm mit dem Degen in der Faust an ;
sie macht in der Hiße des Gefechts keine Gefangene,
und richtet ihre Hiebe alle nach dem Gesicht; nachdem
fie die Cavallerie, gegen welche sie ihren Angriff ge=
richtet , geworfen und zerstreut hat , kehret sie dann
gegen das feindliche Fußvolk zurück , und nimmt es
entweder in die Seite oder den Rücken , nachdem die
Gelegenheit seyn wird. Die preußische Infanterie
rückt mit großen Schritten gegen den Feind an ; wenn
die Umstände es nur einigermaßen erlauben , dringt
fie mit aufgepflanztem Bajonnet auf denselben ein ;
muß gefeuert werden , so thut he dies nur in einer
Entfernung von 150 Schritten. Wenn die Generale
auf den Flügeln oder vor der Fronte des Feindes ir=
gend ein Dorf- finden , welches derselbe nicht besetzt
haben sollte, so nehmen sie es ein, und umstellen es
von außen mit Infanterie , um sich desselben , wenn
die Umſtånde es gestatten , zu bedienen , dem Feinde
in die Seite zu fallen ; aber sie müssen keine Truppen
weder in die Häuser , noch in die Gärten legen , da-
mit nichts sie aufhalte oder hindere, den überwunde-
nen nachzusehen. “
Jeder eilt auf seinen Posten zurück , und gegen
3 Uhr (des Morgens) seht sich das Heer wieder in
Marsch. Der General Du Moulin war der erste,
welcher auf den Feind stieß ; es war der Vortrab
der Sachsen , die Striegau nehmen sollten. Rasch
schwenkte sich der preuß. General rechts , und sogleich
ließ der König auf einer diese Gegend beherrschenden
185

Anhöhe , dem Topasberge , eine Batterie von sechs


Vierundzwanzigpfündern errichten. Du Moulin, der
durch seine Schwenkung die Feinde überflügelte, hatte
dieselben, sobald er sie ansichtig geworden , mit Ka-
nonenfeuer begrüßt. Erschrocken , in seiner Erwar-
tung , die Preußen blos verfolgen zu dürfen , sich
getäuscht zu sehen , rief der Sachsen Vortrab die
úbrigen Corps zu schleuniger Hilfe. Aber so groß
war die Nachläßigkeit der Verbündeten gewesen , daß
sie nicht einmal das Terrain untersucht hatten, welches
sie durchziehen sollten. Nur mit Mühe passirten
fie eine Schlucht , und ein Theil ihres Geſchüßes blieb
im Moraste stecken. Während sie sich nun unter
dem mörderischen Feuer der Batterie vom Topa berge
mußt es geschehen - zu ordnen suchten , stürzt sich
die preußische Cavallerie dieses Flügels auf die sich-
sische , und wirft sie. Auf das jest entblöste Fuß-
volk des Herzogs von Weißenfels hauen nun die mit
Nationalhaß und Wuth gegen die Sachsen erfüllten
Preußen ein ; ein großer Theil von ihnen wird nie.
dergehauen. Vergebens segten sich ihre Regimenter
noch verschiedene Male von Neuem ; bald von der
Infanterie, bald von der Cavallerie , in der Fronte
und von der Seite abwechselnd angefallen , weichen
ſie, hier dem Bajonnet , dort dem Säbel ihrer Geg-
ner. Sie ergreifen endlich die Flucht, und lassen
all' ihre Regimentstücke zurück.
Schen waren die Sachsen völlig geschlagen,
und noch ruhete gänzlich der Kampf mit den Östrei-
Zu Hausdorf, feinem Hauptquartiere , hörte
ver Prinz Karl den Donner des Geſchüßes aus der
Gegend von Striegau herüber tonen . Sorglos
186

äußerte er sich es würden die Sachsen seyn , die


jenen Ort nähmen. Doch bald erhielt er die uner-
wartete Nachricht , diese befanden sich schon auf der
Flucht. Jeht erst kleidete er sich an , und ertheilte
Befehl zum Aufbruch. In Kurzem begann das Ge-
fecht. Sonne und Wind waren den Östreichern ents
gegen. Mit aufgepflanztem Bajonnet griff die preus
fische Garde die Grenadiere ihrer Gegner an . Mör-
derisch war der Kampf ; doch die Östreicher mußten
weichen. Mit Tapferkeit und Klugheit indessen ver-
theidigten sie sich auf dem durchschnittenen , ihnen
günstigen Boden, und wichen nur Schritt vor Schritt.
Da machte der König eine Wendung mit dem rechten
Flügel, ähnlich jener , durch welche er den Sieg bey
Chotusih entschieden hatte. über Moräfte und Grá
ben sehten die Preußen , die feindliche Flanke zu
erreichen. Unterstüßt durch die, von der Verfolgung
der Sachsen zurückkommende Reiteren des äußersten
rechten Flügels , bringen sie endlich die Östreicher,
nach sechs wiederholten , blutigen Angriffen , zum
Weichen. - Nur die eine Brigade des Generals
Thúngen , aus den besten feindlichen Regimentern
bestehend , leistet noch unerschütterlich Widerstand,
während rechts und links die übrigen Divisionen
weichen. Mörderisch müthet ihr Feuer in den Rei-
hen der Preußen , und schon bemerkt man , daß nicht
mehr mit dem gewöhnlichen Muth ihre Bataillone
zum Angriff eilen. Jest sprengen die 10 Schwa
dronen der bayreuth'schen Dragoner aus den sich off-
nenden Reihen des Fußvolks hervor. Vergebens ver-
suchen die 7 Regimenter (21 Batallione) des Genes
rals Thungen , der Kern des östreichischen Heeres,
187

Widerstand zu leisten ; sie werden umringt , und ent


weder niedergehauen , oder gefangen genommen . -
Gegen 2000 Gefangene , alle Kanonen der Bri
gade, und 66 Fahnen , waren so die Trophäen des
einzigen bayreuth'schen Dragoner-Regiments . Thin-
gen selbst befand sich unter den Todten. Geßler,
Schwerin und Chasot führten die Helden an , welche
diese Helden, nicht besiegen , sondern vernichteten.
Eben so glücklich focht der preußische linke Flú
gel. Zwar war im Anfange des Treffens , als erst
10 Schwadronen , unter General Kiau , über die
Brücke des ftriegauer Baches gesezt , diese Brücke
gebrochen. Aber die Entschloffenheit des preußischen
Befehlhabers , die Tapferkeit seiner Truppen , und
endlich das ſpåte und unordentliche Heranrücken der
öftreichischen Reiterey *) , verschaffte den übrigen
Regimentern Zeit , über das Wasser zu sehen , und
fich jenseits zu ordnen . In der Flanke durch das
Fußvolk unter Polenz beschoffen , und sechsmal nach
einander durch den diesen Flügel befehligenden General

*) Nach den Geſtåndnissen eines dftreich is


schen Veteran's hatte das Treffen schon zwey
Stunden lang gedauert , als die Cavallerie des
Prinzen Karl erst den Befehl zum Aufbruch ers
hielt. Auf dem Heranzuge verhinderten die nicht
beachteten und noch weniger untersuchten Moråſte
und Gråben das schnelle Vorrücken . Viele Schwa:
dronen blieben schon auf dem Hinmarsche stecken ;
andere konnten nur einzeln und auf Nebenwegen
an den Ort ihrer Bestimmung gelangen ; übers
haupt aber kam die Reiterey viel zu spåt , und
nicht in der besten Ordnung an den Feind.
188

Naſſau mit Cavallerie angegriffen , wurden auch hier


Die Truppen Maria Theresia's bestegt.
Auf allen Seiten wich jetzt der Feind. Es war
9 Uhr des Morgens (4ten Juny) ; 5 Stunden lang
hatte der Kampf gedauert. In drey Haufen eilten
die Verbündeten dem Gebirge zu , gedeckt durch die
zu ihrem Glück erschienenen Generale Nadaldy und
Wallis, begünstigt durch das durchschnittene Terrain,
und nicht lebhaft verfolgt durch die zu sehr ermüde-
ten Truppen des Königs.
Diese Schlacht ," sagt Friedrich, war die
dritte, welche geliefert ward, um zu entscheiden, wem
Schlesien angehöre ; und es war nicht die lehte."
„ Wenn die Fürsten um Provinzen ſpielen ;" fährt er,
nur allzuwahr , fort , so find die Unterthanen die
Spielmarken , welche sie bezahlen. " Der Verlust
der Verbündeten (Östreicher und Sachsen) betrug
gegen 4000 Todte , 7136 Gefangene *) (worunter 4
Generale und faſt 200 Offiziere) , 60 Kanonen , 76
Fahnen und 7 Standarten ; jener der Preußen blos
968 und 3775 Verwundete **) .. Von den 64
Bataillonen der lehteren waren nur 27 in das Feuer
gekommen , und kein Corps war zum Weichen ge-
bracht worden.
Die Combinationen Friedrich's zur Schlacht
bey Hohenfriedberg oder Striegau waren ohne Wi-
derrede sehr geschickt. Er verdient das größte Lob
*) Nach der Histoire de mon temps, Cate ó Cahill
gibt die Zahl der Todten , Veißten und Vers
wundeten zu 9000 an.
**) Friedrich , in der Geschichte seiner Zeit , ſpricht
blos von kaum 1800 Todten und Verwundeten.
189

wegen der Wahl seiner Stellung , um die feindliche


Armee bey'm Ausgang aus den engen Gebirgpåſſen
zu erwarten *). Nirgends zeigt uns die Verwen-
dung der Truppen eine genauere Befolgung der
Prinzipien. Wäre das System der großen militári
schen Operationen auf gleicher Höhe mit dem Schlacht,
systeme Friedrich's gewesen der Kampf bey
Friedberg gehört zu seinen schönsten kriegerischen Thas
ten - so war das östreichische Heer gänzlich vernich
tet. In jener Zeit aber kannte man noch nicht eine
folche Benützung des Siegs , wie die war , welche
Napoleon in Anwendung brachte , und noch ver-
fannte man den unermeßlichen Vortheil, welche die leb-
hafte Verfolgung einer geschlagenen Armee bringt **) .
Doch ist auch zu bemerken , daß Friedrich's Trup-
pen sowol durch den Marsch während der ganzen Dauer
der Nacht, als auch durch den, zwar nicht besonders
lange dauernden , aber , wie der König selbst fagt,
aus einer ununterbrochenen Folge von Anstrengungen

*) Wie hier Friedrich , so lockte Napoleon,


ebenfalls unter dem Scheine eines Rückzugs, die
verbündeten Oestreicher und Ruſſen von den Ana
höhen Pragens berab in die Fläche bey Austeri
lig , und wie wichtig dies war , ist unter andern
aus einem Artikel des Moniteur von jener Zeit
zu ersehen, der aus dem franzöſiſchen Hauptquar=
tiere Braunau (28ten März 1806) datixt iſt , und
angeblich, van einem franzöſiſchen Offizier (wahr.
scheinlich auf Befehl des Kaiſers verfaßt) herrüh›
ren soll.
**) HISTOIRE critique et militaire des guerres de
FREDERIC II , comparées au système moderne,
etc. par le Lieutenant - général Jomini.
190

diesmal bestandenen Kampf, ermüdet, und dadurch


wahrscheinlich nicht im Stande waren , ein neues
Treffen mit den eben frisch anlangenden Truppen von
Nadasdy und Wallis zu eröffnen , und dann , nach-
dem zuvor noch Batterien auf den Anhöhen hätten
erstürmt werden müſſen , die zwar besiegten , aber
nicht aufgelösten, Corps der Gegner auf befchwer-
lichen Wegen , über Gebirge , zu verfolgen. Dabey
endlich ist wol zu berücksichtigen , daß die Munition
erschöpft war , und überdies die Lebensmittel von
Schweidniß zum Heere gebracht werden mußten.
Als der König , feine Feinde verfolgend , zu
Landshut eintraf, ward er von einem Haufen von
2000 Bauern umringt , die ihn um Erlaubniß baten,
alles , was in dieser Gegend von Katholiken sey, er
morden zu dürfen. Diese Erbitterung entsprang aus
den harten Verfolgungen , welche die Protestanten
von den Geistlichen während der östreichischen Herr
schaft hatten erdulden müssen , wo man den Luthera
nern die Kirchen genommen hatte , um sie den fgtho-
lischen Priestern zu geben. Der König war weit
davon entfernt, ihnen eine so grausame Erlaubniß
au gestatten. Er sagte ihnen im Gegentheile , fie
müßten sich vielmehr nach den Geboten der heiligen
Schrift richten , müßten ihre Beleidiger segnen und
für ihre Verfolger beten , um das Himmelreich zu
ererben. Die Bauern antworteten , er habe Recht,
und standen von ihrem grausamen Gesuche ab.
Noch schwärmten die ungarischen leichten Trup-
pen in Oberschlesien herum , und spielten dort den
Meister. Da dem Könige von Preußen daran lag,
auch diesen Theit von dem Feinde zu reinigen , so ließ
191

er den General Naſſau mit einem Corps von 12,000


Mann dahin abgehen. Dieser geſchichte und rapfere
Krieger eroberte am 6ten September die Festung
Cosel wieder , und trieb den ganzen Haufen von Un-
garn, Croaten und Sklavoniern nach Mähren zurück.
über Friedland rückte nunmehr der König in
Böhmen ein , und nahm ein Lager bey Kralowelhota.
Prinz Karl hatte das feinige hinter Königsgråß , an
dem Ufer der Adler , genommen , und zwar so vor-
theilhaft , daß er jene Stadt im Angesicht , und im
Rücken und auf den Seiten Gehölze , Moråßte und
Berge behielt. So standen sich beide Feldherren
eine Zeitlang gegenüber, ohne daß etwas merkwür
diges vorfiel. Die Friedenunterhandlungen , welche
um diese Zeit Großbritannien zwischen Östreich und
Preußen zu betreiben anfing , scheinen mit Ursache
dieses ruhigen Benehmens beider Heere gewesen
zu seyn.
In der letten Hälfte des July 1745 verließ der
König sein Lager, seßte über die Elbe , und lagerte
ſich von Neuem bey Chlom , ſo daß er nur 2 Stunden
von seinem Gegner entfernt war. Dieſer Nähe un-
geachtet kam es dennoch zu keiner Schlacht. Prinz
Karl befolgte seinen alten Plan ; er ließ den König
durch seine leichten Völker beunruhigen , die er in
großer Anzahl besaß , und ihm die Zufuhr erschweren.
Dadurch hoffte er ihn ohne Schwertstreich abermals
aus Böhmen zu vertreiben. Nachdem er ansehnliche
Verstärkungen an sich gezogen hatte , fezte er über die
Adler, und nahm bey Aujest ein vortheilhaftes Lager.
Der König that ein Gleiches bey Jaromirs.
Lehterer hatte, weil er zur Beschügung seiner
192

Länder nach allen Seiten Truppen senden mußte, sein


Heer in Böhmien so sehr vermindert , daß es kaum
noch 20,000 Köpfe ſtark war. › In Schleſien ſtand
der General von Nassau , und an den Gränzen von
Sachsen der Fürst von Anhalt-Dessau , mit ansehn
lichen Corps. Auch mußte er , um den Rücken der
böhmischen Armee und die für sie bestimmte Zufuhr
zu decken , beständig starke Detaschements bereit hal-
ten. Dadurch schmolz seine Armee sehr zusammen.
Zwar hatten die Sachsen das Heer des Prinzen ver
lassen , um ihr Vaterland zu schüßen ; aber ersteres
Blieb darum doch um mehr als die Hälfte dem preußi,
schen überlegen.
Der König blieb bis zur lezten Hälfte des Sep.
tember in dem Lager bey Jaromirs ; da aber ein
allgemeiner Mangel an Lebensmitteln einriß , die
schlecht zu werden anfingen , und fein haltbarer Ort
in seinen Hånden war , so brach er auf, und ging
nach Studeneß , wo er von Neuem ein Lager bezog.
Prinz Karl folgte ihm , und lagerte sich , kaum einen.
Marsch von ihm , bey Königshof. Er hatte einen
Anschlag auf das Heer des Königs , den er ſchleunigst
auszuführen suchte, und von dem ihm alle Umstände
einen glücklichen Ausgang versprachen. Die Armee
des Königs hatte bey ihrer Schwäche noch eine un.
bequeme Stellung hinter Anhöhen und Wäldern, die
den Gegner vor ihr verbargen ; fie mußte um jedes
Mittagsmahl mit ihm kämpfen , und deshalb ihre
Macht in kleine Haufen vertheilen ; ein Gewimmel von
leichten Truppen , die bald hier , bald dort die Vor-
poften neckten und angriffen , schwärmte beständig um
ſie her, forschte sie aus ; hielt sie aber ab, den Gegner
193

auszuforschen. Alle diese Umstände brachten den


Prinzen auf den Entschluß , die widrige Lage des Kö
nigs zu benüßen, und ihn ohne Auſſchub anzugreifen.
Er brach also den 29ten September auf, und
ließ sein Lager ſammt seinem ganzen Gepäcke ſiehen.
Unter Begünstigung der vor ihm liegenden Wälder
und Anhöhen , und der hereinb.echenden Nahr , zog
er gegen das preußische Lager heran , beseßte die An-
höhen, welche es beherrschten , dehnte seinen linken
Flügel bie hinter Burkersdorf, und seinen rechten
bis an Teutsch-Prausnih aus , deckte beide mit star-
ken Batterien von Kanonen und Haubißen , und
pflanzte långs feiner ganzen Fronte eine große Menge
von Feldstücken auf. Eine furchtbare Stellung für
das preußische Heer ! Es mußte , wenn es sich ver-
theidigen wollte , unter des Feindes Kanonen und
unter dem Feuer feines linken Flügels , das ein Theil
feines Mittelpunkts noch verheerender machte , here
vortreten und sich in Ordnung stellen. Zudem waren
Nadasdy und Trenk beordert , dem König in den
Rücken zu fallen ; Desoffy sollte ihn in der Seite an
greifen , und Frankini war abgesandt , den Weg nach
Schazlar zu verhauen , und den Preußen dadurch
Unterstützung und Rückzug abzuschneiden .
Der König erfuhr schon den 29ten früh durch
einen Überläufer , daß Prinz Karl sein Heer in Be-
wegung fehte. Er schickte einen Haufen Reiter und
Fußvolk ab , um ihn zu beobachten ; aber die leichten.
Truppen des Feindes hielten alle Aus- und Zugånge
stark beseßt, und es war fonach unmöglich, seinen
Plan zu erforschen. Gefangene sagten aus , Prinz
Karl fey Willens, nach Arnau zu marschiren. Sogleich
Friedrich d. Einz, I.
194

ließ der König das Lager abbrechen , um die Folgen


dieses Zuges , der ihm den Weg nach Schazlar abge=
schnitten , und ihn in eine enge Gegend eingeschlossen
hatte , mit Nachdruck abzuwenden. Schon war den
30ten früh Morgens der Befehl zum Abzuge nach
Trautenau an alle Befehlhaber ausgetheilt , als die
Vorposten dem Könige berichteten , sie sähen öftreichi-
sche Reiter und Fußsoldaten auf den Anhöhen vor
Teutsch-Prausnig heranrücken. Diese Nachricht be
stätigte sich bald darauf, und ward von der zweyten,
daß das ganze östreichische Heer in vielen Colonnen
herb enziehe , unmittelbar begleitet.
Es war 4 Uhr des Morgens. - Der König,
eben beschäftigt , die Anordnungen für den Rückzug
au diktiren , ließ beym Empfange dieser Nachricht die
ganze Armee augenblicklich zu den Waffen greifen,
und eilte selbst zu den Vorposter, um sich von der
wirklichen Lage der Dinge zu überzeugen. Er sah,
wie sich die Streicher in Schlachtordnung zu stellen
begannen , und urtheilte , daß es weit gefährlicher
seyn würde , sich in Gegenwart einer so nahe vor ihm
stehenden Armee durch die Defileen zurückzuziehen,
als jenes Heer, ungeachtet seiner eigenen , fo ganz
unglaublich geringeren Stärke, anzugreifen. Der
Prinz von Lothringen hatte ganz sicher auf den Rüc
zug des Königs gerechnet, und nur darnach seine
Maaßregeln genommen ; er wollte alsdann mit dem
Nachtrupp ein Treffen beginnen , und ohne Zweifel
würde ihm dies sehr wol gelungen seyn. Aber der
König entschloß sich ohne Bedenken zum Angriff ; denn
es war bey weitem ehrenvoller, gänzlich zu Grunde
gerichtet zu werden , indem man sein Leben theuer
195

verkaufte , als auf einem Rückzug umzukommen , der


ficherlich in eine schimpfliche Flucht ausgeartet wåre.
Die Trommeln wirbelten und die Trompeten
schmetterten also durch des Königs Lager , und Fuß-
foldat und Reiter drängten sich , von den feindlichen
Haubigen umbrüllt , zur Schlacht. Der rechte Flú-
gel der Reiterey war der erste zu Pferd , und zog sich
rechts. An sie schloß sich der Fußsoldat , und bildete
mit ihr einen halben Zirkel , dessen äußerste Rundung
gegen den Feind gerichtet war, um ihm die Seite nicht.
blos zu geben. Sobald sie den Ort, der zum Angriff
der gelegenste war , erreicht hatte, seßte sich die
Reiterey. 15 Schwadronen prellten hervor , über.
wanden die Schwierigkeiten des unebenen , durch
schnittenen Bodens, sprengten die Anhöhe hinan , die
der feindliche Reiter befeht hielt , und warfen ſich auf
ihn mit einer Geschwindigkeit und Wuth , daß er,
der 25 *) Schwadronen in drey Linien stark war,
wankie und wich. Seine erstle Linie ward beym ersten
Anfall zerrissen und geworfen. Der preußische Reiter
verfolgte sie, und jagte sie in die zweyte Linie ; diefe
ward dadurch in Unordnung gebracht und mit fortge
riffen , die dritte ebenmäßig , und so sprengte das
Ganze in höchster Verwirrung davon. Einige Schra
dronen wurden sogar mitten unter das Fußvolk ge
trieben , und verursachten dadurch unter demselben
eine Verwirrung , die zum glücklichen Ausgange der
Schlacht nicht wenig beytrug.
Der Heldenmuth der Reiter feuerte die preußi

Nach der Histoire de mon temps 50 Schwaz


dronen.
196

schen Fußfoldaten zur Nacheiferung an . Drey Ba


taillone Grenadiere bestürmten die große Batterie, die
von einem vierfach ſtärkeren Feind beſchüßt wurde,
und ein fürchterliches Feuer aus ihren 28 Geſchüß³
ſtücken unterhielt. Sie stürzten heran ; aber ein
Hagel von Kartatschen und Flintenkugeln schlug fie
zurück ; sie stürzten zum zweytenmal heran , und wur- -
den abermals zurückgetrieben. Ganze Rotten wurden
von den feindlichen Kugem zu Boden geriffen . Unters
dessen eilte eine Verstärkung herzu. Plöglich thaten
sie den dritten Angriff, und die Batterie war erobert.
Nun fielen ſie der ersten Linie des Feindes in die
Seite, und jagten seinen ganzen linken -Flügel von
der Anhöhe heṛab.
Aues dieses that der rechte Flügel des Königs.
Den Mittelzug und den linken Flügel feines Heeres
hatte er forgfältig geschont , und für den Fall , wenn
der rechte Flügel geschlagen würde , haushälterisch
aufgespart. Da dies nicht mehr zu besorgen war , fo
fehte er auch diese nach und nach in Bewegung. Aber
fie fanden einen gefaßten Feind vor sich , der mit ihnen
um jede Spanne Erdreich kämpfte. Jedes Gehölz,
jede Anhöhe war mit einem doppelt stärkeren Haufen
besetzt, und hatten sie diesen vertrieben , so waren sie
mitten unter dem Feuer eines frischen Haufens. Doch
dies fachte den Muth des Brandenburgers, fart ihn
zu unterdrücken , nur desto stärker an. Er reinigte
mitten in dem gráßlichsten Ungewitter von Kartätschen
und Flintenkugeln jedes Gehölz , jede Anhöhe vom
Feinde, stellte sich an seine Statt , und stürzte endlich
mit aufgepflanztem Bajonnet in seine Reihen. Sie
wurden zerriffen und zum Weigen gebracht.
197

um endlich dem Gefechte den Ausschlag zu geben,


fprengte der König den linken Flügel seiner Reiterey,
nachdem er ihn mit einigen Schwadronen des rech
ten verstärkt hatte , gegen den feindlichen Reiter.
Aber dieser , der die Seinigen auf allen Seiten ge=
schlagen sah, und einen Widerstand nicht für möglich
oder für nüßlich hielt, nahm die Flucht , und suchte
feine Sicherheit. Statt seiner fand die preußische
Reiterey zwey östreichische Infanterie- Regimenter, die
im Begriff waren , fich regelmäßig zurückzuziehen.
Auf diese stürzte sie sich, warf sie über den Haufen,
und nahm ihnen 8 Fahnen und 300 Gefangene ab.
Mittlerweile hatten Nadasdy, Desoffy , Trenk
und Frankini, statt dem König in den Rücken zu fal-
len , das Gepack der Preußen geplündert. Als man
dem Monarchen meldete , daß auch seine Equipage
von ihnen genommen werde , sagte er lächelnd : ,,Da
werden sie keine große Meinung von meinem Staate
und meiner Pracht bekommen !// Doch ward Gene-
ral Lehwald gegen diese Ungarn abgesendet , die, mit
ihrer Beute beladen , schnellen Zuges , wie sie gekom-
men waren , jeßt entflohen.
Somit endigte sich die Schlacht. Der öftreichi
sche rechte Flügel war dem linken haufenweise nach
gefolgt, welcher schon lange vorher entflohen war ;
die preußische Reiterey seßte dem Feind bis zum
Dorfe Sorr nach von welchem diese merkwürdige
Schlacht den Namen in der Geschichte führt. Die
Geißteegegenwart des Königs , die bey der plöhlichen
überraschung im Angesicht und unter dem Feuer eines
Doppelt stärkeren Feindes , der zur Unternehmung ge-
faßt war, die kraftigsten und passendsten Maaßregeln
198

su nehmen wußte , und die unerschütterliche Stand-


haftigkeit des Soldaten , der seine Entwürfe mit
Gehorsam und unerschrockenheit unterſtüßte , gewan-
nen diese Schlacht. Der Zufall , welcher oft in dem
Kriege Alles entscheidet , hatte bey diesem Siege
nichts gethan , und deshalb ist er um so rühmlicher.-
Gegen 3000 Todte , worunter ungefähr 1000 Preuß-
sen , bedeckten die Wahlstatt. Die Öftreicher hatten
außerdem 22 Kanonen , 12 Fahnen und Standarten,
und 2000 Gefangene verloren, und zählten über 3000
Verwundete. - Die Preußen hatten den Sieg , anfs
fer jenen Todten , mit 2000 Verwundeten , 6 Kano-
nen und 1 Standarte erkauft. Nebstdem war mit
einem Theil ihres Lagers die Kriegkaffe verloren ge-
gangen , welche 80,000 Dukaten enthielt. -- Die
Stärke des bey Sorr kämpfenden preußischen Heeres
betrug, nach 6 Cahill, ohne die Arrieregarde 19,323
Mann; die Zahl der Östreicher dagegen wird zu
ungefähr 40,000 angegeben.
Der König außert sich in seiner Geschichte jener
Zeit: Der Plan dieser Schlacht , er mag nun vom
Prinzen von Lothringen, oder von Frankini , welchem
Andere ihn zuschreiben , entworfen seyn , war schön.
und richtig gedacht. Die Stellung der Preußen war,
ohne Widerrede , schlecht ; und sie sind nicht zu ent»
fchuldigen, daß sie nur auf ihre Fronte bedacht waren,
und ihren rechten Flügel vernachläßigten, der in einer
Ebene ftand, welche von einer nur 1000 Schritte
Davon entfernten Anhöhe beherrscht ward. Aber wenn
die Öftreicher einen Plan zu entwerfen wußten , fo
besaßen sie hingegen nicht die Geschicklichkeit, ihn
auszuführen.
199

Diese Schlacht ist ohne Widerrede eine der


ruhmvollsten für Friedrich. Blickt man auf den
Plan, so wird man sehen , daß die Anordnungen zur
Schlacht ungefähr dieselbe ſchråge Richtung bestimm-
-ten , wie bey Leuthen , und für den rechten Flügel,
wie bey Hohenfriedberg , eine Anstellung en éche-
lons (d. i. in kleinen , gleich weit von einander ents
fernten Abtheilungen , so daß der rechte Flügel der
zweyten, den linken der ersten berührt 2c. , wornach
das vordere Treffen sich in das Gefecht einläßt , und,
nach Ort und Umſtånden, von den anderen unterſtüßt
wird). Er führte seinen verstärkten rechten Flügel
gegen den äußersten linken der Gegner , während der
eigene linke, ihm vorenthalten , den Rest des feind-
lichen Heeres im Schach hielt. Die öftreichische Linie,
bey ihrer äußersten Seitenspiße angegriffen , wurde
nach und nach ganz geschlagen , wie bey Liffa , und der
Ort Burkersdorf hatte verhältnißmäßig die nämliche
Wichtigkeit , wie Leuthen * ."
Wenn gleich Sieger , so zog sich dennoch Fried-
rich, nach einem fünftägigen Aufenthalt auf dem
Schlachtfelde, sowol um sich den Neckereyen der un-
garischen Truppen zu entziehen, als auch des Man-
gels an Lebensmitteln wegen , aus Böhmen nach
Schlesien zurück. Der eintretende Winter seßte den
Unternehmungen im Feld ein Ziel , und ein tiefer
Schnee, der in den Gebirgen gefallen war , hatte die
Wege schon längst beschwerlich gemacht. In der
Mitte des October kam das preußische Heer nach
Schlesien, und ward solchergestalt verlegt, daß die
Reiterey in der Ebene von Striegau und Schweid-
*) Jomini a, a. D.
200

nig , und die Infanterie am Fuße des schlesischen


Gebirges das Quartier bezog. Nach vier Wochen
verließ der König Schlesien , und ging nach Berlin,
wo seine Gegenwart nothwendig geworden war, sowol
um die in Stockung gekommenen Unterhandlungen
wieder zu beleben , als auch , um für den nächsten
Feldzug, falls der Friede nicht zu Stande komme,
die nöthigen Gelder auszumitteln .
Der Prinz Karl gab sich nun den Schein , als
wolle er im Innern von Böhmen und Mähren die
Winterquartiere beziehen. Aber er ließ diese Nac-
richt zu laut und zu geftisfentlich ausstreuen , als daß
nicht in Friedrich der Verdacht entstanden seyn
ſollte, er ſuche ihn dadurch nur sicher zu machen . Und
in der That , das Vorrücken eines beträchtlichen öft-
reichischen Corps gegen Böhmisch 3 Friesland , das
Nachrücken ver Hauptarmee theils auf eben diesem
Wege , theils über Zittau ; die Errichtung einiger
Magazine in ter Ober- und Niederlausit , und , was
vollends am auffallendsten war , das Erscheinen eines
öftreichischen Heeres von 10,000 Mann , welches vom
Rhein her über das Voigtland hereinrückte, alle
diese Umstände lehrten bald, daß es dem Prinzen L
Karl um etwas anderes zu thun sen , als um Winter-
quartiere. Der Plan war, den König von Preußen
mit Anfang des Winters auf vier Seiten zugleich an-
zugreifen. Der Prinz von Lothringen wollte daher
mit der Hauptarmee durch die Laufiß nach Sagan
und Crossen gehen ; der General Grün war beſtimmt,
in Vereinigung mit einem Corps Sachſen in die Chur-
mark einzudringen , und gerade auf die Hauptstadt
Berlin loszugehen ; die sächsische Hauptarmee sollte
201

das Heer des Fürsten von Dessau , welches bey Halle


stand , entweder einzeln in feinen Quartieren über.
fallen , oder zu einem Treffen nöthigen , und die Ge-
nerale Hohenembs und Keul fellten zu gleicher Zeit
aus Böhmen und Mähren in Schlesien einbrechen.-
In Wahrheit, ein schöner Plan , dem nichts fehlte,
als daß er nicht geheim genug gehalten , und nicht
schnell genug ausgeführt wurde !
Der schwedische Minister am Hofe zu Dresden,
Herr Wolfenstierna , der bey dem sächsischen Minister,
Grafen von Brühl , beliebt , und eines von den Mite
gliedern der Spielpartie desselben war , entdeckte ben.
dieser Gelegenheit bald , was man vorhabe , und
theilte seine Entdeckung dem schwediſchen Miniſter
am berliner Hofe , Herrn von Rudenskiöld , mit.
Beide waren dem Könige von Preußen persönlich ers
geben , so wie damals der schwedische Hof überhaupt
fest wolwollende Gefinnungen für Preußen hatte. Ru-
denskiöld trug also kein Bedenken, den König insgeheim
von dem Plane zu unterrichten *) , und dieser traf sos
gleich die nöthigen Anstalten , um zuvorzukommen.
Hierauf eilte der König , den 14ten November,
nach Schlesien , Berlin in Bestürzung und die Sach
fen voll Hoffnung laffend , während ganz Europa mit
Aufmerksamkeit die Entwickelung dieses Winterfeld-
zugs erwartete , der einen bisher glücklichen Erobe
rer retten , oder , was fast wahrscheinlicher schien,
ihn vernichten sollte. Mit seiner gewöhnlichen , be
wundernswerthen Ruhe und Heiterkeit. speiste unser
Held am Abende vor seiner Abreise nochmals mit

* Histoire de mon temps,


202

seiner Mutter , Gemahlin und den übrigen Gliedern


der königlichen Familie. Seinen Minister Podewils
umarmte er beym Abschied mit den Worten : „ Adieu,
wein lieber Graf! Nehme Er Alles wol in Acht, und
wenn mir ein Unglück begegnen sollte, so gedenk Er,
daß Er einen guten Freund verliert.“ Die dro
hende Miene der Russen war es vorzüglich , was
Viele eben so muthlos machte, als das , Berlin ſelbſt
bedrohende , östreichisch - sächsische Heer. - Um dieſe
Hauptstadt zu sichern , war zwar Alles geschehen , was
die zu Gebote stehenden Mittel erlaubten ; aber ihre
Unbedeutenheit machte , daß man nicht vor dem Un-
glücke sicher seyn konnte. Daher wurden zugleich
Maasregeln ergriffen, um nöthigen Falls die Archive,
die öffentlichen Kaffen , die königliche Familie und
die Landeskollegien , nach Stettin zu retten.
Nachdem Friedrich die Postirungen zur Ar
mee gezogen , und die Gebirge, durch die aus Ober
schlesien beorderten Truppen des Generals Nassau,
hatte besehen lassen , ging er in der größten Ge-
schwindigkeit , eh' es die Gegner im Geringsten ver-
muthet hatten , den 23ten November 1745 , bey
Naumburg über die Queiß , und drang in die Ober
Laufig ein , wo die Östreicher bereits drey Tage zuvor
eingerückt waren , und sich hierauf in die Cantoni-
rungsquartiere vertheilt hatten. Das erste Gefecht
erfolgte bey Hennersdorf , wo die Preußen 4 sächs
fische Regimenter über den Haufen warfen , und auf
serdem, daß sie eine beträchtliche Zahl von Mann-
schaft (gegen 1000 ) gefangen nahmen , einen Theil
ihrer Kanonen , Fahnen und Standarten eroberten .
Die preußische Hauptarmee rückte hierauf ohne allen
203

Aufenthalt gegen Görlig vor ; und nun erfolgte,


*was Niemand sich jemals würde vorgestellt haben , die
öftreichische Armee, anstatt dem ungleich schwächeren
Feinde die Spise zu bieten , gab , nachdem sie sich
susammengezogen hatten , Görlig nebst der darin be
findlichen sächsischen Garnison von 300 Mann den-
ſelben preis , und zog sich in der größten Eile und
Unordnung über Zittau und Gabel in die bihmischen
Gebirge zurück. Die Folge war , daß die ganze Lau
fig , nebst zwey beträchtlichen Magazinen , in die
Hånde der Preußen fiel.
Von der Lausig richtete Friedrich feinen Marſch
nach Sachsen. Gegen den Churfürften dieses Landes
war er, wegen dessen Verbindung mit dem wiener
Hofe , besonders heftig erbittert , und er hatte den
selben bereits im Auguft den Krieg förmlich erklärt.
Nur die bald hierauf geschloffene hannover'sche Con-
vention , und die Hoffnung , der Churfürst werde
derselben beytreten , hatten seinen bewaffneten Arm
noch zurückgehalten. Noch jest machte er den Ver-
fuch, ihm durch den zu Dresden befindlichen engli
schen Gesandten Vielliers einen Frieden auf den Fuß
dieser Convention anbieten zu lassen. Allein der über
seinen Herrn Alles vermögende Graf von Brühl war
zu sehr von dem Schwindel eitler Hoffnungen ergrif
fen , als daß ein solcher Antrag Eingang bey ihm
håtte finden können . Im Ton einer damals wirklich
lächerlichen Zuversicht that er zülcßt die Erklärung,
sein Herr, der König von Polen und Churfürst von
Sachsen , erwarte ein beträchtliches Hilfcorps , und
werde sich den Schaden , den die Preußen in Sachsen
anrichteten , wol im Brandenburg'schen zu vergüten
204

wissen. Friedrich sah sich daher genöthigt , den


Frieden mit den Waffen in der Hand zu erkämpfen.
Der Fürst von Dessau , der bereits den 29ten
November in Sachſen eingerückt war , Leipzig beſeßt,
und Torgau nebst einem beträchtlichen Mazazin wegs
genommen hatte , rückte auf Befehl des Königs bis
Meissen herauf, und bemächtigte sich am 12ten Des
cember dieser Stadt , wie auch der dort befindlichen
Brücke über die Elbe, wodurch er sich die Communi-
kation mit der königlichen Armee verschaffte. Fried-
rich näherte sich über Königsbrück gleichfalls der
Elbe, und der General Lehwald hatte Befehl , mit
feinem Corps , welches gleichsam den Vortrab des
Königs ausmachte , zu dem Fürsten von Dessau zu
stoken. Dadurch suchte man sich gegen einen Angriff
von Seite des Prinzen Karl und der Sachſen in hin,
längliche Verfassung zu sehen. Nachdem die Vereis
nigung glücklich bewirkt war; rückte der Fürst den,
zwischen Kesselsdorf und Bennerich verstanzten,
Sachsen entgegen , mit dem festen Vorsaße , sie anzu-
greifen. Auf dem Marsche wurde er zwar von den
Sachsen in den engen Wegen vor dem Dorfe Zehren
unvermuthet überfallen , und büßte einige Manns
schaft nebst einem beträchtlichen Theile des Gepäckes
der Offiziere ein . Auch fand er die Feinde bey Kef-
selsdorf in einer ungemein vortheilhaften , beynah'
unbezwinglichen Stellung. Deffen ungeachtet griff
er den 15ten December 1745 , Nachmittags gegen
2 Uhr, den linken Flügel , obwol derselbe, wegen der.
Vortheile des Terrains und wegen der Menge des
Geschüßes , am schwersten zu besiegen war , mit uner-
schüttertem Muth an. Dieses that er, um sich des
205

Dorfes Kesselsdorf zu bemächtigen , und eben dadurch


Meister von der feindlichen Flanke zu werden. Ein
mörderisches Feuer von 30 Kanonen und 7 Grena³ \
dier-Bataillons trieb anfänglich die Preußen zweymal
zurück. Aber eben dieser glückliche Anfang gereichte
dem Feinde zum Verderben. Zu sicher gemacht durch
diese Vortheile, rückten die sächsischen und öftreichi,
schen Grenadier-Bataillons aus ihrem vortheilhaften
Posten hervor , um die Preußen noch weiter zurück-
zutreiben , vielleicht auch , um ihre Feldstücke zu er-
beuten ; diesen Umstand benüßte der Fürst von Deſſau
augenblicklich , und seine Dragoner mußten mit ver-
hängtem Zügel auf fie einhauen . Die Sachsen wur-
den im Rücken überfallen , und die Preußen drangen,
mit ihnen untermengt , in das Dorf Kesselsdorf ein,
deffen sie sich nach einem entsehlichen Blutbade be
mächtigten. Als der linke Flügel der Sachſen in den
Rücken und in die Flanken genommen, und völlig ge
flagen war , geriethen auch das Centrum und der
rechte Flügel , auf welche nun die Preußen ihre An
griffe richteten , bald in völlige Unordnung. Auch
die Östreicher , von denen außer den in Keffelsdorf
postirten Grenadieren feiner in's Treffen gekommen
war, zogen sich nun gleichfalls zurück. Auffallend ist
es , daß der Prinz von Lothringen an eben demselben
Tage mit einem Theile feiner Armee bey Dresden
ankam , und nicht einen einzigen Mann abſandte, um
die sächsische Armee, in Beziehung auf ein so wich
tiges Unternehmen , zu verstärken. Er stellte sich in
dem plauischen Grund in Schlachtordnung , und sah
dem Treffen von weitem zu. Am folgenden Tage ging
er nach der Gränze von Böhmen zurück.
Friedrich d. Ging, II. 5
206

Der Sieg hatte nicht nur den Sachsen , sondern


auch dem Könige von Preußen sehr viele Mannschaft
gefoftet; aber er verschaffte auch diesem lehteren den
Frieden , oder zog ihn wenigstens schneller herbey.
Der englische Miniſter Villiers hatte es indeſſen doch
dahin gebracht, daß der König von Polen ſich endlich
zur Schließung eines Friedens geneigt finden ließ,
und seinen Ministern zu Dresden die nöthigen In
struktionen und Vollmachten zu senden versprach.
Auch Maria Theresia hatte sich inzwischen bereitwillig
erklärt , die hannover'ſche Convention unter gewiſſen
Einschränkungen anzunehmen. Der preußische Staat-
minister, Graf von Podewils , mußte ſich daher nach
Dresden begeben , um dieses Geschäft zu besorgen.
Wirklich langten auch die Vollmachten,für die fächsi
ſchen Minister , von Bülow und von Stubenberg , in
kurzer Zeit an , worauf sich auch der Graf von Har:
rach, als Friedengesandter von Seite Öüreichs , zu
Dresden einfand.
Mittlerweile war der König in Dresden , an
der Spize seines Heeres , eingerückt. Er besuchte
die in Furcht schwebende königliche Familie , und er-
wies ihr alle , ihrem Stande angemessene , Ehre.
Sogar die Schloßwache unterwarf er ihren Befehlen.
Dem entfernten Churfürsten aber , dem er es nicht
verzeihen konnte, daß er Dresden verlassen hatte,
ließ er durch den englischen Gesandten erklären :
Zum leztenmale biete ich dem Könige von Polen
meine Freundschaft an. Ich bin nicht durch mein
Glück verblendet , und bleibe bey dem Entſchluſſe,
den Frieden dem Kriege vorzuziehen. Aber eher
werd' ich mit meiner Armee untergehen , als ich von
207

der hannover'schen Convention abgehe. Nach dieser


will ich auch den Frieden mit der Königin von Ungarn
unterzeichnen. Wo nicht , ſo werd' ich berechtigt seyn,
meine Forderungen zu erhöhen."
Die sächsische Nation , wenn gleich von National-
haß gegen die Preußen erfüllt , mußte dieselben den
noch gewissermaßen als seine Retter betrachten. Denn
die Freunde hatten dem Lande mehr Leid zugefügt,
als ihm jeßt seine Feinde veranlaßten . Während noch
Die von den Östreichern in der Oberlausitz ange;ún=
deten Flammen rauchten, und die Bewohner der Ebe
nen und Thåler ber Dresden den Verlust ihrer Hab.
feligkeiten beweinten , deren sie durch die Truppen
des Prinzen Karl beraubt worden waren , befahl der
König , den Armen in der eroberten feindlichen Haupt-
stadt 18 000 Brode auszutheilen , und den gefange=
nen Offizieren ließ er einen zweymonatlichen Sold
auszahlen, und schenkte ihnen später die Freyheit *).
Der König hatte im Auguft mit Großbritan
nien die hannover'sche Convention geschlossen, welche
die Grundlage des fünftigen Friedens werden sollte.

*) FolgenderZug scheint zur Charakteristik jener Zeit


zu gehören. Als Churfurst August der UI. in seine
Hauptstadt zurückgekehrt war , beklagte er , nicht
des Landes Bedrängniß und Noth , sondern den
Verlust eines Hirsches von 10 Enden , den ein
preußischer Hauptmann erlegt hatte. Da der bes
trübte Monarch des Thåters Bestrafung verlangte,
so ließ ihn Friedrich vor ein Krieggericht stel-
len, welches denselben, da er keinen Kriegartikel
übertreten , zur Bezahlung des Hirsches verurs
theilte. -
— Sachſen nahm diese Genugthuung an.
208

Die Hauptbedingungen derselben waren folgende :


Der König sollte Schlesien nebst Glah auf den Fuß
des breslauer Friedens behalten , und dagegen dem
Erzherzog Franz , Gemahl der Maria Theresia , bey
der bevorstehenden Kaiserwahl seine Stimme geben.
Sachsen sollte allen Ansprüchen auf Schlesien entſagen.
Großbritannien , als Churfürst von Braunschweig-
Lüneburg , Polen, als Churfürst von Sachsen, Hessen-
kaffel und Churpfalz , follten in den Frieden mit ein
geschlossen seyn . -- Als Maria Theresia sich weigerte,
dieser Convention beyzutreten , hörte Großbritannien
auf, feine Hilfgelder zu bezahlen , aber dieses hatte
so wenig Eindruck auf sie gemacht , daß ſie den Krieg
um so eifriger fortseßte, und um so fester sich vor-
nahm , Schlesien zu erobern , und dann dem Könige
Geseze vorzuschreiben. Als aber dieser die Schlacht
bey Sorr, die ihn ganz aufreiben sollte, so unbezwei=
felt gewann; als er das öftreichische Hauptheer , das
ihn in seinen eigenen Provinzen aufreiben sollte , mit
Verlust zurücktrieb, als er bey Kesselsdorf einen neuen,
blutigen Sieg errang , und Dresden in Beſih nahm,
so entschloß sich Maria Theresia endlich zum Frie-
den, und in kurzer Zeit kam er , auf die hannover-
sche Convention gebaut , den 25ten December 1745
zu Stande. -- Die Beytretung der Königin von
Ungarn zu dem hannöver'schen Vertrage war weiter
nichts , als eine bloße Erneuerung des breslauer
Friedenschlusses. Die Sachsen versprachen , niemals
den Feinden des Königs , unter welchem Vorwande
es auch seyn möchte , den Durchmarsch durch ihr
Land zu gestatten. Der fürstenberger Zoll follte
gegen einiges Land pon gleichem Werthe vertauscht
209

werden. Der König von Polen verbürgte die Bezah


lung einer Million Kriegsteuer, zu welcher das Chur-
fürstenthum sich anheischig gemacht hatte, und entsagte
in dem nämlichen Artikel aller Schadloshaltung der
Kriegkosten. Dagegen versprach der König von Preuf-
fen, vom Tage der Unterzeichnung an , alle Kriegs
schahungen einzustellen , und seine Truppen ohne Ver-
zug aus Sachsen abzuführen ; Meissen allein ausge.
nommen , wo das preußische Feldlazareth war, was
auch, bis zur Heilung der Verwundeten , bewilligt
wurde.
" Auf diese Art endigte fich also dieser zweyte
Krieg , welcher in allem 16 Monate gedauert hatte;
der von beiden Seiten mit der äußersten Erbitterung
geführt ward, in welchem die Sachsen ihren ganzen
Haß gegen die Preußen , und ihren Neid über die
Vergrößerung dieses benachbarten Staates , blicken
ließen ; in welchem die Öftreicher für das Reich und
für ihr übergewicht bey den Reichangelegenheiten foch
ten, bey welchen sie den zu großen Einfluß der Ruſſen
befürchteten, und wo Preußen allen drohenden Ge
fahren, denen es ausgeseßt war , durch die Krieg
zucht und den Heldenmuth seiner Truppen befiegte.
Dieser Krieg bewirkte keine jener großen Staatum-
wälzungen, welche das Schicksal der Reiche umån-
dern, sondern er hinderte vielmehr dergleichen Er-
schütterungen, indem er den Prinzen von Lothringen
awang, Elsaß zu verlassen. Der Tod Karl des VII.
war eine von den Begebenheiten , welche man nicht
voraussehen kann. Er vereitelte den Entwurf, dem
neuen Haus Östreich die Kaiſerwürde auf immer zu
entreißen. Schäßt man demnach die Sachen, nach
210

ihrem wahren Werthe , so muß man gestehen , daß


dieser Krieg in gewiffer Rücksicht ein unnüges Blut-
vergießen verursachte , und daß eine Reihe von Siegen
zu weiter nichts diente , als Preußen in dem Besige
von Schlesien zu bestätigen. Betrachten wir aber
diesen Krieg in Rücksicht auf die Vergrößerung oder
Verminderung der Macht der kriegführenden Fürsten,
fo finden wir, daß er den Preußen acht Millionen
Thaler fostete, und daß bey Unterzeichnung des Frie-
dens 15,000 Thaler ihre einzige Hilfquelle zur Fort
fehung des Krieges waren. Die Preußen nahmen in
diesen beiden Feldzugen ihren Feinden 45,666 Ge
fangene ab, wogegen sie nur 4440 verloren. Ober-
fchlesien , und einige an Böhmen grånzende Gegenden
Niederschlesiens , als der hirschberger , der striegauer
und der landshuter Kreis , litten am meisten in die-
fem Kriege; aber dies find Schäden , die eine gute
Staatverwaltung leicht wieder erseht. Böhmen und
Sachsen empfanden gleichen Nachtheit von dem Auf-
enthalt großer Armeen ; doch war in diesen Lán-
dern nichts gänzlich zu Grunde gerichtet. Die Kō-
nigin von Ungarn mußte ihren ganzen Kredit aufbie-
ten , um sich Hilfsmittel zur Fortseßung des Kriegs zu
verschaffen. Von England erhielt sie zwar Subfi-
dien ; aber diese waren nicht hinreichend , fie für die
Summen schadlos zu halten, welche die Operationen .
ihrer Armeen in Flandern , am Rhein , in Italien, in
Böhmen und Sachsen ihr kosteren. Dem Könige von
Pelen kostete der Krieg über 5 Mill. Thlr. Er bezahlte
feine Schulden mit Papier, und machte noch neues Pa-
piergeld dazu ; denn Brühl verstand sich recht darauf,
feinen Herrn nach der Kunft zu Grund zu richten."
Vierter Abschnitt.

Des Königs Regierung während des Friedens. ❤dime Er


wendet Alles an, feine Staaten blühend zu machen.—
Justizreform. Veränderungen im Kriegweſen 2c. 20.
(Vom Januar 1746 bis zum Auguſt 1756.)

Der König, in Berlin wieder anlangend , traf


Alles in Freude, und mit den Zurüstungen zur Frie
denfeyer beschäftigt. Überall leuchtete Zufriedenheit
und Vergnügen hervor, und der Monarch nahm daran
großen Antheil. Aber dieses Vergnügen wurde durch
die Nachricht gestört , daß ſein ehmaliger Lehrer , der
alte geheime Rath du Han de Jandun , sterben wolle,
und er war darüber äußerst betrübt. An eben dem
Tage war Berlin aufs Prächtigste erleuchtet , als der
König beschloß, seinem geliebten du Han, den er stets
hochgeschäßt hatte, das lehte Lebewohl zu sagen. --
Dieser Mann wohnte auf dem Werder in einer engen
Gaffe , welche ganz erleuchtet , und durch die Menge
brennender Lampen so voll Dunst war , daß der Ster:
bende in Gefahr kam , zu ersticken. Der König fuhr
gegen Abend , in Geſellſchaft des Herzogs von Braune
schweig und seiner Brüder , dahin , traf du Han sehr
`ſchwach an , und sagte zu ihm : „ Mein lieber du Han,
212

mein Schmerz ist sehr groß, Sie in dieser Lage zu


sehen. Wollte Gott , ich könnte etwas zu Ihrer
Wiederherstellung und zur Linderung Ihrer Krank
beit beytragen. Sie würden sehen , wie viel Ihnen
meine Dankbarkeit mit Freuden aufopfern würde.“
Du Han antwortete mit schwacher Stimme : „Es ift
der größte Troft für mich , Ew. Majestät noch ein.
mal gesehen zu haben. Ich hoffe nun , leichter ster-
ben zu können ; denn es ist aus mit mir." Hierauf
griff er nach einer von des Königs Hånden , um sie
zu küssen. Aber Friedrich riß sich los , warf du
Han einen Kuß zu , und eilte mit den Worten aus
dem Zimmer: Mein Gott , das kann ich nicht länger
ertragen !" Der Tod dieses redlichen Freundes
mußte dem König um so nåher gehen , als ihm seit
Kurzem auch Kaiserling und Jordan durch den Tod
entrissen worden waren . --- Bald darauf ward auch
der von Friedrich geliebte Graf von Rothenburg
(Generallieutenant) von einer tödtlichen Krankheit
ergriffen. Oft faß der König Stunden lang vor sei
nem Bette , und als er die Nachricht von seinem
Hinscheiden erhielt , lief er aus dem Schloffe , uns
eingedenf, daß er nur halb angekleidet sey , über die
Straße nach des Generals Wohnung , und ließ ihm
eine Ader öffnen , wozu er selbst den Teller hielt. Als
er sah, daß Alles vergeblich war , begab er sich weis
nend und traurig hinweg , und man behauptet fogar,
er sey einige Tage lang allein in seinen Zimmern
geblieben.
Gleich die ersten Monate dés Friedens benüßte
Friedrich, um in feinen Staaten so viele Wohls
thaten zu verbreiten , als ihm die durch den Krieg
213

beschränkten Mittel erlaubten. ---- Der Staatminiſter


Graf von Münchow mußte den ganzen Schaden in
Schlesien aufnehmen , und schon im May ( 1746 ) er-
hielten die Unterthanen aus den königlichen Kassen
die baare Vergütung für die bezahlten Brandschahun-
gen , Kriegsteuern und alle sonstigen Verluste an Pfer-
den , Getreide sc. Zum Aufbaue der abgebrannten
Stadt Schmiedeberg wurden Gelder angewiesen, und
der Bau der Vorstädte von Neiffe eifrig betrieben.
Der Theuerung im schlesischen Gebirge abzuhelfen,
ließ der König Getreide aus anderen Gegenden her.
beyschaffen , und hier zu den niedrigsten Preisen ver
kaufen. In Berlin ward ein großes Invaliden-
haus erbaut; man schaffte die so verabscheuungwürdige
Kirchenbuße ab *) , und da der König die allzuftrenge
Bestrafung und damit verbundene Beschimpfung der
fleischlichen Vergehen als Ursache des häufigen Kins
dermords betrachtete , so milderte er die erstere , und
hob die lettere ganz auf.

*) Wahrlich ! Nicht nach Verdienst ist Friedrich


wegen seiner Beschränkung, oder vielmehr Zernich
tung, des Pfaffendespotismus geschäßt worden. "J
Gehört wol Kirchenbuße 2c. zu
......Der freundlichen,
,,Der milden , gütigen Religion,
" Die uns Europa preist ?
(Friedrich's Worte in der Epistel über die
Freyheit ; an den Lord Baltimore.)
Wenn wir Kirchenbuße als mit den Lehren des
Christenthums (leider nur allzuoft mit Pfaff=
thum verwechselt ! ) für übereinstimmend halten,
so können wir ſelbſt der Spanier fürchterliche Auto
214

-Doch, was Friedrich während der auf den


dresdener Friedenschluß folgenden zehnjährigen Wa
fenruhe zum Besten seines Landes that , bezeichnet er
in einem kurzen Abrisse , den er ſeiner Geschichte
des siebenjährigen Kriegs voraussendete. ―
Unserem Plane getreu , den großen König da ſelbſt
redend anzuführen , wo es die Sache erlaubt, um
unseren Lesern zugleich Gelegenheit zu geben , ihn als
Denker und Schriftsteller zu beurtheilen , laffen wir
hier diese übersicht seiner wohlthätigen Regierung in
den Jahren 1746 bis 1756 wörtlich folgen , unſere
Bemerkungen in den Noten beyfügend.
Der Friede, welchen Europa genoß , gestattete
allen Mächten, ihre Aufmerksamkeit auf das Innere
ihrer Staaten zu wenden. Der König machte den
Anfang mit der Verbeſſerung der Mißbräuche , welche
fich in die allgemeine Staatordnung eingeschlichen
hatten. Vermittelst neuer Anlagen arbeitete er an der
Vermehrung seiner Staateinkünfte ; er bemühte sich,
die Kriegzucht wieder auf festen Fuß einzurichten, die
Feftungen zu vervollkommnen , und für sein Heer
Vorräthe von allen den Arten Waffen und nöthigen
Kriegbedürfnissen anzuschaffen , welche im Krieg in ſo
ungeheuerer Menge verbraucht werden.
Die unter der vorigen Regierung schlecht ver-

da Fe's nur als Schårfung einer an sich gerechs


ten Strafe, nicht als Barbarey, betrachten.
Ist das erstere zugestanten , so werden die geiſt:
lichen Tribunale ( !!) , furchtbar um ſich grei.
fend wie immer , schneller , als man es ahner , eine
ungemessene und schreckliche Macht sich zu verschaf.
fen wiſſen !
215

waltete Rechtpflege , welche sehr ungerecht geworden


war , verdiente eine vorzügliche Sorgfalt und Auf-
merksamkeit. Man hatte sich angewöhnt, den Ge.
ſeßen mit Liſt auszuweichen . Die Sachwalter tries
ben ein schändliches Gewerbe mit Treu und Glauben ;
man brauchte nur reich zu seyn , um seine Rechtsache
zu gewinnen , und arm , um sie zu verlieren . Diese
Mißbräuche wurden von Tag zu Tag drückender, und
erforderten deshalb nothwendig eine Verbesserung,
sowol hinsichtlich der Richter, Anwälte und Sach-
walter , als auch der Gefeße selbst , welche man deut-
lich machen , und hauptsächlich von jenen Förmlichkei
ten reinigen mußte, die eigentlich nichts zur Sache
thun , und nur den Gang der Prozesse verlängern.
Diese Arbeit übertrug der König seinem Großkanzler
von Cocceji , einen Manne von unbescholtenem und
biederem Charakter , dessen Tugend und Rechtschaf=
fenheit der schönen Tage des römischen Freystaats
würdig waren ; seiner Gelehrsamkeit und Aufklärung
nach schien er zur Gefeßgebung , wie ein zweyter Tri-
bonian , und zum Glücke der Menschen, geboren zu
feyn. Dieser einſichtvolle Rechtgelehrte unterzog
ſich mit solchem Eifer dieſem mühsamen und schwie-
rigen Geschäfte , daß , nach einem Jahre unabläßiger
Arbeit, die obersten Gerichthöfe von allen Personen
gereinigt waren , welche sie entehṛt harten , und mit
tugendhaften Magistratgliedern befeht wurden. Das
neue Gesezbuch für alle Lande der preußischen Herr-
schaft war vollendet , und nachdem die Landstände
dasselbe genehmigt hatten , wurden diese Geseze be-
kannt gemacht. Man erstreckte seine Vorsorge auch
bis auf die Zukunft; und , da die Erfahrung in allen
216

menschlichen Dingen lehrt , daß die besten Einrich


tungen von ihrem Werthe verlieren oder ganz unnúg
werden , wenn man die Augen davon abwender , und
wenn man nicht diejenigen , welche sie beobachten
sollen , zu den ersten Grundsäßen zurückbringt , auf
welchen jene Einrichtungen gegründet wurden , fo
ward festgeseht, daß alle drey Jahre eine allgemeine
Untersuchung der oberen Gerichthöfe angestellt werde,
um die Beobachtung der neuen Gefeße aufrecht zu
erhalten, und diejenigen Justizbeamten zu bestrafen,
welche sich Ungerechtigkeiten würden haben zu Schul-
den kommen lassen. Diese bey der Rechtpflege ein:
geführte neue Ordnung befestigte das Glück der Bür-
ger , indem es das Vermögen eines jeden Hausstandes
sicherte; forthin konnte Jeder unter dem Schuße der
Gefeße in Frieden leben, welche allein herrschten *).
*) ,,Gleich nach seinem Regierungantrit übernahm
Friedrich alle Pflichten und Geschäfte eines grof.
sen Regenten, und ſeine durchdringenden Einsichten
gaben auch gleich allen ſehenden Beobachtern zu
erkennen, daß er etwas mehr sey, als ein bloßer
Soldat. Eifrig und weit hatte man unter der
Regierung seines Vaters die fiskaliſchen Ansprüche
getrieben ; er tingegen gab sogleich das bekannte
Possessionsedikt. Nach diesem Edikt war Feder,
der von dem Augenblicke seines Regierungantritts,
also nur von 1740, bewies , er sey im Befih der
Gerechtigkeiten und Regalien eines Grundstücks
gewesen , gegen alle Ansprüche des Fiscus , der
Kriegs und Domånenkammern , Steuerråthe und
dergl. gesichert. Ein größeres und beſſer ausge
dachtes Geschenk håtte dieser große Regent , nach
der damaligen Lage der Dinge, seinem Volte nicht
machen können.
217

So sehr auch der verstorbene König sich bemüht


hatte, die Staateinkünfte zu ordnen und wol ein.
zurichten , so hatte er doch nicht Ales thun können.
Er hatte weder die Zeit , noch die Mittel , ein so
großes Werk zu vollenden ; und es blieb, um dasselbe

,,Friedrich dachte sodann auf die Verbeſſerung


der Justiz. Was er zuerst angriff, war der intes
ressanteste Theil für die Menschheit , die Criminal,
gefeße. Er verbot gleich alle Tortur. Die alten
Rechtgelehrten erschracken über diese Neuerung ,
und glaubten, nach Abschaffung der Daumschraube
seven alle Wege zur Wahrheit verschlossen. Man
unterließ keine Art von Vorstellung gegen dieſe,
den preußischen Juristen an Herz und Eingeweiden
wühlende, Reuerung. Man schrie, daß gewiß alle
Diebbanden aus ganz Teutſchland sich nach den
preußischen Staaten ziehen werden , sobald allge=
mein bekannt sey, daß man in dieſen Staaten die
Tortur abgeschafft habe, denn die Tortur fürchteten
die Diebe mehr, als den Tod. Soviel verwilligte
• der König doch hierauf, daß die Tortur nicht durch
ein ordentliches Edikt und Proclama abgeschafft
werden solle , aber alle hohen und niedern Gerichte
erhielten die strengsten Befehle , sich niemals der
Tortur zu bedienen. Nimmer wollte der König
zugeben, daß man diejenigen, welche einen rechts
lichen Verdacht gegen sich haben, und dennoch die
That läugnen , durch die Tortur zum Bekenntnis
bringe. Über fürchterlich groß blieb dennoch bey
einigen preußischen Richtern der Hang für die alte
Gewohnheit und die liebe Tortur. Dieses schönen
Hilfmittels zur Entdeckung der Wahrheit konnten
fich diese eingeschränkten Köpfe nicht enthalten z
denn sie liehen aus der Militärprocedur die alte
russische Methode, etwas hart beschuldigte Delin-
Friedrich d. Einz, II, 6
218

zur Vollkommenheit zu erheben , noch unermeßlich .


viel übrig ; viel in Absicht der Urbarmachung von
Låndereyen , viel zur Errichtung von Manufakturen,
viel zur Ausbreitung des Handels , viel zur Aufmun-
quenten mit kleinen Stöcken bis auf's Blut zu
prügeln. Friedrich ertheilte über das ſchårfſte
Verbot auch gegen diese Barbaren eingeschränkter
Juristenköpfe. Niemand wird einen Fall angeħen
können, in welchem nach dem Jahre 1743 , auch
schon zuvor, ein einziger Menſch in den preußischen
Staaten die ordentliche Tortur erlitten habe. ”
(Zimmermann.)
Der König zeichnet mit eben der Hand , mit
welcher er Schlachten gewonnen hatte, den ersten
Plan zur Verbesserung des Juſtizweſens vor, nach
welchem alle Rechtstreite in einem Jahre durch drey
Instanzen ohne große Kosten abgethan werden foll,
ten. Es wurden die Eigenſchaften und Pflichten
der Präsidenten, Räthe und Advokaten auseinander
gefeßt, die Prokuratoren `abgeschafft , die Fiskal:
prozesse unter huldreicher Bestimmunz der Rechte
der Oterherrschafft und Unterthanſchaft einges
schränkt ; welches in einem besonderen Befehl an's
Generaldirektorium noch mehr eingeſchärft wurde,
und dahin ging , daß die Privatpersonen , und be
sonders der Udel, auf keine Weise mit fiskaliſchen
Prozessen gequålt, und auf den Fall sie sich in dem
Besihe von Gütern und Gerechtigkeiten befånden,
von den Kammern auf keine Weise darin geftört,
noch in Anspruch genommen werden ſollten." Man
stellt übrigens dem neuen Justizplane den Nugen
der Vergleichversuche vor , ſihi den Sachwalters
Gebühren Grenzen , und erkennt die Nothwendig
teit einer Sportelkasse , macht einen Unterschied
zwischen den mündlichen Vörtrågen zur Inſtruktion
des Prozesses und den Memorialen, gibt die beste
219

terung der Betriebsamkeit. Die ersten Regierung.


jahre des Königs wurden dem Kriege gewidmet, und
er konnte seine Aufmerksamkeit nicht eher auf das
Innere seiner Staaten wenden , als nachdem er die
Methode zum Dekretiren und zur Canzeyausfer-
tigung : verstattet die Rechtmittel ohne Apellation,
eide und andere Förmlichkeiten , erneuert das Ver,
bot der Aktenversendung zum auswärtigen Spruch,
und segt unabånderlich die Vollendung des Pro,
zesses in drev Instanzen fest , ordnet Justizvisitas
tionen an, und gibt über einzelne Theile des recht:
lichen Beifahrens Vorschriften. Man war bemüht,
die wirksamsten Mitte: anzuwenden , der Rechts.
pflege eine gehörige Richtung zu geben , ihr Ge.
wißheit, Einförmigkeit und Fertigkeit zu verschaf-
fen , Nebensachen und überflüßige Förmlichkeiten
abzuschneiden , der Chikane ihre Schlupfwinkel zu
versperren , Unwissenheit und Gewinnsucht mit ih
ren schädlichen Folgen zu verbannen , überhaupt
eine zweckmäßige Verfahrungart nach zuverläßigen
Regeln zu bestimmen. Indessen wurde das Juftizs
geschäft besonders lebhaft durch eine Privatfaktion
betrieben und befördert , die aus Unzufriedenheit
gegen die arnim'sche Partey entstanden war. Der
Hof Revisionrath von Jarriges stand mit dem
Cabinetrath Eichel, der Alles bey'm Könige vers
mochte, in großem Verständnisse , und ward durch
die häufigen Spöttereyen an der arnim’ſchen Tafel
über den ehmals verunglückten cocceji'schen Justizs
verbesserungplan , und durch andere zrendeutigen
Anmerkungen über seine Geschicklichkeit , gereizt
wo: den, welches verursachte, daß Cocceji mit feis
nen Vorstellungen , daß alle Justizbeamten und
Collegien nichts taugten, uns durch eine gånzliche
Veränderung verbeſſert werden müßten, beom Kds
nige großen Eingang fand . Der König ertheilte
6 .
220

Ruhe von außen gesichert hatte. Längst der Oder,


von Swinemünde an bis nach Cúſtrin , waren große
Moräfte, die vielleicht von jeher unangebaut gewesen

ihm eine unumschränkte Gewalt, das Justizwesen


nach Gutdunken einzurichten, und verbot, in derley
Angelegenheiten sich an ihn in's Cabinet zu wens
den. Man befahl, binnen 6 Monaten alle alten
Prozesse und Akten zu beendigen und zu schließen.
Nun arbeiteten Präsidenten und Räthe, Gerichts
Personen und Advokaten ganz unermüdet auf Hoff.
nung größer Beförderungen , Versorgungen und
Geldbelohnungen, die ihnen unter der Hand zuge,
sichert waren, und dem Justizminister Georg Dets
ley von Arnim , der dem Strome sich noch etwas
entgegen stemmte , wußte man durch wiederholte
Hofrescripte, daß er die Prozesse beschleunigen und
die neuen Justizverordnungen in Erfüllung bringen
sollte, allen Berdruß zu machen. Die neue Ein-
richtung konnte um so mehr ihren Fortgang ges
winnen , als die Tribunal- und Kammergericht=
Råthe, die ehmals nur bis 400 Thlr. Besoldung
hatten , nunmehr 800 bis 1000 Thlr. erhielten.
Allein das Land war daben wenig gebessert und
erleichtert. Denn, um die Besoldungerhöhung her-
auszubringen, hatte man eine neue Steuer, unter
dem Namen der Justizgelder, eingeführt, die Spors
teln erhöht, und durch die schriftliche Behandlung
und den stärkeren Gebrauch des Stempelpapiers
die Prozesse vertheuert. Auf Befehl des Königs
fing man an dem friedrich'schen Cader zu ar-
beiten an, worin über das Rechtverfahren die uns
geheuere Menge der ohne Wahl und Ordnung ge-
sammelten und in vielen Bånden zerstreuten Ges
sege, die Richter und Sachwalter oft nicht kannten,
und noch häufiger nicht kennen wollten, în kurze
221

waren. Man entwarf den Plan , diese Gegend ur


bar zu machen. Von Cüstrin bis Wriezen ward ein
Kanal gezogen , der das Waſſer aus diesen fumpfigen
Ländereyen ableitete , in welchen nun 2000 Familien

Såge verfaßt , in einen vernünftigen Zusammen.


hang und in gewisse Ordnung gebracht werden
follten , um die Stelle eines neuen Corpus juris
zu vertreten , das sich auf Vernunft und Landes-
gefeße gründen sollte. Pommern war die Provinz,
wo man den Unfang mit der Justizverbesserung und
mit Verfertigung des neuen Gesezbuchs machte.
Der Großkanzler ging im Januar 1747 dahin,
um die nöthigen Anstalten zu treffen , und ste
eine Commission nieder , die aus einzelnen Räthen
von den fåinmtlichen Oberlandes - Juſtizkollegien
bestand, und durch seine eifrige Betriebsamkeit in
kurzer Zeit 2400 alten, und alle in den ersten 3
Monaten anhängig gemachten, neuen Rechthändel
fchlichtete. Zugleich ward ein neues Pupillenkols
legium angeordnet. Der König ließ mit dieſer
neuen Einrichtung beym Oberappellationgericht zu
Berlin und in der Churmark fortfahren, Das
Hof und Kammergericht wurde in zwey Senate,
einer für die erste und der andere für die übrigen
Instanzen, abgetheilt, und dadurch in 3 Monaten
die Hälfte der alten Prozesse abgethan. " So
F. E. I. Fischer. Gewiß ist, daß, wenn auch
nach dieser Justizwesen : Veränderung noch unend-
lich Bieles zu wünschen blieb, dennoch dadurch ein
großer Schritt vorwärts gethan wurde. -
Friedrich's edles Bestreben ist nicht zu verken :
nen ; und vergeſſen darf nicht werden , daß, was
im neunzehnten Jahrhundert in diefer Beziehung
das Beste ist, dies in der ersten Hälfte des acht
zehnten wol keinen Falls gewesen seyn würde.
222

Wohnplähe erhielten. Mit diesen Anlagen fuhr man


von Schwedt bis jenseits Stettin fort, und 1200
Familien fanden daselbst ein gemächliches und reich-
liches Auskommen ; so entstand eine neue , fleine
Provinz, welche die Betriebsamkeit der Unwiffenheit
und der Faulheit abzwang. Die Wollenmanufakturen
waren schon ziemlich beträchtlich, doch fehlte es ihnen
noch an Spinnern ; man ließ deren aus fremden Lån-
dern femmen, und errichtete verschiedene Dörfer
von solchen Spinnern , deren jedes aus 200 Familien
bestand. Im Herzogthum Magdeburg war es eine
Gewohnheit von undenklichen Zeiten her , daß die
Bewohner des sächsischen Voigtlandes dorthin famen,
um bey der Ärnte zu helfen, worauf sie wieder in
ihre Heimath zurückkehrten. Der König gab diesen
Voigtländern Wohnpläge in dem Herzogthum , und
fehte auf diese Art eine große Menge dieser Auslån,
der in seinen Staaten an. Durch die verschiedenen,
eben erzählten Verfügungen erhielt das Land wih-
rend diefes Friedens einen Zuwachs von 280 neuen
Dörfern. Die Sorgfalt für das platte Land ver
minderte nicht die Aufmerksamkeit auf die Städie.
Der König baute eine neue Stadt an der Swine,
von welcher sie ihren Namen hat , und legte hier zu
gleicher Zeit einen Hafen an , Namens Swinemünde,
am Ausfluß der Oder , indem der Kanal tiefer aus-
gegraben, und das Becken des Hafens gereinigt ward.
Die Stadt Stettin gewann dabey den Zoll , welchen
ſie vordem den Schweden bey der Durchſahrt durch
die Peene bey Wolgast bezahlen mußte ; welches viel
beytrug, ihren Handel blühender zu machen , und
welches Ausländer dahin zog. In allen Städten
223

wurden neue Manufakturen errichtet ; die von reichen


Stoffen und Sammet fanden ihren Plaß in Berlin,
welches ihnen am angemessensten war ; die leichten
Sammete und glatten Zeuge wurden ´in Potsdam
gearbeitet; Splittgerber lieferte allen Provinzen den
Zucker, den er in Berlin ſieden ließ. Eine Manu-
faktur von Barchent brachte die Stadt Brandenburg
in Flor. Zu Frankfurt an der Oder ward russisches
Leder (Juchten) gearbeitet ; in Berlin , Magdeburg
und Poredam seidene Strümpfe und feidene Tücher.
Die wegel'sche Manufaktur (von leichten wollenen
Zeugen) vermehrte sich um das Doppelte. Zur An-
pflanzung der Maulbeerbäume wurden alle Provin
zen ermuntert; die bey dem Kirchendienst angestellten
Personen gaben den Pflanzern das Beyspiel , und
lehrten dieses schäßbare Insekt erziehen , welches
ursprünglich aus Indien kömmt , und deſſen Geſpinft
die Seide ift. In den Gegenden , wo sich Holz im
überfluß fand , welches die Entfernung von Flüssen
abzusehen hinderte, legte man Eisenhütten an , welde
in Kurzem für die Festungen und für die Bedürfnisse
der Armee eiserne Kanonen , Kugeln und Bomben
lieferten. Im Fürstenthum Minden und in der
Grafschaft Mark entdeckte man neue Salzquellen,
welche gefotten wurden. Das halle'sche Salzwerk
verbesserte man durch Anlegung von Gebäuden, wo-
durch bey dem Gradiren der Sohle Holz erspart wird.
Kurz, in der Hauptstadt und in den Provinzen ward
die Betriebsamkeit ermuntert. Der König stellte
Das Stapelrecht wieder her , welches die Sachsen
der Stadt Magdeburg streitig gemacht hatten ; und
vermittelst einiger auf den Grenzen angelegten Zölle
224

hob sich der Handel der preußischen Provinzen bey-


nah zum Gleichgewicht mit dem sächsischen. Die
emdener Handiunggeſellſchaft errichtete einen beträct-
lichen Handel nach China. Durch Verminderung
der Abgaben von den ausgeführten Gütern in Stettin,
Königsberg und Colberg stiegen die Einkünfte von
den Zöllen doppelt so hoch. Die Folge dieser ver-
schiedenen Finanzunternehmungen war : daß , die
Einkünfte von Schlesien und von Ostfriesland unge-
rechnet , und ohne daß der König seinen Unterthanen
einen Heller neuer Abgaben auflegte , die Einkünfte
der Krene im Jahre 1756 um 1,200,000 Thaler
mehr betrugen , und daß die Menge der Einwohner
in allen Provinzen , einer vorgenommenen Zählung
zufolge, sich auf 5 Millionen belief. Da es aufge=
macht ist , daß in der Anzahl der Unterthanen der
Reichthum der Staaten besteht , so konnte sich damals ,
Preußen für doppelt so mächtig halten , als es ruter
den lezten Jahren Friedrich Wilheim's , des Königs
Vater, gewesen war *).

") ,,Den Scharfblick und das durchdringende Xuge


des jungen Königs in Finanzsachen beweisen auf
eine auffallende Art zwer , gleich nach seinem Res
gierungantrit ertheilten, Inſtruktionen. Die erste
hielt man im Anfang sehr geheim , und es ward
den Ministern, Pråſidenten und Nåthen auf ihren
Eid verboten, dieselbe bekannt zu machen ; Kenner
geben ihr das Lob der höchsten Vortrefflichkeit. Nur
zwey Punkte habe ich davon in Erfahrung bringen
können. Erstlich erklärte der König , daß er alle
mit Ungerechtigkeit verbundene Vermehrung feiner
Einnahme verfluche, und darum ben feiner größten
Ungnade verbiete, dergleichen jemals vorzuschlagen.
225

,,Die Finanzen und die Justiz erschöpften nicht


die ganze Aufmerksamkeit des Königs ; das Krieg-
wesen , dieses Werkzeug zur Ehre und zur Erhaltung
der Staaten , ward nicht verabsäumt. Der König
richtete auf dasselbe ein wachsames Auge , damit die
Mannzucht und der Gehorsam in jeder Provinz streng
aufrecht erhalten würden. Die Truppen versammel
ten sich regelmäßig alle Jahre in Friedenlagern , wo
man sie zu großen Evolutionen und Manduvern ab-
richtete. Das Fußvolk übte sich in verschiedenen Auf
wickelungen, Stellungen , Angriffen in der Ebene,
Angriffen von Standörtern , Vertheidigung von Dór
fern und Verschanzungen , Übergängen über Flüsse,
verstellten Márfchen mit umgekehrten Colonnen, Rück
zügen , und , mit einem Wort, in allen den Bewe-
gungen und Schwenkungen , welche man vor dem
Feinde zu machen hat. Die Reiterey übte sich in den
verschiedenen Arten geschlossener und getrennter An=
griffe, im Kundschaften und Besichtigen, im trockenen
und grünen Fouragiren , in mancherley Stellungen,

Zweytens hat er verordnet, daß wenn sich zwischen


dem Fiscus und einer jeden Privatperson ein Pros
zeß erbebe , worin die Forderung zweifelhaften
Rechts erscheine , so sollen allemal die Kammern
nachgeben und der Klage entfagen, weil der Gegens
ftand oft für einen Privatmann groß genug sey, um
ſeine Glückumſtånde zu verändern , und dies hinges
gen bey den königl . Kaffen keinen großen Unterschied
mache. Die zweyte Instruktion war für das Genes
raldirektorium des Krieg und Finanzwesens. Kens
ner halten auch diese für ein Meiſterſtück. ”
(3immermann.)
226

und im Faffen der Gesichtpunkte nach vorgeschriebe


nen Richtungen. Man erhöhte bey einigen Regis
mentern, deren Cantone sehr volkreich waren , die
Anzahl der überzähligen auf 36 oder wenigstens auf
24 Mann in jeder Compagnie ; ungeachtet keine neue
Werbung angestellt ward , so schaffte doch die Menge
diefer überzähligen eine Vermehrung von 10,000
Streitern. Alle Bataillone und alle Cavallerie - Re-
gimenter hatten an ihrer Spize alte Berehlhaber,
versuchte Offiziere , voll Tapferkeit und Verdienst *).

*) ,,Alte Befehlhaber, versuchte Offiziere" Hier


irrt sich Friedrich . Nicht Alter , nicht Vers
suchtheit , machen den Feldherrn. Es ist im
Gegentheile zu beweisen , daß die größten militás
rischen Thaten durch junge Männer , voll Kraft
und Kühnheit, vollführt wurden. Gelduguet kann
nicht werden, daß hier die jugendliche Thätigkeit
meistens mehr vermag, als das ångstliche Festhalten
an den, fast immer nur bedingungweiſe richtigen,
Regeln. Alexander , Hannibal , Scipio , Cåſar ;
dann die Neueren , Friedrich selbst , und die
Menge von Generalen aus den Zeiten der fran,
zösischen Revolution , erwarben sich unstreitig ents
weder blos in den jüngeren Jahren, oder doch wes
nigstens hauptsächlich in denselben , ihren großen
Feldherrnruhm . „ Wir werden auch einmal auf,
hören uns zu schlagen, " antwortete Napoleon
dem verwundeten Generale Rapp, wenn wir achts
zig Jahre alt seyn werden . " Hierdurch gibt der
französische Kaiſer deutlich genug zu verstehen, daß
auch der lebhaftefte, feurisßte Geist, verbunden mit
dem kräftigſten Willen , dennoch von den Bestim
mungen der phyſiſchen Natur niedergebeugt werde.
Epaminondas war vielleicht der Einzige, von
227

Das Corps der Capitaine bestand aus erfahrenen,


gefeßten und braven Männern. Die Subaltern=
Offiziere waren ausgesucht ; mehre derselben besaßen
viel Fähigkeit , und verdienten zu höheren Stellen
erhoben zu werden. Mit einem Wort , die Thätig-
keit und der Wetteifer , welche diese Armee beseelten,
waren bewundern würdig. Nicht ganz so gut war
sie in Rücksicht der Generale , obgleich einige dersel:
ben Männer von wahren Verdiensten waren . Der
größte Theil aber hatte, bey vieler Herzhaftigkeit,
zugleich viele Trägheit *) . Beym Avancement folgte
man der Rangordnung , so daß nicht die Geschicklich
feit, sondern das Dienstalter , das Glück bestimmten.
Dieser Mißbrauch war alt , und bey den vorigen
Kriegen hatte er keine nachtheiligen Folgen geäußert,
weil der König, der nur mit einer Armee agirte,
wenig Detaſchemente zu machen brauchte , und weil

dem die Geschichte erzählt, der erft mit 40 Jahren


sich an der Spike des Heeres auszeichnete. Aber
es hatte ihm früher an Gelegenheit dazu gefehlt,
und wol schwerlich dürfte man es glaublich finden,
daß sich, im entgegeng festen Falle , fein Genie
nicht früher schon eben so glänzend entwickelt hätte,
als in diesem Alter ben Leuktra und Mantinea.
Hannibal, in einem Alter von 42 Jahren, ward
von dem nicht einmal 26jährigen Scipio besiegt.
Und was Friedrich während des zweyten schles
sischen und des siebenjährigen Kriegs that, über-
trifft wahrlich seine späteren, so künstlichen Mas
nouvres. - Gewiß können auch Napoleon's ersten
Feldzüge in Italien durch keinen einzigen feiner
folgenden verdunkelt werden.
Eine Folge des Ulters !
228

die östreichischen Truppen und Generale , die er wider


sich hatte, nur mittelmäßig waren , und die Taktik
gänzlich vernachläßigt hatten. Eine gute Erwerbung
machte der König , als er den Marschall Keith aus
Rußland in seine Dienste zog. Dieser Mann war
fanft im Umgang , tugendhaft und vom sitisamken
Betragen , geschickt in seiner Kunst, und verband mit
der feinsten Lebensart eine heldenmüthige Tapferkeit
am Tage der Schlacht. Das Artilleriecorps war
verstärkt worden. Der König vermehrte es bis auf
drey Bataillone , von welchen das lehte für die Be
fahungen bestimmt war. Es war wolgeübt und im
guten Stande ; aber nicht zahlreich genug zu der un-
geheueren Menge von Geschütz und Feuerschlünden,
welche eine neue Sitte bald bey den Kriegheeren ein-
führte. Man håtte dasselbe verdoppeln müssen ; da
dies aber in den vorhergehenden Kriegen nicht ge-
bräuchlich gewesen war , und da jene zwey Bataillone
dem Dienste Genüge geleistet hatten , den man von
ihnen verlangte , so dachte man anfangs an keine
Vermehrung. Während des Friedens wurden die
Festungwerke von Schweidniß aufgeführt , und die
Werke von Neiffe , Kosel, Glaz und Glogau voll-
kommen gemacht. Schweidniß sollte der Armee zur
Niederlage dienen , im Falle der Krieg auf dieser
Grenzseite nach Böhmen geführt würde ; und da die
Ößreicher im leßten Kriege wenig Geschicklichkeit in
Bezug aufBelagerung und Vertheidigung von Festun
gen gezeigt hatten , so ließ man es dabey bewenden,
diese Werke ganz leicht anzulegen , welches eigentlich
sehr übel geurtheilt war ; denn Festungen baut man
nicht auf eine Zeitlang , ſondern für immer ; und wer
229

konnte denn die Gewähr dafür leisten , daß die Kai-


ferin Königin nicht einmal irgend einen geschickten
Ingenieur in ihre Dienste ziehen würde , der diese
dem öftreichischen Heere mangelnde Kunst mitbrachte,
ſie daselbst lehrte und einführte ? Beging man indeß
Fehler, so bekam man in der Folge Gelegenheiten
genug , sie zu bereuen , und richtiger urtheilen zu
lernen.
,,Auf der anderen Seite sah man auch ein , daß
eine Armee , die sich in noch so gutem Stand befindet
und gut unterhalten wird , doch zum Kriegführen
noch nicht hinreichend ist, sondern daß man großer
Vorråthe auf den Nothfall bedarf, um dieselbe zu
bewaffnen , zu kleiden , und , ſo zu sagen , wieder neu
herzustellen. Darum würden von allen Arten der
Ausrüstungen Vorrathsammlungen angelegt , als von
Satteln, Steigbügeln , Bäumen , Stiefeln , Patron
taschen, Degengehängen u. f. w. Im Zeughause
wurden 50,000 Flinten , 20,000 Sábel , 12,000
Degen, eben so viele Pistolen , Carabiner und Bar
deliere aufbewahrt ; kurz , alles das , was man sters
neu anschaffen muß , und was die Zeit nicht immer
gestattet , im Nothfall schnell genug zu bekommen.
Man hatte grobes Geschüß gießen lassen , welches aus
achtzig Batteriestücken und zwanzig Mörsern bestand,
und in der Festung Neisse niedergelegt ward. Der
angeschaffte Pulvervorrath belief sich auf 56,000
Centner, die in den verschiedenen Festungen des Kó-
nigreichs vertheilt waren. Die Fruchtmagazine waren
mit 36,000 Wispel Mehl und 12,000 Wiſpel Hafer
angefüllt ; so , daß durch alle diese vorläufigen
Maaßregeln und Einrichtungen Alles zu dem Kriege
Friedrich d. Einz, II, 7
230

vorbereitet war , den man vorher ſah, und der nicht


sehr entfernt schien * ) . Im Jahre 1755 machte der
König fogar eine Vermehrung in seinen Garnison-
Regimentern. Die schlesischen wurden auf 8 Ba=
taillone , die preußischen auf 3 , und die furmárfi-
ſchen auf 2 gefeßt, welches im Ganzen 13 Bataillone
betrug **). In einem armen Lande finder der Re-
gent feine Hilfquellen in der Kaffe seiner Untertha
nen ihm liegt daher ob , durch seine Klugheit und
gute Wirthschaft für die außerordentlichen Ausgaben
zu sorgen , die nicht vermieden werden können. Die
Ameisen sammeln im Sommer ein , was sie im Win-
ter verzehren , und ein Fürst muß während des Frie
dens die Summen zuſammen sparen , welche er im

*) Friedrich mußte, nach dem Benehmen der Kai-


serin, sowol den breslauer, als auch den dresdener
Frieden , im Grunde blog als Waffenstilstand
betrachten. Beide Theile , besonders aber Oest=
reich , suchten nur neue Kräfte zu sammeln , um
mit erneuerter Macht den Kampf wieder zu bez
ginnen, in deffen Entscheidung das Gefchick Schle
fiens lag.
**) ,,Der König von Preußen wandte seine erste
Sorgfalt auf die Wiederherstellung seiner Urmee,
und ergänzte dieselbe größtentheils durch die dft:
reichischen und sächsischen Gefangene, unter welchen
er das Auslesen hatte. Auf diese Wit wurden
feine Truppen auf Kosten des Auslandes vollzäh
lig gemacht, und die Ersehung eines durch so viele
Mutige Schlachten verursachten Verlustes kostete
dem Staate nicht mehr als 7000 Mann. Seitdem
in Europa die Kriegkunst zur Vollkommenheit ges
diehen ist, und die Staatkunft ein gewisses Gleichs
gewicht unter den Mächten zu errichten gewußt
231

Krieg aufzuwenden hat. Dieser , leider so wichtige,


Pankt war auch nicht vergessen worden , und Preuf
sen war in der Verfassung , einige Feldzüge mit eige
nem Gelde zu machen ; kurz , es war bereit , beym
ersten Zeichen auf dem Kampfpłaß zu erscheinen, und
sich mit seinen Feinden zu messen. In der Folge
zeigte es sich, wie nüßlich diese Vorsicht gewesen war,
und wie nothwendig es für einen König von Preußen,
vermöge der fonderbaren Lage seiner Staaten , ist,
auf jeden Fall gerüstet und vorbereitet zu feyn , um
nicht der Spott seiner Nachbarn und Feinde zu wer-
den. Im Gegentheil wäre es nöthig gewesen , noch
mehr zu thun , wenn die Kräfte des Staats es er-
laubt hätten ; denn der Köniz hatte an der Kaiserin

hat, bringt das gewöhnliche Loos der größten Uns


ternehmungen nur selten die erwarteten Folgen
hervor. Gleiche Stärke von beiden Seiten , und
abwechselnder Gewinn und Verlust , machen , daß
selbst am Ende des blutigsten Krieges sich die
Feinde bennah' in eben her Lage gegen einander #
befinden, in welcher sie vor dessen Unternehmung
waren. Die Erschöpfung der Finanzen bringt end-
lich einen Frieden hervor , welcher eigentlich das
Werk der Menschenliebe, und nicht der Nothwen :
digkeit hätte seyn sollen. Kurz , wenn Unsehen,
wenn Ruhm der Waffen es verdienen, daß man,
um sie zu erlangen, seine Kräfte aufbiete, so find
die Preußen dadurch für die Unternehmung dieſes
zweyten Krieges belohnt worden . Aber dies war
auch Alles , was sie dadurch erhielten , und selbst
dieser vergångliche Dunst erweckte ihnen noch
Neider. (Schlußworte Friedrich's in der Gez
schichte des zweyten schlesischen Kriegs. Histoire
de mon temps.)
232

Königin eine ehrgeizige und rachsüchtige Feindin , und


zwar eine um so gefährlichere , als sie ein Frauenzim-
mer, und eigensinnig und unverföhnlich wär.“
So weit Friedrich . Der König verbesserte.
in seinen Staaten während des Friedens die Polizey,
beschränkte das Schuldenmachen und Güterveräußern
des Adels , schaffte das zweckloſe Reiſen ſeiner Vaſals,
len in das Ausland ab , und ſehte hier dem verder-
benden Lurus, dort dem ſträßlichen Wucher, Grenzen.
Während er mit Strenge abergläubischen Muthwillen
ahndete, schüßte er jede stille , ruhig lebende Sefte
in allen , ihren Gliedern als Menschen und Staat=
bürgern gebührenden , Rechten *). Er sorgte für

*) Wir können nicht umhin, bey dieser Gelegenheit


anzumerken , wie sehr es dem Geiste des reinen
Protestantismus ( der nur einzig und allein
das zu glauben verlangt, was der denkende Mensch,
nach seiner Ueberzeugung , als wahr und gewiß
erkennt) geradezu entgegen gewirkt ist , wenn
Lehrer dieser Kirche wider das Abweichen von dies
sem oder jenem Dogma eifern, und dies nicht auf
dem Wege einer vernünftigen Ueberführung zum
Beſſern, sondern weit mehr auf jenem der Gewalt,
verhindern, oder doch verhindert wiſſen möchten.
Friedrich begann die Ausübung seiner tolerans
ten Gesinnungen gleich in den ersten Wochen seiner
Regierung. " Unter m 22ten Juny 1740 berich=
teten ihm der Staatminister von Brand und der
Consistorialpräsident von Reichenbach, daß wegen
der römisch-katholischen Soldatenkinder, insonders
heit zu Berlin, römisch-katholische Schuten anges
legt wåren , die aber zu allerhand Inkonvenien-
zien, vernehmlich dazu Gelegenheit gegeben hätten,
daß, wider des verstorbenen Königs ausdrücklichen
233

Verbesserung des Unterrichts auf Schulen und uni


versitäten , und eben so für gründliche Unterweisung
der Hebammen . Auch die allzugroße Zahl der Feyer-
tage ward beschränkt , welche stets Trägheit und Un-
wissenheit zu Begleitern haben .
Nach dem dresdener Frieden lebte Friedrich
mit seinen Brüdern und einigen Freunden meistens

Befehl vom 16ten November 1732, aus Protestan-


ten römisch - katholische Glaubengenossen gemacht
wåren. Dieses habe der Generalfiskat Uhden am
12ten d. M. berichtet. Sie fragten also an, ob die
römisch-katholischen Schulen bleiben , oder welche
andere Untwort sie dem uhden geben sollten.
Der König schrieb an den Rand :
,,Die Religionen Müsen alle Tollerivet wer
,,den , und Mus der Fiscal nuhr das Auge
,,darauf haben , das keine der andern abrug
„ Tube, den hier mus ein jeder nach Seiner
„ Faßon Selich werden."
(Die Religionen müſſen alle toleriret werden,
und muß der Fiscal nur das Auge darauf has
ben, daß keine der andern Abbruch thue ; denn
hier muß ein Jeder nach seiner Façon selig
werden.)
Der König rechnete es also nicht zum Abbruch, den
eine Religionpartey der andern thue , wenn sie
Mitglieder derfelben zu der ihrigen ziehe, und zwar
aus dem Grunde, weil in ſeinen Lånbern ein Jeder
nach seiner Art und Weiſe ſelig werden müſſe. Dice
fer leste Ausdruck ist ungewöhnlich, aber nicht un-
schicklich, sondern paſſend und vielfagend. Denn
es find gewiß nicht zwey Menschen auf ganz gleiche
Art und Weise gottesfürchtig , sondern ein Jeder
ift une nach seiner Erkenntnis und Wahl.
(Büsching's Charakter Friedrich) des 11.)
234

bey Potsdam , wo sie das einfache , ländliche Schloß


Sanssouci (Sorgenfrey) bewohnten , deffen Bau
im Jahre 1746 beendigt worden war , und von dem
wir eine in der neueren Zeit entworfene Schilderung
hier folgen lassen. Von Potsdam führt ein hoher
Baumgang nach den Gärten von Sans- souci , wie
man ausschließlich die Anlagen nennt , die Friedrich
der Große , wie durch ein Wunder , hier hervor-
gerufen, so daß jezt Hügel und Kunst- Terrassen sich
erheben , wo früher nur Sumpfmoor das Land be-
deckte, und traurige Kiefern ihre Wipfel regten. --
Zur Sommerwohnung des Königs , die über der
Orangerie Terrasse liegt , steigt man einen sanften
Hügel hinan , und trit durch eine offene Säulen-
ftellung in die Vorhalle des einfachen Pallaßies , wo-
rin der Philosoph von Sans - fouci lebte , wenn
er, den lästigen Purpur abgelegt , sich nur mit sich
selbst und den Musen beschäftigte. Die Aussicht , so-
wol über den Gartenpark und die umgebenden Havel=
ſeen , als auch zum Ruinenhügel , den Mühl- und
Brauhausbergen , ist schön , und es konnte nicht ans
ders seyn , daß der Monarch — der einmal in der
Nähe Berlins sich firiren wollte - lediglich hier
feinen Aufenthalt nahm , da der Höhesinn , der ihm
einwohnte, sich wol so wenig zur Erde bequemt , als
der Adler feinen Felkforst ließe, um sich in Sumpf-
wüsten anzubauen.
Die wenigen Gemächer , welche Friedrich be
wohnte, obschon sie nicht mehr ganz Bie alten sind,
verrathen noch immer Simplizität, und keines die ent-
fernteste Prachtverschwendung. Eine Handbibliothek,
welche die Wände eines mit Cedernholz verzierten
235

Cabinets bekleidet, einige Uhren, Seffel und Schränke,


tragen noch immer altes Gepräge ; nur Schade, daß
fast kein Stück mehr vorhanden , von dem man mit
Gewißheit behaupten könnte , daß es die Hände des
Unsterblichen berührt , ich nehme die in rothen
Maroquin gebundenen französischen Klassiker aus, die
er bekanntlich täglich benügte. Selbst der Sterbe
ſtuhl, von dem er den lehten Blick zur Sonne erhob,
und ihr verheißen , ihr bald nah' zu kommen,
findet sich nicht mehr, und ist, wie erzählt wird , als
Reliquie des Verklärten einer Prinzessin vom Hause
zugefallen. Überraschend war mir im Schlaf- und
Sterbezimmer das Bildniß Gustav Adolph's von
Schweden, deffen frommen, orthodoxen Sinn ich mit
Friedrich's Geist wenig übereinstimmend glaubte.
Wie auf ein eigenes Zufallspiel ~ fast im Geschmack
unserer neueren Tragödien machte man uns auf
eine in demselben Zimmer befindliche , auf 2 Uhr
20 Minuten zeigende , Wanduhr aufmerksam , die
angeblich mit dem lehten Pulsschlag ihres Besizers
auch ihren leßten Pendelschwung that , und seitdem
nicht mehr aus der Stelle rückte. Wie man fagt,
ward sie von ihrem Herrn selbst während der Kranf
heit noch besorgt, und nur am letzten seiner Lebentage
aufzuziehen vergeffen , so , daß sie mit ihm in einem
Moment auch still gestanden , und nun seine Todes-
stunde bewacht.
Im Concertsaale hat Friedrich oft die Flöte
geblasen, und sich mit französischen Dichtern ergöht.
Voltaire's Cabinet, auf dem rechten Flügel des Hau-
fes, genoß einer erfreulichen Gartenansicht. Noch
zeigt man seinen Arbeittisch , und Spuren seiner
236

gelstvollen Feder , die , wie der Griffel eines Prophe-


ten , die Zeit im eigentlichen Sinn anticipirt , und
Blize feines Geistes der Welt hinterlassen. Die hie
und da in den königlichen . Zimmern bewahrten Ges 1
målde , worunter auch ein Portrait des Marschall's
von Sachsen , erbleichen jedoch vor den Schäßen der
Gallerie, die jede Erwartung beschämen muß, in fo
fern sie sich nicht auf das Höchste bereitete , und an-
fänglich weiß man nicht , ob man mehr der Pracht.
Des Lokals (einem 250 Fuß langen, verhältnißmäßig
breiten, Saale , mit überreicher Goldſtukatur) oder
den Gemälden huldigen soll , die , aus allen bekann
ten Schulen hier vereint , den Kunstsinn des könig
lichen Sammlers außer Zweifel feßen."
Der ide Berg war in sechs künstliche Abſäge
getheilt , jeder hatte zwölf Stufen , und auf jedem
lagen herrliche Weinreben unter Glasthüren an die
Mauer geheftet. Auf dem Gipfel des Berges erhebt
sich das Schloß , klein und niedrig, nur ein Stoc
werk hoch, aber regelmäßig , zierlich und anmuthig
durch die Aussicht über die Stadt und ihre reizenden
Gefilde. Alles, was die Bildhaueren , Maleren und
anderen Künste Vortreffliches liefern, findet man hier
bey seiner Auszierung vereinigt. Vorzüglich prangen
die alten Bildsäulen aus dem Cabinette Polignac's
Mitten enthält es einen runden Eaal mit Marmor
befleidet , und dessen Fußboden nach muſivischer Art
mit seinernem Blumenwerk ausgelegt ist. Aufpräch-
tigen Säulen ruht die kostbar bemalte Kuppel , und
empfängt, gleich der Maria maggiore, ihr Licht aus
einer Öffnung in der Mitte des Gewölbes , die den
ganzen Eaal vortrefflich erleuchtet. Unter dem
237

Bimmern zeigt sich eines mit Cedernholz getåfelt und


mit goldenem Laubwerk verziert , das in seinem Bus
fen einen literarischen Schaß verwahrt , und an den
Rücken dieses Zauberschlosses lehnt sich im Halbzirkel
ein marmorner Säulengang , der seine Arme in das
freye Feld ausbreitet , indeß auf drey anderen Seie
ten das Gebäude mit Luftgärten und mit einem Park
umgeben ist , dessen Grotte die Meisterhand eines
Knobelsdorf verräth.
Friedrich, der Ruhe und Einsamkeit über.
alles liebte, konnte, zumal in feinen späteren Leben.
zeiten , nicht mehr leiden , daß ein Fremder , den er
nicht verlangte, sich seiner stillen Wohnung nähere,
und ihn jezt auch nur von ferne sehe. Unten an die
Terrasse von Klein - Sanssouci durfte man deswegen
in feinen legteren Lebensjahren nicht mehr kommen.
In besseren Zeiten ging Friedrich da oft allein,
und mochte auch schon damals nicht, daß man ihn
fehe. Er ließ vor die Brücke ,, wo man in den Gar-
ten zu dem Baffin und an die Terraffe von Klein-
Sanssouci kömmt , auf einer 6 Fuß hohen Säule
von rothem ägyptischem Porphyr , das Brußtbild des
Herzogs von Alba seßen , ein ganz abscheuliches Ges
ficht ; damit , wie er einst im Scherze dem Mar-
quis von Lucchesini fagte ,,,Fremde, welche Luft ha
ben , in meinen Bezirk zu kommen , vor dem Gesicht
des Herzogs von Alba erschrecken , und gleich wieder
umkehren." 14
An manchen schönen und edeln, charakteristischen,
Zug Friedrich's erinnert Sanssouci. Ganz
etwas anders , ſagt Nicolaï , als die Bildſäule
Des Antonius , wie man gewöhnlich glaubte, hatre
238

dieser außerordentliche Mann , gerade feinem Fenster


gegenüber , ſelbſt ſehen lassen , so daß er es ganz
frey sehen konnte, ja ſehen mußte , so oft er ſeinen
Blick dahin_warf. Dies war
Sein Grab!
Nämlich auf dem offenen Plate, gerade dem Fenster *)
feines Studierzimmers gegenüber, vor einer halben
Rundung , ließ er schon im Jahre 1744 , gleich als
die Terrassen angelegt wurden , und eh' noch der
Grund des Schlosses gelegt war , in der Stille eine
Gruft graben , das Gewölbe mit Marmor bekleiden,
und auf demselben nachher eine liegende Bildſäule
der Flora ſehen.
Der König wollte in diese Gruft begraben wer-
den. Er sagte es d'Argens mehrmals , und dieser
bat sich aus , selbst unter der schönen marmornen`
Vase von Ebenhecht , im Garten von Sans- souci,
fein Grab zu finden. Der König versprach es ihm,
und würde es gewiß gehalten haben , wenn d'Argens
in Potsdam gestorben wäre.
Noch mehr ! Diese Gruft, deren Existenz fo
wenige Personen wußten , war wahrscheinlich die ei-
gentliche Veranlassung , diesem Orte die Benennung
Sans Souci zu geben. Der König gab dieselbe dem
Hause noch nicht, als es gebaut ward. Er nannte
es sein Lusthaus , sein Weinberg - Lusthaus. ~ Als er,
noch im Anfange der Erbauung des Schlosses , einst
mit d'Argens auf diesem Playe spazierte, sagte er

*) Da alle Fenster des Schlosses bis zur Erde herab


gingen , so werden sie manchmal auch Thüren
genannt,
239

ihm: Da er den Entschluß gefaßt , auf diesem ange.


nehmen Flecke sich einen Sommeraufenthalt zu bauen,
ſo ſen auch gleich seine Idee gewesen , sein Grab da-
selbst einzurichten. ,,Quand je serai là ," fagte
er, indem er auf die verborgene Gruft zeigte,,,je
serai sans souci!"
Nicht also so sehr auf das Schloß und den
Garten ging die so berühmt gewordene Benennung :
Sans-souci. Ob der König gleich an die Façade
des Hauses dieſe Worte sehen ließ , so wußte er doch
allzuwol , daß ihm auch dahin die wichtigen Sorgen
-der Regierung , und der Kummer über manche öf
• fentliche und häusliche Widerwärtigkeiten folgen
würden . Auf die Gruft spielte diese Benennung
an, welche dieser große Mann sich , von Jedermann
unbemerkt , im Angesichte des Zimmers, wo er feine
beste Zeit zubrachte , bereiten ließ , und in welcher
er einst nach aller Arbeit zu ruhen gedachte.
Es war dem Könige verdrießlich , daß die Allee
zum Haupteingange von Sans- fouci bey der Anlage
nicht anders konnte geführt werden , als daß sie einen
Winkel macht. Es wurden bey der Tafel des Kö-
nigs von seinen Günstlingen verschiedene Vorschläge
gethan, wie solchem abzuhelfen wäre. Die Schwie-
rigkeit lag vorzüglich in der unüberwindlichen Liebe
einer armen Frau zu ihrem kleinen Haufe, einem
Erbstücke , welches sie um keinen Preis dem Könige
verkaufen wollte. Der General Rothenburg behaup=
tete, der König könne sie zwingen, einen dreyfachen
Ersatz des Werths , oder ein viel besseres Haus auf
einer andern Stelle , dafür anzunehmen. D'Argens
ward hierüber aufgebracht, und behauptete mit der
240

ihm eigenen provenzalischen Lebhaftigkeit : Die Kö.


nige dürften Niemand das Seinige , auch gegen bes
feren Erfa , mit Gewalt nehmen ; denn sonst könnte
man es auch bald von einem Hause auf die Frau und
Tochter eines Mannes anwenden , wo offenbar der
mehr Werth an Geld nicht das Verlorne erfeßte.
Der König sagte : d'Argens hat Recht." Und die
Allee macht noch jezt einen Winkel.
Bekannter zwar, aber weniger verbürgt als
diese , ist die folgende Anekdote : Als der König fein
Sans-ſouci anlegte, war ihm eine Mühle im Wege,
die ihrer Lage nach dem entworfenen Plane seines
Gartens zuwider war. Der König ließ den Müller
zu sich kommen , und trug ihm an , die Mühle zu
verkaufen. Der Müller hatte sie vom Vater geerbt,
und wollte sie auch auf seine Kinder bringen. Der
König versprach ihm , eine beſſere Mühle anderwärts
zu bauen , ihm Wasserlauf und Alles frey zu geben,
auch noch die Summe , die er für seine Mühle for
dern würde, baar auszahlen zu lassen. Der Müller
bestand hartnäckig auf seinem Kopf. Nun ward der
König verdrießlich. ,Weißt Du wol, daß ich Dir
Deine Mühle nehmen kann , ohne einen Groschen
dafür zu geben ?" sagte er auffahrend. ,,Ja, Er.
Majestát , wenn das Kammergericht in Berlin nicht
wäre," antwortete der Müller. Dem Könige gefiel
die rasche Antwort ; sein Eifer legte sich. Der Mül-
ler blieb ungestört im Besize seiner Mühle , und der
König war so groß , daß er den Plan seines Gartens
Anderte.
Wir können nicht umhin , hier noch folgenden,
hierher gehörigen , Charakterzug mitzutheilen : In
241

dem großen Marmorsaale , im oberen Geschosse des


neuen Schloſſez von Sans-ſouci , malte Vanloo, auf
Befehl des Königs , zum Deckenstück eine Versamm-
lung der Götter. Dieser Maler ließ sich einfallen,
ein Paar Famen vorzustellen , welche den Namenzug
des Königs, mit Lorbeern umkränzt , den versam
melten Göttern darbringen. Der König besah die.
ses Deckenstück nicht eher , als bis der Saal schon
beynah' fertig war. Dem Könige gefiel überhaupt
das Gemälde wegen der Hårte des Colorits nicht ;
als er aber seinen Namenzug erblickte , ward er
äußerst entrüstet. Er befahl, daß augenblicklich alles
sich dahin Beziehende sollte aufgelöscht werden. Es
mußte dazu abermals ein besonderes Gerüst aufge-
bauet werden , das mit allen Umständen ein Paar
hundert Thaler Euftete. Vanloo konnte sich nicht
anders helfen , als eine grüne Decke über den Na-
menzug zu malen ; denn die ganzen Figuren die Fa
men fonnte er nicht auslöschen. Wer dieses Decken-
fuck betrachtet , und die Umstände nicht weiß , wird
nicht begreifen können , warum die Famen den Göt
tern etwas Verdecktes darbringen. Es ist ein Denke
mal der Bescheidenheit Friedrich des Großen.
Wie vormals Rheinsberg , ſo wård dem
großen Könige nunmehr Sons = fouci der Ort, wo
er am ruhigsten und vergnügtesien seine Tage durch-
lebte. Die Stunden , welche ihm die Regierung-
forgen frepließen , wurden der Erheiterung und den
Mufen geweiht. Komm, träger Marquis," schrieb
er an d'Argens ,,,nach Sans - ſpuci. Hier ist man
Gebieter über sich selbst. Hier ist man sein eigener
König, sein Selbstherrscher. Die ländliche Wohnung
Friedrich d. Ginz. II. 8
242

ladet durch ihre Stille zum Genuß der Freyheit ein.


Wenn Du diese einsame Landlust kennen willst , den
Ort, wo Dein Freund diesen Gesang dichtete , wo
die Parze für ihn die schönsten Tage feines Lebens
frann ; o so wiffe, daß auf dem Gipfel eines Hügels,
von welchem sich des Auge frey in die Entfernung
vertiefen kann , das Haus seines Gebieters empor
fteigt. Hier wird der Fleiß einer vollendeten Arbeit
belohnt. Der bearbeitete Stein , von Menschen-
hånden geschnitten und in mancherley Formen gebil-
det, schmückt das Gebäude , ohne es zu belästigen.
Des Morgens vergolden den Pallast die ersten Strah-
len des Morgenroths , die gerade auf ihn zuströmen.
Auf sechs abgesonderten Absätzen kannst Du hier sechs
liebliche Anhöhen heruntergleiten , und in's Gebüsch
entschlüpfen , das mit hundertfachem Grün schattiret
ist. Unter dem dichten Laubwerke laſſen jugendliche
Nymphen von gehauenem Marmor , den Meisterwer
ken des Phidias ähnlich , ihre filbernen Tropfen zum
Äther aufsprudeln. Hier gehen einförmig vorüber
meine Tage. Hier herrscht keine Thorheit von langen
quálenden Gastmahlen, welche die Gewohnheit tyran-
nisch anordnet, wo sich der gähnende Ekel mit der
Versendung des Midas raaret, we frostige Scherze
die ungleichheit der Gesellschaft , die Hofordnung und
as wilde Gerlusch verläugnen. Eine sparsam besetzte
Mittagtafel, die nägliche Gespräche würzen , und
wobey zuweilen glänzende Funken eines lebhaften
Wiges auf Kosten der Narren belustigen , befriedigt.
hier das Lebensbedürfniß ohne Ausschweisung. Hier
wird der muntere Sher; finnreicher Einfälle der
gefräßigen Unmäßigkeit eines Apizius und ähnlicher
243

Helden vorgezogen. Hier erscheint weder die nieders


trächtige Falschheit in der Ekstase ewiger Umarmun
gen auf der Bühne , noch der unversöhnliche Haß,
deffen treulofer Mund seinen ganzen Complimenten="
vorrath mühsam herspricht. Nicht finden sich hier
jene Sterblichen , welche die Eigenliebe mit, den
schönsten Farben malt, und die da glauben in allen
Sachen Vorbild und Muster zu seyn ; denn ihr Ge-
spräch ist wie ein Spiegel, worin sich die Narrheit
bewundert und zur Schau ausßtellt. Hier sind keine
vornehme Maulaffen , keine erhißten Scheinheilige,
keine alten Vetteln , die truppweise über nichts und
abermal nichts unter sich streiten ; ja man kennt hier,
Gott sey Dank, auch keine weitschweifige , methodis
schen Schwazer , keine metaphysischen Schlußkråmer,
feine getauften Esel in i - u - s. Noch wohnt hier
die Kritik mit dem boshaften Lächeln und der håmi-
schen Mine , noch ein gallsüchtiger Argus mit vergif=
teten Klauen und bluttriefenden Zähnen , der seinen
Satyr an dem Bache der Hölle getränkt hat , noch
auch der lästige Plauderer und die widrigen Schme
roger. Diese friedliche Einsamkeit schüßt uns , wie
ein festes Bollwerk, wider die Anfälle des brausenden
Geräusches , das der Pöbel gewöhnlich auf die weifen
Verehrer der Künste und, Wissenschaften zu machen
pflegt." 3
Jeden Tag verwendete der König einige Stun
den auf das Studium der besten Schriften . Unter
den Werken der Alten , deren Nachleſung er fast jedes
Jahr wiederholte , nennt man Herodot , Thuk dides,
Xenophon , Plutarch, Tacitus , Cicero , Sallust, Li-
vius, Curtius, Nepos, Sueton, Valerius Maximus,
8
244

Polyp , Vegez und Cåsar. (Sämmtliche in franzöſi-


schen übersehungen .) Daher war sein Charafter
gleichsam das Resultat aller der Eindrücke , melde
die Helden der Griechen und Römer , und ihre Tha,
ten, auf seine lebhafte Einbildungkraft hervorgebracht
hatten. Er redete mit Begeisterung von ihnen , und
bezeigte seine Hochachtung für sie durch ähnliche
Thaten. In den preußischen Luft :agern wurden die
griechischen , römischen und karthaginensischen Krieg-
übungen nachgeahmt, und ansatt der Fahnen erhielt
des Königs Leibwache römische Adler von Silber.
Außer der Dichtkunst , die ihm in dieſen Jahren
manche schönen Auffähe zu verdanken hat , und die
zum Theil in den Werken des Philoſophen
von Sans- souci aufbewährt sind , beschäftigte er
sich auch anhaltend mit der Geſchichte. Meistens nach
Originalquellen bearbeitete er die Denkwürdig
feiten des Hauses Brandenburg ( Mémoires
pour servir à l'histoire de la maison de Bran-
deburg), ein Werk , das , wie C. P. Funke sagt,
feinen Namen als Schriftsteller auf die Nachwelt
gebracht haben würde, wenn er auch sonst nichts ge=
schrieben hätte. Außer dem historischen Werth, den
Dasselbe behauptet , enthält auch die Zueignung an
den Kronprinzen sölche treffliche Stellen , daß man
nicht weiß , ob man das zärtliche Herz des Königs
gegen diesen Bruder , oder dessen Freymüthigkeit,
mehr bewundern foll *).

*) Friedrich der Große , der mit Schwert und


Scepter die Geſchichte ſeines Reichs in die Welt.
geschichte einzeichnete , war auch der Erste , der
245

Unter den Freunden Friedrich's zu Sans-souci


muß vor allen Voltaire genannt werden , den der
König so oft bewundert hatte *). - Aber es zeigte sich.

dem Vaterlande mit würdigem Griffel eine Ges


schichte schrieb. - Er beschränkt sich auf das Haus
der Hohenzollern, geht die älteste Geschichte flüch
tig durch ,,,da der Strom für ihn erst Werth
hat , wo er schiffbar wird. " Die erste Ausgabe
erſchien 1750 , und schloß mit der Geschichte des
großen Churfürsten ; spätere Ausgaben endigen
mit jener des Königs Friedrich des 1. ( Förfter.)
,,Ich habe nichts entstellt ," sagt Friedrich
in der Zueignung an den Kronprinzen,,,ich habe
die Fürsten Ihres Hauses so dargestellt , wie sie
waren. Der nåmliche Pinsel, der die bürgerlichen
und militärischen Tugenden des großen Chur.
fürsten malte , zeichnete die Fehler des ersten
Königs von Preußen , und jene Leidenschaften ,
welche in der Folge der Zeit dieses Haus zu dem
Punkte des Ruhms erhoben, auf den es gelangt
ist. Ich habe Fürsten, Verwandte, wie gewöhn
liche Menschen betrachtet. Weit entfernt , durch
das Herrschen verführt zu werden , oder meine
Uhren zu vergöttern, habe ich das Lafter an ihnen
mit Strenge getadelt, weil es kein Asal auf dem
Throne finden soll. Ich habe die Tugend überall,
wo ich fie fand, gelobt , von mir aber selbst den
Enthusiasmus abgewiesen, den sie einflößt, damit
die Wahrheit einfach und rein in dieſer Geschichte
herrsche."
Es stehe hier noch folgende Stelle aus Geb.
hard's Preisschrift ,,über den Einfluß Frieds
rich des II. auf die Aufklärung und Ausbildung
feines Jahrhunderts. " Man hat behaupten wol
Len, daß Teutschland seine Aufklärung mehl Vol.
taire , als Locke , Bayle, und allen Denkern der
246

leider nur allzubald , daß Voltaire als Schriftstel


ler , und als Mensch, ein anderer war. - Der
König hatte ihn mit Geschenken und Auszeichnungen
überhäuft , ihm den Verdienstorden , den Kammer-
herrnſchlüſſel und eine Pension von 20,000 Livres
ertheilt, eben so freye Tafel Equipage. „ Wir has
ben unter den Freunden Friedrich's einen Mann
nicht genannt," sagt Förster , der vor allen an
deren wegen der überlegenheit seines Genies von
ihm geachtet wurde , den er aber allen andern nach-
sezte, wo es das Gemüth des Freundes galt. Vola
taire's Ruhm leidet gewiß dadurch keinen Abbruch,

Britten und Franzosen zu danken hat, well


jener durch seinen glänzenden Wig allgemeiner ges
fiel; es überhaupt leichter ist , das Alberne und
Abgeschmackte eines Vorurtheils dunkel zu fühlen,
als das Widersprechende und Schädliche deutlich
einzusehen , und er in seinen Schriften , wie in
seinen Unterredungen , nicht blos etwas zu lachen,
fondern auch etwas zu denken gab. Es iſt ſchirer,
hierüber zu entscheiden . Locke und Bayle hatten
ihren Werth, und Voltaire auch ; jene hatten ite
Publikum , die ernſten Denker ; ~ und dieſer auch),
die Männer von Geist und Wig, und die Lacher,
an welche sich denn der große Haufe derer anschloß,
die weder denken , noch lachen , sondern ſich"klog
die Zeit verkürzen , oder doch auch sagen wollten,
daß sie ihn gelesen hätten . Doch , man räume
Voltaire den ersten Plag ein ; man halte ihn,
mit seinem erhabenen Berehrer , für das allges
minste, glänzendste Genie , vor dem sich Ules
beugen muß für die aufgehende Sonne feines
Jahrhunderts, welche in dem dicken Dunket Teuſch-
tands trahite ; - wer hat die Teutschen mit Vol-
247-

daß er sich nicht immer gegen Friedrich so betrug, .


wie dessen zuvorkommende Achtung gegen ihn es ver-
diente ; gewiß aber würde Voltaire noch gewinnen,
wenn wir diesen Flecken in seinem Leben nicht wüß-
ten. Friedrich eröffnere den Briefwechsel mit
Voltaire 1736 ; er sah ihn zuerst in Cleve , wohin
Voltaire 1740 kam ; noch in demselben Jahr besuchte
er den König. in . Berlin auf einige Tage . Er kam
1743 wiederum auf kurze Zeit nach Potsdam , und

taire bekannt gemacht ; wer hat mehr zu seinem


fo allgemeinen , so großen und ſo gegründeten
Ruhme, und zur Verbreitung seiner Schriften an
alle Höfe, in alle Provinzen und Gegenden, ben-
getragen, als der König ? Würde der von seinen
Landsleuten verfolgte, von der Geistlichkeit vers
dammte , und aus seinem Vaterlande mehr als
einmal flüchtig gewordene Voltaire wel jemats in
Teutschland, wo er anfänglich gehaßt und verab
scheuet wurde, ein so allgemeines Aufsehen erregt
haben, so allgemein gelesen , bewundert und ges
priefen worden seyn, wenn ihn Friedrich nicht
an leinen Hof gerufen, zu ſeinem gelehrten Ges
fellschafter gewählt , und auf eine so ausgezeichnete
Weise sich um seine Freundschaft beworben håtte?
Voltaire war bey Weitem noch nicht Voltaire,
als er nach Teutschland an diesen Hof kam, aber
hier ward er es. Der Funke des wahren Ge-
nies lag freylich in ihm ; aber es gehörten die
reine Luft der Geistesfreyheit , die sanfte Barme
einer beneidenswerthen Freundschaft und Bewuns
derung , das Reiben des feinſten Wiges , des
Widerspruchs die Abendgesellschaften des Königs
bazu , um ihn hervorzulocken, und bis zur hellsten
Flamme anzufachen.
248

.erst nach dem Tode der Marquise du Chatelet nahm


er die oft an ihn gerichtete Einladung des Königs
auf långere Zeit an. Er lebte mehre Jahre , 1750
bis 1753 , in Potsdam und Berlin bey dem Könige,
den er auf vielfache Weise beleidigte und beunruhigte,
den Juden auf Pfänder lieh , mit fächsischen Steuer-
scheinen spekulirte , und in alle diese unangenehmen
Håndel den König zu verwickeln suchte, der ihn erst
freundlich, dann ernsthaft zurechtwies. Er schrieb
ihm (Potsdam , 24ten Febrnar 1752) , da sich Vol-
taire noch bey ihm befand : „Ich. nahm Sie mit
Vergnügen bey mir auf, ich schäßte Ihren Geist,
Ihre Talente, Ihre Kenntnisse , und mußte glauben,
ein Mann von Ihrem Alter sey müde , mit den
Schriftstellern Federkriege zu führen , er komme also
hierher, um , wie in einem sicheren Hafen , eine Zu-
flucht zu suchen. Aber gleich anfangs verlangten Sie
auf eine ziemlich sonderbare Art, ich möchte Freron
nicht zu meinem literarischen Correspondenten wäh
len. Ich war so schwach oder so gefällig , es Ihnen
su bewilligen, ob es gleich nicht Ihre Sache war,
zu bestimmen , wen ich in meinen Dienst nehmen
follte. Sie sind bey dem ruſſiſchen Gesandten gewe-
sen , um mit ihm über Angelegenheiten zu reden , die
Sie gar nichts angehen ; und man hat geglaubt , ich
hätte es Ihnen aufgetragen. Sie hatten die hiß..
lichste Sache von der Welt mit dem Juden , und er-
regten in der ganzen Stadt ein schreckliches Aufsehen.
Die Geschichte mit den sächsischen Steuerscheinen ist
in Sachsen so bekannt , daß man sich sehr hart bey
mir beklagt hat. Ich für meinen Theil habe bis zu
Ihrer Ankunft in meinem Hause mir den Frieden
249

erhalten , und sage Ihnen , daß, wenn Sie Cabalen


und Intriguen lieben, Sie sehr an den unrechten
Mann gekommen sind. Ich liebe sanfte und friedliche
Leute, welche die heftigen Leidenschaften des Trauer-
spiels aus ihrem Betragen verbannen. Können Sie
sich entschließen , als Philosoph zu leben , so werde
ich Sie mit Vergnügen sehen ; überlassen Sie sich
aber Ihren ungestümen Leidenschaften , und suchen
Sie an Jedermann Händel , so wird mir Ihr Besuch
gar nicht angenehm ſeyn.“ -- Voltaire gewann den
Prozeß gegen den Juden , und schrieb darüber dem
Könige; diefer antwortete ihm : „ Ich höre hier gar
nichts von Prozessen , auch von den Ihrigen nichts.
Ich hoffe , Sie werden künftig weder mit dem alten,
noch mit dem neuen Testamente Händel haben. Der:
gleichen unanständige Streitigkeiten entehren immer,
und Sie würden mit den Talenten des ersten schönen
Geistes in Frankreich doch die Flecken nicht verbergen,
die ein solches Betragen Ihrem Ruf am Ende zuzöge.
Ein Buchhändler Goffe , ein Violonist aus der Oper,
und ein jüdischer Juwelenhåndler , sind in der That
Leute , deren Namen in gar keinem Fall neben dem
Ihrigen stehen müßten. Ich schreibe Ihnen diesen
Brief mit dem hausbackenen Verstande eines
Teutschen, der das fagt , was er denkt , ohne sich
uneigentlicher Worte und entkräftender Milderungen
zu bedienen , durch welche die Wahrheit nur entstellt
wird. Es ist nun Ihre Sache , ihn zu nügen .”
Wir sehen, wie Friedrich, so sehr er dem
Genie huldigte , vor allem darauf hielt , daß Der
schuldige Anstand nicht verlèzt werde. Wie er selbst
in Allem Maas hielt , so verlangte er dies von seinen
250

Umgebungen; auch blieben die anderen Freunde in


ihren Grenzen , nur Voltaire nicht. Er schrieb eine
Satyre gegen Maupertuis , den Präsidenten der ber-
liner Akademie ; der König lachte darüber , aber ver-
bot, fie bekannt zu machen. Voltaire ließ sie den
noch drucken ; worauf der König ihm die harten
Worte schrieb : „Ich erstaune über Ihre Unverschämt-
heit. Nach allem , was Sie gethan haben , und was
so klar ist, wie die Sonne , läugnen Sie noch ; ans
flatt zu gestehen , daß Sie strafbar sind ! Bilden Sie
sich nicht ein , die Leute würden sich von Ihnen über-
reden lassen, schwarz sey weiß. Man sieht nicht
immer , weil man nicht immer sehen will. Aber
wenn Sie die Sache auf's Äußerste treiben , so
lasse ich Alles, drucken , und es wird sich zeigen,
daß wenn Sie für Ihre Werke Ehrensäulen vers
dienten , für Ihr Betragen Ketten werth wären."
Voltaire mußte sich auch diesesmal den König
mieder zu verföhnen, und unterzeichnete folgende
Versicherung: "Ich verspreche Seiner Majestät,
daß ich, so lange dieſelben die Gnade haben , mir
Wohnung im Schlosse zu geben , gegen Niemand
schreiben will , weder gegen die französische Regie
rung und gegen die Minister , noch gegen andere
Souveräne, oder gegen angesehene Gelehrte, sondern
daß ich diesen immer die Achtung erweisen werde,
die ihnen gebührt. Ich werde Sr. Majestät Briefe
nicht mißbrauchen , und mich so betragen , wie es sich
für einen Gelehrten schickt , der die Ehre hat, Sr.
Majestät Kammerherr zu seyn , und der mit rechts
lichen Leuten lebt. Potsdam , den 27ten Novem-
ber 17524 も
251

Das Verhältniß konnte aber nicht wieder aus-


geglichen werden ; Voltaire reiste zurück, der König
ließ ihm in Frankfurt den Kammerherrnschlüffel, und
Briefe und Gedichte , die er ihm zur Durchsicht an-
vertraut hatte , abnehmen.
Während des siebenjährigen Krieges richtete
Voltaire öfters Gedichte an den König , und als er
ihm schrieb : ,, Sie vergaßen , daß ich ein Mensch
war , hatte er Friedrich so mit sich versöhnt , daß
ihm dieser nun wieder den ganzen Krieg hindurch un-
unterbrochen bis an seinen Tod schrieb. „Hätten
Sie mir das," antwortete Friedrich,,,womit Sie
Ihren Brief schließen , vor zehn Jahren gesagt , so
måren Sie noch hier. Ohne Zweifel haben die
Menschen ihre Schwachheiten , und Vollkommenheit
gehört nicht zu ihrem Erbtheil ; auch ich empfinde das,
und bin überzeugt , wie unbillig man ist , wenn man
von Andern etwas- fordert , was man ſelbſt nicht er
füllen und erreichen kann. Damit hätten Sie an
fangen follen, so wäre alles andere überflüßig genes
fen, und ich hätte Sie , troß Ihren Fehlern , ge=
liebt , da Ihre Talente groß genug find , um einige
Schwachheiten zu bedecken." Erinnerte der König
auch zuweilen noch an die Mißverhältnisse, so sprach
er dabey doch aus , daß Alles vergeben und vergeſſen
sey. Ich für mein Theil (schreibt er 1759 ) ver-
zeihe Ihnen wegen Ihres Genies alle die Intriguen
und Caba´en , die Sie mir in Berlin spielten , alle
Libelle aus Leipzig , und Alles , was Sie gegen mich
sagten oder drucken ließen. Es war stark, hart und
viel ; indessen habe ich nicht den , geringsten Groll
mehr."
252

Das schönste Zeugniß , wie sehr er das Vergan-


gene vergessen , legt der König in der Antwort ab,
die er den Mitgliedern der Akademie 1770 zu Paris
ertheilte , auf die Einladung zur Theilnahme an dem
Denkmal, das man Voltaire noch bey seinem Leben
errichtete. Indem auch wir jene Mißverhältnisse
vergessen wollen , und in Voltaire nur den großen
Geist ehren , der den Lorbeerkranz , den er im Thea
ter erhielt , nicht so hoch achtete , als den Zuruf
eines Fischwebes , die ihn ,,den Vertheidiger des
unglücklichen Calas nannte , so mag hier die ers
wähnte Antwort Friedrich's stehen : " Voltaire's
schönstes Ehrendenkmal ist dasjenige , welches er ſich
selbst errichtet hat ·--- seine Schriften *). Sie werden

*) Sehr wahr ! - Sollte Teutschland aber dem


großen Friedrich nicht ebenfalls ein solches
schönes Ehrendenkmal ( wie er ſelbſt ſagt)
durch eine getreue und vollſtåndige Ausgabe feiner
sämmtlichen Schriften , oder doch wenigstens durch
einen zweckmäßigen und geiſtigen Auszug aus den=
ſelben, zu gründen endlich gegen die Maven jeñes
Königs für Pflicht halten, dem dasselbe so Bieles
zu verdanken hat ?! y Bekanntlich sind alle Edis
tionen, welche wir hie von besißen, unvollständig,
und gerade die intereſſanteſten Theile fehlen. Zwas
ſollen die dazu herausgekommenen Nachträge jene
Lücken ergänzen , aber abgeſeten davon , daß ſie
blos überaus wenig des Fehlenden liefern , ist noch
besonders zu berückſichtigen, daß meistens die Hälfte
des Inhalts nicht im Entferntesten von Fried.
rich herrührt, und alſo dadurch nur falsche Uns
sichten über ihn verbreitet werden, indem man ihn
Gedanken aussprechen läßt, welche ſeinen Grund-
fågen oft geradezu widersprechen.
253

langer dauern, als die St. Peterskirche in Rom, als


das Louvre , und als alle Gebäude , welche die Eitel-
keit der Menschen für die Ewigkeit aufführt. Man
wird nicht mehr französisch reden , wenn Voltaire
noch in die dem Französischen folgende . Sprache wird
überſezt werden. Indeſſen könnte ich , voll des Ver-
gnügens , welches mir seine so mannigfaltigen Geistes-
werke , wovon jedes in seiner Art so vollkommen ist,

Es stehe hier noch folgende Stelle aus dem 7.


Bande (5, Heft) des Sophronizon : ,, Durch
gang England erblickt man wenigstens ein wol
kennbares Thonbild von Shakespeare , wie einen
Nationalheiligen, in jeder Dorfschenke, besser noch
auf jedem Gemeindehaus u . bgl . Aber zugleich
find seine Worte , wie Gottessprüche, in jedem
Munde , weil die Ubdrücke feiner Werke sich um
wenige Schillinge verbreiten. Solche stereotypis
fchen Ausgaben sind die Denkmale der Klas=
siker eines Volks. Solche Thonbilder bes.
weisen am meisten , daß ein Volk seiner Edeln
überall eingebenk ist Friedrich des Einzigen
Gestalt, in wie viel tausend Gypsfiguren begegnete
fie uns vor Jahren, in Zeiten, wo jeder Zug von
Ihm seine Preußen stolz machte. Nur daß das
mals nicht eine ächte Ausgabe seiner Geistesdenk-
male zum allgemeinen Nationalgut gemacht wurde,
war gewiß die Veste Vorbedeutung nicht. (Möchte
fie nach dem Plane von Förster endlich doch ers
folgen , da gewiß die durch Ekstasen mißleitete
Teutschheit jest wol begreift , wie wenig fie in
Ihm den Franzosen zu hassen Ursache hatte !!!
Da der Herausgeber der gegenwärtigen Schrift
schon früher das Bedürfniß einer getreuen Edition
der Geistesdenkmale Friedrich's erkannte , Fo
erlaubte sich derselbe , hierauf den Herausgeber
Friedrich d. Einz. II, 9
254

verschafft haben , fönnte ich nur als ein Undankbarer


mich Ihrem Antrag entziehen , etwas zu dem Denk-
male beyzutragen , welches die öffentliche Dankbar-
keit ihm errichtet. Sie dürfen mich nur wissen las
sen , was man von mir fordert ; ich werde nichts zu
dieser Statue verweigern, die den Gelehrten, welche
sie ihm weihen , mehr zur Ehre gereichen wird , als
Voltaire selbst. Man wird sagen , daß in dieſem

des Sophronizon , feinen erhabenen Gönner und


Freund (den geheimen Kirchenrath Herrn Dr. und
Prof. Paulus), um Erklärung zu bitten , wie
er glaube , daß eine Ausgabe dieser Werke am
zweckmäßigsten geliefert werden könne. Hier
die Antwort : Die Schrift von Förster über
Friedrich's Jugend u. s. w . sollten Sie aller-
dings erst betrachten. Sie zeigt , wie nöthig es
wäre, erst das Original der Werke Friedrich's zu
Berlin zu vergleichen . Mir scheint , das blos
Historische der Werke (z . B. das Meiste von dem
fiebenjährigen Krieg ) erhält gegenwärtig wenig
Aufmerkiamkeit. Aber die Gedanken . Ich würde
also zu einem ,,Geist der Werke Friedrich des II."
rathen, wo man alles aufnehmen könnte, was sta:
tistisch, historisch und philoſophisch sich einleuchtend
und verleuchtend zeigte ; sonst wird durch die Quans
tirät die Wahre Frucht erstickt. Wer Friedrich
als velle studiren will, liest doch das Original
im Zusammenhang. Aber ein geistiger Auszug
(auch aus der Correspondenz) , wenn jedem Artis
kel eine Ueberschrift gegeben und an iprem Ente,
wo sie im Original zu finden seyen, angezeigt wird,
kann sehr interessant werden. Oft könnte man
Brief und Antwort zugleich ( aber wörtlich, was
den Punkt betrifft) excerpiren, "
255

achtzehnten Jahrhundert, wo sich so viele Gelehrten


aus Neid auf's bitterste verunglimpfen , man auch
noch Gelehrte fand , die edel und großmüthig genug
dachten , einem Namen Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen , den sein Geist und seine Talente über alle
Jahrhunderte erheben ; daß wir es werth waren,
Voltaire zu befigen , und die fernste Nachwelt wird
uns noch diesen Vorzug beneiden . Fahren Siz
also fort, meine Herren , diejenigen zu ſchätzen und
zu ehren , die sich denselben widmen , und die in
Frankreich das Glück haben , Beyfall zu verdienen.
Dies wird für Ihre Nation das Ruhmvollste seyn .
was Sie thun können , und was derselben vom künf
tigen Jahrhunderte Verzeihung erwerben wird für
einige gothische und welsche Handlungen , welche
leicht Ihrem Vaterlande Schande bringen könnten."/
(Die Schlußworte des Königs beziehen sich auf
die Behandlung , die Voltaire von den Doktoren der
Theologie und den Priestern in Paris , auf deren
Seite der Hof war , erfuhr. Während ihm die Ber-.
ehrer Bildsäulen errichteten , verbrannten jene feire
Schriften, verweigerten ihm sogar nach seinem Tede,
ob er gleich einem katholischen Geistlichen gebeichtet
hatte , ein Grab in Paris ; ja fie erlaubten nicht
einmal , daß seine Freunde der Akademie ihm eine
Messe lesen lassen durften. Diese wendeten sich nun
mit ihrer Bitte an den Schußherrn der freyen Geis
ſter , und sie mußten , daß Friedrich Macht hatte,
das zu gewähren , was der Papst und der Erzbischof
von Paris verwehrten. Der König sagte ihnen fo
gleich zu , die verlangte Meſſe , in der katholischen
Kirche in Berlin lesen zu laſſen. Wirklich ließ
9
256

Friedrich ein feyerliches Hochamt für Voltaire in


Berlin halten, und stattet darüber scherzhaften Be-
richt nach Paris ab : Was Voltaire betrifft , fo
stehe ich Ihnen dafür , daß er nicht mehr im Fegfeuer
ist ; nach dem öffentlichen Todtenamt , das für die
Ruhe seiner Seele feyerlichst in der katholischen Kirche
zu Berlin begangen worden ist , muß Frankreichs
Virgil jezt in Glorie ftrahlen. Der Haß der Theo-
logen kann ihn nicht hindern , in den elysäisten.
Gefi'den , in der Gesellschaft des Sokrates , Homer,
Virgil, Lufrez 7 zu lustwandeln ; dort geht er , mit
einer Hand auf Bayle's Schulter geftüßt und mit
der andern auf Montaigne; er wirft einen Blick in
die Ferne, er sieht dort die Päpste , die Cardinåle,
die Schwärmer , die Strafen eines Irion , eines.
Tantalus , eines Prometheus und aller berüchtigten,
Verbrecher des Alterthums im Tartarus erleiden.
Wären die Schlüſſel zum Fegefeuer bloß in den Hån-
den Ihrer französischen Bischöfe, so wäre für Vol-
taire alle Hoffnung verloren gewesen ; allein durch
Hilfe des Diedrichs , den uns die Messen für die
Ruhe der Seelen verschafft haben , hat sich das
Schloß geöffnet , und er ist glücklich herausgekom-
men; zum Troße der Beaumont , der Pompignon
und ihres ganzen Anhangs. " — Auch in der Cathe
drale von Breslau wurde für Voltaire ein feyer-
liches Todtenamt gehalten.) *)

*) Wir hielten es um so mehr für nothwendig , die


Verhältnisse zwischen Friedrich und Voltaire
in ihrem Zusammenhange hier mitzutheilen , als
nicht blos die Anhänger des legteren, sondern auch
257

Ein Seelenfreund des Königs war der Marquis


d'Argens, ein gelehrter Franzose , der früher fran-
zösischer Offizier war , hernach in Berlin lebte. Jhm
theilte der König am offenherzigsten seine Noth mit,
und zugleich suchte er bey ihm wissenschaftliche Erho-
lung , die ihm immer desto größeres Bedürfniß war,
je mehr die harten Schläge des Schicksals ihn trafen.
und bey keinem der Gelehrten , die Friedrich in
den ersten 15 Jahren seiner Regierung um sich hatte,
und die er mit Wohlthaten überhäufte, fand er die
herzliche Freundschaft , die ermunternden , bescheide-
nen Scherze, und dadurch den großen Ersatz für das
jenige , was er ihnen geben konnte , als bey d'Argens,
Dieser wußte immer zur rechten Zeit gegen den Wih
des Königs seinen Wig spielen zu lassen , aber auch
wieder zurückzuhalten , wenn derselbe nicht in der
Laune war, sich Repartien sagen zu lassen. Der
französische Philosoph schmollte auch wol öfters einige
Tage, und stellte sich dann krank, wenn Friedrich
aufKosten seiner Schwachheiten sich zu sehr beluftigt
hatte; er konnte aber dem einladenden Könige , der
ihm immer wieder mit offenen Armen entgegen kam,
und seiner auffahrenden provenzalischen Lebhaftigkeit
treuherzig verzieh, nie lange widerstreben. Wenn
fich ehrliche Männer mit einander aussöhnen , dann
gewinnt meistentheils die Freundschaft. Jenes war
nicht der Fall mit Voltaire, der , wie d'Argens sich

jene Menschen, welche Alles zu sich, in die eigene


Niedrigkeit , herabzuziehen suchen , gerne durch
diesen Punkt dem großen Könige gern einen Flecken
aufbürden möchten.
258

ausdrückte, falsch war , wie ein alter Affe, deffen


Liebe zwar der König sich aus allen Kräften zu verz
fichern suchte , aber im Grunde doch nie besak. -
D'Argens aber lebte 30 Jahre um den König , und
machte ihm nie das geringste Mißvergnügen , als
zuleht dadurch , daß er ihn verließ und nach Frank.
reich zurückkehrte. -- Während des siebenjährigen
Kriegs erhielt er fast mit jedem Posttage , zuweilen
sehr lange , Briefe vom Könige. Diese mußten dem
ehrlichen d'Argens das wichtigste Unterpfand von dem
Vertrauen seines gefrönten Freundes seyn , da sie
nicht nur in der Sprache des Herzens die jedesmalige
Lage und Denkart desselben bey Glück und Unglück
enthielten, sondern auch in einem Zeitpunkte geschrie
ben waren , wo Friedrich mit halb Europa für die
Aufrechthaltung seiner Staaten rang. D'Argens
vergalt diese hohe Werthschäßung durch die strengste
Verschwiegenheit dessen , was er ihm vertrauet hatte,
und schrieb ihm tröstende und warnende Antworten,
welche die wärmste Liebe und innigste Theilnahme an
Friedrich's Schicksalen verrathen. Er verwahrtë
dessen Briefe so sorgfältig , wie der Priester Reli-
quien im Altare ; ja , man hat bemerkt, daß er sie
oft bey verschlossenen Thüren , aber dann mit ent
blöstem Haupte , las, und nur von den freudigen
Schicksalen des Monarchen , beym ersten Ausbruch
des Entzückens , seinen Busenfreunden etwas ent=
deckte. Dies war die einzige Schadloshaltung bey
fiebenjähriger Abwesenheit des Königs , der ihm in-
dessen sein Sans souci wie sein Eigenthum zu bes
wohnen befohlen hatte. Er war der einzige Fran=
sofe unter allen, die um Friedrich waren , Der
259

sich um teutsche Literatur und Kunst bekümmerte,


auf ihre vortheilhafte Nevolution denselben aufmerk,
sam machte , und am Ende , wegen seines langen
Aufenthalts in Teutschland , sogar die Ehre haben
wollte , ein Teutscher zu heißen. Es war Haupt-
zug in seinem Charakter , als Philoſoph Alles zu be-
zweifeln , als Mensch aber im gesellschaftlichen Leben
Alles zu glauben. Dieser verträgliche Philofoph am.
Throne fällte auch die richtigsten Urtheile über die
übrigen gelehrten Gesellschafter seines gekrönten
Freundes. J D'Arget, Sekretär des Königs, war
ein ehrlicher Mann , dem aber der Aufenthalt am
Hoe zur Last fiel , und der sich nach Frankreich zu
rücksehnte; er ſchäßte den König hoch, aber liebte
ihn nicht. De id Mettrie, der seine lebhafte
Phantasie durch den Trunk verwirrte , bezeigte sich
am unwürdigsten gegen den Monarchen ; er plau-
derte nicht nur in der Stadt aus , was an des Kö-
nigs Tafel war geredet worden , sondern entstellte
auch solche Nachrichten durch allerley hämische Zu-
fäße. Er verdiente also die Achtung nicht , welche
ihm der König in einer nach seinem Tode verfers
tigten Lobschrift beweist. - Weit mehr Werth
hatte jedoch, selbst in Friedrich's Augen, Alga=
otti, der sich in der Geſellſchäft eines Monarchen
von so viel Geist sehr wolgefiel. Allein auch dieser
feine Politiker sah mehr auf das Ansehen , welches
ihm des Königs Freundschaft gab, als auf dankbare
Gegenliebe, welches der Monarch am Ende auch
merkte. Es wäre ihm daher allerdings eine red-
lichere, herzliche Erwiederung seiner Freundschaft zu
wünschen gewesen , indem außer d'Argens wool nur
260

der früh verstorbene Suhm unter allen Bekannten


und Gesellschaftern des Königs eine , der feinigen
gieichkommende, Gemüthlichkeit besaß. Was er
aber bey jenen Fremden fo selten fand , uneigennúð
sige Liebe und gefälliges Nachgeben , wenn sich je
suweilen seine Laune oder , bey den großen Regie
rung aften , sein Mißmuth etwas gegen sie übernahm,
das fand er reichlicher bey seinen Unterthanen, nicht
nar in den Residenzen , sondern auch in den Provin
sen, die er in der Friedensperiode fo vielfältig be
suchte. In diesen reiste er mit bewundernswürdiger
Geschwindigkeit umher , und achtete weder Hiße,
noch Frost. Allenthalben nahm er die Bittschriften
seiner Unterthanen gnådig an , untersuchte ihre Be
schwerden , ihren Wohlfand und übelstand , ſammt
den Ursachen von beiden; ferner das Betragen der
Rentbeamten und Richter ; dann musterte er in wo
nig Augenblicken etliche Regimenter , und flog , wenn
kaum das Geschäft in dieser und jener Stadt
abgethan war , mit gleicher Schnelligkeit weiter.
Keine zeitverderbende Feyerlichkeit , keine schmeichle
rischen Mai: reffen , feine mörderischen Parforcejag-
den , hielten ihn auf. Er schien nur gekommen zu
feyn , um den Unterthanen zu zeigen , daß sie noch
einen theilnehmenden Vater - und den Beamten ,
daß sie noch einen Richter haben. Und so belebte
Friedrich's Anwesenheit, forol in den nächsten,
als entferntesten Gegenden , Alles, wie Strahlen der
wohlthätigen Sonne. Bald war er in Schlesien
gegenwärtig, bald in Pommern, bald im Magdeburg-
schen, bald in den westphälischen Ländern , baid in
Oftfriesland , bald in irgend einer 1 anderen Gegend,
261.

die, ob sie ihn gleich weniger , als Schlesien , an-


lachen mochte , doch immer Intereffe genug für den
sorgsamen Landesvater hatte , um dieselbe nie hintan
zu sehen.
Auf einer solchen Reise in seine Staaten machre
er auch einen Besuch zu Amsterdam ( 1752) , nur
von einem Offizier und einem Pagen begleitet. Es
gefiel ihm daselbst vorzüglich die Gemäldesammlung
des Kaufmanns Bramkamp. Als er in das Haus
desselben kam , der gerade abwesend war , so wollte
ihn dessen Frau nur unter der Bedingung , daß er
seine Schuhe vor der Thüre ausgezogen siehen ließe,
in einem Zimmer auf ihren Mann warten lassen.
Bramkamp erschrack bey seiner Ankunft über diese
unhöfliche Zunöthigung , und bat um Gnade. „ Wa-
rum gaben sich Ew. Majestät nicht zu erkennen ?"
Ich mich zu erkennen geben ! O dafür habe ich mich
wol gehütet, weil mich der König von Preußen vor
dem kleinen Zeremoniel gewiß nicht geschüßt hätte."
Nun mußte die Frau kommen , und sollte ihre Thor-
heit abbitten. Allein dazu hatte sie keinen Sinn.
Was, bey meiner Treu !" rief sie aus,,,ich kann.
nicht helfen. Es müssen Könige und Königinnen
Daran. Ziehe ich ja selbst die Schuhe ab, ungeachtet
Das Zimmer mein Eigenthum ist." - ,,Vollkommen
recht," antwortete der König, und wendete sich zum
Kaufmanne. Sehen Sie da , mein Herr , ich wußte
es wol , daß nur die unerkanntheit und Folgsamkeit
dem Könige von Preußen eine Demüthigung ersparen
würde !//
Wir nahen uns nunmehr jener wichtigen Epoche,
in der Friedrich's Geschicklichkeit und Muth auf
262

eine harte Probe gestellt ward ; in welcher aber sein


bewundernswerthes Genie , unerschütterlich und un-
beugsam bey allen Schläzen des Schicksals , sich zu
einem so außerordentlichen Glanze erhob, und immer,
je höher die Noth und Gefahr stieg , desto größer und
erhabener sich entfaltete. Im Jahre 1754 zählte
das preußische Heer 213 Schwadronen oder 31,496
Mann Cavallerie , und 140 Bataillone oder 119 834
Infanterie und Artillerie, zusammen also über 152,300.
Soldaten. Der König selbst schrieb einen Unterricht
in der Kriegkunft für ſeine Generale , welche Schrift.
nicht allein die für die besten gehaltenen Regeln und
Vecbachtungen , sondern auch manche lehrreiche Be=
merkungen über die lehten Kriege jener Zeit enthält.
„Ich will ſelbſt meinen Feldzug von 1744 aufopfern, “
fagt Friedrich,,,und bekennen, daß ich bey ver-
schiedenen Fehlern einige gute Sachen gemacht habe,
wie die Belagerung von Prag , den Rückzug und die
Vertheidigung von Collin , und endlich den Rückzug
nach Schlesien. Ich verlange davon nicht weiter zu
reden, fadern nur von den unglücklichen Ereignissen,
gegen die weder die menschliche Vorsicht, noch eine
reife überlegung etwas ausrichten können. Und da ich
allein für meine Generale ſchreibe , so will ich keine
anderen Beyspiele anführen , als die, welche mir be
gegnet find.". ...Indem ich," fährt der Monarch
fort, gewiffe Regeln von den Schlachten gegeben .
habe, fann ich nicht vergessen , daß ich sie aus Unvor
fichtigkeit oft übertrat. Meine Offiziere müssen sich
vor meinen Fehlern hüten, und wiffen, daß ich bedacht-
bin , sie abzulegen .“
Fünfter Abschnitt.

Wiederausbruch des Kriegs. - Preußens großer König


bleibt in einem sieben Jahre lang von mehr denn
halb Europa mit Erbitterung gegen ihn geführten
Kampfe unbesiegt. Durch Feldherrntalent , Genie,
treffliche Anwendung jedes ihm zu Gebote stehenden
Mittels, und Standhaftigkeit, bietet er allen feinen
Feinden : dem übermächtigen Oestreich , dem unge-
heueren Rußland, ferner Frankreich, Schweden, Sach-
sen und fast dem gesammten Reiche, die Spige. Der
Friede von Hubertsburg endigt den sieben;
jabrigen Krieg.
(Vom August 1756 bis zum Februar 1763.)

Den Verlust eines so schönen Landes , als das


Herzogthum Schlesien war , konnte Maria Theresia
unmöglich mit Gleichgültigkeit ertragen. Sie hatte
den Frieden zu Dresden geschlossen , weil fie , ver-
faffen von dem Kriegglück, und in mancher Beziehung
auch von ihrem wichtigsten Bundesgenossen , dem
Könige von Großbritannien , gewissermaßen dazu ge=
nöthiget war. Allein sie hatte dadurch der süßen
Hoffnung nicht entsagt , sich dieses schöne Land bey
der ersten günstigen Gelegenheit wieder zu erwerben.
264

Noch war kein halbes Jahr nach dem Schluſſe des


Friedens verflossen , als sie , den 22ten May 1746,
ein Vertheidigung-Bündniß mit der Kaiſerin Elisa-
beth von Rußland schloß. Diesem Bündnisse waren
6 geheime Separatartikel angehängt , wovon der 4te
ein förmliches , wiewol freylich nur auf bestimmte
Falle eingeschränktes , Offensiv - Bündniß gegen den
König von Preußen enthielt. Darin sagte zwar die
Kaiserin Königin auf's Neue die unverbrüchliche Be-
cbachtung des dresdener Friedens zu , erklärte aber
zugleich, daß sie sich nicht nur für den Fall , wenn
der König von Preußen sie selbst , sondern auch als-
dann , wenn er Polen oder Rußland feindlich angrei
fen würde , ihrer Pflicht für entledigt halte , in wel-
chen Fällen dann ihre Rechte auf Schleßen und Glaß,
folglich auch die von russischer Seite erneuerten Ga-
rantien, zu ihrer vorigen Kraft und Wirkung gelangen
würden. Beide kontrahirenden Theile vereinigten
sich daher , daß sie in diesem unerwarteten Falle die
gedachte Garantie ohne Verzug nach ihrem ganzen
Inhalt erfüllen, und zur Abwendung eines solchen
Angriffs , und um die im Frieden zu Dresden abge=
tretenen Provinzen wieder zu erlangen , gegenseitig
60,000 Mann stellen wollten. Es wurde auch ſo-
gleich der Plan entworfen , nach welchem die kontra=
hirenden Mächte zu Werke gehen wollten. Zuerst
ſollte jeder Theil auf der Seite seiner eigenen Staa-
ten in das Land des Königs von Preußen einfallen,
und auf diese Art dessen Macht theilen und schwächen ;
hierauf sollten die Armeen beider Mächte sich vereini-
gen, und die Operationen gemeinſchaftlich mit ein-
ander fortsegen.
265

So geheim man auch diese Artikel hielt, fo


konnte man doch nicht hindern , daß sie nicht endlich
dem Könige von Preußen bekannt wurden. Das
Geld, dieses allmächtige Zaubermittel , welchem ei
serne Schlösser und Thore sich öffnen , schloß auch
dieses Geheimniß auf. Ein von seinem Gläubiger
gedrängter fursächsischer geheimer Canzellist Menzel.
theilte dem preußischen Gesandten zu Dresden, gegen
ungefähr 3000 Thaler , die er nach und nach erhielt,
Abschriften von allen jenen Depeschen mit , welche der
kursächsische Hof von Wien und Petersburg erhielt.
Aus diesen Papieren entdeckte Friedrich den Plan,
der gegen ihn entworfen war. Auch den König von
Polen und Kurfürsten von Sachsen hatte man schon
zu Anfang des Jahres 1747 zum Beytrit eingeladen,
und er zeigte sich nicht abgeneigt, auch Theil an der
Verbindung zu nehmen ; nur wünschte er , daß man
zu seiner Sicherheit bessere Maasregeln nehmen, und
ihm von den Eroberungen, welche man machen würde,
etwas mehr zugestehen möchte , als man ihm ehmals
im leipziger Bündniß vom 18ten May 1745 zuge
dacht hatte. überhaupt schien er nur den Zeitpunkt
erwarten zu wollen , wo er mit weniger Gefahr mit-
wirken könnte.
Noch eh' das Daseyn dieses Planes zur Kennt
niß des Königs von Preußen gelangt war , hatte sich
indessen das politische System der europäischen Mächte
auf eine äußerst unerwartete Weise geändert. Maria
Theresia hatte durch die legten zwey Friedenschlüsse
zu Dresden und Aachen nicht nur Schlesien zum
zweytenmale , sondern auch in Statien Parma und
Piacenza verloren ; und sie legte diese schmerzliche
Friedrich d. Einz, II. 10
266

Verminderung ihrer Macht nicht mit Unrecht nie


mand anderem zur Last , als dem Könige von Groß-
britannien , der zuleht ihren Vortheil dem seinigen
aufgeopfert hatte. Dieses erzeugte in ihr eine ge=
wiffe Kälte gegen den Hof zu London , und den
Wunsch, mit irgend einer anderen Macht in Ver-
bindung zu treten , durch welche sie ihren Vortheil
beffer finden dürfte. Ihr Minister , der Graf von
Kaunis Ritiberg , verfiel zuerst auf den Gedanken,
die Anknüpfung eines guten Verständnisses mit der
Krone Frankreich zu versuchen , und eben dadurch
diese Macht von ihrer bisherigen Verbindung mit
Preußen abzuziehen. Schon bey dem Congreffe zu
Aachen soll er sich gegen den französischen Gesandten,
Grafen von St. Severin , geäußert haben , daß,
wenn Frankreich sich mit dem Hause Östreich verstehen
wolke , zwischen beiden Höfen wol eine vortheilhafte
Verbindung statt finden könnte , und dem Könige
von Frankreich Flandern und Brabant ganz abgetre-
ten werden dürfte , wenn er der Kaiserin Königin
zur Wiedererlangung Schlesiens beförderlich sepn
würde.
Eine Verbindung Frankreichs und Östreichs,
welche bisher gleichsam geschworene Erbseinde gegen
einander gewesen waren , schien damals nicht nur
dem Grafen von St. Severin und allen Franzosen,
fondern auch allen Politikern in Europa, eine Chi-
måre zu seyn. Allein Kaunis , der bald hierauf, als
Gesandter der Kaiserin Königin , an den Hof von
Versailles kam , hörte nicht auf, diesen seinen Lieb
lingsplan zu verfolgen , und er hatte endlich das Ver-
gnügen, wahrzunehmen, wie weit man es durch
267

unausgesezte , unrerdroffene Vorstellungen bringen


könne. Zu Versailles fing man allmålig an , eine
Allianz mit Östreich nicht für unmöglich zu halten,
und gegen den Hof zu Berlin kålter zu werden.
Was Kaunis glücklich angefangen hatte , vollen
dete der Nachfolger desselben , der Graf von Starem
berg , eben fo glücklich. In geheimen Zusammen
fünften mit der Alles vermögenden Maitresse des
Königs von Frankreich (der Marquise de Pomp a-
dour), welche schon Kauniß zu gewinnen gewußt
hatte, und mit dem Abbé Bernis , der eigentlich
durch sie an die Spihe der Staatgeschäfte war gesent
worden , wurde der Plan einer näheren Verbindung
beider Höfe entworfen , und die Ausführung vorbe
reitet. Doch den völligen Schluß einer Allianz bes
förderte die indessen vorgegangene Veränderung der
Verhältnisse zwischen den beiden Königen von Groß-
britannien und Preußen. So viel Grund Maria
Theresia zu haben glaubte , sich über den König von
Großbritannien zu beklagen , eben so viel Ursache hatte
Friedrich, mit der Krone Frankreich unzufrieden
zu seyn , die ihn oft gegen die klare Vorschrift der
Verträge in den bedenklichsten Umständen ohne Unter-
stügung gelassen hatte. Wie wenig man ein gegrün-
detes Zutrauen in die Aufrichtigkeit ihrer Gesinnun=
gen sehen könne, zeigte eben jest die gegenseitige
Annäherung der beiden Höfe zu Versailles und Wien,
welche dem Könige von Preußen nicht verborgen blieb,
so geheim sie auch gehalten wurde. Es war daher
sehr natürlich , daß in ihm der Wunsch aufstieg , ſich
durch irgend eine andere Allianz gegen seine Feinde
in Vertheidigung zu setzen , befenders da Östreich
10 *
268

sich auch an Rußland immer enger anschloß , und sein


anversöhnlicher Feind , der ruſſiſche Großkanzler
Bestuschew , nichts unterließ , ihn bey der Kaiserin
Elisabeth recht verhaßt zu machen . Friedrich's
Augenmerk fiel auf den König von Großbritannien,
und zum Glück fühlte dieser ein eben so großes Be-
dürfniß einer neuen Allianz , da ihm eben ein Krieg
mit Frankreich bevorstand.
Der Zwist mit Frankreich betraf ursprünglich
die Gränzen von Acadien oder Neu - Schottland in
Nordamerika. Im Frieden zu Utrecht hatte Frank-
reich dieses Land an Großbritannien abgetreten , und
zwar nach seinen alten Gränzen. Allein zum Unglück
wurde nicht zugleich angegeben , wie weit sich die
alten Gränzen erstreckten. Im Frieden zu Aachen
blieb diese Frage eben so unbestimmt ; die Irrung
wurde vielmehr noch durch den Beysaß vergrößert,
daß Alles wieder auf den Fuß gefeßt werden sollte,
auf dem es vor dem Kriege gewesen wäre , oder
håtte seyn sollen. Kein Wunder alſo , daß die
Engländer sich in dieser Gegend immer weiter auš¡u-
breiten suchten . Sie legten in Acadien eine neue
Stadt (Hallifar) an , und versahen sie mit Colonisten .
Im Gegentheile suchten die Franzosen sich dieser Aus-
dehnung der Gränzen zu widersehen , und legten an
der Landenge von Neu - Schottland einige Horts ám.
Auch am Ohiofluffe waren die Engländer , nachdem
fie eine Ohiogesellschaft gestiftet hatten , im Begriff,
neue Anlagen zu errichten ; allein auch hier waren
Die Franzosen , welche nicht zugeben wollten , daß ihr
Louisiana und Canada dadurch getrennt werde , bes
müht, ihnen durch Anlegung vieler neuen Forts,
269

neben und zwischen den britischen , entgegen zu arbei-


ten. Kurz , die Irrungen vergrößerten sich immer
mehr , obwol von beiden Seiten Grånzkommissäre
abgeordnet waren , um sie zu heben , und im July
1745 fam es zuerst zwischen beiden Theilen zu That-
lichkeiten. Die Folge derselben war endlich ein förm=
licher Krieg.
Der König von Großbritannien hatte bald er-
fahren, daß man in Frankreich damit umgehe , den
Strieg auch nach seinem teutschen Lande , Hannover,
zu spielen. Das beste Mittel , ein solches Ungewit
ter von seinem Kurfürstenthum abzuwenden , war in
feinen Augen eine Allianz mit dem Könige von
Preußen. Er bot ihm daher selbst ein Bündniß
an. Friedrich blieb nicht lange unentschloffen, be
sonders nachdem er Nachrichten erhalten hatte, daß
die Kaiserin Elisabeth von Rußland das gute Ver-
ſtändniß mit Großbritannien beybehalten werde. Da
er hoffte, daß ein Bündniß mit dieser Krone nicht
nur die Franzosen vom teutschen Boden zurückhalten,
sondern auch das Haus Östreich zur ferneren Beob
achtung des Friedens nöthigen werde , so trat er in
Unterhandlung mit dem Könige von Großbritannien,
die sich mit dem Schlusse eines am 16ten Januar
1756 zu Westmünster unterzeichneten Neutralitar
Vertrages endigten. In demselben versprachen sich
heide Theile, daß sie ihre ganze Macht vereinigen
wollten, um den allgemeinen Frieden in Teutschland
zu erhalten , und sich dem Ein- und Durchmarsche
fremder Truppen in und durch die teutschen Pro-
vinzen zu widersehen.
Welche außerordentliche Sensation die Nachcht
270

von dem Schluffe dieser Allianz am Hofe zu Versail


les herporgebracht habe , ist schwer zu beschreiben.
Eher hätte man sich alles in der Welt vorgestellt, als
daß der König von Preußen , welchen man bisher als
den jederzeit bereitwilligen Diener der Krone Frank-
reich, betrachtet hatte , es wagen würde , einen solchen
Schritt zu thun. Doch, da er nun einmal unwiders
ruflich gethan war , so forderte die Klugheit , zur
Sicherheit entgegengeseßte Maasregeln zu ergreifen.
Maria Theresia säumte nicht, die längst gewünschte
Allianz mit Frankreich förmlich in Antrag zu bringen ;
und hatte man zwar am Hofe zu Versailles in Anse-
hung dieses Gegenstandes noch immer unschlüßig hin
und her geschwankt, so verzögerte man jeßt eine bes
stimmte Entschließung nach dem Wunſche des Hauſeß-
Öftreich keinen Augenblick weiter. Am 1ten May
1756 wurde zu Versailles ein Neutralitäts- Vertrag
unterzeichnet , worin sowol die Kaiserin Königin sich
verpflichtete, während des ganzen Krieges wegen der
amerikanischen Gränsstreitigkeiten eine vollkommene
Neutralität zu beobachten , als auch der König Lud-
wig der XV. von Frankreich ihr dagegen zusegre,
daß er keinen ihrer Staaten angreifen wolle. Die-
fem Vertrage folgte an demselben Tage ein Freund-
fcaft und Bertheidigung-Bündniß , worin sich beide
Theile zu einer gegenseitigen Garanție und Verthei-
digung ihrer gesammten europäischen Staaten , und
zwar mit einem Beyſiande von 24,000 Mann , ver-
pflichteten , doch mit Ausnahme des gegenwärtigen
französisch-englischen Kriegs wegen der amerikaniſchen
Besihungen.
Diese neue, dem bisherigen politiſchen System
271

der europäischen Mächte so ganz entgegen laufende


Allianz zwischen Frankreich und Östreich gewährte,
wenn man zugleich die großen , zur Wiederoberung
Schlesiens angelegten , Plane des lehteren Hauses in
Betrachtung jog , feine erfreuliche Aussichten für die
Erhaltung der Ruhe in Teutschland. Ein neuer,
unvermutheter Schlag vergrößerte noch die Besorg.
niß. Die Kaiserin von Rußland , auf deren Anhäng
lichkeit an Großbritannien man so zuversichtlich ges
rechnet hatte , trennte sich aus Haß gegen den König
von Preußen förmlich von jener Krone, und ging
zur französisch-östreichischen Partey über. Anstalten
sum Kriege folgten sogleich nach; in Liefland steckte
man Lager ab, und eine ruſſiſche Armee von 50,000
Mann sette sich gegen die preußischen Gränzen in
Bewegung.
Schon machte auch der wiener Hof ähnliche Vor.
bereitungen . Man schaffte Zugpferde herbey ; er-
richtete große Magazine , und zwey zahlreiche Heere
sammelten sich in Böhmen, wovon sich eines , unter
Piccolomini, bey Königsgräß , das andere, unter dem
Commando des Feldmarschalls Brown , bey Prag la-
gerte. Um vor den Augen des Publikums nicht selbst
als angreifender Theil zu erscheinen , benügte man
eine Klage des Herzogs von Mecklenburg gegen den
König von Preußen , welcher ein von seinem Vors
fahren seit langer Zeit ausgeübtes , von dem Herzog
aber neuerlich verweigertes , Recht der Werbung in
Den mecklenburg'schen Landen endlich mit Gewalt
geltend gemacht hatte. Diese Handlung ſellte man als
eine Verlegung des westphälischen Friedens vor, und
fuchte alle Garants desselben gegen ihn aufzubringen.
272

Da dieser Plan mißlang , ging man damit um , den


König zu einem Bruche mit Rußland oder mit dem
Könige von Polen zu reizen , und sich dadurch eine
Veranlassung zu gegenseitigen Feindseligkeiten nach
dem Inhalte der in dem Bündnisse mit Rußland
verabredeten geheimen Artikel zu verschaffen. Kură,
alle diese Umstände ſchienen anzuzeigen , daß man
einen großen Plan gegen Preußen vor habe. Fried-
rich hielt es daher für nöthig , durch seinen Minister
am wiener Hofe anzufragen , was dieſe Kriegrüßtun-
gen zu bedeuten hätten ; und da , wie man leicht
vermuthen fonnte, nur eine zweydeutige Antwort
erfolgte, fo glaubte er , der ihm drohenden Gefahr
zuvorkommen zu müſſen , und griff zuerst zu den
Waffen, feinem Grundsaße getreu : ,,Es ist beffer,
zuvorzukommen, als sich zuvorkommen zu laffen
Die Verbündeten hatten damals ihre Zurüſtun-
gen faum angefangen ; es fehlte an Geld, und die
sum Kriege bestimmten Truppen lagen noch größten-
theils ruhig in ihren Standquartieren , von den Py-
renden bis zum fafpischen Meere , als der König von
Preußen im Monat Auguſt 1756 sich wie ein Rieſe
von seinem Lager erhob, und mit 60,000 Mann in
Sachsen einfiel. Die Besißnehmung dieses Landes
war ihm zum Eindringen in Böhmen durchaus noth
wendig ; auch wurde er dadurch Meister der Elbe,
ein Umstand, der ihm große Bortheile gewährte. Alle
bewaffneten Haufen zogen sich in größter Eile zurück,
und die wichtigen Städte Wittenberg , Torgau und
Leipzig wurden ohne Widersand eingenommen *).

*) Unsere Quellen bey Darstellung der Geschichte des


273

Dieser große Schritt war begleitet von einem


Manifeste zu seiner Rechtfertigung , abgefaßt von
Friedrich's eigener Hand , und von einer nicht
feindseligen Erklärung seines Gesandten am sächsischen

fiebenjährigen Kriegs ſind vorzüglich : 1) die Oru-


vres posthumes de Fredéric II. Die von dem
Könige darin gegebene Erzählung der Ereigniſſe
von 1756 63 kann jedoch nicht als Hauptquelle
von Geschichtschreibern betrachtet werden . ,,Mehr
aus der Erinnerung ," sagt Förster,,,als aus
geführten Tagebüchern , wie man glaubt , schrieb
Friedrich die Geschichte dieses Krieges. Das
erste Manuscript soll durch die unvorsichtigkeit
eines Bedienten zum großen Theil verbrannt seyn ;
der König schrieb das Buch zum zweytenmal in
brey Monaten fertig. So erzählt der Verfasser .
von , Vie de Frédéric II. Roi de Prusse, à Stras-
burg. T. VII. p. 357. “ .-- Archenholz bes
merkt, im Allgemeinen sehr richtig : " Man weiß
den Unfall, der das ursprüngliche Manuscript des
Monarchen betraf, der daher diese seiner Feder so
würdige Geschichte zwar nochmals schrieb , allein,
wahrscheinlich in seinem damaligen Alter nicht .
mehr aufgelegt zum Nachforschen und Nachsuchen,
großentheils aus dem Gedächtniß , und mit sichts
barer Nachläßigkeit. Viele große Begebenheiten
sind von ihm nur obenhin berührt , andere ganz
übergangen worden ; an deren Stelle treten Nach
richten von unbedeutenden Vorfällen , die allen
Kriegen gemein sind. Auch findet man hier wes
der die Charakterschilderung seiner politischen Geg
ner, sowol der Fürsten, als ihrer Minister , noch
der feindlichen Heerführer , noch seiner eigenen
Feldherren , die auf dem Kriegtheater erschienen,
und die Niemand beſſer kannte , wie er ; hier ist
274

Hofe über die Nothwendigkeit seines Durchzugs nach


Böhmen. Er hatte keinen Alliirten , als den König
von England , Georg den II. , von welcher Verbin-
dung die Vortheile ſich aber noch sehr in der Ferne
zeigten. Die Rettung des preußischen Monarchen
hing also ganz allein von der Geschwindigkeit und dem
Nachdruck seiner Kriegoperationen ab. Der Eine
marsch in Sachsen , meisterhaft sowol wegen der da-
bey beobachteten Disciplin und Ordnung , als der

auch kein Detail von seinen Cabinetoperationen,


von seinen geglückten oder mißlungenen Entwür
fen , und von seinen Hilfmitteln. Dieser Theil -
seiner Geschichte erfüllt daher auf keine Weise die
große , durch alle seine anderen Schriften berech
tigte Erwartung , ist als unvollendet , und folga
lich, bey den vielen Berichtigungen , die sie gibt,
doch nicht als die erste Hauptquelle zu betrachten."
2) Geschichte des ſiebenjährigen Krieges in Teutsch
land von 1755 - 63, durch J. B. von Er ch'ens
hols , 2 Bånde, Berlin ; de trog aller dem Vers
fasser gemachten Vorwürfe ein treffliches Werk.
3) Histoire critique et militaire des guerres de
Frédéric II, comparées au système moderne,
avec un recueil des principes les plus impor-
tans de l'art de la guerre. Par le Lieutenant-
général Jomini, Aide-de-camp général de S. M.
l'Empereur de Russie etc. Troisième édition,
3 tômes; Paris 1818. -- Sehr wichtig .
4) Die Feldzüge Friedrich des 11. , beschrieben
von Baron Cahill , Obrist in königl. ſardiniſchen
Diensten. 2 Theile. Frankenthal 1788. G Hie
und da mit brauchbaren Notizen. - Die übrigen
benügten Schriften werden in den Anmerkungen
genannt.
275

weisen Richtung der Heerzüge , geschah in drep


Colonnen , deren Anführer der König , der Herzog
Ferdinand von Braunschweig , und der Herzog von
Bevern waren , sämmtlich bestimmt, sich in der Nähe
von Dresden zu versammeln.
Sobald man hier die erste Nachricht von Fried-
rich's Aufbruch erhielt, war die Bestürzung des
Hofes außerordentlich. Man hielt geheime Raths.
versammlungen , bey denen der Graf Brühl prás
dirte; ein Minister , dessen Größe nicht in einer tie-
fen Staa kunst, sondern in dem Ta'ent bestand, einen
königlichen Aufwand zu machen, und seinen tragen
Monarchen unumschränkt zu beherrschen. Er befaß
diese Kunst in einem so hohen Grade , daß er als
Günstling zweyer Könige , Vater und Sohn ,
beide von sehr verschiedenem Charakter und entgegen=
gefeßten Gesinnungen , vielleicht das einzige Beyspiel
in der Geschichte ist; auch führte er den vielbedeu-
tenden Titel eines Premier - Ministers . Er haßte
den König von Preußen , der sich gleich nach dem
Antrit seiner Regierung vergebens herabgelassen hatte,
ihn zu gewinnen. Friedrich wollte ihm vom Kai,
fer Kart dem VII. den Fürstentitel verschaffen , den
der Minister sehr wünschte , allein ohne Preußens
Vermittelung. So wuchs dieser gegenseitige Haß,
gepaart von der einen Seite mit Unmacht und Ran-
ken , von der anderen mit Macht, Klugheit und einem
anrückenden , sieggewöhnten Heere.
Man war in Sachsen so wenig zum Kriege vor-
bereitet, daß Brühl nicht einmal daran gedacht hatte,
die in Polen befindlichen Regimenter kommen zu laf-
sen; vielmehr hatte er, um seinen Lurus zu befrie
276

digen, kurz zuvor die Armee im Lande vermindert ;


auch hatte man keine Magazine angelegt , und zahi.
lose Feltbedürfnisse fehlten gänzlich. Es wurde also
in dieser gefährlichen Lage unter allen Maasregeln
die unweiseste genommen . Man zog in größter Eile
die sächsischen Truppen zusammen , die eine Armee
von 17.000 Mann ausmachten , und schlug an den
böhmischen Gränzen , unweit Pirna , ein Lager auf.
Es war an die Elbe geftüßt , die sich hier zwischen Fel.
fen brausend durchschlängelt und einen Bogen macht,
in der Nähe sowol von der Festung Königstein , als
von dem Fort Sonnenstein , und größtentheils von
Bergen und einer Kette schreffer Felsen umgeben ;
überhaupt war dessen Lage von Natur außerordent.
lich fest , und die Kunst that nun das übrige , um es
unbezwinglich zu machen. Dies Lager wäre sehr wol
gewählt gewesen , wenn man den Östreichern den Ein-
gang in Sachsen hätte verwehren wollen ; allein fein
solcher Zweck fand gegen die Preußen statt , denen
mán Dresden und das ganze Kurfürstenthum preis
gab. Der Umfang des Lagers war jedoch für die
sächsische Armee zu groß, daher man sich begnügte,
nur die ohnehin schweren Zugänge durch Verhacke,
Redouten und Pallisaden , wozu die mit Waldungen
bedeckten Berge im Bezirk des Lagers das Holz lie
ferten, noch mehr zu besestigen . Man dachte aber
blos , sich gegen das Schwert der Preußen in Sicher
heit zu setzen , und vergaß darüber einen weit fürch
terlicheren Feind von dem Lager zu entfernen ; einen
Feind, der seit Jahrtausenden so viele Heere besiegt,
so viele große Feldherren zur Flucht gebracht , oft
die größten Siege vereitelt , und die langwierigsten
277

Kriege auf einmal geendigt hat. Das Wort Hun-


ger und deffen schreckliche Wirkung mußten einem
Minister unbekannt seyn , der , in asiatischem über-
fluffe zu leben gewöhnt , an keinen Mangel dachte,
der folglich die unbedeutendſcar Anstalten zum Unter
halte seiner braven, muthigen Truppen machte , und
selbst in dieser fummervollen Lage bestandig eine
prachtvolle Tafel hielt. Indessen hatte die Armee
nur auf 15 Tage Lebensmittel im Lager . Man vers
sah fich mit Palisaden , aber nicht mit Brot , und
verließ sich auf die kaiserlichen Truppen , die unter
dem Commando des Feldmarschalls Grafen Brown
in Böhmen eilig zusammengezogen wurden.
Indeß war Friedrich in Sachsen eingetroffen,
und hatte mit dem Könige von Polen einen Brief
wechsel angefangen. August, der sich mit seinen
beiden ältesten Prinzen , Xavier und Karl , und von
seinem Minister Brühl begleitet , in's Lager bey
Pirna geflüchtet hatte , sprach immer in diesen Brie
fen von Neutralität , und Friedrich von überzeu
genden Beweisen , die zu geben jedoch August und
Brühl sehr weit entfernt waren. Der preußische
Monarch , der den Werth dieſes neutralen Aherbie-
tenë fannte , machte indeffen alle Anstalten , sich in
Sachsen zu behaupten , unter der Versicherung , daß
er es nur in Depot nehmen wolle ; eine Erfindung
der neueren Saatkunst , um der Besißnehmung eines
benachbarten Landes das Ansehen eines feindlichen
Einfalls zu benehmen , die aber von den Gegnern
gewöhnlich mit dem wahren Namen bezeichnet wird.
Es wurden , zur Verpflegung der preußischen Trupe
pen , große Lieferungen an Getreide , Vieh und
Friedrich d. Einz. II. 11
278

Fourage ausgeschrieben ; die Stadt Torgau wurde


befestigt , und mit Kanonen beſeßt , die man in ver-
schiedenen sächsischen Städten gefunden hatte. In
diese Stadt wurde sodann daš preußische General-
Kriegkommissariat und die Feldkriegkasse verlegt,
wohin auch alle Contributionen des Landes geliefert
werden mußten.
Der König von Preußen ſelbſt rückte den 10ten
September ohne Widerstand in das von allen Trup.
pen entblöste Dreiden ein , und beseßte die Stadt
und das königliche Schloß. Sein und seiner Sol-
daten Betragen bey dieser Gelegenheit charakteriſirte
den Geist des Zeitalters , wo man sich bemüht , ſelbſt
im Kriege , mitten unter harten Demüthigungen,
unter höchst frånkenden , ja ſchrecklichen Scenen, ver-
feinerte Sitten , Empfindsamkeit und Höflichkeit an-
zubringen. Friedrich nahm sein Hauptquartier
in einem Garten in der Vorstadt , in deren Nähe
seine Armee campirte. Alle Maasregein wurden
genommen , um das scheußliche Bild des Krieges in
den Augen der beräubten Sachſen weniger schrecklich
zu machen , und den neuen Gebieter in einer liebens
würdigen Gestalt zu zeigen. Er wollte als Freund,
als funfiiger Bundesgenoffe und als Gast angesehen
seyn. Nichts ging daher seinem liebreichen Betragen
ab. Den auswärtigen Gesandten wurde Audienz er-
theilt, wobey man ſcherzte und aufgeräumt war. Fat
allé Standespersonen , die sich in Dresden befanden,
machten ihre Aufwartung ; ein Gleiches that der
Stadtmagifirat ; alle wurden wol aufgenommen.
Der König hielt öffentliche Tafel , wobey die Sachſen
in zahlreichen Haufen als Zuschauer erschienen ; auch
279

ließ er durch den Feldmarschall Keith die Königin


und die übrige königliche Familie bekomplimentiren,
die dafür nichts schuldig blieben , ihn zur Tafel ein
lud , und ihm Kammerherren zur Aufwartung an
bot , welches beides jedoch nicht angenommen ward.
Dieser Höflichkeiten ungeachtet aber wurden in Dreg_
den die Canzeleyen versiegelt , die Collegiensale ver
schlossen, das Münzdepartement aufgeh ben , einige
der vornehmsten Civilbeamten ihrer Dienste entlassen,
Die ganze Artillerie nebst der Munition aus dem Ar-
fenal der Residenz nach Magdeburg gebracht , die zur
Schloßwache bestimmte fächſiſche Schweizergarde ent
waffnet , und im ganzen Lande die furfürstlichen
Kaffen in Beschlag genommen ; dabey wurde alle Com-
munikation zwiſchen Dresden und dem fächsischen La-
ger abgeschnitten , so daß der Weg dahin blos den
mit Victualien für des Königs von Polen eigene Tafel .
beladenen Wagen , den Courieren der beiden Könige,
und den abgesandten Trompetern offen blieb . Das
Lager bey Pirna ſelbst war von 32,000 Preußen ein
geschlossen , während eine andere , ungefähr eben fo
starke, preußische Armee , unter Anführung des
Feldmarschalls Keith , mit der Fronte gegen Böhmen
poftirt war , um die etwa ankommenden Hilftruppen
zu beobachten. Der Herzog Ferdinand von Braun-
schweig årndete indeffen die ersten Lorbeern in dieſem
Kriege ; er drang mit der Avantgarde in Böhmen
ein , und vertrieb den öftreichischen General Wied,
der sich mit 8000 Mann bey Nollendorf postirt hatte.
Obgleich das zum Untergang des Königs von
Preußen entworfene Bündniß diesem Monarchen ver-
rathen worden war , und er auch Abſchriften vieler
11 *
280

dazu gehörigen wichtigen Papiere hatte, so war doch


noch Manches dunkel geblieben. Die genaue Kennt=
niß der gemachten Entwürfe war ihm aber zu seiner
Selbsterhaltung außerst nöthig ; hiezu kam die poli-
tische Pflicht , seinen Einfall in Sachsen , der alle
europäischen Höfe in Erstaunen sehte , durch unver,
werfliche Dokumente zu rechtfertigen. Er sah sich
daher in die Nothwendigkeit gesezt , ſich des ſächſi-
ſchen Archivs zu bemächtigen , welches bereits gepackt
war, und eben nach Polen geschickt werden sollte.
Die Königin , benachrichtigt , daß Friedrich befoh=
len hatte , das Archiv wegzunehmen , wollte sich wi=
´derſeßen. Man hatte viele Mühe , ihr begreiflich zu
machen , daß sie beſſer thun würde , aus Gefälligkeit
für den König von Preußen hierin nachzugeben , und
sich nicht gegen einen Schritt zu ſträuben, der zwar
etwas hårter nåre , als man es ſelbſt gewünſcht hätte,
den aber eine unvermeidliche Nothwendigkeit erhei-
ſche. Der erste Gebrauch, den man von dieſem Archiv
machte , bestand darin , den Auszug davon zu liefern,
welcher unter dem Titel : " Gründliche Nachricht von
den gefährlichen Absichten der Höfe zu Wien und
Dresden , mit Belegen und Urkunden , “ dem Pu-
blikum bekannt ist.
Es wurde jedoch immer noch mit großem Eifer
gearbeitet , zwischen den Königen von Preußen und
von Polen einen Frieden zu Stande zu bringen . Die
Gesandten von England und Helland , Graf Stor-
mont und Herr Calfeen , widmeten besonders alle
iore Kräfte diesem so wohlthätigen Geschäfte. Fried-
rich verlangte vom Könige von Polen , zum Beweise
der strengsten Neutralitat, daß die sächsischen Truppen
281

auseinander gehen , und ihre Quartiere beziehen


follten. August versprach neutral zu bleiben ; allein
er schlug es ab, seine Zusicherung durch Handlungen
zu bestätigen. Eald nach August's Ankunft im Lager.
forderte er seine Truppen durch eine pathetische Rede
auf, sich mit ihm , troß der Macht des Feindes,
durchzuschlagen , um Böhmen zu erreichen. Er sagte,
er sey selbst entschloffen, sein Leben dabey aufzuopfern ;
es gehöre seinen Unterthanen , und der Himmel würde
das übrige thun. Man zeigte ihm aber die Unmög
lichkeit, diesen Entwurf auszuführen , worauf er sich
mit seinen Prinzen und dem Minister nach der Festung
Königstein begab. Von hier aus fandte er eine neue
Aufforderung an seine Armee ; er bat fie , die Ehre
ihres Königs zu retten , und sich bis auf den leßten
Bluttropfen zu vertheidigen. Die getreuen Sachsen,
zu deren Charakteristik es gehört, ihre Herrscher,
wie sie auch immer beschaffen seyn mögen, leidenschaft:
lich zu lieben , zeigten ihre Bereitwilligkeit , August's
große Erwartungen zu erfüllen. Der Mangel aber
herrschte in ihrem Lager bald so sehr, daß Menschen
und Pferden ihr bestimmter Unterhalt um ein Drit
theil vermindert wurde. Ihr Muth wuchs jedoch,
als sie von der Annäherung der öftreichischen Armee
hörten, die damale, obwol in zerstreuten Corps, schon
über 70,000 Mann in Böhmen stark war.
Die Thätigkeit und der Eifer des wiener Hofs,
den Krieg anzufangen , war außerordentich. Ein
großer Theil der Cavallerie in Böhmen war jedoch
noch unberitten , und erhielt erst die Pferde am Ende
des Augusts, im Lager bey Collin , zu einer Zeit, wo
Die Preußen sich schon im Königreich befanden ; ja
282

man war noch so wenig vorbereitet zum Kriege , daß


es fogar an Pferden fehlte , die Artillerie und Mu-
nition nach Böhmen zu schaffen . Theresia öffnete
nun ihre Marställe , und gab ihre eigenen Pferde hir,
um die Kanonen fortzubringen. Der öftreichische
und böhmische Adei beeiferte ſich um die Wette , dies
große Beyspiel nachzuahmen. Man drångte sich von
allen Seiten herbey , die Pferde zu wechsein , und so
geschah der Transport mit ganz unberechneter Ge
fchwindigkeit.
Dieſe Umstände, und der Verlust einer kostbaren
Beit, die ihn zum Herrn von Böhmen gemacht hätz
ten , ånderten das System Friedrich's , der jest
nicht mehr mit der Neutralität der Sachſen zufrieden
seyn konnte , um keine Feinde im Rücken zu behalten ;
er bestand daher auf einem förmlichen Bündniß mit
August, wenn er seine Truppen befreyen wollte , wos
bep er ihm verſprach , daß , wenn das Glück die
preußischen Waffen begünstigte , er den Schritt nicht
bereuen würde ; måre Preußen aber unglücklich , ſo
dürfte Sachsen ein gleiches Schicksal haben. August
aber wollte von keiner Verbindung hören.
Diese Standhaftigkeit eines von Natur trågen
Monarchen war unerwartet. Friedrich machte
noch einen Versuch ; er schickte seinen Liebling, den
General Winterfeld , einen so vortrefflichen Krieger,
als feinen Hofmann , an August , um durch seine
Beredsamkeit den schriftlichen Vorstellungen Fried
rich's das nöthige Gewicht zu geben. Noch wünschte
dieser Monarch sehnlich eine Verbindung mit Sach-
fen , zwischen zwey benachbarten Staaten ,“ wie
er sich in seinem Brief an August ausdrückte,,,bie
283

einander nicht entbehren können, und de-


ren wahrer Vortheil es erfordert , ewig
verbunden zu bleiben." Da aber auch diese
Vorstellungen ohne Wirkung blieben, und man sich
auf Ehre und Gewissen berief, so hieß es in Fried-
rich's Brief vom 15ten September : Es thut mir
leid, daß ich meine Willfährigkeit nicht weiter trei.
ben kann. Dennoch wurde Winterfeld noch einmal
zum Könige von Polen geschickt ; allein feine wieder-
holten Vorstellungen und neuen Vorschläge waren
ebenfalls fruchtlos. August , dessen große Verlegen.
heit noch durch die Annäherung des polnischen Reich
tags vermehrt wurde, der den 4ten October ange
feht war , bat nun um Páſſe zu seiner Reise nach
Warschau. Friedrich aber wollte vor Entscheidung
des Schicksals von Sachsen diese Reise nicht bewil
ligen. Die Bitten August's wurden immer dringen-
der ; der Großkanzler von Polen , Malachowëfy,
begab sich selbst in's preußische Lager , das Einsuchen
durch die Drohung zu unterſtüßen , daß die Polen das
gewaltsame Aufhalten ihres Königs nicht gleichgültig
ansehen würden . Friedrich aber blieb unbeweglich.
Der östreichische General Brown hatte indeffen
von seinem Hofe die gemessensien Befehle erhalten,
Alles zu wagen , um die Sachsen zu entsegen. Die
Vereinigung beider Heere unter einem so erfahrenea
Feldherrn, den Östreich seinen größten Männern an
die Seite sezte, håtte dem Kriege sodann eine andere
Gestalt gegeben. Friedrich nar davon überzeugt,
und verdoppelte daher seine Unstalten , das ſächſiſche
Lager einzuschließen, und den darin befindlichen Trup-
pen alle Hilfe abzuschneiden. Um diesen Endzweck
284

desto besser zu erreichen , mußte der Feldmarschall


Keith mit einem starken Corps in Böhmen vorrücken,
und die Bewegungen der Östreicher beobachten. Der
preußische Feldmarschall Graf Schwerin war schon
von Schlesien aus mit einer Armee von 35,000 Mann
in Böhmen eingedrungen , und hatte sich unweit Kö-
nigegråß gelagert. Diese beiden preußischen Armeen
sollten , nach Friedrich's Entwurf, die Feinde in
ihrem eigenen Lande so beschäftigen , daß sie an die
Sachsen nicht denken könnten. Er selbst harrte tåg-
lich auf die übergabe der eingeschlossenen Armee,
weil er bedenklich fand , vorher nach Böhmen zu ges
hen , wo er keine Magazine hatte; auch wären die
fächsischen Truppen durch diese preußische Operation
Meister von der Elbe geworden , und dem König im
Rücken geblieben. Es fehlte ihm überdem für jeßt
an einer hinreichenden Anzahl von Fuhrwerken und
Fahrzeugen zum Transporte der Lebensmittel , und
die fürchterlichen Defileen , welche die Zugänge dies.
ses Königreichs von allen Seiten decken, machten auch
noch mancherley Vorkehrungen nothwendig.
Brown mußte , um die Safen zu entseßen,
über die Eger gehen ; allein er hatte noch keine Pon-
tons. Diese , nebst der nöthigen Artillerie , kamen
erst den 30ten September in seinem Lager an , da
er sich denn sogleich in Bewegung feste. Fried
rich's Absicht war nun , durch eine Schlacht ihn zum
Rückzuge zu nöthigen ; er übergab daher das Com>
mando der Blokirungsarmee dem Markgraf Karl,
ging allein zu seinen bey Außig stehenden Truppen,
und brach mit ihnen den 30ten September auf , an
eben dem Tage, da Brown wirklich die Eger pasßrte.
285

Am folgenden Morgen , gleich nach Tagesanbruch,


trafen beide Armeen auf einander, unweit Lowosit,
einem böhmischen Städtchen. Die öftreichische war -
52 Bataillone und 72 Schwadronen stark, dabey
hatte sie 98 Kanonen ; die preußische bestand aus
24 Bataillonen und 60 Schadronen , sie führte 102
Kanonen. Es war ein so starker Nebel , daß man
nur wenige Schritte vor sich sehen kannte. Die
Anhöhen von Lobosch und Radostih , von welchen die
Stellung der Öftreicher beschoffen werden konnte,
waren von Brown unbeseßt gebieben. Dieser Um-
frand verleitete Friedrich , zu glauben , daß die
Östreicher über die Elbe gegangen wåren , und er
blos auf die Arriergarde gestoßen sey. Einige tau-
send Mann Croaren und ungarische Infanterie , die
am Fuße des lobofcher Berges in Weingart: n postirt
waren , und ein verlorenes Feuer auf die anrückenden
Preußen machten , bestätigten diese Meinung , da
mit solchen leichten Truppen gewöhnlich ein Abzug
gedeckt wird Die kaiserliche Cavallerie , die sich
dem Kanonenfeuer der Preußen ausseß e , und Stand
hielt, als wenn sie dadurch andere Absichten bewirken
wollte , vollendete diesen Irrthm . Man kämpfte
im Nebei , ohne einander zu sehen. Indessen hätte
der König doch die Anhöhen in Besit nehmen lassen.
Da Brown's Stellung gegen die Mitte seiner
Linie und auf dem linken Flügel durch Sümpfe und
andere undurchdringliche Zugänge gegen allen Angriff
gesichert war , so hatte er feine ganze Aufme: ksamkeit
auf die Stadt Lomusig gerichtet , die feinen Flügel
deckte, und in diese be seine beste Jofan erie, nebst
einer großen Menge Geschüß , geworfen, auch vor
286

derselben war eine ftarfe Batterie und Redouten.


Gegen Mittag verfor sich der Nebél , und man bekam
fich einander in's Auge. Die preußische Cavallerie
that nun einen regelmäßigen , ſehr lebhaften Angriff,
feste über einen sehr breiten Graben , und warf die
öfreichische über den Haufen , verfolgte sie aber mit
überedter Hiße bis unter die Kanonen von Lowoſiz .
Das heftige Seuer der hier aufgepflanzten zahlreichen
Artillerie trieb sie jedoch mit großem Verluft- wieder
surück. In die feindliche Infanterie des vor sich has
benden linken Flügels konnte sie jedoch nicht eindrin
gen , da diese am Rand eines tiefen Grabens postirt
ſland. Die nächste Unternehmung der Preußen war
nun , die Croaten aus den Weingärten zu jagen, de
ren Zäune und Mauern diesen Truppen zu Bollwers
fen dienen. Es geschah auch , obwool mit großer
Mühe. Jest ließ Brown durch seine beste auf dem
rechien Flügel stehende , Infanterie die Anhöhen ana
greifen ; doch wie Löwen wehrten sich die darauf po-
ftirten Preußen , und da einige Regimenter alle ihre
Patronen verschoffen hatten , gingen sie mit gefälltem
Bajonner auf die ftürmenden Seinde los , und schlu-
gen mit den Kolben, wie mit Keulen, um sich herum,
Dies entsezliche Handgemeng dauerte , bis die Öst
reicher den Berg herunter und nach Lowofih hineins
getrieben waren. Die Preußen benüßten die Unord,
nung der Östreicher , um die Stadt in Brand zu
stecken, und in dieser Verwirrung alle feindlichen
Truppen herauszujagen , wodurch das Schicksal des
Tages endlich entschieden wurde . Brown machte
einen meisterhaften Rückzug , gedeckt durch die Ins
fanterie des linken Flügels , die gar nicht gefochten
287

hatte, und allein noch in Ordnung war. Er ließ


die Elbbrücke bey Leutmerit , und alle Brücken über
die Eger, abwerfen , um feinen Abzug zu sichern ;
und so überließ er dem Könige das Schlachtfeld , ohne
jedoch seine Ansprüche auf den Sieg ganz aufzugeben.
Dieser mar indeß nicht zweifelhaft , wie die Folgen
bewiesen, obgleich das preußische Heer einen größeren
Verlust an Soldaten erlitten hatte, und beide Theile
Gefangene zählten.
So waren die Begebenheiten der ersten Schlacht
in diesem denkwürdigen Kriege , die von 7 Uhr des
Morgens bis um 3 1hr Nachmittags dauerte , und
den Völkern der Erde gleichsam das Unterpfand der
preußischen Thaten für die folgenden Schlachten - gab.
Der König war von diesem Muth so hingeriſſen, daß
er in seinem Briefe an den Feldmarschall Schwerin,
worin er ihm die Schlacht beſchreibt , die Worte
gebraucht : Nie haben meine Truppen folche Wun.
der der Tapferfeit gethan , seitdem ich die Ehre
habe, sie zu befehligen. Diese Tapferfeit war
auch wegen des kraftvollen Widerkandes durchaus
erforderlich; ein Widerstand, der Friedrich's Krie-
ger veranlaßte , auszurufen : ,,Dies sind nicht mehr
die alten Östreicher." Der Verlust der Sieger an
Todten und Verwundeten war 3300 Mann ; die
Anzahl der gemachten Gefangenen betrug 700, wo
bey die Öftreicher einige hundert Soldaten weniger,
als die Preußen , auf dem Wahlplaß ließen .
Brown war frank ; dennoch aber gab er sich
der rauhen Witterung in dieser übeln Jahrzeit preis,
folief unter freyem Himmel , weil er seine Zelte
weggeschicht hatte, und setzte sich Tag und Nacht
288

allen Unbequemlichkeiten des Krieges ſo ſehr aus,


daß er eines Tages im Angesichte seines ihn lieben.
den Heeres ans Entkråfrung zu Boden ſank. Dieser
Feldherr war nun genöthigt , sich über die Eger zu-
rückzuziehen , und mußte seine Entwürfe , die Sach-
ſen zu befreyen , ganz abåndern. Es wurde beſchloß--
fen, daß die so gedrängten Bundesgenossen in der
Nacht vom 11ten October bey Königstein über die
Elbe sehen sollten , sodann wollte man die Preußen
auf beiren Seiten angreifen . Ein außerordentlich
regnigtes und stürmisches Werter aber , der Trans
port der schweren kupfernen Pontons zu Land mit
ausgehungerten Pferden , und andere Unfälle , ver.
zögerten diesen Übergang , der nun zwey Tage später
festgefeßt wurde. Diese kostbare Zen benüßte Fried
rich , die Posten an der Elbe zu verstärken , und sie
durch Verschanzungen und Verhacke‍zu beſeſtigen.
Der Boden auf der rechten Seite dieses Flusses, ben
Pirna und Königstein , ist voller hohen Berge , die
mit dickem Gehölze bedeckt sind. Die tiefen Gründe
welche sie von einander absondern , zeigen nichts
als unwegsame Gegenden , die am wenigsten zum
Marsch eines Kriegheers gemacht sind , besonders
wenn ein mächtiger Feind in der Nähe ist , und die
Anhihen besezt hat. Dies war der Prospekt der
Sachsen ; sie hofften , als sie über die Elbe gekommen
waren , etwas von der Annäherung der Öftreicher zu
hören ; allein sie fanden keine Spur von ihren Bun-
desgenossen, die theils durch ein preußischen Corps,
unter dem Generale Leftwiß , theils durch die großen
Hindernisse des Erdreichs , von weiteren Vorrücken
abgehalten wurden ; dagegen fahen sie die Preußen
289

Meister von den fürchterlichen Hohlwegen , die man


paſſiren mußte , um Böhmen zu erreichen . Sie
versuchten indeſſen , ſich am Fuße des Liliensteins zu
formiren , welches aber der enge Raum nicht gestat»
tete; daher sie sich ohne Ordnung und muthlos lager-
ten , voll banger Erwartung ihres traurigen Schick
fals. Diese nunmehr verſchlimmerte Lage hatte blos
darin ihren Grund , daß weder die Östreicher, noch
selbst die Sachsen , das Terrain kannten , und daher
auf gut Glück Entwürfe machten . Hiezu kam , daß
ein Brief des Feldmarschalls Brown an den Feldmar-
schall Rutowsky verloren gegangen war. Ein an-
haltender Plazregen hatte überdies die Wege so ver-
dorben , daß das Vorrücken nur mit der größten
Mühe geschehen war , wobey die Sachsen aber allo
ihre Kanonen auf der anderen Seite des Flusses hat
ten zurücklassen müssen.
Das verlassene fächsische Lager bey Pivna wurde.
sogleich von den Preußen besest, die dabey auf die
Arriergarde der Sachsen Gießen. Ein entseßlicher
Sturm erstickte den Donner der bey diefer Gelegen
heit gemachten heitigen Kanonade , so, daß die Öf
reicher in der Ferne nichts davon hörten. Alle Ele-
mente, Götter und Menschen , schienen gegen die
Sachsen zu kämpfen. Nach einem vierstündigen tap-
fern Widerstande nahm man dies Bedeckungscorps
gefangen, und bemächtigte sich des größten Theils der
Bagage, und der Artillerie. Dies war ein wichtiger
Transport , der nicht zu der Armee hatte stoßen kön
nen , weil die Brücke abgebrochen war. Der König
von Polen war kein Augenzeuge aller dieser gehäuften
Unfälle ; er hatte sich einige Tage zuvor , mit seinen
Friedrich d. Einz. II. 12
290

Prinzen und seinem Günstlinge Brühl , aus dem


bisherigen Hauptquartiere Struppen in die Feftung
Königstein begeben , und von hieraus schickte er fei
nem Feldmarschall Rutowsky wiederholte Befehle
zum unmöglichen Angriff, dèr , selbst wenn er glück-
lich gewesen wäre , doch nie den Sachsen einen
freyen Weg bis zum öftreichischen Heere hätte bahnen
fönnen.
Nie befand sich eine woldisciplinirte Armee
eines tapfe en Volks in einer traurigeren Lage. EI
war ganz die Geschichte von Caudinum , und wenn
die sammitischen Gabeln nicht zum Vorschein_kamen,
so hatte man es van ſo ſehr verschiedenen Grundſäßen
und Begriffen zu verdanken , die sich feit zwey und
arsanzig Jahrhunderten auf unserer Erde so sehr ge-
åndert haben . Der Hunger wüthete bey den fächſi-
schen Truppen ; hiezu kam die Kälte in der rauhen
Jahrzeit , und der Verlust ihrer Bagage . Drey
Tage und drey Nächte hinter einander waren sie un-
ter dem Gewehr, ohne Speise zu sich zu nehmen ;
ſelbſt an Pulver und Munition hatten sie Mangel.
Nun lagen fie unter freyem Himmel , im Prospekt
hohe Verge und feile Felsen , allenthalben von wach-
samen Seinden umgeben , aller Rettungsmittel , ja
aller Heffnung beraubt. Shr Schicksal hing jegt
ganz von der Gnade des Siegers ab , dem sie mit
August's Berviligung endlich den 14ten Dctober,
nach einer vier und dreißigtägigen Blokade , eine
Capitulation ontrugen. Die Bedingungen , unter
welchen fie gefchissen wurde , waren hart , sowol
für die fächsischen Truppen , als für ihren König.
Die ganze Armee , jezt noch 14000 Mann slark, mit
291

mehr als 80 Kanonen , mußte sich ergeben. Die


Offiziere wurden entlassen; den Unteroffizieren und
Gemeinen aber ließ man keine Wahl ; sie waren ge
zwungen , dem Könige von Preußen den Eid der
Treue zu ſchwören. Es war ein großes , rührendes
Schauſpiel; 14.000 Krieger streckten die Waffen,
und flehten um Brot. Der Hunger und die Ver-
zweiflung bey Hohen und Niederen erzeugten in dem
Jammerihal bey Lilienflein auffallende Scenen , die'
August von dem Gipfel ſeiner Selſenburg mit eigenen
Augen sehen konnte. Die Noth war auf's Höchste
gestiegen ; auch war die Hilfe schleunig. Die durch
Mangel an Nahrung und Strapagen ganz entkräftes
ten Soldaten erhielten segleich das nöthigße aller
Bedürfnisse ; es wurden jeder Compagnie 20 sechs-
pfündige Brote gegeben ; die gefangenen Generale
aber halten die Ehre , im Hauptquartier zu Etrup-
pen an die Tafel des Königs von Preußen gezogen
zu werden.
Das Unglück der Sachsen brachte ihnen keine
Schande ; vielmehr war es eine glorreiche Epoche in
ihren Jahrbüchern. Sie hatten so lange mit ihrer
Fleinen Kriegschaar der preußischen Macht widerstan
den , hatten muthvoll mit unaussprechlichen Wider-
wärtigkeiten gekämpft, und waren nur den Gesezen
der Natur und einem höheren Verhängniß unterle-
gen. Dieser Widerstand rettete das noch schlecht
vorbereitete kaiserliche Heer in Böhmen , und alle
teutsche Provinzen Theresien's , wo die erstreuten
Truppen nach einander leicht aufgerieben worden
wären ; überhaupt hatte er die wichtigsten Folgen für
Önreich; es war der größte Dien , welcher dieser
12 *
292

Monarchie, feit der Befreyung Wiens durch den tap-


feren König Sobiečky , von einem fremden Volke
geleistet worden war. Diese Wolthat wurde jedoch
von den kaiserlichen Kriegern , so wie vom Hofe, nur
sehr unvollkommen erkannt. Die Soldaten bey
Brown's Heer gaben der Armee bey Pirna den Sport=
namen des sächsischen Piquets , und in der
Kaiserburg wurde , dem alten hier herrschenden
Grundfaß zufolge , diese Aufopferung eines großen
Fürsten und seines schönen Landes als Pflicht bes
}
trachtet.
Der König von Polen erlitt nun eine.Demüthis
gung, die seit Jahrhunderten nicht das Loos eines
europäischen Monarchen gewesen war." Er verlor
auf einmal ſeine ganze sächsische Armee , die voll Treue
gegen ihn war , und kaum blieben ihm einige Garde-
foldaten übrig , die sich , nebst einem sehr kleinen
Gefolge, bey ihm in Königstein beṭanden. AU' sein
Bestreben, günstigere Bedingungen von dem Sieger
zu erlangen , war fruchtlok. Friedrich diftirte
selbst die Antworten auf die vierzehn Capitulationê=
Artikel dieses so merkwürdigen Ergebung Trafiats.
Einige dieser Antworten , die sich auf die großen Be-
dürfnisse der gefangenen Truppen bezogen , waren
ganz lakonisch und nur durch das einzige Work
Gut! bezeichnet ; alle aber verrathen den entschei-
denden Ton des überwinders , der da glaubte, mehr
zu bewilligen , als man ein Recht hatte zu erwarten.
August bat dringend , ihm wenigflens seine Garde,
ein vortreffliches Corps Soldaten zu lassen. Fried-
rich's Antwort aber war äußerst demüthigend , und
zeigte das Recht des Stärkern auf eine auffallende.
293

Weise. Es hieß, se müßten mit den anderen Trup-


pen gleiches Schicksal haben, weil man sich nicht die
Mühe geben wollte , sie zum zweytenmal gefangen zu
nehmen . Die Fahnen , Standarten und Pauken Ser
sächsischen Truppen wurden jedoch dem Könige von
Polen überliefert , und um ihm unter seinen vielen
Bitten wenigstens eine zu bewilligen , wurde die Je=
stung Königstein während des ganzen Krieges für
neutral erflårt.
Behn fächsische Infanterie- Regimenter blieben
ganz beysammen , nur mit dem Unterschiede , daß sie
preußische Uniformen , Fahnen und Befehlhuber be=
famen ; die übrigen aber , nebe der sämmtlichen Ca-
vallërie, wurden unter preußische Regimenter geleckt.
Hierzu famen 9284 Rekruten , die Sachien gleich in
den ersten Monaten liefern mußten , womit man die
Regimenter ergänzte. Die Difiziere wurden auf ihr
Ehrenwort, in diesem Kriege nicht wider den König
von Preußen zu dienen , frengetaffen. So groß war
jedoch Theresien's und August's Haß gegen Fried
rich, daß dieses Ehrenwort verspottet wurde. Man
sagte die fachlichen Offiziere von dessen Haltung gắng
lich los , und schändere dadurch den Militärstand.
Diese Handlung Friedrich's , ein ganzes Heer
eines fremden Fürsten zu zwingen , dem Eroberer in
geschlossenen Kriegschaaren zu dienen , ist in der Welt-
geschichte ohne Beyspiel. Man verließ sich zu sehr
sowol auf das damalige unvermögen August's , eine
Armee zu unterhalten , als auf die Bedürfnisse der
Truppen , die jest keinen Herrn hatten , und achtete
nicht auf die den Sachſen angellommte Liebe zu ihrem
Vaterlande und zu ihrem Fürsten. Diese zeigte sich
294

jedoch bald zu Friedrich's Verwunderung. Man


hatte mol auf Deſerteure- gerechnet ; allein daß ganze
Lataillone mit Entschlossenheit und Ordnung davon
gehen würden , dies war unerwartet. Die meisten
zogen regelmäßig ab , mit allen militärischen Ehren-
zeigen , nachdem sie ihre Befehlhaber verjagt oder
erschossen hatten ; sie nahmen die Brot und Muni-
tionwagen , die Regimentkaffen , fur; alles zum Troß
Gehörige mit, und marſchirten entweder nach Polen,
oder stießen zur französischen Armee. Der König von
Preußen hatte viele sächsischen Unteroffiziere zu Offi=
zieren ernannt , um ihnen seinen Dienst angenehm zu
machen. Diese Maasregel war jedoch unzureichend;
Denn diese Patrioten waren selbst die Anführer bep
der Deſertion , die anderen Offiziere aber , die nicht
mitwollten , wurden gezwungen , sich zu entfernen.
Man fegte die noch übrigen als Besagung in Städie;
allein auch dieses Mittel schlug fehl. In Leipzig.
öffnete sich ein Theil der Garnison mit Gewalt die
Thore , und ging am hellen Tage davon. In Wit-
tenberg, in Pirna und in anderen Städten , zwangen
die fächsischen Soldaten die preußischen Comman-
deure, sich dem Feinde zu ergeben ; ja bey manchen
Gefechten gingen ganze Compagnien Sachsen selbst
auf dem Kampfplahe zu den Östreichern über , und
richteten sogleich ihre Waffen gegen die Preußen.
August, der auf dem Felsen Königstein sein
Schicksal erwartete , erhielt nun für sich und ſein Ge-
folge Paffe , um sicher nach Warschau zu reisen , wo-
hin er auch unverzüglich abreiste. Man bezeigte
dem abreifenden Könige die größte Ehrfurcht ; fogar
wurden alle Truppen von seinem Weg entfernt, um
295

den Augen des unglücklichen Monarchen unangenehme


Gegenstände zu entziehen *).
Der Feldzug war nun zu Ende. Die öftreichis
sche Armee zog sich tiefer in Böhmen , welches auch
jezt die preußischen , unter den Feldmarschällen Keith
und Schwerin stehenden , Armeen verließen , um
die Winterquartiere in Sachsen und Schlesien zu
beziehen. Friedrich blieb den Winter über in
Dresden , und behandelte nun sein Depot als eine
förmlich eroberte Provinz. Er gab den sächsiscen
Ministern fleißig Audienz , ertheilte feine Befehle
über alle Gegenstände der Landekadministration, und
7 forderte von den Landständen Kriegsteuern und neue
Refruten.
Kein Ereigniß wol, mit alleiniger Ausnahme
der französischen Revolution , erregte im vorigen
Jahrhundert eine so lebhafte und große Sensation in
ganz Europa , als Friedrich's Einfall in Sachsen.
Alle Höfe , von Versailles bis Petersburg , von den
Ufern des atlantischen bis zu den Ufern des Eismeers,
wollten, theils durch Entstellungen und Verdre-
hungen der Sache von Seiten der dresdener und
wiener Minister , theils durch besondere Nückſichten,
geleitet , in dem Könige von Preußen im Grunde
nur einen gefährlichen königlichen Revolutio
når erblicken , dessen Benehmen strenge zu ahnden,

*) Wie sehr erinnert die Gefangennehmung der såch-


ſiſchen Armee an jene der östreichiſchen (unter
Mack) durch Napoleon , welche , ein halbes
Jahrhundert später , faſt an demselben Tage statt
fand.
296

und ihm zugleich die Mittel zu ferneren Entwürfen


der Art zu entziehen , die eigene Sicherheit erfor
dere. Selbst Friedrich's einziger Verbündete,
Georg der II. von England , erklärte laut , daß er
deffen Verfahren gegen Sachfen keineswegs billige.
Eine Menge von Schriften , durch einen tödtlichen
Haß diftirt, und voll übermuth, Stolz und Ge.
meinheit , verbreiteten sich von Wien aus gegen
Preußens König. Ter niedrigsten Künste ward er
beschuldigt , welche vielleicht durch die eigene Er
bärmlichkeit den Veranlaſſern solcher Libelle in ihrer
eigenen Laufbahn bekannt worden waren ; er sey der
Urheber der kürzlich in Schweden entdeckten Ver-
schwörung gegen den Senat , behauptete man ; der
Zorn seines Vaters , seine Gefangenschaft in Küßrin,
und die kaiserliche Vermittelung, schämte man sich
nicht , ihm vorzusersen , beyfügend , der lezteren
allein habe er es zu verdanken , daß er nicht , wie
ein Verbrecher , hingerichtet worden sey. Vergeb-
lich ließ der König , voll Unwillen über ein solches
Verfahren , der Kaiserin zu verstehen geben , wie
sehr es unter der Würde der Fürsten sey, ihre Streis
tigkeiten durch Schmähungen , und in der Sprache
der Obstmärkte, entscheiden zu wollen ; lange Zeit
waren diese Borstellungen vergeblich, und nur erſt
nach einigen gewonnenen Schlachten erhielten ſie
Gewicht.
Nirgends zeigte man sich aber wol gefchäftiger,
als im Reiche. Mit Eifer arbeitete das wiener
Ministerium auf dem Reichtage au Regensburg
gegen feinen , öffentlich so verachteten , Gegner. Su-
gleich sehten ihrer Seits die Franzosen die regens
297

burger Versammlung in folche Furcht, daß dieselbe


blindlings dem öftreichischen Cabinette gehorchte.
Der seit vielen Generationen verroßete Staats-Don-
nerkeil , wie Archenholß sagt , wurde nunmehr eben-
falls auf den König von Preußen geschleudert ; der
Beschluß ward gefaßt, das heilige römische Reich
folle eine Executionarmee errichten , die gerade in
da Churfürstenthum Brandenburg einzudringen hatte.
Der Reichsfiscal trat auf, behauptend , die Könige
von Preußen und England müßten nunmehr in die
Reichsacht erklärt werden. Einige Fürten wende-
ten ein , man habe zwar ehmais den Churfürsten von
Bayern zu dieſer Acht verurtheilt , doch sey es nicht
cher geschehen, als nach seiner Niederlage ; sobald
daher die faiserlichen (oder Reichs ) Heere wieder
eine Schlacht , wie die bey Hödstadt , gewonnen
hätten , möge es einem Jeden frey stehen , wider die
beiden Könige zu verfahren....Den kreisausschrei
benden Fürsten wurde indeß aufgegeben , zu verhin=
dern , daß der König keine Art von Unterstüßung aus
den Kreisländern erhielte ; auch wurden alle in
Friedrich's Heeren befindliche Reichsvasallen von
dem preußischen Dienst abgerufen ; ferner erging eine
kaiserliche Verordnung , daß alle mit preußischen
Staatschriften handelnde Buchführer und Buchdrucker
eingezogen und bestraft werden sollten. Die Unpar-
teyiſchen sagten , daß dder e
rg'schwegen
enbuKaiſer seiner Sami,
9 , ' der curbranim Reich den Despoten spiele.
lienangelegenheiten piele.
Gesandte bey der
Reichsversammlung , beantwortete jedoch alle anti-
preußischen Staatschriften sowol , als die pedantischen
Abhandlungen über die Heiligkeit der Archive, mit
298

Ernst und Würde , und da er wegen des Drucks in


ganz Südteutschland unübersteigliche Schwierigkei
ten fand, legte er eine eigene Druckerey in Regens
burg an.
,,Man wollte nun förmlich zum Reichsbann ſchrei-
ten. Der kaiserliche Reichsfitcal Helm trug aus
wirklich darauf an , und vermochte ten kaiserliche
Notarius, Doctor April , sich in Begleitung zweyer
Zeugen mit einer Citation zu dem Gesandten, Baron
lotho , zu begeben. Diese Vorladung betraf die
Erscheinung des Gesandten vor der Reichsversamm-
lung, wo er sich: innerhalb 2 Monaten , vom 22ten
August 1757 an gerechnet , stellen sollte , um anzu-
zeigen , was er der Anklage auf die Reichsacht ents
gegenzusehen habe. Plothe , sich seiner Rechte bes
wußt, bezeigte die größte Verachtung gegen dieſe
Vorladung , zwang den Überbringer , fie wieder zu,
rufzunehmen , scheb ihn selbst zur Thüre hinaus,
und ließ ihn sedann durch seine Bedienten zum Hauſe
Herauswerfen. Zu dieser Entschloffenheit des Mi>
nisters , die sich mit Klugheit gepaart in allen seinen
Handlungen zeigte , und feine Seinde in Furcht sehte,
kamen die Vorstellungen von Franfreich . Man bat
den wiener Hof, den Entwurf der Reichlacht aufzu
geben , weil dadurch für jeßt nichts gewonnen würde,
wol aber die Könige von Preußen und England, nebst
anderen teutschen Fürsten, vermocht werden könnten,
ſich vom germanischen Bunde loszusagen. Es wurde
also beschlossen , auch ohne Reichsucht gegen Fried-
rich , als einen Feind des Reichs , zu verfahren,
und nicht auf seine Behauptungen zu achten , daß er
nicht als Churfürst von Brandenburg , sondern als
299

fouverainer König von Preußen , feindselig gegen


Sachsen gehandelt habe *)."*)
Frankreich war früher schon gegen Friedrich
gänzlich gewonnen worden . Kein Mittel hatte man,
Diesen Zweck zu erreichen , gespart. Maria The-
resia, sonst stets ihren Slang auch dem Äußeren
nach aufrecht zu erhalten bemüht , sie , des stolzen
Karl des VI Tochter , und die Enkelin Leopold's,
des stolzesten aller Kaiser , der feinen und Wiens, ja
der ganzen öftreichischen Monarchie , Retter , den
Köniz Sobiesky , blos um das Ceremoniell niật ver-
lezen zu müssen, zu sehen ausschlug , diese Kai
serin ließ sich bis zu dem Grade herab , der Buh
Terin Ludwig des XV, zu ſchmeicheln , und ihr den
Titel Cousine zu geben , den der König von Frank
reich damals den Herzoginnen feines Reichs beylegte.
Ein Briefwechsel zwischen der Marquiſin von P o m
padour und der Beherrscherin der öftreichischen
Monarchie ward fengefest, deffen Einleitung das
mit Diamanten besetzte Bildniß der Kaiseriu war;
und so sehr durfte die aufgeblafene Französin ihren
Stand vergessen , daß sie sich nicht selten in ihren
Schreiben des vertraulichen Titels bediente : Meine
liebe Königin ! Dies geschah zu eben der
Zeit , als Friedrich der königlichen Maitreise wie-
derholte Beweise seiner Verachtung gegeben hatte.
Kein Wunder also , daß der Hof von Versailles der
Preußen Einfall in Sachsen als eine Verlegung des
ron ihm garantirten westphälischen Friedens erflärte,
die Waffen ergriff, und , obschon er der öftreichischen

*) Archenholg .
300

Monarchin, nach dem bestehenden Vertrage, nur


24.000 Mann Hilftruppen zu stellen verpflichtet war,
deren im Frühjahre von 1757 nicht weniger als
100,000 Mann über die teutſche Gränze ſendete.
Einer schlechten Sache sich bewußt, und ohne
Zweifel auch das Talent ihres großen Gegners fürch
tend, ſuchten die Cabinette von Wien und Paris
ganz Europa gegen den verachteten Friedrich zu
bewaffnen. Rußland , gegenwärtig so furcht
bar für die übrigen Lånder unseres Erdtheils,.
ward gewonnen , und zum Kriege veranlaßt , und
obichon der König von Preußen durch seine Klugheit
Schweden zu der Erklärung strenger Neutralität
brachte, so siegren dennoch auch hier endlich die Kånke
und das Cold seiner Seinde , und auch dieser Staat
trat gegen ihn auf den Kampfplaß *) !

*) Es stehe hier eine vergleichende Uebersicht der mas


teriellen Kräfte Friedrich's , und der seiner
Feinde, aus welcher allein schon die Größe dieſes
außerordentlichen Mannes, gegen solche überleges
nen Gegner während eines siebenjährigen Kampfes
unbesiegt geblieben zu seyn, hervorleuchtet :
A. Preußen und feine Verbündeten .
Namen Größe Bevölkerung Zahldes
der Staaten. in Meil. . Militärs.
1. Preußen 2,900- 5,000,000-200,000
2. Hannover 700 750,000 16,000
3. Braunschweig 90 160,000 - 12,000
4. Hessen-Casset 260 - 425,000- 12,000
Zusammen : 3,950 - 6,335,000-240,000
301

Schon hatte man den Plan entworfen , wie die


preußische Monarchie zertrümmert , und die Staaten
derfelben unter die kriegführenden Mächte vertheilt
werden sollten. So wie Schlesien für Önreich, war
Pommern für Schweden , das Königreich Preußen
für Rußland , das Herzogthum Magdeburg neb
Halberstadt für Sachsen , und die westphälischen Pro-
vinzen für Frankreich , beſtimmt. Nur allein das
Churfürstenthum Brandenburg follte dem entthrenten
König, als eine Gnade, gelaffen werden , wenn er
sich noch zu rechter Zeit unterwürfe ; wo nicht, so
war der Entschluß der Mächtigen , das verheerte

B. Destreich und seine Verbündeten.


Namen Größe Zahl des
der Staaten. in Meil. Bevölkerung. Smilitars.
1. Deftreich 11,200-20,000,000-300,000 "
2. Das Reich 4,600-12,500,000 - 120,000
(nebst Sachsen)
3. Frankreich 10,000-24,000,000 — 290,000
4. Rußland 330,000 - 20,000,000 — 162,000
5. Schweden 13,000 3,050,000 50,000
Zusammen : 368,800 - 79,500,000 - 922,000
Von dieser Truppentahl müſſen indessen 60,000
Reichtruppen, 190,000 Franzosen , 60,000 Ruf,
fen und ungefähr 30,000 Schweden , zufammen
alfo 340,000, oder vi lleicht 400,000 Mann, " ab=
gezogen werden , welche den Kampfplas nicht bes
traten. Nach diefem 2 zog cser elgibt sich dens
noch eine Zahl von wenigstens einer halben
Million Krieger , denen Friedrich wel nicht die
Hälfte entgegen zu sehen hatte. Europa ents
hielt damals, auf 150 CRIS ·160,000 Quadratmeilen,
Friedrich d. Ein¡, U. 13
302

Land dem nächsten Erben zu überliefern. Dieser


Entwurf, von allen Seiten durch Kraft und Erbit-
terung unterstügt, schien bey dem ungleichen Kampf
mit sehr eingeschränkter Macht zu seiner vollständigen
Ausführung nicht einmal des Glückes zu bedürfen,
das zwar die Vollendung durch Zufälle beschleunigen,
oder verzögern fennte, allein bey der Hauptsache
für entbehrlich gehalten wurde.

gegen 140 Millionen Menschen. Rechnen wir von


der materiellen Macht der gegen Preußen verbůns
deten Staaten ganz den Flächenraum des asiatis
schen Rußlands hinweg , so bleiben dennoch über
100,000 Quadratmeilen und 78 - 80 Millionen
Menschen , also weit über halb Europa.
Nicht der fünfzigste Theil des Flågenraums
unseres Erdtheile , richt der zwanzigste seis
ner Bewohner , waren dagegen auf der Seite
des großen Königs ; denn ganz England , zu ſehr
mit dem Seekriege beschäftigt , kannte im Grunde
Feinen anderen Zweck bey dem Kampf in Teutsch,
land, als die Rettung Hannovers, seiner eigenen
Besißung, und kann daher billiger Weise hier nicht
mitberechnet werden.

(Die Fortsegung im nächsten Bändchen.)

Berbesserungen.
Seite 3, 8te Zeile v. oben, l. bis zum December,
statt September.
- 233, 2te J v. unten, 1 . ,,ist es statt „ iſt
uns."
303

Anhang
zum zweyten Bändchen.

Regentenlehre ,
von Friedrich dem Einzigen dem Herzog Eugen
von Württemberg ertheilt.
(Der minderjährige Herzog Eugen von Württemberg
lebte während den Jahren 1742 und 43 in Berlin,
unter den Augen des Königs . Im Januar 1744
ward er , Dbgleich erst 16 Jahre alt , auf das Ver-
wenden Friedrich's für ihn , als volljährig er-
klärt. Bey dem Abschied ertheilte ihm derselbe die
nachfolgenden Regentenlehren.)
,,Ich habe Antheil an Ihrer Majoritāts - Erklä,
rung gehabt, ich interesfire mich um so mehr für das
Glück Ihrer Regierung, da ich mir einbilde, das Gute
und Böse derselben werde gewissermaßen auch auf
meine Rechnung kommen In dieser Rücksicht halte
ich mich für verpflichtet, Ihnen meine Gedanken über
den neuen Stand , in welchen Sie nun kommen wer
den , freundschaftlich und offenherzig zu sagen. Ich
gehöre nicht zu den Leuten , die aus Dinkel und Ei
teleit, anstatt Rath , nur Befehle zu geben wissen,
ihre Meinungen für untrüglich halten , und immer vers
langen, daß ihre Freunde nur durch sie denken , han-
deln und athmen sollen. So lächerlich diese Anmaas
sung auch auf der einen Seite wäre, so strafbar würde
ich auf der anderen seyn , wenn ich Ihnen sagte, was ge
wiß keiner von Ihren Dienern und Unterthanen Ihnen zu
äußern Dreistigkeit genug hat , oder auch aus perſôn:
lichem Eigennuß nicht sagen will . Es ist gewiß, daß
man die Augen allgemein auf die Rolle eines Mannes
richtet , der den öffentlichen Schauplah ketrit ; und
gewöhnlich bestimmen die ersten Handlungen das Ur-
theil des Publikums. Wenn Sie Ihren Ruf sogleich
13 *
304

gründen, so erwerben Sie sich das Vertrauen desselben,


das, meines Erachtens , für einen Souverain höchst
wünschenswerth ist. Sie werden allenthalben Pers
fonen finden, die Ihnen schmeicheln, und nur darauf aus-
gehen, Ihr Vertrauen zu gewinnen, um dann Ihre Gunst
zu mißbrauchen, und Sie zu regieren ; ferner noch eine
andere Art von Leuten, besonders unter den Råthen,
welche sich sorgfältig bemühen werden , Ihnen die
Kenntniß Ihrer Angelegenheiten zu verbergen, um diese
nach ihrer Willkür zu leiten. Man wird Ihnen die
Leichtesten Sachen schwer vorstellen , um Sie von der
Arbeit abzuschrecken , und Sie werden finden , daß Alle
den Plan gemacht haben , Sie unter der Vormund.
schaft zu behalten, und zwar unter dem schönsten åuss
seren Schein, und auf eine für Sie sehr schmeichelhafte
Weise. Sie fragen mich, was hierbey zu thun sey ?
Sie müssen sich Kenntnisse von allen Finanzangelegen,
heiten erwerben ; irgend einen Sekretär wählen , der
als Subaltern darin gearbeitet hat, und ihm eine gute
Belohnung versprechen , damit Sie von Allem , was
Sie selbst betrifft, unterrichtet werden. Die Finanzen
find die Seele eines Landes ; wenn Sie dieses Fach gut
verstehen, so wird das Uebrige immer in Ihrer Gewalt
seyn. Ich habe an vielen teutschen Höfen den Miß,
brauch bemerkt, daß die Minister der Fürsten den Lis
tellaiserliche Minister " hatten , wodurch sie
sich denn vor Bestrafungen sicherten. Sie sehen selbst
ein, wie nachtheilig es für Sie wäre, wenn Sie dies
litten. ---- Seyen Sie fest in Ihren Entschlüssen. Wågen
Sie, eh' Sie einen faffen, das Für und das Wider;
aber wenn Sie einmal Ihren Willen erklärt haben,
so gehen Sie um alles in der Welt willen nicht davon
ab ; sonst wird Jeder Ihres Ansehens spotten, und Sie
für einen Mann halten , auf den man nicht bauen
kann. Nach einer vormundschaftlichen Regierung
muß es an ihrem Hofe nothwendig Intriguen geben.
Strafen Sie sogleich die Anstifter der ersten streng ;

1
305

dann wird sich Jeder hüten , dem Beyspiele derselben


zu folgen. Güte am unrechten Ort ist Schwäche , so
wie Strenge ohne Noth ein Berbrechen. Man muß
beide vermeiden, obgleich nur ein edles Herz in den
Fehler einer übertriebenen Güte fållt. - Denken Sie
nicht, das Land Württemberg sex für Sie geſchaffen ;
fondern glauben Sie, daß die Vorsehung Sie hat ge.
boren werden lassen , um das Volk darin glücklich zu
machen. Ziehen Sie immer den Wohlstand desselben
Ihren Vergnügungen vor . Wenn Sie schon in Ihrem
zarten Alter Ihre Wünsche dem Wohl Ihrer Unters
thanen aufzuopfern wissen , so werden Sie nicht nur
der Liebling Ihres Volks seyn, sondern auch die Be.
wunderung der Nachwelt erlangen. Sie sind das
Oberhaupt der bürgerlichen Religion in Ihrem
Lande, die in Rechtschaffenheit und allen sittlichen Tus
genden besteht. Es ist Ihre Pflicht , die Ausübung
derselben, besonders der Menschlichkeit , zu beför
dern, welche die Haupttugend jedes denkenden Geschöpfs
ift. Die geistliche Religion überlassen Sie dem
höchsten Wesen. In diesem Stück sind wir alle blind,
und frren auf verschiedenen Wegen. Wer unter uns
wäre ſo kühn, daß er den rechten bestimmen wollte ? —
Hüten Sie sich also vor dem Fanatismus in der Re
ligion , der Verfolgungen bewirkt. Können elende
Sterbliche dem höchsten Wesen gefallen , so thuen ſie es
nur durch Wolthaten, die sie den Menschen erweisen,
nicht aber durch Gewaltthätigkeiten , die sie an harts
nåckigen Köpfen ausüben Ja, wenn auch die wahre
Religion , d . h . die Menschlichkeit , Sie nicht
zu diesem Verfahren verbånde , so muß es doch die
Politik thun , da alle Ihre Unterthanen Protestanten
find. Toleranz wird machen, daß Sie angebetet
Verfolgung, daß Sie verabscheuet werden. Nügen
Sie Ihre Jugend, ohne sie zu mißbrauchen. Lassen Sie
einige Jahre für das Vergnügen hingehen ; dann denken
Sie darauf, sich zu vermählen. Das erste Feuer der
306

Jugend ist nicht gefchickt zur Ehe, und man glaubt schon
Außerst lange treu geweſen zu seyn , wenn man es drey
Jahre gewesen ist. — Nehmen Sie eine Prinzessin aus
einem zu großen Hause, so wird sie Ihnen durch ihre
Hand eine Gnade zu erzeigen glauben . Dies velan-
laßte für Sie einen verderblichen Aufwand , und Sie
håtten keinen anderen Vortheil dabon , als daß Sie
der Sklav Ihres Schwiegervaters wären . Wenn Sie
eine Gemahlin wählen , die mit Ihnen ungefähr von
gleichem Rang ist , so werden Sie glücklicher leben ;
denn Sie sind dann ruhiger , und die Eifersucht , zu
welcher große Fürſten ihren Ehehälften immer Geles
genheit geben, fållt Ihnen nicht zur Last. Verehren
Sie Ihre Mutter als die Urheberin Ihres Lebens. Je
größere Achtung Sie ihr beweisen, desto größere Ach-
tung wird man gegen Sie selbst haben. Geben Sie
immer nach , wenn etwa ein Zwist unter Ihnen ents
stehen sollte. Dankbarkeit gegen Weltern hat keine
Gränzen. Man kann getadelt werden , daß man zu
wenig , aber nie , daß man zu viel äußert. Wuf
gleichgültige , und folglich willkürliche, Dinge laſſe ich
mich nicht weitläufiger ein. Aus zärtlicher Zuneigung
zu Ihnen werde ich immer aufrichtigen Antheil an Ih
rer Zufriedenheit nehmen, und es mit unausſprechlicher
Freude hören, wenn Ihre Unterthanen Sie loben und
fegnen ; auch werde ich Gelegenheiten , Ihnen müßlich
fen zu können , mit der äußersten Begierde ergreifen.
Mit einem Wort , es gibt kein Glück , mein lies
ber Herzog , das ich Ihnen wicht wünsche , und eben
fo feines , dessen Sie nicht würdig wären.
„Friedrich.“
Das Leben

Friedrich des Einzigen.

Von

Georg Friedrich Kolb.

Drittes Bändchen.

Schnell und himmelauf, Orkanengeleitet,


rauscht,
In der Kralle den Bliz , Blik in dem
Kriegerang',
Der gefiederte König ,
Lacht des krächzenden Krähenvolks,
Friedr. Jos. Emerich.

Speyer , 1828.
In der I. E, Kolb'schen Buchhandlung.
Oui, finissons sans trouble, et mourons
sans regrêts,
En laissant l'Univers comblé de nos bien-
faits.
Ainsi l'Astre du jour , au bout de sa car-
rière,
Repand sur l'horizon une douce lumière,
Et les derniers rayons qu'il darde dans
les airs,
Sont ses derniers soupirs qu'il donne à
l'Univers.
FREDERIC II.
Fünfter Abschnitt.

(Fortsegun g.)

Von allen Seiten ertönte der Ruf zu den Waf-


fen. An den herrlichen Ufern der Seine, des Rhone
und des Po , wie an jenen der Donau , der Wolga,
des Ob, der Lena und der eisbedeckten Jenisei ; von
den lieblichen Gegenden Frankreichs und Italiens,
bis zum schrecklichen Shibirien und dem abscheulichen
Kamtschatka. Franzosen und Schweden , Teutsche
aus allen Provinzen Germaniens, Engländer und
Bergschotten , Ungarn und Siebenbürger , Mailân=
der, Wallonen , Croaten , Russen , Cosaken und Cal-
mufen, sehten sich in Bewegung . Es war ein Ge-
dränge von Völkern , die zum Theil aus sehr entle=
genen Ländern kamen , nicht sowol zu erobern , als
zu plündern , zu morden und zu verwüsten.
Diese Heerzüge erforderten ungeheuere Sum-
men ; da es nun fast allen Höfen bey dem besten Wil-
len an Geld fehlte , so wurden alle Künste angewandt,
theils baare Anleihen zu machen , theils Capitalisten
zu vermögen , Lieferungen vorschußweise zu überneh-
men. Der König von Preußen hatte jedoch vor allen
1
310 1

feinen Gegnern den Vortheil voraus , dieser Hilf-


mittel entbehren zu können. Seine gefüllte Schaß-
Fammer und sein reichhaltiges Depot bewirkten, daß
die preußischen Truppen , mit Allem überflüßig ver-
sehen , diesen Feldzug eröffnen konnten. Friedrich,
um den Mangel an leichten Truppen zu erſeßen , er-
richtete sieben Freybataillone , und vermehrte überdem
bey seinen Heeren sowol die Infanterie , als die Ca-
vallerie , mit 40.000 Mann. Die Sachsen aller
Volksklassen , die wegen Ähnlichkeit der Sprache, der-
Sitten und der Sinnesart , den Preußen weit mehr,
als den Östreichern geneigt waren , wünschten , da
doch Krieg seyn mußte , daß ihr Beherrscher sich mit
den ersteren verbinden möchte. Noch wurden sie mit
keiner Härte behandelt. Lieferurgen an die Armee,
die jedoch nicht unterdrückten , wöchentliche Mahl=
zeiten an die einquartierten Soldaten, mäßige Krieg
Steuern, Rekrutenstellungen und andere verhältniß-
mäßig fleinen Unannehmlichkeiten , waren zur Zeit
noch die einzigen Krieglasten , die Sachsens Bewohner
kannten. Sie lebten übrigens mit den Preußen ganz
freundschaftlich. In Dresden wurden Schauspiele,
Conzerte, Bälle und Maskeraden gegeben , die der
Adel, so wie die Bürger und Landschönen , fleißig
besuchten. Der König selbst gab selbst fast täglich
Conzerte, wobey er , der so mächtig bedrohte Mo-
narch, mit seiner Flöte einstimmte.
Diese Gemüthruhe, die seine philosophische
Denkungsart und die Kenntniß seiner Kräfte erzeugte,
wurde jedoch auf mannigfaltige Weise unterbrochen.
Es ereignete sich in diesem Winter unter andern ein
Bor all, dessen näheren Umstände nur sehr Wenigen
3Ir

bekannt sind. Friedrich sollte vergiftet werden.


Ein Kammerlakay , Namens Glasau , der bey dem
König in großer Gunst stand , so daß er oft in seinem
Bettzimmer schlafen mußte, wurde gedungen , den
Monarchen aus der Welt zu schaffen. Den Entwurf
wußten nur einige Personen , und von diesen war
feine Entdeckung zu besorgen. Ein Zufall aber ver-
rieth dem König in der Stunde der Ausführung, daß
ein Anschlag wider sein Leben gefaßt sey. Glasa¤
umfaßte die Füße des Monarchen, und flehete um
Gnade, die ihm jedoch nicht gewährt werden konnte.
Er wurde festgenommen , in des Monarchen Gegen=
wart gerichtlich verhört , und sodann den nächstfol
genden Tag in Ketten nach Spandau geführt , wo er
in einem Kerker , abgesondert von allen Menschen,
in kurzer Zeit sein Leben endigte. Es schien dem
Könige so sehr daran gelegen , das Geheimniß, wegen
der im Verbrechen verwickelten Personen, zu bewah-
ren, daß er nicht einmal einem Arzt erlauben wollte,
diesem Unglücklichen in seinen lezten Stunden bey-
zustehen.
Die Mäßigung, welche der König von Preußen
noch zur Zeit in Sachsen beobachtete , hatte ihren
Grund in der noch nicht ganz aufgegebenen Hoffnung,
August zum Frieden und zu einem Bündniß zu ver-
mögen , wozu er beide Hände bot ; allein die Wunde
war zu tief geschlagen, die Verbindung dieses Königs
mit Östreich und Rußland zu eng, und seine Erwar-
tungen einer schleunigen, glücklichen Veränderung zu
groß, als daß er den preußischen Vorschlägen Gehör
geben sollte. Dagegen waren die Klagen seiner
Gesandten, von seinen mächtigen Bundesgenossen
312

unterstüßt , in Regensburg und an allen europäischen:


Höfen ohne Gränzen. Der Endzweck wurde auch
vollkommen erreicht. Alle verbündeten Höfe verdop=
pelten ihren Eifer bey den gewaltigen Zurüstungen .
Frankreich selbst zeigte so sehr seinen Ernst , daß,
um den Untergang des Königs von Preußen zu be-
schleunigen , der Hof von Versailles dem englischen
die Neutralität für das Churfürstenthum Hannover
unter den Bedingungen antrug , wenn Georg der II..
seine teutschen Truppen weder vermehren , noch ver-
sammeln , den Franzosen seine Festungen einräumen,
und ihnen den freyen Durchzug in die preußischen:
Staaten gestatten wollte. Der König von England.
aber, obgleich ihm Hannover alles galt , verwarf
den Antrag.
Friedrich , dem jeßt nichts übrig blieb , als
durch den wirksamsten Gebrauch seiner Waffen dem:
Krieggewitter allenthalben die Stirne zu bieten, ging
nun in seinen sächsischen Finanzoperationen nachdrück-
licher zu Werke. Er sah jezt ein , daß das von ihm.
so sehr gewünschte Bündniß mit Sachsen für ihn of=
fenbar nachtheilig gewesen wäre, und daß der unein..
geschränkte Befih eines großen , schönen Landes ihm
unendlich mehr Vortheile verſchäffte. Keine Provinz
konnte so , wie Sachsen , allen seinen Operationen.
einen Centralpunkt geben , und ihm Nücken und Flan=
Een decken. Die Lage dieses Landes zwischen zwey
großen , durch die Politik immerfort getrennten,
Machten, war und ist ein Nationalunglück für die
Sachsen. Friedrich konnte nur von hier auf bey -
seinen Unternehmungen in Böhmen Zufuhren erhal=
ten , und war überdem genöthigt , sich bey einem
313

Angriff auf Östreich gegen die Sachſen in Sicherheit `.


zu sehen. Es blieb also, den lehteren gleich im An-
fange des Kriegs keine andere Wahl übrig , als ent-
weder Bundesgenoffen des Königs von Preußen, oder
seine Krieggefangene zu seyn . Friedrich entsagte
nun der bisher beobachteten Mäßigung , und ånderte
ganz seinen vorigen Plan. Die Besoldungen aller
churfürstlichen Diener wurden verringert , oder gar
eingezogen. Zum Unterhalt der Landeskollegien und
Canzleyen in Dresden waren bisher 190,000 Rthlr.
erforderlich ; diese Summe wurde bis auf 30 000
herabgesezt , und so ging man weiter. Die Königin
von Polen bat um Geld. Friedrich , der wol
wußte , welchen Gebrauch sie davon zu seinem Nach-
theil machte , ließ ihr nur 7800 Rthlr. , den Rest
einer Caffe , überliefern ; fie erneuerte ihre Bitte,
und bestimmte die gegenwärtigen Bedürfnisse für sich
und ihre Familie monatlich auf 174,000 Reichthaler.
Die Antwort war : Sie möchte sich an ihren Gemahl
wenden. Diese Finanzreform erstreckte sich über
Alles . Die Operisten und Tänzer wurden zwar nicht
förmlich verabschiedet, allein man gab ihnen keine
Besoldung mehr , und nun reisten sie nach Italien
zurück. Ein Paar wichtige Personen am sächsischen
Hofe waren der Beichtvater der Königin und der
Öberdirektor der Opern . Ersterer hatte einen Gehalt
von 12,000 , und legterer von 15,000 Rthlr ; jeßt
aber mußten sie sich mit 2000 Rthlr. begnügen. Die
Kaiserin Elisabeth kam in dieser Noth der Königin
von Polen zu Hilfe, und schenkte ihr 100,000 Rubel.
Der ungeheuere Vorrath von Porcellain , den
man theils in Dresden, theils in Meissen fand,
314

wurde jeht für preußische Rechnung , als ein erben


tetes Eigenthum , verkauft. Schimmelmann , ein
fächsischer Kaufmann , erstand es für 200.000 Rthlr.,
und legte dadurch den Grund zu seinem unermeß-
lichen Reichthum , womit er sich anfangs nach Ber-
lin, hernach nach Hamburg , und endlich nach Copen-
hagen begab. Er stieg bis zur Höhe eines allvermo-
genden dänischen Staatministers , und starb als der
reichste Mann , der noch je in den nordischen Körig,
reichen gelebt hatte.
Friedrich ließ jedoch das königliche Schloß
in Dresden unberührt. Er besuchte oft die vortreff-
liche Bildergallerie, allein ohne sich etwas davon zu³
zueignen ; vielmehr beschenkte er die Aufseher reich
lich. Diese Mäßigung aber verließ ihn gänzlich in
Ansehung des Grafen von Brühl , den er als den
Urheber des Bündnisses betrachtete, das Sachsen mit
seinen Feinden geſchloſſen hätte. Er ließ deſſen Eigen-
thum gänzlich zerstören , und erlaubte sich also eine
Rache , die man von dem gekrönten Weltweisen nicht
erwartet hätte.
Die sächsischen Rekruten zum Dienſt der Preuf-
sen mußten nun herbeygeschafft werden. Der Chur-
prinz von Sachsen that dagegen dringende Vorstel=\
lungen , und berief sich auf seinen Vater , der dazu
erst seine Einwilligung geben müßte ; in ' Fried-
rich's Antwort aber wurde er höflich ersucht , ſich
nicht um solche Sachen zu bekümmern. Die Land-
ſtånde waren mit ihren Vorstellungen nicht glück-
licher, und da sie sich auf den Gehorsam gegen ihren
Souverain bezogen , antwortete Friedrich : „I✪.
bin Euer Landesherr, so lange ich Sachsen in.
315

Befit habe ; folglich seyd Ihr mir auch Gehorsam


schuldig."
Friedrich wußte nur zu wol , daß er von der
Republik Polen keine Hilfe erwarten konnte ; er
wollte jedoch nicht die Staatformalität vernachläßi-
gen , und verlangte daher , kraft des wehlauer Trak-
tats , jur Beschüßung der brandenburg'schen Staaten,
Die festgesezten 4000 Mann Hilftruppen ; dabey bat
er die Republik , daß sie den Russen keinen Durch-
marsch durch ihr Gebiet verstatten möchte , weil sonst
Der Krieg auch nach Polen gezogen werden würde.
Dies Ansuchen wurde jedoch in Warschau gar nicht
geachtet, da selbst diejenigen Großen , welche es auch
nicht mit ihrem Könige hielten , dennoch vor den
Ruffen zitterten. Die Kaiserin Elisabeth unterhielt
diese Furcht durch Drohungen , und durch die Besių,
nehmung von Elbing und Thorn , wobey ſie erklärte,
daß sie durch ihre Armeen den König gewiß abhalten
würde , die Nuhe von Polen zu stören.
In allen Provinzen Teutschlands herrschte nun
eine kriegerische Thätigkeit , die seit vielen Jahr-
hunderten nicht so allgemein gewesen war. Bey allen
Kriegen der neueren Zeit, selbst da unter Karl dem V.
und unter Gustav Adolph die Teutschen aus Reli-
gionseifer gegen einander wütheten , waren keine so
gewaltigen Zurüstungen geschehen, als jezt, wo alle
Völkerschaften Germaniens , groß und klein , zu den
Waffen griffen , um für den doppelten oder für den
einfachen Adler zu kämpfen, Die Furcht vor dem
Anzuge mächtiger Heere verringerte jedoch die preus
fische Partey immer mehr und mehr. Selbst der
Herzog von Braunschweig, Friedrich's Schwager,
316

wollte , um sein Land zu retten , es den Franzosen


übergeben ; auch der Landgraf von Hessen : Caffel
wankte , und schien mit Preußens Freundschaft und
dem bisherigen Schuß auch alle empfangenen engli-
schen Subfidien zu vergessen. In Südteutschland
war nur der einzige Markgraf von Bayreuth , der
lieber fein Land preisgeben , als gegen seinen könig-
lichen Schwager Truppen senden wollte. Friedrich
war durch diese Großmuth gerührt , und da er nun
überdem die Staaten des Markgrafen als das Erb-
theil seines Hauses betrachtete , so untersagte er die
uit Verheerung verknüpfte Aufopferang , und be
willigte selbst den Beytrit des bayreuth'schen Krieg=
Contingents zu den wider ihn versammelten Heer-
fchaaren .
So wurde nun die Reicharmee zusammengebracht,
die das durch Alter, so wie durch innere Macht, ehr-
würdige germanische Bündniß in einem lächerlichen
Licht darstellte. Diese Truppen waren vielleicht den
Kreuzfahrern nicht ganz unähnlich. Die Contingente,
oder die reichpflichtmäßigen Beyträge an Soldaten,
der Bayern, der Pfälzer, der Württemberger und
einiger anderen Reichſtånde ausgenommen , war der
Rest der Armee ein Zusammenfluß undisciplinirter
Horden , in Schaaren vertheilt , die ein buntschef-
figes Ganzes bildeten. In Schwaben und Franken
maren Neichstände , die nur einige Mann stellten.
Auf manchen fiel allein die Lieferung eines Lieutenants
ohne Soldaten , der oft ein vom Pfluge weggenom=
mener Bauernkerl war ; andere lieferten bloß einen
Tambour , und gaben ihm eine Trommel aus ihren
alten Rüstkammern. Viele Klosternonnen lègten ihre
317

Rosenkränze beyseite, und stickten Fahnen , die, durch


Priesterfegen geweiht , gegen Kezer wehen sollten,
Die Schweintreiber avancirten zu Querpfeifern , und
abgelebte Karrengåule wurden bestimmt , Dragoner
zu tragen. Die Reichprälaten , welche sich brüsteten,
Bundesgenossen so großer Monarchen zu seyn, ließen
ihre Klosterknechte die Kittel ablegen , und schickten
fie zur Armee. Waffen, Kleidung , Bagage, furz
Alles war bey diesen Menschen verschieden , die man
mit dem Namen Soldaten belegte, und von denen
man große Dinge erwartete.
Indessen wurden von Seite der Preußen die
wirksamsten Maasregeln genommen , den Feldzug früh
zu eröffnen , um den feindlichen Bundesgenossen zu
vorzukommen. Die furchtbarsten dieser Alliirten wa-
ren die Östreicher. Auf diese mit vereinigten Kräf-
ten lokzugehen , beschloß daher Friedrich, um, wo
möglich, einen großen Streich auszuführen , bevor
sich die Heere der anderen Völkerschaften nähern
könnten. Der kaiserliche Hof nahm ein entgegen
gefeßtes System an , und wollte sich blos auf Ver-
theidigung einschränken , bis man, mit sämmtlichen
Bundesgenossen vereinigt , auf einmal den König von
Preußen von allen Seiten anfallen und vernichten
könnte, Brown theilte deshalb seine ganze Macht
in vier große Corps , um Böhmen zu decken. Den:
noch drang Friedrich zu Ende des Aprils mit fünf
großen Krieghaufen in dies Königreich ein , nachdem
er zuvor , um die Feinde zu hintergehen , durch man-
nigfaltige Anstalten Miene gemacht hatte, auch seiner.
feits vertheidigungsweise zu verfahren , und in der
Nähe von Dresden durch feste Lager Sachsen zu decken.
318

So wol waren die Befehle berechnet, die auch


mit großer Ordnung pünktlich befolgt wurden , daß
alle diese von so verschiedenen Seiten anrückenden
Armeen am nåmlichen Tage den böhmischen Boden
betraten. Man bemächtigte sich sogleich einiger sehr
beträchtlichen kaiserlichen Magazine. Die Armee
unter dem Herzog von Bevern , 16,000 Mann ſtark,
traf bald auf eine feindliche von 28,000 Mann , die
sich , unter Anführung des Grafen von Königsegg,
bey Reichenberg verschanzt hatte. Sein Lager war
zwischen zwey waldigen Bergen , und seine Schlacht.
ordnung glich einer Festung. Die Östreicher wurden
fogleich angegriffen , und nach einem fünfstündigen
Gefechte, mit einem Verluste von 1800 Mann an
Todten , Verwundeten und Gefangenen , aus dem
Felde geschlagen . Die Preußen verloren dabey 300
Mann. Nach diesem Treffen rückte der Herzeg vor.
warts, und vereinigte sich bald darauf mit der Armee
des Feldmarschalls Schwerin , der in fünf Colonnen
über die schlesischen Gebirge in Böhmen eingedrüngen
war , und die kaiserliche Arriergarde bey Alṭbunzlau
geschlagen hatte. Sie bestand aus 1500 Mann, die
größtentheils niedergemacht oder gefangen wurden,
wobey aber der Anführer der Preußen , Wartenberg,
ein sehr würdiger General , ſein Leben verlor. → Der
König von Preußen marschirte über den hohen böhmi-
schen Berg Pastopol ohne allen Widerstand , und ging
über die Moldau im Angesicht des Feindes , der seine
ganze Macht beysammen ha te, und jezt den kostbaren
Augenblick versäumte, Friedrich's kleines, abgeson.
tertes Heer mit überwiegendem Vortheil anzugreifen.
Unter den obersten Befehlhabern der kaiserl. Truppen
319

herrschte eine Eifersucht , die sich auf mancherley


Art sehr auffallend zeigte ; denn Brown war jetzt dem
Prinzen Karl von Lothringen untergeordnet , der als
oberster Feldherr kommandirie. Diese Heerführer
ahneten keinen feindlichen Einfall in Böhmen ; sie
glaub en, Friedrich würde sich in Sachsen zu ver
theidigen suchen , daher auch Brown unter dem 9ien
April bey Keith um die Rücksendung der im vorigen
Jahr aus Böhmen mitgenommenen Geifeln anhielt,
weil, wie er sagte , die Preußen dieses Jahr wol nicht
wiederkommen würden. Auf Friedrich's Befehl
schrieb Keith zurück , daß Brown Recht hätte , und
daß die Geiseln nächstens nach Böhmen transportirt
werden sollten .
Am 6ten May früh Morgens waren alle preus
fischen Armeen , über 100 000 Mann stark, in der
Gegend von Prag versammelt. Sie vereinigten sich
auch in der Nähe dieser Hauptstadt bis auf die von
Keith and von Prinz Morig kommandirten Truppen,
die auf der anderen Seite der Moldau blieben , und
einige Stunden darauf nahm eine der denkwürdigsten
Echlachten ihren Anfang , die in den Jahrbüchern.
ter Kriege aufgezeichnet sind. Das preußische
Heer, das wirklich zum Treffen kam , mar 64,000,
das östreichisce 76 000 Mann ftark. Das lehtere
stand auf verschanzten Bergen. Die Zugänge waren
zum Theil sumpfige Wiesen , abgelassene Teiche , de-
ren Böden voller Schlamm und mit Gras bewachſen
war ; ferner schmale Dämme, ja Stege, worauf die
Soldaten nur einzeln übergehen konnten. Die öft-
reichische Infanterie stand ruhig in diesem festen
Lager, und war eben mit Kochen beschäftigt , und
Friedrich d. Einz. III. 2.
320

die Cavallerie war aufgeschickt , Futter zu holen , als


Friedrich anrückte ; denn man hatte , ungeachtet
aller von den Vorposten eingebrachten Nachrichten,
seinen Anmarsch nicht glauben wollen . Der Prinz
Karl ließ nun in größter Eile die Fouragirer zurück-
kommen , die auch zum Theil in ihren Kitteln mit
den Preußen fochten. Ungeachtet des fo sehr übeln
Terrains geschah dennoch der Angriff von der preus
kischen Infanterie mit einem bewundernswürdigen
Muthe. Sie konnten nur rottenweise über die
schmalen Damme gehen , und diejenigen , welche
durch die Wiesen wadeten , blieben bey jedem Tritt
im Schlamme stecken ; ja die Regimenter Meierrinc
und Treskow sanken bis an die Knie in Moraſt , und
nur mit großer Mühe gelang es ihnen , sich heraus-
zuarbeiten. Einer half dem Anderen , und Alle
sprachen sich einander Muth ein. Mehre Batail-
lone mußten bey diesen Umständen ihre Kanonen
zurücklassen, so nöthig sie solche auch brauchten. Um
1 Uhr Nachmittags waren die Hindernisse bekämpft,
und die Preußen fingen an , fich in Schlachtordnung
zu stellen. Ohne sich erst von den schrecklichen Be-
schwerden zu erholen , gingen fie ungestům auf den
Feind los , der sie mit einem entfehlichen Artillerie-
feuer empfing. Die Preußen stürzten immer rotten-
weise zu Boden. Das Regiment Winterfeldt griff
dennoch eine Batterie an , faud aber großentheils vor
Derselben sein Grab. Dies hinderte jedoch nicht das
Anrücken des Grenadier - Bataillons Wreden , das
einmüthig schrie : Kameraden ! Laßt uns heran,
Ihr habt Ehre genug !" Der König hatte Befehl
gegeben , ohne mit Musketen zu schießen , gleich mit
321

gefälltem Bajonnet einzudringen ; allein das Kartát


schenfeuer der Östreicher war so mörderisch , daß die
menschliche Natur bey einem augenscheinlich gewissen
Tod endlich der Tapferkeit ein Ziel seßte. Mehre
Regimenter der Preußen wichen zurück.
Indeffen war die Cavallerie beider Heere auch
in's Handgemenge gerathen ; der Prinz von Schön-
eich, welcher die preußische kommandirte , griff mit
einem Theil derselben die ganze öftreichiſche an , und
warf die erste Einie über den Haufen. Er verlor
aber durch überflügelung feine beiden Flanken, und
wurde durch die zweyte Linie des Feindes zurückge-
fchlagen. Die preußische Reiterey formirte sich jedoch
wieder , erhielt Verstärkung , und ging von Neuem
auf den Feind los , und nun war der Angriff entschei
dend. Die öftreichische Reiterey wurde ganz aus-
einander gesprengt, und auf ihre eigene Infanterie
geworfen , die sie in Unordnung brachte. Die preuf-
fischen Husaren benüßten diese Gelegenheit , um eins
zuhauen , und die Verwirrung zu vermehren.
Der Feldmarschall Schwerin war zu eben der
Zeit eifrig bemüht , die durch den entseßlichen Eisen-
hagel zurückgewichene Infanterie wieder zu formiren,
und ließ sie gegen den Feind anrücken . Er stellte
fich selbst an die Spiße seines Regiments , stieg vom
Pferde, und ergriff mit den Worten : Heran meine
Kinder!" eine Fahne, die in seiner Hand den Weg
des Sieges bezeichnen sollte. Die Preußen fanden
auch diesen Weg , allein der edle Wegweiser fiel,
durch vier Kartäiſchenkugeln zu Boden gestreckt. Das
Panier seines Monarchen deckte ihn , und verhüllte
feine Todelzúge, Mehre preußischen Generale folgten
2*
322

diesem Beyspiel , und führten ihre Brigaden zu Fuß


an ; auch der Prinz Heinrich sprang vom Pferd, und
erstieg an der Spiße der Seinigen eine feindliche
Batterie. Nun stürzte das ganze zweyte Treffen
der Preußen auf die Öftreicher , die bis zu ihren
Zelten getrieben wurden. Man hatte sie stehen lassen,
um keine Zeit zu verlieren. Der Herzog Ferdinand
von Braunschweig , Friedrich's größte Stüße an
diesem blutigen Tage , so wie überhaupt in dem gan-
zen Kriege , bemerkte indessen den fortdauernden
Muth des Feindes , deffen linker Flügel seine Stel-
lung immer noch behauptete. Er båt den König um
Erlaubniß, vom Schlachtplan abzuweichen , weil er
einen Versuch auf die feindliche Flanke machen wollte.
Die Antwort war , er möchte thun , was er am rath-
samsten fånde. Ferdinand nahm sofort einige Regi
menter vom rechten Flügel , fiel dem Feind in die
Flanke und in den Rücken , und so wurde er von
Berg getrieben, und sieben mit östreichischen Grena-
dieren , dem Kern der kaiserlichen Soldaten , beſeßte
Schanzen wurden erobert. Die Feinde befanden sich
in großer Unordnung , so daß ihre Flügel von einan
der getrennt waren. Schnell benüßte Friedrich
diesen Vortheil. Er rückte in den offenen Raum,
und nun war die Trennung vollkommen. Unglück-
licherweise für die Preußen war ihre leichte Cavallerie
entfernt , weil sonst der gänzliche Untergang des feind
lichen, Heeres unvermeidlich gewesen wäre. Das
geschlagene Heer formirte jest zwey Armeen , von
welchen die kleinste ſich auf die Flucht in's weite Feld
begab, und die andere sich in Prag warf. Diesen
Zufluchtort wählte man in Eile , ohne die Folgen zu
323

überlegen. Man sah jedoch das Schreckliche dieser


Lage schon in den ersten Stunden ein. Es wurden
auch noch den nämlichen Tag einige, obwol schwache,
Versuche gemacht , sich wieder herauszuziehen ; allein
die Preußen hatten , so viel die Dunkelheit der Nacht
es nur zuließ , alle Ausgänge der Stadt befeht, und
zwangen die Öfireicher, wieder in ihr Krieggefängniß
zurückzukehren.
So war die Geschichte dieser denkwürdigen
Schlacht, die von Morgens 9 bis Abends um 8 ühr
gedauert hatte ; eine Schlacht, die in Ansehung der
großen Streitenden Heere , des vielen vergoffenen
Bluts , der dabey begangenen großen Fehler von
Seiten der überwundenen , des Todes eines erfahre
nen Heerführers in den Augenblicken der höchsten
Unordnung , der von beiden Theilen bewiesenen Tap-
ferkeit , der überstiegenen großen Schwierigkeiten,
und der durch die Niederlage erzeugten Bestürzung,
der Schlacht von Cannå nicht unähnlich war , wo
Hannibal die Römer, wie noch keiner vor ihm, be
fiegte. Die römische Schlacht entschied das Schicksal
von ganz Italien , Kom allein aufgenommen ; und
die teutsche hätte den ganzen Krieg entschieden , und
den politischen Zustand von Teutschland umgestaltet,
wenn nicht ein sehr unbedeutender Gegenstand , ein
Paar elende Pontons , das Loes so vieler Nationen
bestimmt hätte. Die Armee des Prinzen Moriß von
Deffau befand sich oberhalb Prag bey Branick, an
der anderen Seite der Moldau , über die man eine
Brücke schlagen wollte , um dem Feind in den Rücken
zu kommen. Dieser Fluß aber war angeschwollen ;
man hatte nicht darauf gerechnet , und einige Pontens
324

fehlten , um die Schiffbrücke zu vollenden. Diese


muthigen Preußen blieben also in der Ferne bloße
Zuschauer der Schlacht. Ein Paar Pontons mehr,
und die gänzliche Vernichtung des großen öftreichis
schen Heers , von dem jest das Schicksal einer mach
tigen Monarchie abhing , war nicht einen Augenblick
weifelhaft. Dieser Tag wåre in der Weltgeschichte
unsterblich geworden ; fodann keine Schlacht bey Col
fin, Feine Schlacht bey Hochkirch , furz eine ganz
andere Geschichte , als wie man sie jezt in den Jahrs
büchern des achtzehnten Jahrhunderts liest. Alles,
was Morih in dieser für einen Helden höchſt trau-
rigen Lage thun konnte , war , diejenigen geschlagenen
Östreicher zu kanoniren , welche sich vor seinen Augen
in großer Unordnung zur daun’ſchen Armee zogen.
Der Verlust der Preußen an diesem Tage war
16,500 Mann an Todten und Verwundeten ; 1550
waren gefangen worden. Viele ihrer vornehmsten
Befehlhaber waren geblieben : außer dem Feldmar-
schall Schwerin , die Generale Prinz von Holstein,
Prinz von Anhalt, Golf , Hautcharmoy und Andere,
Fouquet und Winterfeld aber wären gefährlich ver-
wundet *). Die Östreicher zählten 19,000 Todte

*) Friedrich ehrt das Andenken der Gefallenen


burch folgende schöne Stelle in seiner Geschichte
bes siebenjährigen Kriegs : ,,Der Verlust dev
Preußen belief sich auf 18,000 Streiter, ohne den
Feldmarschall Schwerin zu rechnen, der allein mehr
als 10,000 Mann werth war. Sein Tob machte .
die Lorbeern des Siegs verwelfen ; denn der Sieg
war durch ein zu kostbares Blut erkauft! An dies
fem Tage fielen die Säulen der preußischen
325

und Verwundete, dabey büßren fie 5000 Gefangene


ein, die nebst 60 Kanonen , einer Anzahl Fahnen und
Standarten, der Kriegkasse und vieler Bagage , den
Siegern in die Hånde fielen. Noch vom Wahlplah
schrieb der König an seine Mutter : "Ich bin mit
meinen Brüdern gesund ; der Feldzug ist für die Östb
,,reicher verloren , und ich habe mit 150,000 Mank
freye Hånde. Wir sind Meister von einem König

Infanterie , die Herren von Fouquet und von


Winterfeldt wurden gefährlich verwundet ; and
ihr Leben verloren Herr von Hautcharmon , die
Herren von Golz , der Prinz von Holſtein , Herr
von Mannstein , von Unhalt , und eine Menge
tapferer Offiziere und alter Soldaten, welche_zu
erfegen ein blutiger und grausamer Krieg nicht
Seit gewährte."
Q Es stehe hier noch eine Stelle aus dem ôftes
erwähnten Werke von Jomini : ,,Was die Uc,
tion selbst betrifft, so hatte man keine Wahl beym
Angriff; er konnte nirgends anders , als auf des
linken Seite geschehen. Über den entſcheidenden Uup
genblick, den Brown durch Trennung der Truppen
herbenführte, fehen, und sich seiner bemächtigen, is
einer jener Züge des Genies , deren sehr wenige
Generale fähig sind , und welcher dem Könige
große Ehre macht . Sein Verhalten während der
Schlacht verdient gleichfalls das größte Lob. Das,
was in den vor ihr statt gefunde en Manövren
verwegen scheint, muß ohne Zweifel der Lage den
Dinge bengemessen werden , und der Kenntniß,
die er von den feindlichen Generalen hatte (felp
ner genauen Beurtheilung derselben,; Friedrich
war ein zu großer Feldberr , um einen gewöhrə
--
lichen Fehler zu begehen."
326

,,reich, das uns Geld und Mannschaft geben wird .


Ich werde einen Theil meiner Truppen absenden.
,,den Franzosen ein Compliment zu machen, mit den
übrigen will ich die Östreicher verfolgen"
So blutig indeß auch dieſe Schlacht war, und so.
große Erwartungen auch ganz Europa jeht hatte, so
ging doch alles ganz anders ; denn diese schreckliche
Niederlage ist desto merkwürdiger wegen der Folgen,
die sie nicht hatte. Alle Welt glaubte, daß die flüch-
tige öftreichische Armee würde verfolgt und aufgerie-
ben, die eingeschlossene aber durch Feuer und Hunger
zur Übergabe gezwungen werden ; allein das Kriegs-
glück vereitelte sehr geschwind die Hoffnungen der
Preußen, und flöste ihren Feinden neuen Muth ein.
Durch die Schlacht bey Prag verlor jedes Heer einen
vortrefflichen Feldherrn ; denn auch der Feldmarschall
Brown starb an seinen im Gefecht erhaltenen Wunden.
Friedrich betrauerte den Tod Schwerin's , seines
Lehrers in der Kriegkunst, von dem er zu sagen pfleg
te: ,,Er würde ein vollkommener Feldherr seyn, wenn
er nur Jemand neben sich leiden könnte." Nach
geendigtem Kriege ließ ihm der König in Berlin auf
dem Wilhelmsplay eine marmorne Bildſäule errichten.
Prag, diese ungeheuere Stadt, hatte nun inner-
halb ihrer Mauern ein ganzes Kriegheer. Nebst der
Besaßung waren hier über 50,000 Mann beyſammen,
worunter sich alle vornehmen Befehlhaber , die sächſt=
schen Prinzen, der Prinz Friedrich von Zweybrücken,
Der Erbprinz von Modena , ja selbst der Prinz Carl
von Lothringen befanden. Eine so große Kriege macht
war seit Casar's Belagerung von Alexia in keiner
Stadt unseres Erdtheils eingeschloffen gewesen. Alle
327

Nationen in Europa, verbündete und neutrale, erwar-


teten nun ganz außerordentliche Scenen. Friedrich
ließ die Stadt, die beynahe zwey teutsche Meilen im
Umfang hat, unverzüglich berennen, und alle Ausgånge
mit Batterien besezen. Er ließ durch den Obristen
Krokom die feindlichen Heerführer auffordern, sich zu
ergeben. Die Antwort war , man würde sich bis aufs
Äußerste vertheidigen. Anfangs glaubte man in Wien,
daß eine so gewaltige Armee, wie die eingeschlossene
kaiserliche, die Riegel ihres Kerkers bald zersprengen.
würde; allein die nachdrücklichsten , oft wiederholten
Versuche, mit Verzweiflung ausgeführt, waren alle
fruchtlos , und die durch zahlreiche Batterien zurüc
gewiesenen Östreicher mußten immer wieder zu ihrer
Quarantaine von Pferdefleisch zurückkehren. Dieses
war die Nahrung der ganzen eingeschlossenen Armee
schon in den ersten Wochen ; die Pferde der Cavallerie
und Artillerie wurden geschlachtet, und das Pfund von
ihrem Fleische anfangs für zwey , hernach für vier
Kreuzer verkauft. Da man einen so außerordentlichen
Vorfall nie vermuthet hatte, so war man darauf gar
nicht vorbereitet ; die Magazine in der Stadt waren
daher schlecht gefüllt , die Truppen litten an allem
Mangel, und die 80,000 Einwohner standen in Ge
fahr, Hungers zu sterben.
Prag , ein Ort , als Festung unbedeutend, aber
afs Brustwehr von 50,000 Mann ein furchtbarer Ge.
genstand, wurde nun, nachdem das Geſchüß aus Dres-
den angelangt war, förmlich belagert, und enger ein
geschlossen. Da man den Endzweck hatte, die Maga
zine dieser Hauptstadt zu verbrennen, und die dort
herrschende große Unruhe zu vermehren, so warf man
328

Bomben und glühende Kugeln in die Stadt, die viele


Häuser in Brand steckten , und eine fortdauernde
Fenerbrunft unterhielten. Die Preußen konnten des
Nachts das Geschrey und Wehklagen der Einwohner
deutlich hören. Zwölftausend derselben wurden aus
der Stadt gejagt, um die Hungersnoth zu vermindern ;
allein die Kanonenkugeln der Belagerer trieben fie in
ihr Elend wieder zurück. Nach einer dreywöchentlichen
Belagerung lag die ganze Neustadt und Judenstadt in
der Asche ; auch einige Vorrathhäuser mit Proviant
waren dabey in Rauch aufgegangen. Viele unschul-
dige wehrlose Menschen, Greise, Weiber und Kinder,
wurden durch die Bomben getödtet , oder in den Hau-
fern zerschmettert. Die Unruhe in dieſer unglücklichen
Stadt war daher unaufſprechlich. Alle Straßen wa-
ren mit Wagen und Pferden bedeckt, die Kirchen lagen
voller Verwundeten und Kranken, und der Tod räumte
unter Menschen und Vieh wie bey der Pest auf. Die
Geistlichkeit , der Magistrat, die Bürgerschaft , alles
flchete den Prinzen Carl um Erbarmen, daß er zwar
hatte, jedoch hier nicht werkthätig zeigen konnte. Er
versuchte zu capituliren, und verlangte einen freyen
Abzug. Friedrich wollte von diesem nichts hören,
und schlug seinerseits Bedingungen vor, die man nicht
glaubte annehmen zu können.
Die Preußen hatten indessen außer den Feinden
auch die Elemente zu bekämpfen. Ein graufamer
Sturm, mit entseßlichen Regengüssen vergesellschaftet,
riß ihre Zelte in Stücken , und überschwemmte das
Lager. Wolkenbrüche ergoßen sich, und schwollen die
Moldau so heftig an, daß ſie auf hundert Schritte weit
aus ihren Ufern trat, wodurch die bey Branick geschla=
329

gene preußische Schiffbrücke zertrümmert , und die


Pontons vom Strom fortgerissen wurden .
Der Zustand der Belagerten verschlimmerte sich
aber täglich, ja ſtündlich, und die vielen Feldherren in
Prag, die unaufhörlich Kriegrath hielten , mußten
keinen Rath mehr. Die Hoffnung dieser Truppen,
sich mit Gewalt den Weg aus der Stadt zu bahnen,
war verschwunden, und das Vertrauen auf die daun’ſche
Armee , die bey Collin stand , nur sehr gering. Ein
großer durch Kriegruth geleiteter Ausfall , der in der
Nacht vom ersten Jung , unter Anführung ihrer besten
Generale, von der ha’ben Beſaßung geschahe, das heißt
von einer Armee, womit man beyde Halbinseln von
Indien håtte erobern können, war so fruchties, wie alle
auderen. Nichts blieb also den Eingeschloffenen übrig,
als sich dem Schicksal zu überlaſſen.
So war die kritische Lage der Kaiferin Maria
Theresia. Alle Pässe des Königreichs Böhmen und der
Lauſih , nach dém Voigtlande , nach Sachsen und nach
Schlesien, im Befih der Preußen ; der Kern ihrer
Kriegmacht und ihre vornehmsten Befchihaber in
Prag eingesperrt, ihre übrigen Truppen geschlagen,
muthlos, und in kleine Haufen zerstreut, denen es fo =
gar auf ihrem eigenen Boden an Unterhalt fehlte ; die
Hauptstadt von Böhmen durch Hunger und Feuer auf's
Außerste gebracht , das darin eingeschlossene Heer auf
dem Punkt , sich zu Krieggefangenen zu ergeben , und
das ganze Königreich nebst den daranfteßenden öftrei-
fchen Provinzen dem Schicksal nahe , dem Sieger un-
bedingt unterworfen zu werden. Von Sachsen her
rar alle Hilfe ganz abgeschnitten, alle kaiserlichen Erb-
lande offen , und dem Feinde blosgestellt ; ja Wien
330

selbst nicht gegen eine Belagerung gesichert. Man


Hielt die Preußen , die seit 1741 im acht Schlachten
gefiegt , und noch keine einzige verloren hatten , jezť
für unüberwindlich , und ihrem Könige Alles zu thun.
möglich. Die Bestürzung in dieſer Kaiſerſtadt war
daher unaussprechlich ; man glaubte den Sieger be-
reits vor den Thoren dieser Residenz zu sehen , und
schon dachte man auf Mittel, ihm mit großen Aufopfe
rungen den Frieden anzutragen.
Långer aber , als Friedrich vermuthet hatte,
hielt sich das Heer der Östreicher in Prag. Die ein
zige Hoffnung desselben beruhte jezt wol noch auf
dem Feldmarschall Daun , der, anfangs bestimmt, zu
der großen kaiserlichen Armee zu stoßen, die von dem
prazer Schlachtfeld entkommenen Flüchtlinge an sich
gezogen hatte, und nunmehr, verstärkt durch einige
bisher noch in den östreichischen Landen gestandenen
Corps fogar die Besatzung von Wien hatte nach
Böhmen eilen müssen, die Berachung der Kaiserburg,
sonst der Sg des Stolzes und übermuths, einigen
Invaliden überlassend - mit einemHeere von 60 000
Mann verschanzt bey Collin stand.- Gerüstet er-
blickte man schon Russen , Franzosen , Schweden und
Reichtruppen an ihren Gränzen. Noch aber durfte
Friedrich hoffen, nach der Vernichtung von Daun's
Armee, und der Gefangennehmung der prager Befaz-
zung, vielleicht in Wien selbst, Östreich in Kurzem zum
Frieden zu zwingen, dessen natürliche Folge dann ohne
Bweifel gewesen seyn würde, daß alle übrigen Staaten
den schon angekündigten Krieg in Wirklichkeit nicht
begonnen, und neuerdings überall Waffenruhe ge
herrscht hätte. Doch kostbar war jeder Augenblick.
331

Hatten jene Mächte auch nur einen Schritt über


den Rubicon gethan, ſo lagen die Loose. -- Den hohen
Werth der Zeit fast besser als Jemand kennend , und
daher immer rasch zu handein gewöhnt , entschloß sich
der König , mit allen bey der Belagerung Prags ent-
behrlichen Truppen , und jenen , welche unter dem
Herzoge von Bevern dem östreichischen Marschall schon
entgegen standen, sich auf diesen, ihn vernichtend, zu
stürzen, und so dem eingeschloffenen Heere jeden Stral
von Hoffnung zu entreifen. Die schnelle Gefangen .
nehmung desselben war, nach glücklicher Vollführung
jenes Planes , gewiß, und der Preußen Kanonendon
ner vor den Thoren des erschrockenen und betäubten
Wien hätte sicherlich einen glorreichen Frieden dictirt.
Den 18ten Juny kam es, in der Nähe von Col,
lin, zur furchtbar entscheidenden Schlacht. Mit
nur 32,000 Mann begann Friedrich gegen den bey=
nah, noch einmal so viel zählenden Daun den Angriff.
Auf dem Abhang und dem Gipfel der Berge stehend,
durchsenkrechte Anhöhen, zum Theil unerſteiglich, und
eine zahlreiche Artillerie geschüßt , erblickten ihn die
Preußen. Ihren eigenen Vortrapp führte General
Hülsen; er begann den Kampf. Mörderisch wüthete
das Geschüßfeuer der Östreicher in den ohnehin dün-
nen Reihen ihrer Gegner; aber nicht wankend, sowol
gegen die Hindernisse der Natur, als jene der Kunst
und der übermacht ringend, drangen die Truppen des
Königs immer weiter vor. Doch, nicht Tapferkeit,
nicht Kriegkunst sollten entscheiden, und die Stürmen-
den werden zurückgeworfen. Noch fünf Mal greifen
fie von Neuem an, und noch fünf Mal müssen sie wei-
chen. Doch rasch ordnen sie sich wieder, einen sieben-
Friedrich d. Einz. III. 3
332

ten Sturm beginnend. Was Tapferkeit, was Kriegs


kunst und die Erinnerung an alle Schlachten seit 16
Jahren, vermögen, geschieht von Seiten der Preußen.
über die Leichenhügel der Gefallenen hinweg stürzen
fie sich, rutherfüllt, auf die dichten Schäaren der Öft-
reicher. Dieſe wanken jezt, und werden zum Weichen
gebracht ; ihr rechter Flügel ist geschlagen . Gleich-
zeitig hat Ziehen mit der Reiterey des Königs daß von
Nadani befehligte öftreichiſche Cavallerie- Corps ange-
griffen, und es über den Haufen geworfen . Der blu-
tige Kampf scheint der Entscheidung nahe ; schon wird
das Geſchüß der kaiserlichen Armee abgeführt, und der
von Daun's eigener Hand mit Bleyſtift an seine Gene-
rale geschriebene geheime Befehl autet : „ Die Re
traite ist nach Suchdol.“ - Ta wendet sich plög,
lich die Lage der Dinge, im höchsten Grade schrecklich
für den König. -
Nie wurden Friedrich's weise Anordnungen
so schlecht vollführt , als während des mörderischen
Kampfes bey Collin. Nicht durfte sich der rechte Flú-
gel, nach den getroffenen Difpofitionen, mit den ihm
gegenüber stehenden Feinden in den Streit einlaſſen.
Die ganze Arwee, in ſchieſer Richtung geordnet, ſollte
nur auf dem linken Flügel kämpfen , wo Friedrich
den Sieg entscheiden wollte. Diese Anordnung ,
dhnlich jener, durch welche der König einige Monate
spåter den glorreichen Sieg bey Leuthen errang, war
vortrefflich, *) dagegen trifft das Benehmen der preuß-

*) ,,...Bir urtheilen jedoch nicht nach dem Erfolg,


und der Umstand , daß die Schlacht tey Collin
von Kriégkundigen die schönste in der
333

ſiſchen Generale aller Ta‘el. Der Prinz Morih von


Dessau ließ sich durch die Unbesonnenheit des Generals
Manſtein verführen, der in den koßibarsten Augenblicken
eine Croaten-Jagd vornahm . Moriß brach die Linie,
durch friegerische Hise verleitet, und hielt mit seinen
Fampfdürstenden Schaaren still , um Manstein zu un
terſtüßen, zu eben der Zeit, da er sich, ohne zu fechten,
in unzertrennlicher Verbindung mit der zusammen-
hängenden ungeheuern Schlachtmaschine ruhig for be
wegen follte. Die ganze preußische Armee bekam da
durch eine falsche Richtung. Hieraus entstanden Un-
ordnungen aller Art. Man griff da an, wo kein Aus
griff geschehen sollte.
Die Östreicher bezeigten sich überaus tapfer.
Das ungarische Infanterie-Regiment Haller hatte alle
Munition verschoffen. Es fehlte an Anstalten, in der
Geschwindigkeit damit versorgt zu werden. In dieser
Lage nahmen die braven Ungarn, die sich nicht zurüc-
ziehen wollten, ihre Zuflucht, nicht zum Bajonet, son,
dern zu dem mehrgewöhnten Säbel, wobey sie das Ge-
wehr über die Schultern warfen. So drangen sie
mit hellem Haufen in die Preußen, und richteten ein
großes Blutbad an, das jedoch einen schrecklichen Aus-
gang für sie hatte ; denn der größte Theil dieses Ne
giments fiel unter den Schwerdtfireichen der Cavalle-
rie des Königs.
Die durch den Kugelhagel ſehr verdünnten preuf-

Anlage genannt wird , ist allein schon hinreiz


chens , unsere Unparterlichkeit zu rechtfertigen."
(Annalen des Kriegs und der Staatskunde [von
Búlow) , 2, Band.)
3*
334

fischen Bataillone formirten kleine Haufen mit großen


Öffnungen, deren sich ihre Cavallerie-Regimenter be-
dienten , um in den Feind einzuhauen . Die nor-
mann'schen Dragoner , eine in allen preußischen Feld-
zügen durch die feltenste Tapferkeit ausgezeichnete
Kriegschaar, thaten dies mit vielem Glück, zerfreuten
den Feind, sowol Fußvolk als Reiterey, und eroberten
Fahnen. Ein preußisches Cüraffier-Regiment folgte
diesem Beyspiel, gerieth aber unter eine Batterie, die™
mit Kartätschen die geharnischten Reiter , Mann und
Rok, so haufenweise zu Boden streckte, daß alles zurück-
ftürzte. Dies verursachte eine erstaunliche Unordnung,
wodurch die hintenstehenden Infanterie-Regimenter,
Henrich und von Bevern, über den Haufen geworfen
wurden. Die durch mannigfaltige Fehler verlehte
Schlacht-Divission vermehrte jeht die Verwirrung, die
auf dieſem rechten Flügel der Preußen immer weiter
um sich griff. Einige sächsische Regimenter Cavallerie,
die sich bey Daun's Heere befanden, und vor Begierde
brannten, sich mit den Preußen zu messen, brachen nun
ohne erhaltene Ordre los, und stürzten auf den Feind.
Der Obristlieutenant Benkendorf, Befehlhaber des
Dragoner-Regiments von Sachsen , gab eigenmächtig
diesen für den ganzen Krieg entscheidenden Befehl.
"IWenn es der Reiterey glückt , in Infanterie.
einzuhauen, so bleibt der festern nichts übrig, als zu
fliehen, widrigenfalls ist ihr Loos Tod oder Gefangen-
schaft." Dies war ein natürlicher Grundſaß bey allen
im Kriege berühmten Nationen bis auf die Schlacht
von Collin , wo die hohe Discliplin der Preußen mit
ihrer Tapferkeit in gleichem Schritte ging. Man
ließ ganze Schwadronen Reiter eindringen, und mitten
335

unter diesem Gewühl von Menschen und Pferden, die


den Tod droheren, formirte die Leibwache des Königs,
die Regimenter Bevern, Heinrich und Hülſen, mit der
fettensten Gegenwart des Geistes , geschlossene Vierecke,
und feuerte auf den Feind pelotonweise nach dem
Reglement , und mit einer so bewunderungwürdigen
Ordnung , als ob sie bey einer Musterung gewesen
wåre. In diesen lebendigen Mauern, die Vernichtung
sprüheren, eingesperrt, stürzten Roß und Mann über-
einander, und formten Leichenhügel im innern, dem
Tode geweiheten , Bezirk. Diese muthigen Reiter
hatten sich selbst in diesen magischen Kreis gleichsam
gebannt, und fahen keine Möglichkeit, zu entrinnen.
Es kam aber mehr Cavallerie den Sachsen zu Hilfe,
und fiel die Preußen von vorne und im Rücken zugleich
an, ſo daß diese endlich dem ungleichen Kampf unter-
liegen mußten.
Die sächsischen Dragoner schnaubten nach Rache.
Die zwölf Jahr zuvor in Schlesien in Verbindung mit
den Östreichern erlittene Niederlage, wo das Loos der
Sachfen traurig war, schwebte noch in dieser Krieger
Andenken, daher man jeßt viele bey ihren alles zerflei
fchenden Säbelhiében ausrufen hörte : „ Dies ist für
„ Striegau ! " Alles, was diese Reiterey nur erreichen
konnte, wurde niedergemeßelt, oder gefangen genom
men. Das erste Schicksal hatte Friedrich's Leib-
garde, die aus tauſend der ſchönsten Menschen bestand,
größtentheils Ausländer, allein in der potsdam'schen
Kriegschule gebildet , und mit militärischem Ehrgeiz
gepanzert. Diese trat hier an die Stelle der Vater-
landliebe. Sie fochten, da ſchon Alles um sie her das
Feld geräumt hatte, bis sie den Geist aufgaben ; sodann
336

deckten sie mit ihren schönen Leibern, in Reihen und


Gliedern gestreckt, ihren blutigen Schlachtplaß. So
wie Pyrrhus, da er zum erstenmal Noms Legionen be-
fámpfte, die erschlagenen Römer mit Erstaunen be
trachtete, so blickten Theresiens Feldherren auf die mit
dem Gesicht gegen den Feind gewandten Leichname der
erlegten preußischen Leibtrabanten , von denen nur
sweyhundert und fünfzig diesen Tag überlebten.
Die Preußen überließen den Östreichern das
Schlachtfeld. Es war neun Uhr des Abends, und der
nichts davon ahnende linke Flügel der preußischen Ar-
mee, der gestegt hatte, unter Commando des Generals
Hülsen, machte sich fertig, ein Lager zu beziehen und
Victoria zu schießen ; ja einige Cavallerie Regimenter
wollten bereits absatteln, als die schreckvolle Nachricht
bey ihnen anlangte, daß die Schlacht verloren sey, und
man sich zurückziehen solle. Der Prinz Moris sprengte
in Person herbey, den so unerwarteten Befehl zu ers
theilen. Dieser sleghafte Theil der Armee formirte
eine Linie, und troßte gleichsam dem Feinde. Der
öftreichische Soldat aber schien es selbst zu fühlen,
daß man nicht auf halbem Wege stehen bleiben müſſe,
daher stiegen die Truppen ihres rechten Flügels aus
eigener Bewegung von den Anhöhen herab, um die
Preußen anzugreifen ; sie wurden aber durch ein Sets.
tergeschrey Halt ! Halt ! zurückgerufen. Die feino-
lichen Anführer , denen ein preußischer Abzug vom
Schlachtfelde einen ganz neuen Anblick gewährie, ſahen
Diefem unerwarteten Schauſpiel ruhig zu , so daß
Friedrich mit diesem Theil seines Heeres , das bis
in die Nacht den Wahlplay behauptet hatte, ungestört
abmarschiren konnte ; ein Rückzug , der mit so viel
337

militärischer Klugheit und Ordnung geschah , daß die


großen Thaten des Tages dadurch gefront wurden.
Sein Verlust an diesem Tage war 8, nach Einigen
fogar 13,000 Mann seiner besten Infanterie, an Kaz
nonen büßte er nur sechszehn ein, die man wegen der
todtgeschossenen Pferde nicht fortbringen fonnte. Die
Östreicher zählten 9000 Tote und Verwundete. Die
Sachsen hatten auch viel verloren ; ihnen war auch
die Ehre des Tage vorzüglich zuzuschreiben, dieser
Nation, die innerhalb Jahresfrist, bey Pirna und Col-
lin , zweymal die östreichische Monarchie reitete.
Dieses, noch nie erlebte, Unglück, erschien den
Preußen als der Vorbote einer traurigen Zukunft.
Auf Karl den XII. deutete man hin, erinnernd, wie
er neun Jahre lang unabläffig von Sieg zu Sieg ge
eilt war, bis die blinde Göttin des Glücks ihn an
einem Tage verließ, um ihm auf ewig den Rücken
zu kehren. Durch diese furchtbare Erinnerung nies
dergebeugt, riefen die Offiziere , trauererfüllt , aus :
„Dies ist unser Pultawa ! -
Wirklich hatte der Sieg, den Daun bey Collin
erfocht, die ungeheuere Folge , den großen König
für die ganze übrige Dauer des Kampfes unfähig zu
machen, einen festen Pfan, einen felbstständigen Gedans
fen zu verfolgen. Der größte Monarch und Feldherr
feiner Zeit schwamm von jezt an blos noch auf dem
Strome der Begebenheiten , den seine Riesenkraft
swar, in neuen, den äußersten, Anstrengungen brechen,
aber nicht mehr ableiten konnte.
Nach Nimburg ging der Rückzug. Lebendiger,
als Jemand , hatte Friedrich die Wichtigkeit des
Verlustes jener Schlacht, noch während derselben,
338

gefühlt. Er selbst hatte sich, dem Tode troßend, den


größten Gefahren ausgesezt, und den Kampf bis zu
einer gänzlichen Ermattung seines Heeres fortgeführt,
um durch Ausdauer und Geschicklichkeit dem Schick-
fale selbst gewissermaßen den Sieg zu entreißen.
Doch , Alles vergeblich! Blbs Gefühle der Ver
zweiflung begleiteten den Helden auf dem Rückzug.
Als die abgematteren Pferde getränkt werden mußten,
empfand er zuerst das Bedürfniß nach einer Erfris
schung. Nur wohlthätig auf sein bewegliches Ge-
muth einwirkend , fonnte die redliche Treuherzigkeit
jenes gemeinen Reiters seyn , der, seine Nicdergeschla=
genheit bemerkend , ihm aus seinem Pferd- Eimer mit
den Worten iu trinken gab : „ Laß Bataille. Bataille
seyn ; es ist nur gut, daß Sie leben ; unser Herrgott,
der gewiß lebt , kann schon wieder Sieg schenken.
Indeß dauerte die Betäubung des Monarchen fort,
und nachseiner Ankunft in Nimburg ſah man ihn einen
Ruheplay suchen , wo er ungestört seinem Schicksal.
nachdenken konnte. Er fand ihn auf einer Brunnen-
röhre, und in seinen Gedanken versunken, zirkelte er
mit seinem Stock Figuren in den Sand ; schreckbare,
fürchterliche Bilder , zeigte ihm die Zukunft. Die
Trümmer feines Heeres kamen heran, und der kleine 3
Rest der königlich en Leibwache umgab ihn . Alle Sol-
daten dieser außerlesenen Schaar waren ihm persönlich
bekannt ; er wußte ihre Namen, ihr Alter, ihr Vaters
land, ihre Schicksale. Viele hatte er mit seiner Zu-
neigung beehrt, und ihr Glück zu machen beschloffen.
Alle diese Bekannten, die täglichen Gegenstände seines
Anblicks und huldreicher Gespräche, waren nicht mehr.
In wenig Stunden hatte sie der Todesengel gewürgt ;
339

fie hatten wie Helden gefochten, und für ihn waren


fie gestorben. Nie, bey keinem Unglück seines Lebens,
wurden Friedrich's Augen naß ; diese Betrachtun
gen aber preßten ihm Thränen auê. - Doch, was falt
jeden Andern vernichtet hätte , gab ihm neue Kraft.
Wie durch einen electrischen Strahl entflammt, sprang
er auf, bey dem Gedanken, das geschlagene Heer be
dürfe seiner jeht mehr als je. Mit tiefgebeugtem
Herzen, aber jener innern Nuhe, welche der wahre Heid
auch bey den fürchterlichsten Schlägen des Schicksals -
in dem Busen bewahrt, mustert' er die kleine Zahl sei,
ner Leibwache. „ Kinder !“ — rief er aus - Ihr
habt heute einen schlimmen Tag gehabt ; aber nur Ge
duld, ich werde Alles wieder gur machen.“ Mit vol»
ler Gegenwart des Geistes und heite :er Miene ertheilte
er nunmehr die angemessenßten Befehle für den weite
ren Rückzug, dessen nächstes Ziel die Mauern von Prag
feyn sollten. Er selbst flog dahin voran, um mit ſei»
nen Vertrauten , den Generalen Winterfeldt und
Rehow, das Weitere zu besprechen.
Bald nach dieser Schlacht schrieb Friedrich
einen merkwürdigen Brief an seinen Freund, den Lord
Marshal, in welchem er seine damaligen Empfindun
gen bezeichnet. Das Glück", fagt er unter anderem,
flöst uns, mein lieber Lord ! oft ein schädliches Selbst-
,,vertrauen ein. Drey und zwanzig Bataillene waren
,,nicht hinreichend , sechszigtausend Mann aus einem
vortheilhaften Posten zu vertreiben. Ein andermal
,,wollen wir unsere Sache besser machen. Das Glúď
„hát mir diesen Tag den Rücken zugekehrt. Ich hätte
,,es vermuthen sollen ; es ist ein Frauenzimmer, und
ich bin nicht galant. Es erklärt sich für die Damen,
340

die mit mir Krieg führen... Was fagen Sie von


diesem Bündniß wider den Markgrafen von Bran=
„denburg ? Wie sehr würde der große Friedrich Wil-
„helm erstaunen, wenn er seinen Enkel mit den Ruf-
fen, den Öfireichern, fast ganz Teutschland und hun-
derttausend Franzosen, im Handgemenge sehen sollte?
„Ich weiß nicht, ob es mir eine Schande seyn wird, zu
"unterliegen ; aber das weiß ich , daß es keine Ehre
„feyn wird , mich zu überwinden.“
Diese philosophische Denkart bey einem so verån-
derten Glück entkräftete die Tadler, verminderte ſeine
unbewaffneten Feinde, und vermehrte seine Bewunde-
rer. Friedrich's Lage war durch diesen einzigen Tag
schrecklich geworden ; seine glücklichen Aussichten wa
ren auf einmal verschwunden , und sein Untergang
schien nun unvermeidlich. Ja , als wenn ihn das Un:
glück auf alle Art verfolgen wollte, ſo erhielt er wenig
Tage nac der Schlacht die traurige Nachricht von dem
Loče seiner zärtlich geliebten Mütter , die aus Gram
wegen der Zukunft sich seit dem Anfang des Kriegs ab-
gehärmt hatte, und jezt durch die Niederlage der
Preußen den Todesstreich empfing *).
Die Schlacht von Collin entschied das Schicksal

*) Zwey Eigenschaften, heißt es irgendwo, von wela


chen die eine seinem Geiste , die andere seinem
Körper angehörte , verhinderten Friedrich an
jeder anhaltenden Verzweiflung. Die Lebendigs
keit seiner Einbildungkraft gestattete nicht , daß
ein vereinzelter Gedanke sich seines ganzen Wesens
bemächtigen konnte , und die hohe Brust , welche
ihn auszeichnete , bewahrte seinem Herzen eine
regelmäßigere Zusammenziehung und Ausdehnung.
341

van Prag, und von dem hier eingefchloffenen Heere,


dem durch diesen Sieg gleichsam der Stein vom Grabe
gemålzt wurde, so daß es wieder auferstehen konnte.
Die Belagerung wurde nun sogleich aufgehoben , und
der Rückzug aus Böhmen mit Geschicklichkeit , jedoch
nicht ganz ohne Verlust , durch den König vollführt.
Sein Blick war nunmehr auf die eigenen Provinzen
gerichtet, die gedeckt werden mußten ; denn Collin war
die Losung für Franzosen , Russen , Schweden und
Reichtruppen , die preußischen Staaten jeht mit allem
Eifer anzufallen ; auch der Reichshofrath erklärte nun
förmlich den König für einen Reichsfeind . Die Russen
drangen über 100,000 Mann stark in's Königreich
Preußen ein , daß der Feldmarschall Lehwald mit
30,000 Mann zu vertheidigen versuchte. Die Haupt--
Armee der Franzosen hatte fast ganz Westphalen in
Besitz genommen . Eine andere französische Armee
vereinigte sich mit den Reichvölkern , um in Sachsen
einzudringen, und die Schweden ſchifften über's baltis
sche Meer, Pommern anzufallen.
Die preußischen Unterthanen , die bey allen die-
sen schrecklichen Aussichten an ihres Königs Glüc
nicht verzweifelten, die an dem Ruhm seiner großen
Thaten Theil nahmen, und seinen Ruin als den ihris
gen betrachteten , beschlossen , ihn mit Nachdruck zu
unterßtüßen. Friedrich hatte sie lisher mit Milde
beherrscht, ihnen viele weisen Gesetze gegeben, und ans
Dere nicht gewöhnliche königliche Wohlthaten erzeigt;
denn damals dachte man in den preußischen Staaten
noch an kein französisches Zinanzsystem. Diese Liebe
zu ihrem Könige, so wie ihren Patriotismus, wollten
fie der Welt vor Augen legen. Die Landstände in
342

Pommern versammelten sich eigenmächtig, und beschloß-


ſen, 5000 Mann Landmiliß auf ihre Koſten zu errich-
ten und zu unterhalten. Diesem Beyspiel folgten
die Landstände der Mark Brandenburg, die auch 5000
Mann, und die Landstände von Magdeburg und Hal-
berstadt, die auch 2000 lieferten ; sämmtlich Soldaten,*
die nicht zu den Militär- Cantons gehörten. Alle dieſe
Provinjen warben auch eine Anzahl Husaren an , die
den Namen Provinzial-Huſaren führten, den ganzen
Krieg durch dienten , und sich unter den Generalen
Werner und Belling sehr auszeichneten. Eine große
Schwierigkeit aber schien diesen mannigfaltigen Trup-
pen-Formirungen im Wege zu stehen. Es fehlte nám:
lich allen diesen verschiedenen Corps an Offizieren;
ein Mangel, der jedoch bald erseßt wurde. Edelleute,
die in den Waffen grau geworden, und auf ihren Gú
tern in Ruhe lebten, eilten herbey, um in höhern oder
nietern Graden zu dienen. In Stettin wurde eine
kleine Marine errichtet , die aus zwey Fregatten von
swanzig, drey Galeeren von zehn, und neun anderen
Fahrzeugen von sechs Kanonen bestand.
Dieser Patriotismus zeigte sich in der ganzen
Monarchie. Um die königlichen Stutereyen in Preus-
fen zu retten , wurden die Pferde unter den Bauern
vertheilt. In den westphälischen Provinzen Minden
und Ravensberg , die sich in feindlichen Hånden be-
fanden, war die Thätigkeit der Einwohner zwar durch –
die Lage begränzt , allein sie zeigten doch ihre Gesin-
nungen dadurch hinreichend, daß sie, wo sie nur immer
konnten, die königlichen Einkünfte dem Feinde ver-
bargen, um sie ihrem Monarchen zuzusenden. Nach
der Schlacht bey Collin fehlte es der preußischen
343
Cavallerie an Pferden . Der Präsident Blumenthal
vermochte die Einwohner von Magdeburg und Halber-
stadt, dem König ihre Pferde zu liefern . Der Adel,
die Domherren, die Bürger, die Bauern, alle beeifer-
ten sich um die Wette, ihrem Monarchen dies Opfer
zu bringen ; man entspannte Wagen und Caroffen,
*entfagte auf eine Zeitlang dieser Bequemlichkeit, und
fandte die Pferde, viertausend an der Zahl, zum Dienst
Der Reiterey.
Der Feldmarschall Brown war nun todt, und die
öftreichischen Heere standen jeht unter den Befehlen
des Prinzen Karl und Daun's. Diese Feldherren hat-
ten nun nach dem Abzug Friedrich's aus Böhmen
wieder Kräfte gesammelt, und wollten seine Entfer-
nung benügen; fie drangen in die Laufis, die der Prinz
von Preußen, der älteste Bruder des Königs, an den
böhmischen Gränzen mit einem starken Corps deckte;
es wurden aber preußischer Seits bey demselben in
Märschen und Stellungen einige große Fehler gemacht,
wodurch der Paß von Gabel verloren ging. Der Ge
neral Puttkammer vertheidigte ihn mit vier Batail.
lons gegen 20,000 Östreicher drey Tage lang auf's
Hartnäckigste, mußte aber endlich der Menge unter-
liegen, da er keine Unterstüßung erhielt. Nach diesem
Unfall verließen die Preußen Böhmen gänzlich, und
zogen nach der Laufig, nicht ohne Verlust ihrer Bagage
und Pontons, die in den Hohlwegen und zwischen den
steilen und felsigen Gebirgen in Stücken brachen. Bey
Baußen stieß der König endlich zu diesem Corps, auf
serst unzufrieden mit dem Vorgefallenen. Er empfing
die unter seinem Brnder commandirenden Generale
sehr übel, und bediente sich des Ausdrucks, sie hätten
Friedrich d. Einz, III,
344

verdient die Köpfe zu verlieren, wobey er nur allein


den General Winterfeldt ausnahma ; dem Prinzen aber,
deffen Fetter Unentschlossenheit gewesen war , zeigte
er ein so ernsthaftes Gesicht, daß sich dieser sogleich
von der Armee entfernte, und nach Berlin ging, wo
er im folgenden Jahre starb *).

*) Unter den Handſchriften der ( esmatigen) manns


heimer Stuliothek befand sich ein Brief des Prins
zen Angus Wilhelm) an seinen Bruder , den Kö-
ni , einen Tag nach ihrer Zuſammenkunft ge:
schrieben , und die Antwort desselben hierauf.
Wir beschränken uns, die testere allein hier mit:
zutheilen. Das Ganze scheint in französischer
Sprache geschrieben , in der damaligen Zeit aber
überfest worden zu seyn . — ,, Ihr habt durch
Euere üble Aufführung meine Sachen in verzwei=
felte Umstände gefeht. Es ist nicht der Feind,
sondern Euere üble Maßregeln, welche mir allen
Schaden zufügen. Meine Generals ſind gar nicht
zu entschuldigen, entweder weil sie Euch übel ge,
rathen haben , oder doch zugegeben , daß Ihr so
üble Entschließungen genommen. Euere Ohren
find nur gewohnt die Rede der Schmeichler zu
hören. Daun hat Euch nicht geſchmeichelt , und
Ihr seht die Folgen hievon. Vor mir bleibt in
dieſer traurigen Situation nichts übrig , als die
äußersten und legten Mittel zu ergreifen. Ich
werte schlagen, und wenn wir nicht werden über:
winden können , so werden wir uns alle nieder.
machen lassen. Ich beschwere mich nicht über Euer
Berk, wol acer über Euere Unfähigkeit und Man :
gel der Beurtheilung , um die besten Mittel zu
erwäblen. Ich rede mit Euch aufrichtig, Wer
nur noc einige Tage zu leben hat, darf sich nicht
" verstellen . Ich wünsche Euch mehr Glück als ich
345

Die Daun'sche Armee belagerte indeffen Zittau,


eine der blühendßten Manufafturstädte in Teutschland,
worinsich ein preußisches Magazin befand. Die Wuth
der Feinte ging so weit , daß sie , um diesen offenen,
mit einigen Bataillons befesten, und einem Bundes-
genossen gehörigen Ort zu haben , Bomben und glú-
hende Kugeln in großer Menge in die Stadt warfen,
ſo daß dieſe zierliche, reiche, mit arbeitsamen Menschen
vollgepropfte Stadt, in menig Stunden einen bloßen
Aftenhausen darstellte ; eine Barbarey, wozu ſie dyr
den anwesenden Prinzen Xavier von Sachsen, der die
Einwohner der östreichischen Sache nicht geneigt z
feyn glaubte , selbst aufgemuntert wurden. Über
Dreyhundert Bürger wurden unter den Ruinen der
Häuser begraben, von denen nur sechszig stehen blieben.
Der Verlust des ſo muthwillig verheerten Eigenthum-3
war ungeheuer; er betrug an zehn Millionen Reichs-
Die preußische Bejagung schlug sich durch
Die fie umringenden Seinde, und nur ein kleiner Theil
derfelben , der wegen der wüthenden Flammen nicht
zu den andern floßen konnte, wurde gefangen . Alle

gehabt habe, und daß Ihr nach allen ben üblen


und nachtheiligen Begebenheiten , so Euch begeg=
net sind , künftig lernen möget , wichtige Sachen
mit mehrerem Ernste, Vernunft und Resolution
u tractiren. Das Unglück, welches ich vorausz
sehe, ist größtentheils durch Euch verursacht wor
den. Ihr und Euere Kinder werden die Saft dar
von mehr tragen als ich . Seyd unterdeſſen versichert,
daß ich Euch allemal geliebt habe , und daß ich
auch in der felbigen Gesinnung sterben werde. "
F.
346

diese Unfälle riefen den König zur äußersten Thätigkeit


auf. Er wollte den ungleich stärkern sehr verschanzten
Feind duraus angreifen, und rückte daher ganz nahe
an deffen Lager bey Ostrih. Einige Generale aber,
deren Gutachten er wider seine Gewohnheit verlangte,
stellten ihm die Gefahr und das Fruchtloſe dieſer wahr-
haft verwegenen Unternehmung so ernstlich vor , daß-
er seinen Vorsatz aufgab.
Daun blieb unbeweglich in seinem festen Lager.
So sehr der König eine Schlacht wünschte, so sorgfäl
tig vermied fie der kaiserliche Feldherr, der nie geneigt
war, sich mit den Preußen im freyen Felde zu ſchlagen ;
am wenigsten jeßt , da verbündete Armeen aus allen
Himmelgegenden im Anzuge waren. Ein franzöſiſches
Corps war schon bis Erfurt gekommen , und andere
Armeen diefes Volks folgten aus Westen nach ; die
Reichtruppen rückten aus Süden, die Russen aus
Often, und die Schweden , die schon in Pommern ans
gelangt waren, aus Norden heran.
Um diese Zeit machten sich zuerst zwey, spåter
großen Ruhm erlangenden, Generale bemerkbar; ka us
don an der Spiße von östreichischen , Werner an
jener von preußischen leichten Truppen. Das Er-
nennungpatent des ersteren zum General fiel den
preußischen Husaren in die Hånde ; der König aber
schickte es durch einen Trompeter an Laudon, und ließ
ihm zu seiner Erhebung Glück wünschen.
Gegen die Franzosen hatte sich im Frühling dieses
Jahrs (1757) eine Observationarmee gebildet , be-
stehend aus Hannoveranern, Hessen, Braunschweigern
und einigen Bataillons gothaer und bückeburger
Truppen, wozu noch einige Tausend Preußen gestoßen
347

waren. Dieses vereinigte, zudem von einem schlechterr


Generale, dem Herzog von Cumberland, befehligte
Heer, zählte nur 40,000 Streiter, und war also zu
schwach, den 100 000 Franzosen unter dem erfahre
nen Marschall Etrées die Spiße zu bieten. In dem
unbedeutenden Gefechte bey Hastenbeeck gewissermaßen
durch seine eigene Feigheit besiegt, *) verlor der briti
fche Heerführer jeden Stral von Hoffnung , und ließ
fich allmählig in eine Lage versehen, wo ihm nichts als
eine Capitulation übrig blieb. Diese wurde, ver-
mittelt durch den dänischen Gesandten Lynar, den 8ten
September bey Klosterzeven unter sonderbaren Bedin-
gungen abgeschlossen ; die hannover'schen Truppen nám=
lich sollten nach derselben bey Stade versammelt blei-
• ben , die übrigen Bundesgenossen der Briten aber in
ihre Heimath zurückgeschickt werden.
Die westlich gelegenen Staaten des Königs von
Preußen, eben so Hessen, Braunschweig und Hanno
ver , wurden nunmehr durch die Franzosen über-
schwemmt, welche auf empörende Art in diesen Gegen=
den geboten, besonders ſeit der Herzog von Richelieu
an der Stelle des Marschalls Etrées den Oberbefehl
des Heeres führte. Unausgefeßt erfolgten immer neue
Expreffungen , und die Geschichte dieser Zeit weist
Gråuel auf, begangen durch die Truppen der aller-

*) Der Sieg neiate ſich ganz auf die Seite der Ver
båndeten , als der feige Cumberland , erschreckt
durch einen Angriff der Franzosen, die Flucht er:
griff. Der Verlust der auf diese Art Besiegten
bestand nur in 327 Todten , 900 Verwundeten,
und 220 Gefangenen . Das Treffen fiel den
26ten July vor.
348

christlichsten Majestät, welche denen der Barbaren aus


dem Innern des ruſſiſchen Reichs an die Seite geſeßt
zu werden verdienen.
Friedrich, hart bedrückt durch die Folgen des
unglücklichen Tages von Collin, ſah Preußen von den
siegreichen Russen, Pommern von den Schweden, und
Schlesien von den Östreichern fast ganz erobert, wäh
rend seine sämmtlichen westlich gelegenen Provinzen in
die Gewalt der Franzosen fielen. Zwar nicht nieder-
gebeugt, aber tief ergriffen durch eine solche Lage der
Dinge, schrieb er an den König von England, ihm bit-
tere Vorwürfe über seine vorhabende Neutralitåt-
Erklärung machend. Nie würde ich die Allianz mit
Frankreich aufgegeben haben ," heißt es in diesem
Briefe, wenn mich die vielen schönen Versprechungen
Ew.Majestät nicht dazu vermocht hätten. Ich bereue den
geschlossenen Traktat nicht, aber Sire! überlaſſen Sie
mich nicht aus Kleinmuth der Gnade meiner Feinde,
nachdem Sie ganz Europa wider mich aufgebracht ha=
ben. Dieses Schreiben blieb ohne Antwort. Georg
der II. ließ dem Könige von Preußen Subsidien an-
tragen ; er verwarf aber das Geld, und verlangte Trup-
pen, welche das britische Gouvernement nicht liefern
wollte. Vergeblich bot Friedrich den Franzosen den .
Frieden an ; man beantwortete seinen Antrag gar nicht
einmal, und er erkannte, daß er sich einzig und allein.
durch die Waffen Achtung zu verschaffen vermöge .
Ein Jahr lang hatte nunmehr der Kampf ge-
dauert, und die Lage des Königs war schrecklich. In
der Nähe und in der Ferne Feinde, die sich beständig
mehrten. Vergebens waren seine Siege, und verge
bens floß das Blut feiner tapfern Krieger. Die gigan
349

tische Macht der Gegner wuchs beständig, und troßte


den Niederlagen. Es war das Haupt der Hydra.
Hatte er eine Armee geschlagen , so rückten ihm zwey
entgegen. Ein Reichsschluß hatte ihn als einen Feind
des germanischen Reichs, den man vernichten müßte,
ausgezeichnet. Der Vorsaß und die Macht , ihn zu
Boden zu drücken , war stärker als jemals , und ſeine
Hoffnung vielleicht nie schwächer. Dennoch war die
Heiterkeit in eben diesem Zeitpunkt so groß , daß er
fein Testament in französischen Versen machen konnte.
So gerecht aber auch seine Besorgniß war, der Menge
zu unterliegen, so nahm er doch alle Maaßregeln, ſie
zu überwinden. Seine durch so viele Treffen ge-
schwächte Armee war nur 22,000 , die jeht vor sich
habenden Feinde ( die vereinigten Franzosen und Reich-
truppen) aber 60,000 Mann ſtark. Sie hatten schon
in der Mitte des Septembers eine Probe der preußi-
ſchen Thätigkeit bey Gotha erfahren. Die ganze Ge,
neralität der Franzosen, ihren Heerführer Soubise an
der Spize, hatten mit 8000 Mann diese Stadt zu
ihrem Recreationort auserſehen , um sich von den
Strapazen des Kriegs etwas zu erholen. Es war bey’m
herzoglichen Hofe große Cour, und auf dem Schloffe
hatte man gewaltige Zubereitungen gemacht, die be
waffneten hohen Gäste wol zu bewirthen. Es war
eben Mittagzeit , die Tafeln waren gedeckt , und die
Franzosen zeigten den besten Appetit, als der preußische
General Seydlig mit 1500 Reitern vor den Thoren
von Gotha erschien. Die 8000 Franzosen dachten an
keinen Widerstand ; fie verließen Die rauchenden Schüf-
feln und blinkenden Schenktiſche, und eilten aus der
Stadt. Seydlig, der an die Verfolgung der Feinde
350

wegen seiner außerst ermüdeten Truppen nicht denken


konnte, nahm nun mit seinen Offizieren die Plåße an
der herzoglichen Tafel ein ; eine sonderbare, vielleicht
einzige Begebenheit, daß ein großes Hof-Gastmahl von
Kriegbefehlhabern der einen Partey angefangen, und
von denen der anderen geendiget ward. Nur wenige,
Soldaten wurden zu Gefangenen gemacht, aber desto
mehr Kammerdiener, Lakeyen, Köche, Friseurs, Mai-
treffen, Feldraters und Comödianten, die damals von
einer französischen Armee unzertrennlich waren. Die
Equipage vieler Generale fiel den Preußen in die
Hånde, worunter man ganze Kisten von wolriechen-
den Wassern und Pomaden , desgleichen eine Menge
Pudermäntel , Haarbeutel , Sonnenschirme, Schlaf-
röcke und Papagoyen. Seydtih überließ seinen Hu-
faren diese Toilettenbeute, den galanten Troß aber
schickte er ohne Lösegeld zurück.
Die Franzosen waren so zufrieden, als ob sie ein
Treffen gewonnen hätten, da sie sich wieder in dem Be-
fit ihrer verlorenen dringenden Bedürfnisse befanden.
Der Prinz Soubise brannte vor Begierde , sich zu
råchen ; besonders nachdem er erfahren , daß Seydlig
diese Unternehmung blos mit zwey Regimentern ge=
wagt hatte. Der Prinz von Hildburghausen, der als
Reich Feldmarschall eben zu den Franzosen gestoßen
war, schlug sogleich vor , die Preußen wieder' aus Gotha
zu vertreiben. Man wählte zu dieser Expedition den
Kern beider Armeen, alle Grenadiere und alle leichten
Truppen , wozu noch die öftreichische Cavallerie und
Laudon mit seinen Croaten, stießen . Diese anrückende
Armee aber sah, zu ihrem großen Befremden , daß
Seydlig in Schlachtordnung ßland ; dabey war seine
351

Stellung fo fünftlich , daß die Feinde glaubten , die


ganze preußische Armee vor sich zu haben , daher fie
sich, ohne zu schlagen , zurückzogen.
Wurde je in einem Kriege der mit Frohlocken
verbundene Name Hilfvölker entehrt, so war es in
diesen blutigen Feldzügen, wo man nicht die geringste
Rücksicht auf Bundesgenossen nahm, vielmehr, sie ver-
spottend, ihr Elend vermehrte. Die Franzosen behan-
delten Sachsen wie ein feindliches Land. Fourage,
Proviant, Mahlzeiten für Soldaten, mit überfluß- ver-
bunden , ja selbst Geld an die Befehlhaber , wurden
von diesen Alliirten mit Gewalt erpreßt, roobey man
drohete, im Weigerungfall Städte und Dörfer zu ver-
heeren. Es geschah ohnehin. Ganze Gegenden wur-
den rein ausgeplündert , und was man nicht fortzu
schleppen vermochte , ward zerstört. Mit canibali-
scher Raseren hausten Franzosen und Reichtruppen in
diesem Lande (Sachſen), daß mit ihnen im Bunde war,
und so ward auch diesmal wahr, daß die Feinde dem
Volk weniger Schaden zufügten, als seine Freunde,
Von allen Seiten bedrängt , mußte der König,
kost' es auch was es wolle, den vereinigten Franzosen
und Reichtruppen eine entscheidende Schlacht liefern.
Das Interesse dieser Verbündeten dagegen hätte eis
gentlich erfordert, die Preußen bloß in Unthätigkeit zu
erhalten, wo dann, während Friedrich ihnen entge=
gen stand, der Rest von Schlesien, Preußen, Pommern,
und vielleicht selbst Brandenburg , zur Beute seiner
übrigen Feinde geworden måre, und man ihn dadurch
fast aller Hilfmittel beraubt hätte. Aber nur von Sie,
gen und Ruhm träumend, dachte Soubise , der frans
zösische Marschall , und der Prinz von Hildburg-
352

haufen , Öbergeneral der Reicharmee blos an die


Eroberung Sachiens, die Aufhebung der preußischen
Wactparade (wie man spottweise die Armee des Kö-
nige nannte), und die Gelangennehmung Friedric's
fethit. Obschen die Verwegenheit ihrer Gegner, de-
ren Huſaren nicht selten mitten in ihr Lager drangen,
Pierde herausholten, oder Soldaten aus ihren Zelten
rissen , und sie mit fortschleppten , die Verbündeten
genugsam hätten überzeugen sollen , welchem Feind
ſie gegenüber standen, so war dennoch ihre einzige Bes
forguiß, der König möchte ihnen entrinnen. Wirk
lich schienen einige feiner Marsche und Manouvres
tiese ihre Besorgniß zu bestättigen.
In der Nähe des, damals sächsischen, nunmehr
preußischen, Dorfes Roßbach , eine Meile von Lügen,
wo einst Gustav Adolph für Teutschlands Freyheit blus
tere und starb, flanden den 5ten November die beyden
Heere. 60.000 Mann zählten die Franzosen und
Reichtruppen, nur 22 000 die Preußen. Durch eine
anscheinend zurückziehende Bewegung , als woul' er
ihnen entrinnen, lodhte Friedrich seine Gegner aus
ihrer vortheilhaften Stellung. Die Bemühungen
derselben waren daher hauptsächlich dahin gerichtet,
ihm den Rückzug abzuschneiden ; fiegmäßig ertönte ihre
Musik auf dem Marsche. Der König, sich auf die
Schnelligkeit seiner Truppen verlassend, blieb, wåh-
rend ihn seine Gegner fast umringten , völlig ruhig.
Es war Mittag, und die Soldaten beschäftigten sich
mit ihrer Mahlzeit ; auch Friedrich saß, von einigen
Generalen umgeben , an der Tafel. Mit Staunen be
merkien jenes die legtrunkenen Franzosen ; sie hielten
es für die Folge der höchften Verzweistung, in der man,
353

jeiner Machtlosigkeit sich bewußt, fogar auf jede Ver-


theidigung verzichtet *). Plözlich aber, gegen 2 Uhr,
z0zen schlachtfertig ihnen die Preußen entzegen ;
Seydlih mit der Reiterey , von ihnen indessen un
bemerkt, eilte voran ; er begann den Kampf. Según-
ftigt durch eine auf Anordnung des Königs weise er-
richtete Batterie, stürzt sich, wie mit Gewittermacht,
der preußische General auf die , zum Schlagen noch
nicht formirten fiegtrunkenen Feinde. Dem hohen
Muth und der Kriegkunft der leichten preußischen Co-
vallerie muß die schwere französische weichen ; ja , fie
wird von ihr sogar wie Spreu zersteut. Vergebens
rufft jeht die Referpe vor ; faum gegen den Feind ge--
führt , flieht sie. Mit fürchterlichem Kanonenfeuer
greift nunmehr auch die preußische Infanterie die fend-
liche an . Von ihrer Reiterey verlassen und zugleich
in der Flanke angefallen, ist sie in wenigen Augenblicken
zum Weichen gebracht, und wirft ſich mit Ungeſtúm
auf ihren linken Flügel, der dadurch ebenfalls in grån-
zenlose Verwirrung gebracht wird. Einige Cavallerie-
Regimenter des Königs stürzen sich, Schrecken und
Tod verbreitend , auf dieses Chaos ; die Flucht der
Franzosen ist allgemein. Eine wolthätige Finsterniß

*) ,,Die auf's Höchste gespannte Erwartung der


Franzosen, die so schnell und für sie unbegreifich
vereitelt wurde , war die eigentliche Ursache des
so geringen Widerstandes, und des paniſchen Schref=
kens, das diesen Tag so denkwürdig macht. " (Are
chenholz ) , Es ist daben noch zu bemerken , daß
unter 100 Flinten der Reichtruppen kaum 20
waren , welche Feuer gaben.
354

rettet den Rest dieser, sonst dem Untergang geweiheten,


großen Menschenmasse. -
Es 6 Uhr Abends, und nicht länger als andert-
halb Stunden hatte das Treffen gewährt. Blos 7
Bataillone von der Armee des Königs waren im Feuer
gewesen; gleich bey den ersten Kanonenschüssen hatten
die Reichtruppen ſåmmtlich die Flucht ergriffen. Nur
91 Todte und 274 Verwundete zählten die Preußen,
3500 Todte und Verwundete, 6500 Gefangene (wo-
runter 11 Generale und 250-300 Offiziere) die
Franzosen ; sie verloren ferner 63 Kanonen -und 22
Fahnen. ― Nur durch kleine Detaſchements. konnte
Friedrich, der Dunkelheit wegen , die Feinde ver-
folgen lassen; alle aber kehrten mit ganzen Haufen von
Gefangenen zurück *). Die fliehende Cavallerie warf
ihre Cuirasse und großen Reiterstiefel von sich , so daß
man damit die Straße nach Erfurt wie beſået fand,
auf welcher man ihnen noch 800 Gefangene abnahm.
Auffallender aber, als alles übrige, war die Art,
mit welcher der franzöſiſche Hof das Verdienſt ſeine:
Feldherren auszeichnete. Dem Marschall Etrées was
nach seinem Siege bey Hastenbeck das Commando ab.
genommen worden, der Prinz Soubise aber erhielt für
feine Niederlage bey Roßbach den Marschallstab.
Edel war das Benehmen des Königs gegen die
gefangenen Franzosen. Er ging auf dem Schlachtfelde
umher, und tröstete die verwundeten feindlichen Offi-
ziere. Er sagte unter den schmeichelhaftesten Lobreden

*) ,,In Reichartswerben nahmen zwey Dragoner


über hundert Mann gefangen , die sich in einem
Garten verborgen hatten." (Archenholk.)
355

auf ihre Nation : „ Ich kann mich nicht daran gewöh-


,,nen, die Franzosen als meine Feinde zu betrachten."
Mehr bedurfte es nicht , den Edelmuth der unglückli-
chen Krieger zu beleben, die, gerührt durch diese Her.
ablaffung , ihn als den vollkommensten Eroberer be
grüßten, der nicht zufrieden ihre Körper bezwungen
zu haben , nun auch ihre Herzen erobert hätte. Als
der König durch Leipzig zog, besuchte er den ſchwer ver-
wundeten General Cüſtine, den Vater des in der fran=
zösischen Revolution berühmt gewordenen Generals.
Auf rührende Art gab er ihm sein Mitleiden zu erken=
nen, worauf der halb todte Cúſtine, auf seinem Lager
fich empor richtend , ausrief: Ach Sire ! Sie sind
größer als Alexander ; er quålte seine Gefangenen *),
Sie aber gießen Öl in ihre Wunden.“
Von einer bókartigen , nunmehr aber machtlosen
Feindin half die Roßbacher Schlacht den preußischen
Monarchen noch befreyen. Die Königin von Polen,
durch diesen unerwarteten Schlag niedergebeugt, ſtarb
plöglich. Durch falsche Religionbegriffe und persön-
liche Feindschaft verleitet, hatte sie viele Schuld an die-
fem großen, unseligen Kriege.

*) Hierin irrte sich bekanntlich Cüstine. Wol aber


war es nicht blose Schmeicheley , wenn er sagte,
Friedrich sen größer , als einst Alexander
gewesen. Während der macedonische Herrscher,
sich als Jupiters Sohn brüstenb , blos wilder
und roher Eroberer war , dem das Wehe von
Millionen noch weniger galt , als das Leben seis
nes treuesten Freundes , kannte Preußens König
kein höheres Ziel, als das Wohl seines Staates
und Volkes !
Friedrich d. Einz. III. 5
356

Von den geschlagenen französischen und Reich-


truppen , von denen die thüringer Bauern noch eine
Menge Gefangene einbrachten , war jeht auch keine
Spur mehr in Sachsen und den angränzenden Pro-
vinzen zu sehen. Sie zerstörten alle Brücken, um nicht
verfolgt zu werden, und zerstreuten sich dabey so auf-
ferordentlich, daß viele Haufen von ihnen nicht eher,
als am Rhein. Halt machten. Sie glaubten immer
den König hinter sich zu haben. Dieser aber wurde
durch die glücklichen Fortschritte der Östreicher nach
Schlesien gerufen, wohin er mir neunzehn durch so viele
Schlachten geschwächten Bataillons und acht und zwan-
zig Schwadronen eilte. Er ließ zwar die franzöſiſche
Armee unter dem Marschall Richelieu an den Grán-
zen seiner Staaten zurück ; allein in der Heffnung, den
französischen Operationen bald durch eine Armee Ein-
halt zu thun, die sich auf eine unerwartete Art anfing
zu formiren.
Pitt, einer der außerordentlichsten Menschen, die
je das Ruder eines mächtigen Staats führten , war
jeßt in's britiſche Ministerium getreten , das er durch
seinen Alles umfassenden Geist eben so, wie das Unter-
parlament, ganz nach seinem Willen tenkte. Er hielt
die Convention bey Klosterſeven für einen Schandpeck
der englischen Nation, der vernichtet werden müßte.
Er rieth dem Könige Georg, seine Verbindungen mit
den teutschen Fürsten genau zu erfüllen , eine britiſche
Armee nach Teutſchland zu schicken, sich von Friedrich
einen Heerführer auszubitten, und diesen Monarchen
auch durch Subsidien zu unterstügen. Alles dies ga
schah. ` Die Convention von Klosterseven, weder von
dem engliſchen, noch von dem franzöſiſchen Monarchen
357

genehmigt, und durch die Franzosen selbst vielfach ver-


leht, ward nunmehr, 10 Wochen nach ihrem Abschluß,
förmlich für nichtig erklärt. Georg der II. hatte sich
von dem preußischen Könige den Prinzen Ferdinand
von Braunschweig als Heerführer, statt des Her=
zogs von Cumberlands erbetten . Friedrich, obschon
dadurch sich einen treff ichen General entziehend, wil-
ligte in dieses Begehren. Ein Corps von 30 000
Mann fand Prinz Ferdinand, aber fast an Allem Man-
gel leidend, und niedergebeugt durch Muthlosigkeit.
Doch nichts vermochte ihn zu schrecken. Rasch führte
er die Truppen gegen den Feind. Einige errungenen
kleinen Vortheile flößten diesen Soldaten frischen
Muth ein; und in der besten Hoffnung bezogen file,
durch die Strenge der Jahrzeit dazu genöthigt , die
Winterquartiere.
Eigentlich verschaffte die Schlacht bey Roßbach
dem Könige blos die Freyheit, nach Schlesien zu gehen,
und neue Gefahren aufzusuchen," sagt er selbst. Er
war, wie erwähnt, sogleich nach dem Sieg gegen die
Franzesen dorthin geeilt. Eh' er indessen anlangte,
hatten die Öftreicher Schweidniß ercbert , und die
ganze Besatzung von 5800 Mann gefangen genommen.
Früher schon war der brave General Winterfeld ge-
fallen. Gegen Breslau zog nun das große kaiser-
liche Heer , ungefähr 80,000 Mann zählend. Ihm
entgegen ftand der Herzog von Bevern mit 25.000
Preußen, in vortheilhafter Position . Mit großer Ant
firengung ward den 22ten November gekämpft ; der
zaghafte Bevern aber wollte kein kühnes Unternehmen
magen, und zog sich in der Nacht durch Breslau zu-
ruck. Die Östreicher waren also Herren des Schlacht-
5*
358

felbes geblieben ; sie hatten 18,000 (?) Todte und


Verwundete verloren, ihre Gegner nur 6200, außer
dem aber 3600 Gefangene und 80 Kanonen. Der
preußische Heerführer selbst ward zwey Tage nach der
Schlacht bey'm Recognofciren gefangen genommen,
und sogar des Landes Hauptstadt, das fefle Breslau,
ergab sich fast ohne Widerstand den Siegern. Der
General Kyau führte den Rest der geschlagenen Trups
pen dem König entgegen.
Schlesien schien jeßt für Friedrich so gut wie
verloren zu seyn. Nie, in allen preußischen Feldzügen,
hatte Östreichs Glück aufsolcher Höhe gestanden. Die.
Kaiserlichen glaubten sich jezt zu den größten Erwar
tungen berechtigt ; sie hatten eine Schlacht gewonnen,
zwey Festungen erobert, die Hauptstadt des Landes im
Besih, eine ungeheuere Armee , um das Eroberte zu
behaupten, und daher die besten Aussichten, den Krieg
in furzer Zeit nach Wunsch zu endigen. So war die
Glückslage der Östreicher am Ende des November.
Der eingebrochene Winter schien allen ferneren Ope=
rationen der Preußen ein Ziel zu sehen, und man
dachte schon ernstlich auf Winterquartiere, als sich die
ganze Scene auf einmal , zum Erstaunen von ganz
Europa, veränderte. Das Anrücken Friedrich's
wurde von den Kaiserlichen als der lehte ohnmächtige
Versuch eines Verzweiflungsvollen betrachtet , und
seine kleine Armee von ihnen mit dem Namen der
berliner Wachtparade bezeichnet. Die preußisch-
gesinnten Schlesier waren ganz ohne alle Hoffnung, und
die öftreichisch gesinnten ohne alle Besorgniß.
Die immer zunehmenden Kälte im Anfang des
December zeigte die schleunige Nothwendigkeit, in die
359
Winterquartiere zu gehen. Ein anderer Feldherr, als
der Sieger von Roßbach, hätte sich bey dieser rauhen
Jahrzeit in Erwaftung des künftigen Feldzuges be
gnügt, das rechte Ufer der Oder zu behaupten , Glogau
zu beſchüßen, und Sachsen zu decken. Friedrich's
Entwürfe aber waren ganz anders. Er wollte durch
aus ohne Verzug Schlesien befreyen. In zwölf Tagen
war er von Leipzig bis an die Oder marſchirt, und hatte
hier die geflohene bevern'sche Armee auf dem Marsch
an sich gezogem Man kam dem Feinde immer näher,
dersich bey Breslau verschanzt hatte. Entschlossen, ihn
anzugreifen, wenn er auch auf dem Gipfel der höchsten
Berge gelagert seyn sollte, rief der König nun die Ge-
nerale und Staboffiziere zusammen, und hielt eine.
furze, aber sehr nachdrückliche Rede. Er stellte ihnen
feine unglückliche Lage vor, erinnerte sie an die Tap.
ferfeit ihrer Vorfahren , an das Blut der gefallenen
Krieger ihres Volks , das sie rächen müßten , und an
den Ruhm des preußischen Namens ; dabey äußerte
er sein festes Vertrauen auf ihren Muth, ihren Dienfe
eifer, und ihre Vaterlandliebe, da er den Feind jeht :
angreisen, und ihm seine erhaltene Vortheile wieder 9
entreißen wollte. Durch diese feyerliche Rede flammte :
er den Geist seiner Krieger bis zum Enthusiasmus
an ; einigen fürzten die Thränen aus den Augen ;
alle wurden gerührt. Die vornehmsten Generale ant
worteten im Namen des heroischen Haufens, und ver- .
sprachen dem König, mit kurzen aber viel bedeutenden
Worten, zu siegen oder zu sterben. Diese Stimmung
des Geistes verbreitete sich bald durch die ganze preus :
fische Armee ; und da man nun überdem hörte, daß
die Östreicher ihre höchst vortheilhafte Stellung ver-
360

laffen hätten , deren Angriff nur Verzweiflung rechts


fertigen konnte , und daß sie den Preußen entgegen
kåmen , ſo hielten diese den Feind schon so gut als
besiegt.
Dies Entgegenrücken wurde von den öftreichischen
Feldherren in einem großen Kriegrath beschlossen.
Daun und Serbelloni hielten ein behutsames Verfah-
ren, um die vielen wirklich erlangten Vortheile zu be
haupten, jeßt für nöthiger als jemals. Die Sicher-
heit, die ein überaus festes Lager an der Seite einer
reichlich versehenen Feftung gegen eine sehr geschwächte
barbende Armee gewährte , ſtand mit dem ungewiſſen
Ausgang einer Schlacht im freyen Felte in keinem
Verhältniß. Es war kein Kampf erforderlich, das
Erlangte, wenigstens diesen Winter über, zu behaup
ten. Nichts nöthigte zu einer Schlacht. Der Stolz.
der anderen Generale aber überstimmte diese Klugheit.
Sie sagten: ,,Es ist unter der Würde unserer sieg
reichen Waffen, frehen zu bleiben." zu ihnen ges
fellten sich die Schmeichler, die dem Prinzen von Lothe
ringen vorstellten, daß es nur von ihm abhienge, durch
eine Schlacht, deren glücklicher Erfolg gar nicht be
zweifelt werden könnte, den Krieg auf einmal zu endis
gen. Diese Meynung, die besonders Luchesi verthei-
Digte , einer der vornehmsten Generale , behielt die
Oberhand , und so groß war die Sicherheit des Prin-
gen und der anderen erfahrenen Feldherren, daß man
die Feldbåckeren nicht, wie gewöhnlich, im Rücken der
Armee, sondern vorwärts, nach der Stadt Neumark
verlegte, und sie also dem König im eigentlichen Vers
stand entgegen schickte. Friedrich , der schon bey
Parchwig das kleine Corps des kaiserlichen Generals
361

Gersdorf angegriffen und zerstreut hatte, war bey seis


ner Ankunft in Neumark über diese Avantgarde von
Bäckerey erstaunt. Um keine Zeit zu verlieren , mußten`
Die vorherziehenden Dragoner und Husaren absigen,
und die Stadt bestürmen , deren man sich auch bald be
mächtigte, und 800 Gefangene machte, und nun rückte
Friedrich vorwärts .
Durchdrungen von dem Gedanken , daß er jeßt
fiegen müsse, oder zum Spott seiner Feinde werde, war
der König fest entschlossen , als Held zu sterben, wenn
Das Schicksal, wie bey Collin, entscheiden sollte. Alles,
was Tapferkeit, was fein Genie vermöge, mußte aufs
geboten werden. Mit ungefähr 33,000 Preußen,
gegen 80 000, bisher siegreiche und an Nichts Man
gel leidende Östreicher zu besiegen, war Friedrich's
schwere und außerordentliche Aufgabe ; - wie treff
lich er sie löste , werden wir sogleich sehen. *)
Den 5ten December, noch vor Anbruch des Tages,

*) Nach Urchenholz, so wie nach des Königs eige.


ner Angabe zählten die Preußen am Tage der
Schlacht 33,000 Kämpfer ; nach Klarke (Bes
schichtskunde 2c.) 28,200 , und nach O Cahill ge.
gen 36,000. - Die beyden legteren Angaben sind
wahrscheinlich gleich sehr unrichtig , und die von
Friedrich (und Urchenbolg ) ist unstreitig die
Richtigste -- Die Stärke der Destreicher wird
meistens zu 90,000 angegeben Tempelhof bes
rechnet sie zu 87,400 , Friedrich ſelbſt nur zu
ungefähr 60,000. Es ist beynah' gewiß, daß die
lettere Unnahme viel zu gering ist ; jeden Falls .
aber bleibt sie ein schöner Beweis von der Wahr
heitliebe , welche der König aucht in feinen Schrif»
ten zeigt.
362

fehte sich die Armee des Königs in Marsch; er selbst.


an der Spitze des Vortrabe. Das feuchte und trübe.
Wetter verhinderte die Öftreicher noch, ihre heran-
ziehenden Gegner zu bemerken. So kam es denn, daß.
die preußische Avantgarde auf ein feindliches Corps,:
befehligt durch den sächsischen General Notih , stieß,
es mit Wuth angriff, und bis vor die Fronte der großen
Armee verfolgte. Über 500 Gefangene waren das Re-
fultat dieses, bey dem ganzen Heere Eindruck machen-|
den, Reitergefechts. Von der Anhöhe herab, die man
auf diese Art erobert , betrachtete nun mit Aufmerk.
samkeit der König die Stellung der Östreicher. Die.
ganze , Meilen lange, Ebene war von ihnen bedeckt.
Rasch entwarfder preußische Monarch seinen Schlachte
plan ; auf dem linken Flügel der Feinde mußte der
Hauptangriff gefchehen. über einen mit Fichten. be
wachsenen Hügel breitete sich derselbe aus ; hatte man
ſich dieses Postens bemächtigt, so gewann man den Vor-
theil des Bodens für den übrigen Theil der Schlacht.
In schiefer Ordnung , echelonweise (Leitersprof
senartig), beschloß der König sein Heer zu ordnen, den
`rechten Fügel voran, jedes Bataillon 50 Schritte ge»
gen das neben stehende rechte zurück, so, daß die auf
ferfte Spiße dieser Seite um 1000 Schritte gegen die
sußerste Linke vorragie. Hierdurch ward bezweckt,
daß der schwächere Theil nicht wol durch anscheinend
günstige Umstände, wie bey Collin, angelockt, und auf
diese Weise, gegen die Bestimmung des Feldherrn, in
den Kampf verwickelt werden konnte. Den Feind über
den wahren Angriffpunkt so lange als möglich, nämlich
bis zu dem Augenblick, in Zweifel zu erhalten, wo der
erfte große Schlag schon geschehen ; mit aller Macht
363

plöglich, ihn vernichtend, sich auf den linken öftreichis


schen Flügel zu stürzen, dann die zur Hilfe heraneilen-
den Corps, eh' sie sich noch zu ordnen vermocht, aufzu
reiben, und hierauf nach Umständen den nicht mehr
zweifelhaften Sieg zu entscheiden, war der Hauptplan
des Königs, und weise hatte er alle Anordnung getrof
fen, feinen großen Zweck zu erreichen.
Der Ruhm, eine solche Schlachtordnung erdacht
zu haben, gebührt ohne Zweifel einzig und allein dem
König . Zwar glaubt man fast allgemein, Friedrich
habe die ersten Ideen hiezu in den Classikern der Al-
ten gefunden, das Gelesene mehr durchdacht, verbun
den und ausgebildet. Mögen aber auch Spuren ähne
licher Ideen in den Geschichten der Schlachten bey
Leuftra , Mantinea , Iſſus und Arbela anzutreffen
seyn, so fehlte dennoch ohne Zweifel viel daran , daß
Diese zerstreuten Ideen von Epaminondas und Alexan-
der zusammen genommen schon das ganze System
Friedrich's enthalten , oder gar ausgemacht hätten.
Zudem scheint uns dasselbe mit der damaligen Art
Krieg zu führen nicht einmal im Einklang. --- Turenne
zwar gab bey Sinzheim seinem rechten Flügel eine
schiefe Richtung, aber dá dieſes Manouvre, im Ange-
fichte des Feindes, langsam und blos von einer Division
vollführt ward, so blieb es ohne Erfolg, und das Ganze
hätte daher einen blinden Nachbeter eher abschrecken,
als ermuthigen müssen. -
Zwischen seinen beyden Linien hatte Friedrich
Långst bey jedem Treffen Seitenkolonnen gebildet, um
die Flanten zu decken. Auch dies geschah nicht aus
Nachahmung Casars, wie Guibert behauptet, fondern
ein Zufall bey Mollwig leitetere des Königs Aufmerk=
364

famkeit darauf hin *). - Ein Newton gehörte da


zu , um durch den Fall eines Apfels die Geseße der
Bewegung zu erfinden, und ein Friedrich, uni aus
einigen zerstreuten Ideen der Alten ein neues Syßim
Der Kriegwissenschaft zu bilden.
1. Als der König diese Anordnung getroffen hatte,
forderte er eine kleire Abtheilung Huſaren zu sich, und
sprach zu dem sie befchtigenden Lieutenant : „ Er bleibt
bey mir, we cht mir keine vierzig Schritte vom Leib?
und gibt wol Acht auf Alles, was geschieht. Wenn ich
bleibe, so wickelt er mich in meinen Mantel, holt meis
nen Wagen, den er dort hinter jenem Bataillon ſieht,
legt mich hinein und führt mich, ohne ein Wort zu
sprechen, vom Schlachtfelde. ”— „ Aber die Schlacht ?!!
fragte besorgt der Offizier. Die geht Ihn nichts an,“
erwiederte trocken der König,,,die wird gewonnen."-
So griff Friedrich den linken Flügel der Öste
reicher an, und zwart zu eben der Zeit, wo die mit den
preußischen Evolutionen unbekannten kaiserlichen Feld.
herren die Bewegungen der Preußen für einen Rück-
zug ansahen, daher auch Daun zum Prinzen von Loth-
ringen sagte : „ Sie: marschiren'fort; wir wollen fje
abziehen lassen.“ Mehre Regimenter trugen sicher.
heitvoll ihr kleines Feldgerathe, ihre Brotfäcke, ja
selbst die mit Habſeligkeiten angefüllten Tornißter hins
ter die Fronte, und legten sie in Haufen zuſammen, um
sich, nach ihrer Meynung, auf einige Stunden, vOR
einer unnüßen Kastizu befreyen . Die Täuschung aber
verschwand bald, und man fah mit Schrecken die kunst
volle Annäherung der Preußen , die beyde feindlichen

*) * Män sehe das erste Båndchen , S. 127,


365

Flügel zugleich bedroheten. Luchesi , der auf dem


rechten die faiſerliche Cavallerie commandirte , un-
eingedenk seiner Prahlereyen im Kriegrath, verlor den
Muth; er glaubte, daß hier der Hauptangriff gesche,
hen würde, und bat dringend um Unterstügung.
Daun wollte diese nicht vor der Zeit ertheilen, und erst
nachdem Lucheſi ſich von aller Verantwortung bey
einem unglücklichen Ausgang der Schlacht lossagte,
wurde ihm ein großer Theil Cavallerie vom linken
Flügel in vollem Trabe zu Hilfe gesandt , und Daun
selbst eilte mit dem Reserve-Corps dahin. Nadasti,
der erfahrenste Feldherr des Heeres , der den linken
Flügel commandirte , war bald überzeugt , daß sein
Flügel das Ziel des preußischen Angriffs war , und
daß die Bewegungen gegen den rechten nur militári-
sche Fechterkünfte wären. Mehr als zehn hinter ein-
ander abgeschickte Offiziere mußten dem Prinzen Carl
die augenscheinliche Gefahr melden. Karl befand sich
in der größten Verlegenheit, da die Berichte von zwey
feiner vornehmsten Feldherren einander gerade entge
ge.gefeßt waren. Er entschied jedoch für Luchesi, der
bald seinen Tod auf dem Schlachtfelde fand, und No-
daſti wurde erst gehört , da es zu ſvåt war.
Indessen geschah der Angriff der Preußen mit
folcher Kriegwuth, daß Alles auf dem linken Flügel
über den Haufen geworfen wurde. Frische Regimen
ter kamen den geworfenen zu Hilfe, allein man ließ ſte
nicht einmal forniren ; kaum zeigten ſie ſich , ſo wur-
den sie auch zurückgeschlagen. Ein ÿßtreichiſches Re- ~
giment fiel auf's andere, die Linie wurde auseinander
gesprengt, und die Unordnung war unausfprechlich.
Die kaiserlichen Türassiere stellten sich in Schlachtord=
366

nung , allein die preußische Hauptbatterie brachte fie


bald auseinander , da denn die preußische Cavallerie
auf sie fiel, und sie gänzlich aus dem Felde schlug.
Viele tausend von den kaiserlichen Truppen konnten
zu keinem Schuß kommen, fie mußten mit dem Strom
fort. Der stärkste Widerstand geſchah in dem Dorfe
Leuthen, das mit vielen kaiserlichen Truppen und Ar-
tillerie beseßt war. Hiezu kamen große Haufen Flücht-
linge, die alle Häuser , alle Gårten , und alle Winkel
des Orts anfüllten, und sich verzweifelt wehrten. End-
lich aber mußten sie doch weichen. So erschrecklich
aber auch die Unordnung der geſchlagenen Armee war,
so versuchten dennoch ihre besten Truppen noch einmal
unter Begünstigung des Terrains Stand zu halten ;
allein die preußische Artillerie schlug sie bald in die
Flucht, und die preußische Cavallerie , die auf allen
Flügeln einhieb, machte immer Gefangene zu Tauſen=
den. Das Dragoner-Regiment von Bayreuth nahm
auf einmal zwey ganze Infanterie-Regimenter mit al-
len Offizieren , Fahnen und Kanonen gefangen. Die
östreichische Infanterie machte noch einen lezten Ver-
ſuch , ſich auf einer Anhöhe zu formiren ; allein der
preußische General Wedel griff ſie in der Flanke und
im Rücken zugleich-an, und nun hatte alle Vertheidi-
gung ein Ende. Nur die einbrechende Nacht, und die
guten Unſtalten des Nadaſti, der den Rückzug des linken
Flügels deckte, und die Preußen abhielt, sich, eh' es
dunkel ward, der Brücken über das schweidnißer Was-
ser zu bemächtigen, rettete den Rest des Heeres vom
gänzlichen Untergang. Bey Collin waren es nicht
Kriegkunst noch Tapferkeit, sondern die eifenspeyenden
Maschinen , auf unzugangbaren Höhen gestellt , die
367

großentheile das Schicksal des Tages beflimmten ; bey


Leuthen aber entschied Taktik und Tapferkeit allein
den Sieg . Man machte auf dem Schlachtfelde 21 500
Gefangene, worunter 307 Offiziere waren , und er,
oberte 134 Kanonen nebst 59 Fahnen . Von den Ößtrei-
chern waren 6500 todt und verwundet, und 6000 De
ferteure gingen nach der Schlacht zu den Siegern über.
Der preußische Verlust war nur 2660 Todte und Ver.
wundere. Um 1 Uhr des Nachmittags hatte die Schlacht
begonnen, und schon gegen 6 Uhr war sie entschieden.
3u der Geschichte dieses Tags gehören einige
Züge, welche die Stimmung der Preußen bezeichnen,
und dem von allen Völkern und Zungen bewunderten
Heldengeist der Grieten und Römer nichts rachgeben.
Der bayerische General , Graf Kreit , damals Volon-
tår bey der kaiserlichen Armee, fieß auf einen preußi-
ſchen Grenadier, dem beyde Füße abgeſchoffen waren,
und so in seinem Blute schwimmend ganz gelaffen Ta-
baf rauchte. Der erstaunte General rief ihm zu :
,,Kriegkamerad ! Wie ist es möglich , daß Ihr in
Eu'rem schrecklichen Zustande noch ruhig Tabak rau-
en könnt ? Der Tod ist Euch ja nahe.“ Der
Grenadier nahm seine Pfeiffe aus dem Munde , und
erwiederte faltblütig : Was ist daran gelegen ! sterb
,,ich doch für meinen König!“ Einem anderen preuf-
fischen Grenadier wurde bey'm Aufmarsch ein Bein
abgeschaffen. Er rafft sich von der Erce auf, fügt sich
auf ſein Gewehr wie auf eine Krücke, und ſo ſchleppt
er sich zu einem Standplaß, wo die Colonnen vorbey
mußten, von wo er mit lauter Stimme den Soldaten
zurief: Brüder ! fechtet wie brave Preußen ! Siegt
,,oder ſterbt für Euern König!“
Friedridy d. Einz. III, 6
368

Besorgt, der Feind möchte sich hinter dem schweid=


niger Wasser von Neuem sezen , wodurch eine zweyte
Schlacht gegen die, der Zahl nach noch immer bey Wei-
tem den Preußen überlegenen Öftreicher, nöthig wür-
be, eilte der König noch denselben Abend, anfangs sur
mit einem kleinen Detaschement begleitet, dem indes-
sen die ganze Armee folgte, gegen Liffä. Nicht ohne
fein Leben der größten Gefahr auszusehen, langte er
daselbst an. Die furchtbarste Verwirrung herrschte
hier. Die Feinde und das kleine Gefolge des Königs
schossen in der Dunkelheit unaufhörlich. Alles ſchrie
und commandirte durch einander. Aber der König
sagte ganz gelassen : Meffieurs , folgen Sie mir, ich
weiß hier Bescheid !” . Sogleich ritt er links über
die Zugbrücke, welche nach dem Schlosse führt, wohin
im seine meisten Adjutanten folgten . Er war faum
dicht vor der Schloßthüre angekommen, als verſchie-
dene öftreichische Offiziere, mit Lichtern in den Händen,
aus den untern Zimmern und von den Treppen herab-
gestürzt kamen, um in der finstern Nacht ihre auf dem
Schloßplah haltenden Reitpferde zu finden , und we-
gen des Schießens davon zu jagen. Der König stieg
mit seinen Adjutanten ganz ruhig vom Pferde, und
sagte zu den östreichischen Offizieren: ,, Bon soir,
Messieurs ! Gewiß vermuthen Sie mich hier nicht.
Kann man hier auch noch mit unterkommen ?"
Schwer war es zu sagen, welcher Theil des an-
dern Gefangener håtte seyn sollen ; denn der Östreicher
maren viele. Aber die vornehmsten östreichischen Ge-
nerale und Staboffiziere , erstaunt , nahmen den nie-
deen Offizieren und Reitfuechten die Lichter aus den
Händen , und leuchteten so dem Könige die Treppe
369

hinauf, in eine der besten Zimmer. So wie sie da


ankamen , pråſentirte einer die andern dem Könige,
der alle nach ihren Namen und Charaktern fragte, und
ſich mit ihnen in Unterredung einließ. Während def-
sen fanden sich immer mehr Adjutanten und andere
preußischen Offiziere auf dem Schloffe ein ; und nun-
mehr beurlaubte der König die öftreichischen Offiziere,
welche andere Zimmer auf dem weitläufigen und wol-
gebauten Schlosse einnahmen. Es kam nach und nach
eine große Menge preußischer Generale , und da der
König verwundernd fragte: wo sie alle herkämen ? so
ward ihm gesagt : daß die ganze Armee auf dem Dame
me nach Liſſa im Marsch wäre. Dieser Mißverkand,
daß man seine Ordre für zwey Grenadier. Vataillone
auf die ganze Armee ausgedehnt hatte , war ihm sehr
lieb. Er schickte die Regiment : Adjutanten zurück,
mit der Ordre: "/ Daß jeder so gut unterzukommen
suchen müsse , wie er könne ;" und beschied die noch.
nicht angekommenen Generale zu ſich auf das Schloß
zur Parole. Er dankte den Anlangenden in den gnå-
digsten Ausdrücken für den neuen Beweis ihres Eifers
und Muths, und zog sich dann mit den Worten zurück :
,,Nach einer fo gethanen Arbeit ist gut ruhen.“ Dies
war die Parole.
Die unmittelbare Folge dieser Schlacht war die
Belagerung von Breslau , daš , von der geschlagenen
Armee stark besezt , jeßt ſeinem Schicksal überlassen
rou: de. Man errichtete hier Galgen für diejenigen,
die von Übergabe ſprechen würden ; allein dieser über-
spannte Muth verlor sich bald ; denn in vierzehn Tagen
ging auch diese Stadt über, da die Preu en schon alle
Anstalten zum Sturm gemacht hatten, u d die Be az-
6 *
370

zung von dreyzehn Generalen , 700 Offizieren , und


17,600 Mann , mußte vor 14,000 Preußen das Ge-
wehr strecken. Hier wurden ein ansehnliches Magazin,
und außer der zur Festung gehörigen preußischen Ar-
tillerie noch 81 in die Stadt gebrachte ößtreichische
Kanonen und Mörser erbeutet. Die Generale Zie-
then und Fouquet, welche die Feinde bis nach Böhmen
verfolgten, hatten außerdem noch 2000 Gefangene ge=
macht, und über 3000 Wagen erbeutet, ſo daß die Öft-
reicher in dem so kurzen Zeitraum von zwey Wochen
(nach des Königs Berechnung) über 41,000 Mann
verloren , und die Reßte ihrer kurz zuvor ungeheueren
Armee nur ein Corps Flüchtlinge darſtellten, die ohne
Kanonen , Fahnen und Bagage , ven Mangel gedrückt
und von Kälte erstarrt, über die böhmischen Gebirge
nach Hause zogen. Nach genauen Berichten brachte
man, als hier die Geschlagenen wieder gesammelt wur-
den, nur 9000 Mann regulåre Infanterie und 28,000
Cavallerie und leichte Truppen , im Ganzen demnach
37,000 Soldaten zusammen . Zählt man dazu die von
den Kaiserlichen eben verlorenen 41,000 , so ergibt
sich , daß, die Deſerteure ungerechnet , deren wenigs
stens 6000 waren , die Stärke dieser Armee bey❜m
Beginnen des Kampfes gegen den König jedenfalls
über 78,000 betrug.
Friedrich erfuhr bald den Wiß der Öftreicher
über die Ankunft der berliner Wachtparade. Er lås
chelte und sagte: „ Ich verzeihe ihnen fehr gern die
kleine Sottiſe, die sie gesagt, wegen der großen, die
fie gemacht haben.“ Er war selbst über die Größe
feines Sieges verwundert, und fragte den kaiserlic en
General Beck, den er ſehr ſchaßte, und der bald nach-
371

her gefangen wurde , wie es zugegangen sey , das die


Öftreicher so total geschlagen worden wåren ? Beck er-
wiederte : „ Sire , es war unſere Sündenſchuld , weil
,,wir uns einkommen ließen, Ew. Majeſtät in Ihrem
,,eigenen Lande die Winterquartiere zu verweigern ."
Als der König im Ernst die rechte Ursache wissen
wollte, fo fagte der General : ,,man habe den Haupt-
,,angriff auf den rechten Flügel erwartet, und darnach
die Anstalten getroffen." ,,Wie war es möglich ?‹•
erwiederte der König ; eine Patrolle gegen meinen
,,linken Flüzel würde Ihnen sehr bald meine Absichten
entdeckt haben . Auch waren diese Nadasti nicht
verborgen geblieben , der von allen kaiserlichen Gene
ralen sich an dieſem Tag allein als ein erfahrener Feld-
herrzeigte und den Rest des Heeres rette e, aber durch
die niedrige Eiferſucht des Prinzen Karl von Hofe mit
so großem Undank belohnt wurde, daß man nicht eine
mal seinen, selbst den Feinden ehrwürdigen, Namen im
Hofbericht von dieser Schlacht erwähnte. Dagegen
wollte man, wo möglich,. die Ehre des Prinzen in den
Augen derWelt retten . Man zeichnete falsche Schlacht-,
plane, leate ſie der Kaiſerin vor, und verbreitete fie
unters Volk. Der Kaiser holte seinen Bruder se bat
ein , als er sich Wien näherre; dabey wurde in ter
ganzen Stadt bekannt gemacht, daß ich Niemand, bey
harter Androhung, unterstehen sollte, von dem Prinzen
unanständig zu reden. Ungeachter dieses Verbors aber
wierden wigige und unwißige Kupferstiche, Gemälde
und Satyren auf dieſen Heerführer an den Stadtth:=
ren, an der Stephansfirate, ja ſelbſt an der kaiserlichen
Burg, angeschlagen. Diese Stimme des Voifs drang
jedoch nicht bis zu der nachsichtvetten, ganz falfo be.
372

richteten Thereffa , die das Heil ihres Staats , die


Oberbefehlhaber-Würde aller Heere , selbst wider den
Willen ihres Gemahls, von Neuem dieſem Prinzen an-
vertrauen wollte. Er selbst aber, dem der Haß und
die Verachtung des Volks nicht unbekannt blieben, war
gerechter gegen sich, als seine Monarchin, und reište
nach Brüffel. Eben so gerecht war auch Nadaßti gegen
fich; er, dieser erfahrene Feldherr, den Theresia jetzt
am wenigsten entbehren konnte, verließ auf immer das
Kriegheer, das ihn liebre, und den Hof, der ihn haßte,
und begab sich nach Ungarn.
Das größte Kriegtalent des Königs von Preußen
war, begangene Fehler wieder gut zu machen, und er-
langte Vortheile auf's Möglichste zu benutzen. Die
Eroberung des fast verlorenen Schlesient, und mehr
als 40,000 Mann Krieggefangene , hätten daher dem
raftlosen Feldherrn nicht genügt , und ihn im Laufe
feiner Siege aufgehalten, wenn nicht der so weit vor-
gerückte Winter und der tiefe Schnee seinen ferneren
Unternehmungen durchaus ein Ziel geseht hätten ;
selbst die Belagerung von Schweidnih mußte bis zum
Frühling verschoben werden. Indessen wurde diese
Festung doch blokirt. Die lehte Operation in dieſem
Feldzug war die Wiedereroberung von Liegnit , einer
der größten und schönsten Städte Schlesiend. Die
Übergabe geschah den 29ten.December, und krönte alfo
in den lehten Tagen des Jahres diesen so thatenvel
len Feldzug.
Wir müssen nunmehr auf einige Begebenheiten
hinblicken , welche sich in anderen Gegenden während
des Jahres 1757 zutrugen. In der ersten Hälfte
desselben war noch ein Feind gegen Preußen aufgetre
373

ten, der, an sich zwar nicht besonders wichtig, dennoch


dem König nicht gleichgültig feyn konnte ; es war der
Herzog von Württemberg, Beherrscher eines schönen,
und von einem friegeriſchen Volk bewohnten Landes.
Friedrich, jede vortheilhafte Gelegenheit benüßend,
hatte sogleich nach der prager Schlacht den Obristen
Mayer mit 2000 Mann nach Frankeu gesendet, um
fowol die Reichstände in Furcht zu ſehen, als auch die
Vereinigung der aus allen Gegenden Südteutschlands
fich zusammenziehenden Reichtruppen zu verzögern,
und den in Regensburg tebenden Reichtag Männern
den unternehmenden Geist der Preußen zu zeigen.
Mayer fiel in das Bisthum Bamberg ein , sammelte
Contributionen, durchstrich den fränkischen Kreis, und
Drang in die Oberpfalz: Diese unerwartete rasche
Operation wirke auf die Reichversammlung so sehr,'
daß viele der Abgeordneten, die sich wider Preußen am
heftigsten erklärt hatten , sich jest in größter Eile za
retten suchten.
Auch der Churfürst von Bayern nebst anderen
Reichfürsten, welche jeht die Preußen zu Allem fähig
hielten, geriethen in Unruhe , behaupteten , sie hätten
keinen Krieg mit dem König, und wünschten mit
Friedrich in Unterhandlung zu treten. Der Zeits
punkt war nahe, wo man ernsthaft daran dachte, das
mit Theresia gemachte Reichbündniß zu vernichten ;
allein die Niederlage von Collin veränderte Alles.
Mayer bedrohte indeß Nürnberg. Die bedrängte
Stadi wa die sich in der Angst, um Schuß bittend, an
Die Kreisversammlung. Der fränkische Areopagus
zeigte seine Weisheit bey diesem Vorfall. Man ver
langte von dem Krieg-Obristen Mayer , er solle sich
374

wegen des Einfalls in Franken, legitimiren, und allen


Schaden ersehen. Der preußische Befehlhaber war
nicht mit Pergamenten, wol aber mit Pulver und Ku
geln versehen, und von beuredürstenden Kriegern be
gleitet. Er wies daher lachend den Abgeordneten
seine bewaffneten Selda: en, und fragte , ob sie noch
eine bessere Legitimation wünschten ? Mayer vers
langte die Neutralität der Stadt, die auch zugestanden
wurde ; ja der ganze Kreis hätte sich neutra! erflårt,
wenn das preußische Corps nur etwas ſtå : fer geweſen
wäre. Die Schwäche desselben reizte zu Vertheidi-
gungsanstalten , und zu dem Entwurf, den Preußen
den Rückweg abzuschneiden. Man zog von allen Sei-
ten Truppen zusammen , die Mayer nicht abwarten
wollte. Nacden er alfo ten vorgesezten Endanef
erreicht hatte, marschirte er zurück, ließ die Brücken
hinter sich abbrechen , schlug sich durch ein Corps
würzburger und bamberger Truppen , die ihn aufhal-
ten wollten, und so kam er endlich nach Böhmen. Er
hatte bey seinem Abzuge aus Franken Geifel mitgenom-
men , worunter sich auch zwey nürnberger Patricier
befanden. Der wiener Hof bediente sich sehr geschickt
diefer Gelegenheit, um den Reichſiänden die Beſchleu-
nigung ihrer Kriegmaatregeln zu emp´chlen . Die
kaiserliche Ermahnung war auch nicht fruchtles.
Mager wurde darin für einen Bösewicht, und seine
Truppen für Landſtreicher erklärt, die man zu haſchen-
ſuchen müßte , um se ais Mordbienner zu bestrafen. “
Die Kaiserlichen benüßten indeß (im Anfange
des Feldzugs von 1757) die Zerfi enung der preußi-
schen Armeen, und der General Haddick nagte sich mit
4000 Mann bis an die Thure pon Berlin. Diese
375

Residenz , ohne Wall , zum Theil ohne Mauern, und


nur mit Palliſaden versehen , war damals mit 2000
Mann Landmiliz beseßt, wozu einige hundert Rekru
ten und andere von den Feldtruppen zurückgelassene
Soldaten kamen. Die königliche Familie hatte sich
gleich nach eingegangener Nachricht von der Annähe
rung der Feinde nach Spandau begeben. Man hatte
also in dieser Lage nichts von einem fliegenden Corps
zu befürchten, daß aller Mittel beraubt war, die Kō-
nigstadt zu angstigen, und in steter Sorge stand, abge.
schnitten zu werden. Haddick ließ die Stadt auffor-
dern, und griff fast zu gleicher Zeit das schlesische und
cottbusser Thor an. Die Pallifaden am ersten wur
den niedergeschoffen , und nun drangen die Östreicher
mit hellem Haufen in die dort befindliche Vorstadt ein.
Die Einwohner zeigten fich des brandenburgischen Na
mens würdig. Ganze Gewerke wollten sich vereinigen,
und erboten sich, die Feinde zu verjagen ; allein die
geringe Kriegerfahrung, und der Kleinmuth des Com
mandanten, General Rochau, der auch deshalb von den
Weibern und Gaffenbuben verspottet wurde, wollte
keine Versuche dieſer Art gestatten. Es kam blok in
der cöpenicker Vorstadt zwischen einem Commando
preußischer Soldaten und den Ößreichern zu einem
unbedeutenden Scharmüßel , wodurch nichts entſchie-
den wurde.
Die Nachricht von der Annäherung des Fürsten
Morih von Anhalt Defau beunruhigte jedoch die
Feinde bey Berlin außerordentlich. Haddick, der die
Gefahr des Verzugs kannte, war måßig in ſeinen For.
derungen, und diese wurden endlich zugestanden, nicht
sowol aus Furcht, als um der Unruhe geschwind ein
376

Ende zu machen. Die anfangs geforderten 600,000


Reichthaler, wurden auf 200,000 herabgefeßt. Had.
-dick erhielt dabey für ſich ein Geschenk von 12,000,
und sein Adjutant, der Obrist Ried, ein anderes von
3000 Reichthalern an Geld , nebst allerhand Kleino-
dien ; dafür bekam die Stadt einen von Haddick un-
terzeichneten Revers , daß die öftreichischen Truppen
nie wieder Berlin auf diese Weise heimsuchen sollten.
Nachdem alles verabredet war, bat ſich Haddick vom
Magistrat zwey Duhend , mit dem Stadtwappen ge-
ftenpelte, Damen-Handschuhe aus, womit er feiner
Kaiserin ein Geschenk machen wollte. Man brachte
ihm die Gelder und die Handschuhe , und nun mar-
ſhirte er in größter Eile ab. Er hatte auch keinen
Augenblick zu verlieren ; denn wenig Stunden nach-
her traf der General Seydliß mit 3000 Mann in Ber-
lin ein, dem am folgenden Tag das ganze Corps des
Prinzen Moriß von Deffau folgte. Auch der König
hatte sich in Bewegung gefeßt , um dem verwegenen
Haddick den Rückzug abzuschneiden, der aber das Glück
zum Führer hatte , von der Landstraße entfernt, auf
Abwegen mit forcirten Mårschen davon floh , und so
feinen Feinden entging.
Jm Königreich Preußen war indessen auch die
Kriegscene von den Russen auf eine schreckliche Weise
eröffnet worden. Das Ministerium in Petersburg
war zwar dem englischen Hofe ergeben, befenders hing
der im Cabinet alles vermögende Großkanzler Bestu
chef. durch Guineen gewonnen, ganz von den Brite:i
ab ; allein die bestimmteste Willenemeinung der Kais
serin Elisabeth, die als Weib beleidigt war, und sich
als Monarchin råchen wollte, vereitelte alle Bemühun-
377

gen der Engländer und den guten Willen des Groß-


fanzlers, Rußland von Östreich zu trennen. Fried.
rich's Demüthigung und die Eroberung des König-
reichs Preußen , waren die Grundsäulen des jeßigen
russischen Systems, dessen standhafte Befolgung im Ca=
binet zu Petersburg unwiderruflich beschlossen wurde.
Die Ruſſen kamen daher im Monat Juny, unter
Anführung des Feldmarschalls Apraxin, über 100.000
Mann stark, in Preußen an. Nur 24,000 hatte ihnen
der hierbefehligende Feldmarschall Lehwald entgegen zu,
stellen. Das Land wo möglich von den empörenden
Barbareyen dieser Feinde zu befreyen, griff fie der
preußische General den 30ten August bey Groß- Já.
gersdorf an. Anfangs siegreich , unterlagen den.
noch zuleht, nach zehnstündigem blutigen Kampfe, die
Truppen des Königs der feindlichen übermacht ; 1400
Mann, nebst 13 Kanonen hatten ſie, 7000 ihre Geg-
ner verloren . Doch ohne allen Erfolg war dieſer
Sieg. Der viel vermögende ruſſiſche Großkanzler
Bestuchef, durch die englischen Guineen hauptsäch
lich dazu vermocht, *) ertheilte nämlich an Aprarin

*) Bestuchef hatte jedoch zu dem Rückzug der ruſſi»


fchen Armee außer dem englischen Solde noch eis
nen andern Grund. Friedrich hatte einen
mächtigen Freund in Petersburg. Dies war der
Großfürst Peter, der Thronfolger des Reichs, der
den Krieg höchst ungern sah, der den König von
Preußen verehrte , und die Dänen haßte. Er .
fürchtete , daß der bedrängte Held ſich mit dieſen
feinen Feinden verbinden möchte , und versprach
ihm alle nur möglicherweise zu leiſtende Hilfe,
wenn er kein Bündniß dieser Art machen wollte.
378

den Befehl, Preußen zu räumen. Nur 10,000 Mann


blieben als Besaßung des eroberten Memel zurück;
die ganze übrige Armee marschirte davon. Dieser
Rückzug war ganz einer Flucht ähnlich, und geschah so
übereilt, daß 15,000 Verwundete und Kranke, achte
sig Kanonen, und sehr viel Krieggeråthſchaften zurück-
bleiben mußten. Der Zug ging in zwey Colonnen,
und beyde Marſchröuten wurden durch Feuer, Plún-
derung, und alle nur erfinnliche Grausamkeiten be
zeichnet. Alle Städte, Flecken und Dörfer, wo dieſe
höllischen Schwärme hinkamen, gingen in Rauch auf,
und die Landstraßen waren mit Leichnamen von Men.
schen und Pferden bedeckt. Die zur äußersten Ver.
sweiflung getriebenen preußischen Bauern wehrten
fich, und machten dadurch ihr Unglück noch größer..
Die geschlagenen, aber nicht überwundenen Preußen,
verfolgten die Russen bis an die Gränze von Fried
rich's Staaten.
Die Schweden waren untèrdeſſen in Pommern
eingedrungen. „ Der kriegeriſche Muth dieses Volks

Friedrich fagte es zu, und nun gewann Peter


den Großkanzler Befuchef , welcher , um sich den
künftigen Herrscher zu verbinden, der ihu haßte,
für den Feldmarschall Apraxin den Operations:
plan entwarf. Das Räthsel des Rückzugs der
Russen aus Preußen wurde dadurch aufgelöst.
Die in Petersburg befindlichen Gesandten von
Frankreich und Oestreich aber entdeckten die um
ftånde dieser Partyeylichkeit des Großkanglers, der
von der erzinten Eliſabeth sogleich aller feiner
Würden entsegt wurde ; auch Apraxin verlor seis
nen Posten als Befehlbaber der Armee, und wurde
als ein Gefangener nach Narva gebracht.
369

drohete den Preußen einen fürchterlichen Feind. Al


lein nie wurde wol die Ehre einer Krone und der Ruhm
braver Truppen so vorfeßlich auf's Spiel gefeßt , als
bey dieser Gelegenheit. Die Ausrüstung der schwedis
schen Armee in allen ihren Theilen, so wie sie damals
in Teutschland anlangte, war eine wahre Satyre auf
die neuere Kriegkunst. Soldaten, in Reih und Glied
gestellt, wolgeübt und voll Begierde zu fechten, waren
da, allein sonst fehlte auch Alles . Hiezu kamen Anfüh.
rer, die nicht unerfahren in der Kriegkunst, denen aber
jeder Schritt vom schwedischen Reichrath genau vors
geschrieben war; Generale, die unter einander nicht
harmonirten, und denen man bey jeder Unternehmung
mit Verantwortung der Folgen drohete. Auf diese
Weise ist es erkårbar , wie die Krieger eines Volks,
das mehr als einmal das Schicksal von Teutschland
mit dem Schwert entschied, und das im westphälischen
Frieden Europa Geseze gab , ohne ihre kriegerische
Tugenden verloren zu haben , nach fünf Feldzugen,
ruhmlos und verspottet wieder nach ihrer Heimath
jogen.
Der Mangel an leichten Truppen war Ursache,
daß die Schweden oft die besten Entwürfe aufgeben
mußten ; denn die Preußen neckten sie mit einer Hand
voll Leuten auf allen Seiten , und schnitten ihnen bes
ständig die Zufuhren ab. Lief in die preußischen
Staaten konnten sie wegen fehlender Magazine und
Pontons nicht eindringen, und ihrer Vereinigung mit
Den französischen, ruſſiſchen und östreichischen Armeen,
woran immerfort gearbeitet wurde , standen so man
cherley Hindernisse im Wege, daß sie auch nicht ein
einziges Mal versucht wurde. Das schwedische Kriegs
Friedrich d. Einz. III. 7
370

theater war daher in einen kleinen Winkel von Nord-


teutschland eingeschränkt. Diese Truppen tummelten
sich in Pommern und einem Theil der Ma : k herum,
ohne irgend etwas großes zu unternehmen, und hiebey
blieb es den ganzen Krieg durch, worin sie eigentlich
nur figurirten." *) Gegen diese Seinde zu marſchiren
erhielt jest lehwald Befehl, da Friedrich die Ruſſen
für immer entfernt glaubte. Mit leichter Mühe rour.
den die Schweden bis unter die Kanonen von Stral-
fund zurückgetrieben aber selbit hier sich nicht sicher
genug glaubend, flohen sie nach der Insel Rügen. Blos
die durch sein Alter veranlaßte Zaghaftigkeit hieſt den
(achtzigjährigen) Lehwald ab, sie über den zugefrorenen
Meerarm auch dorthin zu verfolgen ; er begnügte sich
mit den erlangten Vortheilen und 3000 Gefangenen,
welche während wenigen Wochen in seine Hånde gefals
len waren. Schwedisch-Pommern war nun ebenfalls in
der Gewalt der Preußen, welche auch Mecklenburg in
Befih nahmen. So hatte Friedrich die Zufrieden
beit, gegen das Ende des Jahres 1757 fast alle ſeine
Erblande von den Feinden geräumt zu sehen. Noch
immer waren ungleich mehr und wichtigere Gegenden
der Verbündeten in feiner, als von den preußischen
Provinzen in der Gewalt ihrer Gegner. Auf diese
Art," sagt Archenhof , endigte sich ein Feldzug,
der in der Weltgeschichte ohne Beyspiel ist. In diesem
einzigen Jahre wurden, ohne die Menge wichtiger Ge-
fechte, Kanonaden, und Scharmüzet zu rechnen, sieben
Hauptschlachten geliefert , und zahlreiche Treffen ge-
fochten, von denen viele in den vorigen Jahrhunderten

*) Archenholę.
371

als Schlachten betrachtet worden måren. über


700,000 Krieger waren in Waffen gewesen. Und
von welchen Völkern ! Es waren nicht weichliche Asia-
ten , die von jeher mit zahllosen Heeren die Felder be-
deckten , und den Griechen , Römern und Briten An-
laß zu auffallenden Triumphen gaben. Es waren keine
zusammengeraffte Kreuzfahrer , die in ungeheueren
Schwärmen wie die Heuschrecken ganze Provinzen
überschwemmten, sich ohne alle Kriegkunst herumschlu
gen, und aus fanatischem Eifer Menschen mordeten .
Nein ! es waren alles kriegerische Nationen, die hier
auf teutschem Boden kämpften ; keine der hohen Cul-
tur des achtzehnten Jahrhunderts unwürdig, und eis
nige derselben den tapfersten Völkern der Vorweit
gleich; mehr als eine einzeln fähig durch's Schwert
einem Welttheil Gefeße zu geben."
... Die Briten hatten bisher nichts von einem
Landkrieg hören wollen ; allein das für Britanniens
Sache verheerte Hannover , und die Thaten Fried-
rich's , die nirgends mehr als von diesem großmüthis
gen Volke gewürdiget wurden, veränderten ganz def-
sen vorige Cesinnungen. Der König von Preußen
nurde der Abgott der Engländer ; sie feyerten seinen
Geburtstag in London und in den Provinzen , so wie
die Geburtstage ihrer eigenen beliebtesten Könige ;
Das Parlament bewilligte ihm jährlich 670 000 Pfund
Sterling Subsidien ; man beschloß, englische Truppen.
nach Teutschland zu schicken, und der große Pitt, der
jeht als Minister das Staatruder in die Hånde nahm,
und durch die Macht ſeines Genie's das britische Reich
als Dictator beherrschte, feßte nun den Grundlag fest,
daß Amerika in Teutschland erobert werden müßte."
7"
372

Ungeheuere Anstrengungen wurden nunmehr


während des Winters von beyden Theilen zur Fort=
fehung des Kriegs im beginnenden 1758er Jahre ge=
macht. Die Eroberung von Schweidnih durch die
Preußen eröffnete auf dieser Seite den Feldzug, und
beraubte die Öftreicher des lehten Punktes in Schle-
fien. Der König , welcher dem Anſcheine nach nun-
mehr Böhmen bedrohte , fiel , seine Feinde täuschend,
plöglich in Mähren ein , und belagerte Olmüş. *)
Aber tapferen Widerstand leistete diese Feste, und mit
bisher völlig ungewöhnter Schnelle rückte ein neues
bstreichisches Heer, unter Daun, zum Entsage heran.
Ein großer preußischer Transport, von mehr als 3000
Wagen , mit Munition und Lebensmitteln beladen,
ward fast gänzlich von den Kaiserlichen genommen
oder vernichtet, und Friedrich sah sich endlich, nach
fünfwöchentlicher Belagerung, genöthigt, dieselbe den
2ten July wieder aufzuheben . Daun suchte nun den
Preußen den Rückzug abzuschneiden, und ſie, mit dem
König, gefangen zu nehmen. Aber dieser Cáfar bey❜m
Angriff, und Fabius bey❜m Rückzug , vollführte den
lehteren mit eben so außerordentlicher Geschicklichkeit,
als feltenem Glück. Alle Päffe nach Schlesien hatte

*) Archenholz und Einige tadeln diese Unters


nehmungen sehr , ja , der genannte Schriftsteller
behauptet sogar, die Belagerung von Dimük ſev
die unerklärbarste Handlung Friedrich's geive
fen. --- Andere Männer von Sachkenntniß , nas
mentlich der nichts weniger als brindlings Lobende
Jo mini (eben so O Cahill) halten dagegen das
Ganze für ein geschicktes , nichts weniger als Tadel
verdienendes , 1Unternehmen.
373

der öftreichische Feldherr beseßt, allein der König, ſich


plößlich wendend, marſchirte ( an der Seite des Fein-
des , durch eine Kerte von Hohlwegen und über hohe
Gebirge , nach Böhmen Nicht nur die ganze Armee,
auch alle zum Kriege nothwendigen Geräthschaften der
Preußen, wurden gerettet. Selbst von der gesammten
Artillerie und 4000 Wagen, ging auch nicht ein Stück
verloren ; im Gegentheil eroberte der König sogar
-
feindliche Magazine. über Königsgräß und Glah
führte derselbe seine Truppen , nach Schlesien ju
rück.
Die Russen waren unterdessen , unter Fermor's
Anführung, nach Preußen zurückgekehrt, dieses völlig
unvertheidigte Königreich, als ihr Eigenthum, in Besig
zu nehmen. Alle Collegien mußten der Kaiserin Eli.
sabeth den Eid der Treue leisten ; dabey ward jedoch .
das Land mit einer , bey den Russen wenigstens bey..
spiellofen , Schonung behandelt. Fermor's Heer zog
nachdieser leichten Eroberung gegen die teutschen Pro-
vinzen des Königs. Sobald die Armee Preußen ver-
laffen, bezeichneten Mord und Brand die Wege dieser.
Barbaren. Sie drangen, 80,000 Mann zählend, in
Brandenburg und Pommern ein, und die Belagerung
von Cüftrin ( den 15ten August) war ihre erste milită
rische Unternehmung. Aber auch hier schienen fie
mehr auf Verheerung, als auf Eroberung, zu denfen,
denn zwey Tage zuvor, eh' ſie die Festungswerke be-
schossen, warfen sie eine solche Menge glühender Kugeln
und Bomben in die unglückliche Stadt, daß diefelbe
schon in den ersten 24 Stunden in einen Uschenhaufen?
verwandelt ward . Die meisten Bewohner Cüstrin's
flohen, von Eatsehen und Noth gedrängt, mit ihren
374

Säuglingen und Kranken unter lautem Jammer und


Wehklagen über die Oder, während die Flammen ihrer
brennenden Habseligkeiten ihnen auf der schmerzlichen
Flucht den Weg erhellten. Viele Menschen jedoch
kamen bey dem Brande um ; Andere wurden unter
den Trümmern der einstürzenden Gebäude begraben,
oder erstickten in den Gewölben und Kellern , wo sie,
von Furcht getrieben , Schuß gesucht hatten.
Der König , tief ergriffen von dem Unglück der
so barbarisch verwüßteten Gegenden, ließ den größten
Theil seines Heeres bey Landshut in Schlesien , zur
Deckung dieser Provinz, unter Feldmarschall Keith,
gurück, und eilte mit 14,000 erlesenen Truppen zur
Rettung Custrin's herbey. Den 21ten August langte
er bey dieser Stadt an, und vereinigte sich sogleich mit
dem Corps, welches der General Dohna in dieser Ge-
geud befehligte, und das anfangs gegen die Schweden
gefämpft, und Stralsund belagert hatte. Die Russen
hoben jeßt die Belagerung von Cüstrin auf, und fo
gleich rüstete man sich zur Schlacht. Friedrich, tief
bewegt bey dem Anblick der verwüsteten Fluren , der
noch rauchenden Aſchenhügel und der im grånzenloses
ften Elend herumirrenden Flüchtlinge, schien jede Lehre
der Philosophie zu vergessen ; keinem dieser Barbaren
Pardon zu geben befahl er ; alle Anstalten wurden ge-
troffen, ihnen den Rückzug abzuschneiden, sie nach den
Moráßten der Oder zu drången, und dort zu vernich-
ten. Fermor's Truppen erfuhren , vor beginnender
Schlacht, die Wuth der Preußen . Durch die ganze
Linie lief der Zuruf : „ Sie geben kein Quartier !//
Und wir auch nicht !" war das furchtbar wiederhal-
lende Geſchrey der Ruffen. Mit seinem gewöhnlichen,
375

außerordentlichen , Feldherrntalent , entwarf Friede


rich die Anordnungen zu diesem blutigen Kampfe,
welcher den 25ten August bey Zorndorf statt fand.
Wenigstens aus 50 000 Streitern bestand die Armee
Fermors , blos 30 000 *) zählten die Preußen.
Um 8 Uhr des Morgens (den 25ten August 1758) ·
begann der Kanonendonner. Ein ungeheueres Viereck
bildend ; standen die Ruſſen, während in schiefer Rich-
tung, wie bey Leuthen , ihre Gegner heranrückten.
Furchtbar wüthete der Preußen grobes Geschüßfeuer
in der dichten unbehilflichen Masse der Barbaren ;
ganze Glieder von ihnen riß oft eine Kugel nieder.
Der linke Flügel des Königs rückt , jedoch mit
allzugroßer Hiße, vor. Die russische Cavallerie wirft
ihn mit Macht zurück, und schon glaubt Fermor den
Sieg errungen zu haben. Den Feind zu verfolgen,
läßt er von allen Seiten das Carree öffnen , und mit
lautem Sieggeschren dringen seine Truppen vor.
Da bricht der brave Seydliß mit der Caval
lerie hervor. Die russische Reiterey wird gänzlich
geworfen , und auf das ebenfalls angegriffene Fuß-
volk zurückgestürzt. Eine große Verwirrung entsteht.
Das Hintertreffen der Russen, vor Staub und Dampf
Die feinigen nicht mehr erkennend , feuert auf seine
eigenen vorderen Glieder. Aber , wenn gleich zudem
ohne Gnade der Preußen Schwert niederwürgt, was
es zu erreichen vermag , so stehen dennoch Fermor's
Truppen wie Mauern, ſelbſt da fie alle Munition vers
schossen hatten. Es war jedoch nicht jene bemunde-
rungwerthe Tapferkeit , aus Ruhmbegier oder Va

*) Nach O Cahill 37,000.


376

terlandliebe ihren Poften bis auf den leßten Augen-


blick zu behaupten ; denn sie wehrten sich fast nicht in
dieser Lage ; vielmehr war es ein Stumpffinn, ſich da,
wo sie standen, erwürgen zu laſſen. Waren nun ganze
Reihen zu Boden gestreckt, so zeigten sich immer neue
Schaaren, die auf eine ähnliche Abfertigung in❜s Reich
der Schatten zu warten ſchienen . Es war leichter, fie
gu tödten , als in die Flucht zu schlagen ; selbst ein
Schuß mitten durch den Leib war oft nicht hinreichend,
fie auf die Erde zu werfen. Nichts blieb daher den
Preußen übrig, at s niederzumeheln, was nicht weichen
wollte. Der ganze russische rechte Flügel wurde also
theils niedergehauen , theils in Moråste getrieben.
Eine Menge der Flüchtlinge gerieth unter die Bagage;
die Marketenderwagen wurden geplündert , und der
Branntwein viehisch gesoffen. Vergebens fchlugen
die russischen Offiziere die Fäffer in Stücken, die Sols
daten warfen sich die Långe lang auf den Boden, um .
den so geliebten Trank noch im Staube zu lecken.
Viele hauchten besoffen die Seele aus, andere massal.
rirten ihre Offiziere, und ganze Haufen liefen wie
rasend auf dem Felde herum, ohne auf das Zurufen
ihrer Befehlhaber zu achten. *)
So war gegen Mittag der rechte Flügel der Ruf¸
fen fast gänzlich vernichtet; wenig noch hatte der linke
geftritten. Der König ließ auch ihn attaquiren . Allein
feig flohen sogleich die angreifenden Regimenter. Da
ftürzt auch hierhin Seidlig's treffliche Reiterep ; an
ihre Fahnen scheint der Sieg gefesselt. Tapfer un
terstüht durch das Fußvolk, welches der König aus

*) Archenholę.
377

Schlesien herben geführt , dringt sie , unter mörderi-


schem Kampf, immer weiter vor, und überall weichen
die Ruffen. -Zwölf Stunden lang hatte das Morden,
gedauert, und erst die einbrechende Nacht , und die
gänzliche Ermattung beyder Theile, machten dem Nie
derwürgen ein Ende. — Den Kampf am folgenden
Tag förmlich zu erneuern, und die Russen vollends zu
vernichten , wie auch der König wünschte , war , des
Mangels an Munition bey der Infanterie , und der
gänzlichen Ermattung der Reiteren wegen, nicht mehr
möglich; doch war der Sieg unzweifelhaft , und Fer=
mor zog sich über Landsberg an der Warthe zurück. —
Der König verlor in dieser Schlacht 3500 Todte,
6000 Verwundete, 1400 Gefangene und 26 Kanonen ;
Die Feinde dagegen 19,000 Todte und Verwundete,
2800 Gefangene , 103 Kanonen und 27 Fahnen.
Mit edler Freymüthigkeit geftand Friedrich,
daß nicht er, sondern Seydlig den Sieg errungen
habe *). Der König selbst hatte sich jedoch den größren
Gefahren ausgesetzt, und neben ihm waren seine Adjus
tanten und Pagen getödtet und verwundet worden.
Der britische Gesandte wich nicht von der Seite des
Monarchen. ,,Mein lieber Mitchel ! dies ist nicht
Ihr Plaz,"/ fagte Friedrich. „ Sire , ist es der
Shrige? erwiederte der Miniser. Ich bin zu Ihrer
Person gesandt , und mein Plaz ist allenthalben , wo
fich Ew. Majestát befinden."

*) Nach der Schlacht sagte der englische Gesandte


Mitchel: ,,Der Himmel hat Ew . Majestät wies
der einen schönen Tag gegeben. ” — „ Ohne Sey de
lig ," antwortete der König ,,,würde es schlecht
aussehen !''
378

Die Erinnerung an die von von den Ruſſen ver-


übten Greuel erstickten bey den Preußen alle Empfin
dungen der Menschlichkeit, Unter den gefangenen
Russen befanden sich die Generale Czernitchef, Solti,
kow, Fürst Sulkowsky , und andere, die dem König
nach der Schlacht vorgestellt wurden. Friedrich
konnte die grausame Verheerung feines Landes nicht
vergessen. Er warf daher verächtliche Blicke auf die
vorgeführten Befehlhaber , und sagte , indem er sich
von ihnen wegwandte : „ Ich habe kein Sibirien, wo-
„hin ich Euch ſchicken könnte. Ihr sollt in die Caſe=
matten von Cüstrin gesteckt werden ; habt Ihr Euch
gate Quartiere zubereitet, so mögt Ihr folche nun
„auch beziehen.“ Dieser Befehl wurde vollzogen, so
sehr auch der General Czernitchef dem Commandanten
Darüber seinen großen Unwillen zeigte. Er fragte, ob
Cafematten eine Wohnung für Feldherren wären ? Die
Antwort des Commandanten war : „ Sie, meine Her
,,ren, haben ja in der Stadt kein Haus übrig gelaf
fen, wo Sie einquartiert werden könnten. Nehmen
„ Sie also dieemal nur so verlieb. Man achtete nicht
auf ihren Zorn, und so müßten die gefangenen Gene
rale in die unter dem Festungwall gewölbten Keller
friechen. Sie blieben jedoch nur einige Tage hier;
denn der König erlaubte ihnen gleich darauf, sich in
der nicht abgebrannten Vorstadt von Cüstrin einzu
miethen.
unterdessen hatten die Öftreicher, welche Sach.
fen eine leichtere Eroberung hoffen ließ, als Schlesien,
sich dorthin gewendet ; eben so die Reichtruppen un
ter dem Herzoge von Zweybrücken. Der Prinz Heins
rich, Bruder des Königs , und ebenfalls ein treffli-
379

cher General, befehligte hier die Preußen ; zu feiner


Unterstützung war auch Keith aus Schlesien mit ſeis
nem Corps he beggeeilt. Mit großer Geschicklichkeit
vertheidigte sich Heinrich , bis der König , nach der
zorndorfer Schlacht , sich mit ihm vereinigte. Jest
bezog. Daun bey Baußen ein befestigtes Lager, die
Preußen dagegen ein anderes bey Hochkirch. Bis
der Schnee fällt," ſchrieb Friedrich an den Lord
Marshall, werde ich auf dem Seil tanzen müssen.
Wie oft gåbe ich gern, die Hälfte des Nuhms , von
,,dem Sie mir schreiben , für ein wenig Ruhe hin.“
Die Sicherheit des preußischen Lagers hing von
dem Besiße der so genannten Steinberge ab , welche
jedoch von den Östreichern besezt worden waren , eh
ein Corps der königlichen Truppen daselbk anlangte.
Den Ort mit Gewalt wegzunehmen , schien dem An
führer jenes Detafchements unmöglich. Friedrich
entschloß sich demnach, sobald die Armee auf's Neue
mit Proviant versehen ſeyn würde , daß Lager zu ver-
åndern. Die Nacht vom 14ten zum 15ten October
war zum Aufbruch, und zugleich zum Angriff auf das
Corps des Prinzen von Durlach festgesetzt , wodurch
der König auch den Anschein eines Rückzugs vermeiden
wollte. Doch, um 24 Stunden kamen diesmal die
Öfireicher den Preußen zuvor.
Daun, v. • üglich durch Laudon dazu veran,
laßt, entschloß sich zu dem Bagniß, den König in der
Nacht vom 15ten zum 14ten zu überfallen. Um 5
Uhr des Morgens waren die Kaiserlichen bey dem
preußischen Lazer angelangt, und ohne große Anstren-
gungen wurden nun die Vorposten überwältigt und die
große Batterie weggenommen. Der nahe Donner der
380

Kanonen weckte rasch die Truppen des Königs aus dem


Schlafe, und rief sie zum Kampf. Sie springen von
ihrem Lager auf, haschen nach den ersten Waffen, welche
fie in der schrecklichen Dunkelheit zu finden vermögen,
und eilen, in furchtbarer Verwirrung, den Feind auf-
zusuchen. Die Flammen des brennenden Hochkirch
erleuchteten bald furchtbar das grauſe Mordſpiel.
Dort lag die Entscheidung. Nach verzweifelter Ge
genwehr von 600 Preußen war das Dorf durch die
Feinde erobert worden. Neue Regimenter, unter den
Flammen sich in Linie formirend, erneuern den mörde-
rischen Kampf. Der König selbst führt friſche Ba-
taillone heran. Hier fallen der Prinz Karl von Braun-
schweig und der brave Feldmarschall Keith ; viele An-
führer von beyden Seiten stürzen getödtet öder ver-
wundet. Bald hierhin , bald dorthin ſchwankt der
Sieg. Doch die übermacht der Östreicher und die
furchtbar wüthenden Flammen, nöthigen endlich, nach
fünfftündigem Kampf, die Preußen zum Rückzug .
Sie find zwar zum Weichen gebracht , aber deßhalb
dennoch nicht besiegt. Fast ohne allen weitern Verlust
führt Friedrich den Rest der Seinigen nach den so
genannten Spißbergen, in der Nähe von Peidlih, kaum
eine halbe Meile vom Schlachtfeld. Ein Meisterstück
der Taktik ist dieser Rückzug zu nennen , eben so des
Königs Berhalten nach diesen unfeligen Stunden.
„ Mein lieber Golz, man hat uns nicht gut geweckt !"
fagte Friedrich- zu diesem Generale. Man pflegt
gewöhnlich diejenigen im Schlaf zu stören, die man am
Tage nicht sprechen karn, “ war seine Antwort,,,Er
hat Recht, erwiederte Friedrich,,,aber wir wollen
den Herren am Tag ihre Unhöflichkeit verweiſen, die
381

- Durch solche Gespräche


uns so geweckt haben."
suchte er den Muth seiner Truppen neu zu beleben,
die auch in Wirklichkeit vor Begierde brannten , die
erlittene Schmach zu tilgen.
Acht bis neun Tausend Todte, Verwundete und
Gefangene, ferner 30 Fahnen und 101 Kanone verio-
ren die Preußen , 5300 Todte und Verwundete und
800 Gefangene ihre Gegner.. Fast alle Generale der
ersteren , welche den Tag überlebten , waren verwun-
det. Selbst der König hätte eine obmol leichte Wunde.
Er hatte sich in's stärkste Feuer gewagt ; ein Pferd
wurde ihm unterm Leibe erschossen, und zwey Pagen
stürzten todt an seiner Seite nieder. Er war in der
größesten Gefahr, gefangen zu werden. Schon hatten
ihn die Feinde bey'm Dorfe Hochkirch umringt ; er
entkam aber durch die Tapferkeit der ihn begleitenden
Husaren. Allenthalben gegenwärtig , wo der Kampf
am blutigsten war, schien er sein Leben für Nichts zu
achten *). Nie zeigten sich sein Geist und seine großen
Fähigkeiten in einem fo glänzenden Lichte, als in die
fer Nacht , die , statt seinen Ruhm zu schwächen , ihn

*) Als der Markgraf Karl starb, vergoß der König


$ Thränen, die er, wie er sagte, ihm schuldig wåre.
Er liebte diesen vortrefflichen Prinzen überhaupt
sehr. Die Ursache davon schreibt sich vom Uiber.
falle bey Hochkirch her. Der König wagte sich
ben dieser Gelegenheit , ohne alle Schonung , in
das heftigste Feuer , und würde ohne den Mark
grafen , gewiß sein Ende gefunden haben ; allein
dieser redete ihm mit besonderer Standhaftigkeit
zu , das mörderische Gewühl zu verlassen , indem
feine Person so großen Gefahren ausgefeht war.
Friedrich d. Eing. III. 8
382

vielmehr außerordentlich erhöhte. Die Wichtigs


keit und die Früchte eines Sieges hången von dem Um
stande ab, wie man denselben zu benüßen versteht; der
Kampf bey Hochkirch aber hatte fast keinen andern Er-
folg, als daß Friedrich einigermaßen in ſeinen Opé-
rationen gelähmt ward , weil in dem Mordgewühl
einige Hundert der Seinigen mehr geblieben waren,
als von den Feinden, während er weit weniger zu ver-
lieren hatte, als diese. Durch sein wol berechnetes
Benehmen imponirte der König den feindlichen Feld-
cherrn so sehr , daß derselbe nicht einmal auf dem
Schlachtfeld zu lagern wagte, sondern, mit Zurückflafs
fung eines Corps Carabiniers, in sein bisheriges Lager
zurückkehrte *). Unter den Geschenken, welche dem
Marschall Daun wegen des Sieges von Hochkirch
zu Theil wurden, verdienen besonders der geweihte
Hut und Degen angeführt zu werden, welche ihm der
Papst Clemens der XIII. zu nachdrücklicherer Be-
kampfung der preußischen Kezer übersendete.
An dem Unglückstage von Hochkirch starb auch die
Markgráfin von Bayreuth, Friedrich's zärtlich ge=
liebte älteste Schwester. Eine gleiche Erziehung und

Da sich der Monarch anfänglich nicht zureden


Lassen wollte , es zu thun , so drohete ihm der
Markgraf , daß er ihn mit Gewalt würde forts
bringen lassen, und dieses wirkte so viel, daß der
König anfing , auf seine Sicherheit Bedacht zu
nehmen. Er dankte ihm aber solches in der Folge,
oft mit den zärtlichſten Ausdrücken , und versichete,
ihm viel schuldig zu seyn. (Nicolai's Anekdoten
von Friedrich dem 1 )
*) Jomini , 2. tôme , pag. 185,
1
383

Denkart hatten ihre Freundſchaft feft geknüpft , noch


mehr aber die ähnlichen Schicksale während ihrer J
gend. Friedrich hatte die Tode fast bis zur Anbe-
tung geliebt, und mehre Tage hindurch sprach er jeßt.
bey seinen Vertrauten nur einzig und allein von ihr,
der er stets das zårtlichste Andenken weihte.
Nach Bekämpfung großer Schwierigkeiten eilte
der geschlagene König, wie wenn Er Sieger wäre, das
von den Östreichern belagerte Neiße zu entfeßen. Ge-
schickt jeden Fehler seiner Feinde benüßend, langte er
in Schlesien an, und erreichte nicht nur schon den 5ten
November diesen, feinen ersten Zweck, sondern sogleich
ward auch ganz Schlesien von den Kaiserlichen verlass
fen. Mittlerweile hatte zwar Daun einige Versuché
zur Eroberung Sachsens unternommen , der dort be-
fehligenden preußischen Generale Geschicklichkeit vers
mittelte indeffen alle seine Plane , und ohne auch nur
einen Fuß breit Land erobert zu haben, bezog endlich
dieser Feldmarschall die Winterquartiere. -
Durch Friedrich's Marsch gegen Daun hatten
die Ruffen wieder einige Freyheit erlangt. Sie belas
gerten, wiewol vergeblich , Kolberg. Auf die Nach-
richt von dem Heranzug eines preußischen Corps
räumten sie schleunig Brandenburg und Pommern,
und bezogen in Palen und Preußen ebenfalls Winter-
quartiere.
unbedeutend war auch in diesem Jahre der
Kampf mit den Schweden gewesen ; nicht so jener mit
den Franzosen , welche jeßt der Graf von Clermont,
ein Geistlicher, der noch nie eine Armee geſehen, befeh
ligte. Mit ausnehmender Geschicklichkeit trieb Prinz
Ferdinand von Braunschweig seine Feinde vor sich her.
8.
384

Von der Weser bis zum Rheine flohen die Franzöfen.


Auch diesen legtern Strom überschritt Ferdinand, und
errarg den 23ten Juny einen sehr bedeutenden Sieg
bey Crefeldt. Schon zitterte halb“ Frankreich , na-
mentlich das zagende Paris ; Alles ward´aufgeboten,
das immer näher herandonnernde Gewitter zu entfer
nen, und es gelang endlich, wenigstens einigermaßen.
Eine zweyte Armee der Franzosen, bestimmt eine Di-
versión zu bewirken, drang in Heſſen ein, und errang
nicht unwichtige Vortheile. Der erfahrene Marschall
Contades erhielt, an Clermont's Stelle , den Oberbe
fehl über das Heer am Rhein. Zu all’' dem hatten
die Preußen bald Mangel an Lebensmitteln. Durch
diese verschiedenen Umstände ward Ferdinand gend
thigt, sich über den Rhein zurückzuziehen. Er that es
ohne allen Verlust, und nahm eine Stellung ein, durch
welche er die Feinde von jedem weiteren Vordringen
abhielt.
Nünmehr hatte allenthalben der Feldzug ein
Ende. Schlesien, Sachsen, Brandenburg und Pom
mern eben so Hessen und der größte Theil von West-
phalen , waren gänglich von Feinden befreyt. In Preuß
fen allein geboten die Ruſſen , mogegen indeß Sach-
fen eine mehr als hinreichende Entschädigung gewährte.
Das britiſche Cabinet zeigte nunmehr eine außer
ordentliche Thätigkeit bey dem Landkrieg. 18.000
Soldaten, worunter beſonders treffliche Reiterey, na-
ren in Teutschland gelander, und zu dem Heere des
Prinzen Ferdinand gestoßen . Ein neuer Traktat mit
dieser Macht verhieß überdies dem Könige von Preuss
ſen jährlich vier Millionen Neichthaler Subsidien.
Mit verschiedenen glücklichen Unternehmungen
385

eröffnete Prinz Heinrich den Feldzug von 1759; doch


waren dieselben natürlicher Weise nicht wichtig genug,
um entscheidend auf den gesammten Krieg einzumir-
fen. Die Ruffen, in diesem Jahre durch den Felde
marschall Soltikom befehligt , drangen wieder gegen
die Oder vor. Ihnen stellte Friedrich den General
Wedel entgegen , welcher die Feinde bey dem Dorf
Kai angriff, aber vollständig geschlagen wurde.
Durch diesen Sieg der Ruffen wurde es dem ist
reichischen General Laudon möglich, sich mit jenen zu
vereinigen, wodurch das verbündete Heer auf wenige
ftens 80.000 Mann gebracht ward. Wie ein Wald-
from überschwemmte diese Armee nunmehr die östlich
gelegenen Provinzen des Königs, und er mußte selbst
aus Schlesien herbey eilen, um diese Feinde wo möglich
zu vernichten. Mit blos 40.000 Streitern griff er
fie, die mindestens 60,000 zählten , den 12ten August
bey Kunersdorf an. Wie verzweifelt fürmten
Die Preußen die Verschanzungen der Russen ; nach
furchtbarem Kampf weichen die Truppen Soltikow's ;
der ganze linke Flügel flieht und baid hört aller Wi
derstand auf. Um Mittag hatte der Kampf begonnen,
and um 6 lhr des Abends waren 7 Redouten , 180.
Kanonen und einige Tausend Gefangene in den Hán-
den der Preußen . Der Sieg schien völlig entschieden,
und schon eilten Couriere mit dieser angenehmen
Nachricht nach Berlin und Schlesien.
Die preußische Infanterie hatte nun Alles gethan,
allein der Sieg konnte nicht benüßt werden ; denn die
Cavallerie befand sich auf dem anderen Flügel, wo sie
die Öftreicher im Zaum hielt, und die Kanonen hatten
nicht so geschwind folgen können. Dieser mißliche
386

Umstand war desto nachtheiliger , da das Terrain fo


febr die Wirkung des Geſchüßes begünſtigte , als die
Bewegungen des Fußvolks einschränkte. Endlich fa=
men einige Kanonen auf den Anhöhen an, allein in zu
geringer Anzahl, um das angefangene große Werk zu
vollenden. Unterdeſſen rückte der König mit dem ans
dern Flügel auch auf die Ruffen los ; ein gleiches that
das fink'iche Corps. Dieses Vorrücken aber war wes
gen des Erdreichs mit vielem Verzug verbunden ; bald
mußten die Truppen sich zwischen den ausgedehnten
Teichen durchziehen, bald über schmale Brücken paſſis
ren. Die Russen benüßten diese Zwischenzeit, sich zu
sammeln, und ihr Geſchüß nech Möglichkeit zu brau-
chen; und Laudon, der mit den Östreichern bis daher
noch keinen Antheil an der Schlacht genommen hatte,
segte sich jetzt auch in Bewegung, nachdem Friedrich
den General Seydlig von seinem Beobachtungsposten
abgerufen hatte, den dieser Feldherr, weil er das Un-
glück voraus sah, nach vergeblichen Vorstellungen höchst
ungern, und nur auf wiederholte königliche Befehle,
verließ. Seine Reiterey mußte nun vorrücken, die
fich zwischen den Teichen durchzog, ſich unter dem ruf-
fischen Kanonenfeuer formirte , und dem Feinde
näherte ; allein die schrecklichen Kartätschenlagen, die
ganze Züge Manwund Roß zu Boden streckten, brachten
diese muthige Reiterey in Unordnung, und zwangen ſie
zum Rückzug.
Judessen war noch Nichts für die Preußen ver.
foren, vielmehr waren ihre Vortheile entschieden. Die
Ruffen , 80 bis 100 Mann hoch zusammengedrängt,
formirten auf einer Anhöhe ein Chaos ; allein dieses
Chave war durch fünfzig Kanonen gecedt, die einen
387

Kartatschenhagel herabschleuderten. Die Preußen:


waren durch einen Marsch von fünfzehn Stunden,
durch die entsegliche Blutarbeit, und durch die Hiße
eines sehr schwülen Sommertages, so abgemattet, daß
fie kaum Athem schöpfen konnten. Dennoch war die
Schlacht für sie gewonnen, und die größte Wahrschein
lichkeit vorhanden, daß die Nuſſen, deren Verlust auf
serordentlich war, sich in der Nacht zurückziehen wür.
den. Sie hätten jezt gerne dem Sieger die Ehre des
Tages unbedingt überlassen , allein sie hielten sich in
in ihrer leßten Verschanzung sicherer, als auf derFlucht
am hellen Tage. Friedrich glaubte aber Nichts ge
than zu haben, so lange noch etwas zu thun übrig blieb.
Es war der Meinung, die er bey dieser Gelegenheit
auch öffentlich außerte, daß man die russische Armés
nicht allein besiegen, sondern vernichten müsse, weil fie
immer wieder käme, ihre Verheerungen zu erneuern.
Die preußischen Generale seßten diesen Argumenten
nichts als den gegenwärtigen kraftlosen Zustand der
Truppen entgegen. Seydlig stellte selbst dieses drin
gend vor. Die Vorstellungen dieses großen Feldherrn,
von dessen Muth Friedrich so sehr überzeugt war,
schienen der Sache den Ausschlag zu geben, und schon
wankte der König , als der General Wedel , dem
Friedrich, ungeachtet seines schlechten Kriegglücks,
beständig gewogen blieb, ſich eben nåherte, und von iha
mit der Frage beehrt wurde : „ Wedel, was meint Er !//
Dieser, ein Hofmann, stimmte ganz für die Meinung
des Königs , und nun hieß es : Marsch!
Die Ruffen hatten eine große Batterie auf dem
Judenkirchhof, die den ganzen Kampfplay bestrich, die
fie aber aus Schrecken bey einem von dem Prinzen von
388

Wirttemberg angeführten Cavallerie Angriff, ver-


ließen. Die preußische Infanterie war nur achthundert
Schritte von dieser verlassenen Batterie entfernt, die
fie jezt in Besiß zu nehmen eilte. Nichts schien dieſe
Einnahme zu verhindern, und das Ziel war nur noch
ungefähr hundert und fünfzig Schritte, als Laudon in
diesem kritischen Augenblick ankam, seine Infanterie in
die Batterie warf, und die Laufbahn der Preußen mit
einem Kartätſchenhagel aufhielt. Ihre Bemühungen,
ſich ju nähern, halfen nichts ; sie vermehrten nur ihre
Unordnung, die Laudon benüßte. Er ließ rechts und
links feine Cavallerie auf fie losbrechen, die entschlich
unter die Preußen wüthete.
Der Sieg hing nun von der Eroberung des soge
nannten Spißberges ab, den Laudon's beste Truppen
beseßt hielten. Die Preußen stürzten sich hinein, und
bemühten sich, den entgegengeseßten steilen Rand zu
erklettern, allein aller dieſer Muth war fruchtlos ; denn
wem es glückte, mit der größten Anstrengung ſich dieſe
jahe Höhe herauf zu arbeiten, fand entweder gleich sei-
nen Tod, oder wurde in den Abgrund zurückgestürzt.
Die Natur behauptete endlich ihre Rechte. Aller
Muth kennte die fehlenden Kräfte der Preußen nicht
erseßen. Der Epißberg wurde wiederholt angegrif
fen, aber nicht erstiegen. Das entſegliche, unaufhöra
liche Feuer der Russen und Östreicher aus grobem Ge
schuß und Musketen, fiel wie ein Todesregen auf die
Preußen, und schmetterte Alles zu Boden. Fink, der
mit feinem Corpe andere Anhöhen zu stürmen versuchte,
ftrengre auch vergebens alle Kräfte an. Friedrich
selbst sezte sich der größten Gefahr aus ; seine Uni
form wurde von Kugeln durchlöchert, zwey Pferde
389

ihm unterm Leibe erſchoffen, und er ſelbſt, jedoch leicht,


verwundet. Ein goldenes Etui, das er in der Tasche
hatte, rettete sein Leben, und hielt die Kugel auf, die
das Gold zusammendrückte, und sodann ermattet das
bey liegen blieb. Eben so nahe war er der Todesge-
fahr , da sein verwundetes, Pferd im Begriff war zu
fürzen. Der Flügel- Adjutant Gög rettete noch den
König , indem er ſchnell hinzu ſprang , und ihm sein
eigenes gab. Man bat den König auf's dringendste,
diesen so höchst gefährlichen Ort zu verlassen. Er
antwortete: ,,Wir müssen alles perfuchen , um die
„Schlacht zu gewinnen, und ich müß hier so gut meine
Schuldigkeit thun , wie Ihr. Die Ruffen fochten
mit der größten Erbitterung ; ſie warfen ſich_reihen.
weise wie todt zur Erde, ließen die Preußen über sich
wegmarfchiren , sodann sprangen sie auf, und feuer en
ihnen im Rücken. Alle Versuche, die Russen und Öft.
reicher vom Berge zu treiben, waren jedoch fruchtlos.
Nun wagte es die preußiſche Cavallerie, die Ans
höhen anzugreifen, allein alle Reiter Taktik des Septe
lih vermochte hier Nichts. Diese Cavallerie, gewöhnt,
`unter seiner Anführung, feindliche Cavallerie, wenn
gleich doppelt und dreyfach so kark, über'n Haufen zu
werfen, Infanterie in allen Stellungen in die Flucht
zu schlagen, sogar Batterien zu erobern, und die größe
ten Schwierigkeiten des Terraine zu besiegen , erlag
hier im unmöglichen Kampf unter den hoch gestellten
Kanonen der Ruffen. Er selbst , dieser tapfere Bei
fehihaber, wurde verwundet. Ein gleiches Schicksal
hatte der Prinz Eugen von Wirremberg, ter einen
zweyten Angriff versuchte; ihr folgte der General
Puttkammer, der mit den weißen Husaren auf den
3go

Feind zuftürzte, allein todtgeschoffen wurde ; auch die


übrigen vornehmsten Befehlhaber der preußischen Ar-
mee, die Generale Fink und Hülſen, wurden verwun»
det. Alle Truppen der Preußen, zu Pferd und Fuß,
geriethen nun in große Unordnung. In diesem ge
fährlichen Augenblick brach Laudon hinter dem rechten
Flügel mit frischen Truppen hervor, und fiel die ganz
abgematteten Preußen auf der Seite pan. Dieser
Feldherr, der so oft im Kriege den glücklichen Zeits
punkt zu treffen wußte, führte hier Cavallerie an, die
in der Entfernung vom Schlachtgetümmel gehörig
formirt, in beſter Ordnung in die zerrütteten Haufen
der Preußen drang. Die Schlacht war nun bald ent-
schieden. Ein panisches Schrecken schien die ganze
preußische Armee zu ergreifen. Die Truppen flohen
in den Wald , und nach den Brücken. Alle wollten
zugleich herüber. Hieraus entstand ein entseßliches
Gedränge, und eine unaussprechliche Verwirrung, die
eigentlich den Verlust der großen Menge Artillerie ver
anlaßte. Man ließ außer allen bereits eroberten Ka-
nonen noch 165 preußische zurück. Der König selbst
war dem Augenblick nahe, gefangen zu werden, da er
fich unter den lehten auf dem Schlachtfelde befand,
und einen Hohlweg zu paſſiren hatte. Nur allein der
außerordentliche Muth und die seltene Geißtekgegen-
wart des Rittmeisters Prittwiß rettete ihn von dieſem
großen Unglück. Friedrich hielt es schon für un
vermeidlich, daher er auch wiederholt ausrief: „ Pritt
wig, ich bin verloren." Dieser heldenmüthige Of
fizier aber , der nur hundert Husaren hatte, um den
Laufenden ihn umringen der Feinde die Spise zu bie
ten, antwortete : Nein, Ihro Majestát ! das soll nicht
3gr

geschehen, so lange noch ein Athem in uns ist." Un


statt sich blos zu vertheidigen, griff er immer selbst an,
fcharmuzirte, und hielt dadurch die Feinde ab , einen
regelmäßigen Angriff zu wagen . In dieser Zeit rúc
ten die streitenden Husaren immer vorwärts . Fried.
rich gelangte endlich sicher zu den übrigen Truppen,
und belohnte feinen Retter durch königliche Geschenke,
und hohe Kriegwurden .
Nie war die Standhaftigkeit dieses Monarchen
fo außerordentlich erschüttert worden , als an dieſem
unglücklichen Tage. In wenig Stunden hatte ihn das
Kriegglück von der Höhe eines unbezweifelten Sieges
in die Tiefe einer vollkommenen Niederlage herabge
fürzt. Er verſuchte Alles, um seine fliehende Infan
terie zum Stehen zu bringen ; allein Vorstellungen und
dringendes Bitten, sonst von den Lippen eines Königs
und zwar dieses Königs so wirksam, nichts wollte
hier helfen. Man sagte, daß er in dieser verzweiflung.
vollen Lage sich laut den Tod wünschte. Seine lebhafte
Einbildungkraft stellte ihm in den ersten Augenblicken
die Folgen dieser verlorenen Schlacht als schrecklich
dar, so daß er von eben dem . Schlachtfelde, wo er we
nig Stunden zuvor Siegek - Couriere abgefertigt hatte,
jeht Befehle nachBerlin sandte, die Sicherheits - Maas,
regeln und schleunige Rettung zum Gegenstand hat
ten. Er glaubte den Feind schon in seiner Residenz,
und diese geplündert und verwüstet zu sehen ; dabey
hielt er sich für unvermögend, ihn daran zu hindern.
Seine Truppen waren so zerstreut , daß er am Tage
nach der Schlacht kaum 5000 Mann beysammen hatte.
Der Befehl des Königs zur Rettung von Berlin
war indessen abgesandt worden. Seine eigenen Worte
392

waren : er wåre jeßt außer Stand, die Stadt zu ſchúz


zen, daher alle die vornehmsten und reichsten Einwoh-
ner sich nach Möglichkeit mit ihrem Vermögen entfer
nen möchten. Der Jäger, überbringer dieses Befehle,
wurde durch einen glücklichen Zufall von den Coſaken
gejagt , und traf erst nach vier Tagen in Berlin ein.
In dieser Zeit hatten sich die Sachen bereits fehr ge-
åndert. Man war hier von dem ersten Schrecken zu-
rückgekommen. Es geschahen daher Gegenvorstellun
gen von Seiten des Magiſtrats bey'm Könige, mit de
nen er jest auch gerne zufrieden war. Die königliche
Familie mußte sich jedoch aus Berlin entfernen , und
ihre Residenz in Magdeburg nehmen , wohin auch die
Archives gebracht wurden .
Diese Schlacht war ein wahres Mordfest. Noch
war keine in diesem Kriege so blutig gewesen. Die
Preußen hatten 8000 Todte und 15,000 Verwundett,
und 3000 von ihnen waren gefangen worden . Faft
alle preußischen Generale und Offiziere vom Range
waren verwundet. Die Ruffen und Öftreicher hatten
24 000 Mann Todte und Verwundete , nach Soltis
fon's eigenem Geständniß.
Friedrich ſchlief die Nacht nach der Schlacht
angekleidet auf dem Stroh in dem Dorfe Ötscher in
einer durch die Coſaken zerstörten, allen Winden offen
ſtehenden Bavernhütte ; um ihn her lagen seine Adju»
tanten auf der bloſen Erde, und einige Grenadiere be-
wachten dieſe Gruppe. Am folgenden Tag ging Fried-
rich über die Oder, zog die Flüchtlinge an sich, vereis
nigte sich mit Wunsch, rief den General Kleist mit
5000 Mann aus Pommern zurück , und ließ auf's
fchleunigste Geschüß aus seinen Arsenålen kommen,
393

und so war er, der am Abend der Schlacht nur 5000


Mann beysammen hatte, in einigen Tagen wieder an
der Spige von 28 v00 Mann . Die Russen, die ihn
unerachtet seiner Niederlage fürchteten , verschanzten
sich. Friedrich flöste abermals durch eine Rede sei=
nen Truppen Muth ein ; und in wenig Wochen war
Berlin gesichert , seine Armee mit Allem versehen, und
so verstärkt, daß sie nicht allein im Stande war das
Churfürstenthum Brandenburg zu decken, sondern daß
auch Wunsch sich mit seinem Corps entfernen, und nach
Eachsen marschiren konnte *).
Die Russen ließen diese kostbaren Augenblicke,
den Krieg zu endigen, jest unbenüßt. Nachdrückliche
Operationen gleich nach der Schlacht hätten dies un-
fehlbar bewirkt. Friedrich selbst erstaunte über thre
Unthätigkeit, und Daun machte deshalb Soltikom bit-
tere Vorwürfe, die dieser eben so bitter beantwortete.
„ Ich habe,“ ſchrieb er, „ zwey Schlachten gewonnen,
,,und warte jezt nur noch, um weitere Bewegungen
77zu machen, auf die Nachricht zweyer Siege von Jh-
,,nen ; denn es ist nicht billig, daß die Truppen meiner
,,Kaiserin ganz allein agiren follen." Der Marquis
Montalembert stellte ihm vor, daß, wenn er jeßt nicht
vorwärts marschirte , er den Östreichern die Früchte
seiner Siege überlassen würde. Der russische Feld-
herr antwortete : „ Darauf bin ich gar nicht eifersüch-

*) Unter den Preußen , die in der Schlacht bey


Kunersdorf als Opfer des Krieg: Dämons fielen,
befand sich auch der Major Kleist , ein edler Teut-
scher , verehrungwürdig durch seinen Charakter,
unsterblich durch seine Gefänge.
Friedrich d. Eing, III. 9.
394

tig. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen noch


,,mehr Glück, als ich gehabt ; ich habe für meinen Theil
"genug gethan.“ *) ww Wirklich zog Soltikow , we
nige Wochen nach dem Siege von Kunersdorf
nach Polen zurück!
Unterdessen waren die Öftreicher in Schlesien
eingedrungen. Das kluge Benehmen des hier com-
mandiren Generals Fouquet indeſſen nöthigte sie schnell
und mit bedeutendem Verluste zum Rückzuz. — Schle:
fien also war für deu Augenblick gerettet. Mehr Fort-
schritte machten die Kaiserlichen und Reichtruppen in
dem fait ganz unvertheidigten Sachsen. Leipzig, das
trefflich vertheidigte Torgau, und Wittenberg, fielen
nach einander in ihre Hände. Ja, selbst der heldenmú-
thige General Schmettau sah sich genötigt, fogar Dres-
ben zu übergeben. Da fendete Friedrich den General
Wunsch mit 7000 Soldaten. Überall ſchlug dieſes
schwache Corps die weit zahlreicheren Feinde. Ganz
Sachsen, mit Ausnahme von Dresden, ward auf dieſe
Art wieder erobert. Vergebens versuchte Daun einige
Unternehmungen ; dieſen öftreichiſchen General gång-
lich nachBöhmen zurück zu treiben, sendete der Konig
den General Fink mit 11,000 Mann nach Maxen, im
Gebirge. Dort aber ward er, in ein enges Thal ein-
geschlossen, durch die Östreicher und Reichtruppen leb=
haft angegriffen. In seiner Mitte lag das DorfMaren,
welches die Feinde in Brand ſeßten. Eine große Ver-
wirrung entstand hierdurch ; dennoch kämpften die
Preußen, bis es ihnen endlich an Munition zu fehlen
begann. Jest wurden sie genöthigt, sämmtlich die Waf-

*) Archenholz.
395

fen zu strecken. 11,000 Soldaten , 71 Kanonen und


120 Fahnen und Standarten fielen auf diese Art den
Feinden in die Hände. Ein kleineres Corps von 1400-
Mann hatte unmittelbar darauf das nämliche Schick-
fal.
Troß diefer wiederholten großen Unfälle, wich
dennoch nicht der König. *) Die besten Hilfquellen
Friedrich's waren immer die Fehler seiner Feinde.
Auch jetzt wurden die Erwartungen der Menschen be
trogen. Daun, ansatt seine großen Vortheile zu nüßen
und vorwärts zu dringen, bezog, wie ein Besiegter, das
feste Lager hinter dem plauen'schen Grunde. Fried-
rich hingegen, der fast die Hälfte seiner Armee, und
zwar am Ende des Feldzugs, verloren hatte, wo alle
Regimenter ohnehin sehr geschwächt waren, und der
jeht wenig mehr als 20,000 Mann beyſammen hatte,
ånderte seine Stellung dennoch nicht, sondern behavp-
tete , außer dem kleinen Bezirk um Dresden , ganz
Sachsen. Indessen ließ er, um der großen Ungleichheit
der beyderseitigen Armeen einigermaßen abzuhelfen,

*) ,,In diesem schrecklichen, sieben Jahre dauernden


Kriege, der mit grånzenloser Erbitterung gefühit
wurde , zeigte Friedrich eine Größe des Geis
stes, welche selbst seine Feinde in Erstaunen ſeßte.
Er glich einem Löwen , den eine Menae wüthiger
Hunde anfällt, und der von ihnen zerkragt , zers
biffen, und endlich niedergerissen, doch auch liegend
noch sie durch seine furchtbaren Blicke in Respekt
hålt , von Zeit zu Zeit wieder aufspringt , mit
gesammelten Kräften hier einige zu Boden ſchlågt,
dort andere ergreift und zerreißt, und die bellende
Schaar vor sich her treibt, " (Fumke )
9.
396

12,000 Mann von den alliirten Truppen kommen.


Diese, unter Anführung des Erbprinzen von Braun-
schweig, stießen am Ende des December bey Freyberg
zum Könige. Kaum war diese Verstärkung angelangt,
so rückte Friedrich , ohne die rauhe Jahrzeit zu ach-
ten, vorwärts, und verjagte alle voran poſtirte feind-
lichen Truppen..
Nun folgte eine sonderbare Winter-Campagne,
die eine sehr große Menge Menschen wegraffte. Die
Armee des Königs wurde in der Nachbarschaft_von
Dresden in die kleinen Städte und Dörfer verlegt,
und zwar so gedrängt, daß nur ein geringer Theil der
Soldaten unter Dach kommen könnte. Ganze Regi-
menter lagen die Hälfte des Winters in kleinen Dör-
fern, die sie nachher mit größern vertauſchten . Die
Offiziere bewohnten die Stuben oder Kammern, und
die Soldaten bauten sich Brandhütten, worin fie Tag
und Nacht wie die Tartaren sich um das Feuer lagerten.
Der Winter war dieses Jahr ungewöhnlich frenge,
und der Schnee lag viele Wochen lang Kuie tief. Tas
Holz wurde von den Soldaten selbst herbey geſchleppt,
oft aus einem entlegenen Walde. Die Spanier fuch-
'ten in dem neu entdeckten Amerika nicht eifriger nach
Gold, als jeßt die Preußen nach Holz. Die Lebens-
mittel waren dabey gar nicht im Überfluß, und der
Soldat auf fein Commiɛbrot eingeschränkt, womit er
unaufhörlich bey Tage und selbst des Nachts Wasser=
suppen machte. Die Wachen und Commando's kamen
wegen der vielen Kranken sehr oft herum, und hatte
der Soldat diese überstanden, so konnte er doch in dem
Furzen Zwischenraum der Ruhe nicht pflegen. Die
Östreiter waren durch dies Beyspiel gezwungen, ein
397

gleiches zu thun. Beyde Heere also zeigten der Welt


eine noch nie in den Jahrbüchern nordischer Kriege auf-
gezeichnete Handlung ; in einer sehr geringen Entfer
nung von einander, in einem sehr harten Winter, troß-
ten sie dem kalten Clima und den Seuchen, und hiel-
ten unter leinenen Dächern das Feld, bis eine beſſere
Jahrzeit ihren Leiden ein Ende machte.
Da keine Vollkommenheit den Sterblichen eigen
ſagt Archenholz- und es der Geschichte un-
würdig ist, bey jedem Fehler, bey jedem Eigensinn, ben
jeder Laune eines großen Mannes, reiflich erwogene
Plane und Weisheitgründe vorauszusehen, so mag es
erlaubt seyn , durch die Natur der Dinge gerechtfer:
tigt, an der Nußbarkeit dieses Eislagers zu zweifeln,
dessen Fortdauer wahrscheinlich mehr durch Laune, als
durch Absichten, bestimmt wurde, weil man damit nicht
das Geringste gewann, noch je gewinnen konnte, da die
menschlichen Kräfte in diesem Lager wie todt waren. *)
Die Franzosen hatten den Krieg im Jahr 1759
mit Überrumplung der f. g. freyen Reichstadt Franf
furt begonnen , obschon dieselbe ihr Contigent zur

Friedrich verstand die Kunst, sich an Alles zu


gewöhnen. Eine elende Hütte zu Schlertau mar
fein Aufenthalt im Winter von 1759 bis 1760.
Er ließ sich da einen kleinen Kamin machen, und
that im Stillen bey diesem kleinen Kamin, in der
größten Ausbreitung die größten Dinge.
mangelte ihm an allen Bequemlichkeiten. Cr
hatte nur ein Paar Oosen , und war genöthigt,
im Bette zu bleiben , während das man seine
Hosen flickte ; und hierzu mußte man einen Baweini
schneider aufsuchen.“ (3immermann. )
398

Reicharmee gesendet hatte, und also gewiſſermaßen im


Bunde mit Frankreich war. Sie von hier zu vertrei-
ben, lieferte ihnen Prinz Ferdinand ein Treffen, (bey
Bergen) das indeffen verloren ging, worauf die Feinde
weiter vordrangen , und namentlich Caffel eroberten.
Es kam neuerdings, bey Minden , zur Schlacht. Fer-
dinand errang einen herrlichen Sieg ; völlig wurden
die Franzosen gefchlagen, und den ganzen Feldzug hin-
durch waren sie von nun an gegen die Verbündeten
(Preußen, Hannoveraner zc.) immer in Nachtheil.
Friedrich wünſchte sehnlich den Frieden. Bri-
tannien zwar hatte wichtige Eroberungen jenseits des
Meeres gemacht, und alle Verlufte des preußischen Kó-
nigs in dem eben beendigten Feldzug waren ohne be-
deurende Folgen geblieben. Dennoch bot er, vereint
mit England, Frieden an. Aber die Alliirten hörten
keinen Vorschlag an, und nochmals mußte alſo zu den
Waffen gegriffen werden. Während des Winters hatte
Friedrich seine Armee fast vollständig wieder ergänzt,
und nach vier Feldzügen ſtand er unbeſiegt.
Doch, auch mit dem beginnenden Kampfe von 1760
war die Reihe der Unglückfälle noch nicht geſchloſſen,
die seit einem Jahre auf Friedrich unablässig los-
ftürzten. Das Corps des braven Generals Fouquet
wurde in Schlesien fast gänzlich von Laudon aufgerie=
ben ; was nicht fiel, wurde, mit Ausnahme der Reite-
rey und weniger Infanterie, gefangen. Die Folge die-
fes Siegs war die Eroberung des festen Glaß , und
die Belagerung von Breslau . Der König selbst hatte 1
Dresden belagert, mußte nunmehr aber zur Rettung
Schlesiens herbey eilen. Er zog also von Sachſens
Hauptstadt weg, in diesem Churfürstenthum ein Corps
!

399

unter Hülfen zurücktoffend, und langte schon nach einem


fünftägigen Marsch, immer umringt von 100,000 Öst
reichern, in Schlesien an . Ungefähr 30 000 zählte
die Armee des Königs. Breklau zwar war durch den
Prinzen Heinrich noch vor Friedrich's Ankunft- ent-
ſeßt worden ; da dieser aber die Ruffen zu beobachten
hatte , und die Östreicher den König von Schweidnig
und der schlesischen Hauptstadt abgeschnitten hielten,
bey Friedrich's Heer überdies in wenigen Tagen
Mangel an Lebenêmitteln eintreten mußte, so kam er
in eine verzweifelte Lage.
Die Östreicher hatten den Entwurfgemacht, ihre
Gegner in der Nacht vom 14ten zum 15ten August zu
überfallen, und wo möglich ein Seitenstück zu dem Tage
von Hochkirch zu liefern. Sowol aus ihren Bewe-
gungen, als auch durch sonstige Umstände entdeckte dies
der fluge Friedrich. Sein Lager war wirklich kei
neswegs gesichert, und er zog sich daher mit beginnen:
der Nacht aufdie Anhöhe von Liegniß, ließ indessen,
se ne Feinde zu täuschen, sorgsam die Wachtfeuer in
dem alten Lager durch Bauern unterhalten. Ähnlich
verfuhren in derselben Nacht die Östreicher, um auch
ihren Aufbruch zu verbergen. Der König, berechnend,
daß Laydon an dieser Gegend vorbeyziehen werde;
um zu dem projektirten überfall des preußischen Lagers
mitzuwirken, stellte in der Stille ſein kleines Heer in
Schlachtordnung. Es war eine ungemein schöne Some
mernacht. Der geftirnte Himmet harte kein Woikchen,
und kein Lüftchen wehete. Niemand ſchlief. Die
Soldaten hatten sich, mit ihren Gewehre im Arm, ge=`
lagert, allein fie waren munter, und da sie nicht ſingen
durften, so unterhielten sie sich mit Erzählungen. Die
400

Offiziere gingen ſpazieren, und die Generale ritten um-


her, um alles Nöthige zu beobachten. Der König faß
auf einer Trommel, ganz nach dem erhabenen Bilde
eines großen Dichters, der in den preußischen Krieg-
liedern singt :
,,Auf einer Trommel faß der Held
", und dachte seine Schlacht,
,,den Himmel über sich zum "Zelt,
,,und um sich her die Nacht."
atriba masih ( Urchen holk. )
In der Absicht, einige Freybataillone in der Nähe
vorerst aufzuheben, die er Tags zuvor bey Pfaffendorf
bemerkt hatte, zog Laudon ohne Vortrab bey eben
beginnender Dämmerung gegen das alte Lager der
Preußen. Nur 800 Schritte waren seine Truppen
von den Anhöhen entfernt, welche diese gegenwärtig bes
fest hielten. Da ließ der König aus der großen Bat-
terie eine volle Ladung gegen die Feinde richten, welche
eine fürchterliche Verheerung in ihren dichten Reihen
verursachten. Sogleich bemerkt Laudon seinen Jrra
thum. Schnell ordnet er seine Truppen ; doch kaum
ist eine Linie gebildet, als sie auch schon durch Fried-
rich vernichtet wird . Die östreichiſche Cavallerie
bricht hervor ; ſie hat daß nåmliche Schicksal, und nach
fünf wiederholten Angriffen sind Laudon's Truppen
gänzlich geschlagen , und retten sich fliehend vom
Schlachtfeld. Daun, immer zögernd und zagend,
hatte es, nach spåt erhaltener Nachricht, nicht sogleich
gewagt, zur Unterstüßnng Laudon's herbey zu eilen,
wovon ihn wahrscheinlich auch ein Corps, das Fried,
rich zu seiner Beobachtung zurückgelaſſen, abgehalten
haven würde. Der kaiserliche Oberfeldherr konnte sich
401

bey seiner Ankunft in dem verlaffenen Lager der Preuf-


sen anfangs nicht erklären, wohin die schon für vernich
tet geachtete kleine Armee entkommen ſey ; erst als-ſich
der Wind drehte, vernahm er den Kanonendonner von
den liegniger Anhöhen.' – 4000 todte oder verwun
dete Östreicher bedeckten das Schlachtfeld, 6000 Ge=
fangene fielen außerdem den Siegern in die Hände,
ebenso 82 Kanonen und 23 Fahnen ; nur 500 Todte
und 1200 Verwundete zählten die Preußen.
Als der schöne Morgen des 15ten August anbrach,
war die blutige Arbeit schon vollendet ; denn nur zwey
Stunden lang währte der Kampf. — Um Nuşen von
diesem Siege zu ziehen, war indeffen nöthig, die Be-
täubung der Feinde benüßend, sogleich vorzubringen ;
Alles mußte sich daher ungesäumt in Marsch setzen,
- sagt Archenholz - der durchaus
ein Marsch --
einzig in seiner Art und erstaunenwürdig war; der
Aufzeichnung so sehr werth, wie irgend eine große Be=
gebenheit des gegenwärtigen Kriegs ; denn diese von
der Blutarbeit abgemattete und von zahlreichen Hee
ren umringte Armee mußte ohne Nast und ohne allen
Zeitverlust fortrücken, und dabey alles eroberte Ge=
schüß, alle Gefangene, und auch alle Verwundete mit-
nehmen . Man packte die legtern auf Mehl- und Brot-
´wagen ; auch andere Wagen und Chaisen nahm man
dazu, sie mochten gehören wem sie wollten ; selbst der
König gab die feinigen her. Auch die Handpferde des
Monarchen und der vornehmen Befehlhaber wurden
hergegeben, um die Verwundeten, die noch reiten konns
ten, fortzubringen. Die ledigen Mehlmagen schlug
man in Stücke, und spannte die Pferde vor die erbeu-
teten Kanonen. Von den feindlichen Gewehren mußte
402

ein jeder Reiter und Packknecht eins mitnehmen.


Nichts wurde zurückgelaſſen oder vergessen, erheblich
oder unerheblich; es war Beute. Auch nicht ein ein-
ziger Verwundeter blieb zurück, weder von den Preuf-
sen, noch von den Östreichern, so daß um 9 Uhr, vier
Stunden nach geendigter Schlacht, dies ſo unvorberei-
tet new belastete Heer , mit dem ganzen ungeheuern.
Troß, schon im vollen Marsch war. *)
Der Zug der so außerordentlich belasteten Armee
ging den nåmlichen Tag noch drey Meilen, und zwar
nach Parchwig zu , in deſſen Nähe Czernitchef wit
20,000 Ruſſen die Oder decîte. Der König befand sich

* Hierher gehört folgender Zug, Der König rift


mit der Avantgarde nahe bey einem Walde vor,
ber. Ein Oestreicher , dem eine Kanonenkugel
den Bauch aufgerissen hatte , so daß das Einge=
weide ganz beschädigt heraushing, ſtand an einen
Baum gelehnt, und hielt es mit beiden Hånden
feft. Einige vorbenmarschirende Preußen bezeigs
ten ihr Mitleiden mit diesem Unglücklichen ; viele
hatten aber auch die Unmenſchlichkeit, ſeines Elen,
des zu spotten. Dies nahm der König ſehr un-
gnådig auf, und er sagte mit ernſtem Unwillen :
"„Pfui ! ſchämt Euch ! wist Ihr nicht , daß , was
,,dieser bedauernswürdige Mensch heute leidet,
„ mich oder einen andern morgen auch treffen kann ?”’
Sogleich befahl er , daß ein Pferd abgesattelt
werden mußte, damit der arme Verwundete in die
Pferdedecke gelegt werden konnte. Vier Mann
mußten ihn in's nächste Dorf tragen , und es
wurden Feldscherer zu seiner Pflege beordert. Als
der Blessirte in einem Bauernhauſe auf's Bett ge=
legt war, fragte er mit schwacher Stimme :
fagen Sie mir doch, wie hieß der General ?”
403

jedoch, ungeachiet feines Sieges, in einer schrecklichen


Lage. Die Proviantwagen waren leer. Er hatte den
16ten August nur noch auf einen Tag Brot , außer
dem kleinen Vorrath, den die Soldaren auf ihrem
Rücken trugen. Wenn die Russen ihren Posten be-
haupteten, so konnte er nichte aus seinen Magazinen in
Breslau ziehen ; und um nach Schweidniß zu mar-
ſchiren, mußte er sich zuvor mit allen vereinigten öftreis
chischen Armeen schlagen. Wollte er auch dies mit
feiner so sehr ungleichen Truppenzahl wagen, so war
ein glücklicher Erfolg doch kaum denkbar, wegen des
Transports ven 6000 Gefangenen, von den erbeute-
ten Kanonen, und von einigen tausend Verwundeten,
die man während der Schlacht bedecken mußte. Die
Ruſſen machten jedoch dieser Unruhe bald ein Ende.
Die Hauptarmee dieser Nation zog sich über die Oder
zurück, wobey die Befeh! haber zu ihrer Rechtfertigung
fagten, daß, da sie in fünf Tagen keine Nachricht von
den Östreichern erhalten hätten , sie entweder eine
gänzliche Niederlage , oder eine völlig abgeschnittene
Communication vermuthen müßten ; jeßt also war
der Weg nach Breslau den Preußen völlig offen. Der
ruffische General Czernitschefstand aber noch mit einem
Corps diesseits der Oder. Um auch seinen Rückzug
zu beschleunigen, bediente ſich der König folgender Liſt :

Als er vernahm , es sey der König felbft gewesen,


ſagte er: " Nun , so segne ihn Gott ! daß er
mir Elenden noch vor meinem Ende hat Gutes
thun lassen, das belohne ihm Gott ! " Nach einis
gen Minuten starb er. (Anekdoten und Charak
terzüge aus dem Leben Friedrich des Großen,)
404

Er schrieb an den Prinzen Heinrich, meldete ihm ſei-


nen Sieg über die Östreicher, und seinen Entschluß,
die Oder zu paffiren, um auch die Ruffen anzugreifen,
wobey er seinen Bruder erinnerte, deshalb die verab
redeten Bewegungen zu machen. Dieses Schreiben
wurde einem Bauer gegeben, mit dem nöthigen Unter-
richt, wie er von den Roſſen aufgefangen werden könnte.
Die List hatte den besten Erfolg, und kaum hatte Czer-
nitchef den Brief gelesen, ſo eilte er, über den Fluß
zu kommen . Nun hatte des Königs bedenkliche Lage
ein Ende, die nie , selbst nicht vor der Schlacht bey
Leuthen, so gefährlich gewesen war, als jeht vor der
Schlacht bey Liegnis.
Unterdessen hatte eine russische Armee unterstüt
durch ihre und die schwedische Flotte, Kolberg belagert.
Tapfer vertheidigte sich die Besaßung, ihr zu Hilfe
eilte der brave General Werner. Mit einem überaus
schwachen Corps * ) griff er die Feinde an , die , von
Erstaunen und Schrecken erfüllt, ohne an Widerstand
zu denken, mit Zurücklaffung ihrer Artillerie und des
Proviante, entflohen. Auch die Schweden wurden
von ihm zurückgedrångt . Der General Hülsen das
gegen, der in Sachsen befehligte, mußte, troß seiner
Geschicklichkeit, der feindlichen übermacht weichen,
und dieses ganze Churfürstenthum fiel allmählig den
Östreichern und Reichtruppen in die Hände.
In Schlesien hatte der König manchen kleinen
Vortheil errungen, und zuleht ganz nahe neben Daun,
in den Gebirgen, ein Lager bezogen. Der kaiserliche

*) Werner zählte nur 5000 Soldaten, die Belage:


rer aber über 20,000,
405

Feldherr fühlte sich dadurch in eine sehr ungünstige


Lage versezt , und es wärd ein Plan entworfen , ihn
(gewiſſermaßen) zu befreyen ; 20,000 Ruſſen und
15,000 Östreicher zogen nach Berlin, der preußi-
schen Hauptstadt selbst. Dieſelbe leistete zwar anfangs
lebhaften Widerstand, ſah ſich endlich aber zur Capitu =
lation genöthigt. Furchtbar wurden diese Königstadt
und ihre Umgebungen verheert, besonders alle könig.
lichen Gebäude und Anstalten. Überall wurden Con-
tributionen erhoben , und der öftreichische General
Lafcy war es vorzüzlich, der faßt gar keine Rücksicht
auf die Bedingungen der Capitulation nahm . Außer
ordentlich vieles luglück wußte ein biederer berliner
Kaufmann, Namens Gorkowsky, von der Stadt und
seinen Mitbürgern abzuwenden. Er hatte die in der
zorndorfer Schlacht gefangenen und verwundeten Raf-
fen thatig unterfügt, und vermochte daher gegenwár-
tig sehr vieles bey ihnen.
Der König zog zur Rettung seiner Hauptstadt
herbey. Sogleich verließen die Russen und Östreicher
Berlin ; alle Orte und Gegenden, durch die sie kamen,
wurden aber gebrandschaßt , verwüstet und verheert.
Als Friedrich von diesen Umständen unterrich-
tet wurde, hatte er die sächsische Gränze erreicht. Be
sonders schmerzlich war ihm die Wuth, mit welcher die
Sachsen die herrlichen Kunstwerke von Charlottenburg
nicht blos beschädigt, sondern fast gänzlich vernichtet
hatten. Im ganzen Laufe des Kriegs war von den
Preußen kein königlicher Pallast in Sachsen berührt,
sondern alle waren im Gegentheil sorgfältig geschüßt
worden. Nun aber befaht Friedrich, das Jagd=
schloß Hubertsburg zu plündern , was auch in wenig
Friedrich d. Eing, H. 10
406 ,

Stunden geschehen war. Den Gegenden, welche am


meisten gelitten, schenkte der König 300,000 Thaler,
die, mit Ausschließung des Adelk, an das Volk ver-
theilt wurden.
Über den Besitz von Sachſen mußte aber nunmehr
eine Schlacht entscheiden ; denn Friedrich fowol, als
Daun, waren fest entschlossen, dieses Churfürstenthum
nicht freywillig zu verlassen.. Der König schrieb um
diese Zeit an d'Argens : Sie schäzen das Leben als
ein Sybarit, und ich betrachte den Tod als ein Stei-
,,fer. Nie werde ich den Augenblick sehen , wo ich
gezwungen werden könnte, einen unrühmlichen Frie
„den zu schließen . Kein Beweggrund , keine Be-
„ redsamkeit würde mich dahin bringen, meine Schande
,,zu unterschreiben. Entweder will ich mich unter den
Ruinen meines Vaterlandes begraben, öder ich werde
,,meinem Unglück, wenn ich es nicht mehr zu ertragen
,,vermag, ein Ende zu machen wissen. Ich bin fest
,,entschlossen, Aues noch in diesem Feldzuge zu wazen;
denn ich will ſiegen oder sterben.“ Mit diesen Gesin-
nungen bereitete sich der König zur Schlacht, welche
den 3ten November (1760) bey Torgau geliefert
wurde.
Das Lager der Öftreicher war höchst vortheilhaft ;
die Anhöhen, worauf es sich befand, deckten Zeiche,
Gråben, Verhaue, Waldungen und Moråfte ; zudem
zeigten über 400 Feuerschünce, die es umgürteten, je
dem Angreifenden Verderben und Tod. Dennoch be-
gann der König den Kampf, und fein Plan, dessen Aus
führung allerdings inermeßliche Schwierigkeiten ents
gegen standen, zielte auf nichts Geringeres , als die
gänzliche Vernichtung der Östreicher.
407

Auf dem Marsch nach dem Schlachtfeld theilte


Friedrich sein Heer in zwey Corps von fast gleicher
Stärke. Mit dem einen wollte er den Hauptangriff
machen, mit dem anderen sollte Ziethen den Feinden in
den Rücken und die Flanke fallen, und sie von der Elbe
abschneiden, wodurch unfehlbar, konnte alles so vollzo-
gen werden, die vollständige Vernichtung von Daun's
Armee bewirkt werden mußte.
Bey seinem Marsch durch den torgauer Wald
stießen die Preußen auf ein einzeln marſchirendes õita
reichistes Dragoner Regiment ; es wird umringt,
lebhaft angegriffen, und sieht sich bald zur Streckung
der Waffen genöthigt. Stafch zogen, troh dieser Affaire,
die Truppen des Königs vorwärts, er selbst an der
Epiße des Vortrabs . Es war 2 Uhr des Nachmittags
und noch hatte er das Ende des Waldes nicht erreicht,
als man ein Kanonenfeuer vernahm , das von einem
Createngefecht herrührte, welches man aber für ein.
Zeichen des Angriffs von Ziethen hielt. Augenblicklich,
ohne das Haupicorps zu erwarten, stürzt sich Fried,
rich mit seiner, aus 10 Grenadier Fataillonen be
stehenden, Avantgarde , auf die feindlichen Messen.
Furchtbar wüthet der Kampf. Doch die schrecklichen
Eisenmassen der Ößreicher machen der Preußen außers
ordentliche Tapferkeit unnug. In einer halben Stunde
bedeckten 5500 preußische Grenadiere todt oder ver-
wundet die Wahlstatt; von der ganzen Avartgarde
waren am folgenden Tage nur noch 600 dienstesfahig.
Der König schien über diese schreckliche Niederlage
feiner Grenadiere beſtürzt, und da einer ihrer Anfüh-
rer, der Graf Anhalt, den er sehr liebte, auch dahin-
fank, wandte sich Friedrich zu deffen Bruder, feinem
10 *
408

Flügel- Adjutanten, und sagte : ,,Alles geht heute übel.


Meine Freunde verlassen mich. Eben meldet man
mir den Tod Ihres Bruders.“ Es regnete stark;
allein der Donner des Geſchüßes , und noch mehr der
Eisenhagel, der so gewaltsam und ununterbrochen die
Luft zerriß , schien die Wolken in der Region des
Kampfplages zu zertheilen, und der Himmel wurde
heiter.
Mittlerweile rückte die Haupt Colonne aus dem
Walde an. Noch eh' diese Preußen den Feind in's
Auge fassen konnten, fielen die Wipfel der Bäume, von
den Kugeln zerschmettert , auf ihre Häupter. Der
Donner der Kanonen wiederhallte gråßlich durch den
Wald. Die krachenden, alles betäubenden, Schüffe
waren gleichsam Posaunen des Todes. Und nun bey'm
Ausgang fahen die anrückenden Preußen, die sich wie
Wasserwogen durch den Pulverdampf fortschlängelten,
keine fiegversprechende Scenen, ſondern eine WahƐſtatt
voller Todten und scheußlich verstümmelter Körper,
die sich keuchend in ihrem Blute wälzten. Die preuß-
fische Artillerie versuchte ihre Kanonen vorwärtê zu
bringen ; allein dieſe, besonders das ſchwere Geſchüß,
konnten wegen des Verhacks und des ſchleunigen Mar-
fches der Infanterie nicht gleich nachfolgen ; dabey
wurden die vorgespannten Pferde von den Kugeln todt
zu Boten gestreckt, oder verstümmelt'; auch ihre Füh
rer, die nicht entflohen, wurden niedergeschoffen, und
fowol Råder als Lavetten zertrümmert. Dennoch ge-
shah ein neuer Angriff von der Jufanterie mit dem
Muth und der Ordnung, wodurch sich die Preußen im
Schlachtfelde so sehr anszeichneten. Die Öfreicher,
Durch die Niederlage der Grenadiere angetrieben, wa:
409

ren vorgedrungen ; nunmehr aber, mußten sie wie er


zurück. Die Kartåtschen wütheten schrecklich unter
den Preußen . Ganze Rotten wurden weggerafft. Man
rückte immer zusammen, um die Lücken auszufüllen.
Alte Offiziere stürzten zu Boden ; junge traten an ihre
Stelle, flößten den Veteranen durch ihr Beyspiel Muth
ein, und ſo ging es immer vorwärts , Anhöhen wur,
den erstiegen , Batterien erobert.
Bald aber veränderte sich die Scene. Fast die
ganze preußische Cavallerie war noch zurück, und konnte
daher die ſiegende Infanterie nicht unterſtüßen , fo
wenig als die Artillere, deren Kanonen entweder im
"
Walde geblieben waren, oder vor desfen Ausgang mit
zertrümmerten Jufgestellen unbrauchbar lagen. Daun
benüßte dies , und führte frische Truppen auf den
Kampiplay. Seine Curassiere hieben auf die preußi
fche Infanterie ein, richteten ein entfehliches Blutbad
an, und trieben sie in den Wald zurück. Die preußi-
ſche Cavallerie kam endlich ihrem Fußvolk zu Hilfe,
allein auch sie wurde durch die herrschende Verwir
rung, und durch einen Graben, der alles Formiren
hinderte, in Unordnung gebracht und zurückgeschlagen.
Ein neuer Angriff von der Reiterey war glücklicher,
wobey das von dem Obrißen Talnig, einem großen
Manovrisien , angeführte Cúraffer Regiment Eraen
eine bewunderungwürdige Tapfer feit bewies, sich alleis
der ganzen Cavallerie des Scindes entgegen warf, ſie
zurücktrieb , und sodann mit dem Würgerschwert auf
die öftreichische Infanterie eindrang; sie wurde aus
einander gesprengt , und man machte einige tausend
Gefangene. Unter diesen nar auch das Regiment des
Kaisers. Ihre ganze Linie war in Gefahr.. Allein
410

nun stürzte von allen Seiten die öftreichische Reiterey


herben , und die Preußen mußten weichen. Auch
Friedrich griff mit seiner Infanterie von Neuem
an, jedoch ohne Erfolg. Die Nacht brach ein ; die
Kräfte waren erschöpft , der König selbst verwundet,
und die Schlacht ſchien für ihn völlig verloren. Daun
fertigte Couriere mit dieser Nachricht nach Wien ab,
die, von vielen blasenden Poftillionen umringt, unter
dem lauten Jubel des Volks, in der Kaiserstadt ihren
Einzug hielten, und einen vollkommenen Sieg ver-
fündigten.
Im Buche des Schicksals aber war nicht There
fen's, sondern Friedrich's Triumph geschrieben.
Biethen war mit seiner Armee nicht unthätig gewesen.
Sein Schlachtplan mußte jet wegen der Unfälle bey
der königlichen Armee abgeändert werden ; zudem
hatte er das große, aus 20,000 Mann bestehende Corps
von Laſcy gegen sich. Endlich war es ihm doch gelun-
gen, alle Schwierigkeiten zu übersteigen, um dem Kö
nig zu Hilfe zu kommen. Der General Saldern sah,
Daß hier alles von dem Besitz der ſiptißer Anhöhen
abhing ; er verlor ſie daher nicht aus den Augen, und
näherte sich dem Dorfe Siptiß, das in Flammen ſtand.
Der Obristlieutenant Möllendorf von der Garde, ſpå-
ter Gouverneur der königlichen Residenz , rieth hier
zu einem Manovre, das die glücklichsten Folgen hatte.
Einige Bataillone marschirten durch das Dorf, und
bestürmten die dabey befindlichen Anhöhen, und eine
große Batterie. In kurzer Zeit waren sie davon Mei-
fer. Andere Truppen , die ihre Kanonen mit den
Händen zogen, von der Cavallerie gedeckt, folgten die
ser Siegesbahn. Nun fing auf diesen Anhöhen eine
411

ganz unerwartete heftige Kanonade an , die in der


Dunkelheit die ohnehin große Verwirrung unter den
Östreichern sehr vermehrte.
Mittlerweile näherten sich einige Truppen des
3 preußischen linken Flügels, die sich formirt hatten, fo
gut wie sie fonnten, wobey ihre Trommelschläger den
A preußischen Marsch schlugen , um in der großen Dun-
felheit ihre siegenden Kriegkameraden nicht irre zu
machen. Der General Hülsen führte diese Verstär
fung herben. Dieser Feldherr, zu dessen Charakter
zügen ein unbezwinglicher Muth und ein großer Po
triotismus gehörten, hatte durch die Kugeln alle seine
Pferde verloren ; da ihn nun sein Alter und seine Wun
den hinderten zu Fuß zu marschiren, so seste er sich auf
eine Kanone, und ließ sich so bis in's feindliche Feuer
schleppen. Lascy, im Felde der unglücklichste Krieg ·
Befehlhaber des 18ten Jahrhunderts, machte nun noch
einen großen Versuch, die Anhöhen wieder zu erobern,
wurde aber zweymal nach einem schrecklichen Blutbade
von Saldern und seinen Veteranen zurückgeschlagen.
Die Preußen behaupteten standhaft den errungenen
Posten. Dieser glückliche Erfolg entschied die Schlacht,
die bis um halb zehn in der Nacht gedauert hatte.
Die Sonne war den Preußen mit Blut untergegangen,
allein der Abendstern, so oft der Vertraute großer und
glücklicher Unternehmungen, war ihnen günstig gewe
fen. Die Öftreicher dachten jezt auf nichts, als auf
einen Rückzug , den drey auf der Elbe geschlagene
Schiffbrücken begünstigten.
Dieser Fluß war durch sein Rauschen gleichsam
der Compaß der Östreicher in der dunkelsten Nacht, wo
der Himmel dicht mit Wolken überzogen war, und man
412

keine Hand vor den Augen sehen konnte.”~Die Preußen


hatten keinen solchen Wegweiser. Sie irrten in groß
fen und kleinen Schaaren theils im Walde, theils auf
der Wahlstatt im freyen Felde umher , wo der Blig
der Kanonen zu Leichenfackeln diente, die gråßlichen
Gegenstände des Mordes auf einen Augenblick zu er
hellen. Ungewiß, wo sich der Feind befand, waren fie
bey jedem Schritt aufmerksam und voller Besorgniß.
So wie Furchtsame in der Mitternachtſtunde in ihrer
Einbildung lauter Gespenster sehen, ſo ſahen die nicht
furchtsamen Preußen jeßt lauter Feinde. Haufen, die
sich einander näherten , wurden sogleich wechselweiſe
beschoffen, und dieses währte, bis ein Theil den Jrr-
thum merkte, und sich zu erkennen gab. Auf diese
Weise fiel eine Anzahl Preußen durch die Kugeln ihrer
eigenen Landeleute. Die Öftreicher thaten ein gleiches.
Alle Augenblicke wurden durch die herumziehenden
Schaaren beyden Theilen Offiziere gefangen, die ſich
´verirrt hatten ; allein eben so geschwind kamen andere
Trupps von der Gegenpartey, und befreyeten sie wie-
der. Der kaiserliche General Migazzi glaubte seine
Brigade zu rangiren , allein es waren Preußen , die
ihn an seinem Dialect erkannten, und gleich gefangen
nahmen. Eben so ging es dem kaiserlichen Obristen
Croß, dem preußischen Obrißilieutenant Möllendorf,
und vielen andern östreichischen und preußischen Offi.
zieren. Selbst der König stieß mit seiner Bedeckung
auf eine umherziehende Schaar. Auf den gewöhn-
lichen Zuruf: Wer da ? war die Antwort : Öft-
reicher. Die Begleiter Friedrich's ftürzten nún
zu, und nahmen ein ganzes Bataillon Crcaten gefangen..
Bald darauf geschah ein gleiches mit einem großen
413

Trupp kaiserlicher Carabinier, die in der Finsterniß


herumtrabten . Einige hundert Warasdiner hielten
sich zusammen, und suchten den Weg nach Torgau, sie
verfehlten ihn aber , und geriethen unter die preußis
ſche Cavallerie, die abgeſeſſen war, und sich jezt genō-
thiget sahe, zu Fuß zu fechten, da denn die Warasdiner
bald ihre Waffen streckten.
Keine Befehle konnten in dieser Finsterniß er
theilt keine konnten befolgt werden . Die Befehlha-
ber waren todt, verwundet, oder irrten selbst umher,
ihre zerstreuten Haufen zu suchen ; sie tappten herum
wie Blinde, und stürzten baid über Leichen, bald über
Gegenstände, womit das Schlachtfeld bedeckt war.
Die vierzehn Stunden lange Winternacht war
entfeßlich kalt. Einigen Kriegschaaren glückte es, Holz
zufammen zu tragen und Feuer zu machen , andere
aber mußten dies so nöthige Bedürfniß entbehren, und
liefen wie die Unsinnigen im Finstern herum, um durch
Bewegung ihre Leiber zu erwärmen, wobey sie alle Au-
genblicke über die Leichname der Erschlagenen fielen.
Der Regen hatte den Boden ganz moraftig gemacht;
dennoch versuchten viele mitten in diesem Koth aušzų-
ruhen, bis die Feuchtigkeit durch alle Kleidungstücke
drang , und alle Glieder erſtarrten. Die Soldaten
hatten den ganzen Tag nichts gegessen, und waren durch
die Blutarbeit entkräftet. Wer seinen Brotsack noch
besaß, oder ihn nicht leer fand, wußte doch nicht, wo
er einen Trunk Wasser bekommen sollte. Vom Hun-
ger, Durst, Müdigkeit und Kälte gequält, erwartete
man sehnlich den Tag, und mit ihm neue Blutscenen.
So hart indeſſen die Lage der herumirrenden,
entfräfteten, Soldaten auch war, so gab es doch in
414

dieser Nacht noch eine weit grausamere. Die Ver.


wundeten, deren Zustand es nur einigermaßen erlaubte,
suchten die nächsten Dörfer zu erreichen ; die andern
aber wurden durch ihr trauriges Loos an den Boden
des Schlachtfeldes gefeffelt. Hier vor Kälte erstarrt,
mit zerschmetterten Gliedern , abgerissenen Knochen,
in ihrem Blute schwimmend und aller Hilfe beraubt,
wünschten sich diese Unglücklichen einen schleunigen
Tod. Vielen Hunderten aber waren noch vorher
größere Martern vorbehalten . Eine Menge verwor-
fener Menschen, Soldaten, Troßknechte, und Weiber,
schwärmten in dieser Blutnacht auf dem Wahlplag
herum, und beraubten die Lebendigen und die Todten.
Nicht das Hemd wurde den hilflosen Verwundeten
gelaffen. Vergebens ließen diese laute Klagen erschal
len ; sie verloren sich im allgemeinen schauervollen Ge-
töse, das tausendstimmig in die Wolken drang . Man-
cerVerwundete wurde von diesen Unmenschen ermor-
det, aus Furcht vor Entdeckung. Viele waren an den
Leinen verwundet , und zwar nicht gefährlich , nur
fonnten sie nicht gehen . Durch diese grausame Ent
blößung aber, in einer November-Nacht, nackend auf
der theils moraftigen, theils beeisten Erde sich früm-
mend , wurden sie Opfer des Todes.
Diese so denkwürdige Nacht zeigte auch ein viel
leicht noch nie gesehenes Schauspiel. Nach völlig ge-
-endigten Gefechten befanden sich die Truppen beyder
Heere vermischt unter einander. Man sah zahllose Feuer
im torgauer Walde, bey denen sich Preußen und Öst
reicher gemeinschaftlich wärmien, und zwar nicht Sies
ger oder Gefangene , sondern beyde Theile bes
waffnet und frey. Das große Bedürfniß der
415

Wärme Fatte sie zufällig vereinigt , und blutgierige


Krieger in gelassene Menschen verwandelt, die unter
sich einen Waffenstillstand auf einige Stunden gemacht,
um ruhig den Tag und das fernere Kriegglück zu er-
warten. Da. Niemand wußte, wie das Schlachtloos
ausgefallen, so waren beyde Theile übereingekommen,
sich nach Anbruch des Tages der Macht, die das Feld
behauptet hatte , gefangen zu geben.
Der König hatte sich in das nahe bey der Wahl-
statt liegende Dorf Elsnig begeben. Hier waren alle
Bauernhäuser, Hütten, Ställe und Scheunen voll sol,
cer Verwundeten, die so glücklich gewesen waren,
theils durch Beyhilfe anderer, theils auch durch An-
Frengung ihrer eigenen Kräfte, diesen Zufluchtort zu
erreichen. Hier jammerten sie aufihrem blutigen Lager
unter den Händen der Wundärzte, oder auch noch un-
verbunden. Friedrich wollte sie nicht stören , son-
dern ließ die Kirche des Dorfes öffnen, und hier seine
eigene schmerzhafte Wunde, einen Streifschuß an der
Brust, verbinden, da er sodann Raporte annahm , Be-
fehle ertheilte , und einen Courier abfertigte. Er
schrieb deffen Depeschen bey einem schwachscheinenden
Lichte, wobey ihm die untern Stufen des Altars zum
Sit, so wie die obern zum Tiffe dienten . Zwar be-
trachtete er sich als Herre des Wahlplages, und über.
haupt als Sieger ; da ihm aber der Rückzug des Fein-
des noch unbekannt war, so fann er auf die Erneuerung
der Schlacht. Er gab die da u erforderlichen Befehle,
noch eh' der Tag anbrach, und zwar follte die Infanterie
nicht feuern , sondern mit gefälltem Bajonet auf den
Feind losgehen. Nur die Dämmerung wurde erwartet,
um die zerfreuten Haufen zu sammeln, und in Schlacht
416

Ordnung zu stellen. Kaum aber fing die aufgehende


Sonne an, das Leichenfeld zu erleuchten, so wurde
Friedrich gewahr, daß keine Östreicher hier mehr zu
bekämpfen waren. Er sah sich im Besiz des ganzen
Schlachtfeldes ; der Sieg war völlig entschieden, und
Sachsen behauptet. DieÖstreicher gingen über dieElbe,
und zogen sich längs den Ufern dieſes Fluſſes nach Dress
den, und die Preußen gingen in die Winterquartiere.
Daun war in diefer Schlacht schwer verwundet
worden. Er hatte sich entfernt, und das Commando
dem General Buccow übergeben, und da dieſem gleich
darauf durch eine Kugel der Arm zerschmettert wurde,
fo fiel die Oberbefehlhaberschaft dem Grafen O'Donnel
zu. Dieser eilte nun, Dresden zu decken, und das feste
Lager bey Plauen zu beziehen. Ziethen und der Pring
von Württemberg verfolgten ihn auf diesem Rückzug
unablüffig, und machten noch viele hundert Gefangene.
Beyde Heere naren durch diese blutige Schlacht auf-
ferordentlich geschwächt worden. Die Östreicher zähl=
ten über 12.000 Tödte und Verwundete, und 8000
Mann waren allein auf dem Wahlplaß gefangen wor-
den ; sie verloren ferner fünfzig Kanonen, ſieben und
zwanzig Fahnen, und zwanzig Pontons. Der Verlust
der Preußen an Todten und Verwundeten war 10,000
Mann ; dabey waren 4000 Mann von ihnen als Ge-
fangene in die Hände der Feinde gerathen. *)
Der König zeigte während des Mordkampfs die
größte Ruhe. Man erzählt sich, kurz vor dieser Schlacht
fey ein gefangener französischer General vor ihn ges

*) Bis hieher Archenholt , der als Augenzeuge


spricht.
14171

bracht worden, mit dem er sich lange unterhielt. Da


Friedrich Verstand und Kenntnisse an ihm merkte,
so schlug er ihm vor, der Schlacht in seiner Nähe bey-
suwohnen. Dies durfte der General seiner Ehre wezen
nicht ausschlagen, und er folgte dem Könige. Mitten
im heftigsten Kanonenfeuer mußte er dem König nach,
eilen, der, zum Erstaunen des Generals, stets mit der
größten Kaltblütigkeit fragte : wie dies oder jenes
bey'm Militär in der französischen Armee wäre , und
noch andere unbedeutende Dinge mehr. Der König
ritt dann immer an die gefährlichsten Orte, und es
scheint, als ob er mit Versaß seinem Tod entgegen ges
gangen sey. Denn da von der Entscheidung dieser
Schlacht sein Glück oder sein gänzlicher Untergang ab
hing, und da Friedrich ſah, daß, eh' Ziethen den An-
griff machte, Alles mißlang, so wollte er wahrscheinlich
einen General von einer fremden Nation bey ſich ha-
ben, der die Gleichgültigkeit bezeugen und bekannt
machen sollte, mit der er in den Tod ging.
über die Verwundung des Monarchen gibt Ni
colai folgende Notizen : ... Der König war durch
den Schuß betäubt worden ; er sank, ohne daß er ein
Wort gesagt hatte, um, und in demselben Augenblick
eilten zwey seiner gegenwärtigen Flügeladjutanten her.
bey, ihn aufzurichten, und den Schuß zu untersuchen.
Sie risen seine Kleider schnell auf, und sahen sogleich,
daß die Kugel zwar durch alle Kleidungstücke hindurch
gegangen, aber nicht bis in den Körper gedrungen war.
In diesem Augenblick kam der König wieder zu sich,
und sagte ganz faltblutig : ,, Ce n'est rien !" (ES
iſt Nichts !)/ *)

*) Etwas abweichend lspricht hierüber die nachfol


Friedrich d. Einz, III. 11
418

Die Folgen dieses Sieges waren überaus


wichtig. Ganz Sachsen, Dresden ausgenommen, rear
nun wieder in den Hånden der Preußen , und ihre
Winterquartiere gesichert. Friedrich war im Stande,
Truppen nach Schlesien, nach der Mark, und nach
Pommern zu schicken, und die Feinde aus allen diesen
Provinzen zu vertreiben, ja ſelbſt ein Corps von 8000

gende Erzählung , die indeſſen weniger Glauben


vertient, als die obige : ,, Erst gegen Mitternacht,
nach der Schlacht bey Torgau , die Kanonade
batte bis 10 Uhr gedauert erfuhr der König
den glücklichen Erfolg, den Ziethen gehabt hatte ;
und nun war er sogleich darauf bedacht, sein Heer
wieder zu sammeln und in Schlachtordnung zu
stellen. Nicht ichnell genug konnte die Nacht ihm
verstreichen. Mit Tages Anbruch ritt er um
Dorfe hinaus. Hier beaegnete ihm Zlethen, der,
im Tone cines berichterstattenden Offiziers , ihm
fagte : " ,,Ew. Majeſtät , der Feind ist geschlagen
und zieht sich zurüc Gleichzeitig sprangen
Bezbe von den Pferden, Friedrich warf sich in
Sietsen's Arme, und dieser, von seinen Gefühlen
überwältigt, meinte laut, ohne ein Wort hervors
bringen zu rönnen. Dann sprengte er zu seinen
Kriegern zurück, und rief; ,,Bursche ! unser König
hat die Schlacht gewonnen , es lebe unser großer
König !" Die Krieger nahmen diese Aufforderung
an; doch indem sie riefen : Es lebe unſer grofs
fer König !" schien es ihnen unbillig, den verdiens
ten General auszuschließen. Sie fügten also hine
zu : aber auch unser Vater Ziethen, unser Hup
faren König !!!
„ Der König ritt vom linken Flügel gegen den
rechten hinhuf. Wis er bey'm Regiment Garde
angelangt way, stieg er vom Pferde , und stellte
419

Mann zu Herzog Ferdinand stoßen zu lassen . Meck-


lenburg wurde wieder in Besitz genommen. Laudon,
nach dem vergeblichen Versuch auf Cosel, zog sich nach
Glaß. Die Schweden wurden vom General Werner
nach Stralsund getrieben, und die bisher noch auf der
Lauer geftandenen Ruffen gingen nun in ihre alten

sich an ein noch loder des Wachtfeuer, um welches


mehre Grenadiere sich gelagert hatten. Diese
drångten sich , als er leutselig zu ihnen ſprach, -
immer nåber und näher um seine Person ; und
einer von hnen , Namens Rebiak, dem er öfters
Geld geschenkt hatte , war dreift genua , ihn zu
fragen : ,, wo er denn während der Bataille ge :
wesen wäre ; denn , ſonſt gewohnt , ihn an ibrer
Spike zu sehen, und von ihm in's Feuer geführt =-
zu werden, hätten sie ihn diesmal gar nicht wahrges
nommen.'" Mit der herablassendsten Güte sagte
hierauf der König dem Grenadier , er habe sich
auf dem linken Flügel befunden und ebin değmes
gen nicht bey seinem Regimente feyn können.
Mitten in dieser Unterhaltung Endufte er den
Uiterrock auf , als ob die Hize des Wachtfeuers
ihm låſtig würde. Jegt bemerkten die Grenadiere,
baß eine Kugel zur Erde fiel, und daß er, långs
der Brust , einen Streifschuß bekommen hatte,
dessen unverdächtiges Merkmal , die von einer
Kugel bewirkte Seffnung am Úiberrock und an
der Uniform war. Begierig raffte Rebiak die
Kugel auf. Sie ward bald der Gegenstand der
Bewunderung ; und diese löste sich schnell in Bes
geisterung auf. Bie aus einem Munde riefen die
Grenadiere : ,,Du bist doch noch der alte Frig!
Du theilst jede Gefahr mit uns ! Für Dich ster.
ben wir gern ! Es lebe der König ! Es lebe der
König !"
11 *
420°

Winterquartiere nach Polen. Im Krieg gegen die


Franzosen kam es sowol in diesem, als auch in dem fol-
genden Jahre, zu keinem entscheidenden Schlag. Mit
großer Geschicklichkeit wußte zwar der Prinz Ferdis
nand verschiedene kleine Siege zu erkämpfen, die feind
liche übermacht war indeffen zu bedeuteud, als daß es
ihm möglich gewesen wäre, sie besonders zu benüßen. *)
Alle Völker wünschten den Frieden, aber auf
fer dem preußischen kein einziges Gouvernement ;
denn noch träumten alle von Eroberungen. Nur um
zu täuschen, und sich in den Augen der Nationen schein-
bar ju rechtfertigen, geschah es daher, daß von einigen
Seiten Vorschläge zu Waffenstillstand und Frieden ge=
macht wurden. Da die Entschädigungen des so hart
mitgenommenen Churfürstenthums Sachsen den vers
bündeten Mächten immer zum Hauptwort diente , so
glaubte Friedrich, diesen Punkt durch einen sonder
baren Vorschlag zu berichtigen. Ein Låndertausch
schien ihm hiezu das beste Mittel zu seyn ; er wollte
das Königreich Preußen und seine westphälischen Pro-
vinzen für den Besiß von Sachſen hingeben, wobey der
Familie des August auch der Königtitel als erblich ver-
bleiben sollte. Friedrich wollte dagegen den Titel,
König der Wenden, annehmen . Die Einkünfte der
beyderseitigen hier vorgeschlagenen Staaten standen
im Gleichgewicht ; auch versprach die Nachbarschaft
von Polen der neuen Monarchie den wirksamsten Ein-
flußzur fortwährenden Behauptung dieser Krone. Der
Antrag wurde jedoch gleich zurückgenommen, da August

*) Die Stärke der Verbündeten wird zu 70,000,


jene der Franzosen zu 130,000 berechnet.
421

ihn als eine Beleidigung anſah, und von der Entsagung


seines geliebten Landes unter keinerley Bedingungen
etwas hören wollte. Ohne die große Revolution in
Rußland im folgenden Jahre wåre jedoch dieser Ent
wurf zur Wirklichkeit gekommen. Der Sieger hátte
Gesetze vorgeschrieben , die man gern oder ungern
hätte annehmen müssen, und Sachsen wäre das Eigen
thum des Eroberers geblieben .
Einen schweren Verlust hatte indeß Friedrich
erlitten. Georg der 11. von England war gestorben,
und der Günfiling Georg des III., Lord Bute, wollte
fast unter jeder Bedingung den Frieden erkaufen. Um
den König von Preußen seinerseits ebenfalls dazu zu
nöthigen, bewirkte er, daß demselben, wider den Wik
len der gesammten britischen Nation , die bisherigen
Subsidien nicht mehr gesendet wurden. Um so empfind
licher mußte dieser Verlust dem Könige seyn , als er
ohnehin schon bey seinen so überaus beschränkten Mit-
teln die ungeheuern Ausgaben während der vergange.
nen 5 Jahre kaum zu bestreiten vermocht hatte. Eines
feiner Hilfmittel war die Herabsehung des bisherigen
Münzfüßes. Durch die Noth gedrängt, sah man sich
gezwungen, das Geld immer in geringerem Gehalt aus-
zuprågen. Dieser, mit Schlauheit von dem König
entworfene, und mit Vortheil ausgeführte Plan, ver-
anlaßte verschiedene Regenten zur Nachahmung, und
so kam es, daß am Ende des Kriegs halb Europa mit
schlechten Münzen überschüttet war.
Der Geldmangel rerhinderte, den König in dem
Feldzug von 1761 an der Ausführung manches großen
Entwurfs. Angemerkt muß aber werden, daß dessen un
geachtet, da die Armuth in Berlin jest außerordentlich
422

zunahm, Friedrich gerade in dieser Zeit, troß seiner


großen Bedrängniß, anfing, bey der damaligen Theue
rung Brod in der Hauptstadt austheilen zu lassen. An
30 000 Menschen genossen wöchentlich diese Wohlthat.
Die russische Armee unter Butturlin, 60,000
Mann stark und die zweyte öftreichische unter Laudon,
72,000 zählend , hatten ihre Vereinigung bewirkt.
Ihnen vermochte der König blos 50 000 entgegen zu
stellen. Jezt eine Schlacht zu liefern, wåre von ihm
höchst unklug gewesen ; denn Alles konnte verloren,
nicht besonders viel gewonnen werden. Friedrich
bezog daher, in der Nähe der feindlichen Heere, bey
Lunzelwitz (in Schlesien, nicht ferne von Schweidniß)
ein Lager, zu dessen Befestigung die Kunst noch ungleich
mehr beytrug, als die Natur gethan hatte. Von den
mit Kanone numgürteten Bergen blickten furchtbar die
Preußen herab, und selbst der kühne Laudon wagte,
tros feiner großen überlegenheit an Mannschaft, keinen
Angriff. Bey den Ruffen begann endlich Mangel an
Lebensmitteln fühlbar zu werden, und Butturlin zog,
mit Zurücklaffung von 20,000 Streitern unter Czers
nitschef, nach Eilen. Der nämliche Umstand bewog
hierauf den König, fich Neiße zu nähern. Kaum war
er aber einige Tage von Schweidnig entfernt, als diese
überaus wichtige Feste von Laudon & berrumpelt wurde.
Des Ereigniß zerrüttete alle Entwürfe Friedrich's,
und nur die Unentschloffenheit des öftreichischen Feld.
herrn verhütete größeres Unglück. Die Preußen be
zogen endlich bey Strehlen Winterquartiere.
Hier war es , wo der König in großer Gefahr
schwebte, ermordet, oder lebend seinen Feinden über-
liefert zu werden ; nur ein Ungefähr reitete ihn,
423

und mit ihm den preußischen Saat. Der Baron


Warkotsch, en reisher schlesischer Edelmann, dem
der König oftmals Beweise seiner besonderen Gunst
ertheilte, war es, welcher den Plan des abscheulichen
Unternehmens entwarf, und ihn selbst auch ausführen
wollte. Diese schwarze That ſollte schon einige Mo-
nate zuvor ausgeführt werden , als Friedrich den
15ten August in Schönbrunn, einem dem Verräther ge
hörigen Dorfe, übernachtete. Er schlief hier in einem,
mit einer verborgenen Thür und Treppe versehenen,
Zimmer, aus welchem die Östreicher ihn in der Nacht
abholen sollten. Schon war sein Untergang gewiß ;
denn das Motto des Warkotsch war : Lebendig
oder todt ; allein ein Zufall rettete auch hier den
nichts arges ahnenden Helden. Das zicthen'sche Corps,
das der Bösewicht nicht erwartet hatte , veränderte
seine Stellung , traf Abends zuvor bey Schönbrunn
ein , und umgab das Dorf. Nun wollte man die
schwarze That nicht versuchen , da die Ausführung,
wenn gleich nicht in Rücksicht auf das geweihte Opfer,
Doch auf das glückliche Entkommen der Unternehmer
mißlich war. Der Plan wurde daher bis zu einer be-
quemeren Zeit verschoben.
Warkotse , der immerfort mit den Östreichern
Briefe wechselte, und beständig diese That im Sinne
führte, erneuerte jetzt in Strehlen seinen bösen An-
schlag, den die Sorglosigkeit Friedrich's in Rücksicht
auf seine persönliche Sicherheit abermals erzeugte.
Nichts war leichter, als ihn hier in der Nacht aufzuhe,
ben. Sein Quartier war in dem Dorf Woiseln iş
ganz nahe bey der Stadt Strehlen gelegen, und sein
Haut nur vierhundert Schritt von den Stadtmauern ;
424

feine ganze Bedeckung daselbst war eine Compagnie


Grenadiere, von denen nur dreißig Mann die Wache
hatten. In der Stadt ſelbſt lagen 6000 Mann seiner
besten Truppen, allein auf ihren Beystand war bey
einer raschen Ausführung , zumal in der Dunkelheit
der Nacht, gar nicht zu rechnen. Ein nahe gelegener
Wald begünstigte die Unternehmung außerordentlich .
Es war dazu nur ein Trupp wolberittener Huſaren und
ein entschlossener Anführer erforderlich. Noch ch'
man in der Stadt zu den Waffen hätte greifen können,
wäre der König gefangen und entfernt gewesen. Der
Wald, der zu Laudon's Heer führte, hätte allen Ver-
suchen der Preußen, ihren Monarchen zu befreyen, ein
Ziel gesetzt. Warkotsch sah dieses vollkommen ein ;
er schmiedete daher einen Entwurf, und theilte ihn dem
bey Münsterberg stehenden Obristen, Grafen Wallis,
mit. Dieser Offizier war Befehlhaber des laudon'schen
Regiments, und genehmigte alles. Unter andern war
der Rath des Warkotsch, zehn um Strehlen gelegene
Dörfer in Brand zu stecken, um die Aufmerksamkeit
der Preußen vom Hauptquartier abzuleiten. Man
versprach dem Verräther eine Belohnung von 100,000
Gulden, eine Summe, die bey einem so reichen Mann
nicht in Anschlag gekommen wäre, wenn er nicht den
Krieg durch seine That als geendigt, und die Kaiserin
Theresia überdem schon jest , bey . Friedrich's so
gehäuftem Unglück, so gut ate Beherrscherin von Schle-
fien betrachtet hätte. Ein Priester in Siebenhuben,
Namens Schmidt, war die Mittelperson, und auch an
ihn wurden die Briefe bestellt. Der Fanatismus
hatte jedoch keinen Antheil an diesem Verbrechen ;
denn Warkotsch war lutherischer Religion . Ein Jäger,
425

Namens Kappel, in feinem Dienst stehend, und sein


Vertrauter , war hiebey immer der Bote. Dieser
Mensch wußte um Alles ; denn er versiegelte die Briefe,
nachdem sein Herr. ihm solche zuvor, um ſein Gutach-
ten zu hören, vorgelesen hatte. Als Beiher eines Ge-
heimnisses von so großer Wichtigkeit pflegte er seinem
Herrn zu troßen, und that nicht mehr Dienste, als er
fe bst wollte. Dieser Umstand rettete die preußische
Monarchie.
Die Nacht vom 30ten November war zur Aus-
führung des Plans beſtimmt, und noch am 29ten No-
vember beritt Warkotsch die Gegend als Begleiter des
Margrafen Karl und des königlichen General- Adju,
tanten Kruſemark. Erst ſpåt kam er nach Hause. Das
Wetter war rauh. Der mit herum getrabte Kappel
war müde, und bey sehr übler Laune ; er hatte den
ganzen Tag nichts gegessen, und nun ging er murrend
zu Bette. Der dies Betragen gewöhnte Warkotsch
achtete nicht darauf, sondern schrieb noch in der Nacht
einen Brief an Wallis, weckte den Jäger auf, und be
fahl ihm, ohne auf sein Fluchen zu hören, sich sogleich
bamit auf den Weg zu machen. *) Der aufgebrachte

*) Hier diefer Brief nach einer genauen Abschrift


des Originals :
,,Den 29ten November 1761.
,,Es ist nichts veränderliches vorgefallen. Der
Wagen oder die viersihige Kutsche steht vor der
Thür und mag damals wegen dem vielen Regen
seyn weggebracht worden. Es ist nirgends ein
Piquet , auch keine Hauptwache , auch kein Mar.
quetender. Es ist das Hauptquartier nicht so
pompos wie bey ihnen ; ich heut drinnen gewes
426

Kappel schien zu gehorchen , nahm den Brief, den er


diesmal nicht gelesen hatte , und brachte ihn , nicht
nach Siebenhuben zu Schmidt, sondern zum lutheri-
schen Pfarrer des von Warkotsch bewohnten Dorfes
Schönbrunn. Dieser Mann, Namens Gerlach, hatte
durch die Vortrefflichkeit seines Charakters ſich die
Liebe und Hochachtung nicht allein seiner Gemeinde,
sondern auch der dort herum wohnenden Katholiken
erworben. Auch Kappel hatte Hochachtung für ihn,
daher er in dieser Stunde des Unwillens, und auch viel-
leicht des Nachdenkenk, zu diesem Pfarrer ging. Er

sen. Ich sah bey Tage eine Schildwacht auf der


Basse und bey der Nacht wurde ich keine gewahr,
daß also auf's höchſte 2 Schildwachten vorn rozm
Bimmer stehen , welches gar sehr klein ist , und
etwa eine bey der Thüre. Fürchten sie sich vor gar
nichts. Sie machen das größte Glück , und soll,
ten Sie wider alles Vermuthen nicht reußiren, ſo
kann ihnen nichts widerfahren, als etwa gefangen
zu werden. Soviel dient auch zur Nachricht, daß
jest zu Pagert Jåger zu Fuß etwa 20 bis 30
Mann / wegen der Lesertion ſind. Also , da sie
Wegweiser haben , so ist gar att nöthig über
Pagert zu gehen, sondern jie laffen solches linter
Hand liegen. Morgen geht die Kriegkasse weg,
und soll heute die Artillerie weggegangen seyn ;
also wår es am besten Montags in der Nacht ;
denn ich kann nicht gut dafür seyn , daß nicht
etwa der Vogel Dienſtag in der Nacht ausfliegt.
"I
" Wiieu ! v. Warkotsch
Der Monarch, nach Lesung dieses Briefs, brach
in die merkwürdigen Worte aus: ,,Warkotsch
,,ist sehr frank; man möchte ihm rathen,
auf Reisen zu gehen." .
427

weckte ihn aus dem Schlaf, sagte ihm , was er wußte,


und gab ihm den Brief, den Gerlach öffnete. Der
erschrockene Pfarrer zeigte ihm die dringende Noth
wendigkeit, sogleich in's Hauptquartier zum König zu
reiten, ließ dazu ſein bestes Pferd ſatteln, und band
ihm die schleunigste überlieferung des Briefes in
Friedrich's eizene Hånde auf seine Seele. Und so
geschah die Entdeckung.
Auf diese Weise entging der König der größten
Gefahr, die noch je über seinem Haupt geschwebt hatte.
Warkotsch fand Mittel zu entkommen , da ein abge-
schickter Offizier eben im Begriff war , ihn gefangen
megzuführen ; er rettete sich durch die verborgene
Treppe ; auch der Prieſter Schmidt, sein Spießgesell,
entkam glücklich. Die Güter des Verräthers wurden
eingezogen, und er nebst dem Priester im Bildniß ge
viertheilt. Als dem König das Urtheil zur Vollziehung
vorgelegt wurde , sazte er scherzend : „ Das mag ge.
schehen ; denn die Portraits werden vermuthlich eben
fo wenig taugen, als die Originale selbst." Der Pfar
rer Gerlach blieb unbelohnt, und starb in Armuth.
Der Jiger Kappel aber erhielt eine Forstbedienung
bey Oranienburg.
Die Ruffen, welche nach einer merkwürdigen Be-
lagerung Kolberg erobert hatten, machten nun zum
erstenmal Winterquartiere in Pommern und in der
Neumark, so wie die Östreicher in Schlesien. Der
Verlust von Kolberg und von Schweidniß in einem so
Furzen Zeitraum war daher für den König ein unab
sehbar großes Unglück. Alle Kriegbedürfnisse und Le
bensmittel für die ruſſiſchen Heere in Pommern konn-
ten jest leicht zur See herbey geführt werden , und
428

die Streicher hatten nun in Schlesien festen Fuß. Die


Feinde aus diesen Provinzen zu vertreiben, erforderte
viel Blut, viel Zeit, viel Geld, und noch mehr Glück.
Es waren hiezu mehr Kräfte als jemals vonnöthen.
Wo aber sollten diese gefunden werden ? Die erfah,
rensten Feldberren waren gefallen ; die alten Soldaten
lagen auf den Schlachtfeldern eingescharrt. Die
Einkünfte aus dem größten Theil der preußischen
Staaten blieben entweder ganz aus , oder waren doch
sehr geschwächt ; die noch übrigen sächsischen Quellen
fingen auch an zu versiegen ; die englischen Hilfgelder
wurden nicht mehr bezahlt ; Dresden und ein Theil
von Sachsen war in öftreichischen Hånden , und alle
feindlichen Heere in der besten Verfaffung, weiter um
sich zu greifen. Der König befand sich also in einer
úbleren Lage als je am Schluß eines Feldzugs, ohne ein
mal eine Schlacht verloren zu haben. Der fortdauernde
Muth seiner Truppen, der ungeschwächte Eifer, und
die raftlose Thätigkeit so mancher seiner Generale, eine
noch nicht erschöpfte Schahkammer, und ein Geiſt vol-
ler Hilfquellen, machten jedoch diese Unfälle ertråglich.
Man hatte viel gewonnen, da man die Hoffnung nob
nicht verloren hatte. War aber diese gleich bey Fried
rich nicht aufgegeben, so dachten doch seine Bundesge
nossen und seine Anhänger in und außerhalb Teutſch
land ganz anders. Man zitterte vor dem Fall des
Mächtigsten unter den teutschen proteſtantiſchen Für-
ften, des bicher so furchtbar geweſenen Rivals der öst-
reichischen Monarchie ; so entschloffen als fähig , die
Rechte minder mächtiger Reichstände gegen die unbe
fugte Ausdehnung der kaiserlichen Gewalt zu behaup-
ten, die protestantische Religion im Reiche gegen den
429

Fanatismus zu beschüßen, und die Staatsverfassung


Germaniens aufrecht zu erhalten.
In dieser verzweifelten Lage, wo fogar England
allen Klagen taub blieb, ſuchte Friedrich das osma-
nische Reich zum Kriege gegen Önreich zu bewegen.
Der französische Hof, und die Furchtsamkeit oder Ge
mächlichkeit des alten Großveziers , vereitelten indeß
hier alle Bemühungen des Königs . Der Chan der
Tartaren schien sich eher zu einem Einfall in Rußland
bewegen zu lassen ; und auf solche ungewissen Pfeiler
mußte jest Friedrich fast seine ganze Hoffnung grün-
den. -- Standhaft sah' er seinem Untergang entgegen,
der ganz gewiß schien. Schon seit dem Beginne des
Kriegs trug er Gift bey sich, um, wie Hannibal, durch
einen freywillig gewählten Tod den legten Schlägen
des Schicksals zu entgehen ; man hat dieses Gift nach
Friedrich's Tode noch ganz so eingepackt gefunden,
wie es der Held in den Zeiten der Gefahr aufbewahrt
hatte. *) Seinen Vorsag äußerte er unverholen in
verschiedenen Gedichten und Briefen , namentlich in
dem oben erwähnten ( Seite 406) an d'Argens, der
mit folgenden Worten schließt : Man endet ein un
glückliches Leben nicht aus Schwachheit , sondern aus
überdachter Klugheit, die uns überzeugt, daß der Zu-
stand, in welchem und Niemand schaden und nichts un-
sere Ruhe stören kann, der glücklichste für uns ist.
Wie viele Gründe hat man nicht in einem Alter von
fünfzig Jahren, das Leben zu verachten ! Mir bleibt
keine Aussicht übrig, als daß ich ein kraftloses, schmerz

*) Nach der Versicherung von Nicolai ; eben, fo


Funke.
Friedrich d. Einz. III. ' 12
430

baftes Alter, Kummer, Betrübniß über ehmaliges


Glück , Schande und Beschimpfungen haben werde.
In der That, wenn Sie sich in meine Lage hinein den-
ken, so werden Sie meinen Vorfaß weniger tadeln, als
jezt. ` Ich habe alle meine Freunde, meine geliebtesten
Verwandten perloren ; mich trifft jede nur mögliche
Art von Unglück; mir bleibt gar keine Hoffnung übrig ;
ich sehe mich von meinen Feinden verspottet, und ihr
Stolz trifft Anstalten , mich unter die Füße zu treten.
Ach ! Marquis,
Wenn Ulles uns verläßt , die Hoffaung selbst uns
flieht ;
Dann wird das Leben Schmach) , und eine Pflicht
der Tod."
Einige Tage nach diesem Schreiben wurde die
blutige Schlacht bey Torgau gewonnen. So wichtig
dieser Sieg auch für den König in seiner damaligen
Lage war , so wenig fand er sich dadurch gebeſſert.
„Wir haben die Öfireicher geschlagen (frieb er an
eben denselben) ; von ihnen und von uns find außer-
ordentlich viele Leute geblieben. Dieser Sieg ver
ſchafft uns vielleicht den Winter hindurch einige Ruhe ;
aber das ist auch Alles. Mit dem künftigen Jahre wird
es von Neuem angehen. - übrigens bleibt meine
Art zu denken so, wie ich sie Ihnen vor acht Tagen (in
dem eben angeführten Briefe) zu erkennen gab.
Wie ich es auch anfangen mag , ich erliege unter der
Menge meiner Feinde. Darin besteht mein Unglück,
und das ist die eigentliche Ursache von so vielen Un
glückfällen und Widerwärtigkeiten , die ich nicht habe
vermeiden können . Durch die Schlacht am sien
(November, bey Torgau) haben wir unsere Ehre ge
431

rettet ; indeß glauben Sie nicht, unsere Feinde wären


dadurch so sehr zu Boden geschlagen , daß sie Frieden
machen müßten. -- Leben Sie wohl lieber Mar.
quis ; schreiben Sie mir bisweilen , und vergeſſen Sie
einen armen Teufel nicht, der täglich zehnmal ſein un
glückliches Daseyn verflucht, und schon in den Gegen
den zu seyn wünſcht , aus denen Niemand mit Nach-
richten zurück kömmt." /*
In dieser Stimmung ging er dem folgenden Feld
zug entgegen, in welchem noch hårtere Schläge des
Schicksals seiner warteten ; aber immer hielt er sich
aufrecht, ja, ſein natürlicher Frohsinn zeigt sich in den
Gedichten und Briefen von diesem Jahre wieder hầu-
figer, als zuvor. *) Er las während dieses Feldzuges
zu seiner Erholung ein weitläufiges philofophisches
Werk **), und correspondirte mit d'Argens über fpe-
fulative Philosophie. Nach dem Verlust von Schweid
nig der alle seine Plane zerrüttete , schrieb er eine

**) Hierher gehört auch folgende Strophe aus einem


Brief an d'Argens vom 5ten Januar 1769 :
- lorsque l'orage gronde,
Le sage dans son coeur garde une paix pro-
fonde,
Et sans s'inquieter d'un funeste avenir,
Il l'attend sans le prevenir.
Il s'arme contre l'infortune ,
Quel qu'en soit le décret cruel,
Puisque sans se soustraire à cette loi com-
mune,
Mortel, il doit subir le destin d'un mortel.
**) Des Bernier abregé de la philosophie de
Gassendi , welches aus acht Bånden besteht.
12 *
432

poetische Epistel an d'Argens *), worin er die Empfin


dungen seines Herzens eben so rührend als erhaben
schildert.
,,Verloren sind so theü're Stunden oft
Mit manchem eitlen Plan. Kaum athmet noch
Mein Muth, indéß die Last mich niederbeugt.
Und ungelehrig , ftrebt mein Sinn auch jest
Rech , Hilfe zu verleih'n.
20ch ! wie so fest die stärkste Seel' auch sey -
Ein Strom von Unglück reißt zuleht sie fort.
Wenn keine Hoffnung bleibt, dann stirbt cer Muth;
Die Fesseln trägt der Geift , ob traubend auch.
Die Unglückmacht des Schicksals, das mich drückt,
Beraiftet meinen Geist mit Menschenhaß
Du kennst mein Herz ; Du weißt, daß es den Prunk
Gekrönter Despotie verschmäht ; du ſah'ſt,
Wie oftmals ich , von dieser eitlen Pracht
Umringt, weit minder Fürst , als Bürger , mar.
Doch trägt mein Gleichmuth , meine Weisheit nicht
Gewalt der fest verschwor'nen Könige,
Die, ungerecht, und nie zurückgeschreckt,
Com Thron mich ſtürzen will, der schon erbebt. ✔
Beleidigung erträgt,
Mein theurer Freund , die seige Seele nur.
Dem Falle nah , steig ich von diesem Thron,
Der Reid mir weckt , ganz ohne Schmerz hinab ;
Doch niemals stürzt von ihm mich fremde Kraft.
In den folgenden Versen wirft er die Frage auf:
was ihn noch an dies mühselige Leben kette, und na
rum er es nicht lieber jegt endige; beantwortet fie
aber sogleich selbst:
Gewissenhaft bin ich ein Sklav der Pflicht,
Die mich gefesselt hat ; ein stolzes Joch
Es lastet! - knüpft mich an mein Vaterland.

*) Den Sten November 1761.


433

Vernichtet seh' ich seinen Ruhm mit Schmerzz


Von raubbegier'gen Feinden überströmt
So manches Land ; auf's new' eröffnet ſtets
Die Quelle der Gefahr , die ewig rinnt ;
Der Feinde Sieg ; das Volk ganz rettungslos ;
Verwüstung und Verderben rings umher.
theu'rer Name : Vaterland ! Mein Herz,
Mein trau'rend Herz gelobt und opfert dir
In deiner Noth den matten Uiberrest
Von meinem unglückvollen Leben gern.
Vergeb'ne Sorge zehre mich nicht auf!
Ich breche zu dem Felde der Gefahr
Nun schnell hervor. Die Tugend gibt mir Kraft;
Mir glångt ein neues Licht ; ich gebe bald
Dem Staate Rache , Lind’rung seiner Noth.
Hinweg die Sorg ' ! ich denke nichts als ihn,
Und dieses Armes Kraft gewähr' ihm Schuß !
Ich folge , weil ich muß , dem Strome , ob er
Von Felsen stürzt : ich sterbe für mein Volk,
Vermag ich nicht , das , was es hofft , zu thun.
So hielt also der Gedanke an seine Pflicht , die
Liebe zum Vaterlande den edlen Dulder von dem füh-
nen Schrift zu den Pforten des Todes zurück. Im
mer war es nur das Äußerste, das Leßte, wozu er seine
Zuflucht nehmen wollte. Diese äußerte Gränzlinie,
über welche hinaus er die Bürde des Lebens nicht mehr
tragen zu dürfen glaubte, blieb ihm aber so unbestimmt
oder so weit entfernt, daß er sie nie berührte. Mit
einem Wort : er philosophirte blos über die Zulässig=
feit des Selbstmordes in gewissen gegebenen Fällen.
Aus diesem Gesichtpunkte muß man auch die beyden
poetischen Stücke, die er in dem trúben December
d. J. auffeßte, betrachten. Das erste ist eine Anrede
des Kaisers Otho an seine Freunde vor seinem Tod,
das Andere des zum Tode entschlossenen Cato von
434

Utica an feinen Sohn und seine Freunde. Man sieht


wol, daß seine damalige Situation ihn auf die Wahl
dieser Gegenstände geführt hat, und es find_Stellen
in diesen Auffäßen, die auf feinen Zustand vollkommen
passen. Auch brachte er den December und Januar
in Breslau traurig und einsam zu ; er ging nicht mehr,
wie gewöhnlich, auf die Parade ; die Flöte ruhete, und
alles um ihn her war in banger Erwartung . Den
noch verließen ihn im Grunde nie ſein philoſophiſcher
Geist und seine Heiterkeit. Man sieht dies äus zweg
Gedichten von ganz verschiedener Art, die Seyde vom
28ten December 1761 datirt sind ; eine ernsthafts
Epitre à M. Mitchel sur l'origine du mal, treff
lich, ob ſie freylich gleich den Stempel der beſonderen
Meinungen des Königs trägt ; und ein faunigter
Conte du Violon , von einem Violinspieler, der auf
vier Saiten vortrefflich ſpielte, dem man eine, hernach
zwey, endlich drey Saiten abspannte, und der immér
noch, obgleich etwas weniger gut, ſpielte, bis man ihm
endlich die vierte Saite abriß ; und doch wollte man,
Daß er noch spielen sollte ! Die Anwendung macht er
auf sich selbst.
Par ce conte, s'il peut vous plaire,
Apprénez, chers concitoyens,
Que malgré tout le savoir faire
L'art reste court sans les moiens .
Gewiß war der Geist heiter , der zu dieſer trus
Ben Zeit seine eigenen widrigen Umstände in eine so
drollige Allegorie einkleiden konnte ! Dies war aber
auch die äußerste Epoche seiner Widerwärtigkeiten.
Der Tod einer alten, seit Jahren frånkelnden,
Frau, sollte den preußischen Staat gewissermaßen vom
435

Untergang erretten ; die russische Kaiferin Elisabeth


starb nämlich den 25ten December 1761 , und ihr
Neffe und Thronfolger, Peter der lli. , schäßte, wis
fchon erwähnt, den preußischen König fehr. Troß
aller Einwendungen der übrigen Höfe kam in wenigen
Wochen ein förmlicher Friede zwischen beyden Mächten
zu Stande. Mit seltener Großmuth verzichtete Peter
auf alle in den preußischen Staaten gemachte Erobe
rungen ; ja, ganze Distrikte in Pommern erhielten aus
Den russischen Magazinen das benöthigte Saatkorn als
Geschenk. Nicht, wie es bey Regenten nur allzuge
wöhnlich ist, unterhandelten die beyden Monarchen,
fondern gewissermaßen als Freunde. Daher kam es,
Daß in so kurzer Zeit der Friede, und unmittelbar dar
auf ein Bündniß zu Stande kam, in Folge deffen das
noch bey den Östreichern stehende russische Armee Corps
unter Czernitschef (20,000 Mann stark) , Befehl er
hielt, sich mit den Preußen zu vereinigen, und gemein
fam mit ihnen zu operiren. *) Das wiener Cabinet,
welches zuvor ſchon, durch den glücklichen Gang des
Kriegs dazu veranlaßt, 20,000 Mann seiner eigenen
Truppen verabschiedet hatte , wollte dessen ungeachtet
nur unter ganz unannehmbaren Bedingungen den Frie
den bewilligen. Frankreich und die meisten teutschen
Staaten hegten gleiche Gesinnung ; Schweden dagegen
fah sich jest zu Endigung des Kriegs genöthigt , und
schon den 22ten May 1762 kam der Friede zu Stande,
Die Königin von Schweden , Friedrich's ſehr ges
liebte Schwester , war dabey Vermittlerin ; auch ers

*) Diese Vereinigung fand indeß erst im Monat


Juny (1762) statt.
436

klärte ihr Bruder dem Senat in Stockholm ausdrück-


lich, daß er blos um ihretwillen die Sachen auf dem
alten Fuß ließe. Er pflegte oft über dieſen Krieg zu
scherzen, und da der Friedensantrag auf's Tapet . Fam
ſagte er lächelnd : er wüßte von keinem Krieg mit
Schweden ; zwar håtte er von Håndeln gehört , die
Belling mit ihnen habe , dieser General aber würde
fich wol wieder vergleichen. “
Der Krieg bekam nun eine andere Gestalt. Alle
Staaten Friedrich'è, von Breslau bis an die äußer
ften preußischen Grünzen, waren jeht von den Feinden
befreyt, und keine verheerenden Einfälle mehr zu be
sorgen. Nun sah man wieder die Heiterkeit im Ges
ficht des Monarchen. Er scherzte wie gewöhnlich, ließ
seine französischen Köche wieder kommen, und suchte
seine Flöte wieder hervor.
Peter hatte auf sein Verlangen von Friedrich
das syburgische Infanterie- Regiment erhalten , und
ihm dafür das schuwalow'sche Dragoner Regiment ge=
geben , das sich der König dagegen ausgebeten hatte;
auch verlangte der Kaiser den schwarzen Adlerorden,
Den er fast täglich anlegte. Dieser mächtige Monarch,
der nun preußische Uniform trug, des Königs Bildniß
vor den Augen der Russen küßte, und ihn gleichsam als
feinen Oberherrn betrachtete , wollte in Person mit
einem großen Heer zu ihm stoßen , und man war bes
rechtigt, außerordentliche Dinge zu erwarten. t
Mit diesen glänzenden Hoffnungen eröffnete
Friedrich den Feldzug vom Jahr 1762, dem auch der
Kronprinz Friedrich Wilhelm beywohnte. Die preuf-
sische Armee war sehr bedeutend verstärkt worden, und
viele Östreicher und Franzosen traten jegt in die Dienste
437

des Königs über, da sie die Sache der Kaiserin für sehr
gefährdet hielten, und überdies der von den Truppen
falt angebetete Laudon das Commando des Heeres dem
Feldmarschall Daun übergeben mußte. Schweidnig
wieder zu erobern, war nun der erste Plan des Königs.
Die große östreichiſche Armee hatte sich in der Nähe
dieser Stadt verschanzt, und um die Feste mit Gewalt
zu nehmen, war es durchaus nöthig, die Feinde vorerst
von den benachbarten Bergen zu vertreiben, auf denen
ihr ganz außerordentlich befestigtes Lager sich befand.
Friedrich traf die Anordnung zur Erstürmung des
feiben, als er eine Nachricht aus Rußland erhielt, die
wirklich schrecklich war. Peter der III. hatte durch
Seine Neuerungen, vorzüglich durch einige Beschrán
Eungen des Adels und der Geistlichkeit , einen Theil
Der Nation gegen ſich aufgebracht. Zwischen ihm und
feiner Gemahlin (einer Prinzessin von Anhalt Zerbst)
herrschte Zwietracht, und die Leztere, angeblich ihrer
eigenen Sicherheit willen , leitete eine Verschwörung
gegen den Kaiser ein , deren Folge seine Entthronung
und (ohne Zweifel gewaltsamer) Tod war, worauf fie
als Kaiserin Catharina die II . den Thron der alten
Csaare bestieg ! *) Sie hielt Friedrich für ihren
persönlichen Feind, und schon wären Befehle an die
russischen Truppen ergangen , von Neuem gegen den
König zu marſchiren, als man glücklicher Weise unter

*) Die Revolution kam in der Nacht vom Sten auf


den 9ten July 1762 zum Ausbruch ; Peter der
11. entfagte ben folgenden Tag der Krone, und
starb den 14ten July ( des nåmlichen Jahrs) im
Gefängnisse. -
438

den Privatbriefen des todten Kaisers die des preußi


schen Monarchen fand, in denen er seinem Freunde fort
während Mäßigung seiner Leidenschaften anrieth,
ihm weise Rathschläge ertheilte, und ihn beschwor, feine
Gemahlin, wenigstens vor der Welt, mit Hochachtung
zu behandeln . Bis zu Thränen ward hierdurch Catha
rina gerührt; ihr Haß hörte auf, dieBefehle zum Krieg
wurden widerrufen , und der Friede beståttigt , wenn
gleich Czernitschef's Corps nach -Rußland zurückgeru-
fen wurde. *)
Dieser Rückmarsch konnte nicht augenblicklich
aufgeführt werden, indem man zur Verpflegung der
Truppen verschiedene Anstalten treffen mußte , woju
einige Tage erforderlich wurden. Friedrich , um
den Truppen der Czaarin noch einen in die Augen fal-
lenden Beweis von dem Muth und der Geschicklichkeit
der Preußen zu geben, benügte diese Zwischenzeit, den
1
Es verdient hier angemerkt zu werden, wie durch
Peter's Entthronung Dånemark von einer gross
sen Gefahr befreut ward. Seine Anherren sor
wol , als auch er persönlich , waren vielfach von
thm beleidigt worden , namentlich als Beherrscher
von Holstein. - Rache dafür an. diesem Staate
zu nehmen , war fein fester Entschluß. 60,000
Ruffen , mit denen sich 6000 Preußen vereinigen
follten , waren bestimmt , unter persönlicher Ans
führung des Raisers , Holstein und Schleswig,
wahrscheinlich auch noch andere Theile Dänemarks,
zu erobern, Eine zahlreiche Flotte würde die
Unternehmungen des Landheers unterstügt haben,
Schon hatte sich Ulles in Marsch gesett, als Pes
ters persönliches Unglück der ganzen Sache eine
andere Gestalt gab.
439

Sturm der östreichischen Verschanzungen einzuleiten.


Es war am 24ten July , als er ausgeführt ward .
Furchtbar wüthete der Kampf. Weder die faß ſenk»
rechten Höhen mit ihren aufgeworfenen Erdhaufen
und Wolfgruben, noch die Pallisaden und Feuerschlünde
der Öftreicher vermochten die Preußen aufzuhalten.
Mit den Händen schleppten sie Kanonen über steile Ab
hanze, jedem Pferde unzugänglich, und in wenigen
Stunden waren ſie Herren dieser so mühevoll von ih
ren Gegnern errichteten Verschanzungen . 1400
Feinde lagen todt auf dem Wahlpaß, 2000 wurden ge
fangen. Daun, mit dem Hauptheere, blieb in einiger
Entfernung ruhiger Zuschauer des Kampfes.
Den folgenden Tag verließen die Russen diejenis
gen, deren Verbündeten sie während wenigen Wochen
gewesen waren. Die Belagerung von Schweidniß be-
gann nunmehr. Diese Stadt zu entsehen , wagte
Daun einen Angriff auf ein abgesondertes preußisches
Corps unter dem Herzoge von Bevern. Tapfer indeß
vertheidigte sich dieser, und die Feinde sahen ſich end-
lich mit ansehnlichem Verluste zum Rückzug gezwun
gen. Schweidnih selbst ergab sich den 9ren October
nach einer merkwürdigen 631ågigen Belagerung, die
9000 Mann ftarke Besahung wurde rieggefangen.
Mittlerweile errang der Prinz Heinrich in Sache
fen ebenfalls verschiedene Vortheile. Verstärkt durch
Truppen , welche disher den Krieg gezen die Schwe
den geführt, schlug er in einigen kleinen Treffen sowol
Die Reichtruppen, als auch die Östreicher, welche an
fangs durch Serbelloni, nachher durch Haddick, befeh-
ligt wurden. Der lettere erlitt befonders den 29ren
October bey Freyberg eine Niederlage, wo er 3000
440

Todte und Verwundete, und 4400 Gefangene, nebst


28 Kanonen verlor. Der Feldzug endigte sich in Sach-
fen und Schlesien mit einem Waffenstillstand für den
künftigen Winter.
Mit ziemlichem Glück kämpfte auch in diesem
Feldzuge der Prinz Ferdinand von Braunschweig . Die
Wiedereroberung Cassels durch die Alliirten beendigte
auf diesem Punkte den Krieg ; denn zwey Tage nachs
her (3ten November 1762) wurden zwischen Frank-
reich und England die Friedenpráliminarien unters
zeichnet, worauf Ferdinand seine Truppen mit einer
rührenden Rede entließ. Das sonst so mächtige
Frankreich war durch diesen Krieg auf das Äußerste
herabgekommen. Während seine zahlreichen Heere
durch die wenigen Truppen der Verbündeten so manche
Niederlage erlitten hatten , waren nicht bloß seine
Flotten durch die Briten zerstört worden, ſondern die-
selben hatten auch fast alle auswärtigen Befihungen
Frankreichs erobert. Eine schlechte Verwaltung, eine
gránzenlose Verschwendung bey Hofe, bereiteten immer
mehr jene furchtbare Umwälzung vor, welche, untér
Blut und Ruinen, ganz Europa umgestaltete, und eine
Geistes-Revolution bewirkte , die unendlich mich,
tigere Folgen hervorbrachte, als selbst die vielfachen
Kriege, Staatveränderungen und sonstigen Ereignisse
jeder Art, deren Förtdauer endlich, so lange die Mensch.
heit exiflirt, unvertilgbar seyn wird. Frankreich war
durch seine Verbindung mit Öftreich in sechs Jahren
mehr an Geld und Menschen erschöpft worden, als durch
alle Kriege gegen dasselbe in einem Zeitraum von
zwey Jahrhunderten, " fagt sehr richtig Vol:
taire.
441

Durch ben eben geschlossenen Frieden, dessen Urs


heber der Lord Bute war, wurde der preußische König
ganz seinen Feinden überlaſſen ; und als wenn man dem
von ganz Europa bewunderten Helden geflisfentlich
Hindernisse in den Weg legen wollte, so wurde im
Kraftat ausdrücklich festgeseßt, daß Hannover, Heffen,
Braunschweig, und andere Provinzen der Aliirten,
von den Franzosen geräumt und zurück gegeben
werden sollten; in Ansehung der preußischen Provins
zen in franzöfifchen Händen aber, Eleve, Geldern, und
anderer in Westphalen gelegenen, hieß es blos daß sie
geräumt werden sollten. Der zwischen England und
Preußen geschlossene Traktat , dessen vierter Artikel
ausdrücklich besagte, daß kein Theil weder einen Sepa
rat-Frieden , noch einen Waffenſillßand ohne des an
dern Beystimmung machen solle , kam bey den neuen
britischen Ministern in gar keine Betrachtung. Das
Fönigliche und National Intereffe, die National-Ehre,
und die Gesinnungen des Volks, wurden dabey ganz
lich aus den Augen gesezt ; daher auch der Tag der
Friedens Proklamation in ganz Großbritannien ein
Trauertag war.
Der preußische Gesandte in London protestirte
förmlich gegen diesen traktakwidrigen treulofen Frie
den, in so weit er seinen Herrn betraf; allein verge.
bens. Dies Verfahren machte auf Friedrich den
tiefsten Eindruck, und erzeugte bey ihm eine Abneigung,
nicht gegen den schuldigen Hof, sondern gegen die un
fchuldige ihn anbetende englische Nation , die nie ein
stimmiger als zu seiner Rettung gewesen war, und alle
feine Siege mit ausschweifenden Freudenbezeugungen
gefevert hatte. Nie wurde ein ausländischer Fürst
Friedrich d. Eing, III. 13
442

von den Briten so vergöttert , als Friedrich. Die


größten Redner des Parlaments von allen. Faktionen
wurden nicht müde, ihn bis zum Himmel zu erheben;
die englischen Dichter besangen seine Triumphe ; und
ter Pöbel verbrannte die Bildnisse seiner gekrönten
Feinde auf den öffentlichen Pläßen. Diese National-
ftimmung eines freyen und sehr kultivirten Völkő, die
so viel auf der Waagschale des Ehrgeizes wiegen sollte,
fonnte jedoch die politischen Sünden des Cabinets zu
St. James nicht in Friedrich's Gemüthe aussöhnen.
Die ganze britische Nation , die er nie recht kannte,
mußte es entgelten. Ihr edler Enthuſiasmus für ihn,
und ihre so bereitwillig für eine fremde Sache gegebe
nen Subſidien wurden sehr geschwind vergessen. An
die Stelle der Dankbarkeit trat eine Abneigung , die
Friedrich auf mannigfaltige Art äußerte, und die
auch nicht eher, als mit seinem Leben , erlosch. *)
Der König von Preußen benüßte mittlerweile
den geschlossenen Waffenstilstand, der sich aber nur auf
Sachsen und Schlesien, und überhaupt blos auf die
preußischen und öftreichischen Provinzen erstreckte, um
ein Corps von 10,000 Mann in's Reich zu schicken.
Er wollte die feindlichen Reichſtände mit Gewalt zur
Neutralität bringen. Der Husaren General -Kleist
erhielt den Auftrag, den er auch mit so viel Geſchwin-
digkeit, alsKlugheit, ausführte. Er erschien in Fran-
Ben, das fast ganz wider Friedrich verbünder war.
Bamberg, Nürnberg, und eine Menge anderer Städte
fielen in seine Hände, und mußten mit starken Brand-
schahungen die Plünderung abkaufen. Furcht und

(*) Archenholz.
443

Schrecken verbreiteten sich in ganzen Reich. Fast bis


vor die Thore von Regensburg . streiften die preußi-
schen Husaren, und die teutschen Amphiktionen zitters
ten. Blos auf wiederholtë Bitten bey dem preußischen
Gesandten Plotho ertheilte dieser , mit großer Voll-
macht versehen, jener Stadt den erflehten Schuß.
Zu den Merkwürdigkeiten dieser Zeit gehört es, wie
Kleist's Truppen eine Menge von Reichstädten in Fran-
Een mit leichter Mühe eroberten ; es wird dadurch auch
flar , bis zu welchem Grad die teutschen Miniatur.
Republiken herabgefunken waren . Fünf und zwanzig
Husaren, welche mit einem Sturm gedroht hatten, er
hielten die Thore von Rothenburg (an der Tauber) ge,
öffnet. Die bewaffneten Bürger kamen von den Wål-
Ten herab, und bezahlten 100,000 Reichthaler Brand-
schahung; so ward auch die Reichstadt Windsheim
durch Husaren mit Sturm erobert, und faſt allgemein
sagte man sich endlich in Teutschland von dem Bunde
mit der Kaiserin los. - Kleist's Zug beendigte den
Krieg von 1762. Die Franzosen, nur verpflichtet,
die westlichen Provinzen zu räumen , nicht aber an
Preußen zurück zu geben, wollten diese den Östreichern
überliefern. Einige Truppen, die Friedrich indeß
in jene Gegenden sandte, vereistelten den Entwurf,
und schon im Monat December des nämlichen Jahrs,
das ihm bey seinem Beginnen so bestimmt den gång-
lichen Untergang zu weisagen schien, ſah er ſelbſt die
fast während des ganzen Kriegs von den Feinden er-
oberten Provinzen , Preußen und Westphalen, wieder
vellständig von allen Gegnern befreyt.
Den folgenden Feldzug von 1763 so entscheidend
als möglich zu machen, woute der König denselben mit
13 .
444

200,000 Mann gegen Östreich eröffnen , während


25,000 Andere jene Reichstände zur Neutralität zwin-
gen follten , welche ihre Contingente von der Reich-
armee noch nicht zurückberufen hatten. Schon be
fürchtete man den König wieder mitten in Böhmen
øder Mähren zu erblicken, und die Zerrüttung der öst-
reichischen Finanzen verhinderte dieſen Staat an jedem
Fräftigen Unternehmen. Doch, dessen ungeachtet
wünschte auch Friedrich sehnlich den Frieden, denn
schrecklich verwüstet und verheert lagen die preußischen
Provinzen. Fast eine Million Menschen hatten Teutſch,
land und die benachbarten Lånder verloren , und
grånzenlos war allenthalben das Elend.
Diesem fo ausgebreiteten, Jammer machte der
15te Februar 1763 ein Ende . An diesem Tage wurde
Der Friede auf dem Schlosse Hubertsburg in Sachsen-
geschlossen, nachdem einige Tage zuvor der Reichtag in
Regensburg sich förmlich neutral erklärt hatte., Nur
ein Paar Wochen waren zu diesem so wichtigen Fries
Densgeschäft erforderlich, weil man es jetzt ernstlich
meinte, und daher die zweckmäßighten Maasregein ers
griff, ef abzukürzen. Die Frieden Bråthe waren feine
Staatsminister und außerordentliche Botschafter, die,
fich gewöhnlich mehr durch Gepränge. Gaßmähler und
Ceremonien als durch Arbeit auszeichnen, sondern drey
wegen ihrer Klugheit und Thätigkeit, bekannte Mån-
ner, die mehr mit Verdiensten als mit Titeln prang-
ten. Es war der öftreichische Hofrath Kollenbach, der
preußischeLegationerath Herzberg, ſpåterer Staatsmi-
nister, und der sächsische geheime Nath Fritsch, Dieſe,
mit großer Vollmacht versehen, entwarfen die Friedens
Artikel, deren Inhalt vorzüglich die Räumung der im
445

Kriege eroberten oder befeßten Länder und Örter be


traf; wobey von jeder Seite auf Entschädigung Vers
sicht gethan wurde. Dies war die von Friedrich
vorgeschlagene Grundlage der Unterhandlung. Der
wiener Hof machte zwar Versuche, Glaß zu behalten,
und erbot ſich dafür Ländereyen und Geld zu geben ;
Friedrich aber wollte diesen wichtigen Ort für feinen
Preis verlieren. Die Östreicher bequemten sich daher
zur Zurückgabe desselben , wobey sie nichts von den
neuen Festungwerken einrissen , sondern Alles ließen,
wie es war, und dies mit der großmüthigen Erklärung,
Die Kollenbach that, daß sein Hof sich kein Verdienst
daraus zu machen gedächte. Der König befahl dage=
gen , da die Räumung des Orts wegen mangelnder
Pferde am bestimmten Tage nichtwol geschehen konnte,
die Östreicher nicht zu übereilen.
Sachsen wurde nun von den Preußen geräumt,
nachdem sie noch zuvor mehr als jemals beschäftigt ge=
wesen waren, die rückständigen Contributionen einzu-
treiben Noch nie hatte man deshalb so harte Maaß-
regeln ergriffen. Die sächsischen Einwohner, in Rücks
sicht des nahen Friedens, wollten sich mit ferneren Lie-
ferungen und Zahlungen nicht übereilen. Nun wurden
reiche Leute in Verhaft genommen , Jünglinge aus
wolhabenden Familien mit dem Soldatenstande , und
ganze Städte mit der Plünderung bedroht. Durch
Diese gewaltsamen Mittel, die selbst die gutmüthigsten
Befehlhaber, durch königliche Befehle gedrängt, befol
gen mußten, wurde der Zweck zum Theil erreicht, und
große Summen, die man nie zu zahlen gedachte, zu ,
fammen gebracht. Diese preußischen Civil Operatio=
nen in Sachsen wurden endlich noch mit einer fonder-
446

baren befchloffen . Friedrich, um in feinen Stags


ten den großen Verluß an Menschen zu ersehen , bes
fahl, die Soldaten zum Heirathen zu nöthigen. Eine
große Menge Weiber zogen nun mit den Preußen aus
dem Lande fort, und fast eben so viel Mädchen folgten
ihnen nach. Sie trugen das ihrige bey, die verheer-
ten Provinzen wieder zu bevölkern.
So endigte sich dieser siebenjährige Krieg , eine
der denkwürdigsten Weltbegebenheiten , die in den
Jahrbüchern irgend eines Reichs verewigt find ; den
erstaunenswürdigsten der Vorwelt gleich ; ein Krieg,
der, reichan außerordentlichen mannigfaltigen Scenen,
Die Erwartungen aller Menschen täuschte, und für die
Feldherren , Staatmånner , und Philoſophen , jeden
Volks und jeden Zeitalters , lehrreich seyn wird.

Anhang

sum dritten Bändchen.

a. Schlußbemerkung über den fiebenjå h


rigen Krieg.
(Nach Friedrich's Geschichte desselben. )
Wirir können nicht umhin , einigeerzählten
Betrachtungen
benheiten
aber die so hinzuzufügen
große der von uns Bege.
Scheint es nicht erstaunens-
würdig, daß so oft die verschlagenſte menschliche Kluge
heit, selbst wenn sie mit Macht vereinigt ist, das Spiel
unerwarteter Ereignisse oder ungefährer Zufälle wird ?
Ist es nicht offenbar , daß bey'm Unfange dieser uns
ruben jeder vernünftige Mensch sich in dem Urtheil
Erren mußte , welches er von der Entwickelung dieses
447.

Krieges fallen konnte ? Wer vermochte vorherzusehen,


oder auch nur sich einzubilden , daß Preußen, von den
Macht Oestreichs, Rußlands, Frankreichs, Schwedens,
und des ganzen heil . römischen Reichs angegriffen, dies
sem furchtbaren Bünde widerstehen, und einen Krieg,
wo Alles sein Verderben ankündigte, beendigen würde,
ohne eine feiner Besigungen zu verlieren ? Wer konnte
vermuthen, daß Frankreich mit seiner innern Stärke,
mit seinen großen Bündnissen, mit so vielen Hilfquete
len, seine ansehnlichsten Besigungen in Westindien ve
lieren , und das Schlachtopfer dieses Kriegs perden
würde ? Alle diese Thatsachen mußten im Jahre 1757
unglaublich scheinen. Wenn wir aber, nach geschehener
Sache, die Ursachen prüfen , welche die Begebenheiten
auf so unerwartete Weise umwandelten , so werden
wir finden , daß folgende Umstände das Verderben
Preußens hinderten. Nämlich) 1 ) der Fehler der Ei,
nigkeit, der Manget der Uibereinstimmung zwischen den
Mächten des großen Bundes. 2) Die überfeine und
fublimirte Staatskunst des wiener Hofes, deren Grunds
Tåge ihn veranlaßten , seinen Bundyenossen die schwers
ften und gefahrvollsten Unternehmungen aufzubůrden,
um bey'm Ende des Krieges seine Armee in besseres
Verfassung und vollzähliger zu haben , als es die Ar
meen der andern Mächte waren. Hieraus erfolgte vers
schiedene Male , daß die dßtreichischen Generale durch
eine übertriebene Vorsicht versäumten , den Preußen
den Gnadenstoß zu geben, wenn deren Lage sich in vols
lig hoffnunglosem Zustande befand, 3) Der Tod der
russischen Kaiferin , mit welcher das mit Oestreich ge
schlossene Bündniß zugleich begraben ward ; der Abgang
der Russen, das Bündniß Peter des Ill. mit dem Kö
nige von Preußen, und endlich die Hilfe, welche' dieser
Kaiser nach Schlesien schickte,
Ats die kriegführenden Mächte von dem Kampf.
plas, worauf fie mit so vielem Haß und so vieler Er-
bitterung gekämpft hatten, abtraten, fingen sie an, ihre
448

Wunden zu fühlen , so wie das Bedürfniß , diefelben


zu heilen alle litten , allein an verschiedenen Uibeln,
Wir wollen sie hier gleichsam in einer Musterung vor,
beyführen, um ein richtiges Gemålde von ihrem Vers
luft und ihrer damaligen Lage zu entwerfen.
Preußens Heere hatten in 16 Hauptſchlachten ges
fochten, außerdem waren ihm 3 Corps von den Feins
den fast gånglich zu Grunde gerichtet worden , und 5
Befaßungen waren verloren gegangen ; Gesammt:Vers
luft (mit Inbegriff aller Gefechte 20.) 180,000
Ferner waren darch die Verheerungen der
Russen umgekommen :
im Königreiche Preußen 20,000
in Pommern 6,000
in der Neumark 4.000
im Churfürstenthum Brandenburg 3,000
Zusammen 213,000
Der Verlust der Alliirten ( Briten 2c. ) 160,000
Der ganze Verluſt der Preußen und ihrer
Berbündeten war also 373,000
Ihre Gegner hatten verloren :
a. Die Oestreicher , welche in 10 Schlachten
gekämpft und 3 Befagungen verloren hatten 140,000
b. Die Ruffen , welche sich in 4 grof-
fen Schlochten befanden *) 120,000
c. Die Franzosen 200,000
d. ". Schweden 25,000
e. " Reichtruppen 28,000
Busammen 513,000
Dazu die Verluste der Preußen zc. 373,000
Total 886,000

*) Die Verluste an Rekruten mitgerechnet , welche


auf dem Marsche (zum Theil aus den entlegenſten
Provinzen des Reichs) umkamen.
449

Ohne Zweifel wird die Nachwelt zu wissen wüns


fchen , wie ein Fürst von so geringer Macht , als der
König von Preußen, einen so verderblichen Krieg, sie
ben Feldzüge hindurch , wider die größten Monarchen
Europa's, hat aushalten können ? Benn der Verlust
so vieler Provinzen ihn in Berlegenheit fehte , weng
er beständig übermäßige Ausgaben zu bestreiten hatte,
so bleiben dennoch einige . Quellen , welche die Sache
möglich machten. Aus den Provinzen, die dem Könige
verblieben, zog er 4 Millionen. Die Kriegsteuern von
Sachsen betrugen zwischen 6 und 7 Millionen ; die
Hilfgelder von England, weiche 4 Millionen ausmach
ten, wurden in 8 verwandelt; die Münze , die man
verpachtet hatte, brachte 7 Mill. ein, indem man den
Berth des Geldes um die Hälfte verringerce ; རྞ་ überdies
hatte man die Bezahlung der Civilgehalte aufgeschoben,
um alle Gelder auf die Kriegausgaben wenden zu können .

2. Cato's von Utica legten Worte.


(Aus dem Französischen ; zu Seite 433.)
Tag des Fluch's , o Tag des graufen Weh!
Dich, o mein stolzes Rom , fel ich verhöhnen ,
Es fant zu Staub von seiner freyen Höh
Der Bau von deinen Göttergleichen Söhnenz
Den Sieg erkauftest Du mit Heldenblut,
Und Memphe musten Könige fröhnen,
Gin
Welt geirann Dein kühner Muth,
Um einen frechen Räuber nun zu Eronen.
Treulos , entartet ist Dein eig’ner Sohn,
Das Schwert, das Du ihm gabst zum Truß der Feinde,
Schwingt Cafar mit Gelüst zum Kaiferthron
Und ratermörderisch trifft er die Freunde.
In Rom Tyrann , der held in Gallien war,
Empört er sich , die Freiheit zu verderben,
Der Staat, wo jeder Bürger König war,
Muß unter seinen Streichen stürzen , sterben.
450

Wir leben noch wir schau'n mit trübem Blick


Die Schmach, die wir vergebens nur beſchworen ;
Für Gåsar focht der Götter blindes Glück,
Für uns das heil'ge Recht , und wir verloren.
Mit Knechten schmück er seinen Siegeszuz,
und schlage das entehrte Volk in Ketten,
Wer aber nie gemeine Fessel trug,
Ein edles Månnerherz , weiß sich zu retten.
Ihr Helden vom pharſaliſchen Gefild,
Der legten Römer ruhmbekränzte Manen,
Aus Eu'rem Giabe hör ich , Zorneswild,
Die Geister mich mit diesen Worten mahnen :
,,Auf Cato ! fliehe von dem wilden Ort,
Die Schandthat tödtet hier der Freyheit Schimmer,
und suchst Du Ruhe vor dem Bürgermord ,
Dann such' uns auf und unſ're ſtillen Trümmer.““
Ja edlen Råcher unsers freyen Rechte,
Nicht weigert Cato sich der treuen Stimme,
Er theilt die Schande nicht entarieten Geschlechts,
Und rettet, fern von des Tyrannen Grimme,
Fern von dem Ufer , wo Carthago stand,
Fern von den Ketten , die die Feinde schmieden,
Sich fren hinab zu Eu'rem stillen Land ;
Dort darf ich über mein Geschick gebieten.
Dann schwing ich mich mit heit'rer Stirn empor
Und lasse hinter mir der Erde Mühen,
Ich trete zu der Götter hohem Chor,
Dahin darf Ruhm und Recht und Freyheit fliehen.
Bu Euch , die Rom als seine Retter prieß,
Zu Euch will ich mich heut , ihr Helden , wenden,
Du , Cafar, neidest meinen Tod gewiß,
Eich'st Du mich so als freyen Römer enden.
Genug davon , Ihr Freunde , mir das Schwert!
Ich führt? es nie , die Bürger zu verderben,
Ich trug es für des Vaterlandes Herd,
Nun will ich's mit dem eig'nen Blute fårben.
Was zaudert Ihx, und haltet noch zurück ?
451

Meint Ihr, ich follte nicht die That vollführen ?!


In meinem Willen ruht nur mein Geſchick ;
Es führen zu dem Tode tauſend Thüren .
Der Euch ein treuer Freund , ein Vater war,
Den wollt Ihr lebend zu dem Feinde fickenz
Ein freper Bürger unter feiger Schoar,
Soll Cato , wie ein Sklav , Triumphe ſchmücken ?
Besinnung Freunde ! daß wir uns verfteh'n !
Ein Beiser nimmt den Tod aus freyen Hånden ;
Seh'n wir das Vaterland in Schmach verget’u,
Der Feige lebt , es weiß ein Held zn enden.

Beytrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts.


Wir theilen hier , so weit es der Raum erlaubt,
einige Stellen aus dem Ernennungs- Patent dre Gras
fen von Stein zum Bicepräsidenten der berliner Ac
cademie mit (vom 19. Jan. 1732) , woraus zu ersehen ist,
welche außerordentlicher. Fortschritte die Civiliſation und
die Wissenschaften in Preußen zu machen hatten, um zu
dem Prunkte zu gelangen , auf welchem sie bey dem
Lode Friedrichs sich befanden.
Zuerst wird von der ,,Gelehrsamkeit und den .Mes
riten des Hrn . v. Stein gesprochen , namentlich ,,in
der Caballa, und Prüfung und Erkenntniß der guten
und bösen Geister, deren Nugen, Gebrauch und Miß.
brauch 2c." ; dann von seinem ,, an Fertilität und Frucht,
barkeit dem besten Klee., oder Waizenacker gleichkoms
menden Ingenium." Hierauf folgen einige Unweisungen
wegen des Kalenderweſens ; u. a.:,,Dafern auch der
Vicepräsident befondre Veränderungen anmerken sollte,
e. g. daß der Mars einen feindlichen Blick auf die Sonne
geworfen habe, oder, daß er mit dem Saturno, Venere
und Merkurio im Qudrat ftünde , oder auch, daß der
Zodiakus, wie bereits zu des Campanellä Zeiten anges
merkt worden, sich noch weiter aus dem Geleise geben
und rorrücken, oder auch, daß ein Wirbel des Himmels
den andern , nach des Cartesii Principiis , abſchleifen
452

und verſchlingen ſollte, und daher eine unmåßige Un.


zahl von Cometen oder Schwanzfternen zu vermuthen
wäre, so hat der Vicepråſident ohne den geringsten Zelt:
verlust mit den übrigen Sociis daraus zu konf.cieren,
auch nicht allein auf die Ergründung ſolcher Unordnuns
gen, sondern auch auf die Mittel und Wege, wie den,
selben auch am besten abzuhelfen , bedacht zu seyn.
,,Und ob es zwar durch den Unglauben der Mens
fchen dabin gedichen , daß die Kobolte und Gespenstér
und Nächtgeiſter dergestalt aus der Mode gekommen,
daß sie sich kaum mehr sehen laſſen dürfen , ſo iſt dem
Vicepråficenten doch aus dem Praetorio bekannt, wie
es an Nachtmehren , Bergmännlein , Drachenkindern,
Jerwi chen, Nixen , Währwölfen, verwünschten Leuten
und anderer dergleichen Satansgesellschaft nicht ermans
gele , fondern deren Dinge eine große Anzahl in den
Seen, Pfüten, Moräften, Haiden, Gruben und Hdh-
len , auch beilicen Bäumen verborgen liegen , welche
nichts als Schaden und Unheil anrichten, und wird er
also nicht ermangeln , sein Aeußerstes zu thun , um
diefelben, so gut er kann , ausjurotten, und soll ihm
ein jedes von dieſen Unthieren, welches er lebendig oder
todt liefern wird , mit 6 Thalern bezah:t werden.
„ Aldieweil auch eine beständige Tradition iſt, daß
allhier in der Churmak, fonderlich in der Gegend von
Lennin, Wilsnek und Lebus konsiderable Schåhe vergra
ben sind, zu deren Besichtigung, und um zu wiſſen, ob ſie
noch vorhanden, gewisse Ordensleute, Jesuiten und and
der dergleichen Geschmeiße und Ungeziefer von Rom tome
men, so muß der Vicepräsident diesem Pfaffenpack fleißig
auf den Dienst paſſen u. s. w., auch keinen Fleiß sparen,
daß er vermittelst der Wünschelruthe, durch Segenſpres
den, Alrunken, oder auf andre Art, wo folche Schize
vergraben, ausfindig machen möge, und sollen tým zu jois
chem Ente auf sein Verlangen die Zauberbücher, so in
unſërm geheimën Aichiv vorhanden, nebst dem Speculo
Salomonis verabfolgt werden u. ſ. w.“
Das Leben

Friedrich des Einzigen.

Von

Georg Friedrich Kolb.

Viertes Bändchen.

Blicket hin auf die Chruſe , die Alexander , Cons


stantine, Peter und Ludwige ! Alle waren groß, jeder
nach seiner Art. Welcher von dieſen Herrſchern aber
glänzte, im Frieden wie im Krieg, in jeder Beziehung,
wie Er , der Einzige - Friedrich; ― hier als
Feldherr , dort als Philosoph , als Gesetzgeber und
Dichter , vor Allem indeß als Vater des Volks ?
- Wer von jenen, welche sämmtlich die (mit Lon oft
nur allzu frengebige) Geschichte preist, hat, vor Ihm,
so kräftig von den Rechten der Völker und den
Pflichten der Könige gesprochen ?

Speyer und Leipzig.


Bey Jakob Christ. Kolb und Friedrich Fleischer.
18 28.
Last Pius selig sprechen , wen er will ;
( Mein Heiliger ist Er ! Warum er's ist ?!
Fremdling in Europa , der du fragst,
und Friedrich, Ihn , den Einzigen , nicht kennst !
Weil er Gedanken dacht' in seinem Geist,
So viel und groß , als noch von Unbeginn
Bis diesen Tag in keines Königs Geist
Zusammen kamen : weil sein füblend Herz
Sein Glück in seines Volkes Freude fand,
Und einen duldete , der zwischen ihm
Und seinen Kindern eine Scheidewand,
Vom Landesvater sie zu trennen , zogi
Beil im Gefühl der angebornen Kraft,
und ohne vor dem Lichte bang zu seyn,
Er Licht , und Recht , und freye Thätigkeit
Mit starkem Urm beschüßte ; weil sein . Reich
Die Zuflucht des verfolgten Denkers wars
Weil er, gleich groß im Frieden und im Krieg,
Wohin der Bit ihm folgt , im ersten Rang
Der Helden und der Friedenfürsten glänzt, 2c. 20. -
G. N. Fischer.
Sechster Abschnitt.

(Von Februar 1763 bis zum Auguſt 1786,)


Des Königs unausgefeßte Bemühungen zum Wohle
seiner Staaten werden mit dem besten Erfolge
gekrönt. Erfte Theilung von Polen.- Des
bayerische Erbfolgekrieg und teschener Frieden..
Der Fürstenbund. Friedrich's legte
Krankheit und Tod. -

Aus den Briefen von d'Argens hatte Friedrich


ersehen, daß die Berliner ſeinen Wiedereinzug in die
Hauptstadt wie ein Nationalfest zu feyern gedachten.
Er verbat sich dieses auf das Bestimmteste , und als
er am Abend des 30ten März ( 1763 ) , nachdem er
nochmals das kunersdorfer Schlachtfeld betrachtet und
lange darauf verweilt hatte, in seine Residenz zurück.
kehrte, eilte er auf Nebenwegen zum Schloffe , wo er
seine Freunde, aber nur wenige von jenen alten Lieb.
lingen wieder fand , die einst die Bedürfniſſe ſeines
Geistes und Herzens ſo glücklich befriedigt hatten.
Da haben es mir meine guten Berliner übel ge
nommen," ſagte er einſt in ſpåtern Jahren, als von dem
Ende des siebenjährigen Krieges die Rede war,,, daß
ich bey meiner Wiederkunft ihren Ehrenbogen, Illu
minationen und Einholen auswich, und dachten, daßi
1.
456

ich ungehalten darüber geworden sey ; allein ich weiß


es besser, warum es geschah ; sie sollten meine Thränen
nicht sehen, die ich diesen Abend weinte , weil ich
fie so lange, wiewol ohne mein Verschulden , dem
Ungemach und dem Schrecken des Krieges hatte aus
sehen müssen."
- Ein Krieg, sieben Jahre lang unausgefeßt
mit Erbitterung und Wuth, ja nicht selten auf die
barbarischste Art geführt , hatte Leutschlands Gefilde
mit Blut und Verwüftung erfüllt, und ſeine gesegneten
Fluren in Einöden verwandelt. Eine Reihe von Dör-
fern fonnte oft der Reisende durchziehen , bis er nur
einen Bewohner zu finden vermochte. *) überall
fehlte es an Menschen, besonders an jungen Männern.
Weiber mußten die Felder besorgen , und in vielen
Provinzen mangelten auch fie.
Unter allen Staaten hatte Preußen unstreitig am
Meisten gelitten. Dennoch hatte es am Ende des
Kriegs nicht blos keine Staatſchulden , ſondern die
Kassen und Magazinen waren gefüllt , ohne daß die
Steuern auch nur einmal während aller dieser Felds
züge erhöht worden wåren. England , trop seiner vies
len wichtigen Eroberungen, schien durch die Schuldens
last niedergedrückt zu werden . Frankreich und Schwe
den sahen einem Staat : Bankerot entgegen , und das
reiche Ößtreich hatte jeßt 100 Mill . Thaler Schulden.
Laffen wir nunmehr über das, was Friedrich-

* ,,Ein Officier schrieb , daß er ſieben Dörfer in


Hessen durchritten , und darin nur einen einzigen
Menschen gefunden habe. Dies war ein Prediger,
der: ſich Bohnen kochte.''´* (Archenhol§.)
457

während des Friedens zum Wohle Preußend that, ihn


selbst reden. Die Fürsten müſſen dem Speere des
Achilles gleichen ," ſagt er ,,,welcher die Wunden
selbst wieder heilte, die er verursachte; wenn sie den
Völkern Unheil bereiten , so ist es auch ihre Pflicht,
es wieder gut zu machen. Ein fiebenjähriger Krieg
beinah' gegen alle Mächte Europa's hatte die Finanzen
des Staats fast gänzlich erschöpft ; Preußen, die Pro
vinzen am Rhein, und Westphalen sowol als Offries=
land , die man nicht vertheidigen konnte , waren den
Feinden in die Hånde gefallen. - JIhr Verlust
machte einen Ausfall von 3,400,000 Thaler in den
königlichen Kaffen ; während Pommern , das Chur-
fürstenthum und die Gränzen von Schlesien einen
Theil des Feldzuges hindurch von den Russen , den
Östreichern und den Schweden beseßt waren, wodurch
fie außer Stand kamen , ihre Abgaben zu entrichten.
Diese fümmerliche Lage nöthigte den König , während
dieses Krieges seine Zuflucht zu der allergenauesten
Haushaltung und zu dem zu nehmen , was der ents
schiedendste Much eingiebt, um einen glücklichen Aus-
gang zu erringen. Die dringendsten Bedürfnisse wurden
von den Contributionen der Sachsen, von den Hilf-
geldern der Engländer , und dem veränderten Münz-
fuß bestritten , dies leßtere war ein gewaltsames und
vielen Schaden verursachendes Mittel , aber es war
unter dieſen Umſtänden das einzige zur Erhaltung des
Staates. Diese Hilfquellen lieferten, bey einer ge
hörigen Sparsamkeit, alle Jahre im voraus die Kosten
des Feldzugs und den Sold: der Armee in die könig-
lichen Kaffen. Dies war der Zustand der Finanzen, als
im Jahr 1763 der hubertêburger Friede geſchloffen
458

ward. Die Kaſſen waren mit baarem Geldé versehen,


die zum Feldzuge angelegten Magazine waren voll, und
die Pferde für die Armee , die Artillerie, und das
Proviantfuhrwesen, alles war vollständig und in guter
Verfassung. Diese Hilfquellen , die zur Fortsehung.
des Kriegs bestimmt waren , wurden noch nüßlicher
angemandt den Provinzen wieder aufzuhelfen.
Um sich eineVorstellung von der allgemeinen Zer-
rúttung des Landes , und von dem Kommer und der
Muthlosigkeit der Unterthanen zu machen, deufe man
sich ganze durchaus verheerte Landstriche, wo man kaum
noch die Spuren ehmaliger Wohnungen entdeckte, von
Grund aus zerstörte, oder zur Hälfte in Aſche gelegte:
Städte, dreyzehntausend Häuser , von denen keine
Trümmer mehr zu sehen waren , unbestellte Äcker,
Einwohner , denen es an Brotkorn mangelte, Ackers-
leute, denen es an ſechzigtauſend Pferden zum Landbau
fehlte, und in den Provinzen eine Verminderung ven
500 000 Seelen , gegen das Jahr 1756 gerechnet,
welches bey einer Bevölkerung von 4,500,000 Men
fchen sehr beträchtlich ist. Der Adel und der Bauer
waren von so vielen verschiedenen Armeen ausgeplün-
dert, und durch Contributionen und Fütterlieferungen
ausgefogen worden ; der Feind hatte ihnen nichts als
Das Leben und elende Lumpen zur Bedeckung ihrer
Blöße gelaffen; da war kein Credit, um nur die tågs
lichen Bedürfnisse der Natur zu befriedigen ; keine
Polizey in den Städten ; an die Stelle der Billigkeit:
and Ordnung war niedriger Eigennuh und anarchiſche
Regellosigkeit getreten ; die Gerichthöfe und die Fis
nanzbedienten waren durch so viele feindliche Über-
- fälle in Unthätigkeit gefeßt worden ; das Schweigen:
459

der Gefeße hatte bey dem Volke den Geschmack an


Liederlichkeiten hervorgebracht, und daraus entstand.
eine ungezähmte Begierde nach Gewinn ; der Edels
mann , der Kaufmann , der Pächter , der Landmann,
der Handwerker, alle erhöhten nach Belieben den Preis
ihrer Lebensmittel und ihrer Waaren, und ſchienen an
nichts als ihrem gegenseitigen Untergange zu arbeiten.
Dies war das traurige Schauspiel, welches so viele vor
Kurzem noch blühenden, Provinzen, nach dem Kriege
darboten. So rührend man auch die Schilderung
davon entwerfen möchte, sie würde nie den erschüttern-
den und jammervollen Eindruck erreichen, den der An-
blick selbst machte. *)

* ,, .... Preußen hatte am meisten gelitten. Defte


reicher, Franzosen, Russen, Schweden, Kreistrups
pen , sogar der Herzog von Württemberg , alle
hatten Verbeerungen im Lande angerichtet; auch
hatte der Staat einen Aufwand von 125 Millionen
Thaler zur Unterhaltung der Armee, und zu am
dern Kriegausgaben gemacht. Pommern, Schle.
fien und die Neumark , waren großer Summen
benöthiget , um wieder in Stand gesezt zu wer
den. Andere Provinzen , als das Herzogthum
Krossen, das Fürstenthum Halberfladt , das Für.
ftenthum Hohenstein , erforderten gleichfalls eine
8. beträchtliche Unterstützung ; und es bedurfte gross
fer Anstrengung , und der Hilfe ungemeiner Bes
triebsamkeit , um diese tånder wieder in den Zus
stand zu bringen, in welchem sie sich vor den Uns
ruhen befanden. Denn der größte Theil der Fels
der lag unbebauet, weil es an Saatkorn und Bieh
mangelte ; eben so fehlte es an Ullem , was zum.
Unterhalt eines Volkes dient.
Um so vielen Bedürfniſſen zu Hilfe zu kommen,
460

In einer fo fläglichen Lage war es nöthig, dem


Unglück Muth entgegen zu ſeßen, den Staat nicht für
verloren zu halten, ſondern den Vorsatz zu faſſen, ihn
mehr zu verbessern , als nur wieder herzustel
ten ; es war dies eine neue Schöpfung, die man unter-
nehmen mußte. Man fand in den Kassen die Summen
zum Wiederaufbau der Städte und Dörfer ; man zog
aus den überflüssigen Magazinen das Korn, deſſen man
zum Unterhalt des Volks und zur Beſäung des Ackers
benöthigt war; die für die Artillerie, den Troß und
das Proviantwesen bestimmten Pferde wurden zum
Ackerbau angewandt. In Schlesien ward die Contri-
bution auf sechs Monate, in Pommern und der Neu- ·
mark auf zwey Jahr erlassen. Eine Summe von

ward, nach einer richtigen Eintheilung , in dieſem


Provinzen vertheilt: 25,000 Maas Korn und
Mehl, 17,000 Maas Haber , 35,000 Pferde fos
wol von den Regimentern als von der Artillerie ;
und den Edelleuten und Bauern gab man Le
bensmittel. Außer diesen Unterstüßungen gab
ber König drey Millionen an Schlesien, zur Wie,
beraufhelfung dieser Provinz ; 1,400,000 Thale
an Pommern und die Neumark, 700,000 Thaler
an die Churmark, und 100,000 dem Herzogthum
Cleve ; außer 800.000 , welche das Königreich
Preußen erhielt. Die Steuern des Herzogthums
Kroffen, des hohenſtein'ſchen und des balberstådts
fchen, wurden auf die Hälfte herabgefeßt. Kurz,
das Volk gewann wieder hinlänglichen Muth, um
nicht über seine Lage zu verzweifeln , um zu ars
beiten , und um durch Thätigkeit und Fleiß die
Unglückfälle, welche der Staat erlitten hatte, mies
der gut zu machen. " (Geschichte des siebenjährigem
Kriegs von Friedrich II,)
461

2,339,000 Thaler half den Provinzen auf, und tilgte


die Schulden , die sie hatten machen müssen , um die
von den Feinden eingetriebenen Contributionen zu ber
zahlen. So groß diese Ausgabe war, so war sie doch
nöthig, oder vielmehr unvermeidlich. Die Lage die
fer Provinzen nach dem hubertsburger Frieden erins
nerte an diejenige, worin sich Brandenburg nach dem
berühmten dreißigjährigen Kriege befand. Der Staat
fonnte damals feine Unterstüßung erhalten, weil der
große Churfürst nicht vermögend war ,, seinem Volfe
beyzustehen ; und was war die Folge davon ? Daß ein
ganzes Jahrhundert verſtrich, eh' es ſeinen Nachfolgern
gelang, die verheerten Städte und Feider wieder here`
zustellen. Ein fo in die Augen springendes Beyspiel
bestimmte den König, bey so widrigen Umständen auch
nicht einen Augenblick zu verlieren, und durch schleuni
gen und hinlänglichen Berstand dem allgemeinen Elende
abzuhelfen. Die vielfältigen Schenkungen flößten den
armen Einwohnern, die über ihr Schicksal zu verzwei.
feln anfingen, wieder Muth ein ; mit den Hilfquellen,
womit man sie verſah, ermachte die Hoffnung wieder ;
die Bürgerfühlten ein neues Leben ; die Ermunterung
zur Arbeit erzeugte Thätigkeit ; die Liebe zum Vater,
lande fing wieder an zu glühen, und bald waren alle
Ländereyen wieder auf'e Neue angebaut, die Gewerbe
wurden wieder lebhaft, und die Wiederherstellung der
Polizey steuerte allmählig der Regellosigkeit , die sich
während der Anarchie eingewurzelt hatte.
„ Während dieſes Kriegs waren die ältesten Räthe
und alle Miniſter vom General- Direktorium nach und
nach gestorben, und während den Unruhen war es un-
möglich gewesen, ihre Stellen zu ersehen. Die große
462

Verlegenheit war › ‹Männer wieder zu finden , die im


Stande waren, jene mannigfachen Geschäfte zu füh
ren; man ſuchte in den Provinzen nach.no aber die
tüchtigen Leute eben so selten waren, als in der Haupt
ftadt; endlich wurden Herr von Blumenthal , Herr
von Massow , Herr von Hagen und der General von
Wedel ausgewählt, diese wichtigen Posten zu bekleiden,
und einige Zeit nachher bekam Herr von Horft das
fünfte Departement.
In der ersten Zeit war die Staatverwaltung
hart und unangenehm ; alle Einkünfte hatten Ausfälle,
und doch mußten die Staatausgaben pünktlich bestrit
ten werden. Ungeachter die Armee durch die Neduktion,
während des Friedens, auf 150,000 Mann herabgeſeht
worden war, so sah man sich doch in Verlegenheit, den
Sold derselben aufzubringen. Den Krieg hindurch
hatte man alle, die nicht zum Kriegstande gehörten, mit
Papier bezahlt; dies war noch eine Schuld, die getilgt
nerden mußte, und die außer den übrigen nöthigen
Zahlungen sehr beschwerlich wärd. Dennoch brachte
der König es gleich im ersten Jahre nach dem Frieden
dahin , alle Gläubiger des Staats zu bezahlen , und
keinen Pfennig von dem ſchuldig zu seyn, was ihn der
Krieg gekostet hatte. Man hätte ſagen ſollen, die durch
den Krieg verursachten Verheerungen wåren noch nicht
binlänglich gewesen, den Staat zu Grunde zu richten ;
denn kaum war de selbe geendigt, als häufige Feuer
brünste beynah' eben so viel Schaden anrichteten, als
es vorher der Feind gethan hatte. Die Stadt Königss
berg ward (von 1765 bis 1769 zweymal in Asche ge-
legt , in Schlesien zerstörte dasselbe Schicksal die
Städte Freistädtel, Öberglogau, Parchwig, Hainau,
463

Naumburg am Queis und Goldberg, in der Churmart


Nauen , in der Neumark Calies und einen Theil von
Landsberg, in Pommern Belgard und Tempelburg .
Diese Unglückfalle erforderten unaufhörlich neue Aus
gaben, sie wieder gut zu machen . Unt so vielen
außerordentlichen Bedürfnissen Genüge zu leisten,
mußte man auf neue Hilfquellen denken ; denn außer
dem, was die Herstellung des Flors der Provinzen ters
forderte, verzehrten die neuen Festungwerke und das
Umgießen der Kanonen beträchtliche Summen. Man
war betriebsam. Die Einkünfte aus den Zöllen und
der Acciſe waren nicht genau verwaltet worden , weil
es den Unterbedienten an. Aufsehern, fehlte ; diesen
wichtigen Theil der Kroneinkünfte auf einen sicheren
Fuß zu stellen, sah sich der König genöthigt, da diejeni-
gen , die an der Spige dieses Zweiges der Staatver-
waltung gestanden hatten, während des Kriegs gestors.
ben waren, seine Zuflucht zu Ausländern zu nehmen,
und zog einige Fanzosen in ſeine Dienste, die in dieſem
Geschäfte eine lange übung befaßen. Man führte feine
Pachtung für eine gewisse Summe, sondern eine Regie
ein , weil dies der bequemßte Ausweg war , wodurch
man die Acciſebedienten verhindern konnte, das Voll
zu drücken , wie man dergleichen Mißbräuche in Frank
reich allzuhäufig sieht. *) Die Auflagen aufdas Korn

Dies geschah; man verschrieb Regisseurs


aus Frankreich ; die General:Acciſes Adminiſtration
wurde eingeführt, von allen Landeskollegien un
abhängig gemacht, und diese erhob von dem ero
ften Juny 1766 an die Einkünfte , welche bisher
durch die Kammern mittelst Zoll und Ucciſe ſex
hoben worden w -ten. Obgleich dieſe Ginrichtung
464

wurden herabgefeßt , und der Preis des Biers ward


um ein Weniges erhöhet, um jene zu erfeßen . Durch
diese neue Einrichtung wuchsen die öffentlichen Ein
fünfte, sonderlich von den Zöllen, durch welche fremdes
Geld in das Land kam ; aber der größte Vortheil, der
daraus entstand, war die Verminderung der Conter
bande, die für ein Land, das Manufakturen hat, ſo ver‹
derblich ist. < Wenn ein Land wenig Produkte hat, und
seine Zuflucht zum Kunstfleiße seiner Nachbarn nehmen
muß, so muß die Handlungěbilanz ihm nachtheilig seyn ;
es bezahlt mehr an Geld an die Fremden, als es von
ihnen einnimmt ; und wenn dies ſo fortgeht, so muß es
sich nach einer gewissen Reihe von Jahren von baarem
Gelde entblöst sehen. Man nehme jeden Tag Geld
aus einem Beutel , und lege nichts hinein ; er wird
bald leer seyn. Hiervon kann Schweden ein Beyspiel
geben. Um diesem übel zn begegnen, gibt es fein an
deres Mittel, als die Vermehrung der Manufakturen;
dadurch gewinnt man an feinen eigenen Produkten

manches Gute hatte, so war sie doch auch für das


Land sehr drückend , welches aber nicht dem Kös
niqe , sondern dem Despotismus der Provinzial.
Direktoren und Unterbedienten zuzuschreiben ist.
Indeß erreichte der König seine Absicht ; die Ein.
künfte wurden seit der Zeit jährlich um ein Be,
trächtliches vermehrt , und befrugen gegen das
Ende der Regierung beinah' doppelt so viel, als
fie im Jahr 1765 betragen hatten. Dabey blů.
heten Manufakturen und Fabriken, und das Land
nahm an Wohlstand und an Bevdikerung sichtbar
zu ; ein Beweis von der Güte der Staatverwal
tung und der achten und zugleich menschenfreunds
lichen Politik des Regenten," (Funte.)
465

alles , und an den ausländischen wenigstens den Ar.


beitlohn. Diese Såße, die eben so wahr als handgreif=
lich sind, dienten der Regierung zur Nichtſchnur ; nach
ihnen wurden alle Handlung Einrichtungen abgemes
fen. In der That gab es 1773 schon 264 neue Fabris
ken in den Provinzen. Unter anderen legte man in
*Berlin eine Porzellanfabrik an, die 500 Personen ers
nährte, und in Kurzem die sächsische übertraf. Man
legte Tabakfabriken an, welches eine Gesellschaft von
Privatpersonen unternahm . Diese hatte in allen Pro-
vinzen Niederlagen, aus denen die Provinzen versorgt
wurden, und gewann an der Ausfuhr für die Fremden
fo viel als der Einkauf der virginischen Blätter kostete.
Die Einkünfte der Krone wurden dadurch vermehrt,
und die Inhaber der Actien zogen zehn Prozent von
ihren Capitalien; der Krieg hatte gemacht , daß die
Preußen an dem Wechselhandel verloren , ungeachtet
gleich nach dem Frieden das schlechte Geld eingeschmol=
zen und nach dem alten Fuß ausgeprägt ward ; diesem
Übel vorzubeugen, gab es kein anderes Mittel, als die
Errichtung einer Bank. Um dieselbe zu gründen, gab
derHof800,000 Thlr. zu einem anfänglichen Fonds für
ihre Geschäfte her. Anfange machte die Bank einigen
Verlust, und litt entweder durch die Unwiſſenzeit, oder
durch die Untreuë derer, die sie verwalteten. Seite
dem aber Herr von Hagen darüber die Aufsicht über-
nahm , ward Pünktlichkeit und Ordnung dabey einges
führt. Man gab nicht mehr Papiere aus , als wozu
der Fonds hinreichte, ſie zu bezahlen. Außer dem Vor-
theil, den dieſes Institut zur Erleichterung des Han>
dels varbot, entstand dadurch noch ein Gewinn für das
Publikum. In vorigen, Zeiten war es der Gebrauch,
Friedrich d. Einz. IV. 2
$466

daß die Pupillengelder bey den Gerichthöfen nieder-


gelegt wurden, und die Pupillen , die während der
Dauer der Prozeſſe von ihren Capitalien nicht die ge
ringsten Zinsen zogen, mußten noch jährlich ein Prozent
bezahlen ; seit der Zeit aber wurden dieſe Truppen bey
der Bank belegt, und diese gab den Pupillen drey Pro-
zent, so daß sie, wenn man rechnet, was sie sonst an die
Gerichthöfe bezahlen mußten, im Grunde vier Prozent
gewannen.
,,Die Fürsten find, gleich dem Privatmann, gend
thigt, von der einen Seite Geld zuſammen zu bringen,
wenn sie von der andern Aufgaben haben. Die guten
Landwirthe suchen die Bäche zu leiten und bedienen sich
Derselben, das trockene Erdreich zu bewässern, welches
aus Mangel der Befeuchtung nichts tragen würde ;
eben diesem Grundfaße zu Folge vermehrte die Regie,
rung ihre Einkünfte, um sie zu dem Aufwande verwen
dén zu können , den das allgemeine Beste erforderte.
Sie begnügte sich nicht , blos das wieder herzustellen,
was der Krieg verwüstet hatte ; sie wollte Alles verbes
fern, was einer Verbesserung fähig war. Sie beschloß
daher, von allen Arten des Bodens Vortheil zu ziehen ;
fie machte Moråſte urbar, brachte Ländereyen durch
Vermehrung des Viehſtandes in größere Aufnahme,
und machte selbst die Sandschollen durch angepflanzte
Holzungen nugbar. Ungeachtet wir uns auf kleine ein=
zelne Gegenstände einlaſſen, ſo ſchmeicheln wir uns
doch, daß sie der Nachwelt angenehm seyn werden. Die
erste Unternehmung dieser Zeit betraf die Neße und
Warte, deren Ufer man'urbar machte , nachdem man
tie stehenden Gewäſſer durch mehre Kanäle an verschie
denen Orten in die Oder geleitet hatte ; die dadurch
467

verursachten Kosten betrugen 750 000 Thaler , und


3500 Familien wurden in diesen Gegenden angefeßt.
Der Adel und die Städte in der Nachbarschaft dieſer
Flüffe vermehrten ihre Einkünfte beträchtlich. Das
Werk war 1773 geendigt , und seit der Zeit stieg die
Bevölkerung daselbst auf 15 000 Seelen. Man trock
nete nochmals die Moråste aus, die sich bis Friedberg
erstreckten , und sehte dort 400 ausländische Familien
an. In Pommern zapfte man viel von dem Madujeſee
und der Leba ab, wodurch der Ade! dreytausend Mor-
gen Wiesen gewann. Ähnliche Vorkehrungen wurden
auch in der Gegend von Stargard , von Kammin,
Treptow, Regenwalde und Kolberg getroffen. In
der Mark trocknete man die Moråste der Havel, des
Rhin nach Fehrbellin zu, und der Finow, zwischen Ra-
tenau und Ziefar, aus ; ohne das Geld zu rechnen, was
dem Adel zur Verbesserung der Landgüter gegeben
wurde, und welches ansehnliche Summen betrug. Zu
gleicher Zeit führte man in Ostfriesland, im Dollart,
Deiche auf, vermittelst deren man fußweise das Erd-
reich wieder gemann , welches 1724 vom Meere über-
schwemmt worden war. Man baute im magdeburge
schen 2000 neue Familien an. Ihre Hände waren dort
um ſo nöthiger , da sonst die Bauern aus Thüringen
hinkamen, um bey der Erndte zu helfen ; seit der Zeit
konnte man sie entbehren. So viel Sorgfalt der ver-
storbene König auch angewandt hatte, Preußen, wel-
ches durch die Peſt 1709 verheert worden war, wieder
zu bevölkern, so war es ihm doch gelungen, es wieder
in den blühenden Zustand zu sehen, worin es sich bes
funden hatte, eh' es von dieser Landplage heimgesucht
ward. Aber der König wollte nicht, daß diese Provinz
2 .
468

ben übrigen nachstehen sollte, vnd seit dem Tode feis


nes Vaters hatte er 13,000 neue Familien dort ange-
feßt. Schlesien verdiente nicht weniger Aufmerksam =
feit und Sorgfalt , als die übrigen Provinzen , um es
wieder empor zu bringen . Man begnügte sich nicht,
alles wieder auf den alten Fuß herzustellen, man wollte
Verbesserungen bewirken ; man machte die Priester
nüßlich, indem man alle reichen Äbte anhielt, Manu-
fakturen anzulegen ; hier sah man Weber, die leinenez
Tischzeug verfertigten, dort Ölmühlen, dort Lohgerber,
oder Kupferschmiede und Mesfingarbeiter, je nachdem
es für die Örter, oder nach Beschaffenheit der Landes-
produkte, thunlich war. Hiernächst vermehrte man die
Zahl der Landbauer in Niederschlesien mit 4000 Fami-
lien. Es wird ohne Zweifel befremdend ſcheinen, daß
man die Menschenzahl, die vom Ackerbau lebt, so sehr
in einem Lande habe vermehren können, wo kein einzi-
ger Acker unbebaut liegen bleibt. Die Ursache davon
war, daß viele Gutbesißer, um ihre Landereyen zu ver
mehren, sich unmerklich die Äcker ihrer Unterthanen
zugeeignet hatten ; håtte man dieſen Mißbrauch gedul-
det, so würden mit der Zeit mehre Vorwerke leer ge-
standen haben, und der Boden, zu dessen Bearbeitung
es an Händen gefehlt hätte, würde weniger getragen
haben. Mit der Zeit würde jedes Dorf seinen Eigens
thümer und seine Lehnleute gehabt haben ; nun flößt
aber Landeigenthum den Bürgern Anhänglichkeit
an ihr Vaterland ein ; diejenigen, die nichts Eis
genes besigen, können sich nicht an ein Land hån-
gen, wo sie nichts zu verlieren haben . *) Da dies

"). Eine sehr wahre und richtige Bemerkung. Leis


469

alles den Gutbesitzern vorgestellt ward', so bewog ihr


eigener Vortheil ſie, dare n zu willigen, daß die Bauern
wieder auf den alten Fuß geſeßt wurden. Zur Vergel
tung unterstüßte der König den Adel mit ansehnlichen
Summen, um seinem gänzlich gesunkenen Credit wie
der aufzuhelfen. *) Die Regierung bezahlte für den-

der gibt es nur so Biele, namentlich auch Fürſten,


welche durch die Bereicherung von Wenigen , auf
Kosten der gesammten Nation , die Throne und
Regierungen fester zu stügen vermeinen, uneinges
denk , oder nicht einsehend , daß die Liebe des
Volkes die festeſte, unerſchütterlichſte Stüße jeder
Regierung ist. Nach diesem weiſen, ſo natürlichen,
Grundfag, handelte Friedrich ; nach einem ente
gegen gefeßten Systeme herrscht der türkische Sul-
tan ; darum läuft dieſer jeden Tag Gefahr , er:
drosselt zu werden , während in den furchtbaren
Krieven des ersteren die treue Anhänglichkeit der
preußischen Nation an ihn, die edle Selbstaufopfe
rung derselben, ungleich mehr noch den König in
jenen Zeiten der höchsten Gefahr, aufrecht erhielt,
als selbst seine außerordentlichen Talente.
*) Der große Friedrich zeigte nicht selten eine
fchädliche Vorliebe für den Adet. Als erblicher
König , als erster Udeliger seines Staats , der
feine eigenen Vorrechte selbst dem Zufalle der Ges
burt verdankte , sprach und handelte er anders,
wie als Philoſoph und Mensch .
In einem Auffaße, worin Friedrich die Ver.
besserungen aufzählt , welche nach dem 7jährigen
Krieg bey'm preußischen Miticårwefen vorgenom
men wurden , fagt er u. a .: man habe die bůr,
\ gerlichen Offiziere möglichst von den Befehlhabers
stellen entfernt, und diese , zur Ergänzung felb
mit fremden, Adeligen beſezt ; denn im Allgemei«
470

felben 500,000 Thaler Schulden, und fügte noch ans


dere 500,000 hinzu , um ſeine Güter in Stand zu
feßen. Die Städte, welche am meisten gelitten hatten,
erhielten gleichfalls Unterstügung ; Landshut bekam
200,000, Striegau 40 000, Halle 40,000, Kroſſen
24,000, Reppen 6000, Halberstadt 40,000, Minden

nen habe der Adel Ehre, obschon man bisweilen


Talente und Verdienste auch bey Personen aus
treffe , die nicht von Geburt seyen.
Ein andermal indessen sagte er : Wie viele
Feldherren, wie viele Staatminister und Kanzler
find nicht von bürgerlicher Abkunft ! Europa ist
boll von solchen Männern , und dadurch nur um
desto glücklicher; denn so sind dieſe Stellen dem
Verdienste ertheilt. --- Ich sage dics nicht , um
das Blut der Wittekinde , der Carle , der Ottone
zu verachten ; im Gegentheile muß ich, aus mehr
als einem Grunde , das Blut der Helden lieben :
noch mehr aber liebe ich das Verdienst."
Funke bemerkt bey diesen bezden Gelegens
heiten Folgendes : ,,Große Månner fehlen auch.
Hiervon haben wir in dieser Stelle ein auffallendes
Beyspiel. Wie ? "Verdienst und Talent wird nur
bisweilen unter Personen, die nicht von Geburt
find, angetroffen ? und diese Fålle sollen selten
senn ? Wie kann man doch der Erfahrung ſo
gerade hin in's Angesicht widersprechen ? Auch
behauptet die Wahrheit ihr Kecht wieder in der
gleich darauf folgenden Stelle: "I Wie viele Feld=
herren 2c." Das Benigste, was man sagen kann,
ist dieses , daß Verdienst und Talent eben fo
wol unter Bürgerlichen , als unter Udeligen ges
funden werde : man würde aber auch der Wahr-
beit nicht zu nahe treten, wenn man noch etwas
mehr sagte. Es ist natürlich , daß sich derjenige
471

20,000 , Bilefeld 15,000 , und die Städte in der


Grafstadt Hohenstein 13,000 Thaler. Alle diese Aus-
gaben waren nothwendig ; man mußte eilen , Geld in
die Provinzen zu verbreiten, um ihnen desto schneller

weniger um Verdienst bemüht), welchen schon


Geburt und Stand in den Genuß der Früchte
desselben segen,
" Das Vorurtheil, daß nur der Udel zu den
höhern Posten bey dem Militär tüchtig sey, vec.
leitete den sonst so unpartheischen und Gerechtize
keit liebenden König zu manchen Ungerechtigkeiten,
wovon er selbst hier eine erzählt. Warum wurden
die bürgerlichen Officiere, die doch im Kriege gute
Dienste gethan hatten , nach Endigung desselben
unter die Garnison - Regimenter gesteckt ? Doch
wol nicht zur Belohnung und zur Aufmunterung ?
Und welcher bittere Spott liegt in den Worten :
,,wo sie wenigstens eben den Werth hatten , als
die, an deren Stelle sie kamen zc." Was kann
man von einem Officiere weiter verlangen , als
die zum Dienste nöthige Geschicklichkeit, Erfahrung,
Klugheit und Tapferkeit ? Hatten sie diese Eigen.
schaften nicht; warum machte man sie zu Offi:
cieren ? Besaßen sie dieselben aber, warum licß
man ihnen nicht ihre Stellen ? Der Grund , den
der König angiebt , ist in der That ein wenig
seltsam ? ,, Im Allgemeinen hat der Adel Ehre."
Also der Bürgerſtand nicht ? Und was heißt das :
der Adel hat Ehre ? vermuthlich doch: er hált
auf Ehre , er liebt die Ehre . - Nun ja , wenn
Ehre ausschließlich sich auf die Geschicklichkeit,
Menschen nach den Regeln der Kunst zu tödten,
gründet ; so muß man dem Adel eine vorzügliche
Liebe zur Ehre einräumen, indem er jener Kunst
seinen ersten Ursprung verdankt , und zum Theil
472

wieder aufzuhelfen . Wen man unter dieſen Umſtånden


eine strenge Haukhaltung håtte anwenden wollen , so
wåre vielleicht ein Jahrhundert verstoffen , eh' tas
Land wieder blühend geworden wåre; aber durchdie

noch jest kein anderes Mittel, sich zu nåhren und


ſich empor zu schwingen, kennt, daher Friedrich
ganz recht sagt : dem Edelmann bleibt keine andre
Hilfquell übrig , als sich mit dem Degen hervor
zu thun. - Wir wissen aber auch, daß noch vor
etlichen hundert Jahren der Adel seine Ehre in
Räubereyen suchte , und daß der Bürger , wenn
er sein Gewerbe dieser Ehre vorzieht , deshalb
nicht zu verachten ist. Kömmt es darauf an,
nicht der leidigen Ehre wegen , sondern
aus wahrer Liebe zum Vaterlande zu
streiten, so giebt der Bürgerſtand dem Adel weder
an Tapferkeit , noch an Geschicklichkeit in der
Kriegkunst nach, wie in den neuern Seiten Amerika
und Frankreich gezeigt hat."
Wol hat Funke recht , wenn er auf Amerika
und Frankreich hindeutet. Wie würde dieser König
erstaunt ſenn, wenn er gesehen håtte, auf welche
Art von dem Tage von Valmy an, bis zu jenem
von Ligny , seine adeligen Officiere , trok ihrer
oft so ganz aufferordentlichen (materiellen) Uebers
legenheit, den ganz unverhältnißmåßig höheren
Lalenten ihrer Gegner , die beynah' alle bürs
gerlicher Abkunft waren , weichen mußten ?! -
www. Hierher gehört auch folgende Anekdote.
Guichard , der Sohn eines Töpfers (von frans
zösischen Ausgewanderten abstammend , und in
Magdeburg geboren) , hatte zu Halle ſtudirt, we
er sich besonders auf alte Sprachen legte , und
war hierouf in preußische Militärdienste getreten.
Er kam zu Anfange des Jahres 1758 in Breslau
473

Eile, mit welcher man zu Werke ging, famen mehr


als hundert tausend Menschen wieder in ihr Vater=
Land. Auch hatte ſich von dem Jahr 1773 an die Be=
völkerung , wenn man sie mit der im Jahr 1756 ver-
gleicht, um mehr als 200 000 Seelen vermehrt. Man
begnügte sich damit nicht ; in Erwägung, daß die Zahl

an , und machte den Feldzug dieses Jahrs als


Hauptmann von der Armee im Gefolge des
Königs. Friedrich unterhielt sich mit ihm oft
über Gegenstände aus der alten Kriegkunft. Einst
wurde von der pharsalischen Schlacht gesprochen,
und der König erwähnte einer rühmlichen That
des Quintus Cacilius , der Centurio ben
der zehnten Legion war. Guichard sagte , er
heiße Icilius. Der König widersprach. Man
holte das Buch , und es fand sich , daß Guichard
Recht hatte. - Nun , - fagte der Monarch,
- so soll er auch Zeitlebens Quintus
Icilius heißen ! Nach dem Kriege , in dem
er bis zum Obristlieutenant und Commandanten
eines Freibataillons stieg , zog ihn der König in
feinen näheren Umgang, und gab ihm eine Woh-
nung im Schloß. Der Monarch wünschte , daß
Guichard sich mit einer reichen jungen Wittwe
von bürgerlicher Abkunft aus Berlin verheirathe ;
dieser aber liebte ein adeliges Fräulein ohne Vers
mögen , und bat den König in einem Schreiben
um ſeine Einwilligung zur Verbindung mit dieser
Dame. Bey der Tafel, wo Friedrich oft gern
Pfeile des Wiges auf seine Umgebung abschoß,
aber auch ohne Verdruß annahm , wenn ihm
solche erwiedert wurden, sagte er zu dem Obrist=
lieutenant : Hören Sie doch, Guichard ! Ein
Töpferfohn bittet mich um die Einwilligung zu
seiner Heirath mit einem Fräulein von altem
474

der Einwohner den Reichthum des Regenten ausmacht,


fand man Mittel , in Oberschlesien 213 neue Dörfer
anzulegen, deren Einwohner sich auf 23,000 beliefen,

Adel. Ist dies nicht eine große Verwegens


heit ?" -- ,,Warum , Eire ? antwortete Guis
chard; wir sind alle aus einem Thon gemacht.“
Mit diesen Worten stand er empfindlich auf, und
entfernte sich Der König schien es nicht zu
bemerken Erst bey dem Kaffee fragte er : ,,Wo
ist Guichard ?" Man sagte ihm , er sey auf
fein Zimmer gegangen. Friedrich fändte einen
Abbé , der von der Gesellschaft war , um ihn
zum Kaffee abzuholen. Dieser. stellte dem Obrist-
lieutenant vergebens vor, wie er sich durch seinen
Troß die Ungnade des Monarchen zuziehen werde.
"„Nein ! versezte Guichard ; ich komme nicht.
Sagen Sie dem König , wenn er einen Narren
haben "wollte , so sollte er ihn auch beffer bes
zahlen Der Abbé hinterbrachte , traulich die
Antwort. Friedrich lachte herzlich, und sagte:
,,Nun, nun ! Er wird schon wieder gut werden.“
Über Guichard , ließ sich auch die folgender
Lage nicht sehen . Nach einigen Wochen erbielt
der König antike Statuen aus Italien , die er
im Garten zu Sanfouci aufstellen lassen wollte.
Er ließ Guichard , als Kenner , mit ter deßs
B
fallsigen Unordnung beauftragen. Dieser gehorchte
sogleich dem Befehle, verfügte sich in den Schloßs
gasten , und leitete die Aufstellung der Kunsts
werke. Friedrich erſchien , und bezeigte ihm
auf die wolwollendste Art seine Zufriedenheit.
Als Guichard nach Hause kas , lag auf seinem
Tisch ein versiegeltes Paquet Er öffnete es,
und fand darin die königliche Erlaubniß zu
seiner Vermählung mit dem gedachten Fräulein. -
475

und man machte den Plan, die Landbauer in Pommern


mit 50,000 und in der Churmark mit 12 000 zu ver-
mehren, welches auch gegen das Jahr 1780 in's Werk
gerichtet war. Um den Erfolg aller dieser Veranstal
tungen zu beurtheilen, darf man nur eine Vergleichung
zwischen der Volkmenge im Jahre 1740 anstellen.
Das Verhålniß ist folgendes.
Preußen . • 1740 - 370 000 Einw.
1779 780 000
das Churfüstenthum 1740 - 480,000
1779 -- 710,000
Magdeb. u. Halberst. 1740 - 220,000
1779 280,000
Schlesien . 1740 1 100,000
1779 - 1,520.000
Vermehrung 1,120,000
Man würde glauben , daß so erstaunliche Aus
gaben die Fonds und die Einkünfte der Krone erschöpft
haben müßten ; indeſſen muß man noch den Aufwand,
den die Festungen , sow I die Verbesserung der alten
als die Anlegung der neuen, verursachten, ſammt dem
Gelde hinzufügen, welches zur Wiederherstellung der
Artillerie erfordert ward ; diese ganze Summe stieg
bis auf 5,900,000 Reichthaler. Die Regierung
richtete ihr Augenmerk ununterbrochen auf alles. Des
König machte diesen Aufwand keineswegs, wie es bey
großen Höfen gewöhnlich geschieht , um Aufsehen zu
erregen er lebte wie ein Privatmann , um nicht
seine vornehmsten Pflichten zu verabsäumen . Mittelst
einer strengen Haushaltung ward der große und fleine
Schaß angefüllt ; jener um die Kosten eines Kriegs
476

herzugeben, und dieser um Pferde und alles was nöthig


ift, eine Armee in Bewegung zu sehen , anschaffen zu
können. Überdieß wurden 900,000 Rthl. in Magde-
burg und 4,200 000 Rthl. in Brešlau zum Ankauf
des Futters nieder gelegt. Dies Geld war baar vore
handens als der Krieg zwiſchen der Kaiserin Catharina
und Muſtafa auɛbrach. ( 1769 ) Nach den gemachten
Vertragen mußte der König jährlich 500,000 Rthl.
Subſidien an die Ruſſen bezahlen , so lange die Un-
ruhen in Polen und der Türkey fortdauerten. Das
Wohl des Staats und das gegebene Wort machten
diese Aufgabe nothwendig, die übrigens ſehr zur Un-
jeit fam, zumal wegen der großen Finanzanstalten,
womit man beschäftigt war , und die allein schon be
trächtliche Summen verzehrten. Es war daher Pflicht
der Staatkunst, das Land für die nach Rußland ge-
ſandren Summen zu entschädigen, die, wenn nicht die
gegenwärtigen Umstände obgewaltet, für die Provin
zen der preußischen Monarchie viel vortheilhafter
hätten angelegt werden können. Im folgenden Jahre
(1770) kam ein allgemeiner Mißwachs im ganzen
nördlichen Europa hinzu. Späte Frößte verdarben
alle Gewächse : hieraus entstand die Besorgniß eines
neuen Unglücks für das Valk , und eine neue Pflicht,
demselben beyzustehen. Man gab den Armen Korn
umsonst. Da aber die Konsumtion der Lebenmittel
geringer ward, fo fand sich in dem Ertrage der Accise
ein Ausfall von 500,000 Rthl. Der König hatte große
Magazine sowol in Schlesien als in seinen Erbländern
angelegt: 76,000 Wispel waren aufgeschüttet um
die Armee ein Jahr lang zu unterhalten , und 9000
Wispel waren blos zum Bedürfniß der Hauptstadt
477

bestimmt. (1771. ) Diese vorsichtigen Anstalten : ret


teten das Volk von der Hungersnoth, wovones bedroht
ward. Das Kriegheer ward, aus den Magazinen ge-
speist ; und außer dem unter das Volk vertheilten
Korne ward noch zur Saat aus denselben geliefert.
Auch das Jahr darauf (1772) war die Erndte schlecht;
aber wenn der Scheffel Roggen in den Staaten des
Königs zwey Rthlr. und etliche Groschen galt, ſo war
das Elend in den benachbarten Ländern noch ungleich
größer. In Sachsen und Böhmen galt der Scheffel
fünf Rthlr. Sachſen verlor mehr als 100 000 Ein-
wohner, die theils vom Hunger hingerafft wurden,
theile auswanderten. Böhmen verlor auf's Wenigste
180,000 Seelen ;: mehr als 20 000 Bauern aus Böh-
men und eben so viele aus Sachſen ſuchten ihre Zu-
flucht gegen das Verderben in den Staaten des Königs.
Sie wurden mit offenen Armen aufgenommen , und
angewandt, die neu gemachten Anlagen zu bevölkern.
.... Die Regierung , die den Entschluß gefaßt
hatte, Alles zu verbessern, was in den alten Gebräuchen
fehlerhaft gewesen war , fand. bey einer aufmerkſamen
Untersuchung der verschiedenen Zweige der Landwirths
schaft, daß überhaupt Alles, was man Gemeinheiten
nennt, dem gemeinen Besten nachtheilig sey. Erst nach
der Aufhebung der Gemeinheiten fing der Ackerbau in
England an, Fortschritte zu machen. Eine monarchiſche
Regierung, welche die in Republiken eingeführten Ge
wohnheiten nachahmt, verdient nicht des Despotismus
beschuldigt zu werden. Man folgte daher einem fo
lobenswürdigen Beyspiel ; man schickte Justiz und
Ökonomie Commissarien, um sowol die Weiden als
die Äcker von einander zu sondern , die untereinander,
Friedrich d. Einz, IV. 3
478

oder in der Gemeinheit lagen. Anfangs fanden sich


große Schwierigkeiten dabey , denn die Gewohnheit,
Die Königin der Welt, herrscht unerbittlich über -ein-
geschränkte Geister ; aber einige Beyspiele von der-
gleichen Auseinandersehungen , die zur Zufriedenheit
der Eigenthümer ausgefallen waren , machten einen
vortheilhaften Eindruck auf das Publikum , und in
Kurzem war die Sache allgemein in allen Provinzen
eingeführt. In einigen Gegenden von Brandenburg
und Pommern gibt es hochliegende Felder , die von
Flüssen und Bächen entfernt find, denen es folglich an
Weide und dem zum Anbau der Äcker nöthigen Dün-
ger mangelt. Dieser Fehler rührt mehr von der Na-
tur des Bodens, als von einem Mangel der Betrieb:
samkeit bey den Eigenthümern her ; und ungeachtet
es nicht in der Macht der Menschen steht , die Natur
der Dinge umzuschaffen, so wollte man doch einen Ver-
such wagen, um aus der Erfahrung zu lernen, wie weit
die Sache thunlich oder unausführbar wäre. In die
ser Absicht bediente man sich eines engliſchen Land-
wirths, mit deſſen Hilfe man den Verſuch auf einem
Königlichen Amt machte. Seine Methode bestand
darin, daß er auf sandigen Feldern eine Art Rüben
pflanzte, die man in England Turnips nennt ; er ließ
fie faulen, und darauf ſåte er Klee und andere Futter-
kråuter auf diese Felder , welche dadurch in künftliche
Wiesen verwandelt wurden , vermöge derer man den
Viehstand auf jedem Gute um ein Drittheil vermehrte.
Da die Probe so gut ausgefallen war , ſorgte man das
für, eine so vortheilhafte Wirthschaft in den Provinzen
allgemein einzuführen.
Die Regierung darfsich nicht auf einen einzelnen
479

Gegenstand einschränken ; das Intereſſe darf nicht die


einzige Triebfeder ihrer Unternehmungen seyn ; das
allgemeine Wohl, welches so viele verschiedene Zweige
hat, bietet ihr eine Menge von Gegenständen dar, wo-
mit sie sich beschäftigen kann, und die Erziehung der
Jugend muß als einer der hauptsächlichsten angesehen
werden; sie hat Einfluß auf Alles, sie ist freylich keine
Schöpferin, aber sie kann Fehler verbessern . Dieser
fo interesante Theil der öffentlichen Angelegenheiten
war vielleicht vormals allzusehr vernachläßigt worden,
vornehmlich auf dem platten Lande und in den Provin=
zen. Die Fehler , die man verbessern mußte , waren
folgende. Auf den Dörfern der Edelleute gaben
Schneider Schulmeiſter ab, und auf den Gütern der
Krone wählten die Beamten dieselbe ohne Beurthei
lung. Um einen so verderblichen Mißbrauch zu hem-
men, ließ der König gute Schulhalter aus Sachsen
kommen ; er vermehrte die Gehalte derselben , und
man hielt darauf, daß die Bauern ihnen die Kinder in
den Unterricht schicken mußten . Zu gleicher Zeit
machte man eine Verordnung bekannt , wodurch den
Geistlichen aufgegeben ward , die jungen Leute nicht
zur Communion zuzulassen , wofern sie nicht in den
Schulen in ihrer Religion unterrichtet worden wären ;
von dergleichen Einrichtungen genießt man den Vor-
theil nicht augenblicklich ; die Zeit allein kann die
Früchte derselben zur Reife bringen.
Man nahm dieselbe Verbesserung auch mit allen
größern Schulen und Gymnasien vor. Die Erzieher
ließen sichs blos angelegen seyn , das Gedächtniß ihrer
Zöglinge vollzupropfen, und arbeiteten im geringsten
nicht an der Bildung und Schärfung ihrer Beurthei
3. *
480

JuneEraft. Diese Gewohnheit, die eine Fortsetzung


der atteutschen * ) Pedanterey war , ward eingestellt,
und ohneɛ das zu vernachläßigen , was in das Gebiet
.‫י‬
des Gedächtnisses gehört , gab man den Lehrern auf,
die ihnen anvertraute Jugend mit der Logik vertraut-
zu machen, damit fie raiſonniren lernte , und geübt
würde, richtige Folgen aus vorangeschickten und er-
wiesenen Grundfäßen zu ziehen.“
Es scheint hier an seinem Orte zu feyn , einiges
über die Art mitzutheilen, nach welcher Friedrich
den preußischen Staat regierte. Ein Tag ward.
jedes Jahr angefeßet, an welchem zuerst die. Minister
vom Generaldirektoriumdie Rechnungsabschlüſſe ihrer-
Departements, und zugleich die Etats auf das zukünf--
tige Jahr übergaben. Dieser Tag war mehrentheils
der sechzehnte Juny , auch wol der sæbenzehnte oder
achtzehnte. Man nannte diesen Tag die Miniſtèrrevue,-
aber er verdiente einen größern Namen. -
Sehr gnädig wurden die Miniſter gewöhnlich an
diesem Tage empfangen, und ſie ſpeisten dann alle den .
Mittag mit dem Könige:. Vorerst beſah er ihre Rech..
nungen und ihre Etats , und vergab auch insgemein
einen Theil der erledigten Penſionen.
Dann fagte der Monarch: Meine Herren; sie
„haben mir ihre Rechnungen vom vorigen Jahre ab=-
, gelegt , und mir gezeigt, was ich vom nächſten Jahre
zu erwarten habe. Es ist billig, daß ich ih
nen nun auch Rechenschaft gebe von dem

*) Nicht der altteutschen , sondern der mittel:


alterlichen.
481

,,überschuß, den ich das vorige Jahr aus


ihren Händen erhielt."
Nun ging er in sein Cabinet, und holte seine Rech-
nung über die im lehten Jahre von ihm zum Besten ſei-
ner Unterthanen verwendeten Summen.
Gewöhnlich betrugen diese Summen drey bis
vier Millionen Thaler. Es hieß, zum Beyspiel : zur
Beyhülfe des Brandſchadens der Stadt Königsberg,
fiebenhundert tausend Thaler. Den Unterthanen in
der Neumark für Getreide, weil sie eine üble Erndte
und Mißwachs gehabt, hundert tausend Thaler. Zur
Reparation der Dämme an der Ober, und zur Ersetzung
des durch die Überschwemmung geschehenen Schadens,
Frarhundert und dreißig tauſend Thaler. Zur Wie-
deraufbauung der abgebrannten Stadt Calies mit
freinernen Häusern, drey und neunzigtausend Thaler.
Zür Verbesserung der adeligen Güter in Hinterpom-
mern, dreyhundert tausend Thaler ; und so ferner.
Noch interessanter und seltsamer ist Friedrich's
Rechnung mit sich selbst, das ist , die Festseßung der
Ausgaben für seine Person auf eine jährliche Summe,
die er niemals überschritt.
Hiervon enthält ein Brief des Grafen von Herz-
berg an den Ritter v. Zimmermann u. a. folg.
Stelle Wiesehr wünsche ich, daß der König die Be-
fanntmachung von Friedrich's Testament erlau
,,ben wollte. Dieses Testament wåre allein sein
,,dauerhafteftes Denkmal. Friedrich sagt in dem
,,felben : er habe jährlich von den Einkünften des
,,Staates nicht mehr als zweyhundert und zwan=
ig tausend Thaler genommen ; dies habe er als
feine Competenz betrachtet, alles übrige aber als Ei-
482

genthum des Staates. Wahr ist dies wört-


,,lich, und groß von einem Monarchen, der vier und
zwanzig Millionen Thaler jährlich zu seinen Diensten
,,hatte, und dabey einen jährlichen überschuß von fünf
bis sechs Millionen, die er blos zur Vermehrung der
Wohlfahrt aller seiner Unterthanen verwendete, und
zur Vermehrung der innern Stärke seines Staats ;
aber nicht zur Befriedigung der Habsucht einzelner
Perfonen.
Friedrich der Große wollte also , bemerkt
Zimmermann , daß von seinem unermeßlichen Reich.
thum ihm für seine Person jährlich nicht mehr zukom-
men müſſe , als zweyhundert und zwanzig tausend
Thaler. Was Ludwig der Fünfzehnte , die Frau
von Pompadour, die Madame Dubarry mit ihrem gan-
zen ehrenfesten Gefolge, sich jährlich zukommen ließen,
weiß man. *)

*) Wie richtig und wahr Zimmermanns Bez


merkung ist, läßt sich nicht verkennen. Er , der
große, von allen Nationen des Erdkreises bewun
derte König, verwendete für sich nicht mehr, als
£20,000 Athle Wie sehr sticht diese wirk
bend
liche Progegen die , das ganze Reich verders
e, Größe
t und Verschwendung der franzöſiſchen
Könige vor Ludwig dem XVI. ab ! Die Frau
von Averne , eine der Maitressen des Herzoga
von Orleans (des Regenten) zog einst jährlich
3,600,000, Livres Tafelgelder, und man hat be
rechnet , daß die berüchtigte Dubarry während 5
Jahren nicht weniger als 180 Millionen kostete.
Aus einer Uebersicht der Einkünfte und Aus:
gaben Frankreichs von 1740 geht hervor, daß die
Eönigliche Tafel 7,300,000 , die Stallungen und
483

Zehn Jahre lang hatte nun Friedrich in der


Stille wieder an dem innern Flor feiner Staaten gear=
beitet, als der böse Dámon der ehrfüchtigen Politik
eines fremden Hofs ihn zu beunruhigen ansing. Sein
einziger Zweck war : in Frieden zu leben und Frieden
um sich her zu behaupten." Zu diesem Endte mußte
er seine Macht in dem Verhältnisse gegen seine Nach-
barn erhalten, bis zu welchem er sich capor geschwun-
gen ; wenn diese sich nicht vergrößerten , fo bedurfte
auch er keinen Zuwachs ; wollten sie sich aber aufbrei-
ten, so mußte er sich ihnen widersehen, oder sich gleich
falls in eben dem Maaße vergrößern ; sein Auge war
daher beständig offen, und wachte über ihre Bewegun
gen. So überlegen und furchtbar, wie er sich in aller
Absicht gemacht hatte, war er sicher, daß man es nicht
wagen würde, irgend etwas mit Gewalt auszuführen,
oder auch nur einen Plan zu machen, ohne ihn zu Rathe
zu ziehen, oder zu fürchten. Die Kaiferin von Ruß
land schaltete über den polnischen Thron ; unter dem
Vorwande, den König , den sie auf denselben gesezt
hatte , darauf zu behaupten , und die Unruhen zu
dampfen , richtete fie diese unglückliche Nation zu
Grunde , und würdigte sie herab; und nun wollte fie
fich mit eigener Hand für das bezahlt machen , was
fie gleichsam zum Spott ihren Schuh und ihre Freund-
schaftdienste nannte ; fie forderte verschiedene Provin
zen an ihrer Gränze, aber sie sah wol, daß Östreich und
Preußen diese Vergrößerung nicht zugeben würden,
und that ihnen den Vorschlag, Theil an der Beute der

Pferde 1,890,000 und die fönigliche Garderobe


1,900,000 Livres kofteten !
484

unglücklichen Republik zu nehmen . Der wiener Hof


vergaß, daß Polen, ein Jahrhundert zuvor, Wien und
das Reich gerettet hatte ; er überließ ſich der Begierde
nach einem vortrefflichen und aufgedehnten Lande jen-
seits des karpathischen Gebirges , welches ihm zum
Antheil bestimmt war. Warum sollte Friedric,
dem die Polen keine Hauptstadt gerettet haben , und
der gegen einen König, welcher nicht sein Geschöpf war.
keine Verpflichtung zur Schonung hatte, warum follte
er ſich mehr Bedenklichkeiten machen , als die beyden
Kaiserinnen ? Was er für seinen Theil forderte, war
ihm noch weit erheblicher , als was seine Nachbarn
gemannen ; es war ein vor Alters von Preußen abge=
rissenes Stück, eine von den reichfien und bevölkertsien
Provinzen. Polens und zugleich der Schlüſſel von der
Weichsel und von Tanzig, welches früh oder fpåt ihm
in die Hånde fallen mußte ; und dieser Zuwachs gibt
ihm von dieser Seite eine unschäßbare Festigkeit und
Ründung. Sobald die drey Höfe unter ſi einig
waren, bewiesen sie ihre Ansprüche, erfanden Rechte,
ließen Manifefte ausgehen, brachten die Theilung zu
Siande, und ganz Europa, summ vor Erstaunen und
Ohnmacht, mußte im Stillen froh seyn, daß sie da sie
doch alle Vorurtheile bey Seite geseht, und alles ver-
fchlingen konnten, nicht alles getheilt hatten. In der
Thar läßt sich dies auch nicht anders erklären, als daß
die Menschen überhaupt, und selbst die Regenten, fast
immer bey den Ungerechtigkeiten, die sie begehen, noch
eine Regung von Scham fühlen ; vielleicht fanden es
auch die drey Höfe ihrem gegenseitigen Vortheil ge=
maß, zwischen ihren Gränzen ein großes Land zu lassen,
welches sie von einander fondert, und über welches sie
485

immer schalten und walten könnten, ohne daß sie jemals


etwas davon zu befürchten hätten.“
So Guibert in seiner Lobschrift auf Fried--
rich. Wahr ist es, daß diese Gegenden vor Jahr-
hunderten von Preußen losgerissen wurden , wahr ist
es: ferner , daß die Polen keinem der Vorfahrer
Friedrich's Hauptstadt und Reich von irgend einem
Feinde retteten , nur allzuwahr ist es endlich auch,
Daß sich die Politik leider von der Moral
entbunden glaubt, welche zur Aufrechthaltung
der Ruhe und Ordnung unumgänglich nothwendig ist.
Täuſchen wir uns nicht. Nur dem Systeme der Er-
oberer huldigend, handelten hier Catharina , Joseph
der. II ,, und Friedrich. Ein Schandfleck ist diese
Handlung in der Geschichte von allen dreven. Oder
wer vermöchte sie zu entschuldigen, daß sie, wie der
Wolf über seine zur Vertheidigung unfähige Beute,
über einen Staat herstürzten , worauf fie gemeinsam
ihren Raub theilten ? Allerdings war es stråflicher
von Rußland und Östreich gehandelt, als von Preußen,
allerdings dierfie Friedrich der Vergrößerung seiner
Nachbarn nicht mit Gleichgültigkeit zusehen, aber,
wo bleibt das Recht ?!!
Dech, etwas ausführlicher verdient die Geschichte.
der (ersten Theilung Polens mitgetheilt zu werden,
von der es eine Zeit lang scheinen mußte, als sen sie,
gleich einer Fackel des Todes, vor der Leiche mehr als
eines Königthums . vorgegangen. ~ Catharina von
Rußland, in Polen gebietend , hatte nicht blos ihren
Liebling Poniatowěky (Stanislaus August) auf den
Thron dieses Königreichs erhoben , sondern auch ihre
Agenten herrschten in diesem Staate mit despotischer
486

Willkür. Eine Empörung der unterdrückten polně


schen Nation war die Folge, und auch das osmanische
Reich erklärte an Rußland den Krieg. Doch, wie in
reißender Wildbach, der, von dem Gebirge sich herab-
stürzend, die ganze Ebene überschwemmt, so eilten die
ruffischen Heere in der Türkey von Ecoberung zu Er-
oberung. Mit Eifersucht blickten Östreich und Preuß-
fen auf die immer wachsende Macht des ungeheuern
nordischen Reichs. Zwey Zusammenkünfte zwischen
Friedrich und Joseph dem II . fanden slatt. Das
wiener Cabinet wünschte-um jeden Preis, daß Catha-
rina sich nicht mit türkischen Provinzen vergrößere,
wodurch dieselbe unmittelbar Östreichs Nachbarin ge-
worden wäre. Selbst die Waffen schien man nöthigen
Falls deßhalb zu ergreifen bereit. Die schlaue Politik
des öftreichischen Staatministers Kaunis leitete endlich
das petersburger, dieses das berliner Cabinet, auf den
Plan der Theilung Polens. So ward also, durch die
Zersplitterung dieſes Reiches, diesmal die Türkey ge-
rettet. Fast 4000 Quadratmeilen eigneten sich die drey
Theiler zu (1772), der unglückliche Staat erhielt eine
Verfassung aufgedrungen, die ihn zum Sklaven Ruß:
lands machte, und der König fowol, als die Republik,
mußten ( 1773) den Theilungtraktat förmlich billigen.
Preußen erhielt von diesem Raube 631 Qua-
dratmeilen, mit einer halben Million Bewohner, es
bekam nämlich : Pomerellen, die Woiwodschaft Culm
und Marienburg, das Bisthum Ermeland, die Stadt
Elbing, und Theile von Kujavinnen und Posen.
Der Hauptvortheil," sagt der König,,,den
Diese neue Besihung gewährte, bestand darin, daß Poms
mern dadurch mit dem Königreich Preußen verbunden,
487

folglich die Regierung Herr von der Weichsel upd


damit von dem polnischen Handel ward. Hierzu
kam , daß in Rücksicht auf die Menge Getreide, welche
jenes Königreich ausführt, die preußischen Staaten
in Zukunft nicht mehr weder Theuerung noch Hune
gernoth zu befürchten hatten.
,,Diese neue Besizung war also núßlich, und konnte
durch weise Vorkehrungen wichtig werden . Aber zu
der Zeit, als diese Provinz unter preußische Hoheit
kam , hatte alles daselbst das Gepräge der Anarchie,
der Verwirrung und der Unordnung , welche unaus-
bleiblich bey einem barbariſchen, in Unwiſſenheit und
Dummheit verfunkenen Volke herrschen müssen. Man
wachte den Anfang mit einem Steuerregister, um die
Abgaben verhältnißmäßig zu vertheilen. Die Contri
bution ward auf eben den Fuß gefeht , wie im König-
reiche Preußen. Die Geistlichen bezahlten mit den
schlesischen Bischöffen und Übten nach einerley Maas-
stab. Die Staroſteien wurden in Krongüter verwan-
delt; es waren dies sonst Lehen auf Lebenszeit, wie die
Lehen der Timarioten in der Túrkey. Der König
entschädigte die Besizer durch eine Sirrme von
500 000 Thaler, die ihnen ein für allemal ausgezahlt
ward. Man legte in diesem ungeſitteten und barbaris-
schen Lande Posten, vor allen Dingen aber Gerichthöfe
an, deren Namen man in diesen Gegenden kaum ge-
kannt hatte. Man schaffte eine Menge eben so wider-
finniger, als undienlicher Geseze ab ; und die Appel-
lation gegen die Urtheilsprüche der dortigen Collegien
gingen in der letzten Instanz an das Tribunal zu Berlin.
Der König ließ im Jahr 1773 durch einen Kanal, der
700,000 Thaler kostete , die Neße , zwischen Nackel
488

und Bromberg , mit der Weichsel verbinden, wodurch


Dieser große Fluß einen unmittelbaren Zusammenhang
mit der Öder, der Havel und der Elbe bekam. Dieſer
›Kanal hatte einen doppelten Nußen ; denn er leitete
zugleich die stehenden Gewässer aus einem beträcht-
lichen Landstriche ab , wo man ausländische Coloniſten
nanbauen konnte. Alle Wirthschaftgebäude waren ver-
fallen ; es erforderte mehr als 300.000 Thaler , um
# sie wieder herzußtellen . Die Städte waren in dem
allertraurigſten Zustande. Cylm katte gute Mauern
und große Kirchen , aber ſtatt der Gaſſen ſah man
nichts, als die Keller von den Häusern, die ehmals da
geftanden hatten ; von 40 Häusern , die den großen
Marktplah einschlossen, hatten 28, denen-es an Thủ
ren, Dächern und Fenßtern fehlte, keine Eigenthümer.
·Bromberg war in eben der Verfassung . Ihr Verfall
schrieb sich noch von 1709 her , wo die Pest diese Pro-
ving verwüßtet hatte ; denn den Polen fiel-es nicht ein,
daß man ein Unglück wieder gut machen müſſe. Man
wird es faum glauben, daß ein Schneider, ein seltener
Mensch in diesen unglücklichen Gegenden war ; man
: mußte in Alen Städten Schneider , desgleichen Apo-
:thefer, Stellmacher , Tischler und Mauerer. anfeßen.
Diefe Städte wurden wieder aufgebaut und bevölkert.
In Culm ward ein Haus angelegt, wo 50 junge Edel-
leute von Lehrern, die sich blos ihrem Unterrichte wid=
men, erzogen werden . Überdies wurden 150 protes
stantische und katholische Schulhalter an verschiedenen
Örtern angefeßt und von der Regierung bezahlt. Man
wußte in diesen unglücklichen Ländern nicht , was Er-
ziehung heiße, auch waren die Einwohner eben so sehr
ohne Sitten, als ohne Kenntnisse. Endlich ſchickte
489

man mehr als 4000 Juden nach Polen zurück, welche


bettelten, oder die Bauern bestahlen . Da der Handel
den vornehmsten 3reig des Ertrages in Westpreußen
ausmachte fo fuchte man forgfältig Alles auf, wodurch
derfelbe erweitert werden könnte. Die Stadt Elbing
gewann am méißten, indem sie den Handel nach sich zog,
der sonst über Danzig gegangen war. Man stiftete
zum Vertriebe des Salzes eine Gefeilschaft , welche
jährlich 70 000 Thaler an den König von Polen ers
legte, und dafür den ausschließenden Handel mit dies
fem Bedürfnisse im ganzen Königreiche erhielt , wo-
durch diese Geſellſchaft blühend ward , weil nun die
Öftreicher gezwungen waren, ihr Salz aus Wiliczka an
fie zu verkaufen. Die Einkünfte aus Westpreußen
wurden überhaupt auf zwey Millionen Thaler gebracht,
welche Summe, nebst dem, was die Bank, die Accife
und der Tabak einbrachten, für den Staat eine Ver-
mehrung der Einkünfte von mehr als fünf Millionen
betrug.
,,So fann ein Finanzsystem, welches immer verbes-
fert, und von dem Sohn , wie vom Vater , befolgt
wird , ein Reich umschaffen , und es , wenn es sonst
arm war, reich genug machen, um. gleichfalls sein Ge-
wicht in die Wagschale der ersten Monarchien Euro-
pa's zu legen." *)
So sehr Friedrich auch seit dem hubertêbur-

*) Wir übergehen , was Friedrich über die bin


dem Heere vorgenommenen Veränderungen sagt,
hier blos bemerkend, daß die Stärke desselben im
Frieden auf 186,000, und im Kriege auf 218,000
Mann festgelegt ward.
Friedrich d. Einz, IV.
490

ger Frieden jede Veranlassung zum Krieg zu vermeiden


ſuchte, so zeigte er sich dennoch immer auf gleiche
Weise, allen Staaten Achtung einflößend . Er trat
jener bewaffneten Neutralität bey , die , während des
nordamerikanischen Befreyungkriegs , zwischen Ruß-
fand und andern neutralén Seemächten in der Absicht
geschlossen wurde , damit von den friegführenden
Staaten die Flaggen ihrer Kauffartheyschiffe respec
tirt würden. Auf gleiche Weise war er der Erſte,
welcher (in einem Handel-Vertrag mit den Amerika
nern) den schönen Grundſaß aufstellte, daß einer frieg
führenten Macht alle Feindseligkeiten gegen die unbe-
waffneten Unterthanen der andern , gegen Käuffahrer
und Landleute verboten, und dieselben nur gegen Be-
waffnete erlaubt ſeyn sollten.
Im Jahre 1776 verfiel der König in eine ge-
fährliche Krankheit, die Jedermann für sein Leben bes
forgt machte. ,,Diesmal , mein lieber d'Alembert,"
ſchrieb er,,,habe ich von Glück zu sagen, und wenn
Sie mich lieben , dürfen Sie ſich immer ein wenig
freuen, daß ich so glücklich dem. Tode entgangen bin.
Das Podragra wagte vierzehn sehr starke Angriffe auf
mich, und es war viel Standhaftigkeit und Naturstärke
nöthig, so vielen schmerzhaften Angriffen auszuweichen ;
nun lebe ich wieder für mich, für mein Volk, für meine
Freunde und noch ein Bißchen für die Wissenschaften ;
denn ich kann wol ſagen, daß mir so vielschlechtes Zeug,
tas Sie mir aus Frankreich schicken, den Geschmack
am Lesen verdorben hat. Ich bin ein alter Mann,
und es würde sich für mich sehr wenig schicken, mit
solchen Gecken zu faseln. Ich liebe das Grund-
fiche, und wenn ich wieder jung werden
491

könnte, so würde ich ganz gewiß von den


Franzosen ein Apostat werden, und mich
auf die Seite der Engländer und Teut-
fchen følagen. Ich habe sehr viel erlebt , mein
lieber d'Alembert, habe erlebt, daß påpfliche Soldaten
meine Uniform tragen, daß die Jeſuiten mich zu ihrem
General erwählt haben, und daß Voltaire wie ein altes
Weib schreibt. Neues kann ich Ihnen wol wenig
schreiben, um's Politische bekümmert sich ein Philos
feph, wie Sie, nicht, und meine Akademie altert zu
fehr, als Ihnen etwas Beträchtliches liefern zu können.
Ich bin zum zweytenmal wider die Prozesse zu Felde
gezogen, und würde stolzer als Perseus seyn, wenn ich
die Kabale dieses vielköpfigen Drachen noch am Endé
meiner Laufbahn tödten könnte." ---
Friedrich , durch seine vielen Arbeiten, durch
die langjährigen Feldzügen, ertragenen Mühseligkeiten
und durch die Schwäche des Alters entkräftet, glaubte,
wie er in seinen hinterlassenen Werken erzählt , die
Theilung Polens werde das legte bemerkenswerthe Er-
eigniß seiner Regierung feyn . Aber es kam anders.
Der Umstand, den Friedrich's Klugheit schon seit
längerer Zeit vorhergesehen und entdeckt hatte , trat
ein. Maximilian Joseph der III . von Bayern starb,
und obschon dieſes Churfürstenthum nach allen beste-
henden Verträgen an Churpfalz kommen sollte, so
machte nichts desto weniger Östreich Ansprüche auf
den größten Theil seines Landes , und ließ denselben
fogleich durch seine Truppen besehen. Karl Theodor,
der Beherrscher der Pfalz, überrascht, und ohnehin cin
ſchwacher, entnervter Mensch, unterzeichnete einen
Traktat, wodurch er, feine übrige Erbstaft zu sicherne
492

Niederbayern, zwey Drittheile des ganzen Staats, an


die Kaiserin abtrat.
Dieser Gewaltfreich empörte alle Reichfürsten,
vor Allen aber Friedrich, sowol wegen der Vergröß
ferung, die Östreich erlangte , als auch wegen der An-
maßung des wiener Kabinets , herrisch über erledigte
Erbfolgen zu schalten. Da indeß der zunächst Bevor-
theilte, rer Churfürst von der Pfalz, feine Klage erhob,
so gab der König dem Herzoge von Zweybrücken, Karl
August, dem práfumptiven Nachfolger des Churfürsten,
den Rath, in Dinge, welche der Reichverfaffung und
dem westphälischen Frieden so offenbar widersprächen,
ohne Benehmen mit andern Reichfürsten , durchaus
nicht einzugehen. Der Herzog legte sofort eine feyer-
liche Protestation gegen die geschlossene Convention
bey dem Reichtage ein, und suchte Hilfe bey Preußen.
Ihm folgten die Beherrscher von Sachsen und Meck-
fenburg, welche ebenfalls einige Ansprüche auf Bayern
hatten. Anfangs wurden Schriften gewechselt zwis
schen den Höfen von Berlin und Wien ; der Herzog von
Zweybrücken legte die fideicommissarischen Rechte
feines Hauses allen Mächten Europa's vor.
Nach fruchtlosen , schriftlichen Unterhandlungen
kam es zu den Waffen. Mit einem ungeheueren Auf-
wande von Kraft rückten die Heere von Preußen und
Bstreicher einander entgegen in Schlesien und an den
Gränzen von Böhmen, im July des Jahrs 1778. In
Schlesien standen 81 Bata llone und 123 Eskadrons
Preußen, mit mehr als 800 Kanonen ; in Böhmen
Die Öftreicher, gezen 250,000 Mann stark, und mit
einer noch einmal so zahlreichen Artillerie , als die
preußische war. Friedrich rückte nach Böhmen.
493

Obschon es bey dieſem Feldzuge zu keiner Hauptschlacht


kam, so war doch derselbe eine lehrreiche Kriegschule ;
Friedrich und Lascy, Heinrich und Laudon, ent
wickelten die Früchte langer und immerwährender
Reflexionen und übungen. Der König suchte sein
Heer zu fchonen, ohne jedoch den Gegnern eine Blöße
zu geben. Ein großes Schauspiel war es, den feueri-
gen Kaiser Joseph den 1k. , mit dem schönsten Heere
in der Welt, mit vortrefflicher Artillerie und Bewaff-
nung , wider den in Siegen grau gewordenen Helden
in Gefechte zu sehen. Die Kaiserin (Maria Theresia),
zagend wegen ihrer beyden Söhnen und ihres Schwie
gersehns, die sich bey der Armee befanden, veranlaßte
durch ihr Schreiben an den König wol am meisten,
daß es zu keinem bedeutenden Treffen kam. Rußland
erklärte endlich , es werde , falls Östreich auf seinen
Forderungen beharre , ebenfalls gegen dasselbe die
Waffen ergreifen. Dies wirkte. Den 13: en May
1779 ward zu Tesſchen der Friede abgefchloffen. Die
Kaiserin behielt den burghauser Kreis , Sachsen be
kam 6 Millionen Gulden und das übrige Bayern fiel
an Karl Theodor. Preußen verzichtete aufalle Krieg
kosten , die 13 Millionea betrugen. So endigte
sich dieser Krieg, der Teutschland bey seinem Begin
nen neuerdings mit Blut zu überschütten gedroht
hatte. *)

*) 3 schokte , in seiner Vergleichung zwischen


Friedrich und Napoleon, fagt u. a.:
,, .... Mit Recht ist ihm die Anmaßung des ſpaz
nischen Thrones , gleichwie dem Weltweisen von
Sanssouci die Theilung Polens , zum Borwurfe
494

Friedrich fuhr nunmehr wieder ungestört fort,


für Preußens Wohl und Macht , zu wirken. Beson
ders bemerkenswerth ist sein Bemühen zur Verbesse
rung der Justiz. Hauptsächlich war es die Klage eines
Müllers , Namens Arnold , über Bedrückung von
Seiten der Gerichthöfe, die ihn tief ergriff, und zu»
einem Schritt verleitete , aus welchem zu ersehen ist,
wie die Liebe zur strengßten Gerechtigkeit ihn fetbit zu
einer großen ungerechtigkeit zu verleiten mochte,
(1780). Dem Müller war nämlich einiges Waffer
durch einen Graben von dem Grundherrn abge eitet
worden, wodurch er in einigen Nachtheil verseht seyn
mochte ; dennoch sollte er die nämlichen Mühlabgaben.

gemacht worden. Beyde bemåntelten ihrë gewalts


thätige Zertretung alles Völkerrechtas vergeblich
mit Scheingründen der Nothwendigkeit. Es gibt
weder in der Moral noch in der Politik eine Unz .
gerechtigkeit, die sich rechtfertigen läßt , und in
der e nen wie in der andern hat die Sünde früher
oder spåter ihre Nachwehen. Der große Frieds
rich schien späterhin den Himmel und die Welt
Durch den großmüthigen Fried n zu Teschen vers
föhnen zu wollen, worin er, mit eigener Aufopfes
sung, Bayerne Selbstständigkeit gegen Destreichs
Vergrößerungfucht rettete. Napoleon konnte fish-
nie solcher Großthat rühmen. Doch hat felbft
Friedrich's Bewunderer, der Prinz de Ligne,
nicht unbemerkt gelaffen , daß der no dische Sas
Lomo nachher nicht ganz mit seiner Großthat von
1778 zufrieden gewesen zu feyn ſchien, und ungern
von dem Prozeſſe , wie der König den Feldzug
nannte, reden mochte,,, pour lequel il étoit venu
en hussier, faire une exécution.
495

entrichten, wie bisher. Arnold entschloßsich, den König


felbst um Hilfe anzurufen , obschon , genau genommen,
feine Sache von der Art war, daß er vielleicht bey kei-
nem Gerichthofe seinen Rechtstreit gewinnen, wol nir-
gends wenigstens vollkommen gewinnen konnte.
Er war dem Könige aus der Zeit der zorndorfer
Schlacht persönlich bekannt , wo er als Wegweiser ge
dient , und ihm auch fonkt Nachrichten von der rufft-
fchen Armee hinterbracht hatte. Friedrich befahl
fchleunigt der neumárkischen Regierung , die Sate
zu untersuchen , und , der Aussage des Müllers nicht
vollkommen trauend , verlangte er sowol vvn einem
ihm persönlich bekannten Pfarrer aus der Gegend, als
auch von einem in der Nähe in Garnison sich befinden-
den Obristen, gewisse haften Vericht hierüber. Beyder
Urtheil war dem Müller günftig ; er verfor indeß den
Prozeß in zwey Instanzen. Der König war gerade um
die e Zeit durch die Schmerzen des Podagra gepeinigt,
emas grámlich, und man hatte ihm heimlich die fa :sche
Nachricht beygebracht, der Großkanzler wäre der Ar-
beit nicht gewachsen, und lasse Alles durch seinen Ste
fretår besorgen. Nun entbrannte sein Justizeifer.
Er begab sich nach Berlin , und ließ den Großkanzler
von Fürst mit den Kammergerichträthen in das Schloß
kommen, welche das Urtheil beſchloffen hatten, wo er
ihnen wegen dieser vermeinten Ungerechtigkeit die hef-
tigsten Vorwürfe machte. Der Großkanzler wurde
abgedankt, die Kammergerichträthe aufdie Hausvogtep
gebracht, in Cüftrin der Präsident von Finkenstein ſei
nes Dienstes entlassen, und die Regierungråthe auf die
Festung geseht. Der König diktirte über den ganzen
Vorfall selost das Protokoll , worin schigbare. Denk
496

måfer feiner Gerechtigkeitliebe und feiner landesvåter


fichen Zärtlichkeit enthalten sind . Die Justizkolle
gien müffen wiffen," heißt es darin,,,daß der gering
fte Bauer, ja, was noch mehr ist, der Bettler, eben
ſewol ein Mensch ist, wie Se. Majestät, und dem alle
Justiz witerfahren muß , indem vor der Justiz alle
Leute gleich find, es mag seyn ein Prinz , der wider
,,einen Bauer Eagt , oder auch umgekehrt , so ist der
Prinz vor der Justiz dem Bauer gleich, und bey fol
ben Gelegenheiten muß nach der Gerechtigkeit ver-
Fahren werden, ohne Ansehen der Persön. Darnach
migen sich die Justizkollegien in allen Provinzen nur
zu richten haben , und wo sie nicht mit der Justiz,
ohne alles Ansehen der Person und des Standes,
gerade durchgehen, sondern die natürliche Billigfeir
,,bey Seite sehen, fo follen sie es mit Sr. königl. Ma-
jestät zu thun friegen. Denn ein Justizkollegium ,
Das Ungerechtigkeiten ausübt , ist gefährlicher und
schlimmer wie eine Diebbande ; vor der kann man
fich hüten , aber vor Schelmen , die den Mantel der
Justiz gebrauchen, um ihre böse Leidenschaften auszus
„führen , vor denen kann sich kein Menſch hüten , fie
find árger, als die größten Spizbuben , die in der
Welt sind, und verdienen eine doppelte Bestrafung."
Die Hårte, mit welcher Friedrich bey dieſer
Gelegenheit gegen mehre unschuldige und verdiensts
volle Männer verfuhr, läßt sich aus verſchiedenen, zum
Theil nicht ganz ungegründeten, Meinungen desselben
erklären. Es hatte sich bey ihm nach und nach die
Dee festgesetzt, daß die Juristen eine Verbefferung der
Justiz, worauf er bisher so oft gedrungen hatte, nicht
ernfilich wünschten , vielmehr derselben mancherley
497

Hindernisse in den Weg legten ; daß der Adel in Pro®


zesse vor dem Bürger und Bauern begünstigt werde ;
daß bey Rekursen an höhere Gerichte, diese die niedern
nicht fallen ließen, nach dem Sprichwort : eine Krähe
hackt der andern die Augen nicht aus, u. d. m. Nun
wurde der König zwar in diesem besondern Falle unge
recht aus Liebe zur Gerechtigkeit ; aber das große
Verdienst der Einführung einer bessern Justizpflege
und des darauf sich beziehenden neuen Geſeßbuchs
bleibt ihm dennoch, und seht ihn in die Reihe der vers
götterten Wohlthäter des Menschengeschlechts.
( unfe.)
Manufakturen und Fabriken erhielten einen sokk
chen Schwung, daß ſich 1785 nicht weniger als 16,500
(größere oder kleinere) Fabrikanten, mit 165,000 Ar-
beitern , in den preußischen Staaten befanden, welche
für mehr als 30 Millionen Thaler Waaren produ
cirten.
Doch, es würde uns zu weit führen, wenn wir die
einzelnen Verbesserungen alle aufzählen wollten, deren
Urheber Friedrich war. Mit jedem Jahre fam
Preußen in blühendern Zustand . Gegen 600 neue
Städte und Dörfer wurden gegründet, viele Schulen
errichtet, Kanále und Landstraßen angelegt , die Ge.
Baden der Flüſſe durch Damme vor überschwemmung
&
gesichert, viele Gewäffer schiffbar gemacht , und mit
einem Worte Alles gethan , was man zweckdienlich zur
Bildung , Aufklärung und Begründung des Woht
ftandes der Nation , erkannte.
Der König wollte durchaus nicht , daß man sich
vor ihm niederfnice. Er hatte diese Gewohnheit der
Landleute auf seiner Reise durch Oberſchleſten (1783)
498

bemerkt, und ließ dies durch das breslau'sche Ober-


Conſiſtorium in allen Kirchen verbieten, mit dem Zu
fage , nur vor Gott müſſe man das Knie beugen.
Voll des (im Allgemeinen freylich durchaus fal=
fchen) Gedankens, daß Preußen nur durch sein ſtehen
Des Heer furchtbar sey, hatte dies Friedrich mit
jeder Vergrößerung, mit jedem Zunehmen seiner
Macht, verhältnißmäßig verstärkt. So kam es, daß
dasselbe 1784 nicht weniger als 130 Grenadier-, 580
Busketier und 215 Fuselier- Compagnien , und 235
Schwadronen enthielt, welche über 39.000 Mann
Reiterey und fast 164 000 Mann Fußvolk zählten.
In jedem Theile der Erde ward desKönigs Name
genannt, und selbst in den entlegenften Gegenden, nicht
nur Europa's, fondern fogar des fernen Indien vers
breitete fich der Ruf seiner Thaten , und erma:b. ihm
Hochachtung und Verehrung. So erhielt dieser merk
nurtige König einst ein Schreiben des Fürsten (Gene
ral Capitáns) der Mainotten, der, begeistert durch das.
jenige, was er von Friedrich's Tapferkeit , militári
scher Geschicklich eit und freyen Gesinnungen vernom
men, mit der sonderbaren Bitte sich an ihn we déte:
Er möchte doch so gut ſeyn, zu ihm za kommen, und
ihm helfen Morea erobern." *) - Wirklich sollen dies
fem lakonischen Briefe Bemerkungen beygefügt genes
fen seyn, aus welchen der Beweis hervor ging , daß

* Fragmente über Friedrich den Großen , zur


Geschichte seines Lebens , seiner Regierung , und
feines Charaktersz von dem Ritter von Zims
mermann. (3. Band, S. 234 ; Leipzig, 1790,
weidmann'sche Buchhandlung.)
499

jener Mainotte große Feldherrntalente besaß ; er foll


unter andern gründlich gezeiz : haben, 20 000 Preuf-
sen seyen sehr wol im Stande, den ganzen Peloponnes
gegen diegesammte Macht der Osmanen zu behaupten ;
auf eine recht geschickte Art foll er ferner die Lage aller
Berggegenden und die Beschaffenheit aller engen Påе
bemerkt haben, deren man ſich bedienen könne, beyfü-
gend, wie schon die alten ehrwürdigen Hellenen diefe
Orte in ihren Kriegen benüßt hatten . > Daß Fried.
rich keinen Beruf zur Eroberung Merea's fühlte,
läßt sich leicht denken.
Auch von Hyder Ali ward um das Jahr 1773
eine zahlreiche Gesandschaft , mit vielen Geschenken
versehen, an Friedrich abgesendet. Kaum zu Bas-
fora indeß angelangt, raffte die Pest fast alle diese Ins
dianer weg und der Rest des Gefolges, den Gesand.
ten selbst für todt haltend, entfloh mit allen Koßtbarkei-
ten. Dieser aber erholte sich wieder, und eilte, ſich
auf seine Briefe und das Beglaubigungschreiben ver
lasfend, nach Preußen . Sein Auftrag ging dahin,
dem Könige gegen Überlassung einer Anzahl preußi
ſcher Unteroffiziere an den indischen Fürsten, und fo
vieler Gewehrfabrikanten , als zu haben seyen, einen
Hafen in der Nähe von Goa einzuräumen , und ihm
zugleich den ausschließlichen Handel auf seiner Küste
zu versichern. Das Creditiv war in der Hoffprache
des Hyder Ali, das ist in perſiſcher Sprache, geſchrie.
ben, und wurde zu Halle überſeßt. - Die Antwort,
lateinisch abgefaßt, war überaus höflich, obſchon man
Das Anerbieten ablehnte. *)

*) Den Ausdruck der hohen Meinung , welche der


500

Noch einmal erschien Friedrich , schon 72


Jahre fühlend , auf der pofitischen Schaubühne.
Bftreich, immer darauf bedacht, Bayern an sich zu
bringen, war mit dem schwachen Churfürsten dieses
Landes in Unterhandlung getreten , um dasselbe, fo
wichtig für den Kaiser , gegen die entlegenen Nieder-
fande einzutauschen. Der Herzog von Zwenbrücken,
durch nichts zu überraschen oder zu überreden ver
mocht , wendete sich, voll Vertrauen , an Preußen,
das ihm schon einmal Hülfe gewährt. Friedrich's
fraftvollen und ernsten Schritte zu Wien, Petersburg
und Paris , brachten Östreich zu der Erklärung,
dieser Tausch, den es als für beyde Theile nüglich,
betrachtet, müſſe nur von dem freyen Willen beyder
Bartheyen abhängen. -- Obschon Kaiser Joseph
der II. durch Frankreich , seinen Verbündeten , ere
flåren feß, der wiener Hof habe jenen Plan , des
Widerspruchs des Herzogs von Zweybrücken wegen -
völlig aufgegeben, fo weigerte sich das kaiserliche
Cabinett dennoch, hierüber eine beſtimmte und be-
friedigende Erklärung zu erlaffen.
Durchdrungen von dem Gedanken wenn man
nicht bey Zeiten gute Maßregel ergreift , die alten
Einrichtungen Teutschlands bey Kraft zu erhalten,
fo wird der Kaiser es benügen , im ganzen Reiche
feinen Despotismus zu gründen,“ entwarf Fried-

König von Candy ( auf der Insel Ceylon) von


Friedrich hegte , verdient hier eben alls anges
führt zu werden. Er sagte nämlich einſt: ,, Wahr-
lich ! Ich will ihm die Stelle meines ersten Felbs
herrn anbieten !
501

rich den wol durchdachten Plan zu einer Verbin.


dung teutscher Fürsten , um einen Damm zu segen
den Anmaßungen Östreichs. Diese Punkte," sagt
der König in dem Entwurfe, müssen alle Fürsten
zu dem Bündniß vereinigen , weil sie einerley Jn =
teresse haben , und weil , laffen sich einige ihres
Gleichen unterdrücken , die Reihe ganz gewiß auch
an sie kommen , und ihnen weiter nichts bleiben
wird , als das Vorrecht der Grotte Polyphem's ;
nämlich zulegt verschlungen zu werden." Dieser
Entwurf, ähnlich jenem, welchen 1806 Napoleon
durch den rheinischen Bund zur Aufführung
brachte , ward fast von sämmtlichen Reichständen
mit Begeisterung aufgenommen, und die Folge war ·
Der so genannte Fürstenbund , zu Berlin, trog
aller Gegenbemühungen Östreichs und Rußlands,
Den 23tén July 1785, zwischen Brandenburg, Sach-
fen und Hannover abgeschloffen. Binnen wenigen -
Monaten zählte der Bund aufferdem noch 11 Theil-
haber, nemlich Chur Mainz , Trier , Heffencaffel,
Anspach, Baden, Zweybrücken, Braunschweig, Meck-
lenburg, Weimar, Gotha und Anhalt- Dessau. Der
öffentlich ausgesprochene Zweck dieser Allianz war die
Aufrechthaltung und Vertheidigung der teutschen
Reichverfassung , des westphälischen und der übrigen
noch gültigen Friedenschlüsse, der kaiserlichen Wahl-
capitulation und der sonstigen Reichgefeße. *)

Kuf diese Weise war eine Verbindung ge


schlossen, welche bey der immer mehr erschläffen=
den Verfassung des Reichs, ben ten immer wahrs
scheinlicheren Gefahren, die von dem Oberhaupte
Friedrich d. Einz. IV. 5
502

So war es denn allmählich dahin gekommen,


daß der im Anfange feiner Regierung so sehr ver-
achtete Friedrich nicht nur unter allen euro-s
päischen Monarchen vielleicht die erste Stelle ein-
nahm , sondern daß fogar von ihm , der doch nur
Preußen regierte, fast gesagt werden konnte, gegen
feinen Willen mage man nicht , auch nur einen
Kanonenschuß in Europa ertönen zu lassen. (Bekannt
ist sein, besonders in Beziehung auf die neuere Zeit,
und namentlich aufNapoleon, bedeutsames Wort:
,,Si l'on veut faire un beau rêve , il faut
être roi de FRANCE . Contre mon gré on ne
tireroit pas alors un coup de canon en
EUROPE.)
Doch, eh' wir weiter fortfahren , wollen wir
auf die Lebensart des merkwürdigen Königs einen

Felbst, den Gliedern drohten, so bald Friedrich


nicht mehr sey, auch für die Folge ein Vereinigungs
punkt zur Aufrechthalung Teutschlands und der
Selbstständigkeit feiner einz Inen Staaten geben
sollte. Wenn aber gleichwol die Absicht des Stif-
ters nicht erreicht ward, wenn der Fürstenbund
beynah gleich schnell verschwand , als er entstan=
den, so ist die Schuld nicht Friedrich's , sie ge=
bührt denen , welche durch den alles verpestenden
Egoismus, die große Krankheit der Zeit geblens
det, nicht mehr für das allgemeine zu fühlen vers
mochten , die unbekümmert um das Ganze , nur
für ihren besondern Vortheil sorgen zu müssen
wähnten , nicht bedenkend , daß sie dadurch am
fichersten ihr eigenes Verderben bereiteten, ”
(Saalfeld. )
503

Blick werfen. Nicht leicht sagt Funke - hatte


wol ein Monarch eine einfachere Art zu leben , als
Friedrich *). Wenn er des Morgens erwachte, ¡rg
er sich gleich auf dem Bette Beinkleider , Strümpfe
und Stiefel selbst an, trat dann vor das Kamin,
wechselte das Hemd , und seßte sich , nachdem er sein
Kafaquin angezogen , an den Tisch , worauf die in der
Nacht angekommenen Briefe lagen. Während er diese
ansah, wurde ihm der Haarzopf zu recht gemacht.
Briefe von bekannter Hand , und die ihm etwas Ange=
nehmes zu enthalten schienen , las er er durch , und
behielt sie an sich ; die übrigen schickte er an den Kabis
netrath, der einen Auszug daraus machen mußte.
Sedann stand er auf, wusch sich, feßte seine Haartour
auf, und frisirte fein Haar stehend felbst , wobey ihm
ein Spiegel vorgehalten wurde. Nun setzte er den
Hut auf, und ging in das Przimmer , um dem Adju-
tanten denRappot abzunehmen. Hierauf trank er erst
faltes Wasser, her". Kaffe, und dann ergriff er die
Flöte, und blies auen-erdig gelernte Stücke, aus einem
Zimmer in das andere spazierend , meistens aber fan-
tafirte er und dachte dabey über allerley Sensiånde
nach. Er sagte einst zu d'Alembert , daß er oft nicht
Daran denke, was er spiele , daß ihm aber während
des Fantasirens schon mehrmals die glücklichsten Ge
tanken , auch über Geschäfte, eingefallen wåren. Um
zehn Uhr legte er die Flöte weg, und las den ihm von

*) Benn wir die beyden schwedischen Helden , den


edeln Gustav Adolph , und besonders den rits
terlichen Karl den XII. , ausnehmen , vielleicht
Hein einziger,
5 *
504

dem Kabinetrath eingeschickten Auszug aus den Brie-


fen und Bittschriften , gab dem Kommandanten die
Parole, und ließ die Kabinetråthe, welche den münd-
lichen Vortrag bey ihm hatten , einen nach dem andern
zu sich kommen, ihnen angebend, was aufjeden Brief
geantwortet werden sollé. Nachdem dies geschehen war,
zog er sein Kasaquin aus , bestrich die Haare mit Pos
made, ließ Puder darauf schütten, wiſchte das Gesicht
mit einer Serviette ab , und legte die Uniform an.
Nun schrieb er entweder. Briefe , oder las mit laus
ter Stimme in einem Buch , oder blies noch etwas
auf der Flöte , bis zwölf Uhr , wo er zur Tafel ging.
Diese dauerte zuweilen bis vier Uhr und långer ; ge:
wöhnlich aber nur bis gegen drey Uhr. Nach Tiſche
blies er wieder etwa eine halbe Stunde die Flöte, un-
terschrieb alsdann die im Kabinet abgefaßten Briefe,
und trank Kaffe. Um vier Uhr, wo dies vorbey zu feyn
pflegte, las er eine Stunde , dann kam ſein Vorleser,
mit dem er sich bis 6 Uhr unterhielt, und nun ging
das Concert an. Darnach föräch und diſputirte er
noch mit gelehrten Gesellschaftern , gab auch wol ein
Abendessen, und ging mehrentheils gegen zehn Uhr zu
Bette. Beym Auskleiden und Anlegen der Nachtkleider
bedurfte er der Hilfe ſeines Kammerdieners wenig.
Im Schlafzimmer blieb, auffer dem Favorithund, der
mit ihm im Berte ſchlief, Niemand bey ihm'; auch
brannte kein Nachtlicht darin. Nur im Vorzimmer
wachten zwey gemeine Bedienten . In den vier Win
termonaten stand er zwischen fünf und sechs Uhr auf,
aber vom März an alle Wochen etwas früher, und zur
Zeit der Musterung wol vor drey Uhr.
Von dieser Lebensordnung wis er nur im Noth-
505

fall ab. Die Revúen , die Reifen , die Karnevalluft-


barkeiten verursachten einige Änderungen. In den
Stunden , die er zum Lesen bestimmt hatte, arbeirete
er auch seine Schriften aus. 91 **
Die Simplicität des Königs erstreckte sich auch
besonders auf seine Kleidung. Als Prinz liebte er in
dieser Hinsicht Bequemlichkeit und Schönheit, und er
trug oft bürgerliche Kleidung ; aber nach Antrit der
Regierung hatte er weder Schlafrock noch Pantoffel ;
feine tägliche Kleidung war die Uniform feines Garde
regiments zu Fuß, und nur ben großen Feierlichkeiten
zog er die reiche Uniform dieses Règiments” an. Mit
dem Alter nahm die Gleichgültigkeit gegen feinen An-
zug zu . Er achtete es nicht , wenn der Hut ganz fáhl,
die Uniform abgetragen und gefickt , und die Wäsche
zerrißen war. Der starke Gebrauch des Schnupftabacks,
wovon er beständig zwey Dofen voll in den Taſchen
trug , und die wenige Reinlichkeit die er bey Tafel
beobachtete, brachten Schmutz und Flecken auf seine
Kleider. Die Stiefel ließ ernie schwärzen . Wie schlecht
überhaupt feihe Garderobe bestellt war , kann man
schon daraus ersehen , daß nach seinem Tode der ganze
Vorrath für vierhundert Thaler an einen Juden ver-
kauft wurde, und daß man unter seinen Hemden kein
einziges ganzes fand , um seinen Leichnam anständig
darin zu kleiden , zu weichem Zweck ſein Kammer-
diener eins von den n feinigen hingab.
Mit dieser fast eynishen Sorgföfigkeit in An-
sehung der Bedeckung und Reinlichkeit des Körpers
fontfaftitte sein Geschmack ,an prächtigen Juwelen auf
eine feltfame Weise.
Große Talente sind nie ohne verhältnißmäßige
506

Stärke der Sinnlichkeit. Die Natur scheint Feinheit


und Reigbarkeit des Emfindungvermögens unzer-
trennlich an Vollkommenheit der geistigen Kräfte zu
knüpfen. Auch Friedrich war für den Genuß finn-
licher Freuden aller Art äußerst empfindlich. Den
Zauberbecher, ben Venuß ihm darreichte, leerte er
in seiner Jugend mit vollen Zügen *) ; daher verließ
er im männlichen Alter den Dienſt jener Göttin, und
suchte noch einige Zeit Erfaß dafür in der griechisch-
platonischen Liebe. Am längsten blieben ihm die Vers
gnügungen der Tafel, die er nicht weniger ſchäßte, und
in reicherem Maaße genoß. Zwar klagt er schon um
Die Zeit des siebenjährigen Krieges in Briefen an feine
Freunde, daß er den reißenden Soupers entfagen müſſe,
weil sein Magen nicht mehr so gut verdaue, wie ſonst;
aber des Mittags befriedigte er feinen Appetit mit
desto weniger Zurückhaltung. Es ist aus der Geschichte
feiner legten Krankheit bekannt, wie sehr er durch
diese unenthaltsamkeit seine Zufälle verschlimmerte.
Nicht von der Menge der Speisen — denn er aß nicht
unmäßig , fondern von der Art derfelben und ihrer
Zubereitung rührten die Beschwerden her, die er fic
durch seine Mahlzeiten öfters zuzog. Schwerverdau-
liche, fetteund Barkgewürzte Speisen waren seine Lieb

- *) Hierzu mag vielleicht die. Strenge feines Vaters


mittelbar ſtark beygetragen haben (f. 3im:
mermann, Fragmente über Friedrich den
Großen, 1. Band S. 44). Bas indeß den fol-
genden Punkt betrifft fo bat aim mierman n
diese fast allgemein als Thatsache angenommene
unwahrhet in dem eben erwähnten Werke
durchaus wilderlegt, del
507

linggerichte. Den Küchenzettel, der ihm allemal des


Abends für den Mittag des folgenden Tages gebracht
wurde, ånderte er öfters selbst ab, und wenn Speisen
Darauf angezeigt waren , die er gern aß, so besah er
ihn des Morgens mehrmals mit geheimem Wolgefallen,
und konnte die Malzeit kaum erwarten, indem er als
dann wol eine Viertelstunde früher anrichten ließ.
Besonders hielt er auch viel auf feines Obst , und
wandre beträchtliche Summen an , um es beständig
und zur ungewöhnlichen Jahrzeit zu haben. Er tranf
bey Tifche viel, gewöhnlich Bergerak mit Wasserver-
miſcht , zuweilen champagner oder ungarischen Wein.
Seine Tischgesellschaft bestand - in der Regel aus
fieben bis zehn Personen, die er selbst täglich bestimmte.
In diesem Birkel und in diefer Lage war er ungemein
aufgeräumt ; er unterhielt die Gesellschaft faßt ganz
aftein, erzählte allerleyscherzhafte Anekdoten, und wenn
ihn der Wein gegen das Ende in einen eraltirten Zu-
stand gefeht hatte, fo ward fein Wig oft faunenartig,
und dann nannte er gewiffe natürliche Dinge auf gut
foldatisch bey ihren eigentlichen Namen. Aber nie sah
manihn wirklich trunken , auch sprach er stets französ
fisch, und hütete fich, seine Gäste zu beleidigen , ob er
fich gleich über einen und den andern, der Gelegenheit.
dazu gab, gern lustig machte. Als er die Soupers nicht,
mehr mit halten konnte und doch den Genuß des
damit verbundenen geselligen Vergnügens zu haben
wünschte, bat er, vorzüglich im Winter; manchmal eine
fleine Gesellschaft zusammen, fezte sich in einiger Ent-
fernung von der Tafel, und zerstreute sich und die
Gäste, während diese aßen, mit muntern Gesprächen.
Ein Herz, daß jeder Freude so offen stand, konnte
508

unmöglich der Freundschaft verſchloffen seyn. Fried-


rich hatte das Glück, welches Königen felten zu Theil
wird feines liebenswürdigen Charakters wegen aufs
richtig geliebt zu werden; aber bey Weitem liebten
ihn nicht alle , denen er sein Vertrauen schenkte , und
die er in den engern Kreis seiner Bekanntschaft auf-
nahm. Wen er aber einmal als wahren Freund erkannt
hatte, dem war er miteiner Zärtlichkeit zugethan, wie
man sie unter Personen gleiches Standes kaum findet.
Wir können uns nicht enthalten, hiervon ein Beyſpiet
vorzulegens das den Charakter des Königs von einer
nicht allgemein bekannten Seite ebèn ſo treu als vorz
theilhaft darstellt. Der alte General Fouqué war
einer feiner Jugendfreunde, und gehörte zu den wenis
gen , die des Prinzen Freunſchaft #4 nicht aus Eigen-
nuß , nicht um ſich dadurch bey andern geltend zu
machen, sondern aus inniger Buneigung fuftivirten.
Friedrich's Gegenliebe entſprach diesen Gesinnungen
vollkonemen, woven sein Briefwechsel mit ihm ein schön
nes Denkmal ist. Hier sind ein Paar feiner Briefe.
aus den spätern Jahren : pins
den 30ren July 1763.6 %
Das, was ich Ihnen gefchickt habe *) , ist Ihnen
angenehm gewesen ? Nur das wünschte ich ja, und est
war meine Absicht , mein Lieber, phal 179
Sie wundern ſich darüber, daß ich Sie liebe ?
Das follten Sie vielmehr dann thun, wenn ich einen:
Officier, der sich Ruhm erworben hat, einen redlichen
Mann, der über dies mein alter Freund ist, niqt
liebte.

**) Es war eine Porceltan - Servics.


509

Ich wünschte, daß Ihre Gesundheit ganz wieder


hergestellt würde, und gestehe Ihnen, daß ich dieHoff-
nung dazu noch nicht aufgebe. Sie müssen sich pflegen,
und sich das Leben bequem machen. Durch Ruhe, China
und Kräuter werden Sie Ihre Kräfte- schon wieder
erlangen.
Sie können in Brandenburg bleiben , so lange
Sie wollen ; indeß müssen Sie mich bisweilen besuchen.
Es ist ja nicht weit ; und wenn Sie mich nur wiſſen
laffen , daß Sie kommen wollen , so werde ich Ihnen
meine Pferde auf den halben Weg entgegen schicken.
Leben Sie wol mein lieber Freund. Von ganzer
Seele der Ihrige.
den 1. Juny 1764.
Ich schreibe Ihnen deshalb nicht eigenhändig,
mein lieber Freund, weil ich die Gicht in der linken
Hand habe. Vielleicht sagen Sie: ich fónne ja die
Feder recht gut mit der rechten Hand führen ; aber tas
1 Papier würde sich verschieben , und ich will Ihren
Augen nicht mit einem Kråhengekrigel beschwerlich
feyn.
Dieser sehr ungelegene Zufall hat mich verhin
dert, die Regimenter in Pommern und der Neumark
zu sehen, und mich genöthigt, die Revie über die Maz
deburgischen zwey Tage aufzuschieben.
Ich werde , wenn ich durch Brandenburg gehe,
ohne Umstände als ein alter Freund bey Ihnen ein-
kehren. Den 4ten Mittags bin ich da. Ich bringe nur
einen einzigen Freund mit, der Ihrer Freundschaft und
Achtung würdig ist; und also werden wir , wenn Sie
es für gut finden , nur unsrer drey ſeyn. Um mich fatt
zu machen, braucht es nicht viel. Ich verlange nur eine
510

gute Suppe, eine Schüffel Spinat , ein freundliches


Gesicht von dem Wirth, und diesen bey guter Geſund-
heit. Den legten Punkt empfehle ich Ihnen von allen
am Meisten.
Leben Sie wol, mein theuerer Freund. Ich hoffe
Sie bald meiner gänzlichen Achtung versichern au
fönnen.
„den 22ten December 1768.
Hier schicke ich Ihnen ein kleines Andenken, mein
lieber Freund. Es ist Gebrauch, daß man in Familien
einander zu Weihnachten Geschenke macht; und ich
fehe Sie an, als gehörten Sie zu der meinigen, theils
weil Sie ein rechtschaffener Mann, ein biederer Ritter
ohne Furcht und Makel , theils weif Sie mein alter
Fraund find.
Sorgen Sie gehörig für Ihre Gefundheit, damit
ich meinen guten und alten Freund so lange als möglich
erhalte, und noch oft das Vergnügen habe, Sie münd
lich versichern zu können , wie sehr ich Sie liebe und
achte."
Doch,man kömmt in Versuchung, alle dieseBriefe
bzuschreiben, wenn man Beweise von seinem zårt
lichen, ganz für Freundschaft gestimmten Herzen geben
will. Rührend ist es, zu sehen, wie der König mit
feinem alten Franken Freunde so zu sagen den legten
Bissen theilt. Er schickt ihm ein Stück von einer
Perigorder Pastete," die er alle Jahr nur einmal für
fich selbst kommen ließ; ,,ein Fläschchen Balsam von
Mekka " das ihm der türkische Gesandte Effendi
geschenkt hatte; ,,die lehte Flasche ungarischen Wein,“
die man noch von seinem Großvater her in Keller
tand ; ,,das Neue vom Jahr einige Vorkost ; „ Trau=
511

ben und andere Früchte aus seinem Garten ," und


dergleichen mehr.
Doch wir schließen hier die kurze Schilderung der
Privatverhältnisse des Königs, auf die wir ohnedieß
fpåter zurückfommen werden.
Sein lehtes bedeutendes Werk wat die Bildung
der Fürstenbundes gewesen. Um die Mitte des
Jahres 1785 zeigte sich bey ihm eine merkliche Ab-
nahme der Kräfte, und feine körperlichen Schmerzen
wurden anhaltender und bedenklicher , als sie je zuvor
gewesen waren. Denn gichtische Anfälle und andere
Folgen einer vernachläßigten Lebensordnung beschwer.
ten ihn bereits seit vielen Jahren ; doch jest zeigten
sich Spuren einer tödtlichen Wassersucht. Im August
1785 reifeie er noch zur Revue nach Schlesien , hielt
die Musterung bey sehr üblem Wetter, und zog sich
Dadurch ein Fieber zu. Er kehrte unter anscheinender
Besserung zurück, sah aber diese Provinz nie wieder.
Auch hinderte ihn das Podagra , den Kriegübungen
bey Potsdam beyzuwohnen . Den 18ten September
ward er plöglich von einem Stickfluß befallen , aus
dem er nur durch schleunige Hilfe gerettet zu werden
vermochte , und von dieser Zeit an begann die eigent="
liche Entwicklung feiner Krankheit. In den ersten
Monaten des Jahres 1786 verschlimmerten sich alle
Umstände sehr. Die Füße schwollen bey Tage slark an,
und er konnte nicht mehr liegen , sondern mußte fast
immer vorwärts gebückt sigen. Die Spuren der Waſſer-
sucht waren nicht mehr zu verkennen . Die Kräfte nah-
men immer mehr ab , und die Anfälle der Engbrüftig-
feit waren mit einem Röcheln, und mit kaltem Schweiße
im Gesicht, verbunden .
512

Den 17ten April faßte der König den Entschluß,


sich von Poredam nach Sansouci zu begeben , und im
Hinfahren einen Umweg von einigen Meilen zu machen,
was ihm in Wirklichkeit wenig geſchadet zu haben
schien. Auch versuchte er um diese Zeit einigemale zu
reiten, welches ihm indeß beschwerlich fiel, und ihn
sehr ermüdete.
Da sich sein Zustand immer mehr verschlimmerte,
beschloß Friedrich, den Hofrath Zimmermann
von Hannover zu sich Fmmen zu lassen, der damals in
dem Rufe großer Geschicklichkeit stand. Den 24ten
Juny hatte derselbe seine erste Unterredung mit dem
Könige, der ihm fogleich bemerkte: Sie sehen mich
fehr Frank."/ - Den Blick Ew. Majeſtåt , erwiederte
Zimmermann, finde ich seit 15 Jahren, da ich die Ehre
hatte, Sie hier zu sehen, nicht verändert ; in den Au-
gen Em. Majestát sehe ich keine Veränderung ihres
Feuers und ihrer Kraft. - ,,O! ich habe ſehr gealtert,
-
und bin sehr frank," sagte Friedrich. Teutsch-
land und Europa werden nicht gewahr, daß Ew. Maje
-
ftat alt und Frank find. Meine Geschäfte gehen
ihren gewöhnlichen Weg." Ew. Majestät lehen
des Morgens um 4 Uhr auf, und verlängern und ver
doppeln dadurch Ihr Leben. Ich stehe nie auf, denn
ich gehe nie zu Bette. In dem Lehnstuhl, wo Sie mich
sehen, werden meine Nächte hingebracht. . Man
´kann mich nicht heilen , nicht wahr ?“ — Erleichtern,
Sire.
Zimmermann erkannte sogleich, daß die Deit
des Königs unheilbar fey. Da er Verstopfung der Eins
gemeide des Unterleibes als die Grund- und Haupt
quelle derfelben betrachtete, so rieth er vorzüglich zum
513

anhaltenden Gebrauch des zur Honigdicke eingekochten


1 Safts vom Löwenzahn , den der Monarch auch einige
Beit, jedoch ohne Erfolg, gebrauchte. Dies veranlaßte
denselben, den Hofrath Zimmermann den 11ten July
zu verabschieden, was jedoch auf sehr huldvolle Weife,
Hnd namentlich mit den Worten geschah : ,,Vergessen
Sie den guten alten Mann nicht, den Sie hier geschen
haben.".
Zimmermann gibt in seiner Schrift ,,über Fried-
rich den Großen und meine Unterredung mit ihm,"
eine Schilderung der damaligen Lebensweise des Moz
narchen, die wir nicht umhin können, hier aufzuneh
men. ,,Seitdem seine Krankheit so mächtig und ge-
fahrvoll ward. fagt derfelbe - ging er einige Stun-
den früher an seine Arbeit. Anstatt daß seine Kabinet-
sekretåre sonst erst des Morgens um ſechs oder sieben
Uhr kamen, verlangte er sie jest immer des Morgens
um vier Uhr. „ Mein Zustand “ (dies waren die ewig-
merkwürdigen Worte, womit Friedrich feinen Se
kretáren diese Neverung ankündigte) ,,nöthigt mich,
Ihnen diese Mühe zu machen, die für Sie nicht lange
dauern wird. Mein Leben ist auf der Neige ; die Zeit,
die ich noch habe, muß ich benüßen. Sie gehört nicht.
mir , sondern dem Staate."/
Also jeden Morgen um vier Uhr, nachdem ein Ada
jutant zuerst den Rapport abgestattet , brachte ein
Kammerhusar dem König alle während der Nacht von
Berlin eingekommenen Berichte seiner Minister und
Generale, Depeschen seiner Gesandten , und Briefe
aus allen seinen Låndern . Dies sämmtlich besah und
sonderte der König. Aufdie eine Seite legte er Alles,
was er felbft leſen wollte, auf die andere Seite Alles,
Friedrich d. Einz. IV. 6
514

woraus ihm seine drey Kabinetsekretäre referiren muß


ten. Alsdann wurden die Kabinetſefretåre gerufen,
die also nunmehr jeden Morgen um vier Uhr von Pots,
damm nach Sanssouci kamen. Der König übergab
ihnen Alles, was sie leſen ſollten. Sie gingen dann in
ein Zimmer außer dem Schloß , laſen dasselbe , und
machten aus Allem kurze Auszüge. Judeſſen las auch
der König alle seine Briefe. Sodaun wurden die drey
geheimen Kabinetsekretäre , einer nach dem andern,
verlangt; jeder hatte Papier und Bleystift in der
Hand. Zuerst diktirte der König alle Resolutionen,
die er auf die von ihm selbst gelesenen Briefe genom-
men hatte. Dann referirten sie aus den Briefen, die
fie gelesen und in der Geschwindigkeit excerpirt hat- a
ten, und der König diktirte ihnen seine Resolutionen,
Befehle und Briefe , mehrentheils Wort für Wort.
So ward gewöhnlich, von vier bis sechs oder sieben
Uhr des Morgens, von einem einzigen, tödtlich kran-
fen , Manne , ein ganzes Königreich regiert , und so
wurden zugleich alle seine auswärtigen Geschäfte durch
ganz Europa abgethan. Nun verfügten sich die Ka-
binetsekretäre wieder heim nach Potsdam, und ſchrie-
ben Alles in's Neine , was ihnen der König diftirt
hatte, und dies ward ihm des Nachmittags zur Unter-
fhrift gebracht. Aber auch da geschah wieder nicht, was
wol oft bey den Regierungen der Staaten geschieht ;
alle diese Briefe und Befehle las der König noch ein-
mal durch, bevor er feinen Namen darunter feßte.
Müßig seyn und Langeweile haben, konnte also
der König schon um sechs oder sieben Uhr des Mor-
gens, wenn er wollte ; aber dies wollte und konnte er
nie, und dies will und kann auch kein König.
515

Um diese Zeit war der Küchenzettel für die Mit


tagmahlzeit gebracht , denn des Abends aß der König
nicht. Alle Produkte seiner Gärten und Treibhauser
aus den lehten vier und zwanzig Stunden, brachte man
Ihm jeden Morgen , auch um diese Zeit ; ich sah sie
immer, in großen Körben, auf den Commoden und Ti-
fchen seines Vorzinrmers liegen, und ſtahl dann auch
Daraus bisweilen dem König eine Kirche. Es waren
die schönsten und ausgesuchtesten Früchte in großer
Menge; Kirschen, Trauben, Melonen, Pfirfchen, Abɩi-
kosen, Feigen, Zwe.schen, und Pisangs ; auch sogar
Eeine Kirfche durfte einen Fleck haben. Gewöhnlich
aß der König von diesen Früchten.
Mehrentheils hatte der König, wenn ich um acht
Uhr kam, ein Buch in der Hand; etwa einen französ
fisch überfesten Schriftsteller aus dem Alterthum, oder
irgend etwas aus der neuern Geschichte. So er-
bärmlich schwach war die hand des Königs, daß er nicht
mehr vermochte , einen mäßigen Octavband in der
Hand zu halten ; er ließ deßwegen alle zu dicken und
zu schweren Octavbände zerstückeln , und in kleinere
Bånde binden. Ich blieb von acht Uhr an bey dem
Konig, so lange er es für gut fand, und mehrentheils
eine halbe, auch wok eine ganze Stunde.
Nach mir kam der Commandant von Potsdam,
Die Parole abzuholen ; dies war mehrentheils eine
Augenblicksache, denn frühe um vier Uhr ward schon
Durch einen Offizier, von Allem was an den . Thoren
von Potsdam und in der ganzen Garnison vorgefallen,
Der Rapport abgeleget. Zwischen neun und elf uhr.
kamen dann Adjutanten und Offiziere, und Andere, die:
etwa Der König noch sprechen wollte.
6*
516

Nach elf Uhr erschien die Tischgesellschaft des


Königs; der Herr Graf Lucchesini ; der Herr General
Graf von Görz ; vom Anfange meines Aufenthaltes
bis beynah' zum Ende, der Herr Oberstallmeister
Graf von Schwerin ; vom Ende meines Aufenthaltes
bis zum Tode des Königs, der Herr Miniſter von Herz
berg; gewöhnlich auch der Obrist von den Ingenieurs,
Herr Graf Pinto , ein Piemonteser ; und zu diefen,
bald diese bald jene Generale und Staaboffiziere. Es
war sonderbar, daß der König diejenigen Herren, die
Jahr aus Jahr ein mit ihm aßen; doch jeden Morgen
von Neuem zum Eſſen bitten ließ.
Die Mittagmahlzeit dauerte. zuweilen nur eine
halbe Stunde, mehrentheils eine, auch wol anderthalb
Stunden. Der König aß fast immer mit starkem Up-
petit , und immer zu viel. Er trank einen weißen,
füßen und etwas prickelnden, französischen Wein von
Bergerac in sehr måßiger Quantität.
Nach Tafel schlief er mehr und weniger, aber im-
mer nur auf kurze Weile. Dann trank er einige Taf=
fen Kaffee, wie res Morgens. Hierauf feßte er sich
zuweilen auffeine Terraſſe in die Sonne, oder amuſirte
sich mit etwas. So hatte er zum Beyspiel Juwelirer,
Steinschleifer, und andere Künstler bey sich. Ein
mal, als ich in Potsdam war, besah ich seine Juweien;
sanenschäßte den Werth von denen , die er bey in sei-
nem Zimmer hatte, von vier bis fünf Millionen
Thaler.
Für drey Uhr war ich gewöhnlich bestellt. Wenn
aber der König Geſchäfte hatte, oder noch schlief, wet-
ches ein paarmal widerfuhr, so ward ich um halb vier
Uhr oder auch später hineingerufen . Die Audienz
517

dauerte eine halbe Stunde, eine ganze Stunde, und


bisweilen långer.
Dann fingen die Geschäfte wieder an. Die
Briefe wurden zur Unterschrift mitgebracht. Einmal
sah ich, in den ersten Tagen, den Herrn Minister Gra
fen von Finkenstein zum Könige gehen ; um diese Zeit
erhielt der ruffische Gesandte , Fürst Dolgorucki , feine
Abschiedaudienz. Zuweilen , wenn ich heraufging,
kamen Offiziere von dem Ingenieurcorps , mit großen
Planen nnd Riffen , zu dem König.
Die Gefährten der Abendstunden des Königs er-
schienen um halb ſechs Uhr, und nur selten etwas ſpå-
ter: Diese Herren waren immer der Kammerherr
Graf Lucchesini und der General Graf von Górz. So
lange ich in Potëdam war ist auch mehrentheils, und
während seines ganzen Aufenthaltes , der Herr Ober-
ſtallmeister Graf von Schwerin von dieser Geſellſchaft
des Königs gewesen. Ihm folgte zwey Tage vor mei
ner Abreise aus Potsdam , der Herr Minister von
Herzberg, der, ebenfalls wie der Graf von Schwerin,
bey dem Könige wohnte, und in Sanssouci bis an den
Tod des Königs blieb. Mit dieſer Geſellſchaft unter-
hielt sich der König , mehrentheils heiter und froh,
und immer auf eine höchst interessante Art, bis acht
Uhr. Dann speisten diese Herren unter sich, und
ter König ließ sich durch einen jungen Menschen aus
Berlin', bald etwas aus Cicero oder Plutarch , bald
aus Voltaire , vorlesen , bis er einschlief, gewöhnlich
bis zehn Uhr."
NachZimmermanns Verabschiedung ließ Fried-
rsich den geheimen Rath Selle von Berlin wieder
kommen, der ihn zuerst in dieser Krankheit behandelt
518

hatte. Es war unmöglich, ihm die Gefahr der Waffer=


sucht zu verbergen, und es bieb dem Ärzte weiter nichts
übrig, als dem Monarchen die nahe Gefahr des Todes
nur als entfernt zu zeigen.
Am 4ten August zeigte sich plößlich eine rosex
artige Entzündung des linken Schienbeins , welche
bald die ganze Wade einnahm, und wobey sich die Ober-
haut in Bläschen erhob, die sehr viel Feuchtigkeit von
fich gaben. Mit dem Eintritte dieser Entzündung ver-
for fich die Säure, Appetit und Schlaf würden ſehr
gut, und die innern Krämpfe ließen ganz nach.
Der heftigen Entzündung und der zu befürchten-
den Fäulniß wegen wurden beständig antiseptiſche Fo>
mentationen angewendet. Desfenungeachtet verlor der
König auf diesem Wege täglich mehr als ein Quart
Feuchtigkeit. Obgleich der Geruch der ausfließenden
Feuchtigkeit unerträglich ſtinkend war, und Friedrich
sichtbar an Kräften abnahm, so war er doch mit seinem
Bustande zufrieden , und schien einige Hofnung zur
Befferung zu haben , besonders da die Geschwulst zu
sehends abnahm, und sich keine Gefahr des Brandes
zeigte.
Ein fremder Officier , welcher um diese Zeit in
der Absicht , den König zu sehen, in den Garten von
Sanssouci ging, erblickte ihn durch eine Hecke, einſam
figend auf den Stufen vor dem Schloße , in Uniform,
halb mit einem Mantel bedeckt, einen großen Federhut
auf dem Kopf, an dem einen Fuß einen Stiefel , den
andern , woran er zu leiden ſchien , ohne dieſe Bekiei-
dung und ausgestreckt ; er liebföfete einen Hund, und
erquickte sich an den Strahlen der Morgensonne. Dieß
war etliche Tage vor seinem Tod . - - Es muß hier,
519

als sehr charakteriſtiſch angeführt werden, wie er, auf


Simmermanns Frage, ob derselbe eine Fenstergardine,
des Sonnenlichts wegen, zuziehen solle , antwortete:
Nein, nein! Ich habe immer das Licht geliebt !"
Der vorhin geschilderte Zuſtand dauerte vom
Eintritte der Entzündung an nen Tage. Der König
aß mit aufferordentlichem Appetit , und man zitterte
Für die Folgen davon. In der That bemerkte man schon
in der Nacht vom 12ten zum 13ten August fieberhafte
Bewegungen und unruhigen Schlaf , und er war den
Tag über wenig munter. Nachmittags ließ das Fieber
nach ; es erhob sich aber wieder gegen die Nacht , und
fo verstrich auch der folgende Tag. Den 15ten schlum-
merte der König, wider seine Gewohnheit, bis 11 Uhr,
Da er dann wie gewöhnlich seine Kabinetgeschäfte,
zwar mit schwacher Stimme, aber doch mit ziemlicher
Aufmerksamkeit, zum leßtenmale, besorgte, und auffer
einer halben Seespinne keine Nahrungmittel mehr
zu sich nahm. Allein ſeit dieser Zeit war er sich fast
gar nicht bewußt, und in einem anhaltenden , berau-
benden Schlummrer. Die letzten Bücher, welche
er sich vorlesen ließ, waren das Leben Heinrich IV.,
und der 12 erſten Kaiser.
Am 16ten August des Nachmittags hatte zwar
der in jeder Rücksicht große Kranke etwas freyeres
Bewußtseyn, so daß er die Umſtehenden kannte, aber
doch erinnerte er ſich ſeiner-noch nicht expedirten Kabi-
netgeschäfte zum erstenmale in dem ganzen Verlaufe
feiner Regierung nicht, und dies war mehr als hin-
Tänglicher Beweis von dem hohen Grade seines übel,
befindens ; nur sterbend konnte er fähig seyn, feine
Geschäfte zu vergessen .
520

Beym Verbande des Fußes zeigte der König alles


Bewußtseyn und Gefühl, und es war nirgends eine
Spur vom Brande zu ſehen, obgleich der Geruch der
ausfließenden Feuchtigkeit kadaveris war. Sein An-
fehen war mehr roth , als blaß , und feine Augen
hatten noch nicht ganz ihr gewohntes Feuer verloren.
Als er das Bedürfniß des Stuhlgangs äußerte, konnte
er die wenigen Schritte dahin und zurück machen, und
gegen 7 Uhr fiel er auf seinem Stuhle , den er nus
fchon seit einigen Monaten weder Tag noch Nacht vers
laffen hatte, in einen fanften Schlaf und milden, war-
men Schweiß. Plöhlich stellte sich um 9 Uhr ein be-
ständiger kurzer Hußten mit karkem Röcheln auf der
Bruft ein , der nach und nach das Athemholen er-
schwerte, und Morgens den 17ten Auguſt um 2.Uhr
und 20 Minuten die Maschine dieſes auſſerordentlichen
Geistes durch einen Stickfluß zum Stillßland brachte.
Der Tod des Königs war wie sein Leben. Furcht-
los und gleichmüthig blieb er bis zum legten Zuge
feines Acheme. Vor dem Fieber glaubte sich der Mo-
narch in der Besserung ; wenigftens hatte er ſein Ziel
noch einige Zeithinausgerückt, und im Fieber war ihm
der Kopfzu sehr eingenommen, als daß er ſeine Todes-
gefahr håtte bemerken können. Auch hatte er zu oft von
diesem mit Röcheln verbundenen Husten gelitten , als
Daß er ihn hatte befremden follen.
Er verfchied also ruhig und sanft, und seine ganz
unverstellten Gesichtzüge , sein ruhiger , ernster Blick,
zeigte noch im Sarg, daß er mit keineni beängstigenden
und quålenden Gedanken aus der Welt gegangen nar,
obgleich er nocheinige Minuten vor dem Tode Bewußt-
Teyn hatte.
521

DerKönig war von jeher besonders schamhaft ge-


wesen, und hatte öfters eine Abneigung gegen die Öff.
nung und Balsamirung der Leichname bezeigt. Fried-
rich Wilhelm der Zweite heiligte seinen Willen. So
einfach, als er fein Privatleben geführt hatte, ſo kunſt-
los ward er beygefeht.
Friedrich ist todt ! erschallte der Wehruf
der preußischen Völker von den Ufern der Spree zu
jenen des Rheing und der Ofljee. Ganz Teutschland,
ganz Europa , ja, alle gebildeten Nationen der Erde,
alle Freunde der Humanität, trauerten um ihn ;
die dem Todten gezollte Hochachtung und Bewunde
rung zeigten, daß man wenigstens in ihm nicht blos
ben König verehrt habe. Poppe, sagte man,
würde , jeßt wieder auflebend , aufrufen : ,,Was ist
Der Kopf eines Friedrich, gegen das Herz eines
Friedrich!" -
Lassen wir hier noch einige Stellen aus Dip-
pold's Skizzen der allgemeinen Geschichte über diesen
merkwürdigen Mann folgen : // .... Wenn der ñarbs
bedeckte, eisgraue Grenadier, der in der Glorie der
Lorbeeren von Hohenfriedberg, von Liffa, von Liegnit,
in dem Schrecken von Colin , an dem Abend von Ku-
nersdorf mit und unter ihm gestritten, oder auch nur
bey friedlicher Musterung als Flügelmann von der
Stiefelſpite ſeines vorbeyreitenden Königs gestreift
worden war, und nie ein anderes Wort , als : „ Ver.
warts!" aus seinem Munde vernommen hatte ; wenn
Dieser am Abend seines Lebens, bey'in Namen Fried-
rich, noch von der Krücke auffuhr, und mit Jünglings
gluth alle die Augenblicke schilderte , wo er seinen ge=
liebten Frig gesehen und ihn vor Freuten fast ange-
522

weint hatte , dann fühlt man, daß Eins in Fried


rich's Wesen lag, was nur teutſche Fürsten uno Helden
in so reichem Maaße haben können, das Gemüth. Dann
begreift man, wie vieles der künftige Geschichtschreiber
Friedrich's aufbieten müsse, wenn er ihn so zeigen
will , daß Alle, die das große durchdringende Herr-
scherauge sahen , die die fesselnden Worte feines
Mundes hörten, die der Bliß seines Geistes traf und
entflammte, erkennen und sagen müſſen : „ Dies ist
Friedrich ! So war er !4 .- Dies ist die alles
feffelnde Kraft des Genius, die Jeden, wider Willen,
ergreift, erwärmt, begeistert und beherrscht ! Aber
auch die Fehler und Mißgriffe dieses großen Königs
dürfen wir nicht übergehen, wenn wir nicht, ſtatt einer
wahren Schilderung, ein unfruchtbares Ideal darstel-
len wollen. - „Friedrich's Regierung war eine
Selbstregierung, und die Folgen derselben zeigten ſich
am nachtheiligsten in der Civil- Adminiſtration , die
immer mehr zur Maschine ward. Sich selbst genug,
kannte Friedrich keinen Staatrath, was in einer
erblichen Selbstherrschaft unvermeidlich dahin führen
kann, daß der Geiſt eines Herrschers ſich ſelbſt über-
lebt. Die Stärke des Staats, die in der Nation und
in der Verwaltung liegt, fah Friedrich blos in sei-
ner Armee, in seinem Schaße. Nirgends konnte daher
die Scheidemand zwischen dem Civil- und Militär-
stande so stark werden, als in der preußischen Monar-
chie, was nicht zur Stärke des Staatsgebäudes bei
tragen konnte. Indeß mag wol gefragt werden : ob
es nicht eher ein Glück für teutsche Kunst und Gelehr-
famkeit war, daß Friedrich sich ihrer nicht beson
Ders annahm , sondern sie vielmehr ihr selbst und dem
523

Volke überließ! Ein Selbstherrscher wird einer


Sprache immer schlechten Dienst erweisen, wenn er
fich mehr gegen fie erlaubt, als nur den freyen Gang
ihrer Ausbileung zu ſchüßen. Friedrich kannte den
Geist der Sprache seines Volks nicht, und so mag es
ihm zu großem Lobe gereichen, daß er sich weder für
befugt, noch für berufen hielt, sich ihr als Herrscher
aufzubringen, um in dieser großen Angelegenheit Pave
sey und Richter zugleich zu seyn. *) Um so mehr aber

Nach seinem weisen Grundfag : ,,Wer frey dens


"
ken darf , denkt wohl , ließ er der Entwicklung
der Wissenschaften freyen Spielraum. - Saak
feld spricht sich sehr wahr über Friedrich in
folgender Stelle aus: ,, Er hatte den von seinem
Vater ererbten Staat von nicht einmal drittehald
Millionen Einwohner an Umfang und Menschen=
zahl verdoppelt, das Heer aber beynah' verdrey=
facht, wiewol die Einkünfte kaum um das zivey=
fache gestiegen waren. Daher mußte, wenn gleich
die Monarchie größer geworden , weil die Ver
hältnisse im Innern dieselben bleiben , auch die
Verwaltung Friedrich's der seines Vaters åhn,
lich seyn ; dieselben Grundsäße, die unter Fried-
rich Wilhelm dem 1. gegolten, galten auch unter
seinem größeren Sohne. Dennoch aber, trog der
trengsten Dekonomie , troß der unumschränkten
Gewalt mit der Friedrich bennah' in allen
Provinzen seiner Monarchie regierte , zugleich in
derselben Sprech und Preßfreyheit , eine Tole-
rang aller reliaidsen Meinungen , eine Liberalitåt
in der Unterstügung aller nüzlichen Unstalten,
welche das drückende der unumschränkten Herr
schaft gar sehr verminderten. Nur die Finanze 1
verwaltung, streng nach den Regeln des Merkan-
524

ist anzuerkennen, daß Friedrich im größten und edek


ſten Sinne populär, daß er der Mann des Volked war.
Er lebte ganz eigentlich in Mitten ſeines Volks ; faft
an jedem Heerde fand man sein theueres Bild; Jeder
feines Volks rühmte sich Seiner , und trat ihn an,

tilſyſtems geordnet, und das Militårſyſtem, legs


teres hauptsächlich durch die Trennung der Stände
und die dem Adel im Widerspruche mit dem Geiſte
der Zeit vorbehaltenen ausschließlichen Vorrechte,
schienen låftig und machten die preußische Regies
tung im Auslande wenig beliebt. Daß der Scaat,
daß das Herr vor allen eine Maschine sey , daß
aufleßterem allein nebst einem wolgefüllten Schage,
die Kraft der Regierung beruhe , den Irrthum
theilte Friedrich mit seinen Zeitgenossen, und
wol war er verzeihlich , da er ja mit dem , nach ·
diesen Grundsäßen geordnetem Heere so Großes
ausgerichtet ; Friedrich bedachte nicht, wie vielen
Antheil an seinen Siegen der Geist gehabt , den
feine Größe dem gesammten Volke , dem Heere
vor allen, vom ersten bis zum legten mitgetheilt,
Daher ward auf die Formen in der militärischen,
wie in der bürgerlichen Verwaltung ein übertrie
bener Werth gelegt, ein Mißgriff deſſen verderbs
liche Folgen weniger auffielen, so lange des gros
Ben Königs alles durchſchauender und alles durch-
dringender Geist diese Formen belebte , der aber
desto greller hervorſpringen mußte , ſobald dieſer
Geist fehlte. Friedrich war Selbstherrscher im
edelsten Sinne des Worts, allein auch den ganzen
Staat batte er so organisirt , daß er unumgångs
lich eines Selbstherrschers ´bedurfte , sollte niat
die Kraft und das Leben aus demselben entweichen.
Wie mochte man aber immer einen solchen auf
dem Throne erwarten ? Daher, nach Friedrich's
525

denn er fand nirgends Schranken zwischen dem Vater


und den Söhnen des Vaterlandes. Und was allen
1 Tadel, allen Fehl und Mangel des großen Mannes
überstrahlt: er betrachtete sich, den König, nur als den
ersten Diener des Staats, und der große Gedanke sei-
nes Lebens war : Als König denken, leben, sterben."
Ich will nichts davon fagen, daß er teutſche Kunst und
Gelehrsamkeit nicht achtete, oder verkannte. Denn in
seiner blühenden Zeit hatten die teutschen Musen eine
kümmerliche Gestalt, die teutsche Gelehrsamkeit ein ſo
abschreckendes Äußere, daß sich Friedrich's Geist in
dieser Armuth unmöglich gefallen konnte ; und als ein
höherer Genius über sie kam, war Friedrich in fei
nem Kreise schon so einheimisch, daß er nun nicht mehr
für sie that, was er früherhin gethan haben würde."
Funke fagt hierüber : .... Kein Psychologe
Fein Kenner des menschlichen Herzens wird sich hier-
über wundern , oder deshalb von dem in anderer Hin=
sicht wahrhaft großen und edlen Charakter des Königs

des II. Tode, ging zwar anscheinend die Maschine


noch einige Zeit lang den gewöhnten Gang fort,
die alten Formen, welche dieselben geblieben, täusch.
ten noch einige Zeit lang über die Abwesenheit des
belebenden Geistes , als aber bald stürmische Beis
ten kamen, als diese Stürme auch Preußen tras
fen, da ward klar , daß der Geist gewichen und
die todte Form allein mochte nicht retten - Das
gegen aber, so lange Friedrich herrschte, gelang
es ihm allerdings , durch die Kraft und die Eins
heit seiner Maasregeln , einen rühmlichen Plak
unter den größten Mächten zu behaupten , und
trok dis Mißverhältnisses der Kräfte, dem vers
bündeten Europa zu widerstehen.“
Friedrich d. Einz, IV. 7
1
526

geringfchäßiger denken. Es liegt dies in der Natur der


Sache: wo viel Licht ist , da ist viel Schatten ; Größe
des Geistes findet sich nie ohne heftige Leidenschaften,
und ohne die davon abhangenden Fehler *) ; wo viel
gewirkt werden soll , da muß viel Kraft seyn, und wo
diese ist, da wirkt ſie ſtark und mächtig nach allen Seiten
hin, und —je nach dem es trifft — hier zum Schaden
und dort zum Nußen . Das fanfte Bächlein , das die
blumige Wiese bewäſſert, reißt nicht Häuſer um ; aber
es treib: auch weder Mühlen, noch trägt es auf seinem
Rücken reich beladene Schiffe.
,,...Um Alles zusammen zu faffen : er regierte den
Staat meistens durch Kabinetbefehle ; und wie leicht
diese zum Despotismus führen , ist bekannt.
"Wie läßt sich nun Friedrich hier entſchuldigen ?
Etwa mit dem poetischen Einfall des Herrn vonBir-
09 :
kenstock?
„Er war ein Despot,
Aber auch würdig es zu feyn.“
Oder sollen wir von ihm, wie Herder von Kaiser Jofeph
II. , fagen : Er wollte zwar das Gute, aber er wollte ei
als Despot ?" Damit würden wir der Wahrheit erwal
nåher kommen, jedoch die eigentliche Quelle des übels
noch nicht gefunden haben. Auf dieſe deutet Guibert
hin, indem er spricht : Man muß die preußische
Staaten, die durch Friedrich's Vorfahren an eine
weit despotischere Regierung gewöhnt waren, nicht mit
*) Versteht sich, der natürlichen Anlage nach ; denn
Erziehung (sowol fremde, als die, welche wir uns
selbst geben) kann sie modeln und richten. Aber
den Fürstensdhnen wird eine solche Erziehung felts
nes als andern zu Theit. ( Funke, )
527

den zarten Begriffen von Freyheit und Menschenrechten


ansehn, welche die Regenten zu Despoten machen. Diese
haben in so fern keine Schuld auf sich, als jeder von
uns in ihrer Lage eben so handeln würde - müßte. Die
Staatverfassungen sind schuld , daß ein Regent Despot
seyn kann , so bald er will; sie sind schuld , daß er
es ist, ohne es zu wiffen ; daß er es zuweilen ſeyn
muß, wenn er den Ruhm eines Selbstregierers be-
haupten will.
Friedrich machte von der ihm zustehenden
Gewalt, im Ganzen genommen, immer noch einen måßi-
gen und rühmlichen Gebrauch. Seine Absicht bey will-
kürlichen Einrichtungen und Befehlen , wenn sie auch
Die Rechte einiger oder mehrer Personen beschränkten,
war gewiß allemal gut. Er hatte ein so natürliches Ge-
fühl von Billigkeit, daß er auch nicht selten dergleichen ,
Befehle wieder zurück nahm, falls es ohne Aufopferung
eines höhern Zwecks geschehen durfte. Es war seinen
Unterthanen erlaubt, gegen ihn Prozeß zu führen, und
er selbst hatte verordnet , daß man wider ihn entſchei-
den sollte, wenn er sein Recht nicht ganz unwiderleg-
lich beweisen könnte. Was uns aber vollends alle jene
felteneren Anomalien in der Regierungart des Königs
vergessen läßt, was ihn selbst ehrwürdig und groß macht,
und von seinen vielen Verdiensten eins der vorzügliche
4 sten ist: Er duldete nicht den dreymal schwereren und
unerträglichen Despotismus der Minister, der Günft=
7 linge und der Priester. Wehe dem Staatkdiener, den
er aufdem Wege der Ungerechtigkeit und der Bedrúk.
Fung fand ! Und er überließ die Entdeckung solcher De-
spotien nicht blos dem Zufall ; er forschte selbst nach,
vornehmlich auf seinen Reifen in die Provinzen, und
7 ‫י‬
528

merkte auf die Klagen des geringſten ſeiner Untertha-


nen. Über diesen Punkt schreibt er an Voltaire :
„Ich für mein Theil ſuche blos in meinem Vater-
lande zu verhindern, daß der Mächtige den Schwachen
unterdrücke, und bisweilen Sentenzen zu mildern , die
mir zu streng scheinen. Dies ist zu Theil meine Be-
fchäftigung, wenn ich die Provinzen durchreise. Je=
dermann hat Zutrift zu mir ; alle Kiagen werden ent-
weder von mir selbst, oder von andern untersucht, und
ich bin dadurch Personen nüglich, deren Existenz ich
nicht einmal kannte, eh' ich ihre Bittschrift erhielt.
Diese Revision macht die Richter aufmerksam, und
verhütet zu harte und strenge Proceduren."

Kurze Personalschilderung Friedrich's,


und Bemerkungen über seine Lebens-,
Denk und Handlung weise.
Vor Allem glauben wir nunmehr die Geflalt die-
ses Mannes beſchreiben zu müssen , deſſen Leben wir
geschildert, der mehr als Einmal Europa bewegte, eš
in Staunen und Bewunderung verseht hat.
Friedrich, zwar kaum von mittelmäßiger
Größe, war dennoch sehr wol gewachsen. Er hatte eine
breite und erhabene Brust. Im Alter neigte sich sein
Körper etwas vorn über , und der Kopfhing ein wenig
nach der rechten Seite. Sein Gesicht, weder mager,
noch voll zu nennen , zeigte starke und fråftige Züge.
Der Mund des Königs war in jüngeren Jahren , bis er
die vorderen Zähne verlor, sehr angenehm ; die Naafe
lang, aber gut gebildet. Seine großen blauen Augen,
voll Lebhaftigkeit und nicht selten voll Feuer, kündigten
529

sehr seine Gemüthbewegungen und Leidenschaften an,


und fein scharfer durchbringender Blick drückte vor
züglich heftigen Zorn auf eine erschreckende Art aus.
Ernst und strenge zeigte meistens sein Gesicht ; nie
wurde dasselbe mehr beseelt, als wenn er sprach, oder
Musik hörte. Wie Cáſar, Gustav Adolph und Napo=
leon, fah er wenig in die Entfernung. Seine Ge
fichtfarbe, den gegen Hige und Kälte gleich sehr abge=
hårteten Soldaten verkündend , wer braunroth. ---
Im Gespräch war der Ton seiner Stimme der reinste
und angenehmste Tenor ; commandirte erdie Truppen,
fo sprach er starf, durchdringend und deutlich.
Etwas nachlässig war sein Gang, aber schnell und
Stolz seine Haltung. Zu Pferde saß er in den jüngeren
Jahren gut, im Alter aber gekrümmt und nachläffig,
ausgenommen, wenn er geloppirte, was häufig geschah
und was er lange auszuhalten vermochte. Er ritt
weit lieber, als er sich des Wagens bediente, und wäh-
rend der Feldzüge sah man ihn öfters bey großer Kälte
zu Fuße gehen. *)
Friedrich's thätiger Geist räumte dem Schlafe
nur wenige Zeit ein. Er selbst erzählte, daß er, wáh
rend seines ersten Feldzugs (am Rhein) , es mit eini-
gen andern jungen Leuten versucht habe, sich den Schlaf
gänzlich abzugewöhnen ; vier Tage lang hielt er dies
aus, dann behauptete die Natur ihr Recht.
In feinem Punkte war der König so schwach, als

*) Einem General , der ihn einft aufforderte, fich


bes Wagens zu bedienen, ſoll er geantwortet haz
ben : ‚Herr, wenn ich fahre, so fährt die ganze
Armee !
530

meistens in Betreff feiner Tafef , und befonders


beklagten sich seine Ärzte oftmals hierüber (zum Theil
vielleicht allzufehr). Im Krieg gebrauchte er für seine
Person dufferst wenig , im Frieden aber waren für die
königliche Küche 12,000 Thaler ausgefeßt , womit
man überdieß ſelten ausreichte, was aber jedesmal
feinen Unwillen im hohen Grad rege machte.
Troß dem , daß er , beſonders an der Tafel , in
der Regel Alles mit dem natürlichſten Namen nannte,
zeigte er doch hinsichtlich seines Körpers die größt
mögliche Schamhaftigkeit. Beym Aus- und Ankleiden
durfte kein Diener sein Zimmer betreten , und wenn
ihm in den Krankheiten Klyßtieren gegeben werden
mußten , so war es ihm immer höchſt unangenehm. Er
beobachtete indeß sehr wenig Reinlichkeit, und befon-
ders waren feine Kleider fast immer beschmußt , nichts
felten auch zerriffen.
Vielleicht fand Friedrich's feuriger Geißt felbft
in der Liebe ſeiner Vertrauteſten nicht Wärme genug
und nicht den Grad von Enthusiasmus , mit dem Er
liebte , und also wieder geliebt ſeyn wollte. So sehr er
auch bey seinen Freunden darauf drang , daß sie ohne
alle Rücksicht auf seinen Stand ihm begegnen möchten ;
so viel Mühe er sich auch gab, ſeiner Seits die Hin
derniffe einer solchen Gleichheit aus dem Wege zu ráu-
men : so scheint doch die Natur die Verhältnisse zwi-
schen Monarchen und Unterthanen die leßtern zu nó-
thigen , immer in eine gewisse Entfernung zurück zu
treten , wenn erstere ſich ihnen auch nähern . Fried:
richwandte daher ſeine innigste Zärtlichkeit Geschöpfen
einer andern Gattung zu , welche dieselbe lebhafter
erwiederten ; die wegen ihrer Treue und Anhänglich
531

feit an unser Geschlecht von jeher unſere Lieblinge wa-


ren , die Stand und Rang nicht achten , und dem
dürftigen Jrus für sein trockenes Brot eben so dankbar
find , als dem reichen Crösus für seine Leckerbissen.
Die Liebe, welche der König zu seinen Hunden hatte,
| übertrifft alle Vorstellung , und man kann sagen
woofern eine Vergleichung hier nicht unschicklich ist -
daß er wol nie einen Freund so liebte , wie seinen
Favorithund. Die Schmeicheleyen und Liebkofungen
dieser Gespielen seiner Einsamkeit thaten seinem ge-
fühlvollen Herzen wol , und erfeßten ihm den Man-
gel der füßen Familienfreuden. Aus einer Pflanzschule
von vierzig bis fünfzig Windspielen , welche auf dem
Jazerhof unter besonderer Aufsicht gehalten wurden.
waren drey oder vier der niedlichsten auserwählt, seine
beständigen Gesellschafter zu seyn. Diese harten in sei-
nen Zimmern alle Freyheit und Bequemlichkeit , und
der König sorgte für ihr Vergnügen , für ihre Pflege
und Gesundheit. Sie lagen nach Gefallen auf den Kas
napees und Stühlen , wenn diese gleich dadurch be
schmugt und zerriffen wurden ; zu ihrem Zeitvertreibe
fanden sie in den Zimmern kleine lederne Ballen, womit
fie spielen konnten ; ein Bedienter hatte das Geschäft,
fie zur gehörigen Zeit zu füttern , und nach der Mahl=
zeit bey gutem Wetter ſpazieren zu führen. Man sagt,
daß dieser seine Pflegbefohlenen nicht anders als per
Sie angeredet, und wenn sie zur Karnevalzeit in
einer ſechsspånnigen . Kutsche nach Berlin gefahren
wurden , sich allemul auf den Rückſiß geſeht , und je-
nen den Vordersiß überlassen habe. Während des Krie
ges ließ fie der König gemeiniglich in die Winterquar
tiere zu sich kommen. Am Ende des schweren Feldzu=
532

ges 1760 nahm er bekanntlich sein Winterquartier


zu Leipzig , wo auch d'Argens auf seinen Befehl ſich
eingefunden hatte , mit welchem er durch freundschaft-
liche Abendgesprächeſich aufzuheitern wünschte. Eines
Abends, als d'Argens in'e Zimmer trat , fand er den
König auf dem platten Boden ſizen , vor ihm eine
Schüffel mit Frikaffee , aus welcher seine Hunde ihr
Abendessen hielten. Er hatte ein kleines Stöckchen in
derHand, mit dem er unter denselben Ordnung hielt,
und dem Favorithunde die besten Biffen zuschob. Der
Marquis trat einen Schritt zurück, schlug die Hände
voll Verwunderung zusammen , und rief aus : Wie
werden sich doch jeht die fünf großen Mächte von Eu-
ropa , die ſich wider ten Marquis de Brandebourg
verschworen haben , den Kopf zerbrechen , was er jeßt
thut? Sie werden etwa glauben , er mache einen für
fie gefährlichen Plan zum nächsten Feldzuge ; er
fammle Fonds , um dazu Geld genug zu haben;
oder beforge die Magazine für Mann und Pferd ;
oder er entwerfe Negociationen, um seine Feinde zu
trennen, und ſich neue Alliirten zu schaffen. Nichts von
dem allen! Er fist ruhig in seinem Zimmer , und füt-
tert seine Hunde.
Der jedesmalige Favorithund genoß vor den an-
dern viele Vorzüge , und diese schienen ihm nur zur
Gesellschaft beigegeben zu feyn. Er lag bey Tage
allezeit da , wo der König saß, an der Seite desselben,
auf einem befondern Stuhl , den zwey Kiffen bedid-
ten , und des Nachts schlief er bey ihm im Bette , in-
Deß die andern des Abends weggebracht wurden , und
des Morgens wieder zu ihm kamen. Eben so empfing
auch jener bey der Tafel meistens sein Essen aus der
533

Hand des Königs selbst , und diese wurden von dem


Bedienten besorgt. Einer der Lieblinge , Namens
Biche, ist dadurch merkwürdig geworden, daß er 1745
in der Schlacht bey Soor mit des Königs Gepäcke in
die Hände der Oestreicher gerieth ; denn der König
hatte ihn in den ersten Feldzügen beständig bey sich.
Die Generalin Nadaſti nahm ihn zu ſich , und mußte ·
verschiedenemal darum ersucht werden , ehe sie sich ent-
schließen konnte , ihn wieder heraus zu geben . Der
König faß eben und schrieb, als Biche wieder anfam.
General Rothenburg ließ sie leise , ohne daß es der
König bemerkte, in die Thür hinein, und mit einem
mal stand sie auf dem Tische vor dem König , und legte
die Vorderpfötchen um ſeinen Hals. Der König freute
kich so sehr, daß ihm die Thränen in die Augen traten.
Eine andere Favoritin, Alkmene, starb zu Sanssouci,
als der König eben in Schlesien war. Es wurde ihm
gemeldet , und er befahl , daß man ihren todten Kör-
per in dem Sarge, in welchen fie war gelegt worden,
in fein Bibliothekzimmer sehen sollte. Bald nach seiner
Zurückkunft begab er sich dahin , betrachtete fie lange
mit stiller Wehmuth , und ließ sie sodann in die ause
gemauerte Gruft , die er für seinen eigenen Leichnam
bestimmt hatte, hinbringen. Dieß war aber auch der
einzige von seinen Lieblingen, der hier seine Ruhestätte
fand ; für die übrigen hatte er einen beſondern Plaß
bey Sanssouci angewiesen, wo sie in Sårgen begraben,
und ihre Grabmåler mit Leichensteinen , die den Na-
men eines jeden anzeigten , bedeckt werden mußten. -
Wie sehr die Sorge für diese geliebten Thiere dem Kós
nige am Herzen lag , sieht man auch daraus , daß er
wenige Stunden vor seinem Tode , als ihm alles an-
534

dere schon gleichgültig war , und das Bewußtseyn von


Zeit zu Zeit ausblieb, doch noch hierauf seine Aufmerk
famkeit richtete. Um Mitternacht bemerkte er , daß
sein Hund von dem Stuhle gesprungen war , fragte,
wo er sey , und befahl, ihn wieder auf den Stuhlzu
sehen und mit Kissen zu bedecken ; nach zwey Uhr ver-
schied er.
Bey der Erziehung , die Friedrich genossen
hatte , ist es nicht zu verwundern , daß er , selbst nicht
in der französischen Sprache , orthographisch zu schrei-
ben wußte. Wir haben im ersten Bändchen (S.20.)
eine französische Probe mitgetheilt ; hier noch einige
teutschen , die zugleich in mancher Beziehung als An-
deutung seiner Denkart dienen können.
Als man (im Jahre 1766) anfragte , ob der Kö-
nig dem Profeffor Böhmer in Halle eine Zulage von
100 Thalern bewilligen wolle , und eben so viel dem
Profeffor Junker, schrieb er , seiner Gewohnheit nach,
an den Nand : „wenn er habil ist guht aber wo es ein
Esel ist muß man einen andern Suchen.“ — Als der
Professor Klos , ebenfalls in Halle angestellt , um
feine Entlassung nachsuchte, war die Antwort : Nein.
„ Man muß Im Flatiren mit Einer Zulage." Ferner,
ein ander Mal : „ auch wil nicht das man mihr Leute
aus dem Land debauchire."
Gegen die meisten Geistlichen , vorzüglich gegen.
ihren Stand , hegte der König eine tiefe Verachtung;
jedoch war der Ausdruck Pfaffé, den er so häufig ge-
brauchte , nicht schlimmer , als der Begriff, den er
mit dem Worte Theologe verband. Hier einige Stel
len hierüber ein Theologus ist leicht zu finden, das
,,iſt ein Thier Sonder Vernunft. “ Der Profeſſor und.
535

Diakonus Moldenhauer in Königsberg in Preußen


hatte um seine Dimission angehalten , und sie war ihm
vom Könige bewilligt worden. Er befann sich aber nach
her wieder , und wünschte in seinem Posten zu bleiben.
Der König schrieb an den Rand des Rescripts : Der
ferfluchte Pfafe weis Selber nicht was er Wií, hohle
Ihn der Teufel !//
Dergleichen Antworten fie waren aber bey
Weitem nicht Alle von der Art ; einige vielmehr sehr
gnadigmußten nothwendig dem gemeinen Haufen
der Geistlichkeit , der die (wahrlich nicht unreine!)
Quelle solcher leidenschaftlichen Ausbrüche nicht kann-
te, oder nicht kennen wollte , äußerst anstößig seyn.
Es ermangelten daher diese Herren nicht , in Schrif-
ten, in Predigten und gesellschaftlichen Zirkeln auf
den großen Antichrist zu schelten , und alle Waffen,
die ihnen zu Gebote standen , wider ihn zu gebrauchen .
Die freyere Denkart des Königs in der Religion, feine
Spöttereyen über dogmatische und kirchliche Lehrsäge
gaben ihnen den besten Stoff dazu. Die Frömmlinge
thaten aber wirklich unrecht daran ; sie hatten gar nicht
Ursache, sich über ihn zu beschweren, denn er gebrauchte
keine Repressalien , wie er wol håtte thun können ;
er ließ sie nicht durch Philosophen und so genannte
Aufklärer verfolgen oder drücken (wenn auch Verfol
gung dem Charakter derselben gemäß wäre , wie sie es
nicht ist), obgleich vorher jene von ihnen verfolgt wor
den waren. Es ist bekannt , daß er alle Religionpar-
thepen ohne Unterschied tolerirte , und feiner vor der
andern einen Vorzug gab , den sie nicht schon nach den
Landesgesehen hatte. Eben so wenig begünstigte er
durch Anwendung unedler Mittel diejenige Sekte, zu
536

welcher er selbst sich bekannte, und die er in einem


Briefe an d'Alembert so schildert : „ Die erste Selte
für mich wird die ſeyn , die am mächtigſten auf die
Sitten wirkt, und das gesellschaftliche Leben sicherer,
fanfter , tugendhafter macht. So denke ich ; und mein
einziger Gesichtpunkt ist die Wolfarth der Mensch
heit , und der Vortheil der gesellschaftlichen Verbin
dungen." Vergleicht man hiermit noch andere Äuße
rungen über Religion , die in seinen Schriften häufig
vorkommen , vorzüglich aber die herrliche Ode an
Gott, die er in seinen früheren Jahren verfertigte ,
fo dürfte wol daraus ein System gebildet werden kön
nen, dessen sich kein ehrlicher Mann zu schämen Ursa=
de hätte.
Am Wenigsten gab Friedrich dem herrschsüch-
tigen intoleranten Priestergeist Raum. Er hatte geſe=
hen, wie dieser böse Geist während der Regierung
ſeines Vaters ſpuckte ; hatte über Tafel mit verbiſſe:
+
nem Grimm die frommen Verläumdungen gehört, wo-
mit der Hallische Theologe den Weltweifen Wolf be
fbmißte;"hatte leiden müſſen , daß dieser von ihm ſo
hochgeachtete Mann gleich einem Verbrecher durch ei
nen Kabinetbefehl des Landes verwiesen wurde. Was
Wunder also , daß er in der Folge, als er das Ruder
des Staats selbst in die Hånde bekam , in seinem Be
tragen gegen Theologen nicht immer die gehörige Máf=
figung beobachtete ! Die Priester zur Zeit FriedrichWil-
helm des I. mochten sich wol herzlich freuen , daß
dem Könige die Macht zustand, willkürliche Kabinets
orders auszufertigen , weil sie diese Bannstrahlen nach
ihren Absichten gebrauchen und lenken konnten , um
burch fie gewiße Zwecke zu erreichen , welche auf ges
537

fehlichem Wege nicht zu erreichen waren. Sie dachten


wol nicht daran , daß sie bey veränderter Regierung
mit eben den Waffen geschlagen werden dürften ; und
i als es geschah, da war ihnen Friedrich ein Tyrann,
ein Atheist. (Funke.)
Seine Gesinnung sprach sich sehr deutlich im fol-
gender Randbeme: fung aus : ,,ins fünftige werden die-
Herren Pfafen wohl vernünftiger werden , und nicht
gedenken , das Directorium und mihr Nasen anzu-
drehen. Die Halischen Pfafen müssen Eurz gehalten
werden ; Es Seindt Evangelische Jesuiter , und
mus Man Sie bey alle Gelegenheiten nicht die Min-
defte Autoritet einräumen,"

Gedanken und Ansichten Friedrich


des Einzigen.
Wenn es mir gelånge , alle meine Unterthanen
vollkommen glücklich zu machen , so würde ich nur auf
einen sehr kleinen Theil dieſer Erdkugel gewirkt haben,
die nur ein unendlich kleiner Theil des Weltalls iſt.
Wie könnte ich denn mich unterſtehen , mich dem
Wefen zu rergleichen , welches dieſes unermeßliché
Weltall regiert und in Ordnung erhält ? (In der Un-
terredung des Königs mit Sulzer, am 31. Dez. 1777.)

Er hält sich über die vielen Schmierer auf, die


in Berlin sind ; warum ? steht nur in jeder Broschüre
eine Einzige Wahrheit , die beſſert , so ist der Schade
reichlich erfest ! Ein wenig Gruſche auf Sandboden, ist
Friedrich d. Eing. IV. 8
538

immer angenehm , und giebt wenigstens gute Hoffnung,


daß der ganze Fleck mit der Zeit sich begrafen werde.

Ich wünschte jeden Mann von Verdienst zu ken-


nen, es ist der Könige Pflicht , sie hinzustellen , wo`
fie hingehören ; es- thut mir aber feid , daß mir die
Meisten unbekannt bleiben , und daß ich Manchen er-
höhe , der es am Ende nicht verdiente. Es ist traurig,
daß die meisten Menschen den Fürſten nur vom Hören-
fagen bekannt sind.

Wie könnt ihr das für Pasquill halten ? Ich halt


´es selbst für mahr ; und Alles , was wahr ist , ist nicht
Pasquill. Machts nur darnach , daß man ſo was nicht
schreibt. (Nachträge zu Nicolai's Anekdoten von Fried-
rich dem Großen.)

Ich habe nie ein größeres Vergnügen , als wenn


ich einem armen Manne kann ein Haus bauen laſſen.
(Unterredung mit Zimmermann vom 30. Juny 1786. )

Kein Gefühl ist unzertrennlicher von unserem


Wesen, als das Gefühl der Freyheit; der Mensch im
verfeinertsten Zustande , und der roheßte Natursohn,
alle find auf gleiche Weise davon durchdrungen. So
wie wir ohne Feffel geboren werden, so verlangen
wir auch ohne Zwang zu leben. Dieser Geist der un
abhängigkeit und der Troßes hat ſo viele großen Mån-
ner in der Welt hervorgebracht ; er hat die Versaf-
fung der Freystaaten veranlaßt , welche eine Art von
Gleichheit unter den Menschen festgeseßt , und sie da:
1539

durch dem Naturßlande näher bringt. (Friedrich


des II. bey seinen Lebzeiten gedruckten Werke, Thl. 2,
S. 52.)

Ungeachtet die Stände verschieden sind , sieht


man doch ein , daß die Natur uns gleich gemacht hat,
daß wir einig und friedlich leben müssen , zu welcher
Nation wir auch gehören , und welchen Meinungen
wir auch zugethan feyn mögen ; und daß Freundschaft
und Mitleid allgemeine Pflichten find. Kurz das Nach
Denken beffert in uns alle Fehler des Temperaments.
Chinterl. Werke, B.VI. S. 151.)

Mich dunkt , wenn von der Geschichte des mensch-


lichen Geistes die Rede ist , verschwindet der Unter-
schied der Stände und Lebensarten ; die Könige sind
nichts weiter, als Menschen, und alle Menschen
find einander gleich : denn wir haben hier nur
im Allgemeinen die Eindrücke oder Veränderungen zu
untersuchen , welche gewisse äußere Ursachen auf den
menschlichen Geist bewirkt haben. (Friedrich II.
bey seinen Lebzeiten gedruckte Werke , Thl. II. S. 47.)

Wir haben bemerkt, daß die Bürger einem ihres


Gleichen aus keinem andern Grunde den Vorrang eins
räumten , als weil sie wichtige Dienste von ihm erwars
teten ; diese Dienſte beſtehen darin, daß er die Geſeße
aufrecht halte, die Gerechtigkeit genau handhabe, mit
aller Macht dem Sittenverderbniß entgegen arbeite,
und den Staat gegen seine Feinde vertheidige.
" Hierzu kommt noch ein tiefes Studium der besondere
8.
540

Verfassung und Lage des Landes , welches dieſe Obrig


keit zu regieren hat , und eine genaue Bekanntschaft
mit dem Geiste der Nation ; denn wenn der Regent aus
Unwissenheit fehlt , ſo macht er sich eben so strafbar,
als wenn er es aus Bosheir thäte. Jenes ist ein Feh-
ler der Trägheit , dieses ist Verderbuiß des Herzens;
aber das übel, welches für die Geſellſchaft daraus ent-
springt , bleibt daffelbe.
Die Fürsten die Regenten, die Könige, find also
nicht mit der höchften Gewalt bekleidet , um sich un-
gestraft den Ausschweifungen und jeder Art von Luruš
ergeben zu können ; sie sind nicht über ihre Mitbürger
erhoben , damit ihr Stolz sich auf dem öffentlichen
Schauplah brüste,. und mit Hohn die Einfalt der Sit-
ten , die Armuth und daß Elend niedertrete ; ſie ſtehen
nicht an der Spiße des Staates , um neben sich einen
Haufen Müßiggånger zu halten, deren Nichtsthun und
deren Unbrauchbarkeit alle Arten von Laßtern erzeugt.
Die schlechte Verwaltung der monarchiſchen Regie-
rungform rührt von mehren verschiedenen Ursachen
her , die ihre Quelle im Charakter des Regenten haben.
So wird ein Fürst , der den Weibern ergeben ist , ko
von Maitreffen und Günftlingen regieren laſſen ; dieſe
werden die Gewalt mißbrauchen, die sie über den E, ift
des Fürften haben , ſie werden ſich derselben bedienen ,
um ungerechtigkeiten zu begehen, sittenlose Menschen
in Schuß zu nehmen , Ämter und Würden zu verkau=
fen, und sich andere Schandthaten dieser Art zu Schul-
dea kommen laffen . Wenn der Fürſt aus Hang zum
Nichtsthun die Regierung des Staats gedungenen
Hånden , ich will fagen ſeinen Miniſtern , überläßt , so
zieht der eine zur Rechten , der andere zur Linken ; Nie
54 i

mand arbeitet nach einem allgemeinen Plane ; jeder


Minister stürzt um , was er schon eingeführt findet,
ſo gut es auch seyn mag , um etwas Neues zu schaffen,
und um seine Phantasieen, oft zum Nachtheile des all-
gemeinen Besten , durchzusehen . Andere Minister ,
die an die Stelle von diesen kommen , eilen sosehr als
möglich, um auch ihrer Seits die gemachten Ein-
richtungen niederzureißen , und find zufrieden , wenn
fie nur für Erfinder gehalten werden. So verſtattet
Diese beständige Reihe von Veränderungen und von
Wechsel jenen Entwürfen niemals Zeit , Wurzel zu
fchlagen. Daher entstehen Verwirrung , Unordnung
und alle Fehler einer schlechten Regierung. (Hinterl.
Werke, B. VI. S. 54 - - 56.)

Die weltliche Regierung mit Kraft emporhal-


• ten , Jedermann Gewissensfreyheit zugestehen , stets
König seyn , und nie den Priester machen :
dies sind die wahren Mittel , den Staat vor den Stür.
men sicher zu erhalten , welche der dogmatisi
rende Geist der Theologen beständig zu er
regen sucht. (Bey des Königs Lebzeiten gedruckte
Werke, Thl. I. S. 382.)

Alle Staaten haben einen gewissen Zirkel von Er-


eignissen zu durchlaufen , eh' fie bis zu ihrer höchsten
Vollkommenheit gelangen. Die Monarchieen sind mit
langfameren Schritten zu dieser Stufe gekommen, als
die Republiken , und haben sich auch weniger darauf
behauptet. Kann man mit Wahrheit sagen , daß
eine gut verwaltete monarchische Regierungform die
542

vollkommenste ist , so haben doch , nicht minder gewiß


die Republiken den Zweck ihrer Stiftung am ſchnellsten
erreicht, und sich am Besten erhalten, weil gute Kö-
nige sterben , weiſe Gefeße aber unsterblich ſind.
In Königreichen beruhet die Regie
rung nur auf dem Despotismus des Sou
verains: die Geseße , das Militär , der Handel,
die Industrie und alle anderen Theile der Staatrerwal-
tung sind dem Eigenfinn eines einzigen Menschen un=
terworfen ; und dieser hat Nachfolger , die einander
nie gleichen. Daher kömmt es denn gewöhnlich , daß
unter einem neuen Thronfølger der Staat nach`ganz
andern Grundfägen regiert wird ; und gerade das ist
der monarchischen Regierungform nachtheilig. In dem
Endzwecke, den Republiken sich vorfehen , und in den
Mitteln , die sie anwenden , ihn zu erreichen , herrscht
Einheit; und daher verfehlen sie ihn niemals. În Mo=
narchieen aber folgt ein tråger Fürst einem Ehrfürchtis
gen , diesem wieder ein Frömmling , dieſem ein Erie
gerischer , diesem ein gelehrter , dieſem ein anderer,
der sich der Wolluſt überläßt. Indeß nun der beweg-
bare Schauplatz des Glückes unaufhörlich neue Scenen
darstellt, wird der Geißt der Nation durch die mannig:
faltigen Gegenstände zerstreut, und kommt nicht auf
einen festen Punkt. In Monarchieen müssen alle die
Einrichtungen, welche dem Wechsel der Jahrhunderte
trogen follen, so tiefe Wurzeln haben , daß man sie
nicht ausreißen kann, ohne zugleich den tiefſten Grund
des Thrones zu erschüttern.
Doch mit denWerken der Menschenfind Gebrech-
fichkeit und Unbestand verbunden. Die Revolutionen,
welche Monarchieen und Republiken erfahren , haben
543

ihre Ursachen in den unwandelbaren Gesezen der Na=


tur. Es ist nothwendig , daß die Leidenschaften der
Menschen zu Triebrådern dienen , um ohne Unterlaß
neue Decorationen auf dem großen Schauplaße herbey
zu führen , und in Bewegung zu sezen ; daß die kühne
Wuth des Einen das regnimmt, was die Schwachheit
des Andern nicht vertheidigen kann ; ferner, daß ehr-
füchtige Freystaaten umftürgen , und daß List bisweilen
über Einfalt siegt.
Ohne diese großen Revolutionen bliebe, die Welt
immer einerley: es gåbe keine neuen Begebenheiten
darin; die Schicksale der Nationen hårten keine Gleich=
heit : denn einige von ihnen würden : mmer civiliſirt
und glücklich, andere aber immer barbarisch und un-
glücklich seyn.
Wir haben gesehen , daß Monarchieen entstanden
und untergingen ; daß barbarische Völker ſich polizir=
ten und Muster für andere Nationen wurden. Könn
ten wir daraus nicht schließen , daß es für diese Völker
(wenn ichso sagen darf) einen ähnlichen Umlauf giebt,
wie für die Planeten , die , wenn sie in zehntausend
Jahren den ganzen Raum des Himmels durchlaufen
haben , sich wieder an der ersten Stelle beft::den ?
So werden denn auch wir, gleich Anderen, un-
fere schönen Tage bekommen ; und wir können um so
gerechter Anspruch darauf machen , da wir der Barba
rey einige Jahrhunderte länger zinkbar geweſen ſind,
als die füdlichen Nationen.
Solche schäßbaren Jahrhunderte kündigen ſich
durch die vielen großen Leute von allen Arten an, die zu
gleicher Zeit geboren werden . Glücklich sind die Fur-
Ben, 3 die in fo günstigen Konjunkturen zur Welt kom
544

men! Tugenden Talent und Genie reißen sie durch


eine gemeinschaftliche Bewegung mit sich zu großen und
erhabenen Thaten hin. (Bey Friedrich's Lebzeiten
gedruckten Werke , Thl. I, S. 382.)

...Die siebenteOde des Königs hat dieſe gleichzei-


tige Lage der Staatangelegenheiten im Norden zumGe
gentiand, und die ältereAusgabe enthält davon folgende
Strophen : „O ihr ehrsüchtigenMinister, die ihr nichtë
als boshafte Verschörungen ausbrütet. Ihr Geiseln
des Menschengeschlechts und der eingeferkerten Scla-
ven , die eure Ketten verwunden . Eure verderblichen
Ranke, eure Kabalen und eure Staatgriffe veröden die
Welt. Euer Geißt, mit lauter tyranniſchen Entwürfen
schwanger, überläßt sich ganz seinem Eigendünkel.
Gewöhnt an Laster , Schandthaten und Meutereyen,
hat vor ihm die Gerechtigkeit kein Heiligthum mehr.
Das erhabene Vorrecht der Treue eurer Könige , der
Staatkredit , kann eure heilloſe Vermeſſenheit nicht
mehr bezähmen , noch vermag es dem reiſſenden Stro-
me eurer Ausbrüche Einhalt zu thun. Der Krieg , der
sich entzündet , indem er eure Schwüre bricht , schmei-
celt eurem übermuthe." (Fischer's Gesch. Fried-
rich des II., Thl. I, S. 269.)

Sehen Sie, das gehört zu dem Guten , welches


der Krieg in der Christenheit bewirkt. Dieser Krieg
Eoftet unermeßliche Summen: die Fürsten borgen;
dann kömmt ein neuer Krieg , und neue Schulden ;
man muß fie bezahlen ; aber es fehlt an Geldquellen.
Was soll man machen ? Nichts bleibt übrig , als der
545

Geistlichkeit ihre Reichthümer abzunehmen , und die


Noth zwingt die Monarchen , dies einzige Mittel,
welches ihnen übrig bleibt, zu ergreifen. (In einem
Briefe an d'Alembert.)

Der Papst und die Mönche werden ohne Zweifel


ein Ende nehmen ; aber die Vernuft wird ihren Fall
nicht bewirken. Vielmehr werden sie in dem Verhält
niffe zu Grunde gehen , wie die Finanzen der großen
Fürsten in Unordnung kommen. In Frankreich wird
man , wenn alle Mittel Geld zu bekommen erschöpft
find, genöthigt seyn , Abtheyen und Klöster zu sáku-
larisiren ; dies Beyspiel wird Nachahmer finden, und
die Menge von Cucullatis wird auf eine sehr kleine
Anzahl eingeschränkt werden. In Ößtreich wird man
Durch eben dies Geldbedürfniß auf den Gedanken ges
rathen , seine Zuflucht zu der leichten Eroberung der
Staaten des heiligen Stuhls zu nehmen, damit man
die außerordentlichen Ausgaben bestreiten könne. Man
wird dem heiligen Vater eine große Pension ausfegen.
Aber wie wird es dann weiter gehen ? Frankreich,
Spanien, Polen, mit einem Wort , alle kaiholischen
Mächte werden feinen Statthalter JeſuChriſtianerken-
nen wollen, der u ter dem kaiserlichen Hauſe ſieht ; jede
wird einen Patriarchen in ihrem eigenen Lande ernen-
nen ; man wird National Konzilien zuſammen berufen ;
nach und nach wird sich jeder von der Einen Kirche tren
nen, und am Ende wird jedes Königreich seine eis
gene Religion haben , wie seine eigene Sprache. (In
einem Schreiben an Voltaire.)

(Conftitutionen.) Die Conventionen , aufweiche


546

das dortige Volk ( die Einwohner in Neufchatel) feine


Freyheit und seine Privilegien gründet , ſind mir ehr-
würdig , und ich schließe meine Macht in die Gränzen
ein , die es selbst bestimmt hat, als es sich meinem
Hause unterwarf. (Hinterl. Wrk., Bd. IX., S.360.)

(Preffreyheit.) Der Herr von Villars , welcher


nicht der Marschall von Villars ist, kann in Neufchatel
brucken laffen , was ihm beliebt, wenn er nur die
Mächte schont , und die Größen der Erde nicht an=
greift , wenn das sind kißliche Leute in Absicht ihres
Anspruchs auf Untrüglichkeit , und in Absicht ihrer
Würden. Priester, wie Sie wissen, nenner jene
die Ebenbilder Gottes auf Erden ; und die Narren
glauben es im Ernste ; und so müssen freylich die Blät
terfchreiber viel Achtung vor ihnen haben , und ihrer
granzenlosen Empfindlichkeit mit der ängstlichsten Bes
Hutsamkeit schonen. -- Wenn das Ebenbild Gottes in
Versailles die Bekanntmachung von Voltaires Wer
Een verbietet, so werden die schweizerischen , hollän
disten und deutschen Buchhändler durch den Druc
ras gewinnen, was die franzifischen hätten gewinnen
Fönnen ; und Ihre Prieffer werden doch nicht, so viel
Mühe sie sich auch deßhalb geben , am Ende des acht-
zehnten Jahrhunderts die gebenedeyete Dummheit des
zehnten und elften Jahrhunderts wieder erwecken.
(Hinterl. Werke, Bnd. XII. , S. 342.)

Aber der Aberglauben verliert doch allent


Fa ben feine Macht durch die Fortschritte der Ver
nunft. (Unterredung mit Zimmermann vom Hen
1547

July 1786. - Das also sagte der große Friedrich


beynah' sterbend noch ! — Zaget, Finsterlinge!
Bald wird die Uhr , die gegenwärtig noch Euer Da
feyn anzeigt , sonst aber Eure Triumphe verkündete,
zum legten Mal schlagen ! -)

Man stellt Mißbräuche nicht eher ab, als bis fie


den höchsten Gipfel erreicht haben. (An Voltaire. --
Vom Mittelalter an, als man Euer heilloses Treiben
zu erkennen anfing, begann Euer Sinken, Euer Fall,
Ihr Finsterlinge ! - >

Ich gestehe gern , daß viel Geist , Muth und Ge-


schicklichkeit dazu gehört , um es einem Thefeus , Cy-
rus, Romulus und Mahomet gleich zu thun ; aber ich
weiß nicht, ob man sie tugendhaft nennen darf. Tapfer
und verschmigt sind auch die Straßenråuber , wie die
Helden ; nur mit dem Unterschied, daß der Eroberer
sein großer Räuber ist , der andere aber ein unbedeu-
tender; Jener erhält zum Lohne seiner Gewaltthätig
feit Lorbeeren und Weihrauch ; dieser den Strid.

Die Einbildung der Geistlichen von einem un-


mittelbaren göttlichen Berufe ist eben so ungereimt,
als das Vorgeben , womit man den Souverainen
schmeichelt, daß sie das Ebenbild Gottes seyen. (Un-
terredung mit Sulzer. 1777.)

Nichts hat mich von jeher betrübt, als wenn Ich


die unschuldige Ursache an dem Tode irgend eines
548

Menschen war. (Unterredung mit Zimmermann,


Friedrich von seinen Feldzugen sprechend.)

Teutschland , fruchtbar an schlechten


Originalen, zählt unter den Großen die thörigften
und sinnlosesten. Für den französischen Hof eingenom
mer, ahmt ihr ofnmächtiger Stolz die ausschweifende
Pracht der Ludwige nach. - Fürsten , deren Staat
kaum 6000 Morgen enthält , verwandeln die Hälfte
ihrer Felder in Gårten, und um ein Mendon, Marly,
Versailles im Lande zu haben, bedrücken sie ihre unter
Auflagen seufzenden Unterthanen. In ihren weitläuf
tigen Pallasten würde man den Fürsten mit seinem
ganzen Hofstaat einen Tag lang fuchen, eh' man ihn
fance. Zehn Hunde machen ihre Jazd und hundert
Bettler bilden ihr Heer. (Epistel Friedrich's an
den französ. Gesandten Rothenburg in Berlin.)

Sie wollen wiffen, was ich von dem Betragen


der Engländer denke ? Gerade wie das Publikum.
Daß fie nämlich wider die Redlichkeit gesündigt haben,
indem sie ihren Kolonien den Vertrag nicht so hielten,
wie sie ihn mit denselben geschlossen hatten ; daß fte
sehr ungeschickt und wider alle Regeln der Klugheit
einem Gliede ihres Staatkörpers den Krieg angefün
digt haben, der für sie nicht anders als unglücklich aus-
schlagen konnte ; daß sie sehr einfältig die Stärke dies
fer Kolonien nicht kannten, und ſich einbildeten, Ge
neral Gage könne fie mit 5 bis 6000 Mann , die er
befehligte, bezwingen ; daß sie Truppen in Sold nah-
men, ohne an die Schiffe zu denken, die ſie nach Ame-
549

rika herüber bringen ſollten ; daß sie auf dem londoner


Markt Lebensmittel und Kriegbedürfniſſe für die
Armee kauften , die in Pensilvanien fechten sollte.
Kurz, nichts als Fehler sind diesen Infulanern vorzu-
werfen. (An -d'Alembert.)

In Beziehung auf die Ruffen sagte Fried-


erich ſchon zu den Zeiten des ſiebenjährigen Kriegs (in
feiner Schrift über Karl den XII .), was wir vielleicht
in wenigen Jahrzehnten nur allzunahr finden werden :
Nienrand könnte, fie angreifend, gewinnen, da man
#eine Art von Wüßten zu durchziehen hat, um sie zu ers
reichen ; ja, selbst wenn man sich, von ihnen angegrif=
fen, auf einen Vertheidigungkrieg beschränkte, könate
■ man Alles verlieren. Das , was ihnen vor Allem
Andern diesen Vortheil zu gewähren scheint , ist die
Menge der Tartaren, Kosaken und Kalmucken, welche
sich in ihren Heeren befinden. Diese Horden von Râu-
bern und Brandstiftern sind im Stande , durch ihre
Einfälle die blühendßten Provinzen zu verwüsten, ohne
daß die eigentliche Armee auch nur einen Fuß in dieſel=
ben sehte. --- Um diese Verwüstungen zu vermeiden,
gehen alle ihre Nachbarn behutsam mit ihnen um, und
die Russen betrachten die Verbindung, welche sie mit
andern Völkern abschließen, als einen ihren Clienten
bewilligten Schuß ( comme une protection, qu'ils
accordent à leurs cliens.) - Es ist unmöglich,
Rußland ein gleiches Übel zuzufügen, wenigstens ohne
eine bedeutende Flotte zu haben , um das Landheer,
das ſeine Operationen auf Petersburg ſelbſt richtete,
zu unterſtüßen und ihm Lebensmittel zu verschaffen.
Dieses Reich ist von allen Nachbarn Preußens der
Friedrich d. Eing, IV. 9
550

gefährlichste. Der König (Friedrich der Einzige)


fürchtete weniger die Zahl seiner Truppen , als diesen
Schwarm von Kosaken und Tartaren, welche die Ge
genden verwüſten und verbrennen, und ihre Bewohner
tädten oder sie in die Sklaverey schleppen ; sie verur
ſachen den Ruin der Lånder, welche ſie überschwemmen.
Da die Schweden plößlich einen Einfall in die Staa
ten des großen Churfürßten gemacht hatten, riethen die
Minister diesem Fürsten, den Czaar von Rußland ju
Hilfe zu rufen. Aber Friedrich Wilhelm , weiter
ſehend, als sie, antwortete ihnen : die Moskowiten
feyen wie die Båren, die man nicht lokketten müſſe,
aus Furcht, ihnen ihre Ketten nicht mehr anlegen zu
fönnen." Großmüthig nahm er die Sorge feiner
Ráchung auf sich, und er hatte nicht Ursache, es zu be
reuen."

Charakterzüge und Anekdoten von


Friedrich dem Einzigen.
Wol nie wurden von einem Sterblichen fo viele
Charakterzüge und Anekdoten erzählt und wieder er-
zählt, als von Friedrich dem Einzigen. Schade,
daß so mancher herrliche Zug von ihm um deßwillen
weniger geglaubt wird, weil ſo Vieles — Böses, wie
Gutes --- auf ihn erdichtet wurde. Imnierhin aber
bleibt die Menge von Anekdoten , welche nicht blos ia
dem Munde, sondern auch in dem Herzen aller
Völker leben, welche Teutschlands weit ausgedehnten
Gaue bewohnen, ein schöner, hocherfreuender Beweis,
wiesehr jenem Einzigen Könige die Liebe der Natio-
nen der 3wef jenes edlen, hochherzigen Strebens
551

in Wirklichkeit zu Theil wurde. - Nicht b'os ,


, der narbe..bedeckte, eisgraue Grenadier , der in der
Glorie der Lorbeeren von Friedberg, Leuthen, Zorn-
dorf, in dem Schrecken von Cöllin, an dem Abend von
Kunersdorf, mit und unter ihm gestritten, . . . . und
nie ein anderes Wort als : Vorwärts ! aus seinem
Munde vernommen , sondern selbst der fern von
Preußen wohnende friedliebende Südteutsche, ja ſogar
der stolze Brite , der oft seine Nation allein achtende
Franzofe , der Ita'ienier , wie der Schwede und dec
freye Nordamerikaner, erzählen mit hoher Begeiste
rung jene Züge, die sie selbst vormals mit Enthuſias=
mus gehört ; und doch ist schon mehr denn ein hal-
bes Jahrhundert verflossen , seit sie sich ereignet.
Wahrlich! Eine solche Begeisterung der Nationen
und Völker vermag fein feiger, blödsinniger Despot
zu veranlassen !
Es scheint einer der bedeutendsten Mängel, der :
Geschichtschreiber und Biographen aus unserer Zeit
zu seyn, daß ſie, wo sie es nur für thunlich eeachten,
einzelne (fogenannte Privat- ) Handlungen der geschil-
derten Perfonen übergehen, und sich lieber z. B. darin
gefallen, von der Nichts entscheidenden Niedermeß-
fung einiger Hundert Unglücklichen zu sprechen, die,
feineswegs für das Wohl ihres Vaterlandes, sondern
ür fremdes Intereffe, in diesem oder jenem Gefechte.
zur Schlachtbank geführt wurten ; oder von andern,
das menschliche Gefühl empörenden. Schandthaten zu
erzählen . Doch! hiervon schweigen wir !
Bey der Schilderung keines Mannes aber möchte wol
das Mangelhafte, solche Züge übergangen zu haben,
mehr in die Augen fallend seyn , als gerade bey der
9*
552.

unferes Helden. Bewundern wir zwar die außer


ordentliche Taktik des Siegers von Leuthen, und aller
jener Schlachten, welche ſein Andenken mit verherrli
chen ; -- bekennen müſſen wir aber , daß ſelbſt der
furchtbare Attila, der schreckliche Timur und so viele
anderen Weltverwüster eben dadurch ihre Namen der
Geschichte einprägten.. Erst aber durch Züge, wie gleich
der erste der unten folgenden, lernen wir den Men-
fchen, sein Herz , seine Denkart kennen . Und
sehen wir oft gleichzeitig fast rings um uns den Triumph-
der über Wahrheit , Recht und Tugend ſiegenden,
Schlechtigkeit, so mögen uns Blicke auf solche beſſere
Epochen der Vergangenheit wieder aufrichten, uns die
feste Hoffaung gewähren , daß die Zukunft sich auch
wieder aufhellen werde, denn der Aberglauben (und.
mit ihm so vieles Andere ! ) verliert ja doch allent
halben seine Macht durch die Fortschritte der Ver-
nunft!!!
Durch den Raum beſchränkt, müſſen wir unê,
mehr als wir wünschen , enthalten , manches Schöne,
Große und Edle von Friedrich mitzutheilen , ung
beznügend, eine kleine Anzahl Charakterzüge auszu-
wählen, die von unserm Helden, wie wir glauben, ein
beſonders treutes Bild zu geben im Stande ſind. Daß
wir sehr daraufaufmerksam waren, mit Ausschließung
alles deffen , was uns erdichtet schien , nur mirkliche
Thatsachen aufzunehmen , können wir mit dem besten.
Gewiſſen versichern.

Der Staatminister von Werder hatte von Fried-.


rich dem Großen die Weisung erhalten , zu ihm nach
Potsdam zu kommen , um ihm den Vortrag über die
553

Einnahme des verflossenen Etatjahres zu machen, und


ihm den. Etat der Ausgabe für das fünftige zur Ges.
nehmigung vorzulegen.
Der Minister stellte sich zur Bestimmten Stunde
ein. Jeder, der öfter Audienz bey dem König hatte,
pflegte sich gewöhniglich bey deffen Umgebungen zuvor
zu erkundigen, ob der Monarch bey guter oder übler
Laune sen ; auch der Minister , als er in das Vorzim-
mer trat , wollte diese Erkundigung einziehen , als er
ein großes Geräusch in dem Zimmer dee Könige ver>
nahm ; er hörte deffen zornige Stimme sehr laut, man-
cherley heftige Drohungen , und die Äußerung : Ihr
Spizbuben würdet mich noch zu einem armen Manne
machen, wenn man Euch nicht immer auf die Finger
fübe!
Eine solche Stimme des Königs war dem Mini-
fter sehr unwillkommen ; er zögerte, ſich melden zu laſ-
fen , da trat ein Lakay mit verstörtem Gesicht aus
Friedrich's Zimmer. Der Minister wandte sich an
ihn mit der Frage: ob er jegt zu einer günstigen Stunde
Eåme ?
"Gott behúte!" verfeßte der Lakan,,,der König
ist ganz außer sich vor Zorn, und ich danke dem Himmel,
daß ich mich noch auf eine so gute Manier habe davon
machen können."
Er fragte den Lafayen : worüber ist denn der
König fo entrüftet ?
Worüber ? - über eine Lumperey ! -- Einer
der Bedienten hatte bey der Tafel eine halb ausge=
trunkene Flasche Wein in die Tasche gesteckt, der Kö-
nig hat es in einem ihm gegenüber befindlichen Spie-
gel bemerkt, und nun macht er darüber so vielen Lårm.“
554

Für den Minister war dies eine böse Nachricht;


er kam zu einer sehr ungelegenen Zeit, und fürchtete,
auch er möchte ſehr unfreundlich empfangen werden.
Gerne wår er umgekehrt , aber dies ging nicht , er
mußte sich melden lassen und auch gleich darauf vor
dem König erscheinen.
Mit ungewöhnlicher Befangenheit und sichtbarer
Besorgniß näherte er sich dem Monarchen . Fried
rich empfing ihn freundlich , und brachte gleich das
Gespräch auf den Zweck seiner Anwesenheit in Pots-
dam.
Der Minister legte dem Könige die übersicht der
Einnahme und Ausgabe des verflossenen Etatjahres
(von 1ten Juny bis Ende May) und die darin ge-
wonnenen überschüsse vor ; darauf den neuen Etat,
und bemerkte dabey , daß er in folchen, theils zu Un-
terstügungen durch Wafferschäden unglücklich geworde
ner Unterthanen aus den überschüssen des verflossenen
Jahres 800,000 Thaler zum Anfah gebracht habe.
Sein Vortrag wurde immer ångftlicher ; denn er
zweifelte keinen Augenblick, daß diese Forderung für
Friedrich eine Veranlassung seyn würde, auch gegen
ihn seinem Unmuth Luft zu machen. Wider alle Er
wartung hatte der König Nichts zu erinnern , geneh
migte diese außerordentliche Ausgabe, und vollzog den
Etat.
Nachdem dies Geschäft beendet war , erkundigte
fich Friedrich noch theilnehmend bey dem Minister
nach seiner zahlreichen Familie, und nach jedem einzel-
nen Gliede derselben , und sagte endlich : „ Was fehlt
Ihm denn ? Ich hab' Ihn noch nie so ängstlich und
verlegen gesehen ?
555

Ew. Majestát, erwiederte der Minister , ich bin


nicht gewöhnt , Ihnen eine Unwahrheit zu ſagen ; ich
muß daher offen gestehen, daß ich mit Zittern und Za
gen zu Ihnen in's Zimmer getreten bin, denn als ich
Fam, hörte ich daß Ew. Majestät sehr ungnädig waren,
und ich fürchtete, zu einer ungelegenen Zeit gekommen
zu seyn."
Weiß Er auch den Grund , weßhalb ich ſo auf-
gebracht war u
Ja, Er. Majestát ; ich erfuhr, daß ein Lakay eine
Flasche mit Bein-
Hab' ich denn nicht Ursache mich darüber zu
årgern unterbrach ihn Friedrich; und dem
fpigbubischen Gesindel ein Donnerwetter anf den
Kopfzu schicken ? Sieht Er, wenn ich ſie ſchalten und
,,walten ließe, wie sie wollten, so würde mir bald fein
Pfennig zur Unterstügung unglücklicher Unterthanen
,,übrig bleiben."

Es war in den achtziger Jahren, erzählte der eh-


malige preußische Minister Lucchesini , als die ausge
tretenen Flüsse den größten Schaden angerichtet , und
der König die unangenehmsten Berichte hierüber eines
Tages erhalten hatte. Als ich mich , nebst andern
Tischgenossen zu Mittag einfand, bemerkte ich bey❜m
Eintritt in den Speiſeſaal, an des Königs Gesicht, daß
er in hohem Grade mißvergnügt war ; er äußerte sich
auch sogleich gegen uns : ,,Da habe ich aus den Provin-
zen die allertraurigsten Nachrichten von dem Schaden
erhalten, welchen die überschwemmungen verursacht,
und was das größte übel ist, ich habe gerade kein Geld
vorräthig, am zu helfen ; dies macht mich höchst un-
556

glücklich." In der übelſten Laune feßte er sich nach-


denkende zu Tische, ohne ein Wort zu sprechen. Auf
einmal erheiterten sich alle seine Gesichtzüge, und voll
Freude rief er aus : „ So eben fällt mir ein, daß ich
noch 95,000 Thaler zu meiner Disposition habe, um
་ den Unglücklichen zu helfen. Ruft mir gleich den —
(Kabinetsekretår, deſſen Namen ich vergessen) ; er foll
augenblicklich kommen. Er fam; der König stand
vom Tische auf, ging in ein Nebenzimmer , und ließ
diesen Kabinetsekretär mehre Kabinetbefehle ausferti
gen, in welchen er gedachte Summe anwies. Stafet
ten gingen deshalb fogleich ab. In der frohesten .
Stimmung ging er zum unterbrochenen Mittagmahle:
nach einer halben Stunde zurück. Die größte Heiter
keit war an die Stelle der größten Mißlaune getreten
er ließ Champagner holen, und konnte gar nicht aufhö
ren , feine Freude darüber zu bezeugen , Mittel gefun-
ten zu haben, um den Verunglückten zu helfen. Wie
Viele, außer Friedrich , hätten ihr Mirtagmahl aus
einer solchen unterbrochen ? Aber bey ihm
follten die Fren nicht durch den kleinsten
Zeitverlust leiden..

Der König forderte geschwind ein Glas Waffer;


der Page, der zu schnell war , glischte auf dem ge
bohnten Fußboden aus , und fiel mit dem Glase: lang
vor dem König hin. Ach nun bin ich ewig.um Dero
Gnade gekommen, schrie er erschrocken. ,,Nein, mein
Sohn , sprach der König ,,,Waffer thut das nicht !“

In dem gelehrten Zirkel dee Königs warfder Mo=


narch einmai ſelbſt dieFrage auf: wer wol der größte
557

Mann der åltern und neuern Zeiten gewesen sey ? Al-


les schwieg und sah den König an ..— ,,O ich weiß, was
Ihr damit sagen wollt - aber dieser stolze Traum sey '
fern von mir ! Der Beste ist der Größte ! — Ob
der schon da gewesen sey , jest da ist, oder erst da seyn
wird das weiß Gott! (Nachtr. zu Nikol. Anekd. )

Aufdem Wahlplaß einer seiner ersten Schlachten,


ben dessen Besichtigung er ( nöch ungewöhnt mit diesen
Die Menschheit empörenden Scenen ) die äußerste Rüh
sung bewiesen hatte, ließ er seinen gebliebenen Sol
daten einen Obelisk mit der selbst verfertigten Inschrift
errichten :
,,Ruhetfanft, geliebte Söhne !
Seht! ich weih' euch diese Thräne !
Bab? Ich Schuld an eurem Tod,,
Straf"mich der gerechte Gott !!
Ist ein anderer Schuld daren , "
Ist ein Gott , der's rächen kann.'
(Nachtr. zu. Nikol. Anekd. )

I mein Pferd da, fragte einstmal der eilende


König; ein neuer Page sprach in seiner Unschuld ::
ich glaub , es frißt noch ! — Das wäre nicht gut, mein
Sohn; mache das nicht so ; wenn Du bey mir seyn
follst, mußt Du dich ja nicht hinseßen und essen ; aber
sieh, Du hast dem Pferde unrecht gethan , da steht's
ja schon..

Um das Jahr 1754 kam der König auf den Ge-


Banken, bey Sanefouci eine Bildergallerie zu sammeln,
und gab deßwegen verschiedenen Personen. Aufträge,
558

von berühmten Meistern zusammenzusuchen. Dieft


verlangte er , wie billig, erst zu ſehen , und wenn ſie
ihm gefielen , fragte er nach dem Preise. Besonders
wollte er gern ein Paar Gemälde von Raphael haben.
Der Kaufmann Gottskowsky ; der mehre Aufträge
Dieser Art erhielt, hatte ein fölches Gemälde in Rom
entdeckt , das zu verkaufen war. Der König befahl
ihm, es fo einzurichten, daß das Gemälde auf des Kö-
nigs Kesten nach Potsdam zum Ansehen geschicht
würde, und sich dabey zugleich vorläufig nach dem
Preise zu erkundigen. Gottskowsky berichtete dem
Könige 1756 : # Sein Korrespondent in Rom melde
ihm , daß der Besizer das Gemälde nicht außer Nom
zum Ansehen schicken wolle , sondern es falle in Rom
Darauf gehandelt werden ; dabey gebe man vor, der
König von Polen habe auf dies Gemälde schon.30,000
Dukaten geboten , wofür man es nicht laſſen wolle.“
Darauf bekam Gottkowsky folgendes eigenhändige
teutsche Antwortschreiben: Ich habe einen Raphael
" im Handel, der nicht so theuer ist, da erwarte ich erft-
lich Antwort. Dem König von Polen ſtehet_frey,
30
für ein Tableau— m Dukaten zu bezahlen , und in
100
„Sachsen für m Kopfsteuer auszuschreiben, aber das
,,ist meine Methode nicht. Was ich bezahlen kann nach
„einem raiſonnablen Preis , kaufe ich; aber was zu
theuer ist, lasse ich dem König von Polen über : denn
Gold kann ich nicht machen , und Imposten aufzule
#gen, ist meine Sache nicht.“

Zum Beweise, daß der König nicht, wie man mei-


559

ftens glaubt, die Bürger den Launen und der Willkür


feiner Soldaten überließ, diene Folgendes : . ,,Ein
Schußjude in der Provinz hatte oft von einem Offizier,
dem er nichts mehr borgen und geben wollte, die größe
ten Verfolgungen und Beleidigungen erdulden müſſen,
und sich daher vielfältig an den Commandeur gewandt;
allein er ward auch von diesem gewöhnlich mit den
Worten abgewiesen : Herr, warum gibt Er sich mit
Offizieren ab ? Er hat immer Schuld, sonst würden sis
Ihn nicht attakiren ; und reise Er Seiner Wege."
Der arme Jude ward endlich aller dieser Bemühun-
gen überbrüffig, und wagte es, seiner Sicherheit we
gen, gerade an den König zu ſchreiben, und ihm den
öftern Unfug vorzustellen. Der König schrieb hierauf
an den Commandeur : „ Was hält Er für schlechte
Ordnung bey Seinem Regimente ! Seine Offiziere
infultiren ja meine treuen Unterthanen , die Ihn und
mich ernähren müßen, aller Orten. Das rathe ic
Ihm , daß Er das sogleich abstellt , und die jungen
Fähnrichs in Zucht hält, oder ich werde Ihn besonders
Dafür ansehen. Vorzüglich schaffe Er mir dem Juden
Ruhe, denn dieser Unterthan ist mir so werth als ein
anderer. Weiß Er das ? Richte Er ich hierunter
auf das Genaueste nach meiner Willensmeinung , und
Juffe Er sich dieses zur Warnung und Befolgung
Dienen."

Der Hofmarschall, Graf v. d. S.. , brachte bey


dem König das Gesuch an , daß Se. Majestät deſſen
Sohn im Militärstande zu befördern geruhen möchten.
Der Monarch ließ aber an ihn folgende Kabinatresu=
lution ergehen : „Ich habe aus Eurem Schreiben
560

vom 22ten May d. I. Euer Geſuch wegen Eures


Sohnes gesehen. Ich muß aber sagen, daß ich schon
långt den Befehl gegeben habe, feinen Grafen in
» meiner Armee arzunehmen ; denn wenn ſie ein oder
zwey Jah: e gedient haben , gehen sie nach Hause.
Will Ever Sohn dienen , so gehört die Grafschaft
nicht dazu, und er wird nie weiter avanciren, wenn
er ſein Metier nicht ordentlich lernt.“-- Von de
Königs eigener Hand ward darunter geschrieben:
Junge Grafen, die nichts lernen, find Ignoranten in
allen Ländern. In England ist der Sohn des Ki-
nigs nur Midſchipman auf einem Schiffe , um die
Manivres dieses Dienstes zu lernen. Im Fall nun
aus einem Grafen was werden, und er der Welt und
feinem Vaterlande etwas nüße werden folk, so muß
er sich auf Titel und Geburt nichts &nbilden ; denn
dieses sind nur Narrenspoffen ; sondern es kommt
nur allezeit auf fein Mérite personel.an."

Der Rittmeister v. Kurzhagen vom ehmaligen v.


zieten'schen, spåter v. göcking'schen Leibhusaren-Regi-
mente, - der Sohn eines märkischen Landmanns, -
war einft von Friedrich zur Tafel eingeladen.
Von was für einem Hause stammt Er ab? fragte
ihn der König, vermuthlich um seine Gesinnungen zu
prüfen. ,,Von gar keinem, Ew. Majeſtåt,“ erwies
derte der Rittmeister ; blos Landleute sind meine
Eltern, und ich möchte sie um keine andere Eltern in
der Welt vertauschen. Das heißt edel gedacht!
forach der große Monarch, und eine Freudenzähre floß
ſeinen Wangen herab.
561

Die Öftreicher attaquirten bey einem Marsche


im fiebenjährigen Kriege die preußische Armee sehr
starf, und fo zu sagen Fuß für Fuß. Die Preußen
wa-en linkɛ abmaſchirt, ſo daß der König mit dem
General von Bieten den rechten Flügel commandirie,
welcher hinterwärts und der größten Ge‘ahr aufge-
feßt war. Die Armee mußte durch eine Meierey defi
firen, und dadurch ward der Marsch so sehr verzögert,
daß die Hinterften zu ganzen Stunden halten mußten,
und fo dem anhaltenden Flintenfeuer der Kroaren

und Panduren ausgefeßt waren. Der König befahl,
Die Meierey in Brand zn stecken. Sie stand schon in
vollen Flammen , und die Garde du Corps, Gendarmes,
die zietenschen Huſaren und ein Freybataillon waren
( noch nicht hindurch. Der General von Zieten rief dem
Könige zu : ,,Ihro Majestát, es ist die höchste Zeit, daß
Sie durchkommen , ſonſt ſehen Sie sich in Lebendge-
fahr ; der Bettel wird vald einstürzen." , 0, mein
fieber Zieten! antwortete König ; ,,wir sind
tein Paar Generale , und müssen erst unsere Leute in
Sicherheit sehen , dann ist es Zeit , an uns zu denken.
Damit uns aber die Zeit hier nicht lang wird, ſo mach'
Er mit Seinen Husaren eine Araque auf das Ge=
fchmeiß." Zielen ließ die Husaren aufmarsciren,
hieb unter die Kroaten ein, und brachte 17 Gefangene
und eine Kanone zurück. Der König ſagte lächelnd :
„ Der Spaß ist uns doch gelungen." Darauf ließ er
die Hufaren und das Freybataillon durchdefiliren, und
nun erſt, ais der legte Mann durch war, ließ er Zieten
rufen, und sagte zu ihm : „ Nun ist es Zeit, mein ticber
Zieten ; nun wollen wir mit bieſen Leuten durch, fonft
fallen uns doch wirklich die Ealken auf den Kopf.“

Friedrich d. Einz. IV., 10


562

An einem sehr anmuthigen Frühlingtage war die


Armee auf einem Marsch nach Böhmen begriffen. Die
Soldaten waren sehr aufgeräumt , und fangen mar
cherley Krieg und andere Lieder. Der Lieutenant vok
Trotta von der Garde du Corps war sehr unwillig
darüber, und jagte bald hier bald dort hin, besonders
feinen Garde du Corps daß Singen zu verbieten. Sein
Schelten und Drohen half wenig, und die Leute ließen
fich in ihrer Fröhlichkeit nicht stören. Indem wa d
er den König gewahr ; nun kömmt der König" sagte
er, der wird Euch die Mauler schon stopfen. Plög:
lich entstand eine allgemeine Stille. Friedric
hatte seine Freude an dem guten Muthe der Leute ge-
habt, und da ihm die plößlich erfolgte Stille auffiel,
fo fragte er: warum singt Ihr nicht noch , Kinder?
- „ Ihro Majestät, der Lieutenant von Trotta hat es
uns verboten war die Antwort. --- Der König wen:
dete sich nun zu Trotta, der neben feinem Zuge ritt,
und sagte verdrießlich : „Herr , laß Er meine Leutt
vergnügt feyn ! Denkt Er, daß Er Sklaven unter ſich
hat ? Nein , es sino meine Preußen. Kinder, fingt
fort! riefer laut ; -,,ich will Euch nicht stören.“

Friedrich's edles Herz, das ihm die halbe Welt


abspricht, zeigte sich bey dem Prozeß des Miniſters von
Görne so sehr wie bey vielen tauſend andern Gelegen-
heiten. Eh man noch die allein durch Görne veran-
laßten Ursachen des creditlosen Zustandes der See
handlungs- Societåt fannte, gab ihr Friedrich , ju
ihrer Erhaltung , einen Vorschuß von mehr als einer
Million Thaler. Bey dém Concurs berichtigte die Com-
mission dem Könige , diese Million könne man aus der
563

Mafe dek görne'schen Güter und Effecten erstatten,"


wenn der König sich seines rechtkräftigen und verfass
fungmäßigen Vorzugrechts bedienen wolle: Vermöge
dieses Vorzugrechts erhielt der König ibm gestohlene
Gelderzuer , und diejenigen Creditoren, diedem Herrn
von Görne ohne genugfame Sicherheirihr Geld geliehen
hatten , mußten leer ausgehen. Friedrich der Große
antwortete der Commiſſion : ,, Nein ! den Schaden muß
ich tragen ; denn es ist meine Schuld, daß ich ſo ſchlecht
gewählet habe, und einem solchen Menschen, wie Górne,
eine solche Sache auftrug. “ ( Zimmermann. )

Da der geheime Rath Hesse , der von dem Lands


grafen von Darmstadt zur Zeit derVerlobung der Kron-
prinzeß nach Berlin gesandt wurde, um einige häusliche
Angelegenheiten vor der höchsten Trauung zu arrangis
ren, fich schriftlich bey dem König entic uldigte, er
fey nicht von Adel, aber ein rechtschaffener Mann, und
hoffe, der König werde diesen Umstand bey seinem
Auftrage gnädigst übersehen , so schrieb ihm der König
wieder: Ein ehrlicher Mann ist in meinen
Augen vom besten Adel und vom größ=
ten Werth, denn seine Tugend glänzt in
feinen Handlungen. Er ist mir willkommen,
ich sehe Ihn gern bey mir, und es wird mir ein
„Vergnügen seyn, einen Vertrauten von meinem alten:
Freunde kennen zu fernen.

Eines Tages unterhielt sich der König mit denr


Mylord Marschall äußerst vertraut. Das Gespräch
hatte die Schicksale der Menschen zum Gegenstand.
10 **
564

"Gewiß Mylord ! " fagte der König , das Loos , das


mich traf, König zu feyn, ist nicht das angenehmste und
beste. Die meisten Menschen lassensich durch das Äußer
liche dieſer Würde blenden ; allein , sehen Sie - wat
habe ich von meinem ganzen Leben ? muß ich nicht mehr
arbeiten , als irgend einer meiner Unterthanen ? muß
ich nicht alle meine Handlungen so einrichten, daß ich
ihnen stets zu Diensten stehe, und das allgemeine Beste
zu erhalten suche ? und bleibt mir mehr übrig, aló daš,
ras viele unter ihnen mit weit größerer Bequemlich-
feit genießen können ? - Und das ist alles nicht hin-
länglich, fie so zufrieden und glücklich zu machen, als
ich wünsche. Unter sich selbst verderben fie oft mehr,
als ich Gutes stiften kann ; und die widrigen Folgen,
die daraus entstehen , werden größtentheils mir zuge-
fchrieben. Glauben Sie nur, Mylord, könnte ich alle
Menschen glücklich machen, ſo würde ich meine Wünſche
erreicht haben. Aber , wie viele Hindernisse stellen sich
mir immer entgegen, und ich muß zufrieden ſeyn, wenn
ich nur hier und da etwas Gutes hervorbringen kann,
wo das Böse tas übergewicht zu haben scheint."

Bey des Königs lehter Reise nach Preußen (1784)


hatte der dortige Präsident , Herr von Maſſov, eine
gnådige und rührende Audienz. Der Hauptinhalt der
Rede des Königs war folgender: JH habe Ihn zum
" Práfidenten gemacht, und ich muß Ihn also auch wol
,,fennen lernen. Ich bin eigentlich der oberste Justiz
Eommiffarius in meinem Lande, der über Recht und
Gerechtigkeit halten foll; aber ich kann nicht alles
,,bestreiten, und muß daher folche Leute haben, wie Er
ift, die andern zu ihren Rechten verhelfen. Ich habe
565

eine schwere Verantwortung auf mir ; denn ich muß


nicht allein von allem Bösen, was ich thue , sondern
„auch von allem Guten, was ich unterlasse, Rechen-
fchaft geben : so auch Er. Er muß durchaus unpar=
tetisch und ohne Ansehen der Person richten , es ſep
Prinz, Edelmann oder Bauer. Hort Er, das sage ich
Ihm, sonst sind wir geschiedene Leute! - Hat er
Güter ? Nein Jhro Majestát ! ,,Will er welche
Eaufen ? Dazu hab ich kein Geld, Ew. Majeſtät.-
Gut, so weiß Er, was Armuth ist, und ſo muß Er sich
um so viel mehr der Bedrängten annehmen !

Im Jahre 1783 wendete sich eine junge Bauerin


an den König , vorstellend , sie sey von der Herrschaft
nicht nur aus dem väterlichen Koffätenhofe rertrieben
worden, sondern habe auch Schläge empfangen. Der
König befahl dem Justizdepartement hierüber Bericht
abzustatten. In diesem Berichte stand, die Schläge
hingen mit dem Hofe nicht zusammen , sondern feyen
jener Perfon wegen ihres groben Verhaltens gegeben
worden, überdieß auch unbedeutend gewesen. Der Kö-
nig schrieb aber an den Rand : Schläge gehören nicht
dazu , und ist dieses gar nicht nach meinen Verord-
nungen, und muß, der die gegen hat, daher gestraft
werden. Das ist Justiz. Sonst kann ein jeder
arme Leute beleidigen.".

Bey einem schnellen Marsch, wodurch der König


Die Verbindung mit der Armee des Prinzen Heinrich,
welche ihm die Öftreicher abschneiden wollten , zu be
Haupten suchte, fügte es sich, daß sie durch ein Dorf
566

defiliren mußten , auf deffen rechter Seite die feinds


lichen Hufaren herumschwärmten. Der König hieltsich
am Dorf so lange auf, bis die Arrieregarde anfing
durchzumaſchiren . Er jagte dann schnell durch das
Dorfauf eine Anhöhe, wo die preußischen Flanqueurs
vorben mußten. Hier hatten vier öftreichische Hufaren
in der Gegend , wo der König den Rücken hinwendete,
einen dieſer Flanqueurs auf's Ziel genommen , wollten
ihn abschneiden und gefangen nehmen . Dieser gab
feinem Pferde die Sporen , und kam gerade am Ende
des Dorfs an den König losgesprengt , und feine Ver:
folger hinter ihm. Der König wendete ſein Pferd schnell
um, und ward gewahr, daß der eine feindliche Husar
der ihm sehr nahe war , gerade das Pistol auf dieſen
Flanqueur anlegte. Halt Hufar ! rief der König , der
an feine eigene Gefahr nicht dachte, Du hast kein Pulver
auf der Pfanne. Der Husar , der in der Geschwindig
keit seine Pistole betrachten wollte, ward, da ſeine drep
Kameraden schon die Flucht ergriffen hattten, von zwep
Gensdarmes zum Gefangenen gemacht.

Der Eindruck von Friedrich's Größe wirkte


auch auf entfernte Nationen, und rohe Menschen fühl
ten sich von seiner unglaublichen Unerschrockenheit
wehrlos gemacht. In dem siebenjährigen Kriege ritt
er einst mit einem ganz kleinen Gefolge refognošziren.
In einem Gebüsch lagen einige Panduren verstedt,
Die durch einzelne, doch fruchtloſe, Schüſſe nach dem
Gefolge des Monarchen zielten. Der Held achtete dies
nicht , als ihm plöhlich ein Feldjäger zurief: ,,Jhro
Majeftát, retten Sie sich ! Da hinter diesem Baume
dicht am Wege legt einer auf Sie an!" — Friedrig
567

behielt seine Fäffung, ſah ſich um, erblickte den zielen-


den Panduren, hob ſeinen Stock in die Höhe, und rief
ihm mit drohender Stimme : Du ! Du ! und der Pan-
dur nahm erschrocken ſein Gewehr vor den Fuß , ents
blößte fein Haupt, und blieb in ehrerbietiger Stellung
Rehen, bis der König vorübergeritten war. (So wird
wenigstens in den „ Anekdoten und Charakterjúgen aus
dem Leben Friedrich des Großen" erzählt.)

Eine lebendige Darstellung der Seelengröße des


Königs, der nie der Menge seiner Feinde , oder dem
Drud feiner oft verzweifelten Lage unterlag , findet
man in folgendem Briefe von einem preußischen Oift-
sier nach der unglücklichen Schlacht bey Kunersdorf.
„Es waren nicht 5000 Soldaten bey dem Könige.
Die Regimentersahen nicht stärker aus als Compagnien.
Ich sah diesen Morgen den König unter ihnen in einem
offnen, durch die Kosaken zerstörten Bauernhause in
Dischar auf ein wenig Stroh so fest und ruhig schlafen,
als ob er sich in völliger Sicherheit befinde. Der Hut
lag ihm halb aufdem Gesicht, der Degen bloß zur Seite.
Su feinen Füßen schnarchten zwey Adjutanten , aber
ohne Stroh. Ein Grenadier wachte vor dem Hause."

Im fiebenjährigen Kriege hatte den König das


Fieber so stark angegriffen, daß er sehr hager und blaß
aussah, als er in Leipzig fein Winterquartier bezog.
Die Frau des Hauses , welcher der König oft Merk-
male seiner Gnade gegeben hatte , beklagte ihn , und
fagte: Mein Gott, wie ſehen Ew. Majeſtår so kranf
-
Rus !“ — „ Das ist kein Wunder, " antwortete der
568

König ; denn wer zwey Weiber (Maria Thereſia, und


Elisabeth von Rußland) und bie Franzosen obendrein
am Halle hat, wie kann der gesund aussehen !"

Der König wechselte einft auf einer Reise nach


Westphalen die Vorspannpferde zu Schauen , wovon
das Gebiet eine unmittelbare Reichfreyherrschaft war,
die dem Herrn von Grote gehörte. Der damalige Beſißer
empfing den König ungefähr mit der Anrede , daß es
ihn freue, Se. Majestät auf seinem Territorium zu
feben sc. Der König lächelte, und ſagte zu ſeinem Ge
folge: Sich da ! hier kommen zwey Souveraine zu
fammen !

Einst ritt der König, in Begleitung eine Prinzen,


durch eine Straße von Berlin. In einem gewissen
Hause lagen verschiedene Frauenzimmer , auf's beste
foeffirt, in den Fenstern . Der König hielt sie für Pers
fonen von Stande, und nahm ſeinen Hut ſehr gnädig
ab. Der Prinz lachte, und sagte : „ Ew. Majestät, das
1 find jaHuren !" -- Der König antwortete blos : ,,So?
Em. Liebden kennen sie also ?!"

Zum Neujahr übergab ein junger Mensch dem


Könige einen Glückwunsch in Versen. Der König ließ
ihn vor sich, und fragte, ob er die Verfe selbst gemacht
habe. Der verlegene Gratulant sagte Nein. Nu das
ist gut: hier will ich Ihm etwas schenken, weil Er die
Verse nicht gemacht hat , denn wenn Er die Verſe ge-
macht hätte, hatteich Ihn in's Tollhaus bringen laffen.
Incommodier Er sich aber über's Jahr nicht wieder.
569

Der König unterhielt sich einmal mit einem


Manne, der ihm sehr viel Activität zu haben schien.
Die Rede fam auch auf ländlichen Vergnügen , unter
andern auf den Vogelheerd. Wofür ist der, fragte der
König. Sire , verseßte er , man muß doch auch
etwas für die lange Weile haben ! — So ! hat Er auch
Lange Weile ? bey diesen Worten wandte sich Frieds
rich finster um , und sprach mit dem Manne , der zu
weilen lange Weile hatte , kein Wörtchen mehr.

Einst ließ sich der König verschiedene Gedichte


vorlesen , die man bey Gelegenheit seines Geburttags
verfertigt hatte. Er hörte jeden Augenblick das Wort
Vater. ,,Viel Wiş find' ich nun wol nicht in diesen
Versen," sprach er,,,aber desto mehr Liebe und Zus
versicht gegen mich, und damit bin ich vollkommen
sufrieden. Meine Unterthanen können mir keinen
fchönern Vers machen, als wenn ſle mich ihren g uten
Vater nennen, denn in meiner ganzen Regierung
hab' ich gestrebt , es zu seyn.

Zu Hirschberg zog die Bürgerwache einmal wäh-


rend Friedrich's Anweſenheit auf, und hielt in
feinem Quartiere das Zudringen des Volkes mit Kol-
benstößen und Schlägen ab. Der König bemerkte dies
aus seinem Zimmer mit vielem Mißfallen . Laßt méine
guten Unterthanen mich sehen , so lange fie können und
wollen; ich freue mich , daß sie mich lieben und gerne
fehen.

Bey einer Reise des Königs durch Frankfurt


570

a. d. D. unterhielt er sich einige Augenblicke mit einem


Profeffor , der ihm unter andern auch erzählte , daß
seine Frau eine gekrönte Poetin gewesen sey.. ;,Hat
fie Ihn auch gekrönt, mein guter Profeffor ? fragte
der launige König. (Nachtr. zu Nilcol. Anekd.)

Als der König 1751 im July eine Reise nach


Weftphalen ' machte , ward ohnweit Halberstadt ein
Bauer von seinem Vorspanne ohnmächtig, und fiel vom
Pferde. Der König schrie, sobald er es fah , aus dem
Wagen: halt! halt! was fehlt dem Kerl ?- Ge
schwind gebt ihm was zu riechen, und damit zog er
fein Flakon aus der Tasche , gab es hin, und befahl, es
dem Bauern unter die Naſe zu halten. Es währte nicht
lange, so kam dieser wieder zu sich, und sagte in der
Betäubung , als er sah, daß der König selbst um ihn
bekümmert und daß von diesem die Riechflasche war,
die er für ein Schnapsfläschchen anfah : ,,Ach lieber
Herr König, dat loone en Gott im Himmel, wenn he
sonnen Schnaps hat , davon schon dat Rucken helpt,
fo maghe noch woll besser schmecken. Der Königlacte
herzlich, und befahl, daß man dem Bauern das Flakon
laffen sollte, damit er nur weiter fåme.

Eine adelige Dame hatte verschwenderisch gelebt,


und ward Schulden halber verklagt. Sie bat den
König unmitteibar : Ihre Prozesse zu fistiren, und ihr
ein Moratorium gegen ihre Gläubiger zu geben. Der
König forderte nicht allein Bericht von der Justizbe-
hörde, fondern erkundigte sich auch außerdem nach ihrer
Verwaltung des Hauswesens, und gab ihr darauf eine
571

abſchlägige Antwort, mit dem Beyfügen , daß Er den


Lauf der Justiz um so viel weniger hemmen könne, als
Er gewiß wisse , daß sie an Allem schuld sey. Die
Dame vermochte ihren Sohn, einen Rittmeister, und
verdienten Mann, deßhaib an den König zu schreiben.
Der König-antwortete ihm : ,,Er bedauere, ihm die-
fee abschlagen zu müssen ; die Achtung, die Er für seine
findliche Liebe habe, verhindere Jhn, ihm die Ur-
fachen zu melden , warum Er es abschlage. “

In jener dammernden Zeit, als in Preußen und


Europa Friedrich der II. wie der Geiſt über den
Wassern schwebte, war es , als ein dienste:friger Fis-
fal zeigen wollte, daß er sein Amt zu verwalten wisse,
und einen Prozeß gegen den Verfaffer einer kleinen
Flugschrift anfing, die den Titel führte: der gierige
Hund , behauptend , der König selbst sey damit ge=
me.nt. Der Prozeß ging seinen Gang, und die ersten
Richter waren auf dem Punkte , den Verfasser des
gierigen Hundes“ als einen Hochverråther zu verur-
theilen , als ein alter Büchertrödler kam , und Klage
gegen den Autor führte, ihn beschuldigend, daß er die
Satyre auf ihn gemacht habe. Der große König be-
lustigte sich sehr über den Mißgriff, und ließ den Herrn
Fiefal bitten, nicht alle Albernheiten, die gedruckt
würden, auf ihn zu deuten.

Ein invalider Feldwebel von der Garde bewarb


ſich um einen Versorgungsposten, den man ihm aber
abschlug , weil er keine Caution ftellen konnte. Er
wandte sich daher an den König , welcher an das Colle=
572

gium , von welchem dieser Posten abhing , schrieb:


Der invalide Feldwebel N .... ist mir ſeit so vielen
Jahren als ein ehrlicher Mann bekannt, und kann den
Posten ohne Caution erhalten. Es ist nicht zu glaw
ben, daß er in seinem hohen Alter zum Schelm wer
ten wird. Ist aber eine Caution platterdings nöthig,
ſo werde ichsie machen. Ich denke Credit zu haben."
A
Ein Schmiedeknecht aus einem schlesischen Dork
nahm zu der Zeit , da im ſiebenjährigen Kriege dit
Freybataillons bey der preußischen Armee errichtet
wurden, bey demjenigen, welches den Obriſten Quintus
zum Chef hatte, als Unteroffizier Dienste, und bewies
fich fo brav, daß er zu Ende des Kriegs Major ward,
und den Orden pour le Mérite trug. Er ward, als
das Bataillon reduzirt wurde , ſeinem Schicksal über
laffen , und , da er sich vergeblich hie und dort nach
Versorgung umgeſehen , so kehrte er voller Verzweif
lung in fein Dorfzurück, wo er den Hammer wieder is
die Fauft nahm, und damit ſeinen Unterhalt zu erwer
ben fuchte. Dabey unterließ er aber nicht, den Orden
pour le Mérite öffentlich zu tragen. Eines Tages,
da er vor der Dorfschmiede arbeitete, fügte es ſich,
daß der General Seydlig vorbey ritt , und den son
derbaren Schmied mit dem Orden für die Verdienste
um den Hals erblickte. Er näherte sich demselben,
und fragte: was er da mit dem Orden mache ? - Der
Schmied erzählte dem General ſein ganzes Schicksal,
welches denselben ſo ſehr bewegte, daß er ihm dieHand
darreichte, und versprach, sich seiner bey❜m Könige ans
zunehmen. Seydlig hielt Wort, und berichtete bald
darauf dem Könige Alles , was er geſchen und gehört
573

shabe; worüber derselbe Verwunderung außerte, und


versicherte dem Mann zu helfen , wenn er vorher mit
Quintus gesprochen habe.
Es war eben Revŭezeit. Quintus befand sich
im Gefolge des Königs, und speiste zu Mittag an def
fen Tafel. Als der König und seine Gesellschaft etwas
munter geworden waren, fing der erſteke an zu reden;
Quintus ! Er hat schön Zeug bey seinem Bataillon
zu Offiziers genommen . ----- Da erzählt man mir eben,
daß in dem Dorfe, nicht weit von hier, ein Major von
ihm schmieder. Wie ist denn der Cyclope zum Orden
pour le Mérite gekommen ? — Quintus erwiederte:
Ah! ich erinnere mich der brave Kerl ! Ja,
ich wünschte, Ew. Majestät hätten viel solcher Schmiede
in der Campagne gehabt. Dieser hat gewiß das Sei-
nige gethan , und Er. Majestät sind bey der Gelegen-
›Heit selbst zugegen gewesen , da er sich bey Ihnen den
Orden in Sachsen verdiente. Warum (fragte der
König weiter) hat Er mir den Mann nicht bekannt ge
macht? Quintus antwortete : Das ist geschehen,
aber Ew. Majestät waren damals zu sehr wider die
Freybataillons eingenommen , und haben ihn gestrichen.
Der König lächelte, und sagte mit Kopfschütteln : Er
hat kein Glück gehabt , sonst müßte ich ihm geholfen
haben. Nun, hór' Er, ich will dem Mann eine Pon-
fion geben, weil er es verdient ; aber dann muß er auch
den Örden aus der Schmiede bringen , und ſich ſtille-
hinsehen, bis ich ihn rufen werde.
Hierauf erhielt der gewesene Major auch wirk
lich eine Pension, die zu feinem Unterhalte völlig hin
reichte, mit einem gnädigen Handschreiben des Königs,
worin er sich mit großer Güte gegen ihn ausdrückte,
Friedrich d. Einz. IV. 11
574

und beklagte , nicht eher etwas von ihm erfahren zu


haben. Der Major, welcher sich nicht hatte träumez
lassen , so bald aus der Schmiede erlöst zu werden,
war vor Freuden außer sich, als er hörte, daß der Kö-
nig feinen Eriegerischen Verdiensten habe Gerechtig
keit wiederfahren laſſen , und genoß die Früchte der
selben in Ruhe mit Dank.

Der König liebte nicht die Schmeicheley , beson


ders nicht in's Gesicht. Es ward bey einer solennes
Gelegenheit eine Oper aufgeführt, und dazu ein beson
berer Prolog gemacht. Der Poet hatte darin bey
einer guten Gelegenheit auch des Königs mit Lobe ge
dacht. Der König ließ sich aber den Prolog jur
Durchsicht gebe , eh' er komponirt ward ; da strich Er
diese Stelle aus und ſchrieb auf den Rand : 11 faut,
qu'il ne soit pas question du roi.

Ein föniglicher Bedienter wåre wegen einer ge


wissen Sache nach Spandau gekommen ; es zeigte sich
aber gleich nach seiner Arretirung, daß ihm zuviel ge
schehen war. Der König ließ ihn augenblicklich in Freys
heit sehen , und nach Potsdam rufen. „Ich danke
Ihre Majestät, sprach der Bestrafte,,,für die Gnade,
Daß Sie mich meines Arrest's entlassen haben."
,,Nein, guter Mann,“ ſprach der König,,,ich bedanke
mich bey Euch, daß Ihr mir eine Gelegenheit gegeben
habt, gerecht gegen Euch zu seyn. Ich werde Euch
und Eure Kinder nicht vergessen."

Einstmal überreichte Jemand dem Könige ein


575

Memorial, worin der Ausdruck stand : ,,Darum bin


,,ich gleich vor die rechte Schmiede gegangen." Der
König schickte das Memorial an seine Behörde, mit
den Worten : Der gute Mann hat ſich in der Schmiede
geirrt; seht doch aber zu, eb sich aus seinem Eisen
was schmieden laffe."

Auf einer Reise nach Preußen, unterhielt sich der


König zu ** stets mit einem Amtmann , der ein sehr
starker Mann war. Ohnerachtet er einen Widerwillen
gegen ferie Leute hatte, iv konnte er doch diesen wol
leiden. Einst stell : sich ein langer hagerer Mann an
deffen Stelle. Der König fragte : Wer ist er? -
,,Ich bin der Amtmann.“ Das ist nicht wahr ! der
Amtmann war ein dicker Mann. -- - Ew. Majestát
halten zu Gnaden , dieser
11- Mann ist gestorben, und ich
bin an feiner Stelle." So , fo! Der König
fuhr dann weiter. Er fagte hierauf zu dent General-
Lieutenant *** : ,,Dieser Mensch wird mich noch viel
kosten, eh' ich ihn so weit bringe, als den vorigen."

Aus der Nasenspinde. (Nasenspinde, so hieß


ein kleiner Schrank, in welchem das ehmalige General
Direktorium zu Berlin die ihm von seinem großen
Könige zugegangenen unangenehmen Verfügungen, in
Der Kunstsprache, Nasen, welche es nicht durch die
Bureaux verbreiten wollte, verwahren ließ.) Im
Jahr 1764 war in Frankfurt a. d . O. durch ein, von
Der Kaufmannschaft gegebenes Feuerwerk ein Brand
entstanden , wodurch mehre Bürgerhäuser in Aſche ge=
Legt wurden. Einer der abgebrannten Bürger war
111
576

genöthigt, fich, Armuth wegen, von dem Wiederaufbau


Jozusagen ; ſein Bauplah wurde ihm gewaſtſam ge
nommen und verkauft. Drey Jahre hatte er vergeb
lich um diesen Rest ſeines eh’maligen Ergenthums pro-
zeſſirt, als der König am 6ten September 1767 nach
Frankfurt kam , und der durch die Behörde beraubie
Mann, vor den Monarchen tretend, sein Unglück Elagte.
Der Köniz ließ sogleich den Bürgerme fter rufen , der
aber zitternd seine Schuldlosigkeit bewies: Das Ge
neral-Direktorium hatte dieſes Unrecht, auf ſich ; ei
erhielt daher am 9ten September , 1767, die hier im
Auszug folgende Kabinetordre:: Bey Sr. k. Mojs
Durchreise ic: 20. 2c, — welchen Bürgern Allerhöchst
dieselben geantwortet, wie Sie zwar wüßten, daß un-
rer dem Feder vich bey'm General- Direktorio und
deren Krieg und Tamainen-Kammern diebiſch Gefin,
del genug vorhanden seh, Sich aber niemals vorstellen
wollten, daß derselben diebische Proceduren ſich auf
das Eigenthum dergleichen armer Bürger so weit er
strecken könnten felbigen noch die Überbleibsel ihrer
eingeascherten Gebäude und Zubehör mit Gewalt zu.
nehmen 2c.------wenn daher der Bürgermeiſter die Leute
depoffedirt: hát:e, ſo würden Se. Majs ihn haben aus-
dem Fenster werfen laſſen, er habe aber nur die Ordre:
tes General Direktorii befolgt, xc: Das General
Direktorium muß Se. Maj. landesväterliche Gesinnun
gen in Ansehung der Poſſeſſionen und wie Sie wollen,
daß ein jeder dabey ungefrånkt gelaſſen und geschüßet
werde, kennen, und haben , dabey felbiges diefen Ge:
Finnungen gemäß handeln , und hierunter keine Ungea
rechtigkeiten im Lande zulassen möge , demselben einen
Theil, Dero Autorité anvertraut ,, sind aber auch
577

authorisirt , allen Denjenigen , welche davon Miß-


Brauch machen, den Kopf vor die Füße legen zu laffen.
Die abgebrannten Bürger find zwar geringe arme
Leute, wem aber, wie Sr. königl. Maj . ein Land zu re-
gieren oblieget, dem müſſen alle Menschen gleich ſeyn
und dem Armen wie dem Reichen Justice admi-
nistrirt werden. Allerhöchst dieselben befehlen daher
re: re."- Übrigens wird das ganze General- Direkto
rium ſich diesen Vorfall und die höchſt ungnädigen Äuß
ferungen Sr. f Maj. zur endlichen Warnung dienen
laffen, wie Sie denn übrigens dem General- Direkto=
rium dessen unverantwortliche Negligence, mit wels
cher es die Sachen betreibet, und wovon dieser Vorfall,
der schon in's dritte Jahr trainiret, zeuger, hiermit
ernstlich verweisen. Friedrich.
Dieſem Ak‹ enſtück ist der Entwurf einer Verant
wortung des General Direktoriums beygefügt, worin
es das Sachverhältniß einfach darlegt, und sich einer
ftrengen Untersuchung unterwirft. Eben so eine Quit
tung des fraglichen Bürgers über 200 Thaler , unter
Dem Datum des 10ten September desselben Jahres.

Friedrich spielte das Schach feibenschaftlich,


und, wie man leicht vermuthen kann, sehr gut; indef
sen mußte er einst die Demüthigung erleben , von sei
nen Bauern besiegt zu werden. Im Halberstädt'schen
liegt ein Dorf, (Ströbken) welches von den ältesten
Zeiten her das Recht hatte, durch das Schach über
feine Abgaben zu entscheiden , welche es dem König
fchuldig ist. Alle Jahre kam ehdem ein Abgesandter
von der königl. Regierung, um ein Spiel mit den Be
wohnern des Orts zu wagen . Gewann dieser die ges
578

wisse Zahl von Partien, ſo muß der O* ſeine Abgaben


geben ; verlor er ſie , was denn meiſtens der Fall ge:
wesen feyn soll, weil das ganze Dorf mit einreden darf,
so nahm er einen Becher voll Kupfergeld mit, und da
mit, wie ſie ſagten, Gott befohlen ! Friedrich, der
nur zu überwinden gewöhnt war , ging einſt, als er
dem Ort nahe wor, hin, um den Bauern " die höchste
Gnade zu erweisen , sie zu schlagen ; allein der Held
hörte, wie seine Emissarien ,,und damit Gott befohlen."

De la Motte Fouqué erzählt in den Anmerkun-


gen zu seinem Rittergedicht Bertrand du Gues-
elin folgendes Beyspiel von geistiger Übergewalt über
feindliche Waffen, das Friedrich der Große in dem
bayerischen Succeffionskriege (1778) gab: $
Während eines kleinen Vorpostengefechts ritt
Friedrich nach einem Gebirgdorfe zu , welches der
ihn allein begleitende Adjutant für beſeßt vom Feinde
hielt. Er wagte es , den König daran zu erinnern.
Der alteHeld, im Gefühl seiner abnehmenden Körper
Fräfte während dieses ganzen Feldzugs etwas mürriſch,
antwortete kurz und auf eine Weiſe , die dem ehrlie-
benden Adjutanten keine Erwiederung mehr gönnte.
Man ritt dann also schweigend vorwärts. Bey'm
Einreiten in das lange, thalbegränzte, Dorf gewahrt
man am gegenüberstehenden Ende einen sogenannter
Stångelreiter. (Dies Mittelding zwischen Lanzen-
reiter und Husar hatte Kaiser Joseph damals erschaf
fen, um den preußischen Bosniaken zu begegnen.) Der
König hält sein Pferd an, und bleibt einen Augenblick
finnend still. Nothwendig mußte der Stångelreiter,
feiner ganzen Stellung und Haltung, nach, einem hin
579

ter ihm lauernden Truppe als Vorposten dienen. Ihn


angreifen , (wozu der tapfere Adjutant , Graf Gößen,
fich sehr wol geſchickt haben würde) hieß das ganze
Bremsenneft aufffören ; flüchtig umkehren , hieß den .
Schwarm hinter sich drein locken , und zum wilden
Wettjagen taugte der greife König nicht mehr. Da
fagte Friedrich nach augenblicklichem Bedenken :
Reir' Er zurück, Göhen, und hol' Er Husaren ! -
Der wack're Adjutant zögerte. So feinen alten König
allein zu lassen, war ein entseglicher Gedanke. Aber
auch so nur war er zu retten , und ein gebietender
Blick des greifenden Helden trieb den jüngern Ritter
von hinnen. Er jagt, er fliegt, -- er sieht ein eben
zurückgeworfenes Husarengeschwader, und will es auf-
halten zu seinem großen Zweck. Die Flüchtigen ver-
Rehen ihn nicht , und reiten ihr im wilden Getümmel
nieder. Todesangst in der Seele , rafft er sich wieder
auf. Endlich gelingt es ihm, einen Zug Husaren zu
fassen und im Fluge zurückzuführen nach der bedroh-
ten Stelle. Da hält der alte König ganz allein. Der
Stångelreiter ist vor der wundersamen Greifengestalt
und dem durchborend strengen Auge still von dannen.
geritten." -

Von Seydlig, (gebürtig aus Cleve, im rheinischen


Niederlande) der nicht allein der berühmteste Cavalle-
rie General, ſondern vielleicht auch der beste Reiter sei-
nes Jahrhunderts war, und der -- wie Archenholz
fagt, aus der preußischen Cavallerie eine Art Centauren
geschaffen, und mit derselben durch seine geschickten und
Kühnen Manövers so wesentlich zu den großen Erfol
580

gen des siebenjährigen Kriegs beygetragen hatte, wird


unter andern erzählt :
Diefer. Feldherr begleitete einft Friedrich der
H. mit einer Abtheilung seiner Cüraſſiere über die
Oderbrücke bey Breslau „Bas würden wir thun,
Seydliß , fragte der König, wenn der Feind jeht von
beyden Seiten der Brücke in zu großer Übermacht auf
uns zukăme ?” Ohne zu antworten förengte der Ge-
neral über die Brücke weg in den braufenden Strom.
Friedrich erflaunte, und fand dieses Experiment
doch zu stark.. -
Ein andermal hielt Seydlig bey einem großen
Manöver gerade auf dem rechten Flügel feiner Caval
ferie Linie; der König hatte seinen Stand auf dem
Linken genommen. Leßterer fand in den Evolutionen
etwas zu tadeln , und schickte seinen Adjutanten , den
General herüber zu rufen. In diesem Augenblick
fehte sich die Carallerie in Galop. Seydlik fløg långs
der vorsprengenden Linie her, und hielt wie ein Werter
bey dem Könige, der kaum seinen Augen traute: „Nun,
nun !"ſagte er endlich; Er veitet auch ganz verteufelr.
Ich habe schon wieder vergeſſen, was ich sagen wollte.
Ja, ja, die Truppen manövriren recht gut !”
(Charakterzüge, in der Zeitſchrift Charis 1823 mitge
theilt von Karl Geib.)

Voltaire schrieb im Jahre 1760 an den italie-


wischen Dichter Bertinelli (nachdem er sich münd-
lich gegen denselben geäußert hatte, es thue ihm leið,
fich mit Friedrich dem Einzigen entzweyt zu haben:)
Haben Sie von den Poeſien des Königs von Preuß
sen gehört ? dieser ist kein Heuchler, er spricht von
580

dem Chriften so, wie Julian von ihnen sprach. Es


hat Anschein, daßdie lateinische und griechische Kirche,
vereinigt unter den Herren von Soltiför und Daun,
ihn unten Kanonenfeuer excommunicirem werden z
aber er wird sich wie ein Teufél´wehren . Wir, Sie
und ich, sind ziemlich sicher, daß er verdammt werden,
aber wir sind nicht eben so.sicher, daß er geschlagen
reerden wird.

Der feine und scharfsinnige. Andrieur drückte


sich in seinem Gedichte ,, Le Meunier de Sans:?
Souci über Friedrich, den Einzigen fölgender.
maßen aus::
Il ( ce trait) est de ce héros , de FRÉDÉRIC
second,,
Qui tout roi qu'il etoit , fut un penseur pro-
fond,.
Redouté de l'Autriche , envié dans Versailles ,,
Cultivant le beaux arts au sortir des batailles,,
D'un royaume nouveau la gloire et le soutien,
Grand roi ,. bou philosophe , et fort mauvais
chrétien :
Was indeß die letterStrophe betrifft , so find
Gleim'ễ Worte ſehr zu bemerken ::
,,War wenig nur in Worten Christ;;
In Chatene desto mehr.?"

Der geheime Staat und Kabinetminister von


Herzberg ha: nach Friedrich's Tode berechnet, wie:
viel dieser Konig zur Emporbringung der einzelnen
preußischen Provinzen vom Jahre 1763 bis 1786-
reen endere; hier diese Übersicht:.
582

Schlesien 6,350,000 Thaler


Pommern 5,094,570
Neumark 3,030 186
Churmark 3,486 000 "
Ost and Westpreußen 2,813,800 "
übrige Provinzen 723,526 "1
Einzelne Summen 2.90 756 n-
Total • • 24,399,838 "
In dieser Summe find die Millionen nicht bes
griffen, welche der Bau der Festungen erforderte. -
Die Eroberung Schlesiens hatte gegen 8 , der sieben
jährige Krieg nicht weniger als 125 Millionen gekostet
(von welcher Summe aber die englischen Subsidien,
fo wie die Brandſchczungen zc. abgezogen werden müß
fen). Dennoch hinterließ Friedrich der II. einen
Schatz von 50-60 Millionen . -- Preußen, das bey
feiner Thronbesteigung 2,240 000 Bewohner gezählt
hatte, enthielt deren bey seinem Tode gegen 6 Mil-
Lionen.

Auf Friedrich den Einzigen.


Deinen goldenen Thron uraſchwebte der Genius hoher
Kraft, die auf dauernder Bahn, was sie beschlossen,
erringt ;
Krieg'rischerMuth, der, kühn im Adlerfluge ſich breitend,
und mit Weisheit im Bund, terrliche Thaten volls
bracht ;
Reine Gerechtigkeitttebe, die Bürger, den Staat, das
Gemeinwohl
Schirmend , wie freundlich ein Baum Wand'rer in
Gluten des Tags ;
563

Forschendes Wissen und Kunkt , und heilige Geiſtesers


hellung,
Die den umnebelnden Zug düsterer Wolken zerfreut.
Friedrich, einzig und groß! Es huldigt das Stres
ben der Völker
Jeht - nach Leonen auch einst Deinem erhates
nen Werk :
Uber Du weilst nun dort, wo rings im ewigen Lichte
Schwindet die Nacht des Wahns, der noch vie .de
beschleicht.
Karl Geib.

S ch luß worte..
Sans aimer la louage insensible à tout
blâme
J'ai toujours conservé le repos de mon
ame
Et que m'abadonnant à la postérité,
Elle peut me juger en toute liberté.
FREDERIC II.

Mit der durch das schöne , erhebende Be-


wußtſeyn veranlaßten Ruhe, Alles für ſein Ba-
terland (nicht also blos für seinen Thron ! ) ge-
than zu haben, was die Umstände, die beschränks
ten Hilfmittel , und fein eigener großer -
Geist möglich machten, konnte Friedrich , ohne
Bangigkeit, dem Urtheil einer strenge, aber ges
recht , richtenden Nachwelt entgegen sehen.
Wahrlich, Wenige, die ihm zur Seite gestellt zu
werden vermögen, wol schwerlich Einer, der ihn ·
übertroffen hätte! -
584

Sprechen wir hier nicht von seinen Tugen


den; - fast kein Tag feines langen, mühevollen ,
Lebens, der sie nicht bezeugte; - reden wir nicht
davon, wie er Preußen, einen kleinen, verachte
ten Staat, zu der Höhe der ersten Monarchieen
erhob ; nicht davon , wie er in seinen Feldzügen
+ eine bewunderungwürdige , außerordentliche,
Geschicklichkeit entwickelte , und wie eher der
Brandenburger Staat untergehen, als das An-
denken an Leuthen erlöschen wird ; nicht von den
you
niederdrückenden Mühseligkeiten , den unendli-
chen Beschwerden, und dem Mangel , denen er
so häufig standhaft die Spiße bot, noch von sei-
ner persönlichen Kühnheit und seinem hohen
Muthe, noch davon, wie so viele seiner Einrich
tungen in ganz Europa bewundert, nachgeahmit
wurden, übergehen wir, wie sein fühlendes Herz
so tiefbewegt ward, bey dem Unglücke seiner Un
terthanen , seiner geliebten Kinder; wie sein
Rechtlichkeitgefühl sich empörte, wenn er eine
Ungerechtigkeit, eine Bedrückung vernahm ; wie
er dann sich freute, wenn er unschuldig Leidende
gerettet, oder Unglücklichen Hilfe gewährt hattes
schweigen wir von der Menge seiner flugen
Combinationen (im Cabinet, wie im Felde) ; von
seinem philosophischen Geist , ſeinen Talenten
als Dichter und Schriftsteller, von seinen kräftis
gen , wirksamen Bemühungen zur Vertilgung
der Unwissenheit und des Aberglaubens , zur
Verbreitung von Licht und Wahrheit; - erwäh
nen wir endlich nicht weiter, wie er - ein for
niglicher Revolutionär➡ von den Rechten
585

der Völker, und den Pflichten der Herrs


scher gesprochen ; wie er sogar die leßten Mo-.
mente seines Lebens dem Wohle des Vaterlandes
weihen zu müssen, für Schuldigkeit erachtete; -
betrachten wir ihn nunmehr von einer andern
Seite. -- Auch Er war nicht ohne Fehler.
Summi homines , homines tamen !" fagt
Quintilian , von den berühmtesten Männern
Griechenlands und Roms sprechend. - Sollte
aber wol Friedrich so sehr mißkannt werden,
daß man in ihm einen gewöhnlichen Menschen
erblicken könnte; in ihm , der doch jeden Fehler
mit 10 Tugenden, jede menschliche Schwäche mit
20 Großthaten aufwog !! Gewiß nicht.
,,Quel homme est sans erreur , et quel
roi sans foiblesse ?"
Die Vorwürfe, welche man Friedrich
macht, sind , daß er oftmals als roher Despot
regiert, dus Militár und den Adel zum Nach-
theile der Bürger begünstigt, teutsche Kunst mißs
kannt und verädytet, die Geistlichen gehaßt, daß .
er sichendlich jener, durch die späteren Ereignisse
furchtbar gerächten, politiſchen-Sünde der Zere
trùmmerung Polens theilhaftig gemacht, sich
gleich in seinen ersten Regierungjahren als Er-
oberer gezeigt, und auf diese Art vieles Unglück
auf sein Land und Volksgewälzt habe.
Wir haben zwar , im Laufe der Erzählung
der Ereignisse, welche in Friedrich's Geschichte
von Wichtigkeit sind, die meisten dieser Punkte
untersucht, und unsere Ansicht darüber mitges
theilt; dennoch mag es hier nicht am unrechten
Friedrich d. Einz. IV. 12
586

Orte seyn, sie einzeln nochmals, ſtreng prüfend,


zu betrachten.
Daß Friedrich im allgemeinen nichts we-
niger als Tyrann war will man anders
diesem Worte seine erste Bedeutung nicht wieder
geben, - dies bezeugt seine ganze Geschichte.
Daß indeß unter seiner langen Regierung auch
Manches den Selbstherrsches beweist, kann nicht
geläugnet werden, eben so wenig aber auch, daß
Der König in diesem Punkte immer aus Liebe
zum Recht , aus innerer Empörung gegen das
Unrecht , selbst ungerecht wurde. Wie die
preußische Verfaſſung es war , die ihn zum Des
-
spoten machte will man doch diesen Ausdruck
beybehalten dies haben wir , nach Funke, S.
526 gezeigt.
Troß der barbarischen Behandlung , die
Friedrich von Seiten seines Vaters zu erdul
den hatte , bildete sich sein philoſophiſcher Geist,
theils im Umgange mit seinen Freunden, theils
durch vieles Lesen und Nachdenken, und eifriges
Studium, so sehr aus, daß er gewiß nicht roh
genannt zu werden verdient. Zwar hatte er sich),
besonders in seinen Feldzügen , in den häufigen
Gesprächen und Unterhaltungen mit Soldaten,
manchen Ausdruck angewöhnt , der für unsere
verfeinerten Ohren allzuherbe klingt ; aber nicht
das Wort , sondern der Sinn desselben, bes
weist die Rohheit des Menschen. -
Die Eroberung Schlesiens läßt sich wol
amBesten durch die politischen Verhältnisse rechts
fertigen. Preußen hatte Ansprüche auf Theile
587

dieses Landes, die keineswegs grundlos waren ;


aber auch ganz abgesehen davon , muß man bes
denken , daß damals der Augenblick gekommen
war , die , vielleicht Europa , wenigstens ganz
Teutschland bedrohende Übermacht Ostreichs zu
brechen. Jezt konnte Friedrich seinen Staat,
sein Vaterland, bisher immer verachtet, erheben,
die Zeit war kostbar, aber der König benüßte sie.
-Es mag noch sehr zu bezweifeln seyn , ob die
Übel, welche die hieraus entsprungenen Kriege
veranlaßten, größer waren, als die gewesen seyn
würden, welche das fortwährende, unbeschränks
te , Wachsen Östreichs wahrscheinlicher Weise
hervor gebracht hätte. - Übrigens darfauch nicht
bergeffen werden, daß es keineswegs Friedrich
war, der die Fremden zur Verwüstung Leutsch
lands herbey rief! -
Genugsam haben wir uns über die Theilung
Polens (S. 485) ausgesprochen ; eben so das
rüber (S. 469) , daß der König manchmal den
Adel all zu sehr begünstigte ; der nämliche Fall
trat auch nicht selten bey dem Militär ein. Wir
wollen in dieser Beziehung Friedrich keines
wegs rechtfertigen , aber der Wahrheit gemäß
muß dennoch bemerkt werden , wie im Ganzen
doch nie diese Stände den Bürger und Bauern
willkürlich bedrücken durften . —
Daß Friedrich über Religion andere, als
die gewöhnlichen, Grundsäße sich bildete, wird
ihm ebenfalls sehr häufig zum Vorwurfe ges
macht. Wer ist , der behaupten könnte , sein
Glaube, seine Meinung , seyen die einzig wah
12 *
588

ren ? ,,In diesem Stück,“ ſagte Friedrich


selbst,,,sind wir alle blind , und irreu anf vers
schiedenen Wegen ; wer unter uns wåre so fühn,
daß er den rechten bestimmen wollte ?!" Uud
selbst Napoleon äußerte sich noch auf St. He-
lena: Es ist kein Zweifel, daß meine Art Un-
glaube, in meiner Eigenschaft als Kaiser , eine
Wohlthat für die Volker war ; und wie hätte ich
auch anders eine währe Duldung üben können ?
Wie wäre es mir möglich gewesen, so entgegens
gefeßte Sekten auf gleiche Weise zu begünstigen,
hätte eine einzige mich beherrscht? Wie konnte
ich die Unabhängigkeit meines Gedankens, meis
ner Bewegungen , unter den Einflüsterungen
eines Beichtvaters behaupten , der mich durch
die Furcht vor der Hölle regierte ? Welche Herrs
schaft kann ein böser Mensch , und wäre er noch
so dumm, in dieser Stellung über diejenigen ges
winnen , welche die Nationen regieren ? Ist es
denn nicht der Lichtpußer, der, in den Coulissen ,
die Bewegungen des Herkules der Oper nach
Belieben lenkt ? Wer mag bezweifeln , daß die
legten Jahre Ludwig des XIV . mit einem andern
Beichtvater ganz anders gewesen wären ? Von
diesenWahrheitenfühlte ich michso durchdrungen,
daß ich mir fest vornahm, so viel es an mir läge,
meinen Sohn in demſelben religiöfen Glauben
zu erziehen, zu welchem ich mich bekenne." --
Was endlich die Abneigung betrifft , welche
Friedrich gegen die Geistlichkeit hegte, so haben
wir uns auch hierüber ( S. 536) erklärt. Er ers
kannte das, leider nur allzu oft gefährliche, nicht
589

selten sogar heillose Treiben von Gliedern dieſes


Standes ; er beschränkte dieselben , ohne jedoch
auch nur einmal sich einen Eingriff in kirchliche
Gebräuche , oder gar die Denk- und Gewissens
freyheit zu erlauben ; er drückte sich, besonders
in dieser Beziehung , oft herber aus , als er die
Sache in Wirklichkeit beurtheilte , schaffte mit
einem Wort ſeinen Ländern ein zuvor in denselben
nie in dem Maße gekanntes, unschäßbares, Gut
-Gewissenfreyheit- und verdient, wenn schon
fast allgemein deßhalb verkannt, dennoch gerade
dafür den Dank jedes Freundes der Humanität,
der Wahrheit und einer reinen, wirklichen, Freys
heit.
Friedrich liebte allerdings die französische
Sprache vor der teutschen ; aber dieser Umstand,
statt einen Vorwurf gegen ihn zu begründen, ist
vielmehr Beweis für seinen richtigen und guten
Geschmack. Man darf nämlich nicht vergessen,
wie unendlich weit die teutsche Sprache und Li-
teratur in jener Zeit noch gegen die englische und
italienische, besonders gegen die französische, zus
ruck war. (Man sehe die Einleitung zu der ges
genwärtigen Schrift, S. VI., XXXL. f. ) ,,Ich
liebe unser gemeinschaftliches Vaterland so sehr,
wie Sie," schrieb Friedrich an Herzberg,
,,aber eben deswegen hüte ich mich , es zu früh
zu loben..... Dies sind die verschiedenen Fes-
sel , die uns hemmten , gleichen Lauf mit den
Nachbarn zu halten. Immer haben die, die zus
legt kommen, ihre Vorgänger übertroffen ; dies
kann bey uns schneller, als man glaubt, gesches
5go

hen, wenn die Fürsten Geschmack an den Wise


fenschaften gewinnen, wenn ſie die, die ſich damit
beschäftigen , ermuntern und diejenigen loben
und belohnen , die das Beſſere leisten ; sobald
wir Medizeer haben, werden wir Talente sehen.
Wir werden unsere klassischen Schriftsteller ha-
ben,jeder wird sie lesen, um sich daranzu bilden,
unsere Nachbarn werden Leutſch lernen, an den
Höfen wird man es sehr gern. ( avec délice) ſpres
chen, und es kann geschehen, daß unſere Sprache,
wenn sie vollkommen gebildet ist, sich durch die
Gunst unserer guten. Schriftsteller von einem:
Ende Europa's zu dem andern verbreitet.“
Fassen wir alles Gesagte in wenige:
Worte zusammen.. Friedrich's Regierung war
die eines unumschränkt herrschenden Monarchen,
und deßwegen auch nicht völlig frey von willküre
lichen Handlungen. Vermißt man in derselben.
aber gleich häufig eine bestimmte, gefeßliche Vers
tretung der Nation (Ständeversammlung) ſo iſt
es dennoch unläugbar, daß der König das Beste:
feines Staats wollte , und Geist und Kraft ges
nug besaß, dieses Wollen fast immer zu vollfühs
ren. Me forgte ein Monarch eifriger für das
Wohl seiner Länder , als dieser König , und ges
wiß befand sich Preußen nicht einmal beffer,
als unter ihm. Während der Staat, dessen
Macht sich unter Friedrich's Regierung fast
verbreyfachte , allen übrigen Höfen Achtung.
abzwang , entwickelte sich derselbe im Innern:
nicht minder. Handel, Manufakturen , Fabris
fen, Gewerbe blüheten schnell und ziemlich kräfs
591

tig auf. Neue Städte und Dörfer, leßtere in


zahlloser Menge , entstanden.. Ore Pläge vers
wandelten sich in fruchtbare Gefilde. Kunst-
+ Straßen wurden errichtet, Kanåle gegraben, und
die Flüsse mit Dämmen umgeben, welche visher
aft die Früchte des Fleißes von mehren Laufend
Familien durch. Überschwemmung verzehrt hat-
ten. Alle Unglücklichen zu unterstützen, zu retten,
war des thätigen Regenten eifriges Bestreben.
-Kein Minister durfte es wagen, sich eine will-
kürliche Handlung zu Schulden kommen zu lass
sen. Am Hofe des großen Friedrich erblickte
man keine mächtigen Günftlinge;- keineherrsch-
Füchtigen Maitressen , keine giftspeyenden Pries
fter lenkten den König. Er war der Vater ſeincs
Volks, und keine Scheidewand hielt ihn von seis
nen Kindern entfernt, die ihn unermeßlich liebs-
ten , fast anbeteten..

Eben so wenig, als eine ordentliche Auss


gabe seiner vielseitig intereſſanten Schriften,
Besigenwir eine gute Biographie des großen
Friedrich, * ) obschon so unendlich vieles ſeit
Fast einem Jahrhundert über ihn geschrieben

*), Ich nehme die „ Geſchichtskunde von der Regies.


rung Friedrich's des Großen bis auf unfere
,,Zeit , von M. J. Klarte," keineswegs aus..
Denn wer, wie es in dieser Schrift geschieht,
die Schilderung der friedlichen Epoche von 1746-
bis 1756 auf nicht einmal dem dreißig ſten
Theile des Raumes abfertigt , den er zu den
beyben. ersten schlesischen Kriegen nöthig hatte,
592
-
ward. Der, alle meine Erwartungen übertref
fende Beyfall , welcher meiner Lebensge
schichte Napoleon's zu Theil ward , bewog
mich, meine Kräfte auch an der des merkwürdis
gen preußischen Königs zu versuchen. Zufries
den, einem späteren Biographen dieses Helden
eine brauchbare Vorarbeit geliefert zu haben,
darf ich wol hoffen , meinem Zwecke wenigstens
ziemlich nahe gekommen zu seyn.
Herrscht gleich über Friedrich nicht mehr
die Erbitterung der Parteyen in dem Maße, wie
über Napoleon , so entbehrt dagegen der Ges
schichtschreiber des ersteren jene Menge trefflicher
Materialien, welche in Betreff der Lehteren von
Las Cafes, Gourgaud, Montholon, Fleury de
Chaboulon, Fain, Segúr, Rapp, und so vielen
andern geliefert wurden ; denn die (allerdings
äußerst schäßbaren) Werke jenes Königs selbst,
können allein unmöglich als hiulängliche Ents
schädigung hiefür dienen. Daher nun haupts
fächlich kömmt es, daß ohne Zweifel die gegens
wärtige Schrift bedeutendere Mängel an sich tras
gen wird, als jene über den franzöſiſchen Kaiser;
denn ich kann offen erklären, daß ich an der ges
genwärtigen beynah' mit größerem Fleiße noch
arbeitete, als an der erwähnten vorigen.
Ich werde nunmehr versuchen, diese beyden
Männer --- die merkwürdigsten des achtzehnten
und neunzehnten Jahrhunderts — in einer beſon-

der kann wahrlich kein treues Bild Friedrich's


und seiner väterlichen Regierung entwerfen ! -
593

-deren Schrift , einen mit dem andern vergleis


-
chend, darzustellen. Wenige Decennien
brachten in der neuern Zeit diese zwey bewundes
rungwürdige Menschen hervor , wie ein volles
Jahrtausend der Vergangenheit nicht einen
aufzuweisen vermag ! Wahrlich, eine auffal
lende Erscheinung.
Speyer, im April 1828.
G. F. Kolb..
Anzeige.
In der Verlaghandlung der gegenwärtigen Schrift
erscheint in einigen Monaten :

Friedrich II. und Napoleon ,


vergleichend dargestellt
von
Georg Friedrich Kolb.
(Mit dem Motto :)
Sin Raume wirken große Männer selten einträchtig
und gemeinschaftlich ; aber in den Zeiten reichen
fie sich Alle die Hände aus der hohen Geister-
welt herunter au Einem Baue.
Jean Paul.
Das Ganze wird einen måßigen Detav - Band
füllen , und den Preis von 8 ggr. fächs. oder 36 kr.
Thein, nicht übersteigen,

Geist
der Werke Friedrich des Einzigen,
mit Bemerkungen, Erklärungen, und
alteren und neueren Parallelstellen
versehen.
Der Druck dieses Werkes , das auf 3 bis (höchs
ftens) 4 Detav - Bånde berechnet ist , wird beginnen,
To bald fich 400 Subſcribenten gemeldet haben. Der
Preis für jeden Band von wenigstens 10 bis 12 Bo-
gen , auf mitchweißem Druckpapier , ist zu 11 ggr.
fächs. oder 48 kr. rhein. bestimmt, so daß das Ganze
bdchstens auf 1 Rthlr. 20 ggr. oder 3 fl. 12 kr.
au fteben kommen wird. Die Herausgeber werden sich
bemühen, diesem interessanten Werke die größt mög
liche Sorgfalt zu widmen ; auch werden fie nicht blos
dasjenige benügen , was , in jeder Beziehung höchst
mangelhaft, unter dem Titel der fåmmtlichen oder
hinterlassenen Berte Friedrich II. bisher
bisher erschienen ist.
Hierauf sowol , als auch auf bie folgenden , im
nämlichen Verlage bereits erschienenen , Werke,
nehmen alle soliden Buchhandlungen Teutſchlands , der
Schweiz, Frankreichs und der Niederlande Bestellung
as .
Lebensgeschichte
Napoleon's.
Nach den vorzüglichsten gedruckten Werken, so wie
aus handschriftlichen Nachrichten dargestellt
von
Georg Friedrich Kolb.
7 Båndchen in 12 mit dem Portraite des Kaifers,
1 Rthlr. 4 ggr. øder 2 fl. 6 kr.
Wenigen Werken über diesen merkwürdigen Mann ,
der die balbe Erbe erschütterte , und dann selbst , von
zuvor fast nie gesehener Höhe, in des Abgrunds fürch
terlichste Tiefe geftügt ward, -- wenigen Werken über
denselben, sagen wir, ist der Beyfall zu Theil gewors
den, wie dem eben angezeigten. Wir brauchen deßhalb
blos auf die gehaltvolle Recension hinzuweisen, welche
sich in der Extra- Beylage zur neuen mainzer Zeis
tung Nro. 275 von 1827 befindet, und worin es u.
a. heißt:
Unter der Menge von Biographien, welche über
den außerordentlichen Manne , von dem dieses Werk
handelt, erschienen find, und wovon manche sogar ihm
felbst ihr Daseyn verdanken , haben einige ihn so
schwärmerisch gelobt, andere ihn so sehr getadelt, daß
man sagen kann : wo die Leidenschaft herrscht, muß die
Geschichte schweigen. Die gegenwärtige Schrift hat
› dle Mängel ihrer Vorgänger durth ffrenge Wahrheit,
Unpartheylichkeit und Aufſuchung aller Quellen um,
gangen. Auf sie ist der Wahlspruch des Polipius:
Ut linea, rectitudine, sic , historia veritate definitur
in seiner ganzen Ausdehnung anwendbar. Unverdroſſen
beleuchtet der Verfasser seine Angaben durch Beweiſe
aus den vorhandenen Materialien und gibt sehr oft
zwey -auch dreyerlan - Verſionen an.
Der angenehme, bündige Styl , verbunden mit
Gründlichkeit, macht dieſes Werk zu einer sehr unters
haltenden “Lektüre , welche noch dadurch an Intereſſe
gewinnt, daß alles, was in dem Mémorial de St.
Helene', Lin O'Meara's Napoléon en éxile , in
Gourgaud's und Montholon's Mémoiren, in denen
¿ des Generals Rapp und in der militärischen Lebeas:
geschichte des Prinzen Eugen, in Bezug auf Napoleon
geſagt iſt, ſich hier zuſammen findet. Uußerdem war-
den bandschriftliche Mittheilungen von Personen , die
gut unterrichtet waren, benügt, und der Verfaſſer gibt
noch einen Anhang der merkwürdigsten, meistens night
bekannten Anekdoten und Charakterzüge Napoleons.
,,Druck und Papier ſind ſchön und zeichnen sich vor
andern in kleinem Formate erscheinenden Werken der
Art so vortheilhaft aus, daß wir nicht umhin n können
hievon eine ehrenvolle Erwähnung zu thun.'
Uiber Scott's angebliche Geſchichte Napoleons
hat das Publikum ſchon längst entschieden , und daß
auch die unter Urnault's Namen gelieferten Nach-
drucke einer von Norvins verfaßten Biographie .
desselben mit unserem Werke nicht in Vergleich, kom-
men können, zeigt sich schon bey ihrer erſten flüchtie
gen Durchsicht.
In diese Schrift ſchließt sich an die
Lebensgefchichte der merkwür
digsten 3eitgen offen wovon bes
reits das erste Bändchen ( U- Bern ) erschienen ist.
Preis 18 kr.

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