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ZNS Kompendium

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ZNS KOMPENDIUM

Prof. Dr. med. L. Klimaschewski


Verehrte Studentinnen und Studenten !

Ohne profunde neuroanatomische Kenntnisse sind Entstehung und Entwicklung von Krankheiten des
Nervensystems nicht zu begreifen. Sie sind für die Ausübung des Arztberufes unentbehrlich. Die hier

zusammengestellten primär morphologischen Erkenntnisse stellen die wesentlichen Grundlagen zum


Verständnis von Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie dar. Sie sind notwendig, um eine rationale
Diagnostik und Therapie zur Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems durchführen zu
können.

Weiterhin ist relevant, dass die funktionellen Zusammenhänge neuroanatomischer Strukturen heute erst
im Zusammenhang mit den zellulären und molekularen Errungenschaften der Hirnforschung
verständlich werden. So bildet die funktionelle Neuroanatomie das morphologische Fundament der

Neurobiologie des Menschen - einer Wissenschaft für angehende Mediziner, die lieber verstehen als
auswendig lernen.

Mit dem vorliegenden Kompendium werden die Inhalte der ZNS-Hauptvorlesung an der Medizinischen

Universität Innsbruck umrissen. Es enthält alle Schemata (Zeichenvorlagen), die im Rahmen der

Vorlesung und des Neuroanatomie-Praktikums besprochen werden. Das Kompendium gibt einen
Einblick in die anatomischen Grundlagen des zentralen Nervensystems, bespricht aber nicht das
periphere Nervensystem oder die sensorischen Systeme. Auch die Meningen, Hirngefäße und das
Liquorsystem werden nicht vollständig abgehandelt. Somit kann es ein ausführliches Lehrbuch oder

einen Atlas der Neuroanatomie nicht ersetzen.

Die Schemata stellen Umzeichnungen aus Abbildungen verschiedener anatomischer Lehrbücher dar,
die im Literaturverzeichnis angegeben sind. Es handelt sich um teilweise modifizierte Lernvorlagen, die
am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg erstellt wurden. Besonders gedankt

sei Dr. med. univ. Sonja Schottkowsky für das Schreiben der ‚Arbeitsblätter Neuroanatomie’, die in
dieses Kurzlehrbuch eingegangen sind und für seine Erstellung eine wertvolle Grundlage darstellten.
Auch bin ich den vielen Studierenden, die mir über die Jahre Rückmeldungen zu meinen Vorlesungen

gegeben haben, zu großem Dank verpflichtet.

Prof. Dr. med. Lars Klimaschewski


Institut für Neuroanatomie am Department für Anatomie, Histologie und Embryologie
Müllerstrasse 59, A-6020 Innsbruck (https://www.i-med.ac.at/neuroanatomy/) 10/2023
Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen (Übersicht) 1
1.1 Grundbegriffe 1
1.2 Lagebeschreibungen von Hirnstrukturen 1
1.3 Zentrales Nervensystem — peripheres Nervensystem 1
1.4 Hirnnerven — Spinalnerven 2
1.5 Animales Nervensystem — vegetatives Nervensystem 2
1.6 Graue Substanz — weiße Substanz 2
1.7 Afferentes Neuron — efferentes Neuron 2
1.8 Sensibles Neuron — motorisches Neuron 2
1.9 Gliederung des somatischen Nervensystems 3
1.10 Gliederung des vegetativen Nervensystems 4
1.11 Enterisches (intramurales) Nervensystem (ENS) 5
1.12 Periphere Organisation und Projektionen 5
1.13 Headsche Zonen – Übertragener Schmerz 6
1.14 Funktionelle Gliederung 6

2 Medulla spinalis (Rückenmark) 7


2.1 Regionen und Umgebung 7
2.2 Rückenmarkswurzeln und Spinalnerven 9
2.3 Graue Substanz 10
2.4 Weiße Substanz 12
2.5 Reflexbögen: Eigen- und Fremdreflexe 18
2.6 Segmentale Innervation (Dermatom) 20

3 Truncus cerebri (Hirnstamm) 21


3.1 Gliederung und Lage 21
3.2 Innere Gliederung 24
3.3 Auf- und absteigende Bahnen 32
3.4 Neuroanatomie wichtiger Hirnstammsyndrome 33

4 Cerebellum (Kleinhirn) 38
4.1 Übersicht 38
4.2 Funktionelle Kleinhirngliederung 39
4.3 Kleinhirnrinde 39
4.4 Kleinhirnmark 41
4.5 Kleinhirnstiele 41
4.6 Cerebelläre Funktionen 43
5 Diencephalon (Zwischenhirn) 45
5.1 Überblick 45
5.2 Thalamus dorsalis 45
5.3 Hypothalamus 51
5.4 Subthalamus (Thalamus ventralis) 56
5.5 Epithalamus 57

6 Telencephalon (Endhirn) 59
6.1 Übersicht 59
6.2 Subcorticale Kerne (Basalganglien) 60
6.3 Cortex cerebri (Großhirnrinde) 64

Literaturverzeichnis

1. Atlas der Anatomie (Tillmann – Springer)


2. Atlas der Anatomie (Sobotta – Urban und Fischer)
3. Atlas der Anatomie (Netter – Urban und Fischer)
4. Benninghoff - Band 2 (Drenckhahn – Urban und Fischer)
5. Fotoatlas Neuroanatomie mit DVD (Valerius, Duncker – Lehmanns Media)
6. Funktionelle Neuroanatomie (Rohen – Schattauer)
7. Human Neuroanatomy (Augustine – Academic Press)
8. Lehrbuch Vorklinik, Band B (Schmidt, Unsicker – Deutscher Ärzteverlag)
9. Prometheus LernAtlas Neuroanatomie (Schünke et al. – Thieme)
10. Taschenatlas der Anatomie, Band 3 (Kahle, Frotscher – Thieme)
11. Neuroanatomie: Nachschlagen, Lernen, Verstehen (Kipp, Radlanski)

Bei Quelle 11 handelt es sich um einen Lernauftrag, d.h. aus diesem Buch und nach Vorlesungs-
und Praktikumsbesuch können alle Prüfungsfragen zur Neuroanatomie beantwortet werden.
1 Grundlagen (Übersicht)

1.1 Grundbegriffe

Cortex: Rinde, graue Substanz von Großhirn und Kleinhirn, enthält die Nervenzellkörper

Lamina, Stratum: Zellschicht des Großhirncortex, diverse Areale im ZNS (z.B. Lamina tecti), Marklamelle

Nucleus: Kern, Ansammlung von Nervenzellkörpern im Zentralnervensystem (ZNS)

Ganglion: Ansammlung von Nervenzellkörpern im peripheren Nervensystem (PNS)

Medulla: Mark (Medulla oblongata, verlängertes Mark; Medulla spinalis, Rückenmark)

Neuropil: Filz, zwischen den Zellkörpern gelegenes Geflecht aus Nervenfasern (Dendriten und Axone)

Tractus: Strang, auf- oder absteigende Bahnen

Fasciculus: Bündel, auf- und absteigende Bahnen

Funiculus: Strang, fasst mehrere Tractus bzw. Fasciculi zusammen

1.2 Lagebeschreibungen von Hirnstrukturen

Durch den aufrechten Gang kommt es während der Entwicklung zum Abknicken des Neuralrohrs. Die
Hirnachse steht dadurch zur Körperachse in einem Winkel von ca. 90 Grad. Ehemals ventrale Strukturen liegen

damit unten, d.h. basal. Für Zwischen- und Endhirn gilt:

– rostral = frontal = oral = vorne, Richtung Gesicht (rostrum, Schnabel)


– occipital = hinten, Richtung Hinterhaupt
– ventral = basal = unten, Richtung Schädelbasis (venter, Bauch)

– dorsal = oben, Richtung Schädeldach (dorsum, Rücken)

1.3 Zentrales Nervensystem — peripheres Nervensystem

ZNS – Zentralnervensystem: Gehirn und Rückenmark

PNS – Peripheres Nervensystem: Spinalnerven, Plexus (Nervengeflechte), periphere Nerven und Ganglien

Die Grenze zwischen ZNS und PNS bilden die Aus- bzw. Eintrittsstellen der Hirnnerven bzw. der

Rückenmarkswurzeln

1
1.4 Hirnnerven — Spinalnerven

Hirnnerven: 12 Hirnnervenpaare verbinden den Hirnstamm mit peripheren Strukturen und gehören zum
peripheren Nervensystem (PNS) bis auf die Hirnnerven I und II, die Teile des zentralen Nervensystems

darstellen

Spinalnerven: 30-33 Paare; sie bilden sich aus der vorderen und hinteren Wurzel

1.5 Animales Nervensystem — vegetatives Nervensystem

Animales (cerebrospinales oder somatisches) Nervensystem: willkürliche Steuerung der Skelettmuskulatur,


bewusste Wahrnehmungen von der Körperoberfläche und aus den Muskeln/Gelenken

Vegetatives (autonomes oder viscerales) Nervensystem: unwillkürliche Steuerung der inneren Organe über
das autonome Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus), Wahrnehmungen aus den inneren

Organen

Pars sympathica: ‚Fight or flight’ - energiemobilisierende, aktivitätssteigernde Wirkung auf den Körper

Pars parasympathica: ‚Rest and digest’ - dient der Konservierung und dem Wiederaufbau von Körperenergien

1.6 Graue Substanz — weiße Substanz

Graue Substanz: Ansammlung von Nervenzellkörpern im ZNS; besonders in Nuclei und im Cortex

Weiße Substanz: gebildet von den Fortsätzen der Nervenzellen, die zumeist von Lipid-haltigen Markscheiden
(Myelin) umgeben werden und deshalb hell erscheinen

1.7 Afferentes Neuron — efferentes Neuron

Afferenzen: im ZNS ankommende Aktivitäten (zentripetaler Verlauf)

Efferenzen: vom ZNS wegführende Aktivitäten (zentrifugaler Verlauf)

1.8 Sensibles Neuron — motorisches Neuron

Sinnesreize werden über einen Rezeptor wahrgenommen und über ein sensibles Neuron in das ZNS
weitergeleitet (afferent)

2
Motorische, efferente Impulse werden über ein motorisches Neuron dem jeweiligen Effektor (dem

Erfolgsorgan, z.B. der Skelettmuskulatur) zugeleitet

Sensorik: der Begriff ist im deutschen Sprachraum zumeist beschränkt auf die im Kopfbereich lokalisierten
Sinnesfunktionen und ihre Verbindungen zum Gehirn (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Gleichgewicht).
Nur der Geschmackssinn ist als viscerosensibel im eigentlichen Sinn zu bezeichnen.

Sensibilität: somatisch (Wahrnehmungen von der Körperoberfläche) oder visceral (Wahrnehmungen aus den
inneren Organen)

Motorik: somatisch (Skelett- und sog. Kiemenbogenmuskulatur; Kau-, Gesichts- und Schlundmuskulatur sind
willkürlich kontrollierbar) oder visceral (glatte Muskulatur der inneren Organe, Herzmuskulatur, Drüsen;
unwillkürlich gesteuert)

1.9 Gliederung des somatischen Nervensystems

1.9.1 Sensibles Ganglion

Somatosensible Neurone finden sich im Bereich von

– Hirnnerven: Ggl. trigeminale (V), Ggl. geniculi (VII), Ggl. superius (IX, X), Ggl. inferius (IX, X)
– Spinalnerven: Ggl. spinale, liegt in der Hinterwurzel

In einem sensiblen Ganglion liegt das Perikaryon des ersten afferenten Neurons (pseudounipolare

Nervenzelle) mit einem T-förmigen Axon, das sich in einen zentralen Fortsatz (zum ZNS) und in einen

peripheren Fortsatz (zu den Rezeptoren der Körperoberfläche) teilt

1.9.2 Motorisches Kerngebiet

Somatomotorische Neurone finden sich im Bereich von


– Hirnnerven: Hirnnervenkerne des III., IV., V., VI., VII., IX., X., XI. und XII. Hirnnerven

und
– Spinalnerven: Motorisches Vorderhorn des Rückenmarks, Axone treten durch die Vorderwurzel aus

Motoneurone stehen in direktem Kontakt mit der Skelettmuskulatur (keine weitere Verschaltung)

3
1.10 Gliederung des vegetativen Nervensystems

1.10.1 Visceroafferenzen

Viscerosensible Neurone liegen im Spinalganglion (ca. 5%) oder in den Kopfganglien (Ganglion superius und
inferius) des IX. und X. Hirnnerven. Analog zu somatosensiblen Neuronen projiziert der zentrale Fortsatz in
das ZNS, während der periphere Fortsatz mit sympathischen oder parasympathischen Nerven zu den inneren

Organen bzw. zur Haut (nur sympathisch) verläuft

1.10.2 Visceroefferenzen

Visceroefferente Nervenbahnen bestehen aus zwei hintereinander geschalteten Neuronen. Die Synapse
zwischen erstem und zweitem Neuron liegt in den vegetativen Ganglien, deshalb 1. Neuron = präganglionäres
Neuron, 2. Neuron = postganglionäres Neuron

Sympathikus (spinal) Lage Transmitter


Präganglionäres Perikaryon Seitenhorn des Rückenmarks (C8-L2), Acetylcholin
entwicklungsbiologisch auch S2-S4*
Postganglionäres Perikaryon Sympathischer Grenzstrang = paravertebrale Noradrenalin
Ganglien (Acetylcholin für Schweiß-
Eingeweideplexus = prävertebrale und (ent- drüsen)
wicklungsbiologisch) auch pelvine Ganglien*
Parasympathikus (cranial) Lage Transmitter
Präganglionäres Perikaryon Hirnnervenkerne: Acetylcholin
Ncl. oculomotorius accessorius
Ncl. salivatorius superior + inferior
Ncl. dorsalis nervi vagi
(mit Einschränkung auch das Seitenhorn des
Rückenmarks S2-S4*)
Postganglionäres Perikaryon Kopfbereich: Acetylcholin
Ggl. ciliare
Ggl. pterygopalatinum
Ggl. submandibulare
Ggl. oticum
Eingeweide: in der Nähe des Organs bzw. in
dessen Wand (Herz, Lunge, Magen-Darm-
Trakt)

*neue Erkenntnisse zum sakralen spinalen System: Espinosa-Medina et al., 2016, Science 354:893

4
1.11 Enterisches (intramurales) Nervensystem (ENS)

Das ENS befindet sich im Ösophagus und Magen-Darmtrakt mit Neuronenansammlungen im Plexus
submucosus (Meissner, in der Tela submucosa) zur Regulation der Drüsentätigkeit und Durchblutung sowie im
Plexus myentericus (Auerbach, zwischen Ring- und Längsmuskelschicht, zur Steuerung der Tunica muscularis).
Das enterische Nervensystem ist zuständig für die Regulation der Verdauungsvorgänge, der Drüsentätigkeit
und Darmperistaltik. Das System arbeitet eigenständig, wird aber insbesondere vom Parasympathikus
beeinflusst. Im folgenden Schema erscheint es in der Visceromotorik, ist jedoch auch viscerosensibel.

ASSOZIATION / MOTIVATION
Gehör
Sensorik INPUT

Gleich- Kopfsinne ZNS


gewicht
Enterisches NS
Sehen Geschmack OUTPUT
Geruch INPUT
(viszeros.)

Sensibilität Motorik
(Afferenz) (Efferenz)

Exteroception Proprioception Enteroception


(Oberfläche) (Bewegungsapparat) (Viszera) Somatisch Viszeral

Nozi- Mechano- Thermo- Chemo-


Rezeptor Rezeptor Rezeptor Rezeptor
Unwill- Willkür- Para- Sym-
kürlich lich sympathisch pathisch

SKELETTMUSK. DRÜSEN

KIEMENBOGEN- HERZ-
MUSKULATUR MUSKULATUR

GLATTE
MUSKULATUR

1.12 Periphere Organisation und Projektionen

Radix anterior und posterior verbinden das Rückenmark mit dem Spinalnerven, der durch das Foramen

intervertebrale zieht. Dorsale Äste des N. spinalis sind für die sensible und motorische Versorgung der
Rückenmuskulatur und der darüber liegenden Haut zuständig, ventrale Äste ziehen segmental geordnet nach
vorn (z.B. als Nn. intercostales); sie innervieren motorisch und sensibel Brust- und Bauchwand (segmentale
Innervation). Im Bereich der Extremitäten vermischen sich ventrale Äste der Spinalnerven in den Plexus, d.h.
periphere Nerven enthalten Axone aus mehreren Spinalnerven. Das Versorgungsgebiet eines peripheren
Nerven stimmt nicht mit der segmentalen Innervation durch die Spinalnerven überein. Dermatome sind
Oberflächenareale, die von nur einem Spinalnerven versorgt werden.

5
1.13 Headsche Zonen – Übertragener Schmerz

Viscerale Afferenzen, die bewusst werdende Empfindungen aus Eingeweiden leiten, werden im Hinterhorn des
Rückenmarks synaptisch verschaltet, teilweise auf dieselben Neurone, die somatische Afferenzen leiten. Das

Gehirn lernt im Laufe des Lebens, dass die Informationen dieses weiterleitenden Neurons zumeist
somatischen, nicht visceralen Ursprungs sind (da sich mehr Rezeptoren an der Körperoberfläche befinden, die
öfters aktiviert werden). Bei Schädigungen innerer Organe kommt es daher zu fälschlicher Zuordnung eines
Schmerzreizes auf die Körperoberfläche (übertragener Schmerz in sog. Headschen Zonen).

1.14 Funktionelle Gliederung

Enteroception = Viscerosensibilität (Empfindungen aus den inneren Organen)

Exteroceptive Sensibilität = Somatosensibilität (Empfindungen von der Haut)

Proprioceptive Sensibilität = Empfindungen aus dem Bewegungsapparat, d.h. von Muskeln, Sehnen und

Gelenken (wird als somatisch klassifiziert)

von lateral
Gyrus precentralis Gyrus postcentralis

Lobus frontalis Lobus parietalis

Sulcus lateralis
Lobus occipitalis

Lobus temporalis
Cerebellum
Medulla oblongata
Medulla spinalis
von medial 8 cervicale Segmente
12 thorakale Segmente
5 lumbale Segmente
5 sakrale Segmente
Diencephalon
Corpus callosum
Chiasma opticum
Epiphyse
Hypophyse
Cerebellum
Mesencephalon (Arbor vitae)

Pons Aquädukt

Medulla oblongata Canalis centralis IV. Ventrikel

Abschnitte des ZNS und wichtige Orientierungspunkte

6
2 Medulla spinalis (Rückenmark)

2.1 Regionen und Umgebung

Das Rückenmark ist ein ca. 43 cm langer Strang und wiegt weniger als 30 g. In 5 Abschnitten befinden sich

ingesamt 31 Segmente und dazugehörige Nerven, die das Rückenmark mit dem peripheren Nervensystem
(PNS) verbinden. Die Rückenmarkssegmente und Spinalnerven werden mit C, Th, L, S und Co abgekürzt; die
entsprechenden Wirbelkörper aber heißen HWK, BWK, LWK, SWK und CoWK.

Bereich Abkürzung Segmente Höhe Anzahl Segmente


Cervikalmark C C1 – C8 8
Thorakalmark Th Th1 – Th12 12
Lumbalmark L L1 – L5 5
Sakralmark S S1 – S5 5
Coccygealmark Co Co1 – (Co3) 1(-3)
Summe 31 (-33)

Die Rückenmarkssegmente liegen nicht auf derselben Höhe wie die dazugehörigen Wirbelkörper. Die

Namensgebung der Segmente bezieht sich darauf, auf welcher Höhe die Spinalnerven des jeweiligen
Segments aus der Wirbelsäule austreten. Da zwischen dem Hinterhauptsknochen des Schädels und dem 1.

Halswirbel der 1. Spinalnerv austritt, gibt es im Cervikalmark acht Segmente bei nur 7 Halswirbeln. Die

cervikalen Spinalnerven sind also nach dem darunter liegenden Wirbel benannt (so tritt der Spinalnerv C6
zwischen HWK5 und HWK6 aus). Ab Th1 werden sie nach dem darüber liegenden Wirbel benannt (z.B. verlässt
der Spinalnerv L5 zwischen LWK5 und SWK1 die Wirbelsäule).

Das Rückenmark lässt sich in zwei Bereiche einteilen. Der innere Bereich enthält Nervenzellen und erscheint als

graue Substanz. Im ventralen Bereich der grauen Substanz, dem Vorderhorn, liegen motorische Nervenzellen,
die quergestreifte Skelettmuskeln innervieren. Die Axone dieser Neurone liegen mit ihrem Anfangsteil noch im
Zentralnervensystem. Am Beginn der vorderen Wurzelfasern, im Sulcus anterolateralis gelangen sie in das PNS
und erreichen über die peripheren Nerven schließlich die Muskulatur (bzw. autonome Ganglien im Fall

visceromotorischer Neurone). Die dorsalen Wurzeln führen demgegenüber im Sulcus posterolateralis die

sensiblen Axone aus der Peripherie in das Rückenmark hinein. Aufsteigende Bahnsysteme des Rückenmarks
leiten diese afferenten Signale zum Gehirn weiter. Im äußeren Bereich des Rückenmarks befindet sich daher
die myelinhaltige sog. weiße Substanz. Myelin bildet die lipidhaltige Ummantelung vieler Axone, die als

Isolator dient und damit die Reizweiterleitung beschleunigt.

7
Das Rückenmark erstreckt sich der Länge nach im Spinalkanal. Der Übergang in die Medulla oblongata

(verlängertes Mark) befindet sich im Foramen magnum, dem Bereich der größten Schädelbasisöffnung. Beim
Säugling reicht das Rückenmark noch bis zum 3. Lendenwirbelkörper. Da die Wirbelsäule in der 2. Hälfte der
Schwangerschaft schneller wächst als das Rückenmark, endet es beim Erwachsenen als Conus medullaris auf
Höhe der LWK 1/2. Am Steißbein ist es mittels eines bindegewebigen Fadens, dem Filum terminale, befestigt.

Im cervikalen (C4 bis Th1) und im lumbosakralen Abschnitt (L2 bis S3) befinden sich Verdickungen, sog.
Intumescentiae. An diesen Stellen liegen deutlich mehr Nervenzellen in der grauen Substanz, die für die
Innervation von Schultergürtel und Arm bzw. Beckengürtel und Bein zuständig sind. Während der Entwicklung
bekommen diese Neurone Kontakt zu den Muskeln der Extremitäten, die über Freisetzung von neurotrophen
Faktoren das Überleben der Neurone in den Intumescentien sichern, während überzählige Nervenzellen des
Thorakalmarks durch Apoptose absterben. An den Erweiterungen des Rückenmarks wird deutlich, dass

Nervenzellen im Überschuss angelegt werden, es im Verlauf der Entwicklung aber zu einem ‚fine-tuning’
durch gezieltes Absterben kommt.

Das Rückenmark ist umgeben von einer weichen Hirnhaut, der Pia mater, die der Oberfläche auch in die

Fissura mediana hinein folgt. Das zweite, ebenfalls sehr dünne Blatt der weichen Hirnhaut ist die Arachnoidea
mater. Demgegenüber besteht die Dura mater spinalis als harte Hirnhaut aus straffem Bindegewebe. Zwischen
Periost des Wirbelkanals und der Dura mater befindet sich der epidurale Raum mit mehreren Venen und
Fettgewebe. Der Liquor cerebrospinalis fließt im darunter liegenden Subarachnoidealraum, der wie die Dura

weiter als das Rückenmark, nämlich bis ungefähr SWK2, reicht. Bei der Lumbalpunktion wird eine Nadel in den
Subarachnoidealraum eingeführt und dadurch Liquor entnommen.

Für weitere Informationen zur Anatomie und Untersuchung sowie möglichen Regeneration des Rückenmarks

nach Verletzungen wird folgendes 2023 erschienenes Sachbuch empfohlen: 'Die Regeneration von Nerven
und Rückenmark - Was wir über Mechanismen und therapeutische Ansätze wissen' (über SpringerLink

kostenfrei verfügbar für Studierende).

8
Pia mater
Sulcus lateralis dorsalis

Substantia alba Radix dorsalis

Substantia grisea
Radix ventralis
Fissura med. anterior
Ganglion spinale

Funiculus dorsalis

Funiculus lateralis cervikal

Funiculus ventralis
thorakal

Commissura alba
lumbal

Cornu dorsale
sakral
Cornu laterale

Cornu ventrale

Wichtige Begriffe der Rückenmarksanatomie

2.2 Rückenmarkswurzeln und Spinalnerven

Eine Radix (Wurzel) bezeichnet die in ein Rückenmarkssegment ein- bzw. aus ihm austretenden Nervenfasern.
Jede Wurzel besteht aus 5-10 Wurzelfäden, den Fila radicularia. Ventrale efferente und dorsale afferente

Axone vereinigen sich zum N. spinalis, der die Wirbelsäule im Foramen intervertebrale verlässt. Die Aufteilung
des N. spinalis in seine Äste ist in der folgenden Tabelle zusammengefassst.

Nervenast Funktion
Ramus anterior bildet Plexusnerven für Extremitäten und Interkostalnerven
Ramus posterior innerviert autochthone Muskulatur und rückwärtige Hautbereiche
Rami communicantes Verbindungen zum vegetativen Nervensystem
Ramus meningeus sensible Versorgung von Dura mater spinalis, Bandscheiben und des
hinteren Längsbandes

9
Aufgrund der höheren Wachstumsgeschwindigkeit der Wirbelsäule ab dem 3. Monat der Fetalentwicklung ist

das Rückenmark um 1/3 kürzer als die Wirbelsäule. Dadurch finden sich etliche Wurzeln unterhalb des Conus
medullaris des Rückenmarks, die in ihrer Gesamtheit als Cauda equina (Pferdeschwanz) bezeichnet werden.
Die lumbosakralen Wurzelaxone der Cauda equina können über 20 cm lang werden.

Die hintere Wurzel enthält somatosensible und viscerosensible Axone. Das Ganglion spinale, in dem die

Zellkörper dieser Axone lokalisiert sind, stellt einen Teil der hinteren Wurzel dar. Im Bereich des ersten
cervikalen Spinal- und der Coccygealnerven kann das Ganglion spinale sehr klein sein. Demgegenüber
verlaufen in der vorderen Wurzel die somato- und visceromotorischen Axone. Interessanterweise führt die
vordere Wurzel auch unbemarkte, sensible Axone, deren Zellkörper in den Spinalganglien liegen. Das lässt
sich dadurch erklären, dass während der Entwicklung dünne, marklose Axone aus dem Spinalganglion am
Beginn des Spinalnerven in beide Richtungen auswachsen können (Richtung Peripherie zu den Nerven oder

rückwärts zum Rückenmark in die vordere Wurzel hinein). Wenn die Axone dann auf die Grenze zum ZNS,
also auf Oligodendrocyten in der weißen Substanz, stoßen, kommen sie nicht weiter (ZNS ist inhibitorisch) und
drehen um (sie machen tatsächlich einen U-Turn). Daher findet man einzelne marklose Fasern in der vorderen

Wurzel.

2.3 Graue Substanz

2.3.1 Vorder-, Seiten-, Hinterhorn

In der grauen Substanz des Rückenmarks liegen die Zellkörper der Rückenmarksneurone sowie das sie
umgebende Neuropil, bestehend aus neuronalen Zellfortsätzen, Gliazellen und Gefäßen. In der Längsachse

sind die Neurone in Säulen gruppiert, die im Querschnitt als charakteristische H-Figur imponieren.

– Das Cornu anterius (ventrale, Vorderhorn) enthält somatomotorische Neurone in somatotoper


Anordnung. Dabei innervieren mediale Neurone den Rumpf und proximale Muskeln, laterale die

distalen Muskeln der Extremitäten; vom hinteren Bereich des Vorderhorns werden die Beuger, vom

vorderen die Strecker angesteuert.


– Das Cornu posterius (dorsale, Hinterhorn) enthält somato- und viscerosensible Nervenzellen sowie
Interneurone

– Das Cornu laterale (Seitenhorn) enthält visceromotorische Neurone für das sympathische (C8-L2) und
parasympathische Nervensystem (S2-S4, aber siehe Seite 4)

10
Im cervikalen und lumbosakralen Bereich ist die H-Figur besonders ausgeprägt. Das thorakale Rückenmark hat

weniger Neurone, da von hier keine Extremitäten innerviert werden. Dafür findet sich ein Seitenhorn. In allen
drei Bereichen sind auch Interneurone lokalisiert. Eine Commissura grisea befindet sich in der Mitte der
grauen Substanz. In der Medianlinie der Commissur befindet sich der Canalis centralis, der die inneren
Liquorräume des Gehirns fortsetzt, beim Menschen aber größtenteils verödet ist.

2.3.2 Eigenapparat

Nervenfaserbündel im Grenzgebiet von grauer und weißer Substanz werden als Fasciculi proprii oder
Grundbündel bezeichnet. Sie verbinden Rückenmarkssegmente untereinander über kurze auf- und
absteigende Interneurone.

Zum Eigenapparat gehören außerdem absteigende Axonkollateralen von Spinalganglienneuronen: Im Bereich

des Septum medianum posterius der Fasciculus septomarginalis (ovales Bündel) sowie zwischen Fasciculus
gracilis et cuneatus der Fasciculus interfascicularis (Schultze-Komma).

2.3.3 Nervenzellen: Wurzel-, Binnen- und Strangzellen

Wurzelzellen

Die Axone dieser Neurone verlaufen durch die Vorderwurzel, sie liegen also teilweise im PNS. Es handelt sich
um sehr große Nervenzellen (Durchmesser bis 100 µm), die einen ausgeprägten Metabolismus und daher viel

raues endoplasmatisches Retikulum aufweisen, das als Nissl-Schollen erscheint. Neben den α-Motoneuronen
werden auch die zu den Muskelspindeln projizierenden γ-Motoneurone zu den Wurzelzellen gezählt.

Binnenzellen

Diese zumeist inhibitorischen Zellen verbinden Neurone der grauen Substanz. Sie verlassen das Rückenmark
nicht. Es gibt
– Schaltzellen, die Neurone derselben Seite und desselben Segments synaptisch verbinden

– Kommissurenzellen, die Neurone einer Seite mit Neuronen der Gegenseite verbinden
– Assoziationszellen, die Neurone der gleichen Seite über mehrere Segmente verbinden

Letztere bilden die Axonbündel der Fasciculi proprii, die der grauen Substanz direkt anliegen.

Strangzellen

Sie verbinden das Rückenmark mit anderen Hirnzentren (z.B. die zweiten Neurone der Schmerzbahn) und

verlaufen in den Strängen (Tractus) der weißen Substanz.

11
2.3.4 Cytoarchitektonische Gliederung

Die graue Substanz des Rückenmarks wird in zehn Laminae (Zellschichten) nach Rexed unterteilt. Sie werden

von posterior nach anterior durchnummeriert und entsprechen nur teilweise bestimmten anatomischen
Kerngebieten des Rückenmarks. In der folgenden Tabelle sind die Laminae und Kerngruppen
zusammengefasst.

Lamina Kerne und Neurone


I Nucl. dorsomarginalis
II Substantia gelatinosa (vorwiegende Verarbeitung von Schmerzafferenzen)
III und IV Nucl. proprius (mit zumeist propriozeptiven Afferenzen)
V und VI Nucl. thoracicus posterior, Umschaltung spinocerebellärer Afferenzen
VII Nucl. intermediolateralis (visceromotorisch), medialer und lateraler Anteil
VIII Interneurone im Vorderhorn
IX Motoneurongruppen (somatotopisch geordnet)
X Region um den Canalis centralis

2.4 Weiße Substanz

2.4.1 Vorder-, Seiten- und Hinterstrang

Die im äußeren Bereich liegende weiße Substanz des Rückenmarks lässt Faserbündel (Funiculi) erkennen, die
wiederum in Gruppen organisiert sind und Fasciculi bzw. Tractus heißen. Unterschieden werden:
– Funiculus anterior (Vorderstrang)

– Funiculus posterior (Hinterstrang)

– Funiculus lateralis (Seitenstrang)

Im Rückenmark liegt also die weiße Substanz außen und die graue Substanz innen, im Gehirn ist es genau
umgekehrt: Die weiße Substanz, die aus den myelinisierten Bahnen besteht, liegt innen und die graue
Substanz liegt im Cortex cerebri, der Rinde des Endhirns.

Axone mit einem gemeinsamen Ursprung und einem gemeinsamen Ziel werden zu Fasciculi bzw. Tractus
zusammengefasst, wobei der erste Namensteil den Ursprung, der zweite dagegen das Terminationsgebiet

benennt (z.B. der Tractus corticospinalis mit Neuronen im Cortex cerebri und axonalen Endigungen im
Rückenmark). Eine axonale Bahn hingegen setzt sich aus mehreren, synaptisch miteinander verbundenen
Nervenzellen verschiedener Trakte zusammen (z.B. die Schmerzbahn).

12
2.4.2 Somatotopische Gliederung

Innerhalb der Fasertrakte findet sich eine Gliederung nach der Herkunft bzw. nach dem Ziel der Fasern.

Dadurch wird ein Überkreuzen der Axone verhindert.

Anordnung der Axone innerhalb eines motorischen Traktes

Die cervikalen Axone liegen der grauen Substanz am nächsten, es folgen die thorakalen, die lumbalen und am
weitesten lateral die sakralen Axone. Dabei zweigen höhere Segmente früher als tiefere Segmente in das
Vorderhorn ab, um dort synaptisch verschaltet zu werden.

Anordnung der Axone innerhalb eines sensiblen Traktes im Vorderseitenstrang

Analog zu den motorischen Bahnen kommen die Axone hier von medial nach lateral in folgender Reihenfolge

zu liegen: cervikal, thorakal, lumbal und sakral. Die Axone im Vorderseitenstrang gelangen aus der grauen
Substanz in die kontralaterale weiße Substanz und ziehen nach kranial, wobei Axone aus höheren Segmenten
medial angelagert werden.

Anordnung der Axone innerhalb des Hinterstrangs

Die sakralen Axone gelangen zuerst in den Funiculus posterior, sie liegen daher am weitesten medial; es
schließen sich nach lateral die lumbalen, dann die thorakalen und zuletzt die cervikalen Axone an. Die
Hinterstrangbahnen ziehen also direkt von der Hinterwurzel in die weiße Substanz und steigen bis in den

Hirnstamm auf. Innerhalb der Hinterstränge finden sich weiterhin absteigende Axonkollateralen, die zum

Eigenapparat des Rückenmarks gehören.

2.4.3 Leitungssysteme

Man unterscheidet motorische (efferente) und sensible (afferente) Bahnen. Die sensiblen Bahnen erhalten
Informationen von peripheren Rezeptoren und steigen im Rückenmark auf. Da die Körperperipherie im Gehirn
spiegelbildlich repräsentiert ist, müssen diese Axone auf die gegenüberliegende Seite kreuzen. Die

motorischen Bahnen kreuzen zumeist ebenfalls und leiten Informationen aus dem Gehirn in den Hirnstamm
und das Rückenmark weiter. Da von kranial nach kaudal die Zahl absteigender Axone abnimmt und
umgekehrt vermehrt aufsteigende Axone in das Rückenmark gelangen, ist das Volumen der weißen Substanz
im cervikalen Abschnitt am größten. Die wichtigsten Bahnen des Rückenmarks werden im Folgenden kurz

zusammengefasst.

Sensible Bahnen im Hinterstrang

Der Fasciculus gracilis und der Fasciculus cuneatus leiten Empfindungen der Haut, der Gelenke sowie der
Muskeln und Sehnen. In diesen Zielorganen unterscheidet man Rezeptoren für
– Druck (Merkelsche Zellen, Ruffini-Körperchen)

13
– Vibration (Merkelsche Zellen, Vater-Paccinische Lamellenkörperchen)

– Berührung (Meissnersche Tastkörperchen, freie Nervenendigungen)


– Muskeldehnung und Muskeltonus (Muskelspindeln, Golgi-Sehnenorgan)

Diese Sinnesorgane sind mit den primär afferenten Neuronen in den Hinterwurzelganglien verbunden, die
50.000 (thorakal) bis 100.000 (Plexusbereich) Neurone enthalten und deren Zellen einen Durchmesser bis über

100 µm erreichen können. Sie sind von Satelliten-Zellen umgeben, einer speziellen Variante von Schwann-
Zellen.

Fasciculus gracilis Fasciculus cuneatus


Rezeptoren Mechanorezeptoren der unteren Mechanorezeptoren der oberen
Extremität und des unteren Extremität, des oberen Rumpfbereiches
Rumpfbereiches und des Halses
Verlauf Pseudounipolare Neurone im Analog Fasciculus gracilis, ab
Spinalganglion des jeweiligen Rückenmarkseintritt weiter im Fasciculus
Segments; zentripetale Axone cuneatus
gelangen durch die Radix dorsalis in
das Rückenmark und dort direkt in den
Fasciculus gracilis; sie werden im
Hinterhorn nicht synaptisch verschaltet
und kreuzen auch nicht auf die
kontralaterale Seite
Lokalisation Hinterstrang Hinterstrang; schließt sich ab dem
Thorakalmark lateral an den Fasciculus
gracilis an
Ziel Nucl. gracilis in der Medulla oblongata Nucl. cuneatus in der Medulla
(Tuberculum gracile) oblongata (Tuberculum cuneatum)
Weiterleitung Die 2. Neurone liegen im Nucl. gracilis, 2. Neuron liegt im Nucl. cuneatus, dann
von dort gelangen ihre Axone im weiter wie Fasciculus gracilis
Lemniscus medialis (gekreuzt) zum
Thalamus. Hier liegt das 3. Neuron,
das bis zum Gyrus postcentralis
projiziert
Funktion Tastempfindungen der Haut Analog Fasciculus gracilis
(Exterozeption), Tiefensensibilität
(bewusster Lagesinn, Propriozeption)

14
Tractus spinothalamicus ant. et lat. Tractus spinocerebellaris ant. et post.
Rezeptoren Freie Nervenendigungen und Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgane
Rezeptoren in Haut, Gelenken, Muskeln sowie Mechanorezeptoren in der Haut
und Eingeweiden
Verlauf Erstes Neuron im Spinalganglion; Pseudounipolare, erste Spinalganglien-
zentripetale Axone steigen noch 1-2 neurone innervieren Hinterhorn-Neurone,
Segmente auf, um dann Hinterhorn- die sich u.a. im Nucl. thoracicus befinden
Neurone in den Laminae I und II zu (Stilling-Clarke’ Säule, Ursprung des Tr.
innervieren; deren Axone kreuzen in der spinocerebellaris post.)
Commissura alba zur Gegenseite und
ziehen nach kranial zum Thalamus; es
schließen sich Axone aus dem Nucl.
spinalis nervi trigemini für die Schmerz-
und Thermosensibilität des Gesichtes an
Lokalisation Vorderseitenstrang Im Seitenstrang außen, aufsteigende
Axone, die z.T. im Rückenmark und im
Hirnstamm auf die Gegenseite kreuzen (nur
Tr. spinocerebellaris ant.)
Ziel Nucl. ventralis posterior des Thalamus Über den Pedunculus cerebellaris inferior
(Tr. spinocerebellaris post.) und superior
(Tr. spinocerebellaris ant.) in das
Cerebellum, das grundsätzlich nur die
ipsilaterale Körperhälfte abbildet
Weiterleitung Das dritte Neuron liegt im Thalamus und
projiziert in den Gyrus postcentralis
Funktion Grobe Druck- und Tastempfindungen Die Bahnen leiten propriozeptive
(Tractus spinothalamicus ant.), Schmerz- Informationen über die Stellung der
und Temperaturempfindungen (Tractus Extremitäten im Raum (wichtig für die
spinothalamicus lat.) Koordination und Feinabstimmung von
Bewegungen); im cervikalen Bereich
übernimmt diese Funktion der Tractus
cuneocerebellaris für die propriozeptiven
Afferenzen der oberen Extremität, die im
Nucl. cuneatus accessorius umgeschaltet
werden

15
Sensible Bahnen im Vorderseitenstrang

Der wichtigste Trakt in diesem Strang, der Tractus spinothalamicus lateralis, leitet Informationen über die
Schmerz- und Temperaturwahrnehmung. Sie gelangen zusammen mit dem Lemniscus medialis über den
Thalamus zum Gyrus postcentralis. Die Ursprungsneurone dieser Bahn stehen auch unter Kontrolle
supraspinaler Neurone, die Serotonin und Noradrenalin verwenden und z.T. über Endorphin-haltige

Interneurone hemmend auf sie einwirken können (sog. endogene Schmerzhemmung).


Die weiteren sensiblen Bahnen im Vorderseitenstrang sind:
– Tractus spinotectalis: Zwischen Vorder- und Seitenstrang zum Tectum des Mittelhirns ziehender
Trakt. Leitet Schmerz- und Temperaturempfindungen gekreuzt zum Colliculus superior
– Tractus spinovestibularis: Im Vorderstrang zum Nucl. vestibularis lateralis in der Rautengrube
ungekreuzt verlaufender Trakt für die reflektorische Wiederherstellung des Gleichgewichts

– Tractus spinoreticularis: Im Seitenstrang zum Weckzentrum der Formatio reticularis projizierende


Bahnen, die nach Berührung oder Schmerz zur Aufmerksamkeitssteigerung führen (ungekreuzt)
– Tractus spinoolivaris: Im Vorderstrang zum Nucl. olivaris inf. projizierende, indirekte spinocerebelläre

Bahn mit propriozeptiven Informationen (doppelt gekreuzt)

Pyramidal-motorische Bahnen

Der Tractus corticospinalis lateralis bildet den größten absteigenden Trakt im Rückenmark. Die Axone
projizieren im Wesentlichen auf -Motoneurone im Vorderhorn (z.T. über Interneurone), aber auch auf

propriozeptive Regelkreise im Hinterhorn. Damit übt die Pyramidenbahn eine Kontrollfunktion über

polysynaptische Reflexe aus, die auf afferenter Information beruhen. Etwa 70-90% der Fasern kreuzen im
Bereich der Decussatio pyramidum ventral in der Medulla oblongata. Der Rest verläuft im Vorderstrang neben

der Fissura mediana anterior und kreuzt erst im jeweiligen Segment zum Tractus corticospinalis anterior.
Axone des Tractus corticonuclearis enden an einigen Hirnnervenkernen im Hirnstamm (gekreuzt, ungekreuzt

und doppelseitig).

Diese Tractus stellen die zentrale Bahn der Willkürmotorik dar, die aber auch unwillkürliche Komponenten des

sog. extra-pyramidal-motorischen Systems (EPMS) mit sich führt. Das pyramidal-motorische System steuert
insbesondere willkürliche Bewegungen der distalen Muskulatur, z.B. die Feinmotorik von Unterarm und Hand.
Es ist erst nach den ersten Lebensjahren vollständig ausgereift. Bei einer Läsion der Pyramidenbahn tritt das
sog. Babinski-Zeichen auf, das auch bei vielen Neugeborenen noch nachweisbar ist. Es ist durch eine
Streckung (Hyperextension) der Großzehe nach Bestreichen der lateralen Fußsohle gekennzeichnet.

Normalerweise führt dieser Reiz zu einer tonischen Plantarbewegung der Zehen. Bei Primaten kommt dem
pyramidal-motorischen System eine entscheidende Bedeutung zu, was sich bei Verletzungen dieser Bahnen,
z.B. im Rahmen einer Querschnittsläsion, zeigt. Regelmäßig sind hierbei aber auch extra-pyramidale Bahnen

16
mitbetroffen, da die in den sog. Basalganglien generierten Aktivitäten auch über die Pyramidenbahn geleitet

werden.

Extra-pyramidal-motorisches System (EPMS)

Das EPMS geht von Hirnstamm-Regionen aus, die direkte Verbindungen zum Rückenmark haben. Diese sind
u.a.

– der Nucleus ruber (Tractus rubrospinalis, gekreuzt)


– die Nuclei vestibulares (Tractus vestibulospinalis, ungekreuzt)
– die Formatio reticularis (Tractus reticulospinalis, bilateral)

Die Axone dieser Kerngebiete verlaufen also nicht im Tractus corticospinalis zum Rückenmark. Subkortikale
Kerngebiete des EPMS (Basalganglien) projizieren aber über den ventralen Thalamus zum motorischen Cortex.

Die in den Basalganglien generierten Impulse gelangen von dort zusammen mit pyramidalen Axonen zu
Hirnstamm und Rückenmark. Der Begriff ‚extra-pyramidal’ ist daher irreführend und sollte eigentlich nicht
mehr verwendet werden.

Das EPMS ist für grobmotorische Massenbewegungen durch Regulation der Rumpf- und proximalen

Extremitätenmuskulatur und damit für das Halten des Gleichgewichts verantwortlich, aber auch am
Muskeltonus (Grundspannung) und damit bei allen gelernten und willkürlich ausgelösten Bewegungsabläufen
beteiligt. Hier die Rexed-Laminae und wichtige Bahnen auf Höhe des cervikalen Rückenmarks (X = gekreuzt, II
= ungekreuzt, XX = doppelt gekreuzt, S = Lage sacraler Fasern, C = Lage cervikaler Fasern)

17
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Diese Erkrankung zeichnet sich durch eine progressiv verlaufende Degeneration der Motoneurone im
Cortex (Ursprung des Tractus corticospinalis) und im Vorderhorn des Rückenmarks aus. Dadurch, dass

erstes und zweites motorisches Neuron betroffen sind, kommt es zu einer seltenen Kombination aus
zentraler und peripherer Lähmung. Anfangs kommt es meist zu einer Schwäche der Beine. Der
Untergang der Motoneurone im Cervikalmark hat eine Lähmung der Hand und evtl. der
Atemmuskulatur zur Folge. Blasen- und Mastdarmstörungen sind eine Folge des Verlustes autonomer
absteigender Bahnen. Eine Degeneration der kaudalen motorischen Hirnnervenkerne verursacht
Sprach- und Schluckstörungen (progressive Bulbärparalyse). Die genaue Ursache dieser motorischen
Systemkrankheit ist nicht bekannt.

2.5 Reflexbögen: Eigen- und Fremdreflexe

2.5.1 Eigenreflex (direkter oder monosynaptischer Reflexbogen)

Ein Reflex ist eine unwillkürliche Antwort auf einen Reiz. Wird z.B. ein Muskel durch einen Schlag auf seine

Sehne gedehnt, führt dies zur Aktivierung der Muskelspindeln. Dieser Impuls gelangt über ein schnelles
afferentes Axon in das Hinterhorn des Rückenmarks und wird direkt an die Motoneurone des gedehnten
Muskels weitergegeben. Reiz und Antwort erfolgen im selben Organ. Der Reflex ist praktisch unermüdbar. Da

über die gleiche Afferenz auch antagonistisch wirkende Muskeln entspannt werden, hat der Eigenreflex
zusätzlich eine polysynaptische Komponente.

Wichtige Muskeldehnungsreflexe und ihre dazugehörigen Rückenmarkssegmente sind der Bizeps- (C5-6),
Trizeps- (C6-7), Quadrizeps- (L2-4) und der Triceps surae-Reflex (L5-S2). Die beiden letzteren werden auch als

Patellar-Sehnen- bzw. Achilles-Sehnen-Reflex bezeichnet und dienen der Längenregulation der


entsprechenden Muskeln. Patellar-Sehnen- und Achilles-Sehnen-Reflex dienen dem Arzt zur
Funktionsüberprüfung der motorischen und sensiblen Nerven, die den entsprechenden Muskel innervieren,

sowie der dazugehörigen Rückenmarkssegmente.

2.5.2 Fremdreflex (indirekter oder polysynaptischer Reflexbogen)

Von den Eigenreflexen sind die Fremdreflexe zu unterscheiden, die als polysynaptische Schutzreflexe
aufgefasst werden können. Schmerz- und Berührungsempfindungen gelangen in die Substantia gelatinosa
des Hinterhorns, um dort synaptische Verbindungen mit Neuronen des Eigenapparates einzugehen. Über die
Fasciculi proprii können mehrere Segmente beeinflusst werden, in denen verschiedene Motoneurongruppen

18
aktiviert oder gehemmt werden. Reiz und Antwort erfolgen in verschiedenen Organen, die Reflexe sind leicht

ermüdbar. Als Beispiele sind hier die Fluchtreflexe zu nennen. Berührt man z.B. eine heiße Herdplatte, wird die
Hand schon weggezogen, bevor man den Schmerz überhaupt wahrnimmt. Tritt man auf einen Nagel, so wird
der Fuß unwillkürlich gehoben. Weitere Fremdreflexe sind der
– Bauchdeckenreflex: Kontraktion der Bauchmuskulatur nach Bestreichen der Bauchdeckenhaut

– Cremasterreflex: Anhebung des Hodens nach Berühren der Oberschenkelinnenseite


– Cornealreflex: automatischer Lidschluss nach Berühren der Hornhaut des Auges

Rückenmarksläsion durch einen extramedullären Tumor

Oft führen solide intradurale Tumoren durch Druck auf die Hinterwurzel und Hinterstrangbahnen zuerst zu
radikulären Schmerzen und Missempfindungen. Später ist auch der Seitenstrang betroffen. Es finden sich
dann eine zunehmende ipsilaterale (gleichseitige) Lähmung des Beines sowie Parästhesien, die zunächst
ipsilateral, später auch beidseitig, in einen Sensibilitätsverlust (extero- und propriozeptiv) übergehen
können. Die Symptome nehmen von kaudal nach kranial bis auf die Höhe des betroffenen Segmentes zu.
Weiterhin tritt eine Klopfempfindlichkeit der Wirbelkörper auf. Auch Blasen- und Mastdarmstörungen sind
zu beobachten.

Eine halbseitige Schädigung des Rückenmarks führt zum Brown-Sequard-Syndrom: Auf der betroffenen
Seite kommt es ein bis zwei Segmente kaudal der Läsion zu einem Ausfall der Hinterstrangsensiblität und
Lähmung der Extremitäten, wohingegen auf der kontralateralen Seite ein Schmerz- und Temperaturverlust
zu beobachten ist (sog. dissoziierte Empfindungsstörung ). Auf der ipsilateralen Seite kommt es zu einer
Lähmung, da der Tractus corticospinalis ausfällt.

Bei einer unvollständigen Lähmung spricht man von einer Parese, bei einer vollständigen von Plegie oder
Paralyse. Handelt es sich um eine zentrale Lähmung, also einer Läsion im Rückenmark oder im Gehirn, so
tritt im Laufe von Wochen eine Spastik ein, die mit verstärkten Eigenreflexen einhergeht. Die gesteigerten
Eigenreflexe erfolgen vermutlich über eine vermehrte Innervation der Motoneurone durch propriospinale
Afferenzen, die frei gewordene Kontaktstellen an den Motoneuronen einnehmen.

Intramedulläre Tumore wachsen oft über mehrere Segmente im Hinterstrangbereich des Rückenmarks.
Durch die vertikale und horizontale Ausbreitung weisen sie eine heterogene Symptomatik auf. Mehr als die
Hälfte dieser Geschwülste sind Ependymome.

19
2.6 Segmentale Innervation (Dermatom)

Das Hautsegment, das durch einen Spinalnerv sensibel versorgt wird, heißt Dermatom. Durch die Entwicklung
der Extremitäten werden die Dermatome C5-Th1 auf den Arm, solche von L2-S2 auf die untere Extremität

verlagert. Wichtig ist, dass sich Dermatome überlappen können. So wie wir den Spinalnerven ein sensibles
Innervationsareal zuordnen können, so ist es auch möglich, die motorische Innervation auf eine segmentale
Versorgung zurückzuführen. Die Kenntnis der segmentalen Innervation der Körperoberfläche sowie der
Muskulatur ist für die klinische Diagnostik neurologischer Erkrankungen von allergrößter Bedeutung.

Bei einer Läsion eines Spinalnerven bzw. seiner Wurzeln oder des entsprechenden Rückenmarksegmentes

lassen sich die typischen Symptome in den Dermatomen und Muskeln nachweisen: Schmerz,
Missempfindungen, Muskelschwäche, Ausfall von Eigenreflexen sowie der Sensibilität (zumeist erst bei Ausfall

zweier benachbarter Dermatome).

Bandscheiben mit ihrem Gallertkern und Faserring sowie die Intervertebralgelenke sind im Laufe des Lebens

einer hohen Belastung ausgesetzt. Der aufrechte Gang des Menschen führt zu Druck auf Wirbelkörper und
Wirbelgelenke, der abgepuffert werden muss. Hier finden sich daher am häufigsten degenerative

Veränderungen im Wirbelsäulenbereich. Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule gehören zu


den am meisten genannten Beschwerden überhaupt und sind für beträchtliche Kosten im Gesundheitswesen

verantwortlich.

Im HWS-Bereich sind C6 und C7 am häufigsten betroffen, in der LWS finden sich 95% aller

Bandscheibenvorfälle ober- oder unterhalb von LWK5. Der auf einen Riss des Faserrings folgende, typische

dorsolaterale Vorfall des Nucleus pulposus betrifft in der Regel die unterhalb austretende Wurzel mit den
entsprechenden Schmerzen und Missempfindungen, sog. Parästhesien, im L5- bzw. S1-Dermatom und
Schwierigkeiten bei der Hüftstreckung und Dorsalextension der Fußzehen (L5). Ist der Spinalnerv S1 betroffen,

können die Plantarflexion und der Achilles-Sehnenreflex eingeschränkt sein. Mediale Bandscheibenvorfälle

sind selten, können aber eine der Querschnittslähmung vergleichbare Symptomatik verursachen.

20
3 Truncus cerebri (Hirnstamm)

3.1 Gliederung und Lage

Mesencephalon (Mittelhirn) und Rhombencephalon (Rautenhirn) bilden den Hirnstamm. Er setzt das
Rückenmark nach kranial fort und grenzt oben an das Diencephalon (Zwischenhirn). Mit dem Begriff
Rhombencephalon fasst man die Medulla oblongata (verlängertes Mark), den Pons (Brücke) und das
Cerebellum (Kleinhirn) zusammen, die ab der fünften Entwicklungswoche gut erkennbar sind (das Kleinhirn
wird im nächsten Kapitel besprochen). Am Ende der dritten Woche ist das Rhombencephalon als unteres der

drei Hirnbläschen im kranialen Bereich des Neuralrohrs zu erkennen. Aus ihm gehen zwei weitere Bläschen
hervor, das spätere Metencephalon (Pons und Cerebellum) und das Myelencephalon (Medulla oblongata).

3 Bläschen-Stadium  5 Bläschen-Stadium
Telencephalon
(25. Tag, 4 mm) (42. Tag, 12 mm) = Endhirn

I II Seitenventrikel
Prosencephalon mit Foramen Monroi
= Vorderhrin
III
Diencephalon
Mesencephalon = Zwischenhirn
= Mittelhirn
Mesencephalon
Rhombencephalon IV mit Aquädukt
= Rautenhirn
Rhombencephalon mit Met-
und Myelencephalon
Medulla spinalis
= Rückenmark Medulla spinalis mit
Canalis centralis

Brückenbeuge
VII./VIII. Hirnnerv
(Fl. pontina)
Nackenbeuge
(Fl. cervicalis)
Scheitelbeuge
(Fl. mesencephalica) Medulla spinalis
= Rückenmark
Isthmus
(IV. Hirnnerv) Kleinhirnanlage

V. Hirnnerv

IX.-XII. Hirnnerv
Spinalnerven
Corpus pineale

Hemisphärenblase Augenbecher
mit Linsenbläschen Bulbus olfactorius
(I. Hirnnerv) (60. Tag, 30 mm)

Entwicklung der Hirnstammabschnitte aus den Hirnbläschen

21
Medulla oblongata und Pons liegen dem Clivus der Schädelbasis auf. Dorsal befindet sich die größte

Erweiterung des Subarachnoidealraumes, die Cisterna cerebellomedullaris. Das Kleinhirn kommt mit seinen
Tonsillen knapp oberhalb des Foramen magnum zu liegen. Kranial liegt das Mesencephalon im Hiatus
tentorius und wird umgeben von der Cisterna ambiens.

3.1.1 Oberflächenstrukturen

In der ventralen Mittellinie erstreckt sich vom Übergang Pons/Medulla bis zum Beginn des Rückenmarks eine
Fissura mediana anterior, der lateral die Pyramiden angelagert sind. Diese Vorwölbungen enthalten die
absteigenden Faserbündel des motorischen Tractus corticospinalis (Pyramidenbahn), deren größter Teil im
Bereich der Medulla oblongata auf die Gegenseite kreuzt ( Decussatio pyramidum). Neben jeder Pyramide

befindet sich eine ovale Vorwölbung, die Oliva (Olive), die durch einen darunter liegenden Nucl. olivaris

inferior gebildet wird. Medial der Olive treten im Sulcus anterolateralis ( Sulcus preolivaris) die Axonbündel des
N. hypoglossus (XII. Hirnnerv) aus. Lateral hinter der Olive sind die Faserbündel der drei Hirnnerven N.
glossopharyngeus (IX), N. vagus (X) und N. accessorius (XI, kraniale Wurzel) im Sulcus retroolivaris erkennbar.
In einer Linie mit diesen Hirnnerven finden sich kranial der N. facialis (VII) und der N. vestibulocochlearis (VIII)
im Kleinhirnbrückenwinkel, während oberhalb des N. hypoglossus am pontomedullären Übergang der N.
abducens (VI) austritt.

Die dorsale Ansicht der Medulla lässt einen unteren, geschlossenen Anteil erkennen, der das Rückenmark
fortsetzt. Am Obex öffnet sich der Canalis centralis des Rückenmarks in den vierten Ventrikel, der eine
rhomboide Form aufweist und sich bis in den Brückenbereich erstreckt. Im unteren Abschnitt lässt sich in der

Medianebene ein Sulcus medianus posterior erkennen, an dessen Seite die Fasciculi gracilis et cuneatus
aufsteigen. Die Kerne, an denen diese Hinterstrangbahnen endigen, wölben die Tubercula gracile et cuneatum

hervor. Lateral von diesen Erhebungen findet sich das Tuberculum trigeminale, das durch den spinalen Teil
des V. Hirnnerven gebildet wird.

Auf der ventralen Seite des Pons sind horizontal verlaufende Faserbündel zu erkennen, die in das Kleinhirn
verlaufen. Diese pontocerebellären Axone bilden den Pedunculus cerebellaris medius (mittlerer Kleinhirnstiel).

Median liegt der Sulcus basilaris (zur Aufnahme der A. basilaris). In einer Linie mit dem N. facialis tritt lateral
der N. trigeminus in die Brücke ein (bzw. motorische Fasern aus der Brücke aus).

Das Mittelhirn ist durch seine kräftigen Crura cerebri (Hirnschenkel) charakterisiert, die als Pars anterior

pedunculi cerebri ventral zum Rautenhirn und Rückenmark absteigenden Bahnen enthalten. Auf der dorsalen
Seite findet sich eine charakteristische Lamina quadrigemina (Vierhügelplatte), die vier halbkugelige
Vorwölbungen aufweist, die Colliculi superiores et inferiores . Sie sind über das Brachium colliculi superioris et
inferioris mit dem Thalamus verbunden. Der vierte Ventrikel verjüngt sich im Bereich des oberen Pons und
geht dann in den Aquaeductus mesencephali über. Im Mittelhirn tritt ventral der N. oculomotorius (III) im

22
Bereich der Fossa interpeduncularis aus dem Hirnstamm aus. Der als einziger dorsal zum Vorschein

kommende N. trochlearis (IV) kreuzt im Hirnstamm und findet sich unter den Colliculi inferiores des Tectum.

Gyrus rectus I Bulbus olfactorius


II N. opticus

III N. oculomotorius Tractus olfactorius

IV N. trochlearis Stria olfactoria


med./lat.
VI N. abducens
Chiasma opticum
V N. trigeminus
Radix mot. et sens. Tractus opticus

VII N. facialis Corpus mamillare


N. intermedius

Gyrus
VIII N. vestibulocochlearis parahippocampalis

IX N. glossopharyngeus Pons

X N. vagus Flocculus

XI N. accessorius XII N. hypoglossus

Oliva inferior Tonsilla cerebelli


Pyramis

Ansicht des Hirnstamms von basal (ventral)

3.1.2 Boden des IV. Ventrikels

Nach Entfernen des Kleinhirns blickt man auf den Boden des IV. Ventrikels, die Fossa rhomboidea
(Rautengrube). Mittig liegt der Sulcus dorsomedianus, der im unteren Abschnitt der Rautengrube die
benachbarten Kerngebiete des XII. Hirnnerven ( Trigonum nervi hypoglossi) voneinander trennt. Lateral vom
Hypoglossus-Dreieck findet sich das Trigonum nervi vagi, das durch den Nucleus dorsalis n. vagi des X.
Hirnnerven gebildet wird. Von den motorischen Arealen durch den Sulcus limitans getrennt ist das vestibuläre

Areal mit den darunter liegenden Kernen des VIII. Hirnnerven ( Nuclei vestibulares) lokalisiert. Das obere Ende
der dorsalen Medulla oblongata wird durch die quer zum Kleinhirn verlaufenden Striae medullares gebildet,

die sich auf Höhe der lateralen Erweiterungen des vierten Ventrikels befinden ( Recessus laterales). Hier öffnet
sich der innere Liquorraum über die Aperturae laterales (Foramina Luschkae) in den äußeren Liquorraum. In
der Mittellinie findet sich eine weitere Austrittsstelle, die Apertura mediana (Foramen Magendii).

23
Im oberen Teil der Rautengrube ist zu beiden Seiten des Sulcus dorsomedianus die Eminentia medialis

lokalisiert, die einen Colliculus facialis erkennen lässt. Dieser Name ist nicht ganz zutreffend, da der Hügel
durch den darunter liegenden Nucleus n. abducentis gebildet wird, um den die Axone der Nervenzellen im
Nucleus n. facialis herumziehen (sog. inneres Facialisknie). Weiter kranial und lateral scheinen bläulich durch
den Boden der Rautengrube die Neurone des Locus coeruleus hindurch. Es ist der größte, Noradrenalin

produzierende Kern im Hirnstamm.

III. Ventrikel
Taenia choroidea
Fissura longitudinalis

Thalamus Corpus callosum

Colliculus inf.
Capsula interna
Velum medullare sup.

Lamina affixa
Locus coeruleus

Ped. cerebel. sup. Corpus pineale


Brachium conjunctivum

Ped. cerebel. inf. N. trochlearis


Corpus restiforme

Ped. cerebel. med. Colliculus facialis


Brachium pontis

Striae medullares
Rec./Aper. lateralis
Velum medullare inf.
Trigonum n. XII/X
Tuberculum nuclei gracilis
Obex
Tuberculum nuclei cuneati

Ansicht des Hirnstamms von dorsal

3.2 Innere Gliederung

3.2.1 Basis, Tegmentum und Tectum

Der Hirnstamm weist eine einheitliche Gliederung in längsverlaufenden Schichten auf. Ventral liegt die Basis
(Pes trunci cerebri). Es ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste, neoencephale Teil mit den Crura cerebri im
Mesencephalon, der Pars anterior pontis sowie den Pyramiden in der Medulla oblongata. Die Haube
(Tegmentum) befindet sich zwischen der Basis und der Ventrikelebene. Sie stellt den Hauptanteil des

24
Hirnstamms mit auf- und absteigenden Bahnen, den Hirnnervenkernen sowie dem Nucleus ruber, der

Substantia nigra und weiteren Kerngebieten der Formatio reticularis. Das hinter der Ventrikelebene bzw. dem
Aquaeductus mesencephali liegende Dach (Tectum) mit der Lamina tecti im Mesencephalon, dem Tegmen
ventriculi quarti bestehend aus Velum medullare superius und inferius im Pons sowie einer dünnen Schicht
aus Glia und Ependymzellen im Bereich der Medulla oblongata.

Die funktionelle Zuordnung der Hirnnervenkerne ist einfacher als man denkt. Neben der bekannten
Unterscheidung (somatisch – visceral, motorisch – sensibel) kommt nur die Sensorik hinzu. Bedenke,

dass im englischen Sprachgebrauch der Begriff sensory nicht nur die fünf Kopfsinne, sondern sämtliche
afferenten Modalitäten umfasst (die gesamte Sensibilität). Die motorischen Anteile der

Kiemenbogennerven (V, VII, IX, X) können aufgrund neuerer Befunde funktionell in die Somatomotorik
eingereiht werden. Nur ihre Lokalisation im Hirnstamm, lateral der Kerne des VI. und XII. Hirnnerven,
lässt noch auf ihre spezielle Herkunft als Kiemenbogennerven schließen.

3.2.2 Hirnnervenkerne

Wie im Rückenmark finden sich auch im Rautenhirn längs orientierte Nervenzellsäulen, die somatischen oder
visceralen bzw. motorischen oder sensiblen Funktionen zugeordnet werden können. Diese liegen nicht wie im

Rückenmark in einer dorsoventralen Reihe (somatosensible Kerngebiete dorsal, somatomotorische ventral),

sondern sind aufgrund der Öffnung des Neuralrohres im Bereich des vierten Ventrikels von dorsolateral nach
ventromedial angeordnet. Die sensorischen (auch als speziell-somatosensibel bezeichneten) Kerne des VIII.
Hirnnerven, die sich im Rautenhirn entwickeln, lagern sich lateral den anderen Kerngebieten an. Die in der
Literatur als ‚speziell-visceromotorisch’ bezeichneten Kerne des V., VII., IX. und X. Hirnnerven sind
entwicklungsgeschichtlich eindeutig den Kiemenbögen 1-5 zuzuordnen und liegen dementsprechend lateral
von der somatomotorischen Kernreihe der III., IV., VI. und XII. Hirnnerven; sie können aber funktionell als
somatomotorisch aufgefasst werden, da sie willkürlich kontrollierbare Skelettmuskulatur (aus Mesoderm der
Kiemenbogenanlage) innervieren. Diese ist nach neueren Erkenntnissen nicht aus glatter Muskulatur
hervorgegangen, sondern weist schon in frühesten Entwicklungsstadien Charakteristika quergestreifter

Muskelzellen auf. Wir können also die funktionelle Einteilung der Spinalnerven in vier Gruppen auf die
Hirnnervenkerne anwenden. Hinzu kommt die sensorische Funktion für den I. (Geruch), II. (Visus), VII.

(Geschmack) sowie VIII. Hirnnerven (Gehör und Gleichgewicht). Damit erübrigt sich in diesem Zusammenhang
die oft verwirrende Verwendung der Begriffe ‚speziell’ und ‚allgemein’. Die folgende Tabelle fasst Lage und
Funktion der Hirnnerven zusammen.

25
Nr. Hirnnerven (Kern) Funktion Lokalisation
I. Nn. olfactorii (aus Sensorik (Geruch) Telencephalon
dem Riechepithel)
II. N. opticus (aus der Sensorik (Visus) Diencephalon
Retina)
III. Ncl. n. oculomotorii Somatomotorik (für die meisten der Oberes Mesencephalon
äußeren Augenmuskeln und Lidheber)
Ncl. accessorius n. Visceromotorik (für M. sphincter Oberes Mesencephalon
oculomotorii pupillae und M. ciliaris)
(Edinger-Westphal)
IV. Ncl. n. trochlearis Somatomotorik (für M. obliquus sup.) Unteres Mesencephalon
V. Ncl. mesencephalicus Somatosensibilität (Propriozeption aus Mesencephalon (pseudounipolare
n. trigemini Kaumuskulatur) Neurone)
Ncl. principalis n. Somatosensibilität (Exterozeption aus Pons
trigemini Kopf und Gesicht)
Ncl. spinalis n. Somatosensibilität (somatotopische Medulla oblongata, oberes Rückenmark
trigemini Gliederung der Schmerz- und
Temperaturempfindung)
Ncl. motorius n. SomatomotorikKB (für Kaumuskeln1) Pons
trigemini
VI. Ncl. n. abducentis Somatomotorik (für M. rectus lat. bulbi) Unterer Pons
VII. Ncl. n. facialis SomatomotorikKB (für mimische Pons
Muskulatur ) 2

Ncl. salivatorius sup. Visceromotorik (parasympathische Unterer Pons


Drüseninnervation im Kopfbereich3)
Ncl. spinalis n. Somatosensibilität (Exterozeption aus Medulla oblongata, oberes Rückenmark
trigemini Trommelfell und äußerem Ohr)
Ncl. solitarius Viscerosensibilität (einschließlich Unterer Pons und Medulla oblongata
Geschmack)
VIII. Ncll. vestibulares Sensorik (Gleichgewicht) Unterer Pons und obere Medulla
oblongata
Ncll. cochleares Sensorik (Gehör) Obere Medulla oblongata
IX. Ncl. ambiguus SomatomotorikKB (für M. Medulla oblongata
stylopharyngeus)
Ncl. salivatorius Visceromotorik (parasympathische Obere Medulla oblongata
inferior Innervation der Gl. parotis ) 4

Ncl. spinalis n. Somatosensibilität (Exterozeption aus Medulla oblongata, oberes Rückenmark


trigemini Mittelohr)
Ncl. solitarius Sensorik (Geschmack aus hinterem Unterer Pons und Medulla oblongata

26
Zungendrittel), Viscerosensibilität5
X. Ncl. ambiguus SomatomotorikKB (für Pharynx- und Medulla oblongata
innere Larynxmuskulatur)
Ncl. dorsalis n. vagi Visceromotorik (parasympathische Medulla oblongata
Innervation von Herz, Lunge und
Magen-Darm-Trakt)
Ncl. spinalis n. Somatosensibilität (aus äußerem Ohr Medulla oblongata, oberes Rückenmark
trigemini und äußerem Gehörgang)
Ncl. solitarius Viscerosensibilität (aus Hals, Thorax, Unterer Pons und Medulla oblongata
Abdomen) und Sensorik (Geschmack
von Epiglottisrezeptoren)
XI. Ncl. ambiguus SomatomotorikKB (für weichen Medulla oblongata
Gaumen6)
Ncl. spinalis n. Somatomotorik (für M. trapezius und M. Rückenmark
accessorii sternocleidomastoideus)7
Ncl. dorsalis n. vagi Visceromotorik (für den N. vagus)8 Medulla oblongata
XII. Ncl. n. hypoglossi Somatomotorik (für innere und äußere Medulla oblongata
Zungenmuskulatur)
Legende: KB = für Kiemenbogen-Muskulatur, 1 = und M. mylohyoideus, M. digastricus ant., M. tensor tympani, M. tensor
veli palatini, 2 = und M. stapedius, 3 = für Glandulae submandibularis, sublingualis, lacrimalis, orales, nasales, palatinae
4 = und einiger seröser Drüsen am Zungengrund, 5 = aus Mundhöhle, Naso- und Oropharynx, Carotissinus und Glomus
caroticum, 6 = aber nicht für M. tensor veli palatinae (V. Hirnnerv), 7 = mit der Radix spinalis des XI. Hirnnerven verlaufend,
8 = mit der Radix cranialis des XI. Hirnnerven verlaufend

3.2.3 Weitere Kerngebiete des Hirnstamms

Die Formatio reticularis (netzartige Formation) stellt eine Ansammlung von locker gruppierten multipolaren
Nervenzellen dar, die sich durch das Tegmentum des gesamten Hirnstamms bis in das Rückenmark und das
Zwischenhirn hinein erstreckt. Dazu gehören u.a. das ARAS (aufsteigendes retikuläres aktivierendes System),
das Brechzentrum, das Atemzentrum und das pontine Miktionszentrum.

Die Einteilung der Neurone kann nach neurochemischen Kriterien vorgenommen werden: Die Kerngruppen
A1-A7 sind noradrenerg, A8-A16 dopaminerg, B1-B9 serotonerg und C1-C3 adrenerg. Die Serotonin bildenden
Nuclei raphes (Raphekerne) befinden sich in der medianen Zone der Formatio reticularis. Serotonin wird in
das Rückenmark sowie in verschiedene Endhirnareale transportiert, hier insbesondere in den Cortex. Es spielt
eine wichtige Rolle bei der Depression, denn selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs – selective

serotonin reuptake inhibitors) wirken antidepressiv. Da Neuromelanin ein Abbauprodukt des Catecholamin-
Stoffwechsels darstellt, erscheinen seine Zellkörper bläulich (jene der im wesentlichen Dopamin
produzierenden Substantia nigra aufgrund eines höheren Gehaltes an Neuromelanin schwärzlich).

27
Das ARAS empfängt sensible Reize aus dem Hinterhorn des Rückenmarks und aus den Hirnnervenkernen

sowie sensorische Impulse aus den primären Sinnesarealen des Neocortex. Über efferente Axone werden
dann die unspezifischen Thalamuskerne und daraufhin der gesamte Cortex aktiviert, was den Organismus in
einen hellwachen Zustand versetzt.

Motorische Kerngebiete der Formatio reticularis erhalten Afferenzen aus dem prämotorischen Cortex, dem
Kleinhirn und dem limbischen System. Ihre efferenten Axone verlaufen aus dem Pons über den Tractus
reticulospinalis medialis oder über den Tractus reticulospinalis lateralis aus der Medulla oblongata in das
Rückenmark. Sie beeinflussen den Muskeltonus insbesondere der proximalen Extremitäten und des Rumpfes.

Spezielle Kerngebiete im verlängerten Mark

Ein wichtiger motorischer Kern ist der Nucleus olivaris inferior, der eine prominente Vorwölbung neben den

Pyramiden bildet. Seine Afferenzen erhält er aus dem Nucleus ruber im Mittelhirn über die zentrale
Haubenbahn, aus dem Tractus spinoolivaris sowie von Kollateralen der Pyramidenbahn. Die meisten
Efferenzen steigen im Tractus olivocerebellaris zum Kleinhirn auf (Feedbackschleife: Kleinhirn  Nucleus ruber

 Nucleus olivaris inf.  Kleinhirn). Der Kern sendet Impulse zur Bewegungskoordination aber auch direkt in

das Rückenmark.

Im unteren Bereich am Boden der Rautengrube ist das Brechzentrum, die Area postrema, lokalisiert. Hierbei
handelt es sich um ein gut vaskularisiertes Areal mit aufgehobener Blut-Hirn-Schranke (zirkumventrikuläres
Organ), das in engem Zusammenhang mit dem Nucleus solitarius für zentral ausgelöstes Erbrechen
verantwortlich ist. Im Bereich der Area postrema werden zentral wirksame Antiemetika wirksam (z.B. der

Dopaminrezeptorantagonist Metoclopramid/Paspertin oder Ondasetron, ein Serotonin-Rezeptorblocker).

Das Atemzentrum erhält Afferenzen aus dem Glomus caroticum über den IX. Hirnnerv sowie aus dem Glomus

aorticum über den X. Hirnnerven. Diese Rezeptororgane übermitteln Informationen über den CO2- und O2-
Gehalt des Blutes. Weiterhin werden noch Informationen über Dehnungsreize aus der Lunge vermittelt. Die

efferenten Axone ziehen zum Vorderhorn des Halsrückenmarks, um über den N. phrenicus das Zwerchfell zu
kontrahieren, sowie zum thorakalen Rückenmark für die Innervation der Interkostalmuskulatur. Im

Atemzentrum befinden sich ‚inspiratorische’ und ‚exspiratorische’ Neurone, die im rhythmischen Wechsel der
Atmung aktiv sind. Es wird durch einen hohen CO2- bzw. niedrigen O2- Gehalt im Blut, durch körperliche
Anstrengung oder psychische Erregung aktiviert.

Das Kreislaufzentrum erhält Afferenzen aus den Barorezeptoren über den Nucleus solitarius sowie aus dem
Hypothalamus und dem limbischen System. Es ist mit dem parasympathischen Nucleus dorsalis n. vagi sowie

über retikulospinale Bahnen mit dem präganglionären Sympathikus im thorakalen Rückenmark verbunden.
Neurone, die den Blutdruck mindern können, liegen im ventrolateralen Anteil des Nucleus ambiguus und in
der kranialen ventro-lateralen Medulla oblongata (medulläres Depressor-Areal, A1-Zellgruppe). Der

präganglionäre Sympathikus wird auch aus dem unteren Anteil des Nucleus reticularis pontis (A5), den

28
kaudalen Raphe-Kernen (B1-B3) und der adrenergen C1-Region angesteuert (medulläres Pressorareal). Der

plötzliche Ausfall dieser deszendierenden Bahnen führt z.B. zum Blutdruckabfall nach einer
Rückenmarksverletzung.

Lokalisation der wichtigsten Kerne (rechts) und Bahnen (links) in Pons (oben) und Medulla oblongata (unten)

Spezielle Kerngebiete im Pons

Mehrere Kerngebiete in der ventralen Brücke (Nuclei pontis) stellen wichtige Relaiskerne für
somatomotorische Programme dar. Sie werden über die corticopontinen Bahnen angesteuert und dienen der
Weiterleitung von cortikalen Bewegungsmustern in die kontralateralen Kleinhirnhemisphären
(Neocerebellum). Im Zusammenhang mit visceromotorischen Aktivitäten ist an dieser Stelle auch das pontine

Miktionszentrum zu nennen, das die Harnblasenentleerung reguliert. Es finden sich Neurongruppen, die
jeweils während der Füllungs- oder der Entleerungsphase der Blase aktiv sind. Sie stehen in enger Verbindung
mit dem nach Langley benannten sakralen Parasympathikus, der den M. detrusor vesicae und damit die
Harnblasenkontraktion aktiviert (s. aber auch S. 4 zur entwicklungsbiologischen Herkunft dieser Neurone).

29
Spezielle Kerngebiete des Mittelhirns

Im Tegmentum des Mittelhirns liegt neben Teilen der Formatio reticularis der Nucleus ruber. Der aufgrund
seines Eisengehaltes an frischen Hirnschnitten rötlich imponierende, rundliche Nucleus ist ein wichtiger Kern
des extra-pyramidal-motorischen Systems (EPMS). Er steuert Körperhaltung, Muskeltonus und präzise
Willkürbewegungen. Seine Afferenzen kommen mit den Fibrae cerebellorubrales aus der kontralateralen

Kleinhirnhemisphäre sowie aus dem ipsilateralen Neocortex (Fibrae corticorubrales) sowie aus dem inneren
Pallidum und dem oberen Tectum. Seine Efferenzen verlaufen als schwach ausgeprägter Tractus rubrospinalis
gekreuzt zum Rückenmark. Neben einem Tractus rubroreticularis findet sich demgegenüber ein großer
Tractus rubroolivaris, der im Tractus tegmentalis centralis zur Olive projiziert und letztlich Signale wieder in
das Kleinhirn zurückleitet. Eine direkte Verbindung mit dem ventralen Thalamus ist bisher nur bei der Katze
nachgewiesen.

Die Substantia nigra (nigra, schwarz) ist ein durch Neuromelanineinlagerungen dunkel erscheinender Kern an
der Grenze zwischen Crura cerebri und Tegmentum. Der Untergang der dicht gepackten Dopamin-
produzierenden Pars compacta führt zu einer der wichtigsten neurodegenerativen Erkrankung des

Hirnstamms, dem Morbus Parkinson. Zwischen Pars compacta und den Crura cerebri liegt die plexiforme Pars
reticularis. Die Substantia nigra erhält Afferenzen vom Striatum (Fibrae strionigrales) sowie vom
prämotorischen und motorischen Cortex (Fibrae corticonigrales). Die Efferenzen ziehen als Fibrae
nigrostriatales zum Striatum sowie als GABA-erge Axone aus der Pars reticularis direkt zum Thalamus. Die

Substantia nigra beeinflusst mit ihrem Transmitter Dopamin über D2-Rezeptoren vor allem hemmend das
Striatum. Motorikfördernde Neurone des Striatum werden über dopaminerge D1-Rezeptoren aktiviert.

Die Pars reticularis erhält wiederum aktivierende Fasern aus dem Nucleus subthalamicus. Diese Verbindungen

bilden einen wichtigen Teil der sog. Basalganglienschleifen, die im letzten Kapitel genauer besprochen
werden. Weitere dopaminerge Neurone finden sich insbesondere in der Area tegmentalis ventralis, die den

Nucleus accumbens innerviert (Belohnungszentrum im Gehirn). Der zwischen linker und rechter Substantia
nigra gelegene Nucleus interpeduncularis gehört zum limbischen System.

Für weitere Informationen zum Morbus Parkinson und zu anderen neurodegenerativen Erkrankungen wird ein
2021 erschienenes Sachbuch empfohlen: 'Parkinson und Alzheimer heute - Was wir über Neurodegeneration
und ihre Therapie wissen' (über SpringerLink an der MUI kostenfrei verfügbar für Dozenten und Studierende).

30
Caput nucl. caudati Crus cerebri

Capsula interna - Nucl. ruber


crus anterius

Putamen

Pars sublentiformis

Pars retrolentiformis Nucl. n. III

Aquaeduct Substantia nigra


pars compacta, pars reticularis

Das Mittelhirn im Zusammenhang mit der Capsula interna und den Basalganglien

Dorsal vom Aquaedukt, um den herum sich das sog. periaquaeduktale Grau befindet, sind am Mittelhirndach
die Colliculi superiores lokalisiert. Sie weisen sieben Laminae auf und werden von retinalen Axonen

angesteuert, die über den Tractus opticus und das Brachium colliculi superioris (oberer Bindearm) verlaufen.
Außerdem erhalten sie Afferenzen von den Colliculi inferiores sowie vom Neocortex über den Tractus

corticotectalis (vom frontalen Augenfeld aus dem Stirnlappen sowie von der Seh- und Hörrinde). Der Tractus
spinotectalis führt Axone, deren Reizung zu einer Pupillenverengung bei starken Schmerzen führt. Die

efferenten Axone innervieren die Hirnnervenkerne (insbesondere des III. + VI. Hirnnerven), aber auch
okulomotorische Steuerzentren in der Formatio reticularis und das Rückenmark. Durch diese Verbindungen

stellen die Colliculi superiores ein Reflexzentrum dar, das eine wichtige Rolle beim Zustandekommen von

Sakkaden spielt. Dabei handelt es sich um ruckartige Bewegungen des Auges bei der Erfassung des

Blickfeldes.

Im Zusammenspiel mit der Hörrinde und dem cervikalen Rückenmark bewirken die Colliculi superiores eine
Wendung von Kopf und Augen in Richtung eines Geräusches, über die Verbindung zu den motorischen
Facialiskernen erfolgt der Lidschlussreflex bei näherkommenden visuellen Reizen. Demgegenüber sind die
Colliculi inferiores in die Hörbahn eingeschaltet. Sie werden durch den Lemniscus lateralis angesteuert und

31
projizieren zum Corpus geniculatum mediale des Thalamus über das Brachium colliculi inferioris (unterer

Bindearm).

Im Mittelhirn findet sich rostral der oberen beiden Hügel die Area praetectalis (optisches Reflexzentrum). Die
dort liegenden Neurone erhalten Afferenzen aus der Retina und schalten diese um auf den Nucleus
accessorius nervi oculomotorii (Edinger-Westphal) der ipsi- und kontralateralen Seite. Damit führt die
Beleuchtung einer Retina zur Kontraktion des M. sphincter pupillae und zu einer Pupillenverengung beider
Augen (Pupillen- oder Lichtreflex). In diesem Zusammenhang ist auch die sog. Konvergenzreaktion von
Interesse. Wird ein in der Nähe liegender Gegenstand von beiden Augen fixiert (z.B. beim Lesen), drehen sich
die Bulbi leicht nach innen. Diese Reaktion geht auf eine Kontraktion beider Mm. recti mediales zurück, die
durch eine koordinierte Aktivität des Nucleus medianus n. oculomotorii hervorgerufen wird (unpaarer Kern
von Perlia)

Bei Tumoren der Epiphyse (Pinealome) kommt es zum Vierhügelplattensyndrom: Durch Läsion der unteren
Colliculi zu beidseitiger Taubheit, durch Läsion der oberen Colliculi und der Area praetectalis zu einer
Blicklähmung nach oben und Ausfall der pupillären Lichtreaktion.

3.3 Auf- und absteigende Bahnen

Die größte rhombencephale Bahn stellt der Lemniscus medialis dar (mediale Schleifenbahn). Er wird im
wesentlichen durch den Tractus bulbothalamicus gebildet, in dem die Axone aus den Nuclei gracilis et

cuneatus verlaufen. Die exterozeptiven und propriozeptiven Impulse (bewusst werdende Tiefensensibilität aus

dem Rumpf und den Extremitäten) werden nach Kreuzung der Bahn auf die Gegenseite (Decussatio lemnisci
medialis) in den ventro-posterioren Kern des Thalamus weitergeleitet. Im Mittelhirn schließen sich von lateral
der Tractus spinothalamicus (Schmerzbahn) und von medial der Lemniscus trigeminalis (Fasciculus tegmentalis

ventralis) für die Kopf- und Gesichtssensibilität an.

Der Lemniscus lateralis (laterale Schleifenbahn) verbindet als Teil der Hörbahn die Nuclei cochleares mit den
Colliculi inferiores des Tectums. Die Axone verlaufen gekreuzt und ungekreuzt. In die Hörbahn eingeschaltet
ist auch der in der unteren Brücke ventral vom Fazialiskern gelegene Nucleus olivaris superior (mit dem Begriff
‚Olive’ ist normalerweise der die Medulla oblongata vorwölbende Nucleus olivaris inferior gemeint). Der

Nucleus olivaris superior gehört zur Hörbahn, während die sog. Nebenoliven (Nuclei olivares accessorii
posterior et medialis) dem unteren Olivenkomplex, d.h. dem motorischen System, zugeordnet werden.

Der Tractus tegmentalis centralis (zentrale Haubenbahn) wird aus mehreren Faserbündeln gebildet, die aus
den Basalganglien und dem Thalamus, aber insbesondere aus dem Nucleus ruber kommen und in den
unteren Olivenkern projizieren. Der Tractus rubroolivaris verbindet die pars parvocellularis des Nucleus ruber

32
mit dem gleichseitigen Nucleus olivaris inferior. Die zentrale Haubenbahn führt auch aufsteigende

Geschmacksfasern aus dem Nucl. solitarius.

Der Fasciculus longitudinalis posterior (dorsales Längsbündel nach Schütz) verläuft nah am Boden des vierten
Ventrikels. Er enthält reziproke Verbindungen insbesondere der parasympathischen Zentren des
Hypothalamus mit den Nuclei salivatorii und dem Nucleus solitarius und zieht bis in das Rückenmark. Es

finden sich auch absteigende olfaktorische Axone, die ebenfalls Speichelsekretion (bei positiv empfundenen
Gerüchen), aber auch bei üblen Gerüchen den Würgereflex auslösen können.

Der Fasciculus longitudinalis medialis (mediales Längsfaserbündel) bildet keine einheitliche Bahn, sondern eine
Ansammlung von Bahnen im Hirnstamm. Er verbindet die Augenmuskelkerne untereinander (internukleär) und
diese unter Einbeziehung der Vestibulariskerne mit dem Vorderhorn des cervikalen Rückenmarks, z.B. wird bei

Drehungen des Kopfes die Blickrichtung durch das mediale Längsfaserbündel stabilisiert, aber auch unter
Beteiligung prä-okulomotorischer Kerne horizontale und vertikale Blickbewegungen koordiniert. Daneben
lassen sich Verbindungen der Hirnnervenkerne mit solchen der Formatio reticularis nachweisen, die
reflektorische Prozesse wie Würgen oder Schlucken ermöglichen.

3.4 Neuroanatomie wichtiger Hirnstammsyndrome

Hirnstammerkrankungen sind oft vaskulär bedingt. Die folgenden Tabellen fassen die häufigsten Syndrome
zusammen und dienen auch der Lernkontrolle.

Laterales Medulla oblongata-Syndrom (Wallenberg) bei Verschluss der A. cerebelli inferior post.
Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Nucleus ambiguus und N. IX/X Heiserkeit, Schluckstörung, Sprechstörung
Nuclei vestibulares Schwindel, Nystagmus
Tractus spinothalamicus Schmerz- und Temperaturempfindung der kontralateralen
Körperseite
Nucleus und Tractus spinalis n. Schmerz- und Temperaturempfindung der ipsilateralen
trigemini Gesichtshälfte
Pedunculus cerebellaris inf. Bewegungsstörung (Ataxie) ipsilateral
Sympathikus-Bahn Ipsilaterales Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis)

Syndrom des Kleinhirnbrückenwinkels (z.B. beim Akkustikusneurinom)


Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
N. trigeminus (V) Gesichtsempfindungen und Kornealreflex ipsilateral

33
N. facialis (VII) Lähmung der mimischen Muskulatur ipsilateral
N. vestibulocochlearis (VIII) Taubheit, Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwindel, Nystagmus
ipsilateral
Pedunculus cerebellaris med. et inf. Ataxie (Gangstörung)

Laterales, unteres Brücken-Syndrom bei Verschluss der A. cerebelli inferior ant.


Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Nucleus und N. facialis (VII) Lähmung der mimischen Muskulatur ipsilateral
Nucleus und N. vestibulocochlearis Taubheit, Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwindel, Nystagmus
(VIII) ipsilateral
Nucleus und Tractus spinalis n. Schmerz- und Temperaturempfindung der ipsilateralen
trigemini Gesichtshälfte
Tractus spinothalamicus Schmerz- und Temperaturempfindung der kontralateralen
Körperseite
Pedunculus cerebellaris med. et inf. Ataxie (Bewegungsstörung der Arme und Beine)
Sympathikus-Bahn Ipsilaterales Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis)

Paramedianes Medulla oblongata-Syndrom bei Verschluss paramedianer Äste der A. vertebralis


Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Nucleus n. hypoglossi (XII) Zungenlähmung ipsilateral
Pyramidenbahn Halbseitenlähmung (Hemiparese) kontralateral
Lemniscus medialis Mechanorezeptive Funktionen (Berührung, Druck, Vibration,
Tiefensensibilität) kontralateral

34
Hirnstamm-Reflexe

Der Korneal- oder Lidschlussreflex führt zu Lidschluss bei Berührung der Cornea des Auges. Nach
Fremdkörpereinwirkung werden über den V. Hirnnerv (N. ophthalmicus) unter Beteiligung von Colliculus

superior, Nucleus ruber und Formatio reticularis die Facialiskerne beider Seiten aktiviert (konsensueller
Reflex). Dadurch kommt es über den VII. Hirnnerven zur Kontraktion des M. orbicularis oculi.

Bei Fremdkörpern im Auge wird der Tränenreflex ausgelöst. Dieser läuft über den V. Hirnnerv und den
Trigeminuskern zum Nucleus salivatorius superior, der über den VII. Hirnnerven und den N. petrosus
major das Ganglion pterygopalatinum und damit die Tränendrüse stimuliert.

Beim Schluckreflex führt die Berührung der Rachenschleimhaut nach Umschaltung im Nucleus solitarius

zu einer koordinierten Aktivierung von Nucleus motorius n. trigemini, Nucleus n. hypoglossi, Nucleus
ambiguus und Nucleus dorsalis n. vagi (V., IX., X., XII. Hirnnerv).

Für den Würge- oder Brechreflex kann es viele Auslöser geben, z.B. Hirndruck im IV. Ventrikel oder

körperschädigende Substanzen im Blut oder im Liquor. Außerdem können viscerosensible Afferenzen aus
dem Magen-Darm-Trakt, Afferenzen aus den Vestibulariskernen, aber auch optische Reize zu einer
Aktivierung des Brechzentrums der Formatio reticularis führen. Unter Beteiligung des IX. und X.

Hirnnerven sowie einigen Spinalnerven kommt es zur Kontraktion der Magen- und Bauchmuskulatur, des
Zwerchfells sowie zu einer Erschlaffung des oberen und unteren Ösophagussphinkters.

Laterales, oberes Brücken-Syndrom bei Verschluss der A. cerebelli superior


Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Tractus spinothalamicus Schmerz- und Temperaturempfindung der kontralateralen
Körperseite
Pedunculus cerebellaris sup. Intentionstremor ipsilateral (Läsion unterhalb der Kreuzung) oder
kontralateral (Läsion oberhalb der Kreuzung)
Sympathikus-Bahn Ipsilaterales Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis)
Lemniscus medialis und trigeminalis Mechanorezeptive Funktionen (Berührung, Druck, Vibration,
Tiefensensibilität) kontralateral von Körper und Gesicht

Paramedianes, unteres Brückensyndrom bei Verschluss der paramedianen Äste der A. basilaris
Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Nucleus und N. abducens (VI) Seitliche Blickparese

35
N. facialis (VII) Lähmung der mimischen Muskulatur ipsilateral
Tractus corticobulbaris Hemiparese der Zunge kontralateral
Tractus corticospinalis Hemiparese der Extremitäten kontralateral
Lemniscus medialis Mechanorezeptive Funktionen (Berührung, Druck, Vibration,
Tiefensensibilität) kontralateral
Paramediane Formatio reticularis Horizontale Blicksakkaden unmöglich (schnelle
Blickzielbewegungen)

Paramedianes Mittelhirnsyndrom bei Verschluss der paramedianen Äste der A. cerebri post.
Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Nucleus ruber und Substantia nigra Intentionstremor und andere Bewegungsstörungen kontralateral
Nucleus und N. oculomotorius Ptosis, Mydriasis, Parese der Augenmuskeln ipsilateral (Abduktion
intakt)
Lemniscus medialis und trigeminalis Mechanorezeptive Funktionen (Berührung, Druck, Vibration,
Tiefensensibilität) kontralateral von Körper und Gesicht
Crura cerebri Hemiparese der Extremitäten und der Gesichtsmuskulatur
kontralateral

Paramedianes, oberes Brückensyndrom bei Verschluss der paramedianen Äste der A. basilaris
Betroffene Struktur Ausfallserscheinung
Tractus corticospinalis Halbseitenlähmung (Hemiparese) kontralateral
Tractus corticobulbaris Hemiparese der Zunge kontralateral
Lemniscus medialis und trigeminalis Mechanorezeptive Funktionen (Berührung, Druck, Vibration,
Tiefensensibilität) kontralateral von Körper und Gesicht
Fasciculus longitudinalis medialis Paralyse der ipsilateralen Augenadduktion, Nystagmus bei
kontralateraler Abduktion
Pedunculus cerebellaris med. Ataxie (Bewegungsstörung) und Zittern

36
Der Truncus cerebri erstreckt sich zwischen Medulla spinalis und Diencephalon mit seinen vier
Abschnitten (Medulla oblongata, Pons, Cerebellum, Mesencephalon). Hinter der ventral gelegenen Basis,

die entwicklungsgeschichtlich jüngere, absteigende Fasertrakte enthält, befinden sich das Tegmentum
(Haube) und das Tectum (Dach). Im Tegmentum sind alle Hirnnervenkerne und diejenigen Kerne
lokalisiert, die zum Überleben unerlässlich sind (z.B. das Kreislauf- und Atemzentrum). Pathologische
Prozesse (Blutungen, Infarkte, Tumore) können im Hirnstamm schon bei geringer Ausdehnung
dramatische Folgen haben. Eine Quetschung der Medulla oblongata (z.B. durch Fraktur des Dens axis)
führt zum sofortigen Tod. Für eine schnelle Überprüfung wichtiger Hirnstammfunktionen sollte man sich
folgendes merken:

Im Bereich des Mittelhirns finden sich in den Hirnschenkeln die absteigenden Bahnen der Willkürmotorik

(corticobulbäre und corticospinale Fasern), dahinter motorische Kerngebiete wie der Nucleus ruber und
die Substantia nigra sowie die Kerne für die inneren und äußeren Augenmuskeln (III. Hirnnerv).

Außerdem ziehen wichtige Bahnen des retikulären, aktivierenden Systems (ARAS) durch. In der Brücke
wird der Kornealreflex verschaltet. Es liegen hier die Kerne für den V. (Kaumuskeln,

Berührungsempfindungen im Gesicht), VI. (horizontale Blickwendungen) und VII. Hirnnerven (für die
mimische Muskulatur). Im verlängerten Mark finden sich Kerne für vestibuläre und akkustische

Funktionen, weiterhin die Schmerzempfindung im Gesicht sowie motorische Kerngebiete für die Zunge,
den Rachen und den Kehlkopf, deren Ausfall zu Sprech- und Schluckstörungen führt.

37
4 Cerebellum (Kleinhirn)

4.1 Übersicht

Das Kleinhirn liegt hinter der Brücke in der Fossa cranii posterior (hintere Schädelgrube) unter dem Tentorium
cerebelli (Kleinhirnzelt, bestehend aus Dura mater). Zwei lateral ausladende Kleinhirn-Hemisphären umgeben
den in der Medianebene lokalisierten Vermis cerebelli (Kleinhirnwurm). Im Sagittalschnitt ähnelt der Vermis
einem verästelten Lebensbaum (Arbor vitae). Die Oberfläche des Kleinhirns ist, ähnlich dem Cortex cerebri,
stark gefaltet. Die Windungen verlaufen aber sämtlich transversal und werden Foliae (Blätter) genannt. Die
dazwischen liegenden Furchen werden als Fissurae bezeichnet. Wir unterscheiden drei Kleinhirnlappen (Lobus

anterior, posterior und flocculonodularis), die alle sowohl Wurm- als auch Hemisphärenanteile besitzen. Eine

Fissura prima trennt den vorderen von dem hinteren Lobus, eine Fissura posterolateralis den Lobus posterior
vom Lobus flocculonodularis. Weitere Fissuren unterteilen die Kleinhirnlappen in Lobuli, die aber rein
deskriptive Bedeutung haben und wenig funktionelle Aussagekraft besitzen. Der nach unten zeigende, über

dem Foramen magnum liegende Teil der Hemisphären wird als Tonsilla cerebelli (Kleinhirnmandel)

bezeichnet, die sich bei Hirndruck in der hinteren Schädelgrube in das Foramen vorwölbt. Damit wird ein
Einklemmungssyndrom des Hirnstamms verursacht. Das Kleinhirn ist mit jeweils einem dünnen Velum
medullare superius et inferius sowie mit großen Faserbündeln über die Kleinhirnstiele mit dem Truncus cerebri
verbunden. In den Pedunculi cerebellares verlaufen alle afferenten und efferenten Bahnen. Der Pedunculus

cerebellaris superior wird auch als Brachium conjunctivum, der Pedunculus cerebellaris medius als Brachium

pontis und der Pedunculus cerebellaris inferior als Corpus restiforme bezeichnet.

Das Kleinhirn ist nicht für die Bewegungsinitiation, sondern für die motorische Feinabstimmung
verantwortlich. Es sorgt für die Aufrechterhaltung des Muskeltonus und die Bewegungskoordination. Die
Efferenzen des Kleinhirns gelangen über die Kleinhirnkerne zu den verschiedenen Kerngebieten des

Hirnstamms, in das Rückenmark und zum Zwischenhirn. Eng mit der Gleichgewichtsregulation verbunden
ist das Vestibulocerebellum, das mit dem Lobus flocculonodularis und dem Nucleus fastigii assoziiert ist.
Es erhält die wesentlichen Afferenzen aus den Nuclei vestibulares. Die Stand- und Gangsicherheit wird

über die spinocerebellären Afferenzen des Spinocerebellums sichergestellt. Dieses befindet sich im Wurm
und in der paravermalen Zone. Der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil des Kleinhirns, das

Neocerebellum, liegt in den lateralen Hemisphären und ist für den zielsicheren Ablauf differenzierter
motorischer Programme verantwortlich, die aus der Rinde über den Nucleus dentatus und den ventralen
Thalamuskern in den motorischen Cortex gelangen.

38
4.2 Funktionelle Kleinhirngliederung

Das Kleinhirn hat phylogenetisch unterschiedliche Anteile, die eine funktionelle Gliederung ermöglichen, aber
mit den Lappengrenzen nicht übereinstimmen. Eine Ausnahme betrifft das Vestibulocerebellum, das den

entwicklungsgeschichtlich ältesten Teil darstellt (Archicerebellum) und mit dem Lobus flocculonodularis
gleichzusetzen ist. Der Großteil der hier endenden Afferenzen kommt von den Vestibulariskernen bzw. vom
Vestibularorgan. Damit werden dem Kleinhirn Informationen über Körperlage und Körperbewegungen
zugeleitet, die insbesondere auf die Stütz- und die Augenmotorik einen wichtigen Einfluss ausüben. Das

Spinocerebellum (Paleocerebellum) befindet sich im Vermis (ohne Nodulus) und der paravermalen Zone ( Pars
intermedia). Hier werden Informationen über die Stellung der Extremitäten und den Muskeltonus aus dem
Rückenmark (spinocerebelläre Bahnen) verarbeitet.

Der größte Teil, das Neocerebellum, wird auch als Pontocerebellum bezeichnet, da hier der Großteil der
Afferenzen von den Brückenkernen endet, die wiederum Informationen vom Großhirncortex erhalten (daher
auch der Begriff Corticocerebellum). Daneben bekommen die seitlichen Anteile der Kleinhirnhemisphären
Informationen aus dem Rückenmark, aus den Vestibulariskernen, dem Nucleus olivaris inferior und aus der
Formatio reticularis. Efferenzen werden über die Kleinhirnkerne an den Thalamus (Nuclei ventrales anterior et
lateralis), an die Formatio reticularis ( Tractus reticulospinalis), an den Nucleus ruber ( Tractus

rubrospinalis) sowie an die Nuclei vestibulares ( Tractus vestibulospinalis) abgegeben. Damit wird die
Koordination präziser Bewegungen, die insbesondere bei der Zielmotorik und beim Sprechen eine wichtige
Rolle spielen, ermöglicht. Bemerkenswert ist, dass im Ponto- und Spinocerebellum die Körperperipherie

somatotopisch abgebildet wird.

4.3 Kleinhirnrinde

Der Cortex cerebelli ist im Unterschied zum Cortex cerebri histologisch einförmiger aufgebaut. Das Stratum
moleculare liegt außen und ist zellarm, aber reich an Synapsen. Es enthält die Dendritenbäume der Purkinje-
Zellen und spezialisierte inhibitorische Neurone ( Sternzellen und Korbzellen). Darunter befindet sich das
Stratum ganglionare (purkinjense), das die für das Kleinhirn charakteristischen Zellen mit ihren birnenförmigen
Zellkörpern enthält. Sie stellen die einzigen Output-Zellen, die von der Kleinhirnrinde zu den Kernen

projizieren, dar und sind ebenfalls hemmend (GABAerg). Die einzig aktivierenden Neurone sind im Stratum
granulare lokalisiert. Es handelt sich um eine Schicht von > 50 Milliarden, dicht gepackten kleinen Neuronen
(Körnerzellen) und Golgi-Neuronen. Schließlich kommt im Kleinhirn eine besondere Sorte Astroglia vor, die
Bergmann-Gliazellen. Ihre Zellkörper sind im Stratum ganglionare lokalisiert. Mit langen radiären Fortsätzen
bilden sie Grenzmembranen um Gefäße und an der Pia mater.

39
Lobus anterior Vermis (Lobus centralis)

Fissura prima

Lobus posterior Vermis (Culmen, Declive)

Vermis (Folium) Vermis (Lingula)

Velum med. sup.


Pedunculi cerebellares

Flocculus
Fissura posterolateralis
Vermis (Nodulus)
Vallecula

Vermis (Uvula)

Tonsilla

Tela choroidea Fissura cerebelli


Arbor vitae
Bochdaleksches
Blumenkörbchen
Nucl. globosus

Apertura mediana
Nucl. fastigii

Obex Nucl. emboliformis

Nucl. dentatus
Folia cerebelli

Äußere Kleinhirnanatomie und Kleinhirnkerne

In die Kleinhirnrinde projizieren die Kletterfasern, die Axone der Neurone des Nucleus olivaris inf. darstellen.

Sie geben Kollaterale zu den Kleinhirnkernen ab, die diese ständig erregen, und ranken sich dann an den

Dendritenbäumen der Purkinje–Zellen herauf. Sie verwenden vermutlich Aspartat als Transmitter, der an N-

Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren (NMDA) bindet. Demgegenüber werden alle anderen extrinsischen Afferenzen,


die in den Cortex cerebelli projizieren, als Moosfasern bezeichnet. Es handelt sich hier um glutamaterge Axone
von Nervenzellen im Rückenmark, im Pons und in der Medulla oblongata, die auch Kollateralen zu den

Kleinhirnkernen abgeben, und Körner- sowie Golgi-Zellen aktivieren. Letztere sind – wie Korb- und Sternzellen
– inhibitorisch. Sie werden von Körnerzellen erregt, die im Sinne einer negativen Rückkoppelung wiederum
von ihnen gehemmt werden. Golgi-Zellen dienen damit der Kontrastverstärkung (sog. Umfeldhemmung von
aktivierten Purkinje-Neuronen). Ein Moosfaser-Axon kann bis zu 400 Körnerzellneurone innervieren.

Die rund 20 Millionen Purkinjeneurone besitzen große Dendritenbäume mit je bis zu 200.000 dendritischen

Kontakten (spines) in der Molekularschicht. Dort stehen sie auf einer Breite von 200 µm wie in einem Spalier
senkrecht zum Folienverlauf und werden von den längs verlaufenden Axonen der Körnerzellen aktiviert (ein

Körnerzellaxon kontaktiert 300-400 Purkinje-Zellen). Die Axone der in der Molekularschicht lokalisierten
Korbzellen umgeben den Zellkörper der Purkinje-Neurone mit inhibitorischen Fortsätzen (bis zu 240 Purkinje-
Neurone werden von einer Korbzelle angesteuert). Die Sternzellen liegen bevorzugt in der äußeren
Molekularschicht.

40
4.4 Kleinhirnmark

Das Kleinhirnmark besteht aus Nervenfasern und dazwischen liegenden Kleinhirnkernen. Der größte, der

Nucleus dentatus (Zahnkern), befindet sich im Marklager der Hemisphären am weitesten lateral. Er erhält
Projektionen vor allem aus der Rinde der Hemisphären. Der Nucleus fastigii (Dachkern) liegt nahe der
Mittellinie im Marklager des Wurms und erhält Projektionen vor allem aus der Rinde des Lobus
flocculonodularis. Der Nucleus globosus (Kugelkern) und der Nucleus emboliformis (Pfropfkern) sind zwischen

Nucleus dentatus und Nucleus fastigii lokalisiert und erhalten Afferenzen vor allem aus der Rinde des Wurms
und der paravermalen Zone.
Fast der gesamte Output des Kleinhirns kommt aus den Kleinhirnkernen und ist exzitatorisch. Efferenzen des

Nucleus fastigii erreichen die somatomotorischen Hirnnervenkerne des Hirnstamms, die Formatio reticularis,
das Vestibularis-Gebiet und die Nacken- und Halsmuskulatur versorgenden Motoneurone im Rückenmark.
Der untere Olivenkern, der Nucleus ambiguus und das Halsrückenmark werden von den Nuclei globosus und

emboliformis angesteuert, die besonders wichtig für das Sprechen sind. Der Nucleus dentatus projiziert in das
Tegmentum des Mittelhirns, zum Nucleus ruber und zum hinteren Teil des Nucleus ventralis lateralis des
Thalamus. Da dieser Kern in die primär-motorische Rinde des Gyrus precentralis projiziert, nimmt das
Neocerebellum dadurch Einfluss auf die willkürlich-motorischen Programme, die für koordinierte und

homogen ablaufende Bewegungen, insbesondere der distalen Extremitäten- und der Sprechmuskulatur,
notwendig sind.

4.5 Kleinhirnstiele

Die Verbindungen mit dem Großhirn werden über die drei Kleinhirnstiele hergestellt. Die Bahnen im
Pedunculus cerebellaris superior (oberer Kleinhirnstiel) ziehen zum Mesencephalon und Thalamus, der
Pedunculus cerebellaris medius (mittlerer Kleinhirnstiel) enthält alle Afferenzen aus dem Pons und der
Pedunculus cerebellaris inferior (unterer Kleinhirnstiel) verbindet das Kleinhirn mit dem Rückenmark und der
Medulla oblongata. Das folgende Schema fasst alle relevanten Verbindungen, die durch die drei Pedunculi
verlaufen, zusammen und integriert sie in die motorischen Systeme, die im letzten Kapitel besprochen werden.

41
Integration des Kleinhirns in die efferenten Systeme
Großhirn Kleinhirn

Motorischer Thalamus Tractus Ncl. dentatus


Cortex (Ncl. ventr. lat.) cerebellothalamicus

Tractus Ncl. emboliformis


EPMS Ncl. ruber cerebellorubralis
Pedunculus

Tractus cerebellaris
Olive tegmentalis centralis
(=zentrale Haubenbahn)
superior

Medulla Formatio Ncl. fastigii


Tractus Tractus
spinalis reticularis Ncl. globosus
reticulospinalis cerebelloreticularis

Hinterhorn Tractus Moosfasern, Rinde


des spinocerebellaris von Wurm +
Rückenmarks anterior paravermale Zone

Ncl. globosus
Ncl. emboliformis
Tractus
Frontallappen
frontopontinus

Tractus
Temporallappen Pedunculus
temporopontinus Tractus
Ncll. ponto- Moosfasern, Rinde
pontis cerebellaris der Hemisphären
cerebellaris
Tractus
Parietallappen
parietopontinus medius

Tractus Ncl. dentatus


Okzipitallappen
occipitopontinus

Tractus spinocerebellaris Moosfasern, Rinde


Hinterhorn des posterior (unt. Ex. + Rumpf) des Wurms +
Rückenmarks, paravermale Zone
Tractus cuneocerebellaris
Ncl. dorsalis
(obere Extremität)

Ncl. globosus
Ncl. emboliformis

Ganglion Tractus Rinde des Lobus


vestibulare vestibulocerebellaris flocculonodularis

Tractus Ncll. vestibulares Tractus


vestibulospinalis Umschaltung Pedunculus Ncl. fastigii
cerebellovestibularis
.
cerebellaris
Rückenmark
Cortex cerebri Tractus Kletterfasern, Rinde
Olive olivocerebellaris inferior
EPMS-Kerne d. Wurms, paraverm.
Zone, Hemisphären

Ncl. fastigii
Formatio Tractus
reticularis reticulocerebellaris

Trigeminuskerne Tractus
(taktile Impulse) nucleocerebellaris

42
4.6 Cerebelläre Funktionen

Das Kleinhirn ist funktionell an der unbewusst ablaufenden Koordination und Feinabstimmung von
Bewegungsabläufen beteiligt, die in anderen Hirnteilen initiiert werden (das Kleinhirn selbst kann keine

Bewegungen starten). Die in den Assoziationsfeldern des Cortex cerebri unter dem Einfluss von sensorischen
Wahrnehmungen entstehenden Bewegungsmuster werden zum Kleinhirn weitergeleitet. Hier werden die im
prozeduralen (motorischen, impliziten) Gedächtnis des Kleinhirns gespeicherten Inhalte abgerufen, um die so
modifizierten Bewegungsmuster über den ventralen Thalamus dem motorischen und prämotorischen Cortex

bzw. über die motorischen Kerne des Hirnstamms direkt dem Rückenmark zuzuführen. Über die Modulation
des Muskeltonus erlaubt das Kleinhirn daher fein gesteuerte Veränderungen intendierter Bewegungen, so
dass bei ständig wechselnden Umgebungsparametern Korrekturen vor der eigentlichen

Bewegungsausführung durchgeführt werden können.

Dies wird insbesondere deutlich bei komplexen Bewegungsmustern wie z.B. beim Schreiben, Sprechen oder
Tanzen, die bei Kleinhirnerkrankungen deutlich eingeschränkt sind. Daneben finden auch die nicht-
motorischen Funktionen des Kleinhirns immer mehr Berücksichtigung. Das Kleinhirn spielt z.B. bei der
Integration visueller und akkustischer Information eine Rolle. Verhaltensauffälligkeiten bei Patienten mit
Kleinhirnläsionen deuten auch auf eine Funktion bei der psychomotorischen Steuerung des Menschen hin. Bei

Suchtkranken wurde eine verstärkte Aktivierung des Kleinhirnwurmes beobachtet. Schließlich zeigen
Stimulations- und Läsionsexperimente bei Tieren, dass autonome Funktionen (Atmung, Blutdruck, Blasen- und
Genitalfunktionen) offenbar auch unter der Kontrolle des Kleinhirns stehen.

Cerebelläre Muskelhypotonie und Ataxie

Muskelschwäche und rasche Ermüdbarkeit der Muskulatur sind charakteristisch für Kleinhirnläsionen.
Passiven Bewegungen wird nur geringer Widerstand entgegengesetzt. Die Muskelhypotonie geht einher
mit einer fehlenden Koordination und Haltungsinstabilität. Der Patient schwankt beim Stehen oder zeigt
einen unsicheren, breitbeinigen Gang. Störungen machen sich insbesondere bei zusammengesetzten
Bewegungen bemerkbar (z.B. beim Binden einer Schleife). Weiterhin ist der Finger-Nase-Test auffällig
(schnelles Abwechseln einer Zeigebewegung mit dem Finger auf die eigene Nase und auf den Finger
des Untersuchers). Rasche, aufeinanderfolgende Bewegungen antagonistisch wirkender Muskeln (z.B.
beim Schraubeneindrehen) sind gestört (Dysdiadochokinese). Ein sog. Rebound-Phänomen wird oft
beschrieben (das plötzliche Abbremsen einer schnellen Bewegung ist nicht möglich). Außerdem ist die
Sprache verändert (skandierend, undeutlich und monoton).

43
Weitere cerebelläre Symptome

Der cerebelläre Tremor wird als Intentionstremor beschrieben. Dabei tritt ein Zittern bei einer
Annäherung an ein Ziel auf, das mit dem Erreichen des Ziels an Amplitude zunimmt. Der cerebelläre
Nystagmus ist insbesondere beim Blick zur läsionierten Seite auffällig. Es handelt sich um unfreiwillige,
rhythmische, Seitwärtsbewegungen des Auges mit einer langsamen und einer schnellen Rückhol-
Komponente.

Muskelhypotonie, Ataxie, Rebound- und dysmetrische Phänomene sind insbesondere bei Verletzungen
der Hemisphären der hinteren Kleinhirnlappen zu beobachten. Ist der hintere Wurmabschnitt oder Lobus
flocculonodularis betroffen (z.B. beim Medulloblastom) tritt eine Haltungsinstabilität mit breitbeinigem
Gang sowie ein cerebellärer Nystagmus auf. Bei Verletzungen des unteren Kleinhirnstiels steht eine
cerebelläre Ataxie mit einer Fallneigung zur betroffenen Seite im Vordergrund. Ist der mittlere
Pedunculus betroffen, wird eine Hypotonie und ataktische Koordinationsstörung der Beine besonders
deutlich werden. Bei Ausfall des oberen Kleinhirnstiels ist daneben auch eine Fallneigung zur Seite der
Läsion und ein ausgeprägter cerebellärer Tremor zu beobachten. Der Blick nach oben ist gestört, falls
flocculo-oculomotorische Verbindungen betroffen sind.

44
5 Diencephalon (Zwischenhirn)

5.1 Überblick

Das Zwischenhirn setzt oberhalb des Mittelhirns ohne scharfe Abgrenzung den Hirnstamm fort, wird aber
selbst nicht mehr dem Hirnstamm zugerechnet. Infolge des aufrechten Ganges des Menschen kommt es hier

zum Abknicken der Achse des ZNS nach rostral (vorne), d.h. die Längsachse des Zwischenhirns liegt ungefähr
in jener des Endhirns. Das Diencephlon befindet sich direkt in der Mitte des Gehirns. Es wird lateral von der
Capsula interna begrenzt und bildet beidseits die Wand des III. Ventrikel. Dorsal (oben) finden sich über einer
gefäßführenden Tela choroidea ventriculi tertii , die den Plexus choroideus des III. Ventrikels enthält, das

Corpus callosum (Balken) sowie die Hemisphären mit den Seitenventrikeln. Unter dem Balken hängt der Fornix
mit dem Subfornikalorgan. Bei letzterem handelt es sich um eines der zirkumventrikulären Organe mit
fenestriertem Ependym und speziellen Ependymzellen, den Tanycyten. Hier ist die Blut-Hirn-Schranke
unterbrochen (für die Steuerung des Salz- und Wasserhaushalts und des Durstgefühls).

Die Verbindung der ersten beiden Seitenventrikel mit dem dritten Ventrikel wird über die Foramina

interventricularia (Monroi) hergestellt. Vorn wird der dritte Ventrikel durch die Lamina terminalis und die
Commissura anterior begrenzt. Hinten (occipital) liegt das Corpus pineale (Epiphyse), mit der Commissura
posterior und der Commissura habenularum. Weiterhin ist das Pulvinar des Thalamus und darunter der
Metathalamus sichtbar. Letzterer wird von den beiden Corpora geniculata gebildet. Die beiden Thalami sind
meist durch eine Adhaesio interthalamica miteinander verbunden, die eine sekundäre Verklebung grauer

Substanz darstellt. Der basale (ventrale) Teil des Zwischenhirns ist von außen zwischen Chiasma opticum,
Tractus opticus und den Crura cerebri des Mittelhirns sichtbar. Prominent sind hier die Corpora mamillaria und
das Infundibulum, an dem die Hypophyse hängt, sowie das Tuber cinereum am Boden des dritten Ventrikels
lokalisiert. Diese Strukturen gehören dem Hypothalamus an, der sich in der Medianebene unterhalb des

Sulcus hypothalamicus befindet.

5.2 Thalamus dorsalis

Das allgemein als der ‚Thalamus’ bezeichnete, größte Kerngebiet des Diencephalons besteht aus ca. 120
differenzierbaren Neurongruppen, die bilateral symmetrisch in einer 3-4 cm langen, eiförmigen Struktur

angelegt sind. Der Thalamus kontrolliert wesentlich die sensibel-sensorischen Afferenzen zum Neocortex, d.h.,
es müssen mit Ausnahme der olfaktorischen Impulse alle Signale auf dem Weg zum Großhirncortex durch ihn
hindurch (‚Tor zum Bewusstsein‘). Er stellt damit das größte Integrationszentrum des Gehirns dar. Ebenso
laufen die motorischen Impulse, die im Cortex cerebri entstehen und im Kleinhirn sowie in den Basalganglien
modifizert werden, wieder im Thalamus zusammen. Damit integriert er auch die beiden wichtigsten
subcortical-motorischen Erregungskreise aus dem Kleinhirn und den Basalganglien.

45
Der Thalamus ist afferent und efferent über die Capsula interna mit dem Cortex verbunden ( Radiatio thalami).

Über die Thalamusstiele (Pedunculi thalami) gelangen die Axone zu den verschiedenen Gehirnlappen. Über
den vorderen Stiel zum Frontallappen, über den oberen Thalamusstiel zum Parietallappen, über den unteren
Stiel zum Temporallappen und über den hinteren Thalamusstiel zum Occipitallappen. Eine Lamina medullaris
interna trennt die medialen von den lateralen Kerngebieten. Im lateralen Bereich findet sich eine Lamina
medullaris externa mit den Nuclei reticulares. Man unterscheidet im Thalamus dorsalis funktionell zwei
verschiedene Gruppen von Kerngebieten:

Spezifische Thalamuskerne (Palliothalamus), die mit definierten Cortexarealen in Verbindung stehen (pallium,
der Mantel; hiermit ist die Großhirnrinde gemeint) sowie

unspezifische Thalamuskerne (Truncothalamus), die keine bzw. nur indirekte (polysynaptische) axonale
Verbindungen mit dem Cortex besitzen, dafür aber intensive Verbindungen mit dem Hirnstamm (Truncus
cerebri), vor allem aber mit der Formatio reticularis. Diese Kerne sind funktionell insbesondere dem
aufsteigenden, retikulären, aktivierenden System (ARAS) zuzuordnen.

 Hippocampus

Ncl.
caudatus
Thalamus
Seitenventrikel
Genu
Splenium Fornix corporis
corporis callosi
callosi Seitenventrikel

Thalamus Ncl.
caudatus

Der Thalamus in der Mitte eines horizontalen (transversalen) Schnitts durch das menschliche Gehirn

46
Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Einteilungen thalamischer Kerne. Hier wird eine sehr gebräuchliche

verwendet, die auch der Nomina anatomica zugrundeliegt (Mai, Assheuer, Paxinos: Atlas of the human brain,
2004, Elsevier).

5.2.1 Spezifischer Thalamus

Die Nuclei anteriores empfangen insbesondere Afferenzen aus dem ipsilateralen Hypothalamus, besonders
aus den Corpora mamillaria über den Tractus mamillothalamicus. Sie leiten diese Signale weiter in den
vorderen Anteil des Gyrus cinguli und sind damit in limbische Strukturen eingebunden, die der Einspeicherung

von expliziten Gedächtnisinhalten zugrundeliegen (Papez-Neuronenkreis). Die Verbindungen des Nucleus

laterodorsalis, der die vordere Kerngruppe nach posterior fortsetzt, sind ähnlich.
Die ventralen (unteren) Kerngebiete werden in drei Hauptgebiete unterteilt (anterior, posterior, lateral). Die

motorischen Thalamuskerne sind der Nucleus ventralis anterior (NVA) und der Nucleus ventralis lateralis
(NVL). Der NVA erhält Afferenzen aus der Pars reticularis der Substantia nigra und aus dem inneren Pallidum.
Seine Efferenzen projizieren zu prä- und supplementär-motorischen sowie präfrontalen Cortexarealen und
zum Gyrus cinguli. Der NVL liegt hinter dem NVA. Er hat ein großes, posteriores Kerngebiet, das eine massive

Projektion aus dem kontralateral gelegenen Nucleus dentatus des Kleinhirns erhält. Diese wird an die primär-
motorische Area 4 im Gyrus precentralis weitergegeben. Im posterioren NVL kann mittels stereotaktisch

durchgeführter Läsionen auf bestimmte motorische Symptome neurologischer Erkrankungen (sog. Plus-
Symptome wie Tremor, Rigidität und unfreiwillige Bewegungen) günstig Einfluss genommen. Der vordere
Anteil des NVL erhält Afferenzen aus dem Pallidum mediale und schickt seine Efferenzen zur Area 6 des

prämotorischen Cortex im Frontallappen.


Der Nucleus ventralis posterior ist der größte der Ventralkerne und thalamischer Relaykern für die sensiblen
Systeme. Er wird in drei Unterkerne geliedert (lateral, medial, inferior). Spinothalamische, im lateralen Funiculus

verlaufende Axone, die oberflächlichen Schmerz und Juckreiz sowie gut lokalisierbare Schmerzempfindungen

aus tiefen Geweben (Gelenke, Sehnen, Faszien, Muskeln, Periost) und Temperaturempfindungen leiten,
endigen im Nucleus ventralis posterior lateralis (NVPL) somatotopisch (die obere Extremität wird medial von
der unteren Extremität repräsentiert). Schmerz und extreme Temperaturunterschiede können vom Menschen
schon hier bewusst wahrgenommen, aber nicht konkret lokalisiert werden. Auch die über den Lemniscus

medialis geleiteten allgemeinen Berührungsempfindungen werden im kaudalen NVPL wahrgenommen und in


den somatosensiblen Cortex (Areae 1-3 im Gyrus postcentralis) weitergeleitet, der dann für die genaue

Lokalisation und Diskrimination der Empfindungen verantwortlich ist (manche sensible Impulse gelangen auch
in intralaminäre Kerne oder in das Corpus geniculatum mediale, CGM). Im NVPL, aber auch im Nucleus
ventralis posterior inferior, endigen Efferenzen der Vestibulariskerne, die zum vestibulären Cortex (Area 2v)
weitergeleitet werden, so dass dem Thalamus eine Rolle als Integrationsort proprioceptiver und vestibulärer
Erregungen zukommt. Im Nucleus ventralis posterior medialis (NVPM) endigen Axone des Tractus

trigeminothalamicus, die somatosensible Afferenzen der Gesichts- und Kopfregion leiten, die in den

47
Trigeminus-Kernen synaptisch umgeschaltet werden. Vom NVPM gelangen die thalamoparietalen Fasern zum

Gyrus postcentralis des Parietallappens.


Im medialen Bereich fällt der Nucleus mediodorsalis besonders auf, da er von der Lamina medullaris interna
umgeben ist. Die medialen Kerne erhalten über die periventrikulären Axone Input aus thalamischen und
hypothalamischen Kernen und sind reziprok mit olfaktorischen Arealen und insbesondere mit präfrontalen

Cortexanteilen verbunden. In nicht-humanen Primaten wurde eine efferente Projektion zum Mandelkern
nachgewiesen. Die Verbindung zum präfrontalen Cortex bewirkt die sog. affektive Grundstimmung, d.h. das
Gefühl von Wohlsein oder Unwohlsein bzw. eine frohe oder verstimmte Stimmungslage. Verletzungen des
mediodorsalen Kerngebietes können aber auch einen Mangel an Motivation, unangepasstes oder asoziales
Verhaltem sowie Veränderungen in der Bewusstseinslage zur Folge haben.
Der Nucleus lateralis posterior steht in engem Zusammenhang mit dem Pulvinar. Er erhält Afferenzen aus dem

hinteren parietalen Cortex, visuellen Assoziationsarealen, dem Gyrus cinguli und dem parahippocampalen
Cortex.
Direkt median gelegene Kerngebiete, z.B. der Nucleus reuniens, der Nucleus parataenialis oder der Nucleus

paraventricularis thalami, erhalten eine starke dopaminerge Innervation, die möglicherweise eine Rolle bei den
Persönlichkeitsveränderungen im Rahmen der Schizophrenie oder der Parkinson-Krankheit spielt. Es sind
afferente Verbindungen dieser Kerne mit dem Hypothalamus, dem Gyrus cinguli und der Formatio reticularis
nachgewiesen worden, während efferente Axone den Temporallappen, den Nucleus accumbens und auch den

Gyrus cinguli erreichen.


Das Pulvinar wurde in funktionellen MRI-Studien mit der Brodmann Area 39 im unteren Parietallappen in
Zusammenhang gebracht. In Primaten wurden darüber hinaus Verbindungen der Pulvinarkerne zum Frontal-

und Temporallappen, zur Area striata sowie zum limbischen System und den oberen Colliculi nachgewiesen.
Über die medialen Kerne könnte die gerichtete Aufmerksamkeit bei neuen, visuell-räumlichen Informationen

hervorgerufen werden. Aufgrund seiner weiten corticalen Verbindungen stellt das Pulvinar einen typischen
thalamischen Assoziationskern dar, der möglicherweise auch etwas mit dem 'timestamping' zu tun hat, also

der Verbindung einer sensibel-sensorischen Information mit einem bestimmten Zeitpunkt (Datum, Uhrzeit).
Ansonsten wäre kein episodisches Gedächtnis möglich.
Die unterhalb des Pulvinar am Übergang zum Mittelhirn gelegenen metathalamischen Kerngebiete, die
Corpora geniculata, werfen einen medialen und einen lateralen ‚Kniehöcker’ auf. Das Corpus geniculatum

laterale (CGL) stellt die thalamische Umschaltstelle der Sehbahn dar. Ein Ausfall des CGL hat eine
kontralaterale, homonyme Hemianopsie zur Folge, d.h. die linken Gesichtsfeldhälften werden bei einer
Schädigung des rechten CGL nicht mehr in der rechten Sehrinde (Area 17 nach Brodmann) abgebildet (und
vice versa). Sein Aufbau ist laminär. In den sechs Schichten wechseln die Projektionen vom ipsi- und
kontralateralen Auge ab. Jede Retinahälfte besitzt drei Repräsentationsfelder pro CGL (eine magnozelluläre
und zwei parvozelluläre Schichten). Die Neurone sind z.T. für die Form von Objekten, manche für die Farbe,
andere für beides verantwortlich. Das CGL ist nicht nur mit der Sehrinde, sondern auch mit der Formatio

48
reticularis und dem Colliculus superior verbunden.

Das Corpus geniculatum mediale (CGM) stellt einen Teil der Hörbahn dar. Im ventralen Hauptkern des CGM
(parvozellulärer Teil) endigen jene Axone, die akkustische Impulse aus beiden Cochleae über das Brachium der
Colliculi inferiores weiterleiten. Vom CGM gelangen sie nach synaptischer Umschaltung zum auditorischen
Cortex (Brodmann Area 41) des Temporallappens (Gyri transversi). Eine einseitige Cortexschädigung ist

aufgrund der Doppelprojektion nicht mit einem signifikanten Hörverlust verbunden. Tonhöhe und –lautstärke
werden vermutlich schon im CGM bewusst und nicht erst in der Hörrinde.
Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen spezifischen Thalamuskerne und ihre Verbindungen zusammen.

Kerngruppe Efferenzen Afferenzen Funktion

Ncll. anteriores Gyrus cinguli Tractus Verbindungen mit dem


mamillothalamicus limbischem System

Teil des Neuronenkreis


von PAPEZ, Gedächtnis

Ncl. ventralis anterior Prämotorische und Pallidum mediale Motorik

präfrontale Rinde Substantia nigra

Ncl. ventralis lateralis Gyrus praecentralis Pallidum mediale Motorik


Prämotorische Rinde Ncl. dentatus cerebelli

Ncl. ventralis posterior Gyrus postcentralis Trigeminuskern (über Sensibilität, Sensorik


medialis et lateralis Lemniscus trigeminalis);
Rückenmark (über

Lemniscus medialis)

Ncll. mediales Präfrontaler Cortex Andere Thalamuskerne; affektive


Hypothalamus Grundstimmung

Ncll. laterales Lobus parietalis andere Thalamuskerne Integration und

Gyrus cinguli Assoziation

Pulvinar Cortex Cortex Assoziationskerne,

Timestamping?

Corpus geniculatum Sehrinde Tractus opticus von den Sehbahn

laterale ipsilateralen

Netzhauthälften beider
Retinae

Corpus geniculatum Hörrinde Über Brachium colliculi Hörbahn


mediale inf. vom gleichseitigen
Colliculus inferior

49
5.2.2 Unspezifischer Thalamus

Die wichtigsten Kerne des Truncothalamus stellen die Nuclei intralaminares dar, die innerhalb der Lamina
medullaris interna liegen. Sie sind durch einen hohen Gehalt an Acetylcholin-Esterase gekennzeichnet und

weisen nur indirekte, unspezifische Verbindungen zum Cortex auf. Afferenzen kommen aus dem Cortex, der
Formatio reticularis, aus den Basalganglien sowie aus dem Cerebellum (Nucleus emboliformis). Die Efferenzen
gelangen zum Putamen, frontale Regionen und über spezifische Thalamuskerne auch zu anderen
Cortexarealen. Der größte der intralaminären Kerne ist der Nucleus centromedianus. Er erhält vor allem

Afferenzen aus der Formatio reticularis. Eine Aktivierung des aufsteigenden, retikulär-aktivierenden Systems

(ARAS), z.B. durch Sinnesreize oder noradrenerge Projektionen, wird in den centromedianen Kern und über
diesen zu den spezifischen Thalamuskernen weitergeleitet. Diese projizieren in den gesamten Cortex und

bedingen dadurch den Wachzustand. Die intralaminären Kerne sollen aber auch für die Weiterleitung des
diffusen, schlecht lokalisierbaren Schmerzes verantwortlich sein und stellen somit ein für die tiefe

Hirnstimulation geeignetes Ziel dar, um ansonsten unbehandelbaren Schmerz zu unterdrücken.


Im perithalamischen Bereich, lateral vom Thalamus am Rand zur Capsula interna, liegen die Neurone des

Nucleus reticularis thalami, die mit einer Vielzahl corticaler Regionen in Verbindung stehen und vielfach
Axonkollateralen corticothalamischer Neurone empfangen, um auf denselben thalamischen Kern eine

hemmende Wirkung auszuüben, der von diesen corticalen Neuronen angesteuert wird. Daneben ist er auch in
das ARAS eingeschaltet und soll eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Epilepsie spielen.

Eine an der kontralateralen Körperseite auftretende Sensibiliätsstörung mit Taubheit und Anästhesie, die

sich bis in das Gesicht erstreckt, tritt bei einer z.B. vaskulär bedingten Läsion des NVPL auf. Die
betroffenen Arme und Beine fühlen sich geschwollen oder taub an. Schwere Schmerzsyndrome können
bei Beteiligung basaler Anteile des NVPL oder NVPM auftreten. Bei Ausfall des mamillothalamischen

Traktes kommt es zu einer Amnesie (Gedächtnisverlust). Die medialen und intralaminären Kerne sind
zumeist betroffen, wenn Frontallappensymptome im Vordergrund stehen (Störungen des
Sozialverhaltens, Gleichgültigkeit). Bei unilateralen Bewegungsstörungen, z.B. eines Myoclonus oder einer
Dystonie des Unterarmes, die zusammen mit einer typischen Handstellung auftreten (sog. Thalamus-
Hand’ mit Beugung in den Fingergrund- und Streckung in den Fingerendgelenken), kommt eine

Schädigung des NVL und NVP in Frage. Aber auch schwere zentrale Paresen, ohne dass ein peripherer
Kraftverlust zu beobachten wäre, treten dabei auf.

50
Nucll. anteriores
Nucll. anteriores

Nucl. ventr. ant. Nucl. ventr. lat.

Nucll. mediales Nucl. lat. dors.  Nucl. ant.

Nucl. centromedianus Nucl. lat. post.  Pulvinar

Corpus gen. med. Nucl. ventr. post.

Pulvinar Corpus gen. lat.

Nucl. mediodorsalis Nucll. intralaminares (unspezifisch)

Nucll. anteriores
Nucl. centromedianus (intralaminär)
Nucll. lat. dors. et post.
Pulvinar (Neutrum)
Nucl. ventr. ant.

Corp. gen. med.


(Hörbahn) Nucl. ventr. lat.
(Tr. dentatothalamicus)

Corp. gen. lat.


(Sehbahn)

Nucl. ventr. posteromed. Nucl. ventr. posterolat.


(Lem. med.)
(Lem. trig.)

Thalamuskerne von medial und lateral (oben) bzw. perspektivisch (unten)

5.3 Hypothalamus

Der Hypothalamus befindet sich unterhalb des Thalamus dorsalis und des Sulcus hypothalamicus am Boden
des III. Ventrikels. Er bildet einen Teil seiner Seiten- und die dünne Vorderwand (Lamina terminalis). Nach

hinten erstreckt er sich bis zu einer gedachten Linie zwischen Commissura posterior und Corpus mamillare.
Letztere bilden, zusammen mit dem Infundibulum der Hypophyse und dem Tuber cinereum, die oberflächlich
sichtbaren Strukturen des Hypothalamus am Boden des III. Ventrikels.

Der Hypothalamus ist das oberste Integrationsorgan vegetativer Funktionen, d.h. er beeinflusst das vegetative

Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) und über Hormone alle endokrinen Organe. Er ist für die

Aufrechterhaltung und Koordination wichtiger lebens- und arterhaltender Parameter verantwortlich, wie z.B.
Atmung, Kreislauf, Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, Körpertemperatur und Reproduktionsverhalten.
Teilweise können diese Funktionen Kernen zugeordnet werden, die in definierten Hypothalamus-Regionen

lokalisiert sind: anteriore, posteriore und intermediäre Kerngebiete. Daneben werden noch dorsale und
laterale hypothalamische Areale unterschieden. Die Kerne liegen zugleich in einer von drei longitudinalen
Zonen (periventrikulär, medial und lateral), die sich von anterior nach posterior erstrecken.

51
Corpus callosum

Adhaesio interthalamica

Nucl. paraventricularis

Septum pellucidum
Fasc. long. dorsalis

Columna fornicis Glandula pinealis

Commissura ant. Nucl. dorsomedialis

Lamina terminalis Nucl. posterior

Nucl. preopticus Nucl. anterior

Nucl. supraopticus
Nucl. ventromedialis

Chiasma opticum
Fasc.
mamillotegmentalis
Infundibulum
Corpus mamillare

Neurohypophyse
Nucl. arcuatus = Nucl.
infundibularis
Adenohypophyse

Mediansagittale Ansicht hypothalamischer Kerne und seiner wesentlichen Bahnen

5.3.1 Anteriore Kerngruppe

Von den neun bekannten Kernen dieser Gruppe werden die wichtigsten tabellarisch vorgestellt:

Kerngebiet Aufgabe Erläuterung

Nucleus supraopticus Produktion des Hormons Vasopressin (antidiuretisches


Vasopressin (und Oxytocin), Hormon, ADH) ist für die
axonaler Transport des Rückresorption von Wasser aus

Peptidhormons in die dem Nierentubulussystem


Neurohypophyse zuständig

Nucleus paraventricularis Produktion des Hormons Oxytocin ist an der Kontraktion


Oxytocin (und Vasopressin), des Uterus bei der Geburt
axonaler Transport des beteiligt (‚Wehenhormon’), in
Peptidhormons in die der Brustdrüse bewirkt es die
Neurohypophyse Freisetzung von Muttermilch

52
Nucleus suprachiasmaticus Regulation des circadianen Informationen über den Hell-

Rhythmus (wachen/schlafen, Dunkel-Wechsel erhält der Ncl.


circadian rhythmisch gesteuerte suprachiasmaticus von der
Hormonproduktion) Netzhaut über retino-
hypothalamische Axone

Nuclei preoptici Regulation der In diesem Bereich findet sich ein

Körpertemperatur und des interstitieller Nucleus (INAH3),


Sexualverhaltens der bei Männern größer ist als
bei Frauen

Nucleus anterior Regulation von Blutdruck und


Herzfrequenz (inhibitorisch)

Die Nuclei supraopticus und paraventricularis gehören zu den großzelligen (magnozellulären) Kerngebieten

des Hypothalamus. Ihre wichtigste Projektion verläuft über ca. 100.000 nicht-myelinisierte Axone zur
Neurohypophyse. Alle anderen Kerne besitzen kleine bis mittelgroße Zellkörper und werden zu den

kleinzelligen (parvozellulären) Arealen gezählt.

5.3.2 Intermediäre Kerngruppe

Unter den acht in dieser Gruppe lokalisierten Kernen befinden sich der Nucl. arcuatus (synonym Nucl.
infundibularis) und die Ncll. dorsomedialis und ventromedialis. Letzterer spielt eine wichtige Rolle bei der
Nahrungsaufnahme (Läsionen haben eine Appetits- bzw. Gewichtszunahme zur Folge). Neurone des Nucl.

arcuatus sind reich an Östrogen-Rezeptoren und daher vermutlich am Reproduktionsverhalten, an der


Gonadenentwicklung, der Ovulation und der Zykluskontrolle beteiligt. Die teilweise auch in der lateralen
Region gelegenen parvozellulären Neurone der Ncll. tuberales (Tuber cinereum) sowie andere
hypothalamische Kerne sind für die Produktion von Steuerhormonen (Freisetzungs-fördernde bzw.

Freisetzungs-hemmende Faktoren) verantwortlich. Diese Peptide gelangen im Bereich der Eminentia mediana
aus den Axonen des Tractus tuberoinfundibularis in die Kapillaren des hypophysären Pfortaderkreislauf und
von dort weiter zur Adenohypophyse. Hier stimulieren bzw. hemmen sie die Freisetzung der glandotrophen
Hormone), die im Körperkreislauf zirkulieren. Der Nucl. tuberomamillaris verwendet GABA und Histamin als

Transmitter, das eine zentrale Rolle für Wachheit und Aufmerksamkeit spielt. Die sedierende Wirkung von
Antihistaminika (‚Heuschnupfenmedikamente’) lässt sich dadurch erklären.

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Freisetzung-fördernde Peptide Freisetzung-hemmende Peptide

CRH (Corticotropin releasing hormone) SRIF (Somatotropin release inhibiting factor)

GnRH (Gonadotropin releasing hormone) MIF (Melanotropin release inhibiting factor)

TRH (Tyreotropin releasing hormone) PIF (Prolactin release inhibiting factor = Dopamin)

GHRH (Growth hormone releasing hormone)

MRF (Melanotropin releasing factor)

PRF (Prolacting releasing factor)

Hypophyse

Die unter einem Durablatt (Diaphragma sellae) gelegene Hypophyse besteht aus zwei Anteilen, der
Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen) und der Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen). Die
Adenohypophyse ist kein Bestandteil des Gehirns, sondern entwickelt sich aus spezialisiertem Epithel des

Rachendaches (der sog. Rathke-Tasche) und lagert sich der aus dem Diencephalon hervorgegangenen

Neurohypophyse an. Zu letzterer wird auch das Infundibulum, der Hypophysenstiel, gerechnet. In der

Neurohypophyse finden sich neben Glia und Gefäßen nur noch die Nervenfasern der Ncll.
paraventricularis und supraopticus. Hier werden die Peptidhormone Oxytocin und Vasopressin durch
Neurosekretion aus den Axonen freigesetzt und in die Blutbahn abgegeben, um zu ihren Zielorganen

(Uterus, Mamma, Niere) zu gelangen.

Der Hypophysenvorderlappen bildet glandotrope Hormone, die auf endokrine Drüsen einwirken. Zu
ihnen gehören TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon), ACTH (Adrenocorticotropes Hormon), LH

(Luteotropes Hormon), FSH (Follikel-stimulierendes Hormon), MSH (Melanocyten-stimulierendes


Hormon), STH (Wachstumshormon) und Prolactin. Hormon-produzierende Tumoren der Hypophyse

werden operativ heute zumeist durch den Sinus sphenoidalis (Keilbeinhöhle) hindurch entfernt. Weiterhin
ist klinisch relevant, dass direkt oberhalb der Adenohypophyse das Chiasma opticum zu liegen kommt,
d.h. Druck durch Hypophysen-Tumore kann Sehstörungen verursachen, in diesem Fall einen Ausfall
beider temporaler Gesichtsfeldhälften (bitemporale Hemianopsie).

54
5.3.3 Posteriore Kerngruppe

Die prominentesten Vertreter dieser Gruppe befinden sich in den Mamillarkörpern (Nucl. corporis mamillaris).
Sie stellen die kaudalsten der zur hinteren Gruppe gezählten Kerngebiete dar. Ihre medial gelegenen Neurone

projizieren über das Tegmentum (Haube) des Hirnstamms zum thorakalen Rückenmark, in dem die im
Seitenhorn gelegenen präganglionär-sympathischen Neurone aktiviert werden. Limbische Afferenzen
gelangen über den Fornix aus dem Hippocampus zu den Corpora mamillaria, daneben finden sich Axone aus
den Haubenkernen des Mittelhirns. Umgekehrt projiziert der Fasciculus mamillothalamicus zum anterioren

Thalamus sowie der Fasciculus mamillotegmentalis zu den Haubenkernen. Hirnstamm und Rückenmark

werden über den Fasciculus longitudinalis posterior erreicht. Dorsal (oberhalb) der Mamillarkörper befindet
sich der Ncl. posterior hypothalami, der im Alter zur Degeneration neigt. So werden die gestörten autonomen

Funktionen bei Parkinson-Kranken, z.B. das fehlende Kältezittern und eine gestörte Schweißsekretion, auch auf
Veränderungen in diesem Gebiet zurückgeführt.

5.3.4 Faserverbindungen des Hypothalamus

Unter der Vielzahl von afferenten und efferenten Verbindungen sind insbesondere solche zum limbischen
System (besonders zum Mandelkern), zur Inselrinde, zur Retina sowie zu den Kerngruppen der Formatio
reticularis und zum Rückenmark, aber auch zur Großhirnrinde zu nennen.

Fornix

Der Fornix (Gewölbe) verbindet die Hippocampus-Formation mit der vorderen und lateralen Kerngruppe

sowie mit den medialen Corpora mamillaria. Er liegt unter dem Balken, zieht im weiten Bogen über den III.
Ventrikel und bildet mit dem Fornix der Gegenseite ein Gewölbe über der Tela choroidea des III. Ventrikels.
Vom Hippocampus erstreckt sich die Fimbria hippocampi in beide Crura fornicis, die sich in der Commissura
fornicis (hier Faseraustausch zwischen beiden Seiten) zum Corpus fornicis vereinen und über dem Foramen
interventriculare (Foramen Monroi) wieder in zwei Columnae fornices teilen. Von dort spalten sich sog.
precommissurale Fasern ab, die vor der Commissura anterior in die direkt unterhalb des Septum pellucidum
gelegene Area septalis absteigen, während der postcommissurale Fornix in den Hypothalamus projiziert.

Fasciculus longitudinalis posterior (dorsalis)

Das periaquäduktal und direkt am Boden des IV. Ventrikels verlaufende Faserbündel verbindet den

Hypothalamus mit verschiedenen Hirnnervenkernen (V, VII, IX, X, XII) und den parasympathischen Zentren des
Hirnstamms. Bei steigendem intraventrikulärem Druck wird diese Bahn irritiert, was zu Übelkeit und Erbrechen
führen kann. Außerdem verlaufen nahe dieses Bündels Axone zum pontinen Miktionszentrum
(Harnblasenkontrolle). Die Aktivierung des Sympathikus erfolgt hingegen über hypothalamo-tegmentale
Bahnen, die als vegetative Bahnen und als Tractus reticulospinalis präganglionäre Neurone im thorakalen
Rückenmark innervieren.

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Läsionen im Hypothalamus und Störungen in der hypothalamo-hypophysären hormonellen Achse haben
oft dramatische Konsequenzen: Die Abwesenheit eines Durstgefühls oder der Verlust der ADH-
Freisetzung kann einen gefährlichen Wasserverlust zur Folge haben. Störungen des Appetits führen zu
einer massiven Gewichtsabnahme; auch im Rahmen der Anorexia nervosa werden hormonelle
Veränderungen im Hypothalamus-Hypophysen-System diskutiert. Verletzungen des anterioren
Hypothalamus können eine Sollwert-Verstellung der Körpertemperatur zur Folge haben, was zumeist mit
einem medikamentös nicht zu behandelnden Fieber einhergeht. Hingegen bleiben bei Störungen der
posterioren Kerngruppe das Kältezittern und eine periphere Vasokonstriktion bei abfallenden
Außentemperaturen oft aus. Besonders auffällig sind Störungen in der emotionalen Kontrolle bei
Hypothalamus-Erkrankungen, so werden bei Tumoren am Boden des III. Ventrikels z.B. Lachanfälle
beobachtet. Auch wurden Veränderungen im Hypothalamus mit pathologischem Schlaf in Verbindung
gebracht, z.B. bei der Narkolepsie (Anfälle eines unwiderstehlichen Schlafbedürfnisses tagsüber). Bei
dieser Erkrankung wird interessanterweise in einigen Fällen eine Verminderung von Orexin-Peptiden
beobachtet, die im Hypothalamus hergestellt werden.

Fasciculus medialis telencephali

Das mediale Vorderhirnbündel beinhaltet Axone, die Anteile des Riechhirns und die Substantia perforata
anterior mit den Septumkernen und vorderen Hypothalamus-Arealen bis hin zum Tegmentum des Mittelhirns
reziprok verbinden.

Stria terminalis

Oberflächlich-corticale sowie tiefe, basolaterale und basomediale Kerngebiete des Corpus amygdaloideum

werden über diese wichtige Bahn mit dem anterioren und präoptischen Hypothalamus verbunden, darunter
mit dem Nucleus striae terminalis (englisch: bed nucleus of the stria terminalis, BNST) und mit dem Nucleus
paraventricularis. Dadurch werden vegetative Reaktionen bei Angst- und Aggressionszuständen initiiert.

5.4 Subthalamus (Thalamus ventralis)

Unterhalb und medial des telencephalen Linsenkerns ( Nucleus lentiformis), der aus Putamen und Globus
pallidus besteht, kommen diejenigen Zwischenhirn-Derivate zu liegen, die eine wichtige Rolle in der

Somatomotorik spielen. Dazu gehören insbesondere der Ncl. subthalamicus und die Zona incerta. Beide
Strukturen stellen wichtige Ziele für die sog. Tiefenhirnstimulation (THS) dar, die beim Morbus Parkinson zum
Einsatz kommt.

56
5.5 Epithalamus

Der im hinteren Abschnitt des III. Ventrikels gelegene, kleinste Teil des Zwischenhirns ist der Epithalamus, zu
dem die Epiphyse, die Habenula und und die pretectalen Areale gerechnet werden. Bei den Habenulae

handelt es sich um zwei zügelartige Strukturen zu beiden Seiten der Epiphyse, die im Bereich des Trigonum
habenulae die Nuclei habenulares beinhalten. Als phylogenetisch sehr alte Strukturen scheinen diese Kerne
analog zum Hypothalamus Überlebens-sicherndes Verhalten zu kontrollieren, z.B. kann hier durch Hemmung
der Dopamin-Freisetzung ein bestimmtes motorisches Programm, das nicht zum Erfolg führen oder evtl.

sogar negative Folgen haben wird, gestoppt werden. Auch werden nach neueren Erkenntnissen serotoninerge
Systeme beeinflusst, die eine Rolle der Nuclei habenulares bei der Entstehung der Depression, Schizophrenie
und auch bei Medikamenten-induzierten Psychosen nahelegen. Die Habenulae sind über die Commissura

habenularis und den Tractus habenulo-interpeduncularis untereinander und mit anderen Kernen verbunden,
z.B. stellt der Nucl. interpeduncularis im Mittelhirn eine wichtige Umschaltstelle zur Aktivierung vegetativer
Hirnstammzentren dar, die bei der Speichelsekretion eine Rolle spielen. Afferenzen aus den Septumkernen,
den Nuclei preoptici und aus dem Mandelkern gelangen über die Stria medullaris thalami zu den Ncll.
habenulares. In der Commissura posterior (epithalamica) kreuzen Faserzüge aus dem Tectum, dem
Tegmentum und der Area pretectalis zur Gegenseite. Letztere gehört phylogenetisch zum Epithalamus,

funktionell aber zum visuellen System.

5.5.1 Epiphyse (Glandula pinealis)

Die Zirbeldrüse befindet sich über der Vierhügelplatte an der Hinterwand des III. Ventrikels. Durch partielle

Calcifizierung im Alter ist sie in der Medianebene bei Röntgenuntersuchungen gut erkennbar. Sie produziert

das Hormon Melatonin, das als ein lichtabhängiges ‚Zeitgeberhormon’ vermehrt nachts ausgeschüttet wird.

Die Information über hell und dunkel, die von primitiven Organismen in der frühen Phylogenese hier mit dem
sog. dritten Auge wahrgenommen wurde, wird beim Menschen von der Netzhaut über den
retinohypothalamischen Trakt dem Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus zugeleitet. Dieser circadiane

Schrittmacher steuert eine Vielzahl von Körperfunktionen, darunter die Melatoninsekretion. Melatonin wird als

hormoneller Synchronisator der circadianen Rhythmen aufgefasst, die auf diese Weise an die jeweiligen
Lichtverhältnisse angepasst werden. Nach Unterbrechung der retino-hypothalamischen Verbindungen oder
bei anhaltender Dunkelheit findet sich eine von Umwelteinflüssen unabhängige Melatoninrhythmik, die eine

Phasendauer von etwas mehr als 24 Stunden aufweist. Der Nucleus suprachiasmaticus ist über die
absteigende Sympathikusbahn mit präganglionären Neuronen im Seitenhorn des Rückenmarks (C8)
verbunden, die ihrerseits aufwärts im Truncus sympathicus bis zum Ganglion cervikale superius projizieren.

Von dort gelangen postganglionäre sympathische Fasern über die cerebralen Blutgefäße zu den Pinealocyten,
die nach Stimulation β1-adrenerger Rezeptoren Melatonin ausschütten.

57
Zum Diencephalon werden der Epithalamus, der Thalamus dorsalis (allgemein der ‚Thalamus‘), der
Hypothalamus sowie der Subthalamus gezählt. Der Thalamus dorsalis stellt die größte Ansammlung von

Nervenzellen im gesamten Nervensystem dar. Bis auf die olfaktorischen Impulse werden alle sensiblen
und sensorischen Afferenzen vom Thalamus weitergeleitet und in motorische Erregungsschleifen
integriert. Die sog. spezifischen Kerne stehen mit definierten Cortexarealen in reziproker Verbindung,
während die unspezifischen Kerne mit dem Hirnstamm und anderen Thalamuskerngebieten verbunden

sind bzw. diffus in den Cortex projizieren.


Der Hypothalamus ist ein Steuerzentrum für die Hypophyse und das autonome Nervensystem. Der
Hypothalamus sichert das Überleben des Individuums und seiner Art (Art- und Selbsterhalt). Damit
werden seine Kontrollfunktionen über Wachstum und Metabolismus, Reproduktion und Brutpflege,
Nahrungs- und Wasseraufnahme, Temperaturstabilität, Schlaf-Wach-Rhythmus, aber auch über die

autonomen Abläufe von Angriffs- und Verteidigungsverhalten verständlich. Auch der Epithalamus wird
mit der Kontrolle überlebenswichtiger Verhaltensprogramme in Verbindung gebracht, wohingegen der
Subthalamus zu den Basalganglien gehört und somatomotorische Funktionen übernimmt.

58
6 Telencephalon (Endhirn)

6.1 Übersicht

Der Begriff ‚Großhirn’ wird in den Büchern unterschiedlich gebraucht und gelegentlich dem Begriff ‚Endhirn’
gleichgestellt; er kann sich aber auch auf alle Gehirnteile bis auf das Kleinhirn beziehen, d.h. das Endhirn,

Zwischenhirn und den Hirnstamm zusammenfassen. Das Endhirn im engeren Sinn besteht also aus den
beiden Hemisphären des Gehirns, die durch eine Fissura longitudinalis getrennt sind, und aus jeweils fünf
Lappen bestehen (frontal, parietal, temporal, occipital und insulär). In der Mittellinie befindet sich das
Telencephalon medium, das oberhalb des Chiasma opticum gelegen die Commissura anterior, die Lamina
terminalis (eine dünne Membran, die den dritten Ventrikel nach vorne begrenzt) und die Area preoptica
umfasst. Letztere wird dem Hypothalamus zugerechnet, leitet sich aber embryologisch vom Telencephalon ab.
Jede Hemisphäre besitzt drei Pole, die sich in der Fossa cranii anterior (Polus frontalis), der Fossa cranii media
(Polus temporalis) und auf dem Tentorium cerebelli (Polus occipitalis) befinden. In ihrem Innern sind die mit

Liquor gefüllten Seitenventrikel (Ventriculus I und II) lokalisiert. Die insgesamt vier Oberflächen der

Funktionelle Lokalisationen im Cortex cerebri

Die Kommunikation beider Hirnhälften ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass
Schlüsselfunktionen wie z.B. die Sprache, Händigkeit, visuell-räumliches Vorstellungsvermögen,
analytisches Denken oder musisches Verständnis primär nur auf einer Seite lokalisiert sind (in der
jeweils dominanten Hemisphäre), aber beide Seiten an der Verarbeitung und Integration sensorischer
und motorischer Funktionen beteiligt werden. Diese funktionelle Lateralisation kann, muss aber nicht,
mit einer strukturellen Asymmetrie einhergehen. Beispielsweise finden sich morphologische
Unterschiede im kontralateralen Gyrus precentralis bei Rechts- bzw. Linkshändern oder im Planum
temporale (hinterer Teil des Gyrus temporalis superior) in Bezug auf das Sprachverständnis (Wernicke-
Zentrum). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kortikale Funktionen immer an die Intaktheit
neuronaler Netze (Ketten von synaptisch miteinander zusammenhängenden Nervenzellen) gebunden
sind, die in der Regel über verschiedene kortikale Areale beider Hemisphären verteilt sind. An
manchen Orten der Rinde (‘hot spots’) sind eine Vielzahl von Nervenzellen bzw. ihre Fortsätze
(Axone), die im Zusammenhang mit einer bestimmten Funktion stehen, auf engem Raum
zusammengedrängt. Hier befinden sich diejenigen Areale, die bei hoher Aktivität in funktionell-
bildgebenden Studien eine erhöhte Durchblutung anzeigen und damit mit der jeweiligen Funktion in
Zusammenhang gebracht werden.

59
Hemisphären (superior, inferior, lateral, medial) sind von den Hirnwindungen ( Gyri cerebrales) bedeckt, so

dass nur ca. 1/3 der Oberfläche sichtbar ist. Die Windungen selbst sind wiederum von dem 3-5 mm dicken
Cortex cerebri überzogen, der zusammen mit der darunter liegenden weißen Substanz auch als Mantel
(Pallium) bezeichnet wird.

Zwischen den Windungen liegen die Sulci cerebrales, von denen die ersten im 6. Monat der vorgeburtlichen

Entwicklung sichtbar werden (bei Geburt ist die Gyrierung der Hemisphären komplett). Der bis auf die
Inselrinde (Insula) einschneidende Sulcus lateralis befindet sich zwischen Frontal- und Parietallappen einerseits
und Temporallappen andererseits. Der darüber liegende Sulcus centralis trennt den Frontal- von dem dahinter
liegenden Parietallappen. Die beiden Hemisphären sind insbesondere über das Corpus callosum (Balken)
miteinander verbunden.

6.2 Subcorticale Kerne (Basalganglien)

Die unterhalb der Hirnrinde im Marklager gelegenen Nervenzellansammlungen (Nuclei), die im Dienste der
Motorik stehen, werden als Basalganglien bezeichnet. Es handelt sich um folgende Strukturen:

 Striatum (Ncl. caudatus + Putamen) und Globus pallidus (Pallidum) – Telencephalon

 Ncl. subthalamicus – Diencephalon

 Substantia nigra (pars compacta) – Mesencephalon

Allerdings entstehen nur das Striatum und das Pallidum aus dem Ganglienhügel der Hemisphärenbläschen,

sind also Basalganglien im eigentlichen Sinn. Neuroembryologisch wären beispielsweise auch der basale Anteil
des Corpus amygdaloideum und der Nucleus accumbens (ventrofrontales Striatum) dazuzuzählen - ihr

primärer Bezug zur Somatomotorik ist aber nicht gegeben.

Putamen und Pallidum werden als Nucleus lentiformis (Linsenkern) zusammengefasst. Der mediale (innere)
Anteil des Pallidum sowie die medialen Septum- und präoptischen Kerne des Hypothalamus entspringen
ebenfalls dem medialen Ganglienhügel und stellen somit auch telencephale Anlagen dar. Es ist zwar in der

Neurologie üblich, Derivate des Zwischen- und Mittelhirns als Basalganglien zu bezeichnen, aus entwicklungs-

biologischer Sicht aber nicht korrekt.

60
6.2.1 Corpus striatum

Das Striatum besteht also aus zwei Kerngebieten, dem Ncl. caudatus und dem Putamen. Beide werden von
denjenigen Nervenfasern, die den Cortex mit darunter liegenden Strukturen verbinden (vorderer Anteil der
Capsula interna), durchkreuzt. Dadurch verbleiben Inseln grauer Substanz, die dem Striatum seinen Namen
gegeben haben (‚gestreift‘). Afferenzen erhält das Striatum über die Fibrae corticostriatales von allen

Bereichen des Neocortex, über die Fibrae centrostriatales vom Ncl. centromedianus des Thalamus sowie über
die Fibrae nigrostriatales (dopaminerge Axone) aus der Substantia nigra. Seine Efferenzen wirken hemmend
auf den Globus pallidus und die Substantia nigra. Es ist wichtig, dass das Striatum nicht direkt in den Cortex
zurückprojiziert.

Das Striatum ist das oberste Integrationsorgan des sog. extrapyramidalen Systems (EPMS), dessen

Hauptaufgabe es ist, Bewegungsimpulse zu hemmen oder zu bahnen und gelernte motorische


Programme abzurufen. Während das Kleinhirn die Bewegungsprogramme im wesentlichen modifiziert,
ist das Striatum zusammen mit dem Globus pallidus primär für das Abrufen automatisierter

Bewegungen verantwortlich.

Kann das Striatum die Kontrolle über den Globus pallidus nicht mehr übernehmen, entsteht die Chorea

Huntington, eine genetische (autosomal-dominante) Erkrankung, die mit spontanen und irregulären
Bewegungen (Hyperkinesien) insbesondere des Kopfes und der distalen Extremitäten einhergeht. Das Striatum
atrophiert im Verlauf dieses nicht behandelbaren Leidens (für weitere Informationen zur Neurodegeneration
wird ein 2021 erschienenes Sachbuch empfohlen: 'Parkinson und Alzheimer heute - Was wir über
Neurodegeneration und ihre Therapie wissen' - über SpringerLink kostenfrei verfügbar für Studierende).

Der untere Teil des Caput nucl. caudati wird auch als Nucleus accumbens bezeichnet und spielt eine
Schlüsselrolle bei Abhängigkeits-Syndromen. Er reagiert auf Dopamin, das im ventral-tegmentalen Areal (VTA)
des Mittelhirns hergestellt wird und in diesem Kern ein Belohnungsgefühl auslöst (insbesondere, wenn ein
Ergebnis die eigene Erwartungshaltung weit übertrifft).

61
Nucl. caudatus

Motorische/prämotorische
Rinde Corticostriatales Neuron

Putamen
Corticopontine Bahn mit
Axonkollaterale zur Olive
Thalamus (VL)

Pallidum

Nucleus ruber Substantia nigra

Tractus dentatorubralis/
dentatothalamicus

Tractus tegmentalis centr. Nucl. dentatus

Purkinje-Zellen

Tractus pontocerebellaris

Nucl. olivaris inf.

Tractus olivocerebellaris

Neuronale Schaltkreise der Motorik

6.2.2 Globus pallidus

Aufgrund einer hohen Zahl myelinisierter Axone wirkt das Pallidum heller als umgebende Kerne (pallidus, pale,
blass). Eine Lamina medullaris externa trennt es vom Putamen. Eine Lamina medullaris interna trennt den

Globus pallidus in einen äußeren (lateralen) und inneren (medialen) Anteil. Die wichtigsten Afferenzen erhält
das Pallidum vom Striatum, dem Ncl. subthalamicus (zum Pallidum mediale) und vom Thalamus. Efferenzen

gelangen zum Thalamus (vom Pallidum mediale) und Ncl. subthalamicus (vom Pallidum laterale).

Der mediale Anteil hat hemmende, der laterale Anteil aktivierende Funktionen auf die Motorik.

6.2.3 Ncl. subthalamicus


Lateral vom Hypothalamus unter dem Sulcus hypothalamicus liegt der Nucleus subthalamicus. Dieses
Kerngebiet bildet die rostrale Fortsetzung der im Mittelhirn lokalisierten Substantia nigra. Zusammen mit der
Zona incerta und den Forel’schen Feldern bildet der Kern den Subthalamus. Seine Afferenzen und Efferenzen

gelangen über den Fasciculus subthalamicus zum Pallidum (s. Kap. 5).

62
Über eine Aktivierung des Pallidum mediale wirkt das Kerngebiet insgesamt bewegungshemmend. Bei Ausfall

tritt das sog. ballistische Syndrom auf, das mit unwillkürlichen, schleudernden oder stoßenden Bewegungen
insbesondere der proximalen Armmuskulatur einhergeht (siehe auch https://www.klimasbrainblog.com/).

Sensorischer Cortex Assoziationscortex Sensorischer


Limbisches System
Cortex

p.ret.
D1 D2
Substantia nigra Striatum
+ (reguliert)
Striatum - Cerebellum
Pallidum lat. aktivierend
p.com.
p.ret.
hemmend
D1 aktivert, D2 hemmt
Tiefenhirnstimulation blockt neuronale Aktivität

Pallidum med. subthalamicus


Nucl. Subthalamicus Pallidum lat.

Ansa lenticularis

Thalamus (NVL/NVA)
Motorischer Cortex Motorischer Cortex Hirnstamm/Rückenmark
Hirnstamm/Rückenmark Muskelkontraktion

Flussdiagramm funktioneller Verbindungen motorischer Areale und Kerne im ZNS

6.2.4 Corpus amygdaloideum (Amygdala)

Der Mandelkern befindet sich im vorderen Temporallappenpol (Uncus-Bereich) als kraniale Fortsetzung der
Cauda des Nucleus caudatus. Er besteht aus einem tiefen und einem oberflächlichen Anteil. Lateraler,
basolateraler und basomedialer Anteil werden zu den tiefen (zentralen) Kernen gerechnet, wohingegen die
corticalen, medialen und periamygdaloiden Subkerne zu den oberflächlichen Kernen gezählt werden.

Afferenzen und Efferenzen erreichen bzw. verlassen das Corpus amygdaloideum im wesentlichen über die
Stria terminalis. Sie verläuft bogenförmig in der Grenzfurche zwischen Ncl. caudatus und Thalamus bis zur
Commissura rostralis, in der Axone aus palaeocorticalen (pars anterior) und temporalen (pars posterior)
Rindenbereichen kreuzen. Wichtige Efferenzen ziehen zu den Septumkernen, zum Hypothalamus und zur

Regio preoptica. Einige Faserbündel laufen in der Stria medullaris thalami weiter zu den Habenulakernen und

dem Hirnstamm. Daraus ergibt sich, dass engste Verbindungen mit dem Riechsystem und dem vegetativen
Nervensystem bestehen. Die zentralen Kerne haben dazu noch ausgeprägte Verbindungen mit dem frontalen

und temporalen Neocortex. Die Hauptfunktion der Amygdala als zentrales Kerngebiet des limbischen Systems

ist es, angstbesetzte Gedächtnisinhalte (emotionales Gedächtnis) zu speichern und Aggressionen auszulösen.

6.2.5 Claustrum
Unterhalb der Inselrinde (getrennt durch die Capsula extrema) und lateral vom Putamen (getrennt durch eine
Capsula externa) befindet sich das Claustrum. Es hat enge Verbindungen zum und entsteht aus dem Cortex,
aber seine Funktion ist weitgehend unbekannt.

63
6.3 Cortex cerebri (Großhirnrinde)

Archicortex und Paleocortex werden als Allocortex zusammengefasst und dem Isocortex (Neocortex) aufgrund
ihres vereinfachten Schichtenaufbaus gegenübergestellt. Folgende Zuordnungen lassen sich treffen:

 Palaeocortex: Bulbus und Tractus olfactorius, Tuberculum olfactorium (Bereich der Subst. perf. ant.),
periamygdaloider Cortex (Gyrus semilunaris), Septumbereiche
 Archicortex: Hippocampus und Regio entorhinalis (Gyrus parahippocampalis), Teile des Gyrus cinguli

 Neocortex: Lobus frontalis, parietalis, occipitalis und temporalis

6.3.1 Palaeocortex

Der Paleocortex ist der phylogenetisch älteste Teil des Endhirns (palaios, alt). Er ist für die

Geruchswahrnehmung und ihre Weiterleitung zu den olfaktorischen Zentren verantwortlich, d.h. er bildet mit

seinen Strukturen das Riechhirn (Rhinencephalon), macht aber nur einen kleinen Teil des Großhirns aus. Der

vordere Teil des Gyrus parahippocampalis wird auch als entorhinaler Cortex bezeichnet.

Fissura longitudinalis

Induseum griseum

Striae longitudinales med. et lat. Bulbus olfactorius

Nuclei septales
Tractus olfactorius
Fornix praecommissuralis
Stria olfactoria med.
Commissura ant.
Tuberculum olfactorium
Columna fornicis
Stria olfactoria lat.
Nucl. ant. thalami
Corpus amygdaloideum
Tractus mamillothalamicus
Cornu ammonis

Commissura fornicis Subiculum

Gyrus dentatus
Crus fornicis

Fimbria hippocampi
Corpus callosum
Gyrus fasciolaris

Blick von oben auf paleo- und archicorticale Strukturen

64
6.3.2 Archicortex

6.3.2.1 Hippocampusformation

Limbisches System

Dem limbischen Sytem wird das emotionale Empfinden und die dauerhafte Speicherung expliziter
Gedächtnisinhalte zugeordnet. Es bestimmt daher Affektverhalten, Sexualität, Motivation, intellektuelle
Leistungen u.a.m. Diese Funktionen stehen unter dem Gesichtspunkt des Selbst- und Arterhalts, die
stets von Lust- oder Unlustgefühlen begleitet sind. Enge Verbindungen mit zentralen autonomen
Bereichen werden dadurch verständlich. Als limbisches System fasst man mehrere Cortex- und
Kerngebiete zusammen, die kein in sich geschlossenes System bilden, sondern in einem engen
funktionellen Zusammenhang mit anderen Gehirnarealen stehen.

Der Hippocampus ist ein wichtiger Teil des limbischen Systems an der Innenseite des Temporallappens, der

vom Gyrus parahippocampalis verdeckt wird und sich an der medialen Wand des Unterhorns der

Seitenventrikel befindet. Über dem Gyrus parahippocampalis liegt im Sulcus hippocampi der Gyrus dentatus,
in den sich das Ammonshorn einrollt. Dieses Cornu ammonis wird in die Felder CA1 bis CA4 eingeteilt, die sich
in der Dichte der Pyramidenzellen unterscheiden. Das Indusium griseum stellt die Fortsetzung des

Hippocampus nach dorsal dar. Es handelt sich um einen dünnen, aus grauer Substanz bestehenden Streifen,

der auf dem Balken bis zu seinem rostralen Ende verläuft. Der Fornix sammelt die meisten hippocampalen

Efferenzen und verläuft unter dem Balken zu den Corpora mamillaria und anderen hypothalamischen
Kerngebieten. Afferenzen erhält der Hippocampus aus der Area entorhinalis (Gyrus parahippocampalis) über
den Tractus perforans, aus dem Subiculum (über den Alveus), aus dem Assoziationscortex und aus dem Gyrus

cinguli. Der Hippocampus ist wichtig für Emotionen und explizite (deklarative) Gedächtnisbildung, d.h.
Überführung von Daten in das Kurzzeitgedächtnis (anteriorer Hippocampus) und von dort in das
Langzeitgedächtnis (posteriorer Teil des Hippocampus). Weiterhin ist der Hippocampus als wesentlicher
Bestandteil des Neuronenkreises von Papez (Nucl. ant. thalami – Gyrus cinguli – Hippocampus – Fornix –
Corpus mamillare - Nucl. ant. thalami) auch für den Abruf von expliziter (in Worte und Zahlen fassbarer)

Information notwendig.

65
Commissura fornicis
Indusium griseum

Splenium corp. callosi


Genu corporis callosi

Gyrus fasciolaris

Corpus fornicis

Columna fornicis

Corpora mammillaria Crus fornicis

Fimbria hippocampi
Chiasma opticum

Gyrus dentatus
Infundibulum

Hypophyse Pes hippocampi


Cornu ammonis
Pons

Dargestellt ist der innere limbische Bogen. Zum äußeren limbischen Bogen wird der Gyrus cinguli über dem
Balken und der Gyrus parahippocampalis am medialen Temporallappenrand gerechnet

6.3.3 Neocortex

6.3.3.1 Rindenfelder nach Brodmann

Obwohl der Neocortex durchgehend einen ähnlichen Schichtenaufbau besitzt, zeigt er doch Variationen, die

eine Einteilung in über 50 verschiedene Rindenfelder (Areae nach Brodmann) zulassen. In einzelnen Feldern
unterscheiden sich die Schichten in ihrer Breite und Zelldichte. In sensibel-sensorischen Arealen ist der
granuläre Cortex vorherrschend: die Körnerschichten (Lamina II + IV) sind stark verbreitert und zellreich, z.B.
im Gyrus postcentralis und in der Hörrinde. In der Sehrinde wird die innere Körnerschicht sogar durch eine
dünne markhaltige Zone, den Gennari-Streifen (geteilte Lamina IV), getrennt (daher auch der Begriff Area

striata für die Sehrinde).

Der agranuläre Cortex ist typisch für die motorischen Brodmann-Areale. Hier sind die Körnerschichten

zurückgebildet, die Pyramidenschichten (Lamina III + V) dafür stark erweitert. Im Gyrus precentralis sind in der
Lamina V insbesondere die Betz’schen Riesenpyramidenzellen zu finden, deren Axone als Teil der
Pyramidenbahn bis in das Sakralmark reichen.

66
6.3.3.2 Mikroskopische Anatomie des Neocortex

I. Molekularschicht (Lamina molecularis)


II. Äußere Körnerschicht (Lamina granularis externa)
III. Äußere Pyramidenschicht (Lamina pyramidalis externa)
IV. Innere Körnerschicht (Lamina granularis interna)

V. Innere Pyramidenschicht (Lamina pyramidalis interna)


VI. Multiforme Schicht (Lamina multiformis)

Neben diesem horizontalen Schichtenaufbau findet man im Neocortex vertikale Kolumnen, die eine
modulartige Verschaltung verschiedener Zellarten ermöglichen. Hierbei soll es sich um eigenständige

funktionelle Einheiten handeln.

6.3.3.3 Funktionelle Einteilung

In den sog. Primärarealen des Cortex enden zum einen die Sinnesbahnen (z.B. die Sehbahn im visuellen
Cortex), andererseits handelt es sich um die Ausgangsorte für motorische Impulse (z.B. der Gyrus precentralis).
Die Sekundärfelder sind den Primärfeldern nachgeschaltet, d.h. hier finden Interpretation und Zuordnung von
Sinnesinformationen statt (z.B. werden Laute zu Silben und Wörtern zusammengesetzt). Tertiär- oder

Assoziationsfelder verbinden Primär- und Sekundärfelder verschiedener Lappen (z.B. können akkustische und
visuelle Reize in Verbindung gebracht werden, so dass eine neue Assoziation entsteht).

6.3.3.4 Frontallappen

Der im Primatengehirn größte Lappen ist primär für Willkürbewegungen (Motorik) und Verhalten
(Psychomotorik) verantwortlich. Komplexe motorische Programme, die z.B. die Sprache oder koordinierte
Augenbewegungen betreffen, gehen von den frontalen Windungen aus. Der Frontallappen wird durch den

Sulcus centralis vom Parietallappen getrennt. Zwischen Sulcus centralis und Sulcus precentralis befindet sich
der Gyrus precentralis (Motorcortex im engeren Sinn, Area 4 nach Brodmann). Parallel zum Sulcus lateralis
liegen die Sulci frontales inferior et superior , gelegentlich findet sich auch ein Sulcus frontalis medius. Die Sulci
begrenzen die Gyri frontales (sup., med. und inf.). Am Gyrus frontalis inferior unterscheiden wir eine pars
orbitalis von einer pars triangularis und einer pars opercularis.

Primär-motorische Rinde

Im Gyrus precentralis (Brodmann Areal 4) und median angrenzenden Bereichen (vorderer Teil des Lobulus

paracentralis) befindet sich der Ursprung von ca. der Hälfte aller Pyramidenbahn-Axone. Sie projizieren zu den
kontralateral gelegenen Motoneuronen in Hirnstamm und Rückenmark, die für Muskeln in den

unterschiedlichen Körperteilen (Extremitäten, Stamm, Kopf) zuständig sind. Der Tractus corticonuclearis

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projiziert zu den motorischen Kernen der Hirnnerven, wohingegen der Tractus corticospinalis zum Vorderhorn

des Rückenmarks zieht. Die peripheren Innervationsareale sind landkartenartig ( somatotopisch) auf dem
motorischen Cortex verteilt (motorischer Homunkulus), wobei die für die Feinmotorik verantwortlichen
Muskeln an Hand, Gesicht und Zunge besonders große Anteile einnehmen. Über dem Sulcus lateralis liegt der
Bereich für das Gesicht, es folgen nach dorsal (oben) die Hand, der Arm, dann der Rumpf und das im Bereich

der Mantelkante an der Fissura longitudinalis cerebri für das Bein zuständige Areal.

Im vorderen Anteil von Area 4 liegen hauptsächlich Neurone, die aufgrund propriozeptiver Information
Bewegungen auslösen (Area 4a), dahinter befinden sich die gleiche Muskeln ansteuernden Neurone, die
taktile Empfindungen umschalten (Area 4b, doppelte Repräsentation). Die Projektionsneurone des Gyrus
precentralis werden vor allem durch den Ncl. ventralis lateralis des Thalamus angesteuert. Sie erhalten aber
auch Input vom Gyrus postcentralis und von der prämotorischen Rinde.

Prämotorische Rinde

Diese auch als supplementär-motorisches Areal oder Area 6 bezeichnete Region erhält Afferenzen und
entsendet Efferenzen ähnlich zum Gyrus precentralis. Zusätzliche Verbindungen bestehen über den Tractus

frontopontinus zu den pontocerebellären Neuronen sowie zu verschiedenen Kerngebieten im Hirnstamm


(Formatio reticularis, Ncl. ruber).

Frontales Augenfeld

Das frontale Blickzentrum (Area 8) liegt unmittelbar vor der prämotorischen Rinde. Es enthält Afferenzen aus

der primären und sekundären Sehrinde im Occipitallappen und projiziert seinerseits über den Tractus

corticonuclearis zum III. und VI. Hirnnervenkern sowie zur Formatio reticularis. Von hier aus werden
Augeneinstellbewegungen auf ein gewähltes Blickziel (unwillkürlich, reflektorisch) vorgenommen.

Motorisches Sprachzentrum

Das Broca-Areal (Area 44 und 45) befindet sich im Bereich der pars opercularis und triangularis des Gyrus

frontalis inferior. Wesentliche Afferenzen kommen aus der primären und sekundären Hörrinde sowie dem
Gyrus angularis, der den Gyrus temporalis superior nach oben fortsetzt. Die Efferenzen gelangen zum Gyrus
precentralis (Motorik der Sprechmuskulatur). Im Sprachzentrum wird die Sprache in ihrem Wort- und Satzbau
geformt (Sprachbildung). Das Areal darf nicht mit dem sensorischen Sprachzentrum nach Wernicke im
Temporallappen verwechselt werden, welches für unser Sprachverständnis zuständig ist. Das Broca-Zentrum
ist in seiner Funktion zumeist nur einseitig in der dominanten Hemisphäre ausgeprägt (bei Rechtshändern
immer links, bei Linkshändern rechts oder links). Es kann daher bei einem Ausfall nicht durch die kontralaterale

Hemisphäre kompensiert werden. In diesem Fall spricht man von einer motorischen Aphasie (a-phasia, ohne
Sprache).

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Cortex*

Capsula interna
(Crus posterius)

Mesencephalon
(in Crura cerebri mittig)

Pons (vorne) Somatomotorik -


Tractus corticospinalis

Medulla spinalis Pyramidenkreuzung, aber 12% der


(Tr. corticospinalis lat.) Axone kreuzen erst auf Segmenthöhe

*motorischer Cortex (BA4),


prämotorischer Cortex (BA6),
Muskulatur frontales Ausgenfeld (BA8),
präfrontaler Cortex, Broca-
Zentrum (BA44/45), zingulärer
motorischer Cortex (BA24),
somatosensibler Cortex (25%!)

Die Pyramidenbahn

Frontales Blasenzentrum

Im Gyrus cinguli und Gyrus frontalis medialis findet sich ein Areal mit vor allem hemmenden Einfluss auf die
Harnblasen- und Enddarmentleerung.

Präfrontale Rinde

Rostral der prämotorischen Rinde gelegenes Feld, das für das Kurzzeit- bzw, Arbeitsgedächtnis und höhere

geistige Leistungen notwendig ist.

6.3.3.5 Parietallappen

Gyrus postcentralis (primär-somatosensible Rinde, Areae 1-3)


Die somatotopische Gliederung ist jener im motorischen Cortex ähnlich: über dem Sulcus lateralis liegt der
Bereich für Schlund und Mundhöhle, nach dorsal folgen Hand, Arm, Rumpf, Bein, Blase, Mastdarm und

Genitale (sensibler Homunculus). Die feindifferenzierten Wahrnehmungsorgane wie z.B. Gesicht und Hand
sind überproportional repräsentiert, was mit der hohen Rezeptordichte in der Peripherie zusammenhängt.

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Sekundär-somatosensible Rinde (Areae 5, 7)

Hinter dem Gyrus postcentralis gelegener Cortex, der für die interpretative Zuordnung der Sinnesreize, die in
den Gyrus postcentralis gelangen, zuständig ist.

Gyrus angularis (Area 39)


Er legt sich um den Sulcus temporalis superior, unterhalb des Gyrus supramarginalis, der sich am hinteren

Ende des Sulcus lateralis befindet. Dieses Assoziationsfeld spielt eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung
visueller Impulse zu den passenden sprachlichen Begriffen, z.B. beim Schreiben und Lesen. Bei Schädigungen
in diesem Bereich treten daher bevorzugt Lese- (Alexie) oder Schreibstörungen (Agraphie) auf.

Hinterer Parietallappen
Diese Region hinter dem Gyrus postcentralis ist für die Orientierung im Raum wichtig, sie erhält visuelle,

auditive, propriozeptive und vestibuläre Informationen.

6.3.3.6 Temporallappen

Die vorderen Anteile des Lobus temporalis werden durch die Commissura anterior miteinander verbunden.
Messungen haben ergeben, dass sie bei Frauen 12% größer ist als bei Männern und bei homosexuellen
Männern 34% größer als bei heterosexuellen Männern.

Gyrus postcentralis

Nucleus ventr. Lemniscus medialis


posterolat.
Nucleus ruber
Nucleus ventr.
posteromed. Substantia nigra

Ped. cereb. inf.

Ganglion
trigeminale

Lemniscus med.

Nucl. n. trigemini

Nucleus gracilis

Nucleus cuneatus

Verlauf der Hinterstrangbahnen für die Exteroception und bewusste Proprioception

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Primäre Hörrinde (Area 41)

Diese in der Tiefe des Sulcus lateralis an der Dorsalfläche des Temporallappens lokalisierten Gyri temporales
transversi (Heschl’sche Querwindungen) sind Endigungsareale der Hörbahn und daher für das
interpretationslose Bewusstwerden von auditorischen Impulsen aus dem Innenohr notwendig. Axone der
Hörbahn enden in einer tonotopischen Gliederung: Tiefe Frequenzen anterolateral, hohe posteromedial.

Sekundäre Hörrinde (Areae 42, 22)


Lateral von der primären Hörrinde befinden sich sekundäre Areale, die in der dominanten Hemisphäre für die
rationale Interpretation der auditorischen Impulse zuständig sind (Sprachverständnis, sensorisches
Sprachzentrum nach Wernicke). In der nicht-dominanten Hälfte (zumeist rechts) liegt die Fähigkeit zur
musischen Interpretation. Die Efferenzen zum motorischen Sprachzentrum laufen über die Fibrae arcuatae
cerebri (Fasciculus arcuatus) und den Fasciculus longitudinalis superior.

6.3.3.7 Occipitallappen

Primäre Sehrinde (Area striata, Area 17)


An der Medialfläche des Occipitallappens, ober- und unterhalb des Sulcus calcarinus, befindet sich das
Endigungsgebiet der Sehbahn mit Afferenzen aus dem Corpus geniculatum laterale . Die Area striata projiziert
in die Areae 18 und 19, in denen es zu einer bewussten Zuordnung optischer Impulse kommt. Jedem Ort auf

der Netzhaut entspricht dabei ein spezifisches Areal der primären Sehrinde, wobei die Fovea centralis (Ort des
schärfsten Sehens) ca. 4/5 einnimmt; die oberen Retinaquadranten projizieren auf die obere Calcarinalippe
(unteres Gesichtsfeld); die unteren Retinaquadranten projizieren auf die untere Calcarinalippe (oberes

Gesichtsfeld).

Sekundäre Sehrinde (Areae 18, 19)

Sie liegt hufeisenförmig um die primäre Sehrinde. Efferenzen projizieren zum frontalen Augenfeld, dem Gyrus
angularis sowie zu den Colliculi superiores (Verschaltung des Akkommodationsreflexes).

6.3.3.8 Inselrinde (Insula, Lobus insularis)

In der Fossa lateralis, bedeckt vom Operculum frontale, parietale und temporale (Opercula sind ‚Deckel‘, die
sich über die langsamer wachsende Inselrinde legen), befindet sich ein Übergangsgebiet von Neocortex zu
Paleocortex, das daher auch als Mesocortex bezeichnet wird. Die Inselrinde besitzt zwar eine Sechsschichtung

wie der Neocortex, diese ist aber nicht sonderlich stark ausgeprägt; in der V. Schicht liegen die
Pyramidenzellen dicht aneinander, was charakteristisch für diese Region ist und sonst nur noch im Gyrus

cinguli vorkommt. Die Insel hat eine wichtige Bedeutung bei der Wahrnehmung viscerosensibler Reize
(Hunger, Übelkeit), bei der Geschmacksempfindung und bei der Schmerzverarbeitung. Von hier aus gelangen
visceromotorische Impulse über Hypothalamus und Corpus amygdaloideum in den Hirnstamm
(Magensaftsekretion, Blutdruckanstieg usw.).

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6.3.4 Bahnen der Großhirnrinde

6.3.4.1 Assoziationsbahnen

Verknüpfen einzelne Areale einer Hemisphäre miteinander.

6.3.4.2 Kommissurenbahnen

Verbinden Areale beider Hemisphären – Beispiele: Corpus callosum und Commissura anterior.

6.3.4.3 Projektionsbahnen

Verbinden den Cortex mit subcorticalen Zentren (Thalamus, Basalganglien, Hirnstamm). Sie befinden sich in

der Capsula interna, externa und extrema. Die Capsula interna wird begrenzt medial vom Ncl. caudatus und
dem Thalamus, lateral vom Putamen und Pallidum. Absteigende Bahnen (von rostral nach occipital) sind der
Tractus frontopontinus (crus anterius), die corticonukleäre Bahn (genu), die corticospinale Bahn sowie der

Tractus temporopontinus. Als aufsteigende Bahnen (von rostral nach occipital) finden sich thalamocorticale
Axone sowie die Seh- und Hörstrahlung im hinteren Schenkel.

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